kunstschule - Städtische Galerie Nordhorn
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kunstschule - Städtische Galerie Nordhorn
SCHÖN DAS KULTURMAGAZIN FÜR DIE GRAFSCHAFT BENTHEIM HERBST/WINTER 2011 Nr. 19 THEMENHEFT RAUMSICHTEN – AKTUELLER STAND HERBST 2011 PORTRÄT JULIA SIEGMUND – INNERE LANDSCHAFTEN KUNSTSCHULE DIE KUNSTSCHULE ZU GAST IN DER GRUNDSCHULE BLANKE Nordhorn Kultur Städtische Galerie Nordhorn Stettiner Straße 1 48455 Bad Bentheim Tel. 0 59 22 98 87 0 www.hellendoorn.biz Druckerei Hellendoorn Wussten Sie schon ... Wir halten unsere Versprechen und tun (fast) alles für das Einhalten des Liefertermins. INHALT 3 EDITORIAL 4 LIEBLINGSBILDER Norbert Jörgens und Andreas Kinser 6 KUNSTSCHULE Kleine Kunstschüler kommen ganz groß raus 6 8 REPORTAGE: KUNSTWERK SCHÜTTORF Ein neues Kunst- und Seminarhaus entsteht in der Grafschaft 10 SCHÖNE TIPPS 8 11 THEMENHEFT »RAUMSICHTEN – AKTUELLER STAND HERBST 2011« 27 KUNSTWEGEN Olav Christopher Jenssen: Lingaphone 28 KUNSTSCHULE Die Kunstschule zu Gast in der Grundschule Blanke 11 30 PORTRÄT Julia Siegmund – Innere Landschaften 32 REPORTAGE: HALTESTELLE 28 Ein Bahnhof wird zur Galerie 34 STANDPUNKT Christina Tieke: Der beschleunigte Betrachter ausgebremst 35 WAS IST EIGENTLICH ... Performance? 36 BÜCHERECKE 30 37 KOCHKÜNSTLER Adrian Lohmüller: Tomatyr Ki Chatni 32 38 SCHÖNE FRAGEN Carlos Barroso EDITORIAL \\\\\ 3 liebe LESER die letzte Ausgabe der SCHÖN liegt nun schon eine ganze Weile zurück. Zahlreiche Fragen nach unserem beliebten Kulturmagazin haben gezeigt, dass das Interesse der Leserschaft nach wie vor groß ist. Der plötzliche Tod unseres Chefredakteurs Daniel Klause im letzten Jahr hat eine große Lücke hinterlassen. Er war uns nicht nur Freund, sondern Kopf und Motor der SCHÖN. Mit dem damaligen Leiter der Städtischen Galerie Nordhorn Martin Köttering hob er das Magazin vor über neun Jahren aus der Taufe und entwickelte es mit Roland Nachtigäller und später mit mir zusammen weiter. Seit dem Herbst 2002 erscheint die SCHÖN ein- bis zweimal im Jahr, um in unterhaltsamer Weise über zeitgenössische Kunst in der Region, die Arbeit der Städtischen Galerie Nordhorn und die Kunstvermittlung in der Kunstschule der Städtischen Galerie Nordhorn zu berichten. Daniel Klause war ein hervorragender Ideengeber für die vielfältigen Themen und ein gewissenhafter Chefredakteur, der Zeitschiene und Gesamtproduktion der SCHÖN immer im Blick hatte. Mit seinem konzentrierten Engagement verstand er es in außergewöhnlicher Weise, das Redaktionsteam zu motivieren. Oftmals besuchte er mich unangemeldet im Büro, um über den aktuellen Stand zu berichten, seine Ideen zu vertreten und Fragen zu diskutieren. Für mich war er ein loyaler und gleichzeitig kritischer Gesprächspartner, mit dem ich das aktuelle Geschehen in Nordhorn genauso wie andere Themen besprechen konnte, die weit über die Redaktionsarbeit hinausgingen. Wir denken oft an ihn. Mit Ulrike Richter als verantwortlicher Redakteurin führen wir die SCHÖN nun als Gemeinschaftsproduktion im Sinne von Daniel Klause weiter. Ulrike Richter ist gebürtige Nordhornerin, hat Germanistik, Geschichte und Pädagogik studiert und war bei verschiedenen Verlagen, im Buchhandel und in der Erwachsenenbildung tätig. Ich freue mich sehr über die fruchtbare Zusammenarbeit. Finissagen und das jährlich stattfindende Sommerfest der Kunstschule der Städtischen Galerie Nordhorn mit Präsentationen aus den Workshops, Laboren und Kooperationen der Kunstschule sind beliebte Höhepunkte im Galerie-Programm. Die aktuelle Ausgabe der SCHÖN berichtet über die vielfältige Kunstvermittlung der Kunstschule, die auch zu Gast in der Grundschule Blanke war. Die Künstlerin Julia Siegmund zog im vergangenen Jahr mit ihrer Familie von Münster nach Nordhorn. SCHÖN-Redakteur Andre Berends hat die Künstlerin in ihrem Atelier in der ehemaligen Burgschule besucht. Zwei ungewöhnliche Kunst-Orte haben wir für Sie entdeckt: Wir berichten über den niederländischen Kulturbahnhof „Perron 1“ und stellen Ihnen das Konzept des gerade in der Entstehung begriffenen Kunst- und Kulturhauses „KunstWerk“ in Schüttorf vor. Das Themenheft widmet sich dem aktuellen Stand der Fortsetzung von kunstwegen in der Obergrafschaft. Neun Kunstprojekte werden zurzeit für raumsichten realisiert, das im Mai 2012 eröffnet wird. Gute Unterhaltung wünscht Ihnen VERONIKA OLBRICH Leiterin der Städtischen Galerie Nordhorn IMPRESSUM HERAUSGEBER STÄDTISCHE GALERIE NORDHORN, VECHTEAUE 2, 48529 NORDHORN, TELEFON (0 59 21) 97 11 00, FAX (0 59 21) 97 11 05, [email protected] REDAKTION ULRIKE RICHTER (VERANTWORTLICH), PHILIP AUBREVILLE, MARIANNE BEGEMANN, ANDRE BERENDS, SASCHA HOHLT, THOMAS KERN, VERONIKA OLBRICH, HEIKE PFINGSTEN, KAI RIEKE, THOMAS WEGMANN, VERENA WISSMANN FOTOS JÜRGEN LÜKEN, GEROLD MEPPELINK, ANDRE BERENDS, HELMUT CLAUS UND STÄDTISCHE GALERIE NORDHORN. (TROTZ SORGFÄLTIGER BEMÜHUNGEN KONNTEN WIR NICHT IMMER DIE JEWEILIGEN RECHTEINHABER AUSFINDIG MACHEN. WIR BITTEN, SICH GEGEBENENFALLS MIT DER STÄDTISCHEN GALERIE NORDHORN IN VERBINDUNG ZU SETZEN.) TITEL ANDRE BERENDS ILLUSTRATION FRANK ULMER GESTALTUNG UND SATZ VAN NES / BÜRO FÜR GESTALTUNG, VNBFG.DE DRUCK A. HELLENDOORN KG, BAD BENTHEIM. „SCHÖN“ ERSCHEINT MIT FREUNDLICHER UNTERSTÜTZUNG DES LANDES NIEDERSACHSEN 4 ///// LIEBLINGSBILD DIESES BILD In einem der oberen Stockwerke der Kreissparkasse in der Bahnhofstraße in Nordhorn hat Norbert Jörgens sein Büro. Doch auch wenn die hohe Lage und eine breite Fensterfront einen guten Blick auf die Stadt ermöglichen, weckt vornehmlich etwas anderes Assoziationen des 49-jährigen mit seiner Grafschafter Wahlheimat. Es sind zwei Siebdrucke des niederländischen Künstlers Ton Schulten – „Frühling“ („Lente“) und „Herbst“ („Herfst“). „Das linke Bild mit der Stadt und dem Wasser verbinde ich mit der Wasserstadt Nordhorn, während das rechte Bild für mich das Ländliche repräsentiert. Das weckt schon Heimatgefühle“, erklärt der gebürtige Speller, der Abitur und Banklehre in Rheine absolvierte, mit einer Emsländerin verheiratet ist und seit 1994 in der Grafschaft Bentheim lebt. Für Jörgens, der seinem Beruf lange Zeit unter anderem in Bielefeld und Frankfurt nachging, war der Umzug in die Grafschaft auch eine Rückkehr in die Heimat: „Grafschaft und Emsland – da liegt für mich keine Welt dazwischen. Ich bin froh, wieder in der Region zu sein, aus der ich komme.“ finde ich gut Auch deshalb habe er Sympathien für die Werke Ton Schultens entwickelt, jenem „Künstler, der alles in sich vereint, was diese schöne Region ausmacht.“ Ende der 1990er traf Jörgens ihn zum ersten Mal persönlich und fand gleich einen Zugang zu dem Künstler und seinen Werken. „Er hat ja auch eine kaufmännische Historie“, schildert Jörgens eine zunächst wenig naheliegende Gemeinsamkeit von Maler und Banker, zwischen denen sich bald eine engere Beziehung entwickelte: Norbert Jörgens besuchte Galerien und Ton Schulten mit seiner Frau schließlich das Büro in der Bahnhofstraße. Dort beriet das Paar Jörgens bei der Suche nach einem passenden Bild – eine Begegnung, die Jörgens nachhaltig beeindruckte: „Es ist ein Erlebnis, wenn der Künstler selbst erläutert, warum genau diese Bilder in diesem Büro an dieser Wand in diesem Abstand hängen müssen und wenn man merkt, wie der Künstler darin aufgeht, sein Werk hier aufzuhängen.“ Die Entscheidung für zwei kleinere Siebdrucke mit limitierter Auflage, „Frühling“ und „Herbst“ eben, die aus der Serie „Vier Jahreszeiten“ stammen, hing aber auch mit eigenen Überlegungen zusammen. „Ein einziges großes Bild hätte den Raum zu sehr dominiert“, meint Jörgens, der sich selbst zwar nicht als großen Kunstkenner sieht, aber immerhin auf 15 Punkte in seinem Kunst-Abitur verweisen kann. Entsprechend souverän zeichnet der Bankvorstand Verbindungslinien zwischen den beiden Werken in seinem Büro und seinem (Berufs-) Alltag. So sei das Bild mit seinen Linien einerseits klar strukturiert und strahle mit seinem Zusammenspiel der Farben andererseits eine positive Stimmung aus. Dies passe insofern zu ihm, als dass auch er klar strukturiert sei: „Doch bei allen klaren Linien und Strukturen möchte ich auch bei der Arbeit Freude haben. Eine gewisse Heiterkeit ist mir wichtig.“ Diese Freude zieht Norbert Jörgens eben auch aus den beiden Siebdrucken: „Ich mochte schon immer farbenfrohe Bilder und dieses Büro konnte auch etwas Farbe vertragen.“ Vielleicht sind „Frühling“ und „Herbst“ auch deshalb eine angenehme Abwechslung vom Blick aus dem Fenster – gerade, wenn der Herbst auch in der Realität wieder Einzug hält. Philip Aubreville /// NORBERT JÖRGENS ALTER 49 BERUF BANKVORSTAND FAMILIENSTAND VERHEIRATET, 2 SÖHNE LIEBLINGSBILD LIEBLINGSBILD ANDREAS KINSER ALTER 45 BERUF BANKVORSTAND FAMILIENSTAND VERLOBT Eigentlich war es ein ganz gewöhnlicher Abend im Herbst 2008, als es an Andreas Kinsers Tür klingelte. Der 45-jährige Bankvorstand, der zu dieser Zeit noch im rheinland-pfälzischen Bad Kreuznach tätig war, öffnete die Tür und stand einer israelischen Studentin gegenüber, die nachgemalte Kunstwerke zum Verkauf anbot. Einen besseren Zeitpunkt hätte sich die Autragsmalerin kaum aussuchen können: Erst wenige Wochen zuvor hatten Andreas Kinser und seine Lebensgefährtin eine Ausstellung des USamerikanischen Malers Mark Rothko (19031970) in der Kunsthalle Hamburg besucht und waren begeistert zurückgekehrt. Begeistert von einem Künstler, dessen Werke sogar zum Portfolio der jungen Israelin gehörten, wie sich später herausstellen sollte. Andreas Kinser bat sie herein. „Es ist die Frage, ob man an Zufälle glaubt“, fasst der gebürtige Lübecker die Geschichte seines Lieblingsbildes gut zwei Jahre später noch einmal zusammen. „Natürlich ist das kommerzielle Kunst und die Studentin hatte vor allem das Ziel, ein Bild zu verkaufen und Geld zu verdienen. Andererseits hatten wir intensive Gespräche über Gott und die Welt, etwa über das Verhältnis von Israel und Deutschland. Schließlich zeigte sie mir einige Probebilder, von denen mir aber keines wirklich gefiel.“ Doch als Andreas Kinser nach Mark Rothko fragte, holte die junge Frau ein kleines Bild aus ihrer Kunstmappe hervor. Man vereinbarte ein zweites Treffen, bei dem Kinser ein Werk im Großformat präsentiert wurde. Schließlich kam man ins Geschäft – „Untitled“, so der Name des Bildes, wurde in Auftrag gegeben. Kinser, auch an diesem freien Vormittag im Anzug, sitzt an dem massiven Holztisch in seiner Nordhorner Wohnung, die er gerade erst bezogen hat. Doch auch wenn die Einrichtung des neuen Zuhauses noch nicht abgeschlossen ist – das Bild hat seinen Platz schon gefunden. „Untitled“ thront über seinem Kopf. Das Werk hat keine direkte Vorlage, sondern wurde mit seinen kubischen Formen und düsteren Farben den Bildern Rothkos nachempfunden: „Das ist meine persönliche Verbindung zu dem Stil Mark Rothkos, der mich als Künstler schon länger interessiert.“ Dieser persönliche Bezug gehe weit über die „schöne Erinnerung“ an die – aufgrund der horrenden Versicherungssummen mit Seltenheitswert versehenen – Ausstellung in Hamburg hinaus und mache das Bild zu einem echten Gewinn. „Das war eine Lustinvestition“, erklärt der Banker und stellt sogleich einen Bezug zu seinem beruflichen Alltag her: „Die Kunst beim Geschäftemachen ist, dass beide Seiten gewinnen. Das gilt in dieser Situation genauso wie in der Bank.“ Doch während Gewinne bei einem durchschnittlichen Bankgeschäft eher materieller Natur sind, ist es für Kinser hier der ideelle Wert, der zählt. „Untitled“ versetzt den in künstlerischen Dingen nach eigenen Angaben eher weniger talentierten Bankvorstand regelrecht ins Schwärmen: „Dieses Bild ist nicht einfach im Supermarkt gekauft und mehr als ein Dekorationsstück. Es wird mich den Rest meines Lebens begleiten.“ Doch trotz der großen Bedeutung kann sich Kinser, der seit Jahren in Kunstvereinen engagiert ist und bereits zahlreiche Ausstellungen mitorganisierte, eine weitere Investition gut vorstellen. „Eine Verbindung mit „Untitled“ mag es geben, wenn uns etwas für diese Wand dort eingefallen ist“, erklärt er und zeigt die noch leere, weiße Wand gegenüber seinem Lielingsbild. Möglicherweise kommt ja wieder einmal der Zufall zur Hilfe. Beim nächsten Mal möchte Andreas Kinser sein Geld in jedem Fall für einen regionalen Künstler ausgeben. Philip Aubreville /// \\\\\ 5 6 ///// KUNSTSCHULE KUNSTSCHULE ganz groß RAUS KLEINE KUNSTSCHÜLER KOMMEN SOMMERFEST DER KUNSTSCHULE UND FINISSAGE DER GALERIE WAREN EIN VOLLER ERFOLG KUNSTSCHULE Am 29. Mai 2011 öffneten sich letztmals die Türen zur Ausstellung „Gewicht des Sehens“ von Antonia Low und zugleich war es für viele Kinder ein Tag, an dem sie allen Grund hatten, stolz zu sein. Auf kreative Weise setzten sie ihren eigenen Glanzpunkt und verwandelten die Räumlichkeiten rund um den Spiegelpavillon der Städtischen Galerie Nordhorn in eine Spielwiese aus ihren eigenen Bildern, Skulpturen und Objekten. Insgesamt waren in den Wochen zuvor rund 200 Kinder in die Ausstellung gekommen; an jenem Sonntag im Mai lud die Kunstschule der Städtischen Galerie Nordhorn nun zu ihrem alljährlichen Sommerfest und zur Finissage. Das Sommerfest wird jeweils zur Jahreshälfte ausgerichtet, die Kinder und Dozenten haben dann die Möglichkeit, ihre erschaffenen Arbeiten auszustellen. Die Finissage zu „Gewicht des Sehens“ war ein großer Erfolg, denn rund 170 Personen besuchten bei bestem Wetter die Veranstaltung. Das überraschte auch Karin Pena, pädagogische Leiterin der Kunstschule, positiv: „Mit diesem Ansturm haben wir nicht gerechnet, aber umso schöner ist es für die Kinder. Damit erfahren sie auch Anerkennung für ihre Werke.“ Pena war zusammen mit Katrin Vink, einer ehemaligen freien Mitarbeiterin der Kunstschule, verantwortlich für die Zusammenarbeit mit mehreren Kindergartengruppen. Die beiden Kindergärten „St. Marien“ und „Haus für Kinder“ arbeiten regelmäßig mit der Kunstschule zusammen und zeigten auch in diesem Jahr reges Interesse, diverse Projekte gemeinsam anzugehen. Dabei waren nicht nur sehr schöne Arbeiten entstanden, die Kinder hatten auch die Möglichkeit, unterschiedliche Disziplinen der Kunst, verschiedene Techniken und die Arbeit mit unterschiedlichen Materialien kennen zu lernen. So hatten die beteiligten Nachwuchskünstler vom „Haus für Kinder“ eine fantasievolle, begehbare Unterwasser-Welt entworfen und erstellt. Dem aufmerksamen Betrachter zeigten sich hier, zwischen den beiden Pavillons in der Alten Weberei, Fische, Korallenriffe und Seerosen. Auf dem Gerüst in der Ausstellung entwickelten sich zudem spannende Gespräche mit den Kindern über das besondere Spiegelerlebnis. Eine ebenso aufregende wie lange Zeit hatten die Kinder des ‚Kunstforscher-Projektes‘ in der Kunstschule verbringen können. Vier Wochen lang waren sie jeden Dienstag und Donnerstag vom „Haus für Kinder“ zu Fuß zur Kunstschule gekommen. Dort wurde dann von jeder Gruppe eine Leinwand bemalt. Dies erforderte diszipliniertes Arbeiten, wobei die Kinder erfahren konnten, dass es noch anderes Werkzeug gibt als nur den kleinen Pinsel. „Wichtig ist vor allem, dass die Kinder verstehen, was sie machen“, so Pena zu dieser Übung. Die fertigen Kunstwerke wurden dann natürlich auch auf der Finissage von den Besuchern bewundert. Insgesamt drei Gruppen vom Kindergarten „St. Marien“ waren bei der Erstellung des so genannten Spiegeldrucks offenkundig voll in ihrem Element gewesen. Jedes Kind hatte einen Spiegel bekommen, sich selbst darin betrachtet und daraufhin ein Selbstporträt gemalt. Dies wurde durch einen Spiegeldruck in schwarz-weiß verändert und ebenfalls ausgestellt. Hier kamen extrem spannende und auch treffende Bildnisse zusammen. Auch zahlreiche Schülergruppen hatten die Ausstellung besucht und kreativ verarbeitet. Den Schülerinnen und Schülern waren beispielsweise Karteikarten mit Fragen ausgehändigt worden, mit denen sie sich beim Betrachten der Ausstellung auseinandersetzen sollten. Ihre Antworten wurden von fleißigen Helfern aufgehängt und sichtbar für die Besucher der Finissage ausgestellt. Präsentiert wurden auch die Arbeitsergebnisse aus den Laboren der Kunstschule, darunter auch Trickfilme in Stop-MotionTechnik und Miniatur-Spiegelwelten im Schuhkarton. Ebenso bereicherten die Resultate aus den Gruppen der festen, wöchentlich stattfindenden Schulkooperationen diese bunte und außergewöhnliche Werkschau. Für Karin Pena ist das Sommerfest jedes Jahr wieder ein ganz besonderes Erlebnis: „Es ist eine jährlich wiederkehrende Veranstaltung mit einem immer neuen Motto. Es gibt einen Streifzug durch die Arbeiten des ersten Halbjahres der Kunstschule und ist nur zu schaffen durch den großen Einsatz der Dozenten und Mitarbeiter der Kunstschule. Alle helfen tatkräftig mit und wir sind immer wieder erstaunt, was alles geschafft wurde.“ Da darf man sich schon jetzt auf das Sommerfest 2012 freuen! Kai Rieke /// STOLZ PRÄSENTIERTEN DIE KINDER IHRE WERKE AUF DEM SOMMERFEST DER KUNSTSCHULE UND PROBIERTEN DIE EINZELNEN KUNSTWERKE AUCH GLEICH EINMAL AUS. \\\\\ 7 8 ///// REPORTAGE REPORTAGE KunstWerk Schüttorf gem. GmbH: EIN NEUES KUNST- UND SEMINARHAUS ENTSTEHT IN DER GRAFSCHAFT UNWEIT DES EINKAUFSKOMPLEXES VECHTEZENTRUM, AM ENDE EINER KLEINEN SEITENSTRASSE, WIRD EMSIG GEARBEITET. NEUE FENSTER, GLÄNZENDE DACHZIEGEL, EIN SCHWARZER SCHRIFTZUG AUF WEISSEM GRUND: „D. FLINTERMANN SCHÜTTORF“. GERADE EBEN WIRD DAS BAUGERÜST ABMONTIERT, AM FIRST MÜSSEN NOCH LETZTE ARBEITEN VERRICHTET WERDEN, DOCH SCHON JETZT ERKENNT MAN, WIE AUFWENDIG UND MIT WIE VIEL LIEBE ZUM DETAIL DAS EHEMALIGE LAGER- UND KONTORGEBÄUDE SANIERT WIRD. DIE ZWEI SCHÜTTORFER JENS FALLEY UND DIEDRICH LAMMERING MÖCHTEN HIER ETWAS NEUES ENTSTEHEN LASSEN: IM FRÜHJAHR 2012 WIRD IN DIESEN RÄUMEN EIN KUNST- UND SEMINARHAUS ERÖFFNET, DESSEN PROGRAMM IN DER REGION EINZIGARTIG IST. REPORTAGE „Begegnung, Selbsterfahrung/Stille, Kunst/ Musik/Theater und Bewegung sind die vier Säulen, auf denen unser Konzept ruht “, erläutert Falley den Leitgedanken des Hauses. Inspiriert wurde er durch die Arbeit Professor Karlfried Graf Dürckheims und seiner Frau, die in Todtmoos-Rütte ein Zentrum für initiatische Therapie leiteten. Eigentlich eine Form der Psychotherapie wird diese ganzheitliche Methode auch als Lebensbegleitung und meditativer Übungsweg eingesetzt, wobei schöpferisches und künstlerisches Wirken miteinander verknüpft werden. Arbeit mit Tonerde, mit dem Schwert, mit Farbe oder Musik, Bewegung und Tanz, Stille und Meditation aber auch Alltagsverrichtungen können den Menschen zu sich selbst führen. „Künstlerisches Schaffen kann alles sein, selbst Putzen“, erklärt Falley lächelnd. Jeder Mensch hat eine eigene Art, seine Persönlichkeit auszudrücken. Zugang zu diesem ganz individuellen Ausdruck zu finden, ist die Basis für künstlerisches Schaffen. Ob jemand dafür Stille oder Austausch, physische Nähe oder Distanz, Natur oder Kultur benötigt, kann er an diesem Ort herausfinden. Das „KunstWerk“ wird dem Besucher viele Möglichkeiten bieten, sich auszuprobieren. „Wir verstehen dieses Haus als Schutzraum. Hier darf sich Kreativität in jede Richtung entwickeln.“ Seminare und Workshops sollen den Teilnehmern geistige, kreative und lebendige Impulse geben. Eine breit gefächerte Palette an Veranstaltungen hat der ausgebildete Kunsttherapeut Falley gemeinsam mit Thorsten Norgall, der als Veranstaltungskaufmann in Zukunft das „KunstWerk“ leiten wird, zusammengestellt. Fünf Ausstellungen sind bereits für das kommende Jahr geplant: Mit Hinrich JW Schüler, Maria-Theresia von Fürstenberg, Loes de Haan, Stefi MannNichiteanu und Bernd Bannach hat man Künstler verschiedenster Richtungen gefunden, die hier eine Auswahl ihrer Werke präsentieren werden. Das Angebot an Seminaren reicht von der Arbeit mit Schwertern, mit Klangschalen oder Percussions über Meditationstechniken bis hin zu geführten Kursen in Malerei, Zeichnen und Fotografie. Ein regelmäßig stattfindendes, offenes Maleratelier und Konzerte mit jazziger, weltmusikalischer oder klassischer Ausrichtung runden das Programm ab. So vielfältig die Zusammenstellung der Seminare und Veranstaltungen auch ist, die Grundidee bleibt immer spürbar, die Themen sind sorgfältig ausgewählt und aufeinander abgestimmt. Noch sind die Umbauarbeiten innerhalb des Hauses in vollem Gange. Mit viel Gespür wird versucht, den ursprünglichen Charakter des Gebäudes beizubehalten und gleichermaßen dem Anspruch an Zeitgeist und moderner Technologie sowie Brandschutzverordnungen und Zweckmäßigkeit zu verbinden. \\\\\ Durch eine schöne, zweiflügelige blaue Tür gelangt der Besucher in einen kleinen Eingangsbereich, der Lounchcharakter erhalten soll. Wendet er sich nach rechts, gelangt er in das Kernstück des Gebäudes, dessen Ausmaße schon jetzt beeindruckend sind: Die 254 Quadratmeter große, lichtdurchflutete Halle ist für zukünftige Ausstellungen, Lesungen, Konzerte und Vorführungen gedacht, ein Café wird sich anschließen – auch für Büroräume, eine Küche, Lagerräume und Sanitäranlagen wurden bereits Wände gezogen. Im oberen Stockwerk entstehen Atelier- und Seminarräume, unter dem Dach wird an zwei kleinen Appartements gearbeitet; eines wird den zukünftigen Gastdozenten zur Verfügung gestellt, das andere ist als Hauswartswohnung gedacht. Und schließlich soll hinter dem Haus ein Garten entstehen, wenn man sich denn mit dem Besitzer des angrenzenden Grundstücks auf einen Verkauf einigen kann. Man spürt die Freude, mit der Falley und Norgall die Umgestaltung des Gebäudes begleiten. Die offizielle Übergabe wird im März kommenden Jahres erfolgen, doch schon jetzt ist der gesamte Kursplan auf der Homepage abgebildet; Anmeldungen sind online bereits möglich: www.kunstwerk-schuettorf.de Ulrike Richter /// news AUSSTELLUNG > DIE DIESJÄHRIGE KUNSTPREISTRÄGERIN DER STADT NORDHORN HEISST MICHAELA MELIÁN. AM 2. DEZEMBER 2011, UM 19.30 UHR, FINDET DIE FEIERLICHE PREISVERLEIHUNG UND ERÖFFNUNG IHRER AUSSTELLUNG IN DER STÄDTISCHEN GALERIE NORDHORN STATT. DIE AUSSTELLUNG LÄUFT BIS ZUM 12. FEBRUAR 2012. KINDER, KINDER > WIE WÄRE ES MIT EINEM KINDERGEBURTSTAG IN DER WERKSTATT DER KUNSTSCHULE? UNTER DEM MOTTO „SCHOKOKUSS UND KUNSTGENUSS“ KÖNNEN BIS ZU ZEHN KINDER AB FÜNF JAHREN KUNST ERLEBEN UND ANSCHLIESSEND VIELE AUFREGENDE SACHEN SELBER MACHEN. 9 10 ///// SCHÖNE TIPPS schöne TIPPS KUNST IM KREISHAUS EINE AUSSTELLUNG MIT WERKEN VON ERICH BEGALKE Man schreibt das Jahr 1985. Die Grafschaft Bentheim feiert ihr 100-jähriges Bestehen. Um diesem Ereignis ein adäquates Begleitprogramm zu geben, entwickelte Bernhard Jansen vom Landkreis ein neues Ausstellungskonzept. Da es für die vielen Künstler und kreativ schaffenden Menschen in der näheren Umgebung keine Ausstellungsinfrastruktur gab, wurde die 1. „KUNST IM KREISHAUS“Ausstellung ins Leben gerufen. Es begann mit einer Werkpräsentation heimischer Hobbykünstler. Doch schon sehr schnell änderte sich das Konzept. Folgende Ausstellungen beinhalteten vorrangig Arbeiten von professionellen Künstlerinnen und Künstlern. Heute ist das Kreishaus ein wichtiger und fester Bestandteil der kulturellen Szene in der Grafschaft Bentheim. Nach mittlerweile 26 Jahren „KUNST IM KREISHAUS“ steuert Bernhard Jansen auf die 76. Ausstellung zu. Im November dieses Jahres sind die Werke von Erich Begalke aus Nordhorn zu sehen. Erich Begalke kann als ein fester Bestandteil der hiesigen Kunstszene angesehen werden. Seine humorvollen, satirischen Karikaturen mit ihrer Mehrdeutigkeit sind bestechende künstlerische Ergebnisse eines langen Entwicklungsprozesses. Wenn wir uns Erich Begalkes Gemälden zuwenden, kommen wir nicht am Surrealismus mit seinen phantastischen, absurden Bildinhalten vorbei. Ähnlichkeiten bekannter Künstler der Geschichte wie Max Ernst sind durchaus gewollt. Begalkes Motto: „Klauen ist in der Kunst erlaubt“ (siehe SCHÖN, Ausgabe Nr. 2, Sommer 2002). Neben Grafiken, Zeichnungen und Gemälden erarbeitet Erich Begalke kleine, filigrane Skulpturen, die voller Witz und Ironie sind. Versuchen wir den Menschen Erich Begalke in seinen Arbeiten zu entdecken, so werden wir durchaus fündig: Genauso sozialkritisch und verschmitzt, wie er selbst in Erscheinung tritt, sind seine Arbeiten, und dennoch sind sie nicht aufdringlich, eher zurückhaltend, uns selbst ein Spiegelbild vorsetzend. Zurück zum Kreishaus mit seinen Kunstausstellungen. Voraussichtlich schon in ein paar Jahren wird es wieder etwas zu feiern geben: Die 100. Ausstellung dieser Reihe. Zu diesem Ereignis ist ein Gesamtkatalog geplant, der alle bis dahin ausgestellten Künstlerinnen und Künstler, nebst Abbildungen ihrer Werke, beinhalten wird. Man darf gespannt sein! Thomas Wegmann /// KUNST IN DER REGION KUNST IM KREISHAUS, VAN-DELDEN-STRASSE 1 – 7, NORDHORN > BIS ENDE JANUAR 2012 > ERICH BEGALKE „BILDER, ZEICHNUNGEN UND KLEINSKULPTUREN“ > MO BIS DO 8 – 16.30 UHR, FR 8 – 12.30 UHR, SO 11 – 13 UHR STÄDTISCHE GALERIE NORDHORN, VECHTEAUE 2 > 2. DEZEMBER BIS 12. FEBRUAR 2012 > KUNSTPREIS DER STADT NORDHORN 2011: MICHAELA MELIÁN > DI BIS FR 14 – 17 UHR, SA 14 – 18 UHR, SO 11 – 18 UHR OTTO-PANKOK-MUSEUM, NEUER WEG 17, GILDEHAUS > 12. NOVEMBER BIS FRÜHJAHR 2012 > „MACHT DRUCK“, AUSDRUCKSFORMEN DES HOCHDRUCKS VON 1400 BIS HEUTE > MI 15 – 17 UHR, SA, SO 14 -17 UHR KUNSTVEREIN GRAFSCHAFT BENTHEIM, HAUPTSTRASSE 37, NEUENHAUS > BIS 26. DEZEMBER > DOROTHEA GOLDSCHMIDT „SWEETHEART“, 25. FEBRUAR BIS 29. APRIL 2012 > MEISTERSCHÜLER VON ANKE DOBERAUER > MI BIS SA 15 – 18 UHR, SO 11 –18 UHR KUNSTHALLE LINGEN, KAISERSTRASSE 10a > BIS 18. DEZEMBER > RIVANE NEUENSCHWANDER / HAEGUE YANG „ESCAPING THINGS AND WORDS“, 25. NOVEMBER BIS 18. DEZEMBER > MICHAEL BEUTLER, SANDRA KRANICH, PETER LÜTJE, STEFAN MÜLLER, SARAH PELIKAN, DAN PERJOUSCHI, SUSE WEBER, ALEXANDER WOLFF„JAHRESGABEN 2011 / 2012“ > DI, MI, FR 10 – 17 UHR, SA, SO 11 – 17 UHR AUSSTELLUNGSHALLE ZEITGENÖSSISCHE KUNST MÜNSTER, HAFENWEG 28 > 26. NOVEMBER BIS 12. FEBRUAR 2012 > ANN VERONICA JANSSENS „INSTALLATIONEN, PROJEKTIONEN, FOTOGRAFIEN, SKULPTUREN“ > DI BIS FR 14 – 18 UHR, SA, SO 12 – 18 UHR RIJKSMUSEUM TWENTHE, LASONDERSINGEL 129 – 131, ENSCHEDE > BIS 1. MÄRZ 2012 > OTHILDA VERDURMEN „DE VUURVOGEL“ > DI BIS SO 11 – 17 UHR SANDSTEINMUSEUM BAD BENTHEIM, FUNKENSTIEGE 5 > BIS 1. APRIL 2012 > GEORG WORTEL „HOLZSKULPTUREN“ > DI BIS SO 14 – 18 UHR DA, KUNSTHAUS IM KLOSTER GRAVENHORST, KLOSTERSTRASSE 10, HÖRSTEL > 4. DEZEMBER > ALEXANDER EDISHEROV, KATERINA KUZNETCOWA „WINTERLICHT / VISION“ > DI BIS SA 14 – 18 UHR, SO 11 – 18 UHR { raumsichten } THEMENHEFT Aktueller Stand Herbst 2011 Folke Köbberling und Martin Kaltwasser, Tamara Grcic, Marco Lulic, Christoph Schäfer, Antje Schiffers, Hans Schabus, Eva Grubinger, Paul Etienne Lincoln, Willem de Rooij 2 ///// THEMENHEFT RAUMSICHTEN { einleitung } Veronika Olbrich In der Entstehung begriffen sind die Skulpturen und Projekte für raumsichten, bevor im Mai 2012 die feierliche Eröffnung der neun weiteren Stationen von kunstwegen in der Obergrafschaft stattfindet. Unser schön-Innenteil berichtet über den aktuellen Stand und zeigt noch nie veröffentlichte Fotos. Projektträger von raumsichten ist der Landkreis Grafschaft Bentheim und in der Städtischen Galerie Nordhorn arbeitet das Leitungsteam: Galerieleiterin Veronika Olbrich, Kurator Dirck Möllmann und Bernhard Jansen, Leiter des Fachdienstes Kultur und Denkmalschutz beim Landkreis Grafschaft Bentheim, werden dabei tatkräftig von der raumsichtenAssistentin Heike Pfingsten unterstützt. Nach zwei Arbeitsforen im November 2009 und im Februar 2010 unter Beteiligung von 16 internationalen KünstlerInnen und Planungsexperten aus der regionalen Verwaltung, entstanden künstlerische Entwürfe, die im April 2010 mit einer Ausstellung in der Städtischen Galerie Nordhorn präsentiert wurden. Die anschließend ausgewählten neun Projekte werden zurzeit unter großer Anteilnahme der Bevölkerung umgesetzt: Als Gegenentwurf zum klassischen Autobahnkreuz entwickelte das Künstlerduo Martin Kaltwasser/Folke Köbberling ein Fahrradbahnkreuz als zukunftsweisendes Modell für die Mobilität im 21. Jahrhundert. Leider fehlt für dieses raumsichten-Projekt noch die Finanzierung. Tamara Grcic bezieht sich in anderswohin auf archäologische Ausgrabungen bei Hestrup, die frühgeschichtliche Siedlungsspuren und Fundstücke aus der Zeit der Trichterbecherkultur zutage förderten. Grcic ließ sich zu Bronze-Skulpturen inspirieren, die auf einem nahe gelegenen Hügel installiert wurden. Für die Lichtung von Marko Lulic wurden 34 ausrangierte Straßenlaternen aus Schüttorf auf einer Sockelanhöhe zusammen gestellt, um damit auch Fragen über die Wahrnehmung von Denkmälern und Denkmalschutz aufzuwerfen. Christoph Schäfer hat unter dem Titel Topographie der Gemeinheit ein 3-teiliges Projekt entworfen, das sich mit Kollektiv- und Privatbesitz beschäftigt. Dazu gestaltet er im genossenschaftlich betriebenen Waldstück Samerrott das Naturdenkmal „Rabenbaum“ neu und greift die Geschichte der Anna Holmer und der Täufer auf. Hans Schabus überführt eine Brücke aus Österreich in die Obergrafschaft. Als Skulptur ohne Wege- oder Straßenanbindung soll sie in Zukunft nicht den Fluss Lassnitz, sondern die Vechte queren. Ein geeigneter Standort für die Skulptur wird noch gesucht. Antje Schiffers produziert mit Experten und Interessierten vor Ort gemeinsam Vechtewaren. In Ohne wird angebauter Flachs zu „Ohner Leinen“ verarbeitet. Ironisierend greift Eva Grubinger mit ihrem Smoking Shelter (Raucherschutzhütte) die restriktiven Rauchergesetze auf. Für Bad Bentheim Schwein von Paul Etienne Lincoln wurde ein Zierbau aus Sandstein auf der Insel im Bentheimer Schlosspark errichtet, in dem das Modell eines Schweins steht, das eine Orgel in sich birgt. Bei einem jährlichen Fest wird die Orgel des singenden Schweins feierlich zum Klingen gebracht und der Sparerlös von neun eigens gegründeten Sparclubs für die Pflanzung von Eichen im Forstpark eingesetzt. Und schließlich wird für das Projekt Re-Contextualisation von Willem de Rooij der Südflügel der Burg Bentheim höchst aufwendig restauriert und zu geeigneten Präsentationsräumen umgebaut. Hier wird zukünftig das Gemälde von Jacob van Ruisdael „Ansicht der Burg Bentheim von Nordwesten“, 1655, gezeigt. In den kommenden Jahren sollen junge Künstler eingeladen werden, im Kontext des Gemäldes zu arbeiten und in den neuen Räumen Ausstellungen zu gestalten. RAUMSICHTEN THEMENHEFT 1 2 8 7 3 4 4 9 5 6 1 Fahrradbahnkreuz, 2 anderswohin, 3 Lichtung 4 Topographie der Gemeinheit 5 Vechtewaren, 6 Lassnitz (Standort noch nicht sicher), 7 Smoking Shelter 8 Bad Bentheim Schwein, 9 Re-Contextualisation \\\\\ 3 4 ///// THEMENHEFT RAUMSICHTEN { Fahrradbahnkreuz } Folke Köbberling und Martin Kaltwasser Das Fahrradbahnkreuz von Martin Kaltwasser und Folke Köbberling wurde im Juli von der Kreisstraßenmeisterei für den niedersächsischen Landeswettbewerb „Fahrradfreundliche Kommune 2011“ in Originalgröße am südlichen Ende des Vechtesees direkt neben der Reiterbrücke abgesteckt und in die dortige Wiese gemäht. So konnte die Jury das Fahrradbahnkreuz fast genau an seinem vorgesehenen Standort an der Reiterbrücke in Augenschein nehmen und in die Bewertung der strategischen Weiterentwicklung des Radverkehrskonzeptes des Landkreises einfließen lassen. Mit Erfolg! Der Landkreis Grafschaft Bentheim wurde zum Sieger des Wettbewerbs gekürt und ist damit der erste Teilnehmer, der den Titel ein zweites Mal (nach dem Sieg 2007) gewinnen konnte. Einziger Wermutstropfen dabei: Die Finanzierung des Projekts von Folke Köbberling und Martin Kaltwasser ist leider noch nicht geklärt. Trotzdem ließ es sich Folke Köbberling nicht nehmen, bei einer Performance im Rahmen der Ausstellung „Mobilisieren“ in der Städtischen Galerie Nordhorn symbolisch die ersten Meter des „Fahrradbahnkreuzes“ persönlich zu asphaltieren. RAUMSICHTEN THEMENHEFT { Topographie der Gemeinheit } \\\\\ Christoph Schäfer Das dreiteilige Projekt im und am Samerrott von Christoph Schäfer ist noch mitten in der Entstehungsphase. Die Umgestaltung des Platzes am Rabenbaum und die Glasskulptur am Waldrand sind noch nicht verwirklicht. Für das Video, das in einer ehemaligen Scheune am Rand des Hofes Schulze-Holmer zu sehen sein wird, fanden Dreharbeiten mit der Kamerafrau Margit Czenki statt. Für die Dreharbeiten kamen verschiedene Generationen der Mahlmänner zusammen und es fanden Proben für ein Täuferlied aus dem 16. Jahrhundert mit einem eigens gegründeten Projektchor statt. Ganz im Sinne des Themas von Schäfer kam dabei die Kooperation und Gemeinschaftlichkeit vieler Menschen zum Ausdruck. Mit der Fertigstellung des gesamten Projekts ist in den nächsten Monaten zu rechnen. 5 6 ///// THEMENHEFT RAUMSICHTEN { anderswohin } Tamara Grcic In den letzten Wochen waren die Aufbauarbeiten für das Projekt „anderswohin“ von Tamara Grcic im vollen Gange. Die zwölf Bronzeobjekte wurden per LKW aus einer Kunstgießerei in der Nähe von München zum Kreuzbree in Hestrup transportiert und dort unter Einsatz aller Kräfte auf den kleinen Hügel am Vechte-Seitenarm hochgetragen, auf dem sie ihren Platz finden sollten. Tamara Grcic legte vor Ort die genaue Positionierung der Objekte fest, die dann von der Kreisstraßenmeisterei mit in den Boden gehämmerten Holzpflöcken gekennzeichnet wurde. Anschließend wurden die Gefäße im raumsichten-Pavillon zwischengelagert. Nach weiterer Vorbereitung der Bodenverankerung wurden die Bronzeobjekte durch die Kreisstraßenmeisterei am 5. September montiert und die Bauarbeiten für dieses Projekt abgeschlossen. Schon jetzt wirkt „anderswohin“ so, als sei es schon immer „dort“ gewesen. RAUMSICHTEN THEMENHEFT \\\\\ 7 8 ///// THEMENHEFT RAUMSICHTEN { Lichtung } Marco Lulic Ende August stellten Bauarbeiter die ersten von insgesamt 34 dreiarmigen Rademacher-Kugellampen der 1980er Jahre (umgerüstet mit Energiesparlampen!) für die Lichtinstallation von Marko Lulic in Schüttorf unmittelbar neben dem Mevlana-Platz auf. Die Lampen dieses Typs prägten lange Zeit das Stadtbild Schüttorfs und bleiben auf diese Weise der Stadt erhalten. Marko Lulic war am ersten Tag der Bauarbeiten vor Ort und stimmte die Feinheiten und Details des Aufbaus mit den Bauarbeitern ab. Parallel dazu wurde der Sockel gepflastert und das Projekt fertiggestellt. Bereits jetzt leuchten die Lampen an den Wochenenden in den Abendstunden und bieten ein stimmungsvolles und sehr sehenswertes Bild. RAUMSICHTEN THEMENHEFT \\\\\ 9 10 ///// THEMENHEFT RAUMSICHTEN { Vechtewaren } Antje Schiffers Im April wurde der Flachs in Ohne für die erste der zehn geplanten „Vechtewaren“ ausgesät. Unter großer Beteiligung der örtlichen Bevölkerung ging es im Juli an die Ernte. Bei beiden Anlässen war Antje Schiffers vor Ort und arbeitete kräftig mit. In den folgenden Wochen musste der geerntete Flachs mehrmals gewendet werden, bevor er gebündelt und zum Trocknen in einer Scheune gelagert werden konnte. Die Ernte fiel so reichhaltig aus, dass ein großer Teil des Flachses zur Weiterverarbeitung nach Flandern transportiert wurde, während ein kleiner Teil direkt vor Ort verarbeitet wird. Ab dem kommenden Jahr werden Produkte aus „Ohner Leinen“ in der Gaststätte Timmer angeboten. Dazu richtet Antje Schiffers eigens einen Stand ein. RAUMSICHTEN THEMENHEFT { Lassnitz} Hans Schabus Eine ausgediente Eisenbahnbrücke aus Österreich als Skulptur in der Grafschaft? Die Idee des Wiener Künstlers Hans Schabus hat bereits für viel Wirbel gesorgt. Gegenwärtig werden alternative Standorte für die Brücke geprüft, die ursprünglich in Samern die Vechte überqueren sollte. Im Gespräch ist ein Brückenschlag über die Landesgrenze von Ohne nach Nordrhein-Westfalen. \\\\\ 11 12 ///// THEMEMHEFT RAUMSICHTEN { Smoking Shelter } eva grubinger Nach den Vorarbeiten für das Fundament wurde im Juli die bei der Firma Rosink hergestellte Raucherschutzhütte per LKW zum Bad Bentheimer Kurpark transportiert. Dort brachte dann ein Gabelstaplerfahrer, der sich als wahrer Meister seines Fachs erwies, in einem Mordstempo den Smoking Shelter durch den Kurpark zu seinem Standort in der Nähe des Teichs, wo er von den Anwesenden sofort seiner Bestimmung zugeführt wurde. Bis zum letzten (Lack-)Schliff und den gärtnerisch notwendigen Arbeiten vor Ort wurde die Skulptur dann provisorisch verhüllt und nach Abschluss der Arbeiten im August mit einem internen Empfang für das anonyme Rauchen freigegeben. RAUMSICHTEN THEMENHEFT \\\\\ 13 14 ///// THEMENHEFT RAUMSICHTEN { Bad Bentheim Schwein } Paul Etienne Lincoln Für den Zierbau auf der Insel im Schlosspark wurde im Juli zunächst der Betonkubus angeliefert. Vom THW war eigens für die Bauarbeiten eine Brücke gebaut worden. Die schweren Baumaterialien schwebten allerdings am Arm eines Schwerlastkrans über den Teich an ihren Bestimmungsort und boten dabei einen kuriosen Anblick. Im August wurde dem Kubus dann die Kuppel in Form einer überdimensionalen Eichel aus Bentheimer Sandstein aufgesetzt, der Kubus wurde mit Bentheimer Sandstein verkleidet und mit Fenstern, einer Tür und Gittern versehen. Das Schwein mit der Orgel in seinem Inneren befindet sich noch mitten im Fertigungsprozess in Lincolns New Yorker Studio. Die Gründung und Organisation der Sparclubs, deren Erträge für die Anpflanzung von Eichen verwendet werden sollen, ist in vollem Gange. RAUMSICHTEN THEMENHEFT Willem de Rooijs „Re-Contextualisation“ des Ölgemäldes „Ansicht der Burg Bentheim von Nordwesten“ von Jacob van Ruisdael (ca. 1665) rückt näher. Der neue Standort des Gemäldes wird der zweite Stock des Südflügels, des ehemaligen Marstalls der Burg sein, der im Moment einer grundlegenden Sanierung unterzogen wird. Wo gestern noch Basketball gespielt wurde und sich heute eine einzige Baustelle befindet, wird es demnächst einen Ausstellungsraum geben. In einer voll einsehbaren, speziell hergestellten Vitrine mit optimalen konservatorischen Bedingungen wird Ruisdaels Gemälde neu präsentiert. { Re-Contextualisation} Willem de Rooij \\\\\ 15 26 ///// THEMENHEFT RAUMSICHTEN { Impressum } Dieses Themenheft erscheint als Teil der Zeitschrift schön Nr. 19 aus Anlass der Entstehung des Skulpturenprojekts raumsichten in der Obergrafschaft. Redaktion: Sascha Hohlt, Veronika Olbrich, Heike Pfingsten, Verena Wißmann Fotografien: Helmut Claus, Iris Kersten, Stephan Konjer, Bernd Rasink (Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege) und Städtische Galerie Nordhorn © Städtische Galerie Nordhorn raumsichten wird unterstützt durch: Emsländische Landschaft für die Landkreise Emsland und Grafschaft Bentheim Förderkreis Städtische Galerie kunstwegen EWIV Nordhorn e.V. KUNSTWEGEN LINGAPHONE VON OLAV CHRISTOPHER JENSSEN \\\\\ KUNSTWEGEN Den besten Blick auf das „Lingaphone“ dürfte man von einem der vieleckigen Häuser haben, die an der Südgracht im Povel-Viertel von Nordhorn stehen. Aber klingeln und fragen, ob man wohl mal ins Wohnzimmer oder zumindest auf die Terrasse dürfte? Vielleicht nicht jedermanns Sache. Bleibt also nur der Blick von der anderen Uferseite durchs dichte Gebüsch. Vom Weg, der an der Alten Weberei entlang zur Pyramide führt, ist die weiße Skulptur durch die Blätter zu erahnen. Das „Lingaphone“ ragt am Ende des Kanals wie ein überdimensionaler Scherenschnitt 3,50 Meter hoch und 3 Meter breit aus dem Wasser. Das Oval wirkt wie ein Schild, das Bootsfahrern zeigt: Hier geht es nicht weiter. Mit ihren vier Langlöchern in der Mitte und den ausgefrästen Formen am Rand könnte die sechs Zentimeter dicke Stahlscheibe auch ein Maschinenteil sein. Oder eine Schablone, die zwischen Wasser, Ufer und Häusern viele Ein-, Ausund Durchblicke gewährt. Der in Berlin lebende Norweger Olav Christopher Jenssen hat die kunstwegen-Station im Sommer 2010 errichtet. Sie ist ein Geschenk an die Stadt Nordhorn, vielleicht auch eine Wiedergutmachung. Denn Olav Christopher Jenssen ist jener Künstler, der 1996 in der Fußgängerzone den City-Brunnen gebaut hatte. Drei Jahre später wurde das von den Bürgern ungeliebte Wasserspiel wegen nicht zu lösender technischer Probleme abgerissen und eingemottet. Das im Vergleich zum filigranen CityBrunnen eher plumpe „Lingaphone“ ersetzt das Kunstwerk in der Hauptstraße. In gewisser Weise ist auch das Oval ein Wasserspiel. Das 3,5 Tonnen schwere Gebilde, das bei der Stahlbaufirma Rosink in Nordhorn hergestellt wurde und auf einem Betonfundament ruht, spiegelt sich je nach Lichteinfall im Kanal. Das „Lingaphone“ steht in unmittelbarer Nähe zur Alten Weberei und damit auch zur Städtischen Galerie. Aber anders als der historische Textilbau, die benachbarte Pyramide und die bunte Wohnsiedlung am anderen Ufer zieht das Kunstwerk eher flüchtige Blicke auf sich. Wer aber das „Lingaphone“ entdeckt hat, der bleibt stehen und schenkt der neuesten Nordhorner kunstwegen-Station ganz automatisch einen zweiten, längeren Blick. Andre Berends /// 27 28 ///// KUNSTSCHULE EIN SCHIFF AUF FARBIGEN WELLEN, BUNTE UNTERWASSERWELTEN, FARBENFROHE WOLKEN, BLUMENTRÄUME UND EINE STRAHLENDE SONNE: ALL DAS LEUCHTETE EINEM IM SOMMER SCHON VON FERNE AUF DEM PAUSENHOF DER GRUNDSCHULE BLANKE ENTGEGEN. KUNSTSCHULE DIE KUNSTSCHULE ZU GAST IN DER GRUNDSCHULE BLANKE WANDMALER Eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern hat im Rahmen des Ganztagsangebots der Kunstschule der Städtischen Galerie Nordhorn ein kunterbuntes und phantasievolles Wandgemälde auf die schuleigene Kletterwand gezaubert. Rechtzeitig zum Ende des letzten Schuljahres wurde die neu gestaltete Wand fertig und konnte von den jungen Künstlern feierlich eingeweiht werden. Schon 2004 gab es auf dem Schulhof der Grundschule Blanke Projekte in Zusammenarbeit mit der Kunstschule. Vor sieben Jahren wählten die Schülerinnen und Schüler die riesige Fotowand „No Peep Hole“ von Marin Kasimir aus der Skulpturenroute kunstwegen als Vorlage zur Neugestaltung der Kletterwand. Auch 2011 nahmen die Kinder die beidseitig geplottete LKW-Plane in Lage als Vorlage. Mehrere Monate haben sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Projektgruppe „Kunst“ unter Anleitung der Künstlerin und Kunstschuldozentin Saskia Griepink mit der Neugestaltung der Kletterwand in vielfältiger Weise auseinander gesetzt. Dabei konnten die Schülerinnen und Schüler frei entscheiden, welche Motive die Kletterwand schmücken sollen, welche Art des Auftrags dafür verwendet werden soll und welche Farben sie benutzen können. Viele verschiedene Ideen wurden diskutiert und zusammengetragen. Recht schnell wurde danach entschieden, unter anderem mit Spraydosen zu arbeiten und so auch neue, technische Erfahrungen zu sammeln. Aus dieser Ideensammlung ist ein Entwurf entstanden, der anschließend entsprechend des Maßstabes auf der großen Fläche der Wand umgesetzt wurde. Karin Pena, pädagogische Leiterin der Kuntschule, ist überzeugt von diesem Schulprojekt, in dem derzeit fünf Schulen beteiligt sind, die mit der Kunstschule kooperieren: „Für die Kinder ist es eine schöne Erfahrung, künstlerisch und ohne Notendruck experimentieren zu dürfen. Alles was dann passiert, steigert das Selbstwertgefühl.“ Ausgerüstet mit Leitern, Sprühdosen, Mundschutz und Schablonen wurde beim finalen Treffen der Wandmaler vor den Sommerferien letzte Hand angelegt. Die Kinder waren mit dem Ergebnis ihrer Arbeit sehr zufrieden, und auch Dozentin Saskia Grieping war auf ihre Schützlinge sichtlich stolz. Karin Pena war ebenfalls angetan vom Ergebnis: Die Kinder können wirklich stolz auf sich sein. Ich möchte mich auch bei Saskia Grieping bedanken, die tolle Arbeit geleistet hat. Ein besonderer Dank gilt auch der Firma Gervink, die zeitweise für die Malaktion ein Gerüst zur Verfügung stellte.“ Nach den Sommerferien ist das Kunstwerk dann wieder seiner ursprünglichen Bestimmung zugeführt und von kleinen Kletterkünstlern erobert worden. Kai Rieke /// \\\\\ 29 30 ///// PORTRÄT INNERE LANDSCHAFTEN PORTRÄT JULIA SIEGMUND BRINGT FARBE IN DIE BURGSCHULE Es gibt Künstler, die im Keller arbeiten. Andere haben sich ihr Atelier im Gartenhaus eingerichtet, in einer Garage oder im Kinderzimmer, das nach 20 Jahren wieder leer steht. Julia Siegmund arbeitet in einem ehemaligen Klassenraum, genauer gesagt im Musiksaal der alten Burgschule in der Innenstadt von Nordhorn. Es gefällt ihr dort, außerordentlich sogar – obwohl es auch mehr als ein Jahr nach der letzten Unterrichtsstunde noch immer ein bisschen nach Schule riecht. „Der erste Eindruck war trotzdem super“, erzählt Julia Siegmund, die im Sommer 2010 mit ihrer Familie von Münster nach Nordhorn gezogen ist. Sie habe ein wenig Sorge gehabt, ob der große Raum mit seinen gelben Wänden „zu nett“ sein könnte. Aber das sei kein Problem gewesen – im Gegenteil. „Die Atmosphäre tut meinen Bildern sehr gut. Sie haben jetzt eine andere Farbigkeit“, berichtet die 37-Jährige. Bislang habe sie oft mit warmen Tönen gearbeitet. Jetzt findet sich auch schon mal ein kühles Blau auf ihren Maltüchern. „Ich versuche damit, gegen das Gelb der Wand anzukommen“, erklärt die Künstlerin, die in Friesoythe geboren und aufgewachsen ist. Julia Siegmund arbeitet nicht nur in Nordhorn. Sie hält engen Kontakt nach Münster und hat ihr Atelier am Hawerkamp PORTRÄT JULIA SIEGMUND ZEICHNET AUCH SCHON MAL DIREKT AN DIE WAND – UND MACHT DAMIT IHR ATELIER IN DER EHEMALIGEN BURGSCHULE ZU EINEM KUNSTWERK. DIE INSTALLATION „RAPUNZEL“ (UNTEN) STAMMT AUS DEM JAHR 2007. behalten. Dort hat sich eine bemerkenswerte kulturelle Szene mit mehr als 50 Künstlern etabliert. Seit zehn Jahren ist Julia Siegmund am Hawerkamp aktiv – und schätzt den atmosphärischen Gegensatz zu ihrem Atelier in Nordhorn. Was genau macht Julia Siegmund? Sie malt, zeichnet, radiert, installiert – und ist immer auf der Suche nach Neuem. Es ist nicht so ganz einfach, sich einen Überblick zu verschaffen. Der Raum im zweiten Obergeschoss der Burgschule erinnert kaum noch an ein Klassenzimmer. An den Wänden hängen großformatige Malereien, auf den Fensterbänken stehen kleine Rahmen mit Zeichnungen, auf den Tischen liegen Radierungen, auf dem Boden neue Rahmen, die Julia Siegmund noch mit Leinwand bespannen will. Das Auge weiß gar nicht, wohin es zuerst blicken soll. Eine Putzfrau mit Lockenwicklern im Haar hat die Künstlerin direkt an die Wand gezeichnet und kurzerhand einen Besen dazugestellt. Es braucht manchmal nicht viel für eine Installation. Diese scheint jedenfalls für ein Klassenzimmer wie geschaffen zu sein. Auf einem Tisch liegt ein Buch des österreichischen Schriftstellers H. C. Artmann. Seine Lyrik beeinflusst Julia Siegmund maßgeblich. In einem 2009 erschienenen Ausstel- lungsheft heißt es dazu: „Sie verarbeitet Text, spielt mit dem Schriftbild und schafft parallel zu den schwebenden Räumen der Dichtung neue, innere Landschaften.“ Julia Siegmund vereint dichterische und malerische Bilder. Sie zieht dabei die Linie der Farbe vor. Planbar ist in ihrer Kunst nichts, die Bilder entwickeln sich selbst und entstehen in einem fließenden Prozess. Aus Julia Siegmund hätte auch eine Lehrerin werden können. Sie hat bis 1999 an der Universität Osnabrück Kunst und Germanistik studiert. Die Arbeit mit Kindern macht ihr viel Freude. Dass Kunst für sie selbst mehr als eine Leidenschaft sein könnte, stellt sie fest, als sie während des Studiums zwei Förderpreise gewinnt, darunter den Piepenbrock-Kunstförderpreis für Druckgrafik. Nach dem ersten Staatsexamen nimmt sich Julia Siegmund ein Jahr frei. „Ich wollte sehen, ob es mit der Kunst klappt“, sagt sie. Eine Einzelausstellung bei Cloppenburg wird zu einem großen Erfolg. „Ich habe gleich beim ersten Mal alles verkauft, das war schon etwas merkwürdig“, erinnert sich Julia Siegmund. Anschließend macht sie das zweite Staatsexamen, geht auf Nummer sicher, falls es mit der Kunst doch einmal nicht so gut laufen sollte. Sie wechselt nach Münster, beendet ihre Ausbildung für das Gymnasial- Lehramt. „Ich habe dann aber gemerkt, dass mir die Malerei fehlt“, berichtet sie. Das Verlangen nach Kreativität, Schaffen, etwas Greifbarem führt sie zurück ins Atelier. Julia Siegmund fürchtet, dass sie den alten Musiksaal in der Burgschule nur eine gewisse Zeit nutzen kann. Es gibt Pläne, den Backsteinbau neben der St. AugustinusKirche abzureißen. Dagegen wehrt sich die Künstlerin. Nicht unbedingt, um ihr Atelier zu behalten. Aber sie setzt sich dafür ein, eine neue Nutzung für das historische Gebäude zu finden, das seit 1834 an markanter Stelle auf der Vechteinsel steht und für das es eine andere Lösung geben müsse als die Abrissbirne. Andre Berends /// \\\\\ 31 32 ///// REPORTAGE REPORTAGE HALTESTELLE EIN BAHNHOF WIRD ZUR GALERIE Es ist nur ein flüchtiger Blick durchs Fenster auf der Suche nach dem Eingang. Drinnen ist jemand. Eine Frau, die auf dem Boden sitzt und nach oben starrt? Noch mal genau hinschauen. Tatsächlich. Vier kleine Asiatinnen in Marineuniform. Eine sitzt auf einem Dreirad, eine hat auf einem Fliegenpilz Platz genommen. Eine dritte Frau steht einfach im Raum und blickt ins Leere. Sie hält eine Leine in der rechten Hand, deren Ende um den Hals einer weiteren Frau geschlungen ist. Die kniet auf allen Vieren wie ein Hund. Alles Puppen. Unheimlich. Bizarr. „Dreamy Disguise Adieu Enfance“ hat Arewik Avakian aus Tilburg ihre Installation genannt. Die Künstlerin zeigt den Körper eines Kindes mit dem immer gleichen Kopf eines Erwachsenen – ihrem eigenen Kopf. Zu sehen sind die Figuren im Bahnhof von Delden. Das niederländische Städtchen mit seinen 7000 Einwohnern ist gut 35 Kilometer von Nordhorn entfernt und liegt hinter Hengelo. Von außen ist dem schmucken, gepflegten Backsteinbau mit den hohen, grün-weißen Fenstern nicht anzusehen, dass seine Räume als Galerie genutzt werden. Dazu trägt vor allem das Umfeld bei. Der Bahnhof Delden ist in Betrieb. Werktags halten dort von 5.37 Uhr bis 0.52 Uhr nicht weniger als 70 Züge. Man kann nach Zutphen bei Deventer fahren oder nach Hengelo und Oldenzaal. Der Bahnsteig mit seinem beheizten Wartehäuschen aus Glas liegt ein paar Meter vom alten Bahnhofsgebäude entfernt zwischen den beiden Gleisen. Einen Schalter für den Fahrkartenverkauf gibt es nicht mehr. Diese Aufgabe erledigt ein blau-gelber Automat der Nederlandse Spoorwegen, der staatlichen Bahngesellschaft. REPORTAGE Sie benötigt das alte Bahnhofsgebäude schon seit längerem nicht mehr. Das Obergeschoss konnte privat vermietet werden. Den Räumen im Erdgeschoss hingegen drohte der Leerstand. Was sollte man anfangen mit den historischen Hallen für Empfang und Abfertigung? Während alte, stattliche Bahnhofsgebäude in der Grafschaft nach Abschaffung der Personenzüge in den 1970er Jahren auch schon mal dem Verfall oder Abriss preisgegeben wurden, hat man in Delden mit Erfolg nach einer neuen Nutzung für den Bau am Rand des Ortskerns gesucht. Das Erdgeschoss ist 2004 zu einem Ausstellungsraum für Kunst geworden, den die Stiftung „Meer innovatie kunst en cultuur“ (MIKC) mit Leben füllt. „Perron 1“ („Bahnsteig 1“) haben ihre Mitglieder die Galerie genannt. Ähnlich einem Fahrplan informiert ein Aushang hinter einer Scheibe über das Gezeigte. Auf einem kleinen Bildschirm werden in roter Laufschrift der Name des Künstlers und der Titel der Installation mitgeteilt. Ein wenig versteckt, aber ausreichend. Es gilt übrigens: Nur gucken, nicht anfassen. Die Türen des „Perron 1“ sind verschlossen. Im ehemaligen Wartesaal des Bahnhofs, einem Flachdachanbau, stellt Arewik Avakian ihre vier Kindfrauen aus. Im Hauptgebäude ist eine Installation der Künstlerin Anna Mandaag zu sehen. Sie lebt in Raalte, einer Stadt zwischen Almelo und Zwolle. Anna Mandaag stellt in „Het Loket“ – dem alten Eingang des Bahnhofs, in dem einst Fahrkarten verkauft wurden – ihr Kunstwerk „Kabinetstel“ aus. Auf übereinander liegenden Glasebenen sind Sakkos und weiße Vasen mit blauer Verzierung angeordnet. Über ihnen wacht die Büste eines Mannes. Die Initiative MIKC nutzt „Het Loket“ und den dahinter liegenden Saal erst seit einigen Wochen. Damit verfügt die Gruppe nun über Räume, in denen sie Besucher empfangen kann. Die Künstler selbst haben in „Het Loket“ mehr Platz zum Arbeiten und Ausstellen. Und die Reisenden? Sie sind das eigentliche Publikum, dem die niederländische Stiftung zeitgenössische Kunst näher bringen möchte. Eine clevere Idee. Denn wer auf seinen Zug wartet, der schlendert über den Bahnsteig und wirft vielleicht nicht nur einen flüchtigen Blick ins „Perron 1“. Andre Berends /// \\\\\ 33 34 ///// STANDPUNKT Die Geschichte des Kinos beginnt mit der Einfahrt eines Zuges. Als die Brüder Lumière 1896 ihren frühen Film „L’arrivée d’un train en gare de la Ciotat“ (Die Ankunft eines Zuges im Bahnhof Ciotat) erstmals in Paris aufführten, sollen einige Zuschauer vor der heranstampfenden Lok unvermittelt beiseite gesprungen und sogar verängstigt geflüchtet sein, derart lebensecht wirkte das Spektakel. Man möchte die Legende schon deshalb glauben, weil sie sinnfällig vom Suggestionsraum des Kinos erzählt, der den Betrachter zu einem Reisenden macht in eine fremde Welt. Wer zusteigt, der kann was erleben. Dabei lässt sich die Analogie von Eisenbahn und Kino nicht nur auf das Motiv des Reisenden beschränken, der seinen Blick auf die vorbeirauschenden Bilder richtet – aus dem Fenster eines Fahrzeugs oder auf die Leinwand.1) Es geht auch um einen visuellen Wandel im ausgehenden 19. Jahrhundert, um die Dynamisierung der Wahrnehmung. Während die Bahn die Zeit verkürzt, die beim Zurücklegen der Strecke zwischen A und B vergeht, und also die Eindrücke komprimiert, die im raschen Wechsel aufeinander folgen, ermöglicht die Montagetechnik des Films ebendies: Orte und Zeiträume zu überspringen und Erfahrungen zu verdichten. Die Beschleunigung steigert den Nervenkitzel. Sie führt allerdings nicht nur zum Zuwachs von Reizen, sie entzieht die Bilder zugleich. So schnell wie diese auftauchen, verschwinden sie auch wieder. Vieles entgeht dem Betrachter, und sei es nur dadurch, dass sich das Auge bei jeder rasanten (Kamera-)Fahrt auf weit entfernte Objekte einstellt, während der Vordergrund unscharf verschwimmt. Es ist eine Binsenweisheit, dass Gewinn und Verlust einander bedingen. Der Fortschritt bleibt ambivalent, auch in der elektronisch vernetzten Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts. Mit der digitalen Revolution ist eine ähnlich radikale Veränderung visueller Wahrnehmung verbunden wie mit den Errungenschaften hundert Jahre zuvor. Der Begriff des „beschleunigten Betrachters“,2) den der Kulturphilosoph Vilém Flusser 1992 einführte, bezeichnet treffend die Notwendigkeit, blitzschnell auf die tägliche Bilderflut zu reagieren und ihre Signale zu sondieren. Ob dabei etwas auf der Strecke bleibt? Mindestens die Gefahr, dass es an intensiver Auseinandersetzung mangelt, ist offensichtlich. Schon das enorme Tempo, mit dem KRISTINA TIEKE, JAHRGANG 1964, STUDIERTE GERMANISTIK, PSYCHOLOGIE UND GESUNDHEITSWESEN IN OSNABRÜCK. SEIT 1994 ARBEITET SIE ALS KUNSTKRITIKERIN U.A. FÜR DIE HANNOVERSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG, DEN TAGESSPIEGEL UND ARTIST. ZAHLREICHE PUBLIKATIONEN IN KATALOGEN UND KÜNSTLERBÜCHERN. Der beschleunigte Betrachter AUSGEBREMST von Kristina Tieke neue Geräte und Medienformate einander ablösen, gehe auf Kosten des „sogenannten Content“, resümiert der Kunsthistoriker Jonathan Crary: „Wir haben uns an die Idee gewöhnt, dass das rasche und ständige Herumspringen unserer Aufmerksamkeit von einer Sache zur anderen natürlich und unvermeidlich ist.“3) Wahrscheinlich ist es übertrieben zu behaupten (und doch neige ich dazu), die Kunstbiennale Venedig habe in diesem Jahr ein Heilmittel parat, das der medialen Reizüberflutung entgegenwirkt. Eine Entschleunigungsmaschine hat sie allemal. In einem Abschnitt des Arsenale ist Christian Marclays Found-Footage-Arbeit „The Clock“ wie in einem Kinosaal installiert, wo die Zuschauer es sich bequem machen können. „The Clock“ ist ein 24-Stunden-Loop, montiert aus unzähligen Spielfilmsequenzen, die allesamt die exakte Zeit angeben: auf Wand- und Turmuhren, auf Weckern und Chronometern und oftmals auch im Dialog. Die Erzählzeit ist die erzählte Zeit, „The Clock“ funktioniert tatsächlich als Uhr. Und weil hier eben nichts gerafft, übersprungen oder beschleunigt wird, sondern Echtzeit den Takt vorgibt, findet das Kino zu sich selbst: als Synchronisation von Leben und Film, von Realität und Fiktion. Dass man überdies die Zeit vergisst und ewig ausharren möchte, ist ein paradoxer Effekt. Natürlich ist Marclays Werk nur als Produkt des digitalen Zeitalters denkbar, da Millionen von Filmtiteln in bester Qualität auf DVD zur Verfügung stehen. In naher Zukunft, das ist vorstellbar, mag man „The Clock“ als Video-App aufs iPhone laden können. Die Arbeit ist am Puls der Zeit offenbar marktkompatibel. Und doch ist sie vor allem Reminiszenz, Erinnerung an die Filmgeschichte. Da sieht man dann gegen 12 Uhr mittags Gary Cooper in „High Noon“, ungeduldig, angespannt. Der angstvoll erwartete Mittagszug wird pünktlich im Bahnhof einfahren. 1. Zur Analogie von Zug und Film vgl. Christa Blümlinger, Lumière, der Zug und die Avantgarde. In: Malte Hagener et al. (Hg.), Die Spur durch den Spiegel. Der Film in der Kultur der Moderne. Berlin: Bertz 2004, S. 27–29. 2. Zitiert nach: Joachim Jäger, Zwischen die Bilder geraten. Die gesteigerte Wahrnehmung des Filmischen. In: Jenseits des Kinos: Die Kunst der Projektion. (Ausstellungskatalog) Ostfildern: Hatje Cantz 2007, S. 31. 3. Zitiert nach: ebd. NACHGEFRAGT WAS IST EIGENTLICH ... PERFORMANCE? {LAT.-ENGL.}: ARBEITSLEISTUNG, AUFFÜHRUNG, AUFTRITT, AUFFÜHRUNG, BETRIEBSEIGENSCHAFT ... WOLFGANG FLATZ „SCHULDIG – NICHT SCHULDIG" KUNSTRAUM INNSBRUCK, 2010 FOTOS: YORCK DERTINGER „Was hat denn deine Maschine für eine Performance?“, fragt der Motorradfreak seinen Kumpel, während beide genüsslich die hochgezüchteten Motoren ihrer Bikes betrachten. Der unkundige Zuhörer fragt sich, was wohl gemeint ist. Die Höchstgeschwindigkeit, die Motorenkraft? Die Beschleunigungswerte? Unschlüssig zieht sich der Laie zurück, kehrt heim und widmet sich abends aus Langeweile der Sportschau. Doch auch hier horcht er auf: „Der Mannschaftskapitän des Fußballvereins SV Soundso konnte seine Performance offensichtlich nicht zu 100 Prozent abrufen, die Performance des Vereins blieb so eher durchschnittlich.“ Sportreporterlatein! Doch was soll das eigentlich heißen? Hat die Equipe verloren? Oder hat sie bei der Präsentation der neuesten Trikotwerbung gepatzt? Besteht die Performance des Motorrades in seiner gewaltigen PS-Zahl? Jedenfalls scheint es sich um irgendeine, wie auch immer geartete und zur Schau gestellte Leistungs- fähigkeit zu drehen. Wichtig: Es geht um die so genannte „Entfaltung“ der Leistung. Performance also gleich potenzielle Leistungsbereitschaft? Im übertragenen Sinne könnte vielleicht von einem Prozess, vom Prozesshaften gesprochen werden. Offensichtlich sind nicht die Maschine, der Motor oder das simple Resultat eines Fußballspiels an sich von Bedeutung, sondern wie und auf welche Weise die Leistung zur Schau gestellt und erfahren wird. Für die bildende Kunst hieße dies, dass es im traditionellen Sinne nicht um ein abgeschlossenes, gültiges Werk geht, sondern um eine Art Handlung, um ein Experiment mit offenem Ausgang, um Bewegung, Aktion und Reaktion, um eine Art Schöpfungsprozess. Ziel dieser Schöpfung ist der Prozess selbst – und nicht sein Ergebnis. Damit wird ein Kunstwerk allerdings temporär, seine Existenz ist zeitlich befristet und nicht von Dauer, von Ewigkeit ganz zu schweigen. Diese Aura des Singulären und Einzigartigen kann gewollt sein, sie muss es nicht. Denn die Wahrnehmung und Rezeption der Performance fordern letztlich ein, aufgezeichnet zu werden – oder sie verblassen in der Erinnerung der daran Beteiligten. Edith Decker verweist in ihrer Auseinandersetzung1) mit der so genannten Performance-Kunst darauf, dass das Kunstwerk am und mit dem Körper des Künstlers vollzogen wird: „Der Künstler wird zum Akteur oder zur Aktrice und reagiert mit dieser Direktheit auf die moderne Kommunikationstechnologie […]“2) Performance also gleich Schauspiel? Wohl kaum, denn es geht nicht darum, fest strukturierte, detailliert geplante Regieanweisungen umzusetzen. Künstler, Raum, Zeit und Betrachter bilden vielmehr ein Gefüge, dessen Gestalt unvorhersehbar ist. Thomas Kern /// 1. Vgl. dazu Edith Decker in: Funkkolleg Moderne Kunst, Studienbrief 11, S. 21 ff. 2. ebd. \\\\\ 35 36 ///// BÜCHERECKE Bücher ECKE EIN UNGEWÖHNLICHES ERMITTLERDUO Schon einmal war der Schweizer Bestsellerautor Martin Suter Gast in der SCHÖN-Bücherecke mit seinem Roman „Der letzte Weynfeldt“. Wie in seinem aktuellen Buch spielte auch damals ein Kunstexperte die Hauptfigur in einer Geschichte mit überraschenden Wendungen, geschrieben in dem für Suter typischen eleganten Erzählstil. Nun also „Allmen und die Libellen“, ein Kriminalroman mit einem ungewöhnlichen Ermittlerduo – nämlich Johann Friedrich Allmen, ein Lebemann und Feingeist, der trotz finanzieller Schieflage weiter auf großem Fuß lebt, diskret unterstützt von seinem Butler Carlos. Seine Ausgaben deckt Allmen durch kleinere Diebstähle von Antiquitäten, die er unter der Hand an einen befreundeten Händler weiterverkauft. Eines Tages wird dieser Freund ermordet in seinem Laden aufgefunden und auch Allmen gerät in Gefahr. Natürlich ist er daran nicht ganz unschuldig, nimmt er doch nach einer mit einer reichen Industriellen-Tochter verbrachten Nacht Jugendstil-Schalen aus der See-Villa ihres Vaters mit. Diese Schalen sind nicht nur äußerst kostbar, sie sind auch mit einem Geheimnis behaftet. Und sie bringen Allmen nach spannenden Verwicklungen auf eine neue Geschäftsidee – die Gründung einer Firma zur Wiederbeschaffung von verschwunden Kunstwerken. Zugegeben, ein Thriller ist der Krimi nicht. Er ist eher auf beschauliche Art spannend und angenehm zu lesen. Einen Wermutstropfen gibt es dennoch. Die Lektüre ist nur ein kurzes Vergnügen, denn das schmale Buch ist in wenigen Stunden zu schaffen. Bei dem Preis bleibt da schon ein schaler Nachgeschmack. Aber sicher wird es demnächst eine TaschenbuchAusgabe geben, denn die beiden nächsten Folgen mit dem Ermittlerduo Allmen und Carlos soll der Autor schon geschrieben haben. Marianne Begemann /// MARTIN SUTER ALLMEN UND DIE LIBELLEN DIOGENES VERLAG, GEBUNDEN, 197 SEITEN, 18,90 EURO TREPPE, FENSTER, KLO Überall auf der Welt haben Architekten ungewöhnliche Häuser gebaut. 35 ganz besonders interessante, ja teilweise abenteuerliche Bauwerke werden in diesem Buch vorgestellt – in einfacher, klarer Sprache und mit wunderbaren Zeichnungen. Da sind zum Beispiel das Seifenblasenhaus in Frankreich, das Haus gegen den Wind in Amerika, das aufblasbare Haus in Deutschland, das Haus mit den großen Stacheln in Dänemark, das Birnenhaus in den Niederlanden oder das Kofferhaus in China. Einprägsame Übersetzungen der Originalnamen sind das. Ein wenig verraten diese Namen schon, was an diesen Häusern so ungewöhnlich ist. Jedes Haus wird auf zwei Doppelseiten vorgestellt - die Entstehungsgeschichte, die Baumaterialien und die architektonischen Besonderheiten. Ebenso lernen die Leser die Architekten und das Land, in dem das Haus steht, kennen. Auf einer bunten Weltkarte sind die einzelnen Standorte notiert. Kleine Bilder als Legenden verraten, ob ein Haus in einer Großstadt errichtet wurde, im Wald steht, umweltfreundlich ist, ob es Küche, Werkstatt oder Badezimmer hat. Die Vorstellung der Häuser beginnt meist mit einer Frage an die Leser, wie: „Wer möchte schon in einer Erdhöhle wohnen?“ Oder: „Stell dir vor, hundert obdachlose Menschen kommen zu dir, für die du innerhalb einer Woche bequeme, sichere Häuser bauen sollst.“ Wer denkt, das ist unmöglich, sollte sich das Sandhaus des Architekten Khalili im Iran ansehen. So gibt es viele Beispiele von kühnen Ideen, die tatsächlich von einfallsreichen Architekten verwirklicht worden sind. Die meisten übrigens in den vergangenen zehn Jahren. Das kleine, quadratische, in poppigen Farben gehaltene Buch lädt immer wieder zum Blättern ein, um nach weiteren Details zu schauen. Es ist witzig und informativ nicht nur für Kinder. Und weil es so toll gemacht ist, hat es – zu Recht – den LUCHS Kinder- und Jugendbuchpreis 2010 erhalten. Marianne Begemann /// ALEKSANDRA MACHOWIAK UND DANIEL MIZIELINSKI TREPPE, FENSTER, KLO. DIE UNGEWÖHNLICHSTEN HÄUSER DER WELT (ÜBERSETZUNG AUS DEM POLNISCHEN VON DOROTA STROINSKA) MORITZ VERLAG, FRANKFURT 2010, 18 EURO KOCHKÜNSTLER ADRIAN LOHMÜLLERS LIEBLINGSREZEPT ... \\\\\ 37 UNBEDINGT PROBIEREN! TOMATYR KI CHATNI Zutaten Zubereitung TOMATEN ÖL KNOBLAUCHZEHEN Geschnittene TOMATEN kochen und GEWÜRZE nach Geschmack hinzufügen. So lange kochen, bis das Wasser fast aus den Tomaten ausgekocht ist. Jetzt wird's spannend am Gasherd! In einem tiefen Metalllöffel über offener Flamme ÖL erhitzen. Vorsicht, dass es nicht kippt, sonst Woooosh! Im Öl schwimmen ein paar KNOBLAUCHZEHEN und zissseln vor sich hin. Wenn Knoblauchzehen braun sind, KREUZKÜMMEL und CAYENNEPFEFFER dazu geben. Wenn alles relativ braun ist, vorsichtig mit dem heißen Öl im Schöpflöffel über die wartenden Tomaten schweben. Jetzt unbedingt den Topfdeckel zur Hand und als SCHUTZSCHILD verwenden, um die Spritzerei einzudämmen. Dann mit einem orgiastischen ZZZSCH das heiße Öl in die Tomaten kippen. Arbeit erledigt. Jetzt noch etwa 10 Minuten bei geringer Hitze auf dem Herd stehen lassen, bis Wasser und Öl die Scheidung hinter sich haben. FERTIG! Gewürze ADRAK LASSAN (INGWER-KNOBLAUCH-PASTE) SALZ KREUZKÜMMEL CAYENNEPFEFFER TOMATYR KI CHATNI schmeckt zu allem. Hauptsächlich zu indischen oder pakistanischen Gerichten aber auch einfach mit Brot. ADRIAN LOHMÜLLERS AUSSTELLUNG IN DER STÄDTISCHEN GALERIE NORDHORN WIRKTE GERADEZU WIE EINE GRAFISCHE ZEICHNUNG. ZUNÄCHST LIESS ER ALLE FENSTERLEISTEN UND GLASTÜREN DES AUSSTELLUNGSPAVILLONS VON INNEN MIT RIGIPSPLATTEN SAUBER VERSCHLIESSEN, UM ANSCHLIESSEND LEDIGLICH DIE EINGANGSTÜR WIEDER AUF ZU SÄGEN. DIE MITARBEITER DES STÄDTISCHEN BAUHOFES, MARTIN LÜTKENIEHOFF, DIRK VAN LIL UND JENS WILKE, UNTERSTÜTZTEN IHN BEI DER ARBEIT. AN EINER WAND LIESS ER EINEN GULLIDECKEL IN DIE AUSSENWAND EINBAUEN. DURCH DIE SCHLITZE DES GULLIDECKELS KONNTE MAN AUF DIESE WEISE SCHON VON DRAUSSEN DAS HELLE LICHT IM INNERN DES AUSSTELLUNGSPAVILLONS ERAHNEN. „THE FALSE SELF-SYSTEM“ HIESS DIE AUSSTELLUNG, WIE AUCH EINE MEHRTEILIGE ARBEIT, DIE DARIN ZU SEHEN WAR: „DAS SCHEINSELBST-SYSTEM“. DER TITEL VERWEIST AUF PSYCHOLOGISCHE BEZÜGE, DIE IN ALL SEINEN ARBEITEN ZU FINDEN SIND, WENN ER BEISPIELSWEISE MIT SCHMUTZWASSER ARBEITET, WÄNDE AUFBRICHT UND INNERES NACH AUSSEN BEFÖRDERT. ADRIAN LOHMÜLLER WURDE 1977 IM SCHWARZWALD GEBOREN, STUDIERTE 2000 BIS 2005 AM MARYLAND INSTITUTE COLLEGE OF ART IN BALTIMORE/USA UND LEBT IN BERLIN. Foto: Helmut Claus, Städtische Galerie Nordhorn 38 ///// SCHÖNE FRAGEN DAS BESONDERE BILD > HUNTER’S CABIN, ESCHE schöne FRAGEN ZU WELCHER TAGESZEIT SIND SIE IN BESTFORM? Abends, wenn ich Ruhe habe und das Telefon nicht klingelt, kann ich kreativ sein. WANN HABEN SIE DIE MEISTE ENERGIE AM TAG? Morgens verspüre ich den größten Tatendrang. WAS SIND IHRE HOBBYS? Computerspiele (Playstation) – und natürlich mit Leib und Seele Musikhören. SPIELEN SIE EIN MUSIKINSTRUMENT ODER SINGEN SIE? Ich komponiere Lieder und singe sehr gerne. WELCHE MUSIKGRUPPE ODER AUCH WELCHER SOLIST SAGT IHNEN ZU? Die Scorpions gefallen mir sehr und Mathias Reim, aber auch Nena höre ich gern. WAS WÄRE IHR TRAUMBERUF? Das kann ich Ihnen genau sagen: meine jetzige Arbeit ist mein Traumberuf. MÖCHTEN SIE NOCH ETWAS LERNEN IN DER ZUKUNFT? Ja klar, natürlich interessiert mich die Arbeit mit und an dem Computer und dahingehend möchte ich noch eine Menge dazulernen. WELCHE ARBEIT MÖGEN SIE DENN ÜBERHAUPT NICHT? Putzen!!! HABEN SIE EIN LIEBLINGSGERICHT? Am liebsten esse ich Spaghetti Bolognese. HABEN SIE EIN KUNSTWERK WELCHES SIE BESONDERS ANSPRICHT? Oh ja! Die Sandsteinskulpturen (Anmerkung: von Jutta und Jo Klose) auf dem Gelände der Lebenshilfe. VON WELCHER KÜNSTLERIN ODER WELCHEM KÜNSTLER HÄTTEN SIE GERNE EIN BILD AN IHRER ZIMMERWAND? Gerne hätte ich den van Gogh mit seinen Sonnenblumen; es gefällt mir äußerst gut. CARLOS BARROSO Mitarbeiter der Lebenshilfe Nordhorn, Anmeldung und Fahrdienst IHRE LIEBLINGSSENDUNG IM FERNSEHEN, GIBT ES EINE? Die Sendung die ich besonders gerne sehe ist „Guildo und seine Gäste“. GIBT ES SCHAUSPIELER DIE SIE HERVORHEBEN MÖCHTEN? Ich sehe sehr gerne Filme mit Bruce Lee und Jackie Chan. GIBT ES EIN ARCHITEKTONISCHES GEBÄUDE IN DER NÄHEREN UMGEBUNG DAS IHNEN ETWAS SAGT? Natürlich die Gebäude der Lebenshilfe und jetzt auch der Spinnerei-Hochbau. WAS WÜRDEN SIE IN IHRER NÄHEREN UMGEBUNG (NORDHORN) ÄNDERN WOLLEN? Dass es mehr Angebote für Jugendliche geben muss und das bedingt natürlich auch ein größeres Kino, auch für mich! DIE GRAFSCHAFT BENTHEIM: GIBT ES FÜR SIE ETWAS BESONDERES DORT, WAS SIE HERVOR HEBEN MÖCHTEN? Kann ich nicht sagen, ehrlich gesagt! GIBT ES DENN EINEN ANDEREN ORT, AN DEM SIE GERNE LEBEN MÖCHTEN? Nein!!! EINE SACHE DIE SIE GERNE MACHEN? Am liebsten telefoniere ich. UND WAS MÖGEN SIE GAR NICHT? Menschen die mich „nerven“, die auf einer Mitleidstour reiten. ZUM SCHLUSS DIE FRAGE: WAS WÜNSCHEN SIE SICH FÜR IHRE ZUKUNFT? Mit den Menschen die ich liebe weiterhin so gut auskommen und dass ich gesund bleibe. Danke! Bildung. Jeder Mensch hat etwas, das ihn antreibt. Wir machen den Weg frei. Die Grafschafter Volksbank eG zählt zu den attraktivsten Arbeitgebern in der Region. Wir bieten anspruchsvolle Tätigkeitsprofile zur Entwicklung Ihrer Potenziale, vielfältige Aufstiegschancen bei individueller Förderung und die Möglichkeit zur Übernahme von Verantwortung. Besonders großen Wert legen wir auf eine umfassende Ausbildung und auf die fortlaufende Weiterbildung unserer Mitarbeiter. Echte Karrierechancen bieten wir jungen, engagierten Menschen mit einer Ausbildung in den Berufen • Bankkauffrau/-mann • Bachelor of Arts in Banking and Finance • Fachinformatiker/in Systemintegration Studenten geben wir die Möglichkeit, ihre Bachelor- bzw. Masterarbeit in unserem Hause zu schreiben. Weitere Informationen finden Sie online unter www.grafschafter-volksbank.de. Fragen beantwortet Ihnen gerne Frau Sigrun Menken, Telefon 05921 172-208. Nutzen Sie Ihre Chancen! SIND SIE SCHON MITGLIED? Seit vielen Jahren wird die Arbeit der Städtischen Galerie Nordhorn von einem engagierten Förderkreis ideell und finanziell begleitet. Er ist ein unverzichtbarer Partner der Galerie für alle kulturellen und künstlerischen Aktivitäten, die über das gewohnte Maß hinaus gehen. Im Gegenzug bezieht die Städtische Galerie Nordhorn die Mitglieder besonders eng in Ihre Arbeit mit ein: Angeboten werden Sonderführungen, Essen und Gespräche mit Künstlern im kleinen Kreis, Reisen zu besonderen Ereignissen außerhalb Nordhorns, Vorabinformationen oder auch die kostenlose Zusendung des Magazins SCHÖN direkt nach Erscheinen. Alle Mitglieder erhalten auf die hochwertigen Kataloge einen Sonderrabatt von mindestens 30%. Rücken Sie näher an die Städtische Galerie Nordhorn heran und stoßen Sie zu einer interessanten, vielfältigen und aufgeschlossenen Gruppe kulturbegeisterter Menschen. Mit einem Jahresbeitrag von 30 Euro (Schüler und Studenten 10 Euro) helfen Sie aktiv mit, dass Kunst und Kultur in Nordhorn weiterhin lebendig und abwechslungsreich bleiben und Außergewöhnliches zu bieten haben. Grafschafter Volksbank eG DABEI SEIN NEUGIERIG, AUFGESCHLOSSEN, INTERESSIERT, ENGAGIERT FÖRDERKREIS STÄDTISCHE GALERIE NORDHORN E.V. Dr. Gerhard Kellersmann Vechteaue 2, 48529 Nordhorn Telefon (0 59 21) 97 11 00, Fax (0 59 21) 97 11 05