Antonius und Cleopatra 1
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Antonius und Cleopatra 1
Valerie Pachner, Hanna Scheibe Antonius und Cleopatra 1 AN DIE RÖMER, Horaz 01 01 Wohin, wohin ihr Rasenden? Warum liegt die Faust Schon wieder euch am Heft des Schwerts? Sind Land und Meer denn immer noch zur Gnüge nicht Gesättigt mit Latinerblut? Nicht zu verbrennen gilt es jetzt Carthagos Burg, Der stolzen Nebenbuhlerin, Noch wilde Briten kettenschwer aufs Capitol Dahinzuführen im Triumph. Nein, fallen soll, zur Lust dem Parther, diese Stadt Selbstmörderisch durch eigne Hand. So würden Wölfe nimmer hausen oder Leun, Nur Ungleichartges würgen sie. Euch aber, reißt euch blinde Wut, reißt Götterzorn, Reißt Schuld euch hin? Gebt Rechenschaft! Ihr schweigt und werdet totenbleich und starrt mich an, Entsetzen lähmt euch, weil ich’s traf. So ist’s: ein furchtbar Schicksal treibt die Römer um, Der finstre Geist des Brudermords, Seit Remus’ Blut, schuldlos vergossen, diesen Grund Zum Fluch den Enkeln rot gefärbt. 05 10 15 20 05 10 15 20 [Klassisches Liederbuch Griechen und Römer, Leipzig 1959] Der Gassen Wut, der Bürger wilder Streit soll alle Landstriche Italiens plagen! Blut und Verheerung sollen so gewohnt sein und alle Schreckensdinge so vertraut, dass Mütter nur noch Lächeln, wenn sie sehn ihr Kind gevierteilt von der Hand des Krieges, weil alles Mitleid stirbt, erstickt von Greueln. 60 [Shakespeare, Julius Caesar. Übersetzung E. Fried, Berlin 1985] 65 Während in Shakespeares Stück der Antonius ein Weltreich in Kriege stürzt durch seine Leidenschaft für Kleopatra, seine Liebesseufzer übergehen in die Seufzer sterbender Legionäre, seine Besuche bei der Geliebten in Seeschlachten, seine Liebesschwüre in politische Kommuniqués, verliert ein englischer King heute einfach in ähnlicher Lage seinen Job und wird glücklich. Das Thema der Kunst ist, dass die Welt aus den Fugen ist. Wir können nicht sagen, dass es keine Kunst gäbe, wenn die Welt nicht aus den Fugen wäre, noch dass es dann eine Kunst gäbe. Wir kennen keine Welt, die nicht aus den Fugen war. Die Welt des Aischylos, was immer die Universitäten von Harmonie murmeln mögen, war erfüllt mit Kampf und Schrecken und so die des Shakespeare und die des Homer, des Dante und des Cervantes, des Voltaire und des Goethe. Wie friedlich immer der Bericht erschien, es handelt von Kriegen, und wenn die Kunst ihren Frieden mit der Welt macht, so machte sie ihn mit einer kriegerischen Welt. 70 75 80 [Bertolt Brecht, Schriften zum Theater 1. Frankfurt a.M. 1967] 25 85 25 GROSSE GRIECHEN, GROSSE RÖMER, Plutarch 30 Nachdem die Feste verrauscht waren, wies Antonius den Bühnenkünstlern Priene als Wohnsitz an, fuhr selbst nach Athen und lebte dort wieder in Saus und Braus. Eifersüchtig auf die Octavia in der Stadt dargebrachten Ehrungen – denn Octavia erfreute sich größter Beliebtheit bei den Athenern – suchte Kleopatra das Volk durch große Stiftungen zu gewinnen. Die Athener beschlossen denn auch Ehrungen für sie und schickten Abgesandte zu ihr ins Haus, um das Dekret zu überbringen, und einer der Abgesandten war Antonius in seiner Eigenschaft als Bürger von Athen. So trat er denn vor sie und hielt eine Rede im Namen der Stadt. Nach Rom schickte er Leute mit dem Auftrag, Octavia aus seinem Hause zu weisen. So zog sie – wird berichtet – aus und nahm alle Kinder des Antonius mit, ausgenommen nur den ältesten Sohn von Fulvia – denn der befand sich bei dem Vater –, indem sie weinte und klagte, dass auch sie als eine der Schuldigen am Kriege dastehen sollte. Die Römer aber bedauerten nicht sowohl sie wie den Antonius, und besonders diejenigen, welche durch den Augenschein wussten, dass Kleopatra weder an Schönheit noch an Jugendblüte einen Vorzug vor Octavia hatte. 35 40 45 Titius und Plancus, zwei Freunde des Antonius und gewesene Konsuln, die von Kleopatra schwer beleidigt worden waren, weil sie in der Frage ihrer Teilnahme am Feldzug am schärfsten gegen sie aufgetreten waren, gingen jetzt zu Caesar über und machten Enthüllungen über das Testament des Antonius. Das Testament war bei den Vestalinnen hinterlegt, aber auf Caesars Anfordern verweigerten sie die Herausgabe und ließen ihm sagen, wenn er wolle, solle er selbst kommen und es abholen. Er ging also hin und holte es, las es erst selbst für sich durch und markierte sich gewisse Stellen, aus denen sich leicht Anklagen ableiten ließen, versammelte dann den Senat und las es vor, was die meisten peinlich empfanden, denn es erschien allem Brauch zuwider und unerhört, dass 50 55 0040-30 (v Chr) Porträt des Marc Anton 2 0050-40 (v Chr) vermutlich Kopf der Kleopatra VII Antonius und Cleopatra 31 (v Chr)-14 (n Chr) Porträt des Augustus ZUM STÜCK 30 35 40 45 50 55 90 40 bis 30 vor Christus. Es herrscht Krieg innerhalb des römischen Imperiums. Erneut wird um die Macht gerungen. Das Triumvirat, das nach Cäsars Tod die Macht unter sich aufteilte, bekämpft sich nun selbst. Zuerst wird der Schwächste entmachtet: der Triumvir Lepidus. Daraufhin wenden sich die beiden übrigen, Octavian und Marcus Antonius, gegeneinander. Zwei Feldherren und Herrschernaturen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Der Jüngere und der Ältere. Der Radikale und der Korrumpierte. Der, der den Zusammenhalt des Reiches als oberstes Gebot ansieht, und der, der von seiner Liebe nicht lassen will: von Cleopatra, Königin Ägyptens, der auch schon der ermordete Cäsar verfallen war und von der die Römer sagen, sie sei eine verruchte und launische Hure. Wie soll diese Liebe unbeschadet bleiben? Das ganze Stück über ringen Venus und Mars miteinander, reißen Antonius und Cleopatra hin und her zwischen den Pflichten gegenüber ihren Völkern und dem Verlangen nacheinander. Der Feldherr und die Königin misstrauen und lieben sich, verraten und versöhnen sich und unterdes unterliegen sie in den entscheidenden Schlachten. — Octavian lässt das Paar zwar gemeinsam bestatten, aber ihre Kinder töten. Er lässt Cleopatra als Puppe bauen, die er bei seinem Triumphzug durch Rom zur Schau stellt. So kann er sie tot zum ersten Mal vor aller Welt demütigen; das Nachfolgende erledigen die Geschichtsschreiber. Und mit vollem Erfolg, wie die Quellen der Zeit zeigen, auf die sich auch Shakespeare stützt: Plutarch lesend ist das bei ihm noch eine harmlose, vergnügliche Fälschung, weil er sich nur für sein Drama interessiert, aber bei Cassus Dio bleibt nur mehr ein verhurter Trunkenbold übrig. Dass aus diesen Lügengeschichten eine ganze Welt von 1479 Das Grab von Antonius und Kleopatra 1600 Porträt Elizabeth I, Marcus Gheeraerts d.J. et al 1600-30 Kleopatra, Giovanni Francesco Guerrieri 95 100 105 110 115 jemand bei seinen Lebzeiten Rechenschaft für das geben sollte, was er nach seinem Tode getan wissen wollte. Besonders griff er in dem Testament die Verordnung über seine Bestattung an. Er bestimmte nämlich, dass sein Leichnam, wenn er in Rom stürbe, in feierlichem Zuge über das Forum getragen und dann nach Alexandria zu Kleopatra überführt werden sollte. Caesars Freund Calvisius brachte unter den auf Kleopatra bezüglichen Beschuldigungen gegen Antonius auch die folgende vor: er habe ihr die Bibliotheken in Pergamon geschenkt, in denen sich zweihunderttausend Buchrollen befanden, er sei einmal bei einem Gastmahl in Gegenwart vieler Gäste auf Grund einer abgeschlossenen Wette aufgestanden und habe ihr die Füße massiert, er habe geduldet, dass die Ephesier in seiner Gegenwart Kleopatra als Herrscherin begrüßten, er habe oftmals, wenn er auf seiner Tribüne über Tetrarchen und Könige zu Gericht saß, Liebesbriefchen von ihr, auf Onyx oder Kristall geschrieben, in Empfang genommen und gelesen, während Furnius, ein Mann von großem Ansehen und als einer der besten Redner Roms bekannt, eine Rede hielt, sei gerade Kleopatra in einer Sänfte über den Markt getragen worden, da sei Antonius, als er sie sah, aufgesprungen, habe die Gerichtsverhandlung verlassen, sich an ihre Sänfte gehängt und sie begleitet. Doch glaubte man, dass das größtenteils von Calvisius erlogen sei. Indessen gingen die Freunde des Antonius in Rom herum und suchten das Volk für ihn günstig zu stimmen. Sie entsandten auch einen aus ihrer Mitte, Geminius, zu Antonius, um ihn zu bitten, er möge doch nicht ruhig zusehen, dass er seines Amtes entsetzt und als Feind der Römer erklärt werde, Geminius fuhr nach Griechenland, war aber gleich der Kleopatra verdächtig, dass er im Sinne der Octavia wirken wolle, und wurde von ihr stets bei Tafel verspottet und durch Zuweisung eines seiner Würde nicht entsprechenden Platzes gekränkt. Doch ließ er sich das gefallen und wartete auf eine Stunde des Empfanges. Als er nun bei Tafel aufgefordert wurde zu sagen, weswegen er gekommen sei, erklärte er, was er sonst zu sagen habe, gehöre in eine nüchterne Stunde, eins aber wisse er, ob nüchtern oder trunken, dass alles gut gehen werde, wenn Kleopatra nach Ägypten zurückginge. Darüber wurde Antonius sehr böse, Kleopatra aber sagte: „Du hast recht daran getan, Geminius, dass du die Wahrheit ohne Folter eingestanden hast.“ Daraufhin entwich Geminius nach wenigen Tagen und ging nach Rom. Auch noch viele andere Freunde des Antonius wurden von den Schmeichlern Kleopatras verjagt, deren trunkene Späße und Possenreißereien sie nicht mehr ertragen konnten. Aber dermaßen war Antonius nur ein Anhängsel der Frau, dass er trotz seiner großen Überlegenheit zu Lande Kleopatra zu Gefallen den Wunsch hatte, dass die Entscheidung durch die Seemacht fallen sollte, und dies obgleich er sah, dass wegen der unzureichenden Bemannung der Schiffe von den Kapitänen aus dem „schon vielgeplagten“ Griechenland Wanderer, Eseltreiber, Schnitter und unreife Jünglinge zusammengeholt und zum Dienst gepresst wurden, dass aber auch so die Schiffe nicht voll bemannt wurden und größtenteils unvollkommen und schlecht manövrierten. Caesar hingegen hatte eine nicht aus protzig in die Höhe gebauten, sondern aus wendigen, schnellen und vollbemannten Schiffen zusammengestellte und vorzüglich einexerzierte Flotte in Tarent und Brundisium konzentriert und sandte nun zu Antonius mit der Aufforderung, die Zeit nicht zu vertrödeln, sondern mit seinen Streitkräften heranzukommen, er werde der Flotte unbehinderte Ankerplätze und Häfen zur Verfügung stellen und sich mit seinem Landheer von der Küste so weit zurückziehen, wie ein Pferd an einem Tag laufen könne, bis er sicher gelandet sei und sich gelagert habe. In Erwiderung dieser Prahlerei forderte ihn Antonius zum Zweikampf heraus, obwohl er ja der Ältere sei, und wenn er dem ausweiche, schlug er vor, wollten sie mit ihren Heeren bei Pharsalos wie dereinst Caesar und Pompejus den Entscheidungskampf führen. Nun gelang es Caesar, vorweg, während Antonius bei Aktion (dem Orte, wo jetzt die Stadt Nikopolis steht) vor Anker lag, das Ionische Meer zu überqueren und einen Platz in Epeiros, der Toryne („Quirl“) heißt, zu besetzen. Als daraufhin die 1700 Der Tod der Kleopatra, Ignaz Elhafen 1838 Kleopatra und der Bauer, Eugène Delacroix 1875 Der Tod der Kleopatra, Hans Makart 60 65 70 75 80 Cleopatrabildern entstand, vermochte wohl keiner der damaligen Schreiber vorhersehen, waren sie doch zumeist nur bemüht, ihren Auftraggebern zu genügen, sie oder sich selbst ins rechte Licht zu rücken, oder aktuelle politische Entscheidungen zu beeinflussen. Dass einer der erfolgreichsten Pornofilme oder eines der größten Laufhäuser Süddeutschlands den Namen „Kleopatra“ trägt, dass wir unter dem Einfluss dieses Bilds von Weiblichkeit schon bei Hotelzimmern und verzerrten Videobildern nur noch an Gewalt und Sex denken, das ist der späte Triumph des Augustus und seiner verlogenen Predigt der Enthaltsamkeit. Sein wahrer Charakter zeigt sich dabei in der Anekdote, von der Sueton berichtet [siehe Seite 13 oben], bei der Octavian einen Vater und seinen Sohn bis zum Tode gegeneinander ausspielt. Seine Selbstvergöttlichung geschah in derselben Zeit in der Herodes in Jerusalem herrschte, das rückt die Geschicke nur noch näher an unsere heutige Welt, die er mit den strategisch gebildeten Feindbilder gegen Antonius und Kleopatra veränderte, für immer und auf Kosten eines Frauenbildes, das erst 2000 Jahre später vorsichtig korrigiert wird. Augustus‘ großer römischer Frieden dient immer wieder als Vorlage für unseren angeblichen Frieden, für den wir so dankbar sein sollen, dass wir dabei gerne vergessen, dass der Krieg nur nicht unter uns ist, weil wir unsere Grenzen immer aufwendiger verteidigen. Das ist schon Krieg, nur noch nicht hier. [Notizen zur Inszenierung. 2015] 85 90 95 100 105 110 115 MARKUS ANTONIUS UND KLEOPATRA VII. – MACHTAUSBAU, HERRSCHERLICHE REPRÄSENTATION UND POLITISCHE KONZEPTION, Simon Benne EINLEITUNG – Wohl wenige Liebesgeschichten sind so häufig Gegenstand der künstlerischen Verarbeitung gewesen wie die von Antonius und Kleopatra. Shakespeares Drama „The Life of Anthony and Cleopatra“ zeichnet das Bild eines römischen Soldaten, „dessen Schwert durch seine Liebe weich ward“. Komponisten von Händel bis Berlioz setzten sich mit der Person Kleopatras auseinander. Man hat gezählt, dass zwischen 1540 und 1905 nicht weniger als 127 Bühnenstücke über den Kleopatra-Stoff erschienen sind, und die „Geschichte des Mediums Film ist gleichzeitig eine Geschichte des modernen KleopatraBildes“ [beginnend 1899 mit einem Horrorkurzfilm von Georgs Méliès bis hin zu über hundert Verfilmungen bis heute, Anm. d. Red.]. Dies ist umso bemerkenswerter als die wahre Geschichte von Antonius und Kleopatra weitgehend verloren gegangen ist: Eine „verantwortbare historische Biographie der Kleopatra lässt sich nicht schreiben”, hat man erst unlängst wieder bemerkt. Neben einigen Papyri, Inskriptionen und Münzen geben nur wenige antike Autoren genauere Auskunft über das Leben, die politischen und privaten Pläne der beiden Figuren. Antonius ist in den erhaltenen Quellen nur schwer zu fassen und wird einseitig gesehen, Kleopatra wird, einem in Rom verbreiten GriechenKlischee getreu, nicht nur als skrupellose und gefährliche Machtpolitikerin, sondern auch als trunksüchtige Hure dargestellt. Beurteilt wurden die beiden innerhalb des Reiches mit seiner römisch-hellenistischen Doppelnatur nur von der westlichen Warte aus, und ihre Geschichte wurde von denen geschrieben, die über sie gesiegt hatten. Die Vermutung ist nicht von der Hand zu weisen, dass heute alle Welt auf Octavians Fehler und Verfehlungen blicken würde, wenn er die Schlacht bei Actium verloren hätte, und nicht auf die des Antonius. 1887 Kleopatras Experimente, Alexandre Cabanel 1888 Eleonora Duse als Kleopatra Antonius und Cleopatra 1890 Sarah Bernhardt als Kleopatra 3 Freunde des Antonius beunruhigt waren, weil die eigene Landmacht noch im Rückstand war, sagte Kleopatra spottend: „Was ist das denn Schlimmes, wenn Caesar auf dem Quirl sitzt?“ 01 Nunmehr bewies Antonius mit aller Deutlichkeit, dass er sich nicht von den Überlegungen eines Führers noch eines Mannes noch überhaupt seinen eigenen Überlegungen leiten ließ, sondern – wie jemand scherzend gesagt hat, dass die Seele des Liebenden im Körper eines andern lebe – dass er von der Frau mitgezogen wurde, als ob er mit ihr zusammengewachsen wäre und allen ihren Bewegungen folgen müsste. Denn kaum hatte er ihr Schiff davonfahren sehen, als er alles andere vergaß, diejenigen verriet und im Stich ließ, die für ihn kämpften und starben, in einen Fünfruderer überstieg, nur von dem Syrer Alexas und von Scellius begleitet, und hinter der Frau herfuhr, die sich schon ins Verderben gestürzt hatte und ihn nun mit hineinreißen sollte. Wieder schickte jetzt Antonius zu Caesar und forderte ihn zum Zweikampf. Als der darauf die Antwort gab, es stünden Antonius ja viele Wege zum Tode offen, sah er ein, dass es für ihn keinen rühmlicheren Tod gäbe als den in der Schlacht, und beschloss den Angriff zu Wasser und zu Lande zugleich. Beim Mahl befahl er den Dienern, wie erzählt wird, ihm recht eifrig einzuschenken und aufzutragen, denn es sei ungewiss, ob sie das morgen noch tun oder andere Herren bedienen würden, und er selbst daliegen werde, ein Leichnam und zu nichts geworden. Und als er seine Freunde darüber weinen sah, sagte er, er werde sie nicht in die Schlacht führen, in der er für sich vielmehr einen ruhmvollen Tod als Rettung und Sieg suche. 05 10 15 20 Bei Tagesanbruch stellte Antonius selbst das Landheer auf den Hügeln vor der Stadt in Schlachtordnung und beobachtete die Schiffe, die ausgelaufen waren und den Feinden entgegenfuhren. In der Erwartung, Zeuge einer großen Leistung der Flotte zu werden, saß er ruhig da. Als sie aber in die Nähe der Feinde kamen, begrüßten sie Caesars Schiffe mit den Rudern, und als diese den Gruß erwiderten, gingen sie über, und mit allen Schiffen, nunmehr zu einer einzigen Flotte geworden, fuhr jetzt der Feind auf die Stadt los. Während Antonius das mit ansah, wurde er sofort auch von den Reitern verlassen, die ebenfalls übergingen, und mit dem Landheer geschlagen, kehrte er in die Stadt zurück und schrie, er sei von Kleopatra an diejenigen verraten worden, mit denen er um ihretwillen Krieg geführt habe. Voll Furcht vor seinem Zorn und seiner Verzweiflung flüchtete sie in ihr Grabmal und ließ die Falltür nieder, die durch Schlösser und Riegel stark gesichert war. An Antonius schickte sie die Botschaft, sie sei tot. Er glaubte das und sprach zu sich selbst: „Was zauderst du noch, Antonius? Den einzigen, dir noch verbliebenen Grund, am Leben zu hängen, hat das Schicksal dir genommen.“ Mit diesen Worten ging er in sein Zimmer, und während er den Panzer löste und abnahm, sagte er: „O Kleopatra! Nicht dass du mir genommen bist, schmerzt mich, denn bald werde ich dahin kommen, wo du bist, sondern dass ich, der große Feldherr, als einer dastehe, der von seinem Weibe an Herzhaftigkeit übertroffen worden ist.“ Er hatte einen treuen Sklaven mit Namen Eros. Den hatte er vor langer Zeit schon verpflichtet, ihn zu töten, wenn es not täte, und forderte nun die Einlösung des Versprechens. Eros zog das Schwert, holte aus, als wollte er ihn treffen, aber als Antonius das Gesicht abwandte, tötete er sich selbst. Als er zu Antonius’ Füßen niedersank, sagte der: „Recht so, mein Eros, dass du mich lehrst, was ich zu tun habe, da du es selbst nicht an mir zu tun vermochtest.“ Und er stieß sich das Schwert in den Leib und warf sich auf das Ruhebett. Aber der Hieb war nicht so, dass er schnell zum Tode führte. Als daher der Bluterguss, nachdem er sich niedergelegt hatte, nachließ und er sich erholte, bat er die Anwesenden, ihm den Todesstoß zu geben. Aber die flohen aus dem Zimmer, während er schrie und sich herumwarf, bis von Kleopatra ihr Geheimschreiber Diomedes kam mit dem Auftrag, ihn zu ihr in das Grabmal zu bringen. Als er erfuhr, dass sie noch lebte, befahl er seinen Dienern mit Eifer, seinen Leib aufzuheben, und wurde auf ihren Armen an die Tür des Grabmals getragen. Kleopatra ließ die Tür nicht öffnen, sondern man sah sie, wie sie aus einem Fenster Seile und Taue herabließ. Nachdem man Antonius an diese gebunden hatte, zog sie selbst und zwei Frauen, die sie als einzige mit sich in das Grabmal genom- 25 30 35 40 45 50 55 1896 Brustbild der Kleopatra, Franz von Stuck 4 1917 Theda Bara als Kleopatra 1934 Claudette Colbert als Kleopatra Antonius und Cleopatra 01 05 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 Dabei entstanden die ausführlichsten historischen Darstellungen antiker Autoren noch nach Berichten aus zweiter Hand, die heute größtenteils verloren sind. Plutarch und Sueton schreiben aus einer Distanz von 150 Jahren, Cassius Dio trennen mehr als 200 Jahre vom Gegenstand seiner Schilderung. Bei Plutarch, der teilweise auf die Darstellung des Q. Dellius zurückgreifen kann, andererseits aber auch das Werk des Olympos, des Leibarztes der Kleopatra, aufgreift, erscheint Antonius als „Verschwender und Weiberknecht“. Dies wirkte sich auf das Antoniusbild späterer Zeiten besonders negativ aus, da die Antonius Biographie, mit der Plutarch eigentlich „Unterhaltungsliteratur für seine Zeit” schaffen wollte, prägend für die Gesamtüberlieferung wurde. Antonius erscheint darin als „nie ganz erwachsen geworden(er)” Mann, sein „Hauptinteresse scheint seinen Vergnügungen gegolten zu haben“. Die verhängnisvolle Rolle, die Kleopatra bei Plutarch für den Römer spielt, wird bereits betont, ehe die erste Begegnung der beiden überhaupt beschrieben wird (Plut. Ant. 25,1). Spätestens vom Zusammentreffen bei Tarsos an betonen die antiken Autoren, dass Kleopatra einen negativen Einfluss auf Antonius ausübe (App. civ. 5, 1, 1. 5, 8-9. 5, 11. Dio 48, 24, 2. 48, 27, 2), wobei offenbar negative Eigenschaften anderer Frauen auf sie projiziert werden. Auch bei Appians Geschichtswerk – mit Antonius und Kleopatra beschäftigt sich besonders civ. 5 – darf man von einer tendenziösen Geschichtsschreibung ausgehen. Kleopatra wird bei ihm von dem Moment an, da sie in Kontakt mit Antonius tritt, als herrschsüchtig und grausam verurteilt (civ. 5, 8f), Antonius verkommt im Gegenzug zu einer schwächlichen Marionette. Die Sympathien des Cassius Dio, eines unbedingten Anhängers der absoluten Monarchie, gelten, ähnlich wie die des Velleius Paterculus, selbstverständlich voll und ganz Octavian. Von Caesar und Antonius, den beiden ihr gewogenen Römern, hört man so gut wie nichts über Kleopatra. In den Quellen über die Königin „vermischen sich biographische Realität und Personalisierung hellenistisch-orientalischer Herrschaftsidee als Gegensatz zu rationalem politischen Kalkül römischen Zuschnitts.” Auch unter dem Eindruck der Philippischen Reden Ciceros sind das Wirken und die Persönlichkeit des Antonius von der antiken Historiographie weitgehend negativ dargestellt worden. Besonders wurde dabei seine Politik im Osten als Versuch, in die Nachfolge hellenistischer Könige zu treten, beschrieben. Sein Auftreten wurde als unrömisch oder gar barbarisch verunglimpft. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass der Kampf zwischen Antonius und Octavian „propagandistisch in einem Maße vorbereitet worden (ist), wie es bis dahin unbekannt war“. Darum wurde die Auseinandersetzung der Triumvirn zum Kampf des Westens mit dem Osten stilisiert, wobei sich freilich die Überlegenheit über den Osten manifestieren sollte. Neben Cäsar wird vor allem Antonius für den Untergang der Republik in den Bürgerkriegen verantwortlich gemacht. Die Erwartung, dass die Ursachen ihres Zusammenbruchs „unter Augustus offen diskutiert werden konnten, ist ebenso irrig wie die Annahme, dass es im Deutschland Hitlers möglich war, die Ursachen des Untergangs der Weimarer Republik öffentlich adäquat darzustellen.” Verstärkt wurde das positiv verklärte Octavianbild in der christlichen Tradition durch das zeitgleiche Auftreten von Augustus und Jesus Christus, die beide als Weltenherrscher und Friedensfürsten verehrt wurden. Schon die römischen Dichter, die sich des Stoffes früher annahmen als die Historiker, behandelten Antonius und Kleopatra unter dem Eindruck der Pax Augusta: Horaz (c. I, 37, 21) schildert Kleopatra als 1934 Claudette Colbert als Kleopatra 1945 Vivien Leigh als Kleopatra 1946 Dorothy Lamour als Kleopatra, Henry Clive 60 65 70 75 80 men hatte, ihn herauf. Keinen jammervolleren Anblick habe es geben können, sagen diejenigen, die dabei gewesen sind. Denn mit Blut bedeckt und mit dem Tode ringend, wurde er hinaufgezogen, während er im Schweben die Arme nach ihr ausstreckte. Denn es war für eine Frau keine leichte Arbeit, sondern mit schwerer Mühe nahm Kleopatra, indem sie mit beiden Armen zugriff und vor Anstrengung das Gesicht verzog, das Bündel herein, während die Leute unten ihr Weisungen erteilten und sich mit ihr ängstigten. Nachdem sie ihn so in Empfang genommen und gebettet hatte, zerriss sie ihre Kleider um ihn, zerschlug und zerkratzte ihre Brust mit ihren Händen, besudelte ihr Gesicht mit seinem Blut, nannte ihn ihren Herrn, ihren Gatten, ihren Imperator und hatte im Jammer um sein Leiden fast ihr eigenes vergessen. Antonius gebot ihrem Klagen ein Ende und verlangte Wein zu trinken, sei es, dass er dürstete, sei es, dass er hoffte, es werde dann schneller mit ihm zu Ende gehen. Nachdem er getrunken hatte, mahnte er sie, auf ihre Erhaltung bedacht zu sein, wenn es ohne Schande geschehen könne, und von den Freunden Caesars am ehesten dem Proculeius zu trauen, ihn sollte sie wegen des letzten Schicksalsumschlages nicht beklagen, sondern ihn glücklich preisen um des Guten willen, das er genossen, dass er den höchsten Ruhm unter den Menschen errungen, die größte Macht besessen habe und jetzt nicht unrühmlich, ein Römer von einem Römer, überwunden worden sei. [Auszüge: Plutarch, Große Griechen und Römer. Übersetzung Konrad Ziegler, Zürich 1960] 85 90 95 100 105 110 115 BUCH 45 [..] 25 [..] (4) Denn nicht nur bei den eben erwähnten Dingen hat Antonius sich als solcher Mann erwiesen, wie ihr ihn kennt und gesehen habt, sondern überhaupt in all seinen Unternehmungen, die er je seit seinem Eintritt ins politische Leben ausgeführt hat. 26 (1) Sein privates Leben und seine persönlichen Handlungen, was Ausschweifung und Habgier anbelangt, will ich gerne unerwähnt lassen, nicht etwa weil es unmöglich sein dürfte herauszufinden, dass er viele Schreckenstaten auch dabei vollbrachte, sondern weil ich, bei Hercules, mich schäme, genau und in allen Einzelheiten zumal euch, die ihr darum ebenso gut wisst wie ich, zu beschreiben, (2) wie er seine Jugend unter euch – damals Knaben – verbrachte, wie er die Blüte seiner Jugendkraft öffentlich zum Verkauf bot, dann seine geheimen Buhlereien, seine öffentliche Hurenwirtschaft, was er alles mit sich tun ließ, solange es nur möglich war, was er selber trieb, so früh er nur konnte, die Schwelgereien, die Räusche und all das andere, was sich daran anschließt. (3) Es lässt sich ja nicht vermeiden, dass ein Mensch, aufgewachsen in solcher Zucht- und Schamlosigkeit, sein ganzes Leben beschmutzt hat, und so brachte er denn auch aus dem Privatleben seine Wollust und Gier in die öffentliche Tätigkeit. [..] BUCH 48 [..] 27 (1) Antonius erfuhr zwar von diesen Vorgängen, wie er zweifellos auch um die anderen Ereignisse in Italien wusste – er war ja über alles und jedes was geschah genau unterrichtet –, doch unterließ er es in beiden Fällen rechtzeitig Hilfsmaßnahmen zu ergreifen, in seiner Liebeslust und Trunksucht kümmerte er sich weder um Bundesgenossen noch um Feinde [..] 28 [..] (2) So kam es zwischen den beiden Führern zum offenen Krieg. [..] und darüber geriet das übrige Italien, insbesondere Rom, erneut in Aufruhr, ja schon begann man sich der einen oder anderen Partei anzuschließen, während der Rest noch zögerte. In diesem Augenblick, da die beiden Führer selbst und ihre künftigen Kriegsgefährten in Hochspannung sich befanden, starb Fulvia zu Sikyon, wo sie sich aufhielt. (3) Zwar machte man Antonius wegen seines Liebesverhältnisses zu Kleopatra und wegen ihrer Üppigkeit für Fulvias Tod verantwortlich, doch legten beide Parteien auf den Eingang dieser Nachricht 1960 Katharine Hepburn als Kleopatra 65 70 75 80 85 RÖMISCHE GESCHICHTE, Cassus Dio 1958 Marilyn Monroe als Theda Bara, Richard Avedon 60 1963 Elizabeth Taylor als Kleopatra 90 95 100 105 110 115 ein „fatale monstrum“, das sich Antonius untertänig macht, um in Rom seine eigene Herrschaft zu errichten (c. I, 37, 60). Properz (3, II, 39f) belegt sie mit „grob-vulgären” Ausdrücken („meretrix”). Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Antonius von den Dichtern „seiner römischen Wesensart gänzlich beraubt” wird. Der Kampf gegen Kleopatra gewinnt in der Dichtung hingegen den Charakter einer Auseinandersetzung zur Verteidigung der nationalen Ehre Roms, die auch mit göttlichem Beistand geführt wird. Die deutsche Philologie des 19. Jahrhunderts stand der augusteischen Poesie bereits früh kritisch gegenüber. Zur Skepsis der Romantiker den Klassikern gegenüber gesellte sich die Kritik an der höfischen Literatur. Sind Dichter und Prosa-Autoren der Antike auch gleichermaßen der Propaganda Octavians verpflichtet, so muss gerade wegen des frühen Skeptizismus, der ihnen entgegenschlug, überraschen, dass Kleopatras zweiter historischer Liebesroman auch in der modernen Geschichtsschreibung bis weit in unser Jahrhundert hinein vorwiegend unter einem unkritischen Rückgriff auf die antiken Quellen behandelt wurde. Ein düsteres Bild von Antonius und Kleopatra konnte so lange nicht relativiert werden. Die Propaganda Octavians überlebte nicht nur in den Quellen, sondern auch in den Köpfen der Historiker des 19. und 20. Jahrhunderts, die Kleopatras schlechten Charakter teils sogar als rassenbiologisches Erbteil bestätigten. Die Tatsache, dass Kleopatra im östlichen Mittelmeerraum noch Jahrhunderte nach ihrem Tod hoch geehrt wurde, änderte nichts daran, dass diese „ehrgeizige und emanzipierte” Frau und ihre Beziehung zu Antonius „zwiefach verschüttet unter einer Liebesgeschichte und politischer Mythologie” blieb. Bereits bei ihrem berühmten Zusammentreffen in Tarsos schien Kleopatra den Römer erfolgreich für sich vereinnahmt zu haben. Seine Gebietsübertragungen an die Geliebte, der Triumphzug durch Alexandria nach dem Armenienfeldzug und eine ganze Reihe weiterer Ereignisse boten, wie Ronald Syke in seiner bedeutenden Darstellung anmerkt, genügend Material, um die Beziehung Antonius’ zu Kleopatra als politisch nicht nur nutzlos, sondern geradezu selbstmörderisch in bezug auf seine persönliche Stellung und als Verrat an der römischen Welt, der er aus Genusssucht das Leben im hellenistischen Osten vorgezogen habe, zu interpretieren. Erst in neueren Publikationen begann sich die Ansicht durchzusetzen, Antonius sei keineswegs pflichtvergessen den Verlockungen der Kleopatra gefolgt, sondern habe, ebenso wie die Herrscherin ihrerseits, durchaus auch politische Vorteile in der Verbindung zu der Frau, die natürlich darüber hinaus auch seine Geliebte war, gesucht. Obwohl die heutige Wertung der Ereignisse um Octavian, Antonius und Kleopatra bereits in starkem Gegensatz zu dem Bild, das die augusteische Propaganda zeichnete, steht, erscheint es immer noch sinnvoll, an einzelnen Stationen im Leben des Triumvirn und der Königin die Beweggründe für ihr Handeln nachzuvollziehen. Dabei soll aufgezeigt werden, dass eine private Liebesaffäre dem nüchternen Streben nach politischer Macht nicht im Wege gestanden hat, und dass nicht nur die Verlockungen des angeblich dekadenten Ostens, sondern auch diplomatisches Kalkül und Sachzwänge den Römer Antonius in die herrscherliche Repräsentation eines hellenistischen Machthabers geführt haben. Seine politische Konzeption, die sich von der anderer römischer Staatsmänner im Osten nicht einmal grundlegend unterschied, wurde demnach weniger aus diffusen Gefühlen, als vielmehr aus rationalen Überlegungen heraus geboren. [..] 1980 Prinzessin Leia mit Kleopatrakostüm 1987 Judy Dench als Kleopatra 1989 Josephine Baker als Jazz Cleopatra, Phyllis Rose Antonius und Cleopatra 5 hin die Waffen nieder und versöhnten sich miteinander. [..] 29 (1) Sie teilten nun erneut das Reich, gegen Sextus aber führten sie gemeinsam Krieg, obschon Antonius ihm gegenüber durch Abgesandte eidliche Zusagen eingegangen war, die sich gegen Caesar richteten [..] 30 (1) Nachdem die beiden in ihren Heerlagern bei Brundisium diese Abmachungen getroffen hatten, bewirteten sie sich gegenseitig, Caesar auf militärische und römische, hingegen Antonius auf asiatische und ägyptische Weise. [..] 54 (1) Zur nämlichen Zeit kam Antonius aus Syrien nach Italien zurück, angeblich um wegen Caesars Misserfolgen am Krieg gegen Sextus teilzunehmen, (2) doch blieb er nicht bei ihm, sondern, gekommen, mehr um seine Planungen auszukundschaften, als ihn tatsächlich zu unterstützen, überließ er ihm nur einige Schiffe und versprach, weitere zu schicken – wofür er Schwerbewaffnete erhielt –, dann reiste er mit der Erklärung ab, gegen die Parther ins Feld ziehen zu wollen. (3) Vor seinem Aufbruch brachten sie noch gegenseitig ihre Beschwerden vor, zunächst durch den Mund ihrer Freunde, später persönlich. Sie hatten ja noch keine rechte Zeit, sich gegenseitig zu bekriegen, und so versöhnten sie sich, vor allem Dank der Vermittlung Octavias, auf irgendeine Weise. (4) Und damit beide Machthaber noch durch weitere verwandtschaftliche Beziehungen zusammengehalten würden, verlobte Caesar seine Tochter mit Antonius‘ Sohn Antyllus, und das Gleiche tat Antonius mit seiner Tochter aus der Ehe mit Octavia, er verlobte sie mit Domitius Enobarbus. [..] Sodann eilte Antonius nach Syrien, während Caesar in den Krieg eintrat. (7) Im Übrigen ging für ihn alles nach Wunsch, nur Menas, von Natur aus schon unzuverlässig und stets der stärkeren Partei zugetan, dazu auch noch erbittert, dass er kein selbstständiges Kommando innehatte, ging wieder zu Sextus über. [..] 01 05 10 15 20 BUCH 49 [..] 34 (1) Antonius unterlag indes mehr denn je der Liebe und dem Zauber Kleopatras, während Caesar zu dieser Zeit, da Sextus den Tod gefunden hatte und die Verhältnisse in Afrika Ordnung verlangten, nach Sizilien übersetzte [..] 40 (1) In der Folgezeit gewann Antonius das Volk teils auf friedliche Weise, teils mit Gewalt und brachte so ganz Armenien in seinen Besitz, [..] (2) Nachdem Antonius dies vollbracht und – um den Mederkönig noch enger an sich zu binden – dessen Tochter mit seinem Sohn verlobt hatte, beließ er die Legionen in Armenien und kehrte mit der sonstigen großen Beute samt Frau und Kindern nach Ägypten zurück. (3) Er schickte sie und die übrigen Gefangenen in einer Art Triumphzug nach Alexandria voraus, worauf er selbst auf einem Wagen in die Stadt einfuhr. Und er machte Kleopatra nicht nur die sonstige Beute zum Geschenk, sondern führte ihr auch den Armenierkönig mit seinen Familienangehörigen in goldenen Fesseln zu. Dabei saß sie auf einer silberbelegten Bühne und in einem vergoldeten Stuhl. [..] Sodann bewirtete Antonius die Einwohner von Alexandria und ließ in der Volksversammlung Kleopatra und ihre Kinder an seiner Seite sitzen, er befahl auch in seiner Ansprache an das Volk, sie als Königin der Könige und Ptolemaios, der den Beinamen Caesarion trug, als König der Könige zu bezeichnen. [..] (3) Ihnen beiden machte er nun Zuwendungen [..] (4) Diese Entscheidungen gab Antonius nicht nur in Alexandria bekannt, sondern berichtete sie auch nach Rom, damit sie auch vom dortigen Volk bestätigt würden. [..] 25 30 35 40 45 BUCH 50 [..] 4 (1) Voll Erbitterung darüber glaubten nun die Römer, dass auch all das andere, was an Gerüchten umlief, der Wahrheit entspreche: dass er im Falle eines Sieges ihre Stadt an Kleopatra verschenken und den Sitz der Macht nach Ägypten verlegen werde. [..] 15 (1) Dabei wurden von verschiedenen Persönlichkeiten abweichende Meinungen vorgetragen, schließlich setzte sich aber Kleopatra mit ihrem Vorschlag durch, man solle die strategisch wichtigsten Punkte an Besatzungen übergeben, während der Rest zusammen mit Antonius und ihr nach Ägypten abfahre. Sie war zu dieser Ansicht unter dem Eindruck erschreckender Vorzeichen gekommen: (2) Schwalben bauten Nester um ihr Zelt, Milch und Blut tropften aus Bienenwachs, auch ihrer beiden Statuen in Göttergestalt, welche die Athener auf der Akropolis aufgerichtet hatten, wurden durch Blitzschläge in das Theater hinuntergeschleudert. (3) Infolge dieser Vorzeichen und der darauf zurückgehenden Entmutigung des Heeres, wurde 50 55 2000 Barbiepuppe von Taylor als Kleopatra 6 2009 Lady Gaga als Kleopatra Antonius und Cleopatra 2012 Heidi Klum als Kleopatra 01 05 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 PROPAGANDA DES SIEGERS ALS GRUNDLAGE DER GESCHICHTSSCHREIBUNG – Die Auseinandersetzungen der Triumvirn fallen in eine Zeit, in der sich fast alle handelnden Persönlichkeiten des öffentlichen politischen oder militärischen Lebens der Propaganda bedienen, um die eigene Stellung zu festigen oder um persönliche Gegner herabzuwürdigen. Den Höhepunkt dieser propagandistischen Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit sollten die Anfeindungen und gegenseitigen Beschuldigungen zwischen Octavian und Antonius vor der Schlacht bei Actium bilden, deren Nachklänge sich als prägend für das Bild erweisen sollten, das man sich lange von den drei Hauptpersonen machte. Hatten die beiden Triumvirn ihr Kontrahententum nach dem Tode Caesars noch sorgsam verborgen, so warf Antonius bald Octavian vor, ihm schon früh nach dem Leben getrachtet zu haben (Vell. 2, 60, 3). Auch verspottete er Octavian angesichts dessen angeblich unwürdiger Ahnen (Suet. Aug. 2, 3) und kritisierte, Octavian verdanke allein seinem Namen alles (Cic. Phil. 13, 11, 24f). Schon vor 36 bemängelte Antonius außerdem die Behandlung der Gefangenen von Philippi durch seinen Kontrahenten (Suet. Aug. 13, 2f) und griff ihn, teilweise über Mittelsmänner und Stellvertreter, massiv an. Während des Perusinischen Krieges gipfelten die verbalen Schmähungen in einem ersten Feuerwerk an Vorwürfen. Verstärkt ab dem Jahre 36 wurde dann der Krieg, obwohl äußerlich Frieden unter den Triumvirn herrschte, propagandistisch vorbereitet, wobei die Meinungsführerschaft in Rom mehr und mehr auf Octavian überging. Dabei erwies es sich als Vorteil für den späteren Prinzeps, wenn die Öffentlichkeit nicht offiziell und unverzüglich von Antonius’ Maßnahmen unterrichtet wurde, sondern „informal reports of Antony’s life in Alexandria” in Rom die Runde machten (Cass. Dio 49, 41, 4-6). Octavian eröffnete den Propagandafeldzug vor Actium und verstand es, Antonius’ Ostpolitik geschickt in seinem Sinne zu diskreditieren. „Antonius scheint es mit seiner Politik den Verleumdern offensichtlich auch leichtgemacht zu haben“, er bot der Propaganda seines Gegenspielers genügend Angriffsfläche. Und Octavian, der bereits „alle seine Gegner geschickt und brutal abgehalftert” hatte, konnte nun die „Ausschaltung des nach wie vor mächtigsten Mannes, Antonius” betreiben. Die eigentliche Vorbereitung des Krieges begann mit einem „Krieg der Worte“. War der 36 fehlgeschlagene Partherfeldzug von Octavian zunächst noch mit Opfern als römischer Sieg gefeiert worden (Cass. Dio 49, 32, 1f), so gab er später der Verzauberung des Antonius durch Kleopatra die Schuld an der Niederlage (Plut. Ant. 37, 46) und stellte die Scheidung von Octavia besonders heraus, die von der augusteischen Tradition mit orientalischer Vielweiberei (Plut. Ant. 36, 7) in Zusammenhang gebracht wurde, der auch Antonius’ Ahnherr Herakles schon nachgegangen sei. Octavian schlachtete den Artavasdes-Triumphzug als Verrat an der Hauptstadt aus (Plut. Ant 55, l) und griff die Schenkungen an Kleopatra und ihre Kinder, besonders auch die Legitimation ihres mit Caesar gezeugten Sohnes, an (Cass. Dio 50, 1, 4f). Bei den Vorwürfen Octavians wurde Kleopatra zunehmend zur Zielscheibe, und Antonius’ Bindung an die Königin erwies sich für Octavian als propagandistischer Vorteil. 2012 Madonna beim Superbowl, Halbzeitpause Nach dieser kursorisch, chronologischen Reihung von Bildern der Kleopatra, folgt eine ebensolche mit Beispielen der von Augustus zu ersten Erfolgen verholfenen Propaganda gegen den Feind, die immer weiter verfeinert und mit immer größerem Aufwand betrieben wird: „Gewidmet all jenen Heldinnen und Helden, die sich nicht scheuen, den inneren Feind zu bekämpfen, und die den Schatten des Teufels, die jedes Menschen Herz durchwehen, widerstehen.“ (Sam Keen, Gesichter des Bösen, 1986) 60 Kleopatra selbst ängstlich und steckte mit ihrer Furcht Antonius an. [..] 35 [..] (4) Angesichts solcher Leiden fanden nur jene ein erträgliches Ende, die, ehe noch ein solches Schicksal sie ereilte, sich entweder gegenseitig töteten oder Selbstmord begingen. 60 [Auszüge: Cassus Dio, Römische Geschichte. Übersetzung O. Veh, Berlin 2012] 65 65 DER BÜRGERKRIEG, Lucanus 70 75 80 85 90 Ich singe vom Krieg, der auf Thessaliens Ebene ausgetragen wurde und mehr war als ein Bürgerkrieg, wie unter dem Deckmantel des Rechts Verbrechen begangen wurden und ein großes Volk seine siegreiche Hand gegen sein eigenes Herz richtete, wie Verwandte sich gegenseitig bekämpften, ein tyrannisches Bündnis zerbrach und mit allen Machtmitteln einer erschütterten Welt gekämpft wurde, damit die ganze Menschheit schuldig wurde, wie Feldzeichen auf feindliche Feldzeichen trafen, Adler gegen Adler standen, Wurfspieße sich gegenseitig bedrohten. Welch ein Wahnsinn, Römer! Welch hemmungsloses Abschlachten! Während Babylon sich mit römischen Trophäen brüstete, die man ihm hätte nehmen müssen, während Crassus’ Schatten ungerächt umherirrte, wolltet ihr den euch verhassten Völkern das Schauspiel vergossenen Römerbluts bieten und einen Krieg führen, dem kein Triumph folgen konnte. Ah, wieviele Länder, wieviele Meere hätten mit dem von Römern vergossenen Blut erobert werden können – dort, wo Titan herkommt und wo die Nacht ihre Sterne birgt, wo der Mittag brodelt und Hitze herrscht, wo ein starrer Winter, der auch im Frühling nicht auftaut, in skythischer Kälte das Meer zu Eis gefrieren lässt! Schon bald wären die Serer, schon bald das Volk, wenn es ein solches gibt, das an den Quellen des Nils wohnt und sein Geheimnis teilt, unterm Joch durchgegangen. 70 75 80 85 90 Wenn es dich so sehr nach diesem furchtbaren Krieg gelüstet, Rom, hebe deine Waffen erst dann gegen dich selbst, wenn du den ganzen Erdkreis der Herrschaft Latiums unterworfen hast. An Feinden hat es dir ja nie gefehlt! 95 100 105 110 115 Wenn jetzt in Italiens Städten Mauern halbzerstörte Häuser bedrohen und riesige Trümmer am Fuß zerfallener Festungswerke liegen, kein Wächter die Häuser hütet und kaum ein Mensch in den alten Städten umherirrt, wenn Italien von Dornen starrt und lange Jahre hindurch nicht mehr gepflügt wurde, wenn es an Händen fehlt für die Acker, die nach ihnen schreien, so ist an diesem furchtbaren Unglück kein grausamer Pyrrhos und auch kein Punier schuld, keinem fremden Schwert gelang es, so tief einzudringen: Römerhände schlugen diese tiefen Wunden. Es drängt mich, die Ursachen dieser großen Ereignisse darzulegen: zu zeigen, was das Volk in seinem Wahn zu den Waffen trieb und den Frieden aus der Welt verbannte. Es war die neidische Verkettung des Schicksals, das Gesetz, das es dem Mächtigen verbietet, lange hoch zu ragen, der schwere Fall unter dem eigenen Übergewicht: Rom konnte sich selbst nicht mehr stützen. So wird einst, wenn die letzte Stunde gekommen ist und das Weltgefüge auseinanderbricht – die Stunde, die so viele Jahrhunderte abschließt –, alles ins ursprüngliche Chaos zurückfallen (alle Gestirne werden’ aus ihrer Bahn rasen und zusammenstoßen), feurige Himmelskörper werden ins Meer stürzen, die Erde wird ihre Küsten nicht mehr ausdehnen, sondern das Meer abschütteln, die Mondgöttin wird in andere Richtung als ihr Bruder fahren, es verschmähen, ihr Zweigespann auf schräger Bahn zu lenken, und den Tag für sich in Anspruch nehmen, das ganze Räderwerk wird falsch gehen und den Zusammenhang der Welt durchbrechen und stören. 1600-1700 Martin Luther vom Teufel bespielt 1861-65 General Scott als Drachentöter 1877 Der Oktopus, USA 95 100 105 110 115 Er, der seit dem Partherfeldzug keine Siege des Antonius mehr öffentlich in Rom gefeiert hatte, hatte offensichtlich dennoch große Schwierigkeiten, das Meinungsklima in der Hauptstadt zu seinen Gunsten zu kippen, denn gegen Antonius, der „die Angehörigen der vornehmsten römischen Geschlechter zu seinen Vorfahren zählte“, gab es bis zuletzt keine grundsätzliche Opposition. Senat und Konsuln waren sogar auf seiner Seite: Am 1. Januar 32 traten zwei Parteigänger Antonius’ das Konsulat an (Cass. Dio 50, 2, 2 bis 50, 3, 2). Einer von ihnen, C. Sosius, hielt sofort eine Rede gegen Octavian, der momentan nicht in Rom weilte. Zur kommenden Sitzung kehrte dieser zurück und bedrängte den Senat in Begleitung einer Gruppe von Männern, die verdeckt Waffen trugen, und hielt er eine anklagende Rede gegen Antonius. Die Konsuln und flohen daraufhin mit 300 Senatoren zu Antonius in den Osten. Im Gegensatz zu Octavian, der sich seiner Unterstützung nie sicher sein konnte und aufgrund der gespaltenen Meinung in Rom lange mit dem Krieg zögerte, hatte Antonius sogar die Chance, einen Gegensenat zu bilden (Cass. Dio 50, 2, 6-7), obwohl er fern der Hauptstadt weilte. Freilich war Octavian mit der Flucht der Senatoren auch einen großen Teil seiner Feinde los und konnte sich nun als Herr Roms fühlen. Beim Überwechseln der Konsuln und Senatoren in den Osten mochten neben persönlichen Freundschaften auch die Überlegungen der Republikaner eine Rolle spielen. Diese sahen in Antonius, der den Senat um Ratifizierung seiner Maßnahmen im Osten gebeten und die Rückgabe der Amtsgewalt in Aussicht gestellt hatte (Cass. Dio 49, 41, das kleinere Übel gegenüber Octavian. Doch insgesamt waren die Antonianer, die sich zu ihm flüchteten, nach Stand und politischer Orientierung „eine sehr uneinheitliche Gruppe“. Somit war Octavian gezwungen, neben großzügigen Schenkungen an wichtige Persönlichkeiten und an seine Soldaten (Cass. Dio 50, 7, 3) auch eine massive Kampagne gegen Antonius und Kleopatra zu führen, wenn er sich die Unterstützung Roms sichern wollte. Besonders seit dem 1933 erschienenen Aufsatz von Scott setzt sich in der modernen Literatur mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass Ereignisse wie die Proklamation Kleopatras zur Königin der Könige, die Gebietsschenkungen des Antonius, der Partherfeldzug oder Schilderungen des Lebens am Hofe in Alexandria in der antiken Geschichtsschreibung stets im Lichte dieser augusteischen Propaganda, aus der Sicht des Siegers von Actium, gesehen wurden. Dafür spricht auch, dass die genannten Ereignisse in Rom nicht zu spontaner Empörung führten, sondern erst nach der propagandistischen Verzerrung Octavians als Verletzungen der Würde Roms angesehen wurden (Plut. Ant. 55, 1). In diesen „privaten Schlammschlachten”, in denen es zuerst um das Schüren von Emotionen ging, goss Octavian besonders über Kleopatra einen „Schmutzkübel von Verdächtigungen” aus. Dabei musste ihm zugute kommen, dass es in Rom seit einem Jahrhundert eine prophetische Furcht vor Fremdherrschern aus dem Osten gab. Kleopatra ließen sich – ob berechtigt oder unberechtigt – problemlos „imperialistische Machtgelüste“ nachsagen, die mit dieser Furcht in Einklang standen. Als Frau und Fremde wurde Kleopatra gleichermaßen mit Vorwürfen der sexuellen Verworfenheit und der religiösen Andersartigkeit überzogen. Geschickt griff Octavian bereits vorhandene stereotype Vorstellungen von Ägypten auf um seine Gegner zu diskreditieren. Neben der Liaison Antonius’ mit Kleopatra, dessen dynastischer Politik 1914-18 Blutige Hände, Australien 1914-18 Der Schotte als Gorilla, Deutschland Antonius und Cleopatra 1914-18 Kulturknüppel, USA 7 Bild 01 vorne: Thomas Loibl sitzend: Gerhard Peilstein, Manfred Zapatka, Jeff Wilbusch, Simon Werdelis dahinter: Bijan Zamani, René Dumont Bild 02 Valerie Pachner, Andrea Wenzl, Thomas Loibl Bild 03 Manfred Zapatka, Friederike Ott Bild 04 vorne: Daron Yates, Thomas Loibl, Bijan Zamani dahinter: Konrad Hempel, Manfred Zapatka Bild 05 Hanna Scheibe, Valerie Pachner Bild 06 Thomas Loibl 8 Antonius und Cleopatra Antonius und Cleopatra 9 Das Große stürzt in sich zusammen: diese Grenze des Wachstums setzten die Götter dem Erfolg. Die Glücksgöttin leiht ihren Neid auf das die Länder und Meere beherrschende Volk nicht irgendeinem anderen Volk: Rom trägt die Schuld an seinem eigenen Unglück, weil drei Herren es gemeinsam regieren und der tödliche Bund der Tyrannei geschlossen war, an dem noch nie viele teilnehmen konnten. Wie wenig einig, wie sehr von Machtgier verblendet seid ihr doch! Was nützt es, eure Kräfte zu vereinen und die Welt gemeinsam zu besitzen? Solange die Erde das Meer, die Luft die Erde trägt, solange der Sonnengott sich auf seiner weiten Bahn abmüht und am Himmel die Nacht dem Tage durch die gleiche Zahl von Tierkreiszeichen folgt, solange ist zwischen denen, die sich die Herrschaft teilen müssen, keine Treue möglich, verträgt Macht keinen Partner. 01 05 10 Die Herrschaft wird durchs Schwert geteilt, und das Glück eines mächtigen Volkes, das Meere und Länder und den ganzen Erdkreis umfasst, bot nicht Raum genug für zwei. Wer einmal Blut gekostet und seinen Schlund damit befleckt hat, der kann auch keine Milde mehr lernen. Wird Macht, die so lange bestand, je ein Ende finden? Hört das Verbrechen nie auf? 15 01 05 10 15 [Auszüge: Lucanus, Der Bürgerkrieg. Übersetzung G. Luck, Berlin 1985] 20 20 DIE BÜRGERKRIEGE, Appian von Alexandria Die Einwohner Roms aber litten unter Hungersnot, denn die Kauffahrer des Ostens wagten sich aus Angst vor Pompeius nicht auf See und ebenso auch nicht die Händler des Westens. Beide Inseln befanden sich ja in den Händen von Anhängern des Pompeius, und auch von dem gegenüberliegenden Afrika aus war nicht an Italien heranzukommen, da die nämlichen Flotten von zwei Seiten her das Meer beherrschten. Eine allgemeine Teuerung war die Folge, das Volk aber sah die Ursache davon im Streit zwischen den führenden Persönlichkeiten, schmähte sie daher und drängte auf einen Friedensschluß mit Pompeius. Octavian jedoch wollte auch unter solchem Druck nicht nachgeben, weshalb Antonius ihm riet, angesichts der Hungersnot mit Pompeius den Krieg rasch zu beenden. Da es aber hierfür an Geld fehlte, erschien ein Edikt. Danach mussten alle Besitzer von Sklaven für jeden einzelnen eine Steuer entrichten. In rasender Leidenschaft wurde das genannte Edikt vom Volk heruntergerissen, war es doch tief darüber erbittert, dass die Triumvirn die öffentlichen Schatzkammern ausgeleert, die Provinzen geplündert, Italien selbst mit Kontributionen, Steuern und Beschlagnahmen belastet, das Geld aber nicht für Kriege und auch nicht zur Ausweitung des Reiches, sondern zur Bekämpfung persönlicher Feinde und Mehrung eigener Macht verwendet hätten – weshalb es zu Proskriptionen, Mordtaten und infolgedessen zu einer ganz schrecklichen Hungersnot gekommen sei –, jetzt aber wollten sie ihnen noch den Rest ihrer Habe rauben. Mit lautem Geschrei rotteten sich die Menschen zusammen, bewarfen jene, die mit ihnen nicht gemeinsame Sache machen wollten, mit Steinen und drohten, ihre Häuser auszuplündern und niederzubrennen. Schließlich befand sich die ganze Masse in wildem Aufruhr. Octavian aber begab sich mit seinen Freunden und einigen Leibwächtern mitten unter die Leute. Doch sobald ihn die Masse erblickte, begann sie ganz rücksichtslos mit Steinen auf ihn zu werfen und schämte sich nicht einmal, als er ihren Angriffen stand hielt, ja sich ihnen sogar aussetzte und verwunden ließ. 25 30 35 40 45 50 Antonius aber hörte von den Vorgängen und kam Octavian eilends zur Hilfe. Als er nun die Heilige Straße herabschritt, warf die Menge zwar nicht mit Steinen auf ihn –man hielt ihn nämlich einem friedlichen Abkommen mit Pompeius für zugetan – forderte ihn jedoch zur Umkehr auf. Als er dem Verlangen nicht Folge leistete, bewarf man nun auch ihn, worauf er eine größere Zahl von Soldaten in die Stadt beorderte. Das Volk wollte ihn aber auch dann noch nicht durchlas- 55 1919-69 Die englischen Schweine, Irland 10 1930 Der Drahtzieher, Deutschland Antonius und Cleopatra 1933 Der Arbeiter, Deutschland 25 30 35 40 45 50 55 und den Gebietsschenkungen an die Königin spielten dabei insbesondere religiöse Aspekte eine Rolle. In den gegenseitigen Vorwürfen stellten die Kontrahenten etwa die Schattenseiten der Gottheiten heraus, mit denen der jeweilige Gegner in der Öffentlichkeit verbunden wurde. So musste Antonius sich gegen den Vorwurf der Trunksucht mit einer Schrift „De sua ebrietate“ (Plin. nat. 14, 147f) verteidigen und Plutarch (Ant. 24, 3) charakterisiert Dionysos auch als wilden und bedrohlichen Gott. In der Rede, die Octavian Dio zufolge vor der Entscheidungsschlacht gehalten haben soll (Cass. Dio 50, 24-27), stellt er die Religion der Ägypter als „Zielscheibe“ dar, da „auf diesem Terrain die Andersartigkeit der Ägypter am wirksamsten zu demonstrieren war“. Auch, dass Antonius seine eigene Vergöttlichung beanspruchte, war „apt to be exaggerated by the pamphleteers who wrote for the opposing forces” . Zwar strebte auch Octavian die „absolute power“ an, aber gegen Antonius’ angeblichen Anspruch, „god-king on earth“ zu werden, konnte er sich noch als Verteidiger der religiösen und politischen Traditionen des römischen Westens exponieren. Nicht zufällig sollte er die Kriegserklärung gegen Kleopatra persönlich in der traditionellen Rolle des fetialis vollziehen (Plut. Ant. 60, 1. Cass. Dio 50, 4, 4f. 50, 6, 1. Res gestae 7, 2). Da Ägypten in Rom als Hort der Sklaverei und des Despotismus angesehen wurde, dem man die römische libertas gegenüberstellen konnte (Cic. Rab. Post. 22. 24), musste es umso überzeugender wirken, Antonius als willenlosen Sklaven Kleopatras zu diskreditieren. Dass dieser dabei mit geheimnisvollen Drogen verhext worden sein sollte (Plut. Ant. 60, 1f. Cass. Dio 50, 5,3.50,26,5), entsprach dem „Odium des Fremden“, für das Ägypten in römischen Augen stand. Es musste Octavian dabei entgegenkommen, dass die Ägypter als Volk und ihre Mentalität in der lateinischen Literatur „vorwiegend negativ” beurteilt wurden. Diese Propagandaschlacht, die bis in das 20. Jahrhundert hinein beispiellos blieb, fand ihren Nachklang in der antiken Quellenliteratur und der modernen Geschichtsschreibung und prägte dauerhaft das Bild, das man sich von Kleopatra und Antonius machte. Der Gegenspieler Octavians hatte diese politische Kampagne als „das erste Gefecht in diesem Feldzug verloren“. Was als scheinbar privater Briefwechsel zwischen den Triumvirn begonnen hatte (Suet. Aug. 69. Plut. Ant. 55. Cass. Dio 50, 1, 3 – 50, 2, l), gipfelte später in der Stilisierung dieser Auseinandersetzung zwischen Einzelpersonen zum poetisch verklärten Kampf zwischen West und Ost, wie ihn Vergil (Aen. 8, 675-713) entwirft. Der Sieg über die angebliche Gefahr vom Nil wurde nachträglich zu einer der gedanklichen Grundlagen der Prinzipatsideologie des Augustus. Sogar, als Octavian klare Rechtsbrüche beging um an propagandistisch zu verwertendes Material zu kommen, wurde seinen propagandistischen Vorstößen mehr Aufmerksamkeit gezollt als seinen Gesetzesverstößen: Mit Plancus und Titius waren zwei besonders enge Vertraute Antonius’ (Cass. Dio 50, 3, 1) zu Octavian übergelaufen, die diesem vom Testament des Antonius berichteten, das im Tempel der Vestalischen Jungfrauen in Rom deponiert sein sollte. Octavian bemächtigte sich des Dokuments mit Gewalt und verlas es vor dem Senat. Neben der darin angeblich niedergeschriebenen Bekräftigung der Legitimität des Kaisarion und neben den hohen Legaten, die dieser Kleopatra zugedacht hatte, stellte er besonders heraus, dass Antonius 1933 Die Schlange, Deutschland 1933 Nur einer kann uns retten, Deutschland 1936-39 Die Achsenmächte töten Christus 60 65 70 75 80 85 90 sen. Da verteilten sich die Mannschaften auf den Seiten der Straße und des Forums, eröffneten den Angriff von den engen Gassen aus und machten nieder, wer ihnen vor die Klinge kam. Nun konnte niemand mehr leichthin entwischen, man war in der Masse verkeilt und kein Ausweg mehr zu finden. Mord und Wunden und Weherufe und Geschrei von den Hausdächern her beherrschten die Szene. Nur unter Mühen konnte sich Antonius seinen Weg zum Forum bahnen, dort befreite er Octavian aus der jetzt ganz offensichtlichen Lebensgefahr und brachte ihn heil in sein Haus zurück. Nachdem sich dann die Masse zerstreut hatte, warf man die Toten, damit ihr Anblick nicht neue Unruhe schaffe, in den Fluss. Und es war ein weiterer Grund zur Trauer, wenn man sah, wie die Leichen in der Strömung hinabtrieben und die Soldaten und all die Schurken mit ihnen zusammen die Opfer auszogen und deren beste Kleidungsstücke als ihr Eigentum fortschafften. Die Empörung aber fand damit ihr Ende, freilich nur unter Schreckens und Hassgefühl gegenüber den Machthabern. [..] So wurde Sextus Pompeius gefangen. Er war der noch überlebende Sohn des Pompeius Magnus und hatte schon in früher Jugend seinen Vater und noch als ganz junger Mann den Bruder verloren. Nach ihrem Tode hatte er sich lange Zeit verborgen gehalten und in Spanien heimlich als Räuber betätigt, bis er sich als Pompeius’ Sohn zu erkennen gab und viele Leute daraufhin bei ihm zusammenströmten und er ganz offen auftreten konnte. Nach dem Tod des Gaius Caesar führte er Kriege mit aller Kraft, sammelte ein starkes Heer, dazu Schiffe und Geld, besetzte Inseln und machte sich zum Herrn des westlichen Meeres. Über Italien verhängte er Hungersnot und zwang so seine Gegner zum Abschluss von Verträgen, wie er sie wünschte. [..] Nach solch einer Laufbahn war nun Pompeius in Gefangenschaft geraten. Titius aber nahm seine Soldaten in den Dienst des Antonius und ließ Pompeius in seinem vierzigsten Lebensjahr zu Milet ermorden. Er tat dies entweder aus eigenem Entschluss, weil er Pompeius wegen einer früheren Beleidigung zürnte und die spätere Wohltat nicht dankte, oder im Auftrag des Antonius. in Ägypten bestattet werden wolle (Plut. Ant. 58, 8. Cass. Dio 50, 3, 3-5. Suet. Aug. 17, 1). Octavian nutzte die daraufhin anhebende Empörung propagandistisch aus: Hatte Antonius verfügt, er wolle im fernen Ägypten beigesetzt werdet, so verfügte er demonstrativ den Bau seines eigenen Mausoleums in Rom. 60 65 Alle vorhergegangene Propaganda fand nun in der Veröffentlichung des Testaments ihre „urkundliche Bestätigung“. Dass man aus Testamenten politischen Nutzen ziehen konnte, war Antonius noch aus der Zeit nach Caesars Tod bekannt, als er selbst mehrere Dokumente gefälscht hatte, und selbst wenn er eine so wichtige Urkunde in Rom hinterlegt haben sollte, so musste er sich darüber klar sein, dass sie bei den Vestalinnen nicht sicher sein würde. Daher ist zumindest zweifelhaft, ob Antonius ein so belastendes Schriftstück tatsächlich in Rom hinterlegt hat. Mochte das Dokument auch tatsächlich existiert haben, so ist doch fraglich, ob sein Inhalt exakt dem entsprach, was Octavian dem Senat vortrug. 70 75 Wahrscheinlich ist, dass er es zumindest zuvor gelesen und im Senat dann belastende Stellen besonders betont (Plut. Ant. 58, 6) hat. Man darf auch annehmen, dass Octavian den Raub des Dokuments nur deshalb riskierte, weil er vorher schon wusste, wie nützlich ihm das, was er der Öffentlichkeit präsentieren würde, sein würde. Andernfalls wäre die Gefahr des eigenen Ansehensverlustes durch den Raub, der schließlich „gegen alles göttliche und menschliche Recht” verstieß und bereits von den Zeitgenossen als peinlich empfunden wurde (Plut. Ant. 58, 6), zu groß gewesen. 80 85 So jedoch wurde sein Prestigeverlust durch die Empörung über die Pläne des Antonius überlagert – schließlich befürchtete man (Cass. Dio 50, 4, 1), die Hauptstadt werde im Falle eines Sieges über Octavian vom Tiber an den Nil verlegt werden, oder Kleopatra wolle (Cass. Dio 50, 5, 4) auf dem Kapitol Recht sprechen. Den Wunsch nach einer Bestattung in Alexandria haben auch moderne Historiker als „Missgriff“, geboren allein aus „persönlichen Neigungen”, gescholten. 90 [Auszüge: Appian von Alexandria, Die Bürgerkriege. Übersetzung O. Veh, Stuttgart 1989] 95 100 105 110 115 95 AUGUSTUS, Sueton Im Alter von vier Jahren verlor Augustus seinen Vater. Mit zwölf Jahren hielt er die öffentliche Leichenrede für seine verstorbene Großmutter Julia. Vier Jahre später wurde er, nachdem er schon die Männertoga angelegt hatte, nach dem Triumph Caesars in Afrika mit militärischen Auszeichnungen geehrt, obgleich er wegen seines Alters am Krieg nicht teilgenommen hatte. Als sein Onkel bald danach gegen die Söhne des Gnaeus Pompeius in die beiden spanischen Provinzen aufbrach, folgte er ihm sofort, dadurch machte er sich hochverdient, auch seine charakterlichen Veranlagungen wurden rasch anerkannt, ganz abgesehen von der Energie, die er unterwegs gezeigt hatte. Als er erfahren hatte, dass Caesar ermordet worden war und er zu seinem Erben bestellt sei, war er lange unschlüssig, ob er nicht die Legionen, die ganz in der Nähe stationiert waren, um Hilfe bitten sollte, ließ allerdings diesen Plan als überstürzt und noch nicht ausgereift fallen. Aber er kehrte nach Rom zurück und trat die Erbschaft an. Und von diesem Zeitpunkt an hatte er, nachdem er Heere aufgestellt hatte, zunächst gemeinsam mit Marcus Antonius und Lepidus, dann nur mit Antonius, fast zwölf Jahre lang, zuletzt allein vierundvierzig Jahre die Macht im Staat inne. Augustus hat fünf Bürgerkriege geführt: den von Mutina, Philippi, Perusia, Sizilien und Aktium, den ersten und letzten gegen Antonius, den zweiten gegen Brutus und Cassius, den dritten gegen Sextus Pompeius, den Sohn des Gnaeus. Den Anfang und die 1936-39 Die faschistische Horde, Spanien 1939-45 Das bolschewistische Chamäleon, Deutschland 1914-18 Blutige Hände, Australien 100 105 110 115 Der allgemeinen Empörung sollen sich Angehörige aller Parteien, auch Antonianer, angeschlossen haben, berichtet Cassius Dio (50, 4, 2). Damit soll jedoch auch zum Ausdruck gebracht werden, dass ein consensus universorum gegen Antonius geherrscht habe, mit dem man Octavians in rechtlicher Hinsicht mindestens problematische Maßnahmen rechtfertigen konnte. Octavian übernahm damit eine Allgewalt, eine potestas rerum omnium, die ihn als alleinigen Verteidiger Roms auswies, nachdem Antonius die Amtsgewalt aberkannt worden war. Dabei grenzte er sich von einer dominatio oder einem regnum ab – er sah die Eroberung Ägyptens (Res gestae 27) als Mehrung der Herrschaft des römischen Volkes an. AUSBLICK UND ZUSAMMENFASSENDE BEURTEILUNG — Kleopatra wird in dieser Situation und in vielen anderen durchweg negativ beurteilt. Darin spiegelt sich das vernichtende Urteil über eine Frau wider, die gegen den Lauf der Geschichte schwamm und doch „die historische Entwicklung nicht auf Dauer ins 3. Jh. zurückschrauben” konnte. Die Königin hat die „Phantasie der Sensationslüsternen” immer wieder stark beschäftigt, darum ist es „schwer, sich ein verlässliches und begründetes Bild von ihr zu machen“. Als sie ihre Regentschaft antrat, waren die alten Besitzungen der Ptolemäer weitgehend verloren, die Würde des Königshauses war am Boden, Ägypten war faktisch in Abhängigkeit zu Rom geraten. Ihr gelang es jedoch, Bündnisse mit Roms führenden Staatsmännern zu schmieden. So erlangte sie die 1939-45 Das ist der Feind, USA 1939-45 Der heroische Führer, Deutschland 1939-45 Der japanische Samurai, Italien Antonius und Cleopatra 11 Ursache für alle Kriege leitete er aus folgendem ab: Nichts hielt er für angemessener, als die Ermordung seines Onkels zu rächen und dessen Amtshandlungen zu verteidigen. 01 Er erklärte sich zum Bewerber um das Amt eines zufällig verstorbenen Volkstribunen, obwohl er Patrizier und noch nicht Senator war. Aber seinen Unternehmungen stellte sich der Konsul Antonius entgegen, von dem er sogar einen hervorragenden Beistand erhofft hatte, und dieser gewährte ihm – ohne das Versprechen einer außergewöhnlich hohen Belohnung – nicht einmal das übliche und überlieferte Recht, deshalb wandte er sich an die Optimaten, die – wie er merkte – Antonius hassten, besonders weil er Brutus in Mutina zunächst belagert hatte und dann mit Waffengewalt den Versuch unternahm, ihn zu vertreiben, obwohl ihm von Caesar die Provinzverwaltung übertragen und dieser Akt auch durch den Senat bestätigt worden war. Als daher einige Senatoren mahnende Worte aussprachen, bestellte Augustus heimliche Mörder gegen Antonius, nach Aufdeckung dieses Verbrechens ließ er aus Furcht vor einem nun gegen ihn gerichteten Anschlag für eine seinen finanziellen Möglichkeiten entsprechend reichlich bemessene Spende Veteranen zum Schutz für sich und den Staat zusammenkommen, er erhielt den Befehl, das bereitgestellte Heer zu führen, und zusammen mit Hirtius und Pansa, die das Konsulamt übernommen hatten, dem Brutus Hilfe zu bringen, den ihm übertragenen Krieg beendete er im dritten Monat in zwei Schlachten. In der ersten – so schreibt Antonius – sei er geflüchtet und schließlich ohne Feldherrnmantel und Pferd nach zwei Tagen wieder aufgetaucht. In der zweiten Schlacht hat er nicht nur die Aufgabe eines Führers, sondern auch eines Soldaten erfüllt, und er soll mitten im Kampf, als der Adlerträger seiner Legion schwer verwundet war, den Adler auf seine Schultern genommen und lange getragen haben. 05 10 15 20 25 Als in diesem Krieg Hirtius bei einer Schlacht, Pansa kurz darauf infolge einer Verwundung umgekommen waren, verbreitete sich das Gerücht, beide seien unter seiner Mitwirkung ermordet worden, damit er, Augustus, nachdem Antonius in die Flucht geschlagen und der Staat seiner Konsuln beraubt worden war, allein die siegreichen Heere übernehmen könne. Der Tod des Pansa erregte in der Tat so sehr Verdacht, dass der Arzt Glyco in Gewahrsam genommen wurde, weil er angeblich Gift in die Wunde gegeben hätte. Diesen Gerüchten fügt Aquilius Niger noch hinzu, dass der andere Konsul, nämlich Hirtius, im allgemeinen Kampfgetümmel von Augustus persönlich getötet worden sei. Aber sobald Augustus erfahren hatte, dass Antonius nach seiner Flucht von Lepidus aufgenommen worden war und die übrigen Führer und Heere mit den Gegenparteien gemeinsame Sache machten, ließ er die Partei der Optimaten ohne zu zögern im Stich und verleumdete unter vorgeblich veränderter Gesinnung die Worte und Taten gewisser Leute, nämlich die einen hätten wiederholt die Ansicht geäußert, er sei ein Knabe, andere, man müsse ihn auszeichnen und befördern, damit der entsprechende Dank weder ihm noch den Veteranen abgestattet werde. Und um seine Reue über die Zugehörigkeit zur früheren Partei desto mehr unter Beweis zu stellen, trieb er die Einwohner von Nursia, nachdem er sie mit einer großen Geldstrafe belegt hatte und sie diese nicht zu zahlen imstande waren, aus der Stadt, weil sie in der Schlacht bei Mutina mit öffentlichen Mitteln einen Grabhügel für die gefallenen Mitbürger hatten erbauen und eine Inschrift anbringen lassen mit den Worten: „Sie starben für die Freiheit.“ 30 35 40 45 50 Nachdem er mit Antonius und Lepidus ein Bündnis eingegangen war, beendete er auch den Krieg bei Philippi, obwohl er krank und schwach war, in zwei Schlachten, wobei er in der ersten den Verlust seines Lagers zu beklagen hatte und nur mit Mühe zum Flügel des Antonius entkommen war. Den Erfolg des Sieges nutzte er aber nicht maßvoll aus, sondern wütete, nachdem er das Haupt des Brutus nach Rom geschickt hatte, damit es dem Standbild Caesars zu Füßen gelegt werde, gerade gegen die bedeutendsten Kriegsgefangenen nicht ohne beleidigende Worte. So soll er nämlich einem Mann, der inständig um eine Bestattung bat, geantwortet haben, dies werde in der Macht der Vögel liegen; es 55 1939-45 Der Menschenfresser, USA 12 1939-45 Der Mörder, Deutschland 1939-45 Die kommunistische Gefahr, Deutschland Antonius und Cleopatra 01 05 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 Herrschaft über Gebiete, die größer waren als das Reich Ptolemäus II. Sie war der Nachfolge ihres Vaters verpflichtet, wenn sie versuchte, den Thron zu erhalten, von Rom anerkannt zu werden und dem Ptolemäerreich ein möglichst großes Maß an Unabhängigkeit zu sichern. Anders als Ptolemäus XII. wurde sie dabei jedoch in die Wirren der römischen Bürgerkriege verstrickt. Gemessen an den schwierigen Umständen, unter denen sie agieren musste, ist sie ihrem Lebensziel sehr nahe gekommen. Heute erscheint sie als ebenso ehrgeizige wie emanzipierte Frau, die sich einem scheinbar unabwendbaren geschichtlichen Schicksal entgegenstellte. Sie versuchte beherzt, die Geschicke ihrer Familie und ihres Landes selbst in gestalten, und wurde in ihrem Scheitern letztlich zur tragischen Figur. Ihr Tod steht symbolisch für den endgültigen Verlust ägyptischer Freiheit. Anders, als von ihr beabsichtigt, hat sich ihre Vision eines Großreiches unter ägyptischer Führung in einem gewissen Sinne dennoch realisiert: Nicht im politischen, sondern im kulturellen und religiösen Bereich sollten ägyptische Vorstellungen auch im Westen massiv an Bedeutung gewinnen. Noch zu Lebzeiten des Augustus strömten orientalische Religionen in Italien ein. Obwohl Octavian gemeinsam mit Antonius und Lepidus schon 43 v. Chr. gelobt hatte, für Serapis und Isis einen Staatstempel zu errichten (Cass. Dio 47, 15, 4. 40, 47, 3. 42, 26, 2. Vgl. 53, 2, 4. 54, 6, 6. Tac. ann. 2, 85), wurde dieser nie gebaut: Die ägyptischen Götter waren ins „Schussfeld der Vorkriegspropaganda” geraten, Octavian und seine Dichter hatten die ägyptischen Kulte regelrecht verunglimpft. Und dennoch traten Isis und Osiris, wenn auch nicht in Verbindung mit ihren weltlichen Verkörperungen Kleopatra und Antonius, einen beachtlichen Siegeszug im römischen Reich an. Caligula ließ der Isis 40 n. Chr. ein großes Heiligtum auf dem Marsfeld bauen: Im ersten nachchristlichen Jahrhundert verdrängte Isis bei der Masse der Bevölkerung allmählich die Magna Mater. Die „Ägyptomanie der Römer“ hielt den „Geist des alten Ägypten für künftige Zeiten lebendig”. Nicht zu unrecht hat man gesagt, die Römer seien der ägyptischen Menschen leicht Herr geworden, nicht aber der ägyptischen Götter. Auch Octavian würdigte in Ägypten die ptolemäische Vergangenheit zumindest in einem gewissen Maße, als er das Grab Alexanders des Großen besuchte (Suet. Aug. 18. Cass. Dio 51 16, 5). Man hat oft herausgestellt, dass er in Ägypten als legitimer Nachfolger der Ptolemäer aufgetreten sei. Das Land wurde unter seiner Herrschaft durch einen Präfekten aus dem Ritterstand verwaltet, der „praktisch die Stelle eines Vizekönigs einnahm“. Octavian selbst trat die „Rechtsnachfolge der Könige“ als „Pharao“ an und behielt die in Ägypten vorgefundenen Verwaltungsstrukturen bei – ein weiterer Beleg für die Effizienz der bestehenden ptolemäischen Administration. Der Sieger von Actium wurde auch öffentlich als Pharao dargestellt. Sein Name wurde mit göttlichen Titeln, die die Ptolemäer von den Pharaonen übernommen hatten, versehen: „for purposes of effective government Octavian became a divine king”. Gleich nach dem Tode Kleopatras wurde in der ägyptischen Jahreszählung das erste Jahr des Octavian verzeichnet: „Die Übernahme Oktavians in den ptolemäischen Herrscherkult erfolgte völlig bruchlos, sowohl zeitlich als auch inhaltlich.” Alle früheren Herrscher Ägyptens, einheimische Könige und fremde Eroberer, waren Monarchen gewesen und galten als Pharaonen. Die Priester bezogen auch Octavian in ihren Kult, der ganz auf 1939-45 Die Nazischlange, USA 1939-45 Die neue Leda, Deutschland 1939-45 Er sieht Dich, USA 60 65 70 75 80 85 90 95 100 105 110 115 heißt, er habe zwei anderen, Vater und Sohn, die um ihr Leben flehten, aufgetragen, das Los entscheiden zu lassen oder im Morraspiel auszumachen, wem von beiden die Gnade zugestanden werde, weiter zu leben, und er soll zugeschaut haben, wie beide starben, als der Sohn, nachdem der Vater ermordet worden war, weil er sich freiwillig dem Henker angeboten hatte, ebenfalls den Freitod gewählt hatte. Deshalb haben die übrigen, unter ihnen Favonius, der berühmte Nacheiferer des Cato, als sie in Ketten vorgeführt wurden, Antonius als Imperator ehrenvoll gegrüßt, Augustus hingegen mit besonders hässlichen Schmähworten in aller Öffentlichkeit beschimpft. Als sie nach dem Sieg die Aufgaben verteilt hatten, übernahm Antonius den Osten, er selbst die Rückführung der Veteranen nach Italien und deren Ansiedlung auf dem Gebiet der Kleinstädte, hierfür erhielt er weder den Dank der Veteranen noch den der Besitzer, da die einen sich beklagten, dass sie vertrieben würden, die anderen, dass sie nicht ihren Verdiensten entsprechend behandelt würden. Zu diesem Zeitpunkt zwang er Lucius Antonius, der im Vertrauen auf das Konsulat, das er innehatte, und auf die Macht seines Bruders einen Umsturz plante, nach Perusia zu fliehen und trieb ihn durch Aushungern zur Aufgabe. Nach der Einnahme von Perusia bestrafte er sehr viele, wobei er denen, die den Versuch unternahmen, Gnade zu erbitten oder eine Entschuldigung anzuführen, mit nur einem Wort entgegnete: „Man muss sterben.“ Gewisse Schriftsteller behaupteten, dass ungefähr dreihundert ausgewählte Untertanen jeden Standes am Altar des göttlichen Julius an den Iden des März nach Art von Opfertieren geschlachtet worden seien. Den Krieg in Sizilien begann er als ersten, der aber zog sich hin, da er häufiger unterbrochen wurde, bald zum Instandsetzen der Flotten, die infolge der Stürme zweimal bei Schiffbrüchen, und zwar im Verlauf des Sommers verlorengegangen waren, bald dadurch, dass Augustus Frieden geschlossen hatte, weil dies das Volk wegen der unterbrochenen Lieferung der Lebensmittel und der wachsenden Hungersnot leidenschaftlich forderte. Nachdem Augustus die Truppen im ganzen Winter gedrillt hatte, besiegte er Pompeius zwischen Mylae und Naulochus, obwohl er unmittelbar vor der Stunde der Schlacht plötzlich von einem so festen Schlaf erfasst worden war, dass er von seinen Freunden geweckt werden musste, um das Zeichen zum Kampf geben zu können. Von daher – so möchte ich glauben – hat sich dem Antonius das Material für seine Vorwürfe angeboten: Augustus sei nicht einmal in der Lage gewesen, mit ruhigem Blick eine aufgestellte Schlachtreihe anzusehen, sondern er habe auf dem Rücken liegend zum Himmel geschaut und stumpfsinnig daniedergelegen, er habe sich nicht eher erhoben, sei von den Soldaten nicht eher gesehen worden, als die feindlichen Schiffe von M. Agrippa in die Flucht geschlagen worden seien. Einige werfen ihm folgenden Ausspruch und die Handlungsweise vor, er hätte nach dem Verlust der Flotte durch einen Sturm ausgerufen, sogar gegen den Willen Neptuns werde er den Sieg davontragen, und er habe an den folgenden Circusspielen beim feierlichen Festzug der Götterbilder das Abbild dieses Gottes nicht mitgeführt. Und es hat seinen guten Grund, dass er in keinem anderen Krieg mehr und größere Gefahren auf sich zu nehmen hatte. Als er etwa nach dem Übersetzen seines Heeres nach Sizilien auf dem Festland den restlichen Teil der Truppen wieder abholen wollte, wurde er unversehens von Demochares und Apollophanes, zwei Präfekten des Pompeius, überfallen, konnte aber schließlich unter größter Anstrengung mit einem einzigen Schiff entkommen. Als er sich ein anderes Mal auf dem Landwege an Lokri vorbei nach Regium bewegte, erblickte er zweirudrige Galeeren der pompeianischen Flotte, die die Küste entlang segelten. Da er glaubte, es handle sich um die eigenen, ging er zum Strand hinunter und wäre beinahe aufgegriffen worden. Als er damals, noch dazu auf unwegsamen Pfaden, flüchtete, versuchte ein Sklave seines Begleiters Aemilius Paulus, ihn zu töten, da dieser Schmerz darüber empfand, dass der Vater des Paulus einst von Augustus in die Acht erklärt worden war, und er nun gewissermaßen die Möglichkeit sah, Rache zu nehmen. 1939-45 Frauenraub, USA 1939-45 Je größer die Not, Deutschland 1939-45 Nur Versprechungen, Italien 60 65 70 75 80 85 90 95 100 105 110 115 die Existenz eines Pharao gegründet war ein – auch, wenn dieser seine Rolle als ägyptischer Kultherrscher nicht aktiv unterstrich. Octavian schonte nach seinem Sieg Alexandria, weil er es als Verwaltungszentrum brauchte. In Kleinasien und Syrien knüpfte Octavian an das Vasallen-System der indirekten Herrschaft an, das Antonius ausgebaut hatte. Ähnlich wie zuvor Antonius strich er aus den Mittel Ägyptens und der Klientelfürsten des Ostens eine reiche Beute ein: Die Immobilienpreise in Rom stiegen beträchtlich, und die Zinsen sanken erheblich, da große Geldmengen in Umlauf gebracht wurden (Cass. Dio 51, 21, 5. 51, 17, 7f). Durch die in Ägypten eingetriebenen Reichtümer erwarb Octavian sich den Ruf eines „Locupletator orbis terrarum“, auf seinen Münzen tauchten jetzt Füllhörner als Symbole des Wohlstandes auf. Auch seine Soldaten (Cass. Dio 51, 3, 1f. 4, 2-8) entlohnte er „out of the spoils of Egypt”. Ägypten wurde zur Provinz, welche die Senatoren nicht ohne Octavians Erlaubnis betreten durften. Ebenso wie die meisten Ritter blieben sie dort von allen Ämtern ausgeschlossen, in Alexandria regierte ein Präfekt als sein Vertreter (Tac. ann. 2, 59, 3. Cass. Dio 51, 17, 1). Das Land wurde in Octavians Händen zu einem Druckmittel, mit dem er sich unentbehrlich machen wollte. Er konnte anführen, dass es in Ägypten besonderer Maßnahmen bedürfe, um das Land unter Kontrolle zu halten. So war das reiche Gebiet am Nil „in Wirklichkeit kaiserliches Kronland und nicht eine übliche Provinz geworden“. Octavian verschaffte sich (Tac. ann. 2, 59, 3) damit die Kontrolle über die immensen Getreidevorräte und sicherte sich Ägypten als strategische Basis. Der Sieger machte Ägypten zu seiner Hausmacht: Dort „setzte sich die alte ptolemäische Königsgewalt in Octavian fort“, auch wenn er es ablehnte, neben dem Leichnam Alexanders auch den Gräbern der ptolemäischen Könige seine Aufwartung zu machen (Suet. Aug. 18, 1. Cass. Dio 51, 16, 5). Zusammenfassend kann man sagen, dass Octavians Methoden, seine herrscherliche Repräsentation und seine machtpolitische Konzeption für Ägypten und die Gebiete im Osten zahlreiche Gemeinsamkeiten mit den Planungen des Antonius aufwiesen. Im Gegenzug hätte auch der unterlegene Kontrahent problemlos den Ruf eines pflichtbewussten und selbstlosen römischen Staatsmannes erwerben können, wenn er nicht vom späteren Augustus besiegt worden wäre. Wenn nur wenige Zeugnisse das Pflichtbewusstsein Antonius’ (Cass. Dio 51, 15, 2) herausstellen, ist dies auch darauf zurückzuführen, dass in seiner Gestalt zum ersten Mal in der römischen Geschichte einen Herrscher die damnatio memoriae traf (Plut. Ant. 86, 9. Plut. Cic. 49. Cass. Dio 51, 19, 3). Antike Historiographie und Dichtung folgen den Maximen augusteischer Propaganda, wenn sie Antonius als schwachen und dekadenten Menschen zeichnen, der den Verführungskünsten der skrupellosen Exotin Kleopatra erlegen sei. Erst die neuere Geschichtsschreibung hat weiterreichende Versuche unternommen, den nüchternen, politischen Charakter der Maßnahmen, die der Triumvir im Osten traf, aufzuzeigen. Danach erscheint Antonius als ein römischer Machthaber, der aus rationalen Überlegungen heraus handelte und durch Sachzwänge dazu bewogen wurde, die politischen und religiösen Repräsentationsformen eines hellenistischen Herrschers anzunehmen. Dass seinem System indirekter Machthabe im Osten eine pyramidenartige Konzeption zugrunde lag, mit welcher Antonius seine persönliche Stellung durch Protektion loyaler Vasallen zu stützen beabsichtigte, weist ihn nicht als romfeindlichen Leichtfuß aus: Er unterschied sich 1939-45 Rette mich, Bruder, Italien 1939-45 Ritter und Soldat, Russland Antonius und Cleopatra 1939-45 Schützt uns, USA 13 Das Bündnis mit Antonius, das stets unzuverlässig und unsicher und durch mannigfaltige Versöhnungsversuche nur unzureichend wiederbelebt worden war, brach Augustus endlich ganz. Und damit er den Beweis erbringen konnte, dass Antonius sich immer mehr von römischer Lebensweise abgewandt hatte, ließ er das Testament, das dieser in Rom hinterlegt und in dem er sogar Cleopatras Kinder zu Miterben ernannt hatte, öffnen und vor versammeltem Volk verlesen. Augustus erklärte ihn zwar zum Staatsfeind, gestattete ihm jedoch den Kontakt zu allen Verwandten und Freunden. Und nicht lange danach siegte er in der Seeschlacht bei Aktium, wobei sich der Kampf so lange hinzog, dass der Sieger die Nacht auf dem Schiff verbringen musste. Als er sich von Aktium nach Samos in das Winterlager zurückgezogen hatte, wurde er durch Nachrichten beunruhigt, dass Soldaten aus allen Truppenabteilungen, die er nach dem Sieg nach Brundisium vorausgeschickt hatte, meuterten und ihre Belohnungen und ihre Entlassung forderten. Sogleich kehrte er nach Italien zurück. 01 05 10 15 Er blieb nicht länger als siebenundzwanzig Tage in Brundisium, bis alles nach den Wünschen der Soldaten geregelt war, und fuhr auf dem Umweg über Kleinasien und Syrien nach Ägypten. Dann bemächtigte er sich nach kurzer Belagerung Alexandriens, wohin sich Antonius mit Cleopatra geflüchtet hatte. Und Antonius, der zu spät die Friedensbedingungen prüfte, zwang er, Selbstmord zu begehen und sah sich die Leiche an. Für Cleopatra, die er sehr gern für seinen Triumphzug gerettet sehen wollte, zog er sogar Psyller hinzu, die aus ihrer Wunde das Gift aussaugen sollten, weil man glaubte, dass sie an dem Biss einer Viper zugrunde gegangen sei. Beiden gewährte er dann aber die Ehre, gemeinsamen Bestattung und ließ den Grabhügel, den sie selbst zu errichten begonnen hatten, vollenden. Den jungen Antonius, den älteren der beiden Söhne Fulvias, ließ er vom Standbild des göttlichen Julius, zu dem er nach zahlreichen, aber vergeblichen Bitten geflohen war, wegreißen und töten. Ebenso ließ er den auf der Flucht aufgegriffenen Caesarion hinrichten, den Cleopatra – wie sie sich rühmte – von Caesar empfangen zu haben vorgab. Den übrigen gemeinsamen Kindern von Antonius und Cleopatra schenkte er das Leben, behandelte sie nicht anders als seine eigenen Verwandten und unterstützte und förderte sie entsprechend der Stellung eines jeden. Zur selben Zeit betrachtete er den Sarg mit der Leiche Alexanders des Großen, die er aus dem inneren Gemach hatte herausnehmen lassen, mit eigenen Augen, zum Ausdruck seiner Verehrung legte er einen goldenen Kranz nieder und ließ Blumen streuen, auf die Frage, ob er auch das Grabmal der Ptolemäer in Augenschein nehmen wolle, sagte er, er habe einen König sehen wollen, nicht Leichen. Um Ägypten, das er in eine Provinz umgewandelt hatte, fruchtbarer und für die Getreideversorgung Roms ergiebiger zu machen, ließ er alle Kanäle, in die sich der Nil zur Zeit der Überschwemmung ergießt und die seit einem langen Zeitraum verschlammt waren, durch die Arbeit von Soldaten reinigen. 20 25 30 35 40 01 05 VIERTE EKLOGE, Publius Vergilius Maro 10 15 20 55 1942 Das ist der Feind, USA 14 1945-53 Truman und Tito als Schlangen, Russland 1949-53 Dean Acheson als Hund, Russland Antonius und Cleopatra 65 Die mit der Säkularfeier Shakespeares verbunden gewesene Gründung der Deutschen Shakespeare Gesellschaft aber hat erst Recht dazu beigetragen, den vogelfreien Dichter den Händen der Philologen zu überantworten und das Geschlecht der Shakespearebearbeiter zu vermehren und ausgesprochen zur Vergewaltigung des nicht immunisierten Dichters beizutragen. Die „Meininger“ haben auf ihren künstlerischen Kreuz- und Querzügen mehr ihr Ausstattungsprinzip als gerade Shakespeare selbst zur Geltung gebracht, und Max Reinhardt und Ferdinand Bonn, endlich beide beim Zirkus angelangt, hätten mit Richard III. ausrufen können: „Ein Königreich für ein Pferd“, gleichviel ob das Reich der dramatischen Kunst, des guten Geschmackes oder gesunden Menschenverstandes damit gemeint ist. 70 75 80 [Josza Savits, Shakespeare und die Bühne des Dramas. Bonn 1917] 85 25 SHAKESPEARE, Vladimir Nabokov 30 35 40 50 Höheres lasset uns jetzt, sikelische Musen besingen, denn nicht jeden erfreun Tamarisken und niederes Strauchwerk! Singen wir Lieder dem Hain, so seien sie würdig des Consuls. Schon ist das Ende der Zeit nach dem Lied von Cumae gekommen. Und großartig beginnen den Lauf ganz neue Geschlechter. Schon kehrt wieder Astraea, es kehrt Saturnus’ Regierung: Neue Geburten entsteigen nun bald dem erhabenen Himmel. [Auszüge: Simon Benne, Markus Antonius und Kleopatra VII. Göttingen 2001. Abkürzungen finden in der zwar akademischen, aber doch fröhlich lesbaren Monographie…] 45 50 60 entsprechen denen des „kleinen Pauly“ und die zahlreichen Verweise und Fußnoten sind zu [Auszüge: Sueton, Augustus. Übersetzung D. Schmitz Stuttgart 1988] 45 bei seinen Versuchen, Klientelfürsten an seine Person zu binden, unwesentlich von anderen Römern, die im Osten Politik trieben – Octavian eingeschlossen. Im Falle seiner wichtigsten politischen Bündnispartnerin, Kleopatra, erwies sich seine machtpolitische Konzeption als besonders stabil. Sie blieb ihm bis in den Tod hinein verbunden. 55 Unter Elisabeths Granden glänztest auch du, du pflegtest üppigen Brauch gefältelte Krause, silbrige Seiden Schenkel umhüllend, keilgleich der Bart schienst du wie alle... so, in die kurze Mantelart mochte der göttliche Donner sich kleiden. Von allem Theaterlärm unnahbar weit schobst du achtlos den Lorbeer beiseit den dir zu flechtenden, trockenen Kranz und verbargst auf ewig dein Riesengenie in einer Maske, doch deiner Phantasie weit hallende Echos verblieben uns ganz: Venedigs Mohr hisst sein Trauerpanier Falstaffs Haupt – einem Euter gleich, beklebt mit ‘nem Schnauzbart, der brüllende Lear... Ihr Schöpfer weilt unter uns, er lebt – nur auf ihn den Blick, in die Irre gelenkt hast du den, hast dich der Welt entzogen um deinen Namen, dein Bild uns betrogen und sie in deiner geliebten Lethe ertränkt. Ist doch wahr: ein Geldschneider unterschrieb – gegen Bares – dein Werk, das jetzt nach ihm heißt ein gewisser Will Shaxper, er spielte in „Hamlet“ den Geist ein Säufer, dem sterbend die Zeit nicht blieb den Teller Schweinskopfsülze zu verdauen... Die Fregatte holt Luft, du gehst auf Reisen. Italien sahst du. Singend rief eine Frauenstimme durch das geschmiedete Eisen 1955 Die USA als Unterdrücker, Russland 1955-75 Viet Nam muss gerettet werden, China 1969-74 Nixon als Vampir, Südostasien 90 95 100 105 110 115 Sei nur dem werdenden Knaben, mit dem sich das eiserne Alter Schließt, und die goldene Zeit aufsteiget dem sämtlichen Erdkreis, Sei nur, keusche Lucina, ihm hold! Schon herrscht dein Apollo. Ja, es beginnt mit dir, o Consul Pollio, diese Glänzende Zeit: es entrollen von nun an wichtige Monde. Weil du waltest, wo irgend die Spur von unseren Greuln blieb, Wird sie, getilgt, von der ewigen Angst entlasten den Erdkreis. Er wird göttliches Leben empfahn: Heroen mit Göttern Wird er vermischt anschaun und selbst sich ihnen gesellt sehn, Und im Frieden die Welt mit der Tugend des Vaters beherrschen. Aber dir wird, o Knabe, zuerst ungebauet das Erdreich Kleine Geschenke in Fülle, mit Narden den schweifenden Efeu, Wird mit dem heitern Akanthus vermischt Kolokasien spenden. Selbst auch werden zum Stall milchstrotzenden Euters die Ziegen Heimgehn, und den gewaltigen Leun nicht fürchten die Rinder. Selber die Wiege sogar wird liebliche Blumen dir spenden. Nicht mehr wird da die Schlang’, und die tückische Pflanze des Giftes Nicht mehr sein: Allwärts wird wachsen assyrisches Würzkraut. Aber sobald du wirst einmal lesen vom Ruhme der Helden, Und von den Taten des Vaters, des Mannsinns Wesen begreifend, Wird sich mählich das Feld mit friedlichen Ähren vergolden, Wird rotglühend die Traub’ dahängen am wildernden Dornbusch, Tauiger Honig wird hartstämmigen Eichen enttriefen. Doch wird einige Spur noch bleiben veralteter Tücke, Die, zu versuchen das Meer mit dem Fahrschiff, Städte mit Mauern Zu umschanzen, und Furchen ins Land zu schneiden, gebietet. Dann wird kommen ein anderer Tiphys, erlesene Helden. Träget ein Argosschiff: ein anderer Krieg kömmt. Wieder ein großer Achill wird dann gen Troia gesendet. Wenn zum Manne dich nun das gekräftigte Alter gereift hat, Selber der Schiffer verschwindet vom Meer dann: Waren vertauscht kein Seeschiff mehr: denn jegliches Land wird alles erzeugen. Nicht mehr duldet der Boden den Karst, nicht Hippen der Weinberg: Dann entspannet dem Joche der rüstige Pflanzer die Stiere. Nicht mehr lernet das Vlies buntschillernde Farben zu lügen, Sondern der Widder sogar wird wechseln die Farb’ auf den Wiesen, Bald in liebliches Rot, bald safrangelbliche Wolle, Scharlach wird auf der Weide von selbst umkleiden die Lämmer. Also entrollt, Jahrhunderte, fort: zu ihrem Gewebe Sprachen die Parzen das Wort, standhaft, einträchtiglich waltend. Jetzo beginne – die Zeit ist da – die erhabene Ruhmbahn, Sprössling, den Göttern so wert, du, Juppiters herrlicher Nachwuchs! Schau, wie freudig erbebet des Weltalls lastende Wölbung, Länder umher und Räume des Meers und tiefen des Himmels! Schau, wie des Weltjahrhunderts Erscheinung alles entzücket! Wäre so weit mir gesteckt des Daseins äußerstes Grenzziel, Möchte mir, würdig dein Tun zu verkündigen, dauern der Atem! Nicht obsiegen im Lied dann soll mir Thracias Orpheus, Linus nicht: ob dem die Erzeugerin Kalliopea Helfe, dem Linus der Vater, der anmutstrahlende Phoebus. Stritte mit mir selbst Pan, und würd’ Arkadia richten, Müsst’ er besiegt sich erkennen, wenn auch Arkadia richtet. Knäblein auf, und erkenn’ am Lächeln die Mutter, es haben Schwer sie beängstiget zehn langwierige Monde der Mühsal. Knäblein, auf! Wen nimmer der Blick anlachte der Eltern, Würdigte weder des Mahles der Gott, noch die Göttin des Lagers. 60 65 70 75 80 sie rief untern Balkon den Inglese, rank vom gelben Zitronenmond sehnsuchtskrank in den Gassen Veronas. Ich male mir mit Vorliebe aus, wie irgendwann sich Don Quichotes kauziger Schöpfer mit dir unterhielt, humorig und wunderlich nichtsahnend, am zufälligen Ort eures Pferdewechsels – der Abend war garantiert blau – Eimerklang, glasklar vom Brunnen hinter dem Gasthof... Auf ein Wort wen hast du geliebt? Verrat’s uns, in wessen Lebensbericht wirst du flüchtig erwähnt? Zeigten dir nicht Unzählige Nullen, wie Spurlegen geht? Wie viele Namen allein bei Brantôme! Enthüll dich, des jambischen Donners Phantom hundertmündiger, unerdenklicher Poet! Nein! Zur bestimmten Stunde – es rückt der Gott dich, du fühlst es, aus deinem Sein – ziehst du die Handschriften insgeheim ein: Schamloses Weltmaul, nimmermehr drückt dein Geschwätz meiner Größe sein Brandzeichen auf! Und zur Gesichtslosigkeit erkoren trotzt du der Jahrhunderte staubendem Lauf wie die Unsterblichkeit selbst... und gingst lächelnd verloren. [1924. Deutsch von Frank-Patrick Steckel] 85 90 95 100 105 110 115 [Publius Virgilius Maro, Vierte Ekloge. Übersetzung Osiander / Hertzberg, Stuttgart 1853, die in einer nach einem Erlöser sich sehnenden Zeit bukolisch einen solchen beschwört und bei dem es sich um einen Spross von Antonius und Octavia handeln könnte. ] Vier aktuelle Beispiele für die Tatsache, dass Kriege oder besser all die Zustände und Ausnahmezustände, die dazu gerechnet werden müssen, ob im Öffentlichen oder Privaten, bei denen das Wort (geschweige denn der Begriff) „Krieg“ einfach nicht mehr taugt, heutzutage meist in Hotelzimmern verhandelt werden. In Hotelzimmern, die sich immer mehr gleichen. Dnipro Hotel, Kiew Rixos Hotel, Tripoli Sham Zenobia Palace, Palmyra Antonius und Cleopatra Hotel Golf, Abidjan 15 Antonius Cleopatra Domitius Enobarbus (Überläufer) Alexas Scarus (Überläufer) Eros Octavius Caesar Octavia Maecenas Agrippa Lepidus Sextus Pompejus Menas (Überläufer) Mardian, Eunuch & Wahrsager Charmian Iras Gallus (Überläufer) Thidias Manfred Zapatka Hanna Scheibe Thomas Loibl Michele Cuciuffo Steffen Lehmitz Simon Werdelis Friederike Ott Bijan Zamani René Dumont Gerhard Peilstein Jeff Wilbusch Götz Argus Konrad Hempel Andrea Wenzl Valerie Pachner Dominik Jedryas Daron Yates Antonius und Cleopatra von WILLIAM SHAKESPEARE Deutsch von FRANK-PATRICK STECKEL nach dem englischen Originaltext der Ausgabe von 1623 Herausgegeben Von UWE LAUGWITZ, 2013 Regie Bühne Kostüme Musik Video Licht Dramaturgie THOMAS DANNEMANN STEFAN HAGENEIER REGINE STANDFUSS KONRAD HEMPEL CLAUDIA LEHMANN PHILIPP WIECHERT GÖTZ LEINEWEBER REGIEASSISTENZ Tom Feichtinger BÜHNENBILDASSISTENZ Swetlana Klee KOSTÜMASSISTENZ Cátia Palminha VIDEOASSISTENZ Alexander Krieger REGIEPRAKTIKUM Jessica Miut BÜHNENBILDPRAKTIKUM Stefan Pistauer KOSTÜMPRAKTIKUM Lara Hohmann REGIEHOSPITANZ Kristin Bartylla BÜHNENBILDHOSPITANZ Camille Kuntz INSPIZIENZ Susanne K. Backes SOUFFLAGE Anna Dormbach PREMIERE 12. Juni 2015 Residenztheater Vorstellungsdauer etwa 3,25 Stunden, eine Pause. BÜHNENMEISTER Andreas Lorenz + Ralf Meier BELEUCHTUNGSMEISTER Martin Feichtner STELLWERK Thomas Keller VIDEO Stefan Muhle + Marie-Lena Eissing TON Nikolaus Knabl REQUISITE Hans Rittinger + Frank Kutzora + Gerhard Lange MASKE Gisela Dlugos + Lena Kostka + Alicia Schreiner + Steffi Trattler GARDEROBE Cornelia Eisgruber + Michaela Fritz + Jörg Upmann + Johannes Schrödl RESIDENZTHEATER SPIELZEIT 2014 / 2015 AUFFÜHRUNGSRECHTE Verlag der Autoren, Frankfurt a.M. REDAKTION Götz Leineweber FOTOS Matthias Horn GESTALTUNG Herburg Weiland BILDNACHWEISE Die Kleopatrabilder entstammen dem schönen Katalog „Die ewige Diva“ zur Ausstellung in der Bundeskunsthalle in Bonn vom 28. Juni 2013, kuratiert von Elisabeth Bronfen und Agnieszka Lulinska. Die Propagandabilder des Feindes analysiert Sam Keen in „Faces oft the Enemy“ New York 1986.“ INTENDANT Martin Kušej GESCHÄFTSFÜHRENDER DIREKTOR Holger von Berg CHEFDRAMATURG Sebastian Huber TECHNISCHER DIREKTOR Thomas Bautenbacher KOSTÜMDIREKTORIN Elisabeth Rauner KÜNSTLERISCHER DIREKTOR Roland Spohr CHEFDISPONENTIN Regina Maier PRESSE- U. ÖFFENTLICHKEITSARBEIT Sabine Rüter TECHNIK Matthias Neubauer + Gerrit Jurda WERKSTÄTTEN Michael Brousek AUSSTATTUNG Bärbel Kober + Maximilian Lindner BELEUCHTUNG / VIDEO Tobias Löffler TON Michael Gottfried REQUISITE Dirk Meisterjahn PRODUKTIONSLEITUNG KOSTÜM Enke Burghardt DAMENSCHNEIDEREI Gabriele Behne + Petra Noack HERRENSCHNEIDEREI Carsten Zeitler + Aaron Schilling MASKE Andreas Mouth GARDEROBE Cornelia Faltenbacher SCHREINEREI Stefan Baumgartner SCHLOSSEREI Ferdinand Kout MALERSAAL Katja Markel TAPEZIERWERKSTATT Peter Sowada HYDRAULIK Karl Daiberl GALERIE Christian Unger TRANSPORT Harald Pfähler BÜHNENREINIGUNG Adriana Elia 16 Antonius und Cleopatra