Visionen und Erinnerung anlässlich der Berliner Konferenz von 1884

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Visionen und Erinnerung anlässlich der Berliner Konferenz von 1884
15.11.2014 - 26.2.2015
Visionen und Erinnerung anlässlich
der Berliner Konferenz von 1884
Theater / Tanz / Performance / Film / Ausstellungen /
Musik / Literatur / Vorträge / Performative Stadttouren
WIR DANKEN ALLEN BETEILIGTEN UND UNTERSTÜTZER_INNEN:
ABENAA ADOMAKO, ANTONIA ADOMAKO, JOSHUA KWESI AIKINS, CHARLES
AMBLARD, EKPENYONG ANI, ENOKA AYEMBA, SIMONE DEDE AYIVI, HABEEB
AYODEJI, JIMMY BAMBA, STÉPHANE BAUER, ANDREA BELLU, MATEI BELLU,
BLACK DIASPORA SCHOOL, JEAN-PAUL BOURELLY, MATTHIAS BÖDECKER,
MARITINA BUNTSPECHT, WAGNER CARVALHO, MANSOUR CISS KANAKASSY,
MICHAEL CLEMENS, DELA DABULAMANZI, MARTIN DÜSPOHL, EACH ONE TEACH
ONE E.V., MAISHA EGGERS, YONAS ENDRIAS, SYLVIA ERSE KELLER, BÜLENT
ESKIN, JULIA EXENSCHLÄGER, OBEN TABIE EYONG, IRMGARD MARIA FELLNER,
DR. HUGUES BLAISE FERET MUANZA POKOS, FSK-KINO, STEFAN GÄNGE,
VERONIKA GERHARD, SARAYA GOMIS, DR. WANGUI WA GORO, MICHAEL
GÖTTING, ANNABEL GUÉRÉDRAT, DANIEL GYAMERAH, CHRISTOPH HAHN, NORA
HAAKH, JONAS BIBI HAMMOND, KILIAN HERZOG, ATIF MOHAMMED NOR HUSSEIN,
DAMIEN JALET, VIDO JELASHIE, JANINE JEMBERE, ISRAEL KAUNATJIKE, ELKE
KEIL, KATHARINA KELLERMANN, GRACE KELLY, MMAKGOSI KGABI, NASSER
KILADA, PHILIPP KHABO KOEPSELL, GUSTAV KLEINSCHMIDT, MEHMET CAN
KOÇAK, CHRISTIAN KOPP, PETRA KORINK, TOKS KÖRNER, JESSICA KÖSTER,
JULIANE KREMBERG, TUNÇAY KULAOĞLU, FÖR KÜNKEL, JERRY KWARTENG,
ISAAC LARTEY, STEPHEN LAWSON, HONG NHI LE, FELIX SABAL LECCO,
PEDRO LIMA, CAROLIN LINDENMAIER, LUISA MAJEWSKI, CECILE MARCAND,
YUSUF MATTHEW, YORO M‘BAYE, BADU M‘BAYE, ALEXANDRA IEYRE MEIN,
MAAZA MENGISTE, ADRIANA METZLAFF, THEODOR WONJA MICHAEL, LARASOPHIE MILAGRO, AMANDA MUKASONGA, T NEEYA, DR. EVERLYN NICODEMUS,
KETTLY NOËL, LABEL NOIR, LENA OBST, ATILLA OENER, NADJA OFUATEYALAZARD, BRANWEN OKPAKO, QUDUS ONIKEKU, ZÉ DE PAIVA, PAMOJA
SISTAHS, JANA PENZ, ANAHI PÉREZ, PEGGY PIESCHE, THEO PLAKOUDAKIS,
ISABELLE REDFERN, RICKY REISER, DANIELE REITZ PADILHA, KATJA ROLOFF,
JAKOB ROSSA, DETLEF RUDER, MANUELA SAMBO, THOMAS SANNE, REGINA
SARREITER, LISA SCHEIBNER, VERENA SCHIMPF, VICKI SCHMATOLLA, ANDRÉ
SCHMITZ, JENS SCHNEIDER, KATRIN SCHOOF, KATRIN SCHULZE, ASAD
SCHWARZ-MSESILAMBA, STOMPIE SELIBE, JULE SIEVERT, ULRIKE STRAUBE,
NANA STRAUCH, BARBARA SUHREN, CHRISTIAN SUHREN, PROF. WENDY
SUTHERLAND, VOLKAN T., BIRCAN TARIM, THABO THINDI, CHIOMA TISCHENDORF,
SELMA TISCHENDORF, DUYGU TÜRELI, MARCELO VILELA DA SILVA, LUCA
VILLA, NARA VIRGENS, DENNIS VOGEL, MIRO WALLNER, KATJA WENZEL,
OLIVIA WENZEL, FRANCIS WINTER, JULIA WISSERT, MARTIN WOLLENHÖFER,
KLAUS WOWEREIT, NELISIWE XABA, KWAME YEBOAH, ZUZU ZAKARIA
Ich muss daran erinnern, daß die Eingeborenen in unserem Kreise nicht
vertreten sind, daß aber die Entscheidungen der Konferenz für sie von
außerordentlicher Tragweite sein werden.
Sir Edward Malet, britischer Gesandter, 15.11.1884
Niemals zuvor in der Geschichte der Menschheit haben sich die Staaten
eines Kontinents zur Aufteilung eines anderen zusammengefunden,
eines Erdteils, dessen rechtmäßige Herrscher von dieser Aufteilung
nicht einmal Kenntnis hatten.
G. N. Uziogwe, Historiker, 1984
… and if Babylon does fall – wie begegnen wir dem Morgen?
Lasst uns im Staub gefallener Mauern, im Rost der alten Zäune doch
den Träumen klar entgegnen und den neuen Tag zum Tanze bitten.
Batho ba rena ba lefase, 2084
We are Tomorrow
VISIONEN UND ERINNERUNG ANLÄSSLICH
DER BERLINER KONFERENZ VON 1884
Vor 130 Jahren kamen auf Einladung
des Deutschen Reichs und der Französischen Republik am 15. November 1884 die Vertreter zehn weiterer
europäischer Staaten, der USA und des
Osmanischen Reichs zu einem Treffen
nach Berlin. Die Berliner Konferenz,
Westafrika-Konferenz, Kongo-Konferenz – bis heute gibt es verschiedene
Bezeichnungen für jene Tagung, die bis
zum 26. Februar 1885 andauerte.
Politiker, Abenteurer, Kolonialenthusiasten, Kaufleute und Bankiers versammelten sich in der Wilhelmstraße 77,
dem Reichskanzler-Palais als Amtssitz
Bismarcks, unweit der repräsentativsten Domizile der Berliner Hochfinanz.
Streitigkeiten um Rohstoffe und Gebiete auf dem afrikanischen Kontinent
sollten beendet werden, um der effizienten, systematischen Ausbeutung
eine Grundlage nach westlichem, imperialem Rechtsverständnis zu geben.
Die Tagung, die in einem zeitgenössischen Zeitungsbericht als „eines der
glänzendsten Feste“ geschildert wurde,
gab somit den Auftakt zur umfassenden Kolonialisierung des afrikanischen
Kontinents – ohne dessen Bevölkerung, seine Kulturen und Identitäten,
seine Staatssysteme und Wirtschafts-
beziehungen in irgendeiner Form als
bedeutsam zu betrachten.
Für den kürzlich verstorbenen nigerianischen Autor Chinua Achebe war die
Leugnung der Existenz von afrikanischen Menschen und somit afrikanischer Geschichte(n) der Grundgedanke
der Kolonialideologie.
Auf der Berliner Konferenz ging es
Deutschland wie den anderen Kolonialmächten, neben wirtschaftlichen Interessen und Machtansprüchen, vor allem
um die Etablierung einer nationalen
Identität. Menschen afrikanischer Herkunft wurden nur so weit akzeptiert,
wie sie in das nationale Ideengebilde
passten. Deutschsein wurde zuallererst
mit Weißsein zusammengedacht.
Im kollektiven Bewusstsein ist
Deutschlands koloniale Vergangenheit kaum gegenwärtig. Widerstand in
den ehemaligen Kolonien wird ebenso
wenig thematisiert wie Rekrutierungen von Schwarzen Menschen durch
europäische Armeen während der beiden Weltkriege.
Kolonialkriege, der Erste und der
Zweite Weltkrieg, der Nationalsozia-
lismus und noch bis heute rassistisch
verfasste Realitäten können nicht
nachhaltig aufgearbeitet werden, wenn
Deutschlands Kolonialgeschichte als
„zu unbedeutend“ abgetan und folglich
ignoriert wird. Das Vorhandensein afrikanischer und Schwarzer Menschen
und ihrer Perspektiven wird ausgeblendet. Sie scheinen – wie Afrika –
weit weg zu sein.
130 Jahre später ist Europa – und damit auch Deutschland – jedoch mit
der spürbaren Infragestellung staatlicher Grenzen im Zuge vielfältiger
Globalisierungsprozesse konfrontiert.
Das aus dem 19. Jahrhundert übernommene fi ktive Konstrukt eines
ethnisch homogenen weißen Nationalstaates lässt sich nicht mehr aufrecht erhalten. Menschen afrikanischer Herkunft treten aus den ihnen
willkürlich zugewiesenen Räumen
heraus und leben neue Realitäten –
und das nicht erst seit 2011 auf dem
Oranienplatz - in unmittelbarer Nähe
des Ballhaus Naunynstraße.
Vor diesem Hintergrund widmet
sich das Ballhaus mit We are Tomorrow ab dem 15. November dem
Themenschwerpunkt der Berliner
3
Konferenz. Die willkürliche Aufteilung des afrikanischen Kontinents ist
Ausgangspunkt für eine vielschichtige Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte. Künstler_innen und Wissenschaftler_innen
aus den verschiedensten Bereichen
und Ländern hinterfragen Diskurse
kolonialer Vergangenheit und brechen
mit gewohnten Erinnerungs- und
Darstellungspraktiken. Der Blick zurück schärft die Wahrnehmung für
aktuelle gesellschaftspolitische Entwicklungen.
Das Ballhaus bleibt somit - nach den
Festivals Dogland, Almancı! 50 Jahre
Scheinehe, Voicing Resistance und
Black Lux. Ein Heimatfest aus Schwarzen Perspektiven – ein Labor für
Strategien des Aufbegehrens für eine
selbstbestimmte Auseinandersetzung
mit postmigrantischen und postkolonialen Lebensrealitäten.
We are tomorrow eröff net am 15. November mit der Ausstellungsreihe Yesternow. Zwischen Jetset und Vergessen, die von der Künstlerin Manuela
Sambo kuratiert wird. Im Anschluss
lädt das Pan-African Groove Collective zu einem Konzert ein, dessen
Musikstile sich aus so unterschiedlichen afrikanischen und afro-diasporischen Genres wie Afro-Beat, Highlife,
R&B, M`Balax, Souk, Jazz, Hiphop und
Salsa zusammensetzen.
Film- und Theatermacherinnen wie
Branwen Okpako und Simone Dede
Ayivi, die bereits am Ballhaus inszenieren, erzählen Schwarze Geschichte(n) als selbstbewusste und selbstbestimmte Kontinuität. So wird zum
Beispiel Simone Dede Ayivi mit ihrer
Gast-Performance Performing Back
zu sehen sein. Sie bereist, begleitet von
den Stimmen Schwarzer deutscher
Aktivist_innen und Kulturschaffender, Orte ehemaliger Völkerschauen,
Kolonialdenkmäler und kolonialer
Straßengebilde in Deutschland; verrückt diese ganz konkret und (er-)findet ihre eigene postkoloniale Ästhetik
auf der Bühne.
Internationale Gastspiele von Performer_innen und Tänzer_innen wie
Annabel Guérédrat aus Frankreich/
Martinique, Mmakgosi Kgabi und
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Stompie Selibe aus Südafrika und
Qudus Onikeku aus Nigeria/Frankreich verhandeln deutsche Kolonialgeschichte, indem sie sich die kolonialen Stereotypisierungen ihrer Körper
aneignen, in vielschichtige Körpersprachen der Selbstermächtigung
übersetzen und diese für das Publikum während ihrer Tanzperformances konkret sinnlich erfahrbar werden
lassen.
Der Musiker Jean-Paul Bourelly lädt
Besucher_innen zu interdisziplinären
Jam-Sessions im Talkshow-Format,
den Polyphonic – Spontaneous Town
Meetings. Er schaff t im Ballhaus einen Ort, an dem das Publikum aufgefordert ist, Fragen zu stellen und
zu diskutieren. Seine Musiker_innen
nehmen die Diskussionen auf, sodass
aus dem Zusammenspiel zwischen
Diskussion und Sound, Musiker_innen
und Besucher_innen eine neue Form
der Kommunikation entsteht.
Zentraler Bestandteil des Themenschwerpunktes ist die erste Indaba
Schwarzer Kulturschaffender. Diese
Konferenz hat zum Ziel, koloniale
Kontinuitäten im Kulturbetrieb zu
benennen, Ideen für den Soll-Zustand
eines Kulturbetriebes, der sich seiner
Vergangenheit stellt, zu sammeln und
auszutauschen, um mit klaren Anregungen an Entscheidungsträger_innen
der Kulturpolitik heranzutreten. Das
Publikum ist hierbei eingeladen, sich
aktiv an den Diskussionen zu beteiligen – wie an weiteren Artists’ Talks
und Paneldiskussionen, die es während
der gesamten Dauer von We are Tomorrow geben wird.
Die Möglichkeit von Publikumsgesprächen bieten auch Veranstaltungen
wie die von Nadja Ofuatey-Alazard
kuratierte Reihe Literarische Topografien des Kolonialismus. Ab dem
16. November werden zudem jeden
Sonntag im fsk-Kino am Oranienplatz Filme im Rahmen der Filmreihe
Beyond The Maps. African Resistance
Against Colonial Power gezeigt, die
von Enoka Ayemba kuratiert und gestaltet wird.
Einen der Höhepunkte von We are
Tomorrow bildet die Urauff ührung
von Mais in Deutschland und anderen
Galaxien im Februar, einem Stück der
in Weimar geborenen Autorin, Songwriterin und Sängerin Olivia Wenzel.
Der Text entstand im Rahmen der
postmigrantischen Literaturwerkstatt
RAUŞ - Neue deutsche Stücke, einer
Kooperation zwischen Ballhaus Naunynstraße, Maxim Gorki Theater und
dem Kultur- und Gesellschaftsmagazin freitext. Mais in Deutschland und
anderen Galaxien beinhaltet unter anderem die Darstellung des Selbstverständlichen – der Selbstverständlichkeit, in Deutschland nicht zuallererst
über die Hautfarbe wahrgenommen
und eingeordnet zu werden. Regie
führt Atif Hussein. Ihn interessiert das
Spiegeln gesellschaftlicher Kontexte in
fi ktiven Biografien, die auch immer die
eigenen, ganz persönlichen sein könnten - zwischen Comic und ostdeutschem Punk, auf der Milchstraße oder
gesamtdeutschen Transit-Strecken.
Zu konkreten Erinnerungsorten in
Berlin führt Joshua Kwesi Aikins die
Besucher_innen im Rahmen seiner
Bustouren unter dem Titel Dauerkolonie Berlin. Schauspieler_innen von
Label Noir begleiten die postkoloniale
Stadtführung. Mit ihren Performances hinterfragen sie die Erinnerungspraxis einer Gesellschaft, in der noch
immer Denkmäler koloniale Protagonisten ehren.
Das Ballhaus nimmt die Berliner
Konferenz als ein Symbol deutscher
Kolonialgeschichte wieder auf, um
Identitätskonstruktionen aus vielperspektivischen Blickwinkeln zu betrachten und visionär weiterzudenken.
Vergangenes wird reflektiert, Heutiges
beleuchtet, neue Kommunikationskanäle und zukünftige Handlungsspielräume werden geöff net WE ARE TOMORROW!
Inhalt
3
6
6
We are Tomorrow. Visionen
und Erinnerung anlässlich der
Berliner Konferenz von 1884
Eröffnungskonzert: Pan-African
Groove Collective
Performing Back
7
7
8
Erste Indaba Schwarzer
Kulturschaffender in Deutschland
Literaturreihe: Literarische
Topografien des Kolonialismus
Polyphonic –
Spontaneous Town Meetings
10
„Das Tagebuch des Kameruner
Prinzen Samson Dido“
11
Decolonize
Bodies! Minds! Perceptions!
13
STILL / life
13
Colored Woman in a
White World
14
Filmreihe: Beyond the Maps.
African Resistance against
Colonial Power.
16
Programmüberblick
19
20
22
Dauerkolonie Berlin – Eine
etwas andere Stadtrundfahrt
„Ich bin mehr als ein Konglomerat an Identitätsmolekülen“
„Das Übersehene sehen:
Requisiten und der Tisch in
Karl Lessings Die Mätresse“
24
26
28
„Zur Kontinuität von kolonialen
Denkmustern in Schulbüchern“
Mais in Deutschland und
anderen Galaxien
Color me B–
29
30
31
Ausstellungsreihe: Yesternow.
Zwischen Jetset und Vergessen
They are, Then are We
A Freak Show for S.
31
Sonderausgabe
Kiez-Monatsschau
15.11.14
Eröffnung We Are Tomorrow
VISIONEN UND ERINNERUNG ANLÄSSLICH DER BERLINER KONFERENZ VON 1884
20 Uhr
Ausstellungseröffnung: Yesternow.
Zwischen Jetset und Vergessen. (s. S. 29)
21 Uhr
Eröffnungskonzert
Pan-African Groove Collective
Eröffnungskonzert
15.11.14 – 21:00
die für die Freiheit afrikanischer Nationen eingetreten sind, korrigiert
westliche Perspektiven auf Afrika und
kommentiert die Grenzpolitik der EU.
Gleichzeitig zitiert die Gruppe den
Sound der südafrikanischen AntiApartheid-Bewegung sowie international bekannter afrikanischer und
afro-diasporischer Musiker der 70erund 80er-Jahre wie Fela Kuti und Bob
Marley, die sich mit Fragen von (Post-)
Kolonialismus, Unabhängigkeit und
Selbstbestimmung auseinandersetzten.
Foto: Daniela Incoronato
mit den historischen Ereignissen des
Kolonialismus und erzählt von den
großen und kleinen, den politischen
und den privaten Auswirkungen, die
die Teilung des Kontinents noch heute
für Millionen von Menschen in Afrika
hat. Ihre Musik erinnert an diejenigen,
Performing Back
21. & 22.11.14
20:00
EINE PERFORMANCE VON SIMONE DEDE AYIVI
Performing Back ist eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Kontinuität deutscher kolonialer Vergangenheit. Im Mittelpunkt der Performance steht
Simone Dede Ayivis akribische Spurensuche im scheinbar unscheinbaren Stadtbild zwischen Autobahn und Schwänchenteich. Begleitet von den Stimmen
Schwarzer deutscher Aktivist_innen und Kulturschaffender, bereist sie Orte
ehemaliger Völkerschauen, Kolonialdenkmäler und kolonialer Straßengebilde,
berichtet von Widerstand und Visionen, gibt Ausblicke und Rückblicke.
In einer Kompilation aus vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Artefakten werden hegemoniale Formen der Geschichtsschreibung hinterfragt, koloniale
und rassistische Bilderwelten dekonstruiert, und es wird letztendlich eine neue,
postkoloniale Ästhetik erfunden.
6
Pan-African Groove Collective:
Jonas Bibi Hammond, Felix Sabal
Lecco, Kwame Yeboah, Yoro M‘baye,
Badu M‘baye, T Neeya, Vido Jelashie,
Nasser Kilada
SIMONE DEDE AYIVI
Foto: Juliane Kremberg
Das Pan-African Groove Collective
mischt Afro-Beat, Highlife, M´Balax,
R&B und Jazz und ist das groovende Ergebnis des Musikprojektes 1884
aus der Werkstatt der Kulturen im
Jahr 2010. Die achtköpfige Band beschäftigt sich in ihrer Musik kritisch
Im Anschluss: Eröff nungsparty
arbeitet als Performerin, Kuratorin und Regisseurin. Sie war
Teil des Leitungsteams am
Theaterhaus Hildesheim. Am
Ballhaus Naunynstraße inszenierte sie Der kleine Bruder
des Ruderers (2010), Bloodshed in Diversity (2011) und Wir
spielen (We play; 2013).
Erste Indaba
Schwarzer Kulturschaffender
in Deutschland
KURATIERT VON
PHILIPP KHABO KOEPSELL
31.1. & 1.2.15
12–18:00
Indaba [ɪnˈdaba] – isiZulu-Begriff für: (1) Zusammenkunft, Versammlung, Konferenz;
(2) Sachverhalt, Angelegenheit, Affäre.
Anlässlich des Veranstaltungsschwerpunkts zum 130. Jahrestag der Berliner
Konferenz wird das Ballhaus Naunynstraße eine zweitägige Konferenz
Schwarzer deutscher Kulturschaffender
ausrichten. Diese Konferenz verfolgt
sowohl das Ziel, Ist- und Sollzustand
im Kulturbetrieb zu dokumentieren,
als auch klare Anregungen und Forderungen an die Entscheidungsträger_innen der Kulturpolitik zu formulieren.
Inhaltlich folgt die Konferenz der
Frage nach den Herausforderungen,
Verpflichtungen und der Verantwortung Schwarzer Kulturschaffender im
Deutschland des 21. Jahrhunderts. Damit soll auch diskutiert werden, ob es
z.B. gar zu den „Aufgaben“ Schwarzer
Kulturschaffender gehört, thematisch
Rassismus und koloniale Kontinuitäten zu verhandeln; ob und inwieweit
ein „reaktives Sich-abarbeiten“ an
vorhandenen Missständen die Entfaltung des künstlerischen Potentials
beeinflusst; in welchen Bereichen des
Kulturbetriebs Schwarze Entscheidungsträger_innen präsent oder unterrepräsentiert sind; inwieweit Stereotypisierungen die Rollenvergabe
auf der Bühne beeinflussen und welche
proaktiven Lösungen dafür gefunden
werden können. Aufgenommen werden sollen der Ist- und Sollzustand
(Fragen der Repräsentation, „Blackfacing“, Anstellungsverhältnisse, Rollenvergabe, Medienbilder, Außenwirkung etc.), Zukunftsvisionen sowie
Anregungen und Forderungen an die
„Gate-Keeper“ der Kulturpolitik.
Teilnehmer_innen dieser Konferenz
sind ausschließlich Schwarze Kulturschaffende: Autor_innen, Schauspieler_
innen, Perfomer_innen, Musiker_innen
(Rapper_innen, Sänger_innen etc.). Die
Konferenz folgt grob der Form akademischer Konferenzen, bestehend aus
Roundtable-Gesprächen mit Publikum, Rahmenprogramm und Workshops (intern für die Beteiligten, zum
Kennenlernen und Networken). Es
wird Forum-Gespräche geben, bei
denen auch das Publikum in die Diskussionen eingebunden wird.
Ziel der Konferenz sind die Dokumentation und Print-Publikation der
Ergebnisse, inklusive aller unterschiedlichen und eventuell widersprüchlichen Ansichten, aber auch
dem entstandenen Konsens. Angestrebt wird die Stimmgewalt der
Heterogenität, nicht die Konformität
der Meinungen. Die Publikation der
Ergebnisse und Gesprächsprotokolle erfüllt den Zweck, den Ist-Zustand
zu dokumentieren und Guidelines,
Anregungen und Forderungen zu formulieren, welche dann wiederum bei
kulturpolitischen Verhandlungen den
entsprechenden „Gate-Keepers“ vorgelegt werden können.
Open Call
Das Ballhaus Naunynstraße bittet alle
Schwarzen Kulturschaffenden aus den
Bereichen Musik, Bühne, Film, Literatur etc., die Interesse haben, an oben
beschriebener Konferenz als Diskutant_innen teilzunehmen, sich bis zum
30.11.2014 mit einem Abstract unter
folgender Adresse zu melden:
[email protected]
Erbeten sind ein künstlerischer Lebenslauf und eine halbseitige Beschreibung
Ihres Interessenfelds. Wenn Sie bereit
wären, einen Vortrag zu halten, fügen
Sie der Bewerbung bitte einen halbseitigen Abstract Ihres Vortrags bei.
Literaturreihe
Literarische Topografien
des Kolonialismus
19.11. & 20.12.14, 12.2.15 –
20:00; 25.1.15 – 19:00
KURATIERT VON NADJA OFUATEY-ALAZARD
Im Fokus der Reihe Literarische Topografien des Kolonialismus 1884 – 2014 stehen unterschiedlichste Genres und geopolitische Perspektiven, die sich dem deutschen und europäischen Kolonialismus in der literarischen Imagination afrikanisch(-diasporisch)er Autor_innen widmen.
Die literarische Zeitreise startet mit realen wie fiktiven Biografien, die in den 1880er
-Jahren des deutschen Kaiserreichs situiert sind, blickt dann auf afrikanische
7
Erinnerungslandschaften in Poesie,
Brief und Tagebuch zu Zeiten der Genozide in Namibia und dem heutigen
Tanzania sowie während der deutschen Kolonialherrschaft in Kamerun;
beleuchtet die im Schatten westlicher
Geschichtsschreibung verharrenden
Memoiren afrikanisch(-diasporischer)
Soldaten des Ersten Weltkriegs, stattet Deutschlands kolonialen Nachbarn
eine literarische Stippvisite ab und
kommt dann im Heute an, wo Migration und Transnationalität im afrikanisch(-diasporisch)en Roman „alte neue
Grenzen“ kartieren.
Beziehungen durch die Kontinuität kolonialer Verhältnisse und die Machtdynamik zwischen dem alten Europa und
dem neuen Afrika bekommen so eine unbekannte Vielfalt
an frischen Blickwinkeln und Interpretationsmöglichkeiten.
Ein Schnappschuss der Wahrheit –
Interview mit Jean-Paul Bourelly
Welche Idee steckt hinter den Spontaneous Town
Meetings?
Theodor Wonja Michael (Foto: Mark Leonhard, Bonn)
Jede der vier Veranstaltungen umfasst
Lesungen und Rundtischgespräche mit
afrikanisch(-diasporisch)en Autor_innen im Dialog mit Akademiker_innen
verschiedener Disziplinen.
19.11.14 Theodor Wonja Michael, David Olusoga (angefragt) u.a.
20.12.14 szenische Lesung von afrikanisch-diasporischen Texten 1904-1914/
Vortrag Dr. Everlyn Nicodemus
25.1.15
Maaza Mengiste, Dr. Wangui wa Goro (in engl. Sprache)
12.2.15 NoViolet Bulawayo (angefragt), Peggy Piesche
NADJA OFUATEY-ALAZARD
in München, wo sie zuvor als
Filmemacherin, Produktionsleiterin, Autorin, Herausgeberin, Moderatorin und Pressereferentin im Kulturbereich
arbeitete. Nach PerspektivWechsel, einem Interviewfilm
zur Situation von minoritären
Kulturschaffenden in Deutschland, war PerspektivWechsel
II: Schwarze Kinder und Jugendliche ihr zweiter Film. 2011
gab sie gemeinsam mit Susan
Arndt das kritische Nachschlagewerk Wie Rassismus aus
Wörtern spricht. Kerben des
Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache heraus.
2011 hat sie das BIGSAS Festival Afrikanisch(-Diasporisch)er
Literaturen an der Universität
Bayreuth mitgegründet, das
sie co-leitet.
Wie steht dein Projekt in Zusammenhang mit Berliner
Konferenz und Kolonialgeschichte?
Foto: Patrick Julien, Paris
absolvierte die Ausbildung
der Deutschen Journalistenschule München und erwarb
am City College New York
einen BA in Film- und VideoProduktion. Sie war anschließend als Produktionsleiterin und Koordinatorin in der
US-amerikanischen Film- und
Videoproduktion tätig. Mittlerweile promoviert sie an der
Universität Bayreuth und lebt
Nachdem ich über viele Jahre Projekte in Berlin gemacht
habe, fiel mir auf, dass die Schriftsteller_innen, Maler_innen, Musiker_innen und Vertreter_innen der anderen
künstlerischen Disziplinen alle in ihrer eigenen Welt leben.
Ich bin in Chicago aufgewachsen und habe in New York
gelernt, ein professioneller Musiker zu sein. In den späten
70er- und frühen 80er-Jahren gab es dort noch Communities, in denen die Dichter_innen, Musiker_innen, Architekt_innen und Fotograf_innen zusammenkamen und wo
alle von den Gemeinsamkeiten/dem gemeinsamen Wissen
der verschiedenen Disziplinen profitieren konnten. Dort
habe ich gesehen, wie stimulierend und kraftvoll das ist,
und ich weiß, wie sehr wir diese Atmosphäre auch heute
wieder brauchen.
Wir müssen über den Nachhall der Berliner Konferenz und
die Mythen, die darum bestehen, sprechen. Von einer gehobenen Diskussion über diese Themen werden wir alle etwas
haben - und ich meine nicht die reaktionären Debatten, die
vielleicht das vordergründige Interesse einiger Leute sein
könnten. Um eine gehobene Diskussion führen zu können,
müssen wir offen für eine neue Herangehensweise sein. Die
Musik ist dabei sehr hilfreich, weil sie ein großartiges Mittel ist, wenn es darum geht, das Gefühl eines bestimmten
Augenblicks oder einer Aussage zu kommunizieren.
Unser Ziel ist es, neue Kommunikationskanäle zu öffnen, damit wir über die Dinge reden können, die diese Gesellschaft
jetzt braucht. Und wir betrachten das auf der Grundlage der
Missstände, die der Kolonialismus hervorgebracht hat; die
Defragmentierung, die sozialen Missverständnisse und die
paternalistische Arroganz, der man so häufig begegnet.
Müssen wir uns auf harte politische Diskussionen
einstellen?
Ich will nicht, dass wir von der Last der Geschichte erdrückt
werden. Ich möchte, dass wir die Geschichte neu erzählen.
Natürlich weiß ich nicht, ob uns das gelingen wird, aber ich
möchte mit meinem Projekt die Möglichkeit dazu geben.
Wenn wir uns auf diesem gehobenen Level über Themen
unterhalten, die uns wichtig sind, ist es möglich, dass wir
einen Augenblick erfahren, in dem wir die Wahrheit wie
einen Schnappschuss erkennen und festhalten können.
Dann können wir diesen Schnappschuss vielleicht als
Grundlage eines neuen Wertsystems betrachten, das uns
die Möglichkeit gibt, in einer kraftvolleren/selbstermächtigenderen Art und Weise über dieses Thema nachzudenken.
Durch Kreativität können wir kolonialen Strukturen etwas
entgegensetzen, und dieses Projekt kann den Menschen helfen, zu verstehen, wie das geht.
Polyphonic –
Spontaneous Town Meetings
18.11.14 & 21.1.15 – 20:00
21.12.14 – 19:00
KURATIERT VON JEAN-PAUL BOURELLY
Mit Abenaa Adomako, Antonia Adomako, Jimmy Bamba, Katharina
Oguntoye (angefragt), Peggy Piesche, Pamoja Sistahs Wien, u.a.
Moderation: Prof. Dr. Maureen Maisha Eggers
Das Spontaneous Town Meeting ist eine interdisziplinäre
Jam Session im Talkshow-Format. Der Jazzmusiker JeanPaul Bourelly lädt Musiker_innen, Schriftsteller_innen,
Historiker_innen und Schauspieler_innen zu einem afrofuturistischen Treffen, um die Pforten eines Schwarzen kollektiven Wissensarchiv zu öff nen. In Interaktion zwischen
8
wurde in Chicago geboren und begann mit
13 Jahren Gitarre zu spielen. Er arbeitete
u.a. mit Gitarristen wie Pete Cosey, Phil
Corhan und dem Chicago Epress Haitian
Orchestra. Mit 18 Jahren zog er nach New
York und arbeitete dort mit Jazz-Größen
wie Chico Hamilton, Cassandra Wilson,
Elvin Jones Mc Coy Tyner u.a. Auf Miles
Davis’ Album Amadela (Warner Bros)
war er 1991 zu hören. Bourelly brachte
verschiedene eigene Alben heraus, die
seinen Sound international erfolgreich
machten. In Berlin gründete er 1999 das
Afrikanische Ensemble Boom Bop mit
dem Sänger und Dichter Abdourahmane
Diop. Er komponierte Bühnenmusik für
Penthesilea an der Schaubühne (Regie:
Luk Perceval) und Lauf zum Meer an der
Volksbühne Berlin (Regie: Torsten Lensing). Er gründete das Backroom Project
im Haus der Kulturen der Welt (19992004), war musikalischer Kurator für das
Projekt Black Atlantic 2004 und rief in der
Werkstatt der Kulturen die musikalische
Bibliothek Spontaneous Situation ins Leben. Zuletzt gründete Bourelly die Band
Black Stone Raiders mit dem Rolling Stone
Bassisten Darryl Jones und dem Drummer der Band Living Colour, Will Calhoun.
Am Ballhaus Naunynstraße leitete er 2014
das Projekt Spontaneous Youth Arkestra
der akademie der autodidakten.
Foto: Moz Person
JEAN-PAUL BOURELLY
Sprache und Musik, Gästen und Publikum, Emotion und
Didaktik werden aktuelle und historische Diskurse verhandelt, um neue Akzente zu setzen und Perspektiven zu
entwickeln, die bisher durch das Setting ihrer Verhandlung
begrenzt schienen. Diskussionen über die Situation der in
Berlin lebenden Geflüchteten, die Zerstörung familiärer
9
Das Tagebuch des Kameruner
Prinzen Samson Dido.
Eine Schrift,
die mehr als Gold wert ist
Er beäugte mich so, als wäre ich eigenartig. Er behauptete,
es sei nur eine Routineuntersuchung. Er vermaß meinen
Kopf und Körper und murmelte: „Sehr interessant, sehr
interessant“. Und wieder hatte ich das Gefühl, als Tier oder
„Wilder“ behandelt zu werden: Keine Würde ! Ich schämte
mich so sehr !
VERTRAG ZWISCHEN
HERRN SAMSON DIDO UND
HERRN CARL HAGENBECK
24.4.1886
VON JESSICA KÖSTER
Carl Hagenbeck engagiert Samson Dido mit Familie, im
Ganzen acht Personen, nach Deutschland zu reisen […]
18. September 1886
Jessica Köster, Hamburgerin mit
ghanaischen Wurzeln, wurde in diesem Jahr für ihr fi ktives Tagebuch
über die reale Reise des Kameruner
Prinzen Samson Dido mit dem renommierten Bertini-Preis ausgezeichnet. Samson Didos Tagebuch entstand
2013 im Rahmen des Schulprojekts
„Weiße Flecken der Erinnerung“. Dabei begaben sich die Schüler_innen auf
die Suche nach den Spuren der deutschen Kolonialgeschichte in Hamburg.
Jessica Köster entschied sich, die Erlebnisse und Gedanken des Prinzen in
einem fi ktiven Tagebuch zu verarbeiten. Dido kam 1886 mit seiner Familie
nach Deutschland und trat vier Monate lang bei den Völkerschauen des
Zoobetreibers Carl Hagenbeck auf. Am
19. November wird die junge Autorin
am ersten Abend der Eröff nung der
Reihe Literarische Topografien des
Kolonialismus aus ihrem Text lesen.
Endlose Tage wurden wir im „Vergnügungslokal Flora“ in
Kreuzberg ausgestellt. Jetzt sind wir wieder in Hamburg.
Tagsüber ein „Wilder” und Abends ein Ehrenmann.
Ich treffe Menschen, die mir Honig ums Maul schmieren,
um von meinem Amt in Kamerun zu profitieren.
Ich habe mit ihnen zusammen gesessen,
aber ihre Ideen kamen mir närrisch vor.
15. Oktober 1886
20. April 1886
Reise nach Deutschland
Vorteile:
24. Juli 1886
•
•
•
•
•
Heute war unser erster Arbeitstag.
Wir mussten Schrittfolgen einstudieren, die uns ganz
fremd vorkamen. Dabei dachte das Publikum, es sei ein
echter Kameruner Tanz. Einige schauten interessiert
zu, andere lachten. Wir mussten weiter machen, denn
schließlich werden wir ja dafür bezahlt.
Menschen treffen und Kontakte knüpfen
eine fremde Kultur kennenlernen
neue Erfahrungen sammeln
Geld verdienen
und vor allem: Kameruner Kultur vorstellen
Nachteile:
1. August 1886
• nur acht Familienmitglieder können mitreisen
• wir müssen für eine Weile Kamerun verlassen
Nach sorgfältiger Überlegung werden ich und einige Familienmitglieder die Reise nach Deutschland antreten.
Mit mir reisen:
•
•
•
•
•
mein Bruder Adjatay
zwei meiner Frauen – Adeola und Adesola
mein Sohn Lungile
ein Haushofmeister
zwei Diener
5. Juni 1886
Der Vertrag ist angekommen, von mir unterschrieben und
dem Hamburger Kaufmann Franz zurückgegeben.
Es geht in zwei Tagen los. Ich gebe mich gegenüber meiner
Familie gelassen, bin aber schon gespannt auf die Reise.
6. Juni 1886
Wir werden mit dem Schiff „Aline Woermann“ nach
Deutschland reisen. Es sei sehr groß, sagt Franz.
Ich habe schon viele Schiffe gesehen, aber noch nie einen
solchen “Dampfer”. Auch mein Sohn ist aufgeregt und
meine zwei Frauen reden von nichts anderem mehr.
Carl Hagenbeck verspricht […] seine Reise und Verpflegung hin und zurück und während ihres Aufenthaltes in Deutschland, ferner ein festes Salair […] von
400 Mark monatlich.
Carl Hagenbeck verlangt keinerlei Arbeit von der
Truppe, nur Leuten ihre Sitten und Gebräuche zu zeigen. Ferner verpflichtet sich Carl Hagenbeck, Samson
Dido mit Familie vor Weihnachtszeit nach ihrer Heimat
retour zu senden. […]
Wir reisen ab.
Weg von Lügnern und Heuchlern und zurück in die Welt
des wahren Wortes. Jetzt heißt es: Abschied nehmen. Auf
kein Wiedersehen, Deutschland!
Hallo geliebtes Kamerun!
Decolonize Bodies! Minds!
Perceptions!
6. & 7.2.15 – 20:00
8.2.15 – 19:00
JANINE JEMBERE UND MICHAEL GÖTTING
AKADEMIE DER AUTODIDAKTEN, BALLHAUS NAUNYNSTRASSE
Die Arbeit im Zoo ist dumm. Heute mussten wir Kostüme
mit Baströckchen anziehen. Wir sahen aus wie… „Wilde“!
Wir bekommen tagtäglich neue Vorlagen – Trommelstücke,
Ringkämpfe und ähnliches. Meine Familie ist traurig und
böse, doch ich kann ja nichts für die peinliche Situation.
Hagenbeck ist ein Teufel mit zwei Gesichtern!
Gibt es Zusammenhänge zwischen Symbolen der Black
Power Bewegung und Gebärdensprache? Oder Rassismen
in der Sprache, die in die Gesten übertragen wurden? Spielt
Hautfarbe eine Rolle für Blinde? Wie fremd sind wir einander? Wie können wir miteinander Verbindung aufnehmen?
Fragen dieser Art standen am Anfang der Performance
Decolonize Bodies! Minds! Perceptions! – ein Projekt der
akademie der autodidakten im Ballhaus Naunynstraße, an
dem gehörlose, sehende, blinde, und hörende Jugendliche
zusammenarbeiten.
24. August 1886
Krone zu Krone, Mensch zu Mensch? Nicht ganz.
Der Thronfolger lud mich in den Muschelsaal seines
Schlosses in Berlin ein. Anfangs unterhielten wir uns
prächtig, und er machte mir Geschenke, auch eine
Ehrenmedaille war dabei. Dann schmeichelte er mir: „Sie
sind doch ein intelligenter Mann! Was halten Sie von einer
Zusammenarbeit? Profitieren würde Kamerun genauso wie
das Deutsche Reich.“
Über diesen Vorschlag bin ich empört. Mit dem
hinterlistigen Mann, der meine Brüder und Schwestern
betrügt und demütigt, werde ich nie zusammenarbeiten!
Meine Antwort war abweichend: „Ich werde es mir
überlegen“ und bat darum, den Raum verlassen zu dürfen.
Bei Decolonize begegnen sich Gehörlose und Hörende,
Gebärden- und Lautsprachler_innen, Blinde und Sehende.
Gemeinsam begeben sie sich auf den Weg an vermeintliche
Grenzen, um herauszufinden, was ihnen dort begegnet. Mit
Stille, Licht, Dunkelheit, Sounds und physischem Ausdruck
lassen sie den Vorhang der Bühne im eigenen Kopf aufgehen.
Ausgangspunkt der künstlerischen Arbeit sind die unterschiedlichen Erfahrungen der Teilnehmer_innen, die die
Performance in einem kollaborativen Prozess entwickeln.
Die künstlerische Arbeit ist zugleich auch Raum für Aufmerksamkeit, Beweglichkeit, Missverständnisse, Über-
26. August 1886
Noch immer in Berlin.
Heute wurde ich in die Praxis des Dr. Virchow gebracht.
Foto: Silja Korn
10
11
Unsere Wahrnehmung ist noch immer von kolonialen Wertesystemen
geprägt. Wir wollen uns an die Barrieren begeben, die dieses System schaff t.
Erfahrungen von Offenheit und Unzugänglichkeit, von Ein- und Ausschluss schreiben sich auch in unsere
wenn sie ihre inneren Barrieren überwinden, wenn sie ihr Bewusstsein dekolonisieren? Decolonize macht sich
auf die Suche nach Widersprüchen,
Gemeinsamkeiten und Unterschieden.
Dabei werden Übersetzungen der verschiedenen Muttersprachen der Teilnehmer_innen, Übertragungen von
Lautsprache in Gebärdensprache und
zurück, Poetisierungen von Audiodeskriptionen und deren Rücküberset-
JANINE JEMBERE
EINE TANZPERFORMANCE VON QUDUS ONIKEKU
Wie verändern sich unsere Wahrnehmung, unsere Kommunikation, unser Handeln und unsere Sicht auf uns
selbst, wenn wir von Inklusion nicht
mehr nur reden, sondern ernst damit
machen? Was erwartet die Menschen,
In der Bewegung durch die unterschiedlichen Zeichensysteme und deren Eigenheiten liegt die Möglichkeit,
neue Bedeutungen und Sinnzusammenhänge zu schaffen.
Das Verbinden verschiedener Kulturen
des Wahrnehmens und des Kommunizierens verändert die Vorstellungswelt.
Körper machen Lieder für gehörlose
Menschen hörbar, sie kreieren Sounds
durch rhythmische Bewegung und der
Sound schafft Bilder im Geist. Es entstehen neue Vorstellungswelten, die es
zu ergründen gilt. Sie werden hinterfragt und auf vielfältige Weise verhandelt. Die Verhandlung verändert das
Geschehen.
Mit Decolonize begeben sich die Protagonist_innen in das Wechselspiel
der Kommunikation in einer inklusiven Welt.
MICHAEL GÖTTING
Foto: Wagner Carvalho
Sprache und Wahrnehmungen von
Menschen, die Produktion von Bildern
und mediale Darstellungen sind der
Ursprung für Identifi kation, Reproduktion und der damit geschaffenen Selbsteinschätzung. Decolonize
Bodies! Minds! Perceptions! untersucht
diese Mechanismen und stellt der gesellschaftlichen Produktion von Bewusstsein die selbstbestimmte Performanz der Protagonist_innen entgegen.
zung in Handlung und Gebärden ein
zentraler Bestandteil des Geschehens
sein.
Colored
Woman in
a White
World
29.11.14
20:00
arbeitet in unterschiedlichen
Konstellationen an Performances, Radiosendungen, Interventionen und Filmen. Sie
ist Kamera- und Tonfrau für
Dokumentar- und Experimentalfilme. An der Hochschule für
bildende Künste Hamburg, der
Hochschule für Musik Hanns
Eisler und der UdK Berlin hat
sie studiert und forscht zurzeit
in Wien zu sinnlichen Hierarchien. Decolonize! ist ihre dritte Zusammenarbeit mit Michael Götting. Für die akademie
der autodidakten realisierte
sie zuletzt gemeinsam mit
Yara Spaett das Performance
-Projekt Female Gaze.
Körper ein. Sie prägen unsere Haltung,
Aufmerksamkeit und Bewegung und
werden Teil unserer Verhaltensweisen.
Körper sind Träger von Bedeutungen
und Möglichkeiten. Der Körper ist die
Referenz, in der unsere ethnischen,
Gender- und geschlechtlichen Identitäten und Differenzen verankert sind.
STILL /life
13. & 14.1.15
20:00
Foto: Sebastian Bodirsky
setzungen und Unterschiede. Erfahrungen werden übersetzt in Klänge,
Videos, Körper- und Gebärdensprache,
Poesie, Improvisationen und Speeches.
ist freier Autor und lebt in Berlin. Er schreibt für Zeit Online,
fluter.de, Deutschlandfunk und
andere. Er hat an der Freien
Universität Nordamerikastudien und Neuere deutsche
Literatur studiert und unterrichtet Schreib- und Medienworkshops für das Ballhaus
Naunynstraße, das Archiv der
Jugendkulturen und andere.
Am Ballhaus hat er bereits gemeinsam mit Janine Jembere die Kiez-Monatsschau Vol.
XVIII angeleitet.
WORKSHOP-PRÄSENTATION
VON ANNABEL GUÉRÉDRAT
Am Ballhaus Naunynstraße eröffnete Annabel Guérédrat 2013 das Festival Black Lux – Ein Heimatfest aus
Schwarzen Perspektiven mit ihrem Trio
Women Part II – you might think I’m
crazy, but I’m serious. Im November
wird sie hier unter dem Titel Colored
Woman in a White World, ein neues
Projekt mit Berliner Künstler_innen
entwickeln. Die gleichnamige Autobiografie von Mary Church Terell (18631954) ist ihre Hauptinspirationsquelle.
Foto: Sarah Hickson
Die Widersprüche und Tragödien unserer kollektiven Geschichten erlauben uns nicht, das „Andere“ mit Gewissheit darstellen zu können. Es gibt
nichts, von dem wir uns gewisser sein
können als unser Selbst, unsere Sterblichkeit und unser Ego – ein Ego, das
klare Demarkationslinien zwischen
Gut und Böse zu ziehen vermag, bis es
sich tief in uns verbeißt, ohne Abgrenzung zu kennen.
Die Gegenwart schenkt uns die leeren
Seiten, auf denen wir unser Schicksal
mit unserer eigenen Handschrift einschreiben können. Ein bewusster und
selbstbestimmter Umgang mit unserem Leben kann nur gelingen, wenn wir
Wege finden, unsere inneren Widersprüche zu versöhnen; wenn wir eine
ganzheitliche und komplexe Sichtweise
auf soziale Erfahrung entwickeln.
Der Titel STILL/life ist paradox und unerwartet, scheint doch die Übersetzung
ins Französische „nature mort“, deren
Betonung auf dem Tod liegt, das genaue
Gegenteil zu bedeuten. STILL/life ist
Bewegung; eine Geschichte von Hochmut und Fall, ein Versuch der Versöhnung und Akzeptanz unserer Extreme;
eine Einladung Tränen zu vergießen –
mit dem Funken Hoffnung, dass kommende Generationen Gerechtigkeit aus
Armut, Liebe aus Leid und Frieden aus
Elend erlernen können.
Die Performance beginnt mit dem Versuch zwei Seiten der Medaille simultan
abzubilden; die Gegensätze und Widersprüche in uns selbst zu offenbaren und
die Schizophrenie unserer Welt zu spiegeln. STILL/life ist ein Schaffensprozess, angetrieben durch pure Energie.
Choreografie und Tanz: Qudus Onikeku, Künstlerische Mitarbeit: Damien
Jalet, Musik: Charles Amblard, Habeeb
Ayodeji, Video: Isaac Lartey, Ausstattung: Alexandra Ieyre Mein, Technik:
Yusuf Matthew
Frauen of Color sind eingeladen, ihre
Eindrücke über ihr aktuelles Leben
zu schildern: Fühlen sie sich nach 130
Jahren noch immer als „Frauen of Color in einer weißen Welt“ und wie gehen
sie damit um? Auf der Bühne geht es
Annabel Guérédrat um Intimitität und
Ehrlichkeit – um ganz persönliche Geschichten der Frauen sowie die Motivation, über Erfahrungen als Schwarze
Frauen zu berichten. Durch den Prozess des Body-Mind-Centering wird
diese persönliche Dringlichkeit in tänzerischen Ausdruck übertragen.
QUDUS ONIKEKU
Der Tänzer und Choreograf aus
Lagos ist Gründer und künstlerischer Leiter der YK Projects in Paris
und des QDance Centers in Lagos.
Er studierte an der Ecole Nationale
Supérieur des Arts du Cirque und
pendelt zwischen Lagos und Paris.
2013 war er Gastprofessor an der
University of California.
Foto: Yann Mathieu Larcher
12
13
Filmreihe: Beyond
the Maps
16.11.14 – 22.2.15 jeden So.
15:00 – im fsk-Kino
African Resistance
against Colonial Power
KURATIERT VON ENOKA AYEMBA
Dass die 1884 von Reichkanzler Otto
von Bismarck einberufene Berliner
Konferenz und das aus ihr resultierende Protokoll Anstoß gab zur systematischen Aufteilung bzw. Kolonisierung des afrikanischen Kontinents
durch europäische Mächte, gilt seit
langer Zeit als zweifelsfrei. Mittels
ENOKA AYEMBA
Fotografien, Postkarten und anderen Medien warben koloniale Mächte
kontinuierlich in der eigenen Bevölkerung für die „zivilisatorische Mission“
Europas auf dem afrikanischen Kontinent – dem letzten aus ihrer Sicht
„weißen Fleck“ der Erde, der noch
zu besetzen war. Als sich das Medium Film Anfang des 20. Jahrhunderts verbreitete, wurde auch dieses
zum gleichen Zweck eingesetzt. Es ist
nicht erstaunlich, dass bis heute das
Bild vorherrscht, die Bewohner_innen
dieses Kontinents hätten das Schicksal, unter der „weißen“ Herrschaft zu
leben, hingenommen und akzeptiert.
Aus diesem Anlass wird sich die
Werkschau älteren und neueren Filmproduktionen verschiedener Genres
widmen, die sich sowohl mit dem Widerstand gegen den europäischen Kolonialismus auf afrikanischem Boden,
als auch mit der Konferenz an sich
beschäftigen. Filmemacher_innen afrikanischer Herkunft sollen explizit
im Vordergrund stehen. Stattfi nden
werden Filmprojektionen und Publikumsgespräche mit den Filmschaffenden und eingeladenen Expert_innen.
Foto: F. Steuber
Seit der Unabhängigkeit jeweiliger
afrikanischer Länder in den späten
1950er-Jahren bis heute arbeiten
Filmschaffende aus Afrika unter
schweren Produktionsbedingungen
an der Korrektur dieses Bildes und
schreiben ihre eigenen Geschichten.
arbeitet als Filmkurator und
Autor in Berlin. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Kinokulturen Afrikas, die nigerianische Videofi lmindustrie und
der antikoloniale Widerstand.
Er hat mehrere Filmreihen in
diesem Zusammenhang erstellt, u.a. african reflections
– female directors in cinema (Berlin, 2007 mit Philippa
Ébéné), Siehst du mich? Eine
Filmreihe im Rahmen von 50
Jahre afrikanische Un-Abhängigkeiten (Berlin, 2010),
African Threads and Laces
(Wien, 2011 mit Katja Wiederspahn), Schwarze Menschen
und das Nazi-Regime (Berlin,
2013). Enoka Ayemba leitete
von 2009 bis 2013 die monatliche Filmreihe Afro Digital
(ehemals Nollywood Spezial)
in der Werkstatt der Kulturen
Berlin und war 2010 Selection Commitee-Mitglied des
Berlinale Talent Campus. Er
ist Mitbegründer der Berliner
KuratorInnengruppe Remember Resistance.
Foto aus Chronique des Années de Braise (Lakhdar Hamina, Algerien, 1975)
14
Programm
Weitere Termine sowie Aktualisierungen entnehmen Sie bitte unserer Website:
www.ballhausnaunynstrasse.de.
11 | So
1 5:00
BEYOND THE MAPS (Filmreihe im fsk-Kino)
ÉMITAÏ - Dieu du tonnerre (OmeU)
1 3 | Di
1 4 | Mi
16 | Fr
November 2014
20:00
20:00
20:00
STILL / LIFE von Qudus Onikeku
STILL / LIFE von Qudus Onikeku
THEY ARE, THEN ARE WE
Szenische Lesung von Branwen Okpako
1 5 | Sa
20:00
Eröffnung: WE ARE TOMORROW
17 | Sa
Visionen und Erinnerung anlässlich der Berliner Konferenz von 1884
1 6 | So
21 :00
1 5:00
Ausstellungseröffnung: YESTERNOW. ZWISCHEN JETSET UND VERGESSEN
Konzert: PAN-AFRICAN GROOVE COLLECTIVE & Eröffnungsparty
BEYOND THE MAPS (Filmreihe im fsk-Kino)
20:00
POLYPHONIC – SPONTANEOUS TOWN MEETINGS
Mit Abenaa Adomako, Antonia Adomako, Jimmy Bamba u.a.
1 9 | Mi
20:00
LITERARISCHE TOPOGRAFIEN DES KOLONIALISMUS
1 8 | So
1 5:00
23 | So
20:00
1 3:00
20:00
1 5:00
PERFORMING BACK Performance von Simone Dede Ayivi
DAUERKOLONIE BERLIN postkoloniale Stadtführung
PERFORMING BACK Performance von Simone Dede Ayivi
BEYOND THE MAPS (Filmreihe im fsk-Kino)
19:00
21 | Mi
23 | Fr
20:00
20:00
20:00
COLORED WOMAN IN A WHITE WORLD
Workshoppräsentation von Annabel Guérédrat
30 | So
1 5:00
Lecture-Performance Wendy Sutherland /
Artists`Talk mit Branwen Okpako, Wendy Sutherland u.a.
POLYPHONIC – SPONTANEOUS TOWN MEETINGS
COLOR ME B–
Performance von Mmakgosi Kgabi und Stompie Selibe
24 | Sa
20:00
COLOR ME B–
Performance von Mmakgosi Kgabi und Stompie Selibe
25 | So
1 5:00
BEYOND THE MAPS (Filmreihe im fsk-Kino)
Ein vergessener Krieg (OmeU)
19:00
Weiße Geister. Der Kolonialkrieg gegen die Herero (dtOV)
29 | Sa
BEYOND THE MAPS (Filmreihe im fsk-Kino)
Sambizanga (OmeU)
Mit Theodor Wonja Michael, David Olusoga (angefragt) u.a.
21 | Fr
22 | Sa
DAUERKOLONIE BERLIN postkoloniale Stadtführung
THEY ARE, THEN ARE WE
Szenische Lesung von Branwen Okpako
Sarraounia (OmdU)
1 8 | Di
1 3:00
20:00
LITERARISCHE TOPOGRAFIEN DES KOLONIALISMUS
Mit Maaza Mengiste, Dr. Wangui wa Goro (in engl. Sprache)
31 | Sa
12-1 8:00
ERSTE INDABA SCHWARZER KULTURSCHAFFENDER
BEYOND THE MAPS (Filmreihe im fsk-Kino)
Chronique des années de braise (OmdU)
Februar 2015
Dezember 2014
1 | So
7 | So
1 5:00
BEYOND THE MAPS (Filmreihe im fsk-Kino)
Concerning Violence (OmdU)
1 3 | Sa
1 4 | So
1 3:00
1 5:00
DAUERKOLONIE BERLIN postkoloniale Stadtführung
BEYOND THE MAPS (Filmreihe im fsk-Kino)
12-1 8:00
1 5:00
Lumumba, La mort du prophète (OmdU)
6 | Fr
7 | Sa
8 | So
20:00
20:00
1 5:00
20:00
20:00
20:00
A FREAKSHOW FOR S. von Annabel Guérédrat
A FREAKSHOW FOR S. von Annabel Guérédrat
LITERARISCHE TOPOGRAFIEN DES KOLONIALISMUS
Szen. Lesung von afrikanisch-diasporischen Texten 1904 – 1914/Vortrag Dr. Everlyn Nicodemus
21 | So
1 5:00
BEYOND THE MAPS (Filmreihe im fsk-Kino)
Don't Shoot (Kurzfilm)/ Drum (OmdU)
28 | So
1 9:00
1 5:00
POLYPHONIC – SPONTANEOUS TOWN MEETINGS
BEYOND THE MAPS (Filmreihe im fsk-Kino)
Flame (OmdU)
DECOLONIZE BODIES, MINDS, PERCEPTIONS, akademie der autodidakten
DECOLONIZE BODIES, MINDS, PERCEPTIONS, akademie der autodidakten
FILMREIHE BEYOND THE MAPS (Filmreihe im fsk-Kino)
144 Jahre/ Mueda, Memoria e Massacre (OmdU)
Le malentendu colonial (OmdU)
1 7 | Mi
1 8 | Do
20 | Sa
ERSTE INDABA SCHWARZER KULTURSCHAFFENDER
BEYOND THE MAPS (Filmreihe im fsk-Kino)
1 2 | Do
19:00
20:00
DECOLONIZE BODIES, MINDS, PERCEPTIONS, akademie der autodidakten
LITERARISCHE TOPOGRAFIEN DES KOLONIALISMUS
Mit NoViolet Bulawayo (angefragt), Peggy Piesche
1 5 | So
1 5:00
BEYOND THE MAPS (Filmreihe im fsk-Kino)
Thomas Sankara (OmdU)
1 9 | Do
20:00
Uraufführung: MAIS IN DEUTSCHLAND UND ANDEREN GALAXIEN
von Olivia Wenzel
20 | Fr
21 | Sa
22 | So
20:00
20:00
1 5:00
KIEZ-MONATSSCHAU Sonderausgabe
MAIS IN DEUTSCHLAND UND ANDEREN GALAXIEN von Olivia Wenzel
BEYOND THE MAPS (Filmreihe im fsk-Kino)
Heritage Africa (OmeU)
JANUAR 2015
4 | So
1 5:00
BEYOND THE MAPS (Filmreihe im fsk-Kino)
Adua - Ein afrikanischer Sieg (OmdU)
16
23 | Mo
24 | Di
25 | Mi
26 | Do
19:00
20:00
20:00
20:00
22:00
MAIS IN DEUTSCHLAND UND ANDEREN GALAXIEN von Olivia Wenzel
MAIS IN DEUTSCHLAND UND ANDEREN GALAXIEN von Olivia Wenzel
MAIS IN DEUTSCHLAND UND ANDEREN GALAXIEN von Olivia Wenzel
MAIS IN DEUTSCHLAND UND ANDEREN GALAXIEN von Olivia Wenzel
Abschlussparty
17
Dauerkolonie Berlin
Eine etwas andere Stadtrundfahrt
22.11. & 13.12.14,
17.1.15 – 13:00
FREEING YOURSELF WAS ONE THING; CLAIMING OWNERSHIP
OF THAT FREED SELF WAS ANOTHER. (TONI MORRISON)
Für unsere Brüder und Schwestern
15.11.2014 - 26.2.2015
Visionen und Erinnerung anlässlich der Berliner Konferenz von 1884
Immer wieder von vorn
zwischen Anfang und Ende von etwas
noch einmal ganz anders genauso
klüger und unwissender als jemals zuvor
und so viel weiter trotzdem.
Vergesst nicht, wer ihr seid
und was wir einander sind
heute und gestern und morgen sind eins
niemand ist allein, unsere Namen stehen
in den Händen der Ewigkeit seit Anbeginn der Welt.
(Aus: Dauerkolonie Berlin –
Eine etwas andere Stadtrundfahrt)
Eine Stadtrundfahrt dient der Besichtigung kultureller
Zeugnisse und Sehenswürdigkeiten: Bauwerke, Straßen,
Plätze, Parks und Flüsse erzählen eine Geschichte. Diese
Geschichte verändert sich, je nachdem, wer sie erzählt und
je nachdem wer sie hört. So erzählt eine Stadt nicht nur eine
einzige Geschichte, sondern die Geschichten jeder und jedes
Einzelnen, der sie hört und der sie erzählt und der sie weitererzählt und dem sie weiter erzählt werden. Die üblichen
Touren durch die Hauptstadt erzählen meist nur eine und
immer dieselbe Geschichte Berlins: Gründung, Expansion,
nationalsozialistische Vergangenheit, Kalter Krieg, Teilung
und Wiedervereinigung gemäß der offi ziellen Geschichtsschreibung einer deutschen Mehrheitsgesellschaft.
In Dauerkolonie Berlin – eine etwas andere Stadtrundfahrt
nehmen Schauspieler_innen des Theaterensembles LABEL
NOIR gemeinsam mit dem Politikwissenschaftler und Aktivisten Joshua Kwesi Aikins den Zuschauenden mit auf eine Busreise durch Berlin, die abweichende Wege und Perspektiven
durch den urbanen Raum wählt und somit neue, ungehörte
und unerhörte Geschichten über Berlin erzählt: Was geschah
mit Menschen afrikanischer Herkunft im Treptower Park? Wie
kam die „Mohrenstraße“ zu ihrem Namen? Warum hieß das
May-Ayim-Ufer einst Gröben-Ufer und wie kam es zur Umbenennung? Wessen Kunstschätze beherbergt das Stadtschloss,
wessen Köpfe lagern in den Archiven der Charité? Worüber
wurde bei der „Hottentottenwahl“ im Reichstag abgestimmt?
Warum entstand mitten im Wedding das Afrikanische Viertel?
Durch theatrale Inszenierungen an historischen Schauplätzen
entfalten sich Schichten verdrängter, jedoch nach wie vor präsenter Geschichten in Berlin, das von 1884 bis 1918 die Schaltzentrale des deutschen Kolonialreiches war. Die Zuschauenden
gewinnt performative Einblicke in Zusammenhänge und Verbindungslinien zwischen brandenburgischem Versklavungshandel, deutscher Kolonialzeit, dem Dritten Reich und bis
heute fortwirkender Kolonialität im Berliner und deutschen
Alltag. Gleichzeitig wird diese etwas andere Bustour Schwarze
deutsche Geschichte feiern und Empowerment schaffen, indem sie von dem sich früh formierenden Schwarzen Widerstand erzählt, in dem Schwarze nicht als passiv leidende Opfer
agierten, sondern sich selbstbewusst und autonom gegen eine
menschenverachtende Politik zur Wehr setzten, Gleichberechtigung einforderten, Rechte erkämpften und so bis heute für
nachfolgende Generationen als Inspiration fortleben.
Joshua Kwesi Aikins führt eine Delegation von Herero und Nama 2011 an historische Plätze Berlins. Bild: Berlin Postkolonial (Originalfoto: J. Zeller).
19
Ich bin mehr als ein Konglomerat
an Identitätsmolekülen
EIN GESPRÄCH SCHWARZER KULTURSCHAFFENDER
An einem Sonntagnachmittag im September trafen
sich die Regisseurin Julia Wissert, die Performerin
Simone Dede Ayivi, der Schauspieler und Autor Francis Winter und der Spoken Word Performer Philipp
JULIA WISSERT zu SIMONE DEDE
AYIVI: du beschäftigst dich in deinen
Arbeiten mit Schwarzen Perspektiven.
Wie gehst du damit um, das auf die
Bühne zu bringen, ohne Typisierungen
zu reproduzieren?
SIMONE DEDE AYIVI: Ich glaube,
das ist der Teil, der am einfachsten
ist. Der hat mit meiner Normalität zu
tun. Also, ich bin selbst eine Schwarze Frau – das ist Teil meines Alltags.
Es ist Teil meiner Expertise zu wissen,
dass „Schwarze Person“ keine Figurenbeschreibung ist, genauso wenig,
wie eben „weiße Person“, sondern
dass es tatsächlich Schwarze Ärztinnen, Pilotinnen, Kindergärtnerinnen, Bettlerinnen und Meerschwein-
Khabo Koepsell in der Bar des Ballhaus Naunynstraße,
um über den deutschen Kulturbetrieb aus Schwarzer
Perspektive zu reden. Das komplette Protokoll des Gesprächs finden Sie auf: ballhausnaunynstrasse.de.
chenzüchterinnen gibt, die genauso
gesund, krank, alt, jung, dick, dünn
und so weiter sein können. Und dadurch, dass ich diese Normalität lebe
mit mir in meinem Freundeskreis und
in meinem Umfeld, braucht es tatsächlich für mich nicht den Moment
des Auftritts der Schwarzen Figur
oder der Schwarzen Performerin, die
jetzt das Fremde verkörpert, oder wo
ich raussuchen muss, was für eine Bedeutung deren Hautfarbe hat. Es ist
nur eine soziale Kategorie und keine
Rollenbeschreibung oder gar Charakteristik.
JW: Thematisierst du dein Schwarzsein bzw. Schwarzsein in Deutschland
in deinen Arbeiten?
PHILIPP KHABO KOEPSELL: Ja
sehr. Aber ich arbeite daran, das nicht
mehr zu tun. Und zwar habe ich mich
sehr lange in meinen Gedichten, Performances mit Identitätsverhandlungen im Allgemeinen, aber besonders
mit Schwarzen Identitätsverhandlungen beschäftigt, aber mir ist irgendwann aufgefallen, dass sich das ab
einem gewissen Punkt sehr im Kreis
dreht und du zwangsläufig immer in
die gleichen Diskussionen mit Menschen kommst.
JW: Was für Diskussionen, wenn ich
da gleich nachhaken darf?
PKHK: Wenn es um Identitätsverhandlungen geht, als was siehst du dich
eigentlich so. Das ist diese Was-bistdu-Frage. Diese Was-bist-du-Frage
hast du im deutschen Kontext, die hast
du aber auch im internationalen Kontext. Die habe ich zum Beispiel in den
USA, wenn ich da bin, die habe ich aber
auch noch krasser in Südafrika, wenn
ich da bin. Und ich habe gemerkt, dass
es keine ultimative Antwort auf so etwas gibt und dies wirklich kontextabhängig ist; vom historischen Kontext,
vom geografischen, vom politischen
Kontext, in dem du dich bewegst.
Deshalb nenne ich es auch „Identitätsverhandlung“, weil es immer eine
Verhandlung ist. Die einfache Aussage
„ich bin hier und ich bin Schwarz“, geht
nur soweit für mich. Das ist natürlich
auch eine traurige Erkenntnis, aber es
ist auch sehr klar, dass es nicht so einfach sein kann.
Aber angefangen habe ich eigentlich
damit, dass ich das nicht mehr thematisieren möchte, beziehungsweise:
Ich möchte an den Punkt kommen, an
dem ich sagen kann: Ich habe ganz andere Interessen und ich bin noch mehr
als ein wandelndes Konglomerat an
Identitätsmolekülen. Vielleicht gehe
ich auch gerne Angeln oder ich gehe
Campen oder so etwas, und ich würde das gerne mal thematisieren. Nicht,
dass das gerade so ist, aber ich möchte
einfach sehen, welches Potenzial ich
eigentlich noch auf der Bühne entfalten kann. Rassismuserfahrungen,
Identitätsverhandlungen, den Umgang
mit Kolonialismus würde ich gerne für
mich abgehakt sehen und ich würde
es für viele andere Leute auch auf der
Bühne, aber auch abseits der Bühne
gerne soweit abgehakt sehen, dass sie
ihr eigenes Potenzial entfalten können,
anstatt sich reaktiv abzuarbeiten an
diesen Themen. […]
FRANCIS WINTER: Ich habe eine
Frage an euch alle drei: Sidney Poitier,
den ihr alle kennt, der ja ein Vorreiter in der Schwarzen Filmindustrie
war, der sagte mal „Ich bin in erster
Linie Schauspieler und dann bin ich
Schwarzer“. Wie geht ihr mit so einem
Satz um? Das würde mich mal interessieren.
JW: Ich glaube, es kommt auf meine
Tagesform an und wem ich gegenüberstehe; wie meine Laune ist und was für
eine Was-bist-du-Frage vorher kam.
Dementsprechend würde ich antworten. Und ich weiß, worauf die Frage
abzielt. Ich wüsste nur nicht, ob ich sie
in jeder Situation genauso beantworten würde. Ich habe auch manchmal
die Situation, da denke ich: Nee, ich
bin eigentlich gar nicht Schwarz, vor
allen Dingen bin ich Regisseurin. Ich
möchte das entscheiden. Und manchmal bin ich, glaube ich, auch einfach
nur Schwarz und nicht Regisseurin. […]
Echt eine schwere Frage.
PKHK: Ich fi nde, das kommt darauf
an, inwiefern du dich auch mit deinem
Beruf identifi zieren kannst. Wenn du
sagst, du bist in erster Linie Schauspieler, […] wer weiß schon, wie lange
ich in erster Linie das bin, was ich beruflich mache. Vielleicht ist es meine
„Berufung“. Das mag auch sein, aber es
gibt so viele andere identitätsstiftende Bezeichnungen, „Vater“ zum Beispiel. Wenn ich sage, ich bin in erster
Linie Vater und erst in zweiter Linie
Schwarz, sind das Kategorien, die so
nicht mehr zusammenpassen wollen.
Ich bin das alles.
SDA: Aber ich fi nde den Schauspieler-Kontext noch mal speziell. Da
wirst du ja mit genau dieser Frage
konfrontiert, wenn du angefragt wirst
– ob als Schauspieler oder als Schwarze Person...
PKHK: … Oder als Schwarzer Schauspieler…
SDA: Naja, als Schwarzer Schauspieler ist dann noch ein sympathisches
Mittelding. Also, nehmen wir an, ich
würde sagen, ich sei in erster Linie
Schauspielerin. Ich habe eine Ausbildung gemacht. Ich kann meinen Beruf.
Das bedeutet auch, ich kann verschiedene Figuren, verschiedene Charaktere spielen. Dann kann ich sagen: Und
ich bin Schwarz – mit all den Konsequenzen, die das hat und zwar ja nicht
nur in der reaktiven Situation, nämlich was für Anfragen ich erhalte oder
wie ich von weißen Menschen gelesen
werde, sondern auch, was es für mich
bedeutet; wie ich meine Position in
diesem Betrieb fi nden kann und wie
ich auch mein Bewusstsein über mein
Schwarzsein einbringen kann in die
Arbeiten, die ich ausübe.
JW (zu FW): Als Schauspieler, findest
du es gibt es einen Unterschied, wie du
als Schwarzer Schauspieler wahrgenommen wirst – zwischen Film und
Theater?
FW: Na ja, auf der einen Seite hat man
beim Film oft dieses Klischee-Denken,
wo aber, wie ich fi nde, in den Redaktionen schon viel passiert ist. Früher
hätte ich gesagt, es gäbe im Theater
mehr Möglichkeiten, weil im Film alles
viel festgefahrener ist. Im Theater gibt
es dann die Möglichkeit, dass du Anderes adaptierst oder versuchst, dies
anders anzulegen und ich fi nde, dass
da viel Positives passiert ist. Theater
ist immer auch projektbezogen. Es
kommt darauf an, wer da unten sitzt
und Regie führt und in wie weit der
auch anders denkt… Natürlich kann
man Romeo und Julia Schwarz besetzen. Why not?! Aber es braucht diese
Konsequenz, es dann durchzuführen.
JW: Habt ihr das Gefühl, dass sich im
Theater über die letzten paar Jahre etwas verändert hat?
FW: Also für mich ist im Film da mehr
passiert bei dem Thema.
SDA: Im Theaterbereich auch. Es gibt
eine Sensibilität für gewisse Themen,
vor allem was rassistische Darstellungen auf der Bühne angeht. Ich glaube,
da hat BÜHNENWATCH durch die
Kampagnen gegen Blackface ganz viel
Aufklärungsarbeit geleistet. Das geht
auch über Blackface hinaus z.B. „wie
werden Schwarze Menschen auf der
Bühne dargestellt“ oder „was gibt es
für Rollen für Schwarze Schauspielerinnen.“ Aber tatsächlich sehe ich nicht
viele Erfolge.
Wenn man sich Schauspiel-Ensembles
anguckt, sind die ja in keiner Hinsicht
divers, und das ist inzwischen zu einer
Diskussion geworden. Ich habe aber
trotzdem das Gefühl, dass viel mehr
darüber geredet wird, als gemacht
wird; dass es zwar eine größere Sensibilität in der Kritik und im Feuilleton dafür gibt, aber gar nicht mal unbedingt am Theater, also wirklich in
den Produktionen. Natürlich gibt es
das, was am Ballhaus Naunynstraße
passiert; das, was am Gorki passiert,
aber irgendwie habe ich dann auch
Foto: Zé de Paiva. v.l.n.r. Simone Dede Ayivi, Julia Wissert, Francis Winter, Philipp Khabo Koepsell
20
21
das Gefühl, das sind bereits die beiden Alibi-Häuser. Die Intendanten der
großen Häuser denken sich vielleicht:
„An denen ist es ja schon so, dann können wir die ganze Zeit unseren Mainstream-Kram weitermachen.“ Das ist
vielleicht dann die Haltung, ich weiß
es nicht.
PKHK: Ich kann mir auch sehr gut
vorstellen, dass zu allererst schnelle Lösungen bevorzugt werden. Sie
denken sich, sie brauchen eine Person
of colour mehr in ihrem Ensemble,
und das Problem löst sich von allein.
Ich glaube nicht, dass in den meisten
Häusern dieses Umdenken strukturell
oder inhaltlich weiter als das geht.
SDA: Das fi nde ich auch. Diese ganzen kulturpolitischen Debatten zum
Beispiel, in denen es um die Öffnung
der Häuser geht - meistens dann mit
der Formulierung „Öff nung der Häuser für Menschen mit Migrationshintergrund“ oder so [Lachen], wo dann
irgendwelche absurden
„kulturellen Bildungs- oder Marketing- oder
pädagogischen Kulturvermittlungsprogramme“ gefahren werden. […]
JW: Wenn ihr mit einem Wunsch all
das verändern könntet, was wäre der
Wunsch, und wie würde es sich verän-
dern? Ich versuche, eure guten Ideen
zu klauen, für später, wenn ich ein
eigenes Theater hab.
SDA: Ich weiß nicht, ich bin keine Regisseurin. Ich scheiß nicht so einfach
Ideen [Lachen]. Vielleicht geht es da
um eine Verfahrenstechnik. Es geht
vielleicht gar nicht um die große Idee
oder die große eine Veränderung. Das
richtige Verfahren wäre, dass sich
Menschen mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Positionen und unterschiedlichen Vorlieben, Perspektiven
und Blickwinkeln zusammensetzen
und gemeinsam überlegen, welche
Veränderungen notwendig wären, sodass auch ihre Interessen vertreten
wären, und man mal einen Überblick
bekommt, auf was eigentlich alles zu
achten ist. Oder, um alle einzuladen,
Teil des Theaters zu sein.
Ich fände es wunderbar... Ich fände es
wunderbar, wenn sich dies im Theater
widerspiegeln würde.
PKHK: Ich würde mir wünschen,
dass die Akteure und die Häuser, die
sich tatsächlich damit auseinandersetzen – wie unsere genannten Beispiele,
dass die eine Unabhängigkeit und eine
Anziehungskraft entwickeln würden;
dass sie nicht mit den großen Institutionen konkurrieren müssten. Sie
sollten selbst so viel Aufmerksamkeit
bekommen, dass der Hype, der entsteht, groß genug ist, dass sich auch
das Deutsche Theater fragen müsste,
ob ihre Herangehensweisen überhaupt
noch zeitgemäß sind. Ob sie dem hinterherkommen, was in der Off-Szene
passiert.
JW: Gut. Fragen? Anmerkungen? Verbesserungsvorschläge?
JW: Was wäre dein Wunsch?
FW: Einfach eine Normalität, nicht
„black and white“ […] Dass es normal
ist, eine Schwarze Lady Milford in
Kabale und Liebe zu sehen, warum
nicht?! Und, dass man gar nicht darüber nachdenkt. Wir sind natürlich
privilegiert, wenn wir in größeren
Städten leben, in denen der gesellschaftliche Mix einfach normal ist.
Das Übersehene
sehen:
PKHK: Das wird großartig, vielen
Dank.
JW: Danke.
FW: Ja, das hat Spaß gemacht.
Artists’ Talk
18.1.15 – 19:00
VON PROF. WENDY SUTHERLAND
Professor Wendy Sutherland lehrt deutsche Literatur am New College
of Florida in Sarasota. Ihr Vortrag Das Übersehene sehen zeigt, wie sich
der globale Handel des 18. Jahrhunderts, Kolonialismus und Versklavung
auf den Bühnen des deutschen Theaters dieser Zeit widerspiegeln – ein
Umstand, der bis heute unhinterfragt geblieben ist.
Auf den ersten Blick handelt es sich in Die Mätresse um einen Familienkonflikt und die Wiederherstellung der Familienordnung durch den Hausvater; aber bereits in der zweiten
22
Wenn wir an das Deutschland oder Preußen des 18. Jahrhunderts denken, denken wir nicht an den Kolonialismus
oder den Sklavenhandel, da die deutschen Staaten ihre
alten Stützpunkte in Afrika bereits aufgegeben hatten und
die neuen Kolonien noch nicht erworben waren. Trotzdem
spielten Genussmittel wie Schokolade, Kaffee, Zucker, Tee
und Tabak eine wichtige und zentrale Rolle in der Inszenierung des Adels und des Großbürgertums, die ihren Reichtum und Wohlstand durch die aus dem Fernhandel erworbenen Waren zu repräsentieren versuchten. Genussmittel und
Schwarze Sklaven kamen durch den Fernhandel über die
Niederlande, Frankreich und Hamburg nach Deutschland.
So bot der europäische Fernhandel und dessen globale
Weltbühne den deutschen Staaten die Möglichkeit, am Kolonialismus und dem Versklavungshandel der anderen europäischen Länder teilzunehmen, ohne dabei selbst als Kolonialmacht wahrgenommen zu werden.
Obwohl die deutschen Staaten nicht direkt am Versklavungshandel beteiligt waren, spielten auch deutsche
Waren eine wesentliche Rolle im Dreieckshandel. Preußen
und Sachsen bezahlten mit Leinen für ihre fremdländischen
Genussmittel wie Kaffee, Schokolade, Zucker und Tabak.
Preußisches und sächsisches Leinen wurden so zu einem
wichtigen Tauschobjekt für die Genussmittel aus Amerika.
SDA: Danke euch.
Requisiten und der Tisch in
Karl Lessings Die Mätresse
Karl Gotthelf Lessings bürgerliches Trauerspiel Die Mätresse wurde 1780 veröffentlicht. Es spielt in Preußen während
der Herrschaft Friedrichs II.
schichte der Versklavung beim theatralischen Konsum dieser
Waren und dessen Interpretation bis heute übersehen werden?
Sowohl schlesisches Leinen als auch niederländisches Tuch
wurden von holländischen Schiffen an die Westküste Afrikas gebracht, um die dortige Nachfrage zu stillen. In Sachsen
war die Oberlausitz Zentrum der Herstellung von Leinen,
das über die spanische Hafenstadt Cadiz in die spanischen
Kolonien in Amerika transportiert wurde. Kaufleute aus
Hamburg fungierten als Zwischenhändler bei der Versendung und Annahme der Waren. Sächsische Händler tauschten Leinen gegen amerikanische Genussmittel und Farbstoffe wie Cochenille und Indigo, die als Mittel zur Färbung des
sächsischen Leinens eingeführt wurden.
Der wichtigste Hersteller von Zucker im Preußen des
18. Jahrhunderts war die Firma Splitgerber & Daum, ein
Handelshaus, das als Vermittlungsagent, Lieferant und
Bank fungierte. David Splitgerber (1683-1764) und Gottfried
Adolf Daum (1679-1743) gründeten die Firma im Jahre 1713
unter der Herrschaft von König Friedrich I. von Preußen.
Erst während der Herrschaft Friedrichs des Großen begann
die Firma, Rohzucker zu raffi nieren.
Szene des ersten Aktes, als der Hausvater der Familie von
seiner verstorbenen Frau erzählt, einer Schwarzen, die er in
Amerika geheiratet hat, werden Kolonialwaren wie Zucker,
Schokolade, Kaffee, und Tabak genau beschrieben.
In den 1740er-Jahren kam der Zucker, der in der Mark Brandenburg und der Grafschaft von Magdeburg konsumiert
wurde, aus den Zuckersiedereien in Hamburg. Folglich entschied sich Friedrich der Große dafür, das Zuckersieden in
Preußen einzuführen. David Splitgerber fi nanzierte das Unternehmen, indem er Zuckersiedereien in Berlin baute.
Wie kamen diese Requisiten ins Preußen des 18. Jahrhunderts
und wie kommt es, dass der koloniale Kontext und die Ge-
Damit sicherte er sich das Monopol auf den Verkauf und
das Sieden von Zucker in Brandenburg, Neumark, Pom-
mern, Schlesien und Glatz. David Splitgerber gründete drei
Zuckersiedereien am Märkischen Ufer in Berlin. Der Rohzucker kam durch Handelsagenten einer Firma in Bordeaux, die den Rohzucker von der französischen Kolonie St.
Domingo (später Haiti) kauften, nach Preußen. Die Firma
Splitgerber & Daum hatte auch wirtschaftliche Verbindungen zu der niederländischen Kolonie Curaçao und zur spanischen Kolonie Vera Cruz, wo die Firma ebenfalls Rohzucker
erwarb. Als Folge des Zuckermonopols in Preußen machte
Splitgerber mit seiner Firma großen Gewinn, weil der Kaufmann und Bankier seine Geschäfte mit den Angelegenheiten
des Königs von Preußen eng verband, zum Beispiel als Waffenlieferant. Im Jahre 1771 eröff nete die Firma eine Fabrik,
die Kämme aus Elfenbein herstellte. Auch dies setzte eine
Verbindung zum niederländischen Handel an der Westküste
Afrikas voraus.
Splitgerber & Daum führten Kolonialwaren wie Kaffee, Tee
und Kakao über Hamburg, Amsterdam, London, Venedig,
Almeyda und Lissabon ein und verkauften diese Waren
dann in Deutschland und Polen weiter.
In den deutschen Staaten des 18. Jahrhunderts zeigte sich die
enge Verbindung von europäischer Esskultur und der Verwendung von Kolonialwaren.
Lebensmittel aus der ‘Neuen Welt’ Amerika, wie die Kartoffel und die Tomate, transformierten die Essgewohnheiten
und Geschmäcker der Europäer. Die Kartoffel wurde zum
Grundnahrungsmittel in der deutschen, die Tomate in der
italienischen Küche. Die Luxuswaren erreichten die Tische
wohlhabender, europäischer Aristokraten und Großbürger_
innen durch die Arbeit versklavter Afrikaner_innen in Amerika. Sowohl europäische Kaufleute und Bankiers als auch
der europäische Adel und dessen Nachfrage nach kolonialen
Genussmitteln trieben den frühen Kapitalismus in Europa an
und schufen die Voraussetzungen für den globalen Handel im
18. Jahrhundert, der auf Kolonialismus und Sklavenhandel
basierte.
Wendy Sutherlands Vortrag Das Übersehene sehen zeigt,
wie sich die Bühne dieses globalen Handels auf der theatralischen Bühne des Tisches widerspiegelt, während Versklavung und Versklavungshandel, besonders im Großbürgertum und den aristokratischen Häusern, unhinterfragt und
unsichtbar blieben.
Wendy Sutherlands Buch Staging Blackness and Performing Whiteness in 18th-Century German Drama wird 2015
bei Ashgate erscheinen.
18.1.2015, 19:00: Lecture-Performance Wendy Sutherland/
Artists’ Talk mit Branwen Okpako, Wendy Sutherland u.a.
Literatur:
Deininger, Heinz Friedrich. Das Reiche Augsburg (München:
Duncker & Humblot, 1938).
23
Henderson, W. O. “The Rise of the Metal and Armament Industries in Berlin und Brandenburg 1712-1795” Business History 3/2 (1961): 63-74.
Schmiedel, Ulrich. Reisebericht nach Südamerika 1534-1554
(Stuttgart: Literarisches Verein, 1889).
Wätjens, Hermann. “Zur Geschichte des Tauschhandels an
der Goldküste um die Mitte des 17. Jahrhunderts nach holländischen Quellen” In: Dietrich Schäfer und Adolf Hofmeister (hrg.) Forschungen und Versuche zur Geschichte des
Mittelalters und der Neuzeit (Jena: G. Fischer, 1915); 527-563.
Treue, Wilhelm. “David Splitgerber: Ein Unternehmer im
preußischen Merkantilstaat 1633-1764 Vierteljahrschrift für
Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Bd. 41 (1954): 235-267.
Deutschsein und
Menschen mit schwarzer
Hautfarbe in deutschen
Geschichtsschulbüchern
Zur Kontinuität von
kolonialen Denkmustern
in Schulbüchern
DR. HUGUES BLAISE FERET M. POKOS
Die dominierenden Vorstellungen zu
‚Deutschsein‘ in Geschichte und Gegenwart sind eng an einen Typus mit
bestimmten äußerlichen Merkmalen
gekoppelt: blaue Augen, blondes Haar,
weiße Haut. Dieser Typus wiederum
ist eng mit einer Ideologie verbunden,
die ich – mit der sprachlichen Neuschöpfung – als Monovolkvorstellung
bezeichne: Deutschland = ein Volk
= eine ‚Rasse‘: Weiße. Menschen mit
schwarzer Hautfarbe werden im Kontext dieser Ideologie als Menschen betrachtet, die offenbar für immer fremd
bleiben und nicht ‚richtig deutsch‘
sein können. Weder die Realität eines
deutschen Passes noch Eltern mit einem deutschen Pass ‚helfen‘ angesichts
dieser rassistischen Vorstellung; allein
die Hautfarbe - als äußeres Symbol
für eine angeblich ‚innere Natur‘ und
genetische Ausstattung - ist von Bedeutung.
Im Folgenden sollen hier Extrakte aus zwei von sechs untersuchten
Lehrwerken beispielhaft verdeutlichen, wie aktuell in der Bundesrepublik Deutschland verwendete
Geschichtsschulbücher sehr subtil –
oder vielleicht auch nicht bewusst –
durch die Darstellung der Thematik
des ‚Deutschseins‘ insbesondere von
Menschen mit schwarzer Hautfarbe
die Vorstellung vom deutschen Mo24
novolk/Weißsein = Deutschsein vermitteln. Hier soll es im Wesentlichen
um die Frage gehen, ob Rassismus als
Kontinuität des vorkolonialen und kolonialen Gedankenguts bis in die heutige Zeit deutlich und in seinem vollen
Ausmaße in Geschichtsschulbüchern
kritisch thematisiert ist?
1. Geschichte 2 Real
(7/8. Klasse, Realschule,
Nordrhein-Westfalen) 1
Ein symptomatisches Element der
subtilen Monovolkorientierung dieses
Lehrwerkes ist schon am Anfang des
Geschichtsschulbuches zu bemerken.
Die Leser_innen sind hier hinsichtlich
der Frage von Einwanderung und Integration sehr subtil auf ein falsches
Gleis geführt: In den Einheiten danach
Und woher kommst du? (S. 10) und
Heimat und Fremde (S. 11) folgt – fast
wie im Nationalsozialismus –2 eine
indirekte Formung der Kinder bzw.
ihrer Wahrnehmung zum auslesenden
Blick. Auf Seite 10 befi ndet sich ein
Klassenfoto, welches auf den ersten
Blick nur Jugendliche weißer Hautfarbe zeigt. Einzig die Überschrift
Woher kommst du? und der Text unter
dem Bild verdeutlichen, dass es sich
um Schülerinnen und Schüler unter-
schiedlicher Herkunft handelt. Auf
Seite 11, unter der Überschrift Heimat
und Fremde, sind beispielhaft vier Bilder dargestellt:
1. Aynur (ein türkisch aussehendes
Mädchen), deren Eltern aus der
Türkei stammen
2. Stella (ein Mädchen mit schwarzer
Hautfarbe), die mit ihren Eltern aus
Uganda kommt
3. Helmut Schneider (ein Junge mit
dunkelbraunem Haar), der mit seinen Eltern als Spätaussiedler aus
Kasachstan nach Deutschland einwanderte
4. Kevin (ein Junge mit blondem Haar
und blauen Augen), der aus Bayern
kommt.
Diese Bilder sollten einen positiven
Eindruck erwecken und zeigen, dass
es in deutschen Schulen einheimische
und zugewanderte Kinder gibt. Allerdings suggeriert die Gegenüberstellung der Bilder in Zusammenhang mit
den Überschriften und den Texten genau das Gegenteil. Die Körperkartographie, also die Darstellung der Körper auf diesen Bildern, gibt hier einen
subtilen, aber augenfälligen Hinweis
auf Fremdsein oder Einheimischsein
und legitimiert daher die Frage „Woher kommst du?“. Dies bedeutet, dass
alle ‚nicht wie KEVIN aussehenden
Kinder‘ – d.h. Kinder, die als türkisch oder Schwarz wahrgenommen werden und wie der Spätaussiedler Helmut
durch Sprachdefi zite gekennzeichnet sind – von woanders
herkommen, nämlich von außerhalb Deutschlands. Demzufolge besitzen sie eine biologisch (körperlich/‚rassisch‘),
örtlich (geografische Herkunft: Türkei, Uganda, Kasachstan), kulturell (türkisch, afrikanisch, kasachisch) und religiös (Islam) bedingte Fremdheit und sind dementsprechend als Fremde zu identifi zieren. Es wird suggeriert, dass
‚Standarddeutsche’ eben weiße blondhaarige und blauäugige Deutsche sind und nicht Moslems oder Schwarze sein
könnten. Muslimische oder Schwarze Menschen könnten
diesen Bildern zufolge Bayern nicht als Heimat haben.
katur) in das Boot einsteigen wollen. Da die zwei Karikaturen gegenübergestellt sind, ist deutlich zu erkennen, dass
die zweite Karikatur der gesichtslosen Menschenmasse der
ersten Karikatur hier ein repräsentatives Gesicht gibt: An
erster Stelle der auf dem Steg wartenden Asylbewerber_innen ist die Person eines Schwarzen dargestellt. Allerdings
zeigen die Statistiken des Bundesamts für Migration und
Flüchtlinge, dass Asylbewerber aus Afrika die geringste
Gruppe der Asylsuchenden in Deutschland und in Europa
ausmachen.
Noch problematischer ist der Hinweis darauf, dass das
Schwarze Mädchen Stella mit ihren Eltern Asyl beantragt
hat. Der Hinweis auf Asyl ist wohl richtig, allerdings unterstützt er ohne weitere Erklärung die Annahme, dass Menschen mit schwarzer Hautfarbe in Deutschland nur einwandern, um Asyl zu bekommen, womit der geschichtliche
Kontext ausgeblendet wird.
Schlussbetrachtung
Diese Annahme wird im Kapitel Wanderung von der Antike
bis in unsere Zeit (S. 30f) noch indirekt bekräftigt. Während auf (S. 30) unter dem Punkt Gegenwart: Aus Anatolien gekommen ausführlich die Geschichte der türkischen
Gastarbeiter_innen erklärt wird, mangelt es an einer Thematisierung der Einwanderungsgeschichte von Schwarzen
Menschen nach Deutschland. Allerdings sind unter dem
Punkt Gegenwart: Asyl (S. 31) zwei Karikaturen abgebildet, die auf die Einwanderung von Menschen mit schwarzer
Hautfarbe hinweisen: In der ersten Karikatur Volles Boot
ist eine fast gesichtslose Menschenmasse dargestellt, die als
Asylsuchende in das Boot mit der Aufschrift Deutschland
eingestiegen sind, in das noch mehr einsteigen wollen. Die
zweite Karikatur – direkt daneben – Nichts zu machen! Das
Boot ist voll!! zeigt auch ein Boot, das die Inschrift Deutschland trägt, aber nur von einem Mann, einer Frau und zahlreichen Einrichtungsgegenständen (Stehlampe, Fernseher
etc.) ausgefüllt ist. Auf dem Steg direkt daneben stehen drei
Männer (ein kleiner Weißer, ein nicht ganz weißer Mann
mit Schnurrbart, ein Schwarzer) und eine nicht ganz weiße Frau mit Kopftuch, die offenbar als Asylbewerber_innen
(dies suggeriert zumindest die daneben abgebildete Kari-
[…]
Besonders explizit und drastisch fi nden sich die Monovolkvorstellungen in den Schulprogrammen und Unterrichtsmaterialien in der Zeit, als die nationalsozialistische
Bewegung in Deutschland die Regierungsmacht stellte und
diktatoriale Gewalt besaß. Doch auch in aktuellen Geschichtsschulbüchern können noch immer Spuren dieser
Formation entdeckt werden. Somit steht fest, dass nicht
alles, was in der Schule – durch Schulbücher bzw. Geschichtsschulbücher (als Wissensmedium) – gelehrt und
gelernt wird, frei von Ideologie oder gegen Ideologien geschützt ist. Ich habe aufgezeigt, dass durch die derzeitigen
Geschichtsschulbücher rassistische Denk- und Verhaltensmuster in die schulischen Interaktionen und Interkommunikationen hinein und aus ihnen heraus fortgeschrieben
und reproduziert werden.3
Den gesamten Text „Deutschsein und Menschen mit schwarzer Hautfarbe in deutschen Geschichtsschulbüchern – Zur
Kontinuität von kolonialen Denkmustern in Schulbüchern“
finden Sie online auf www.ballhausnaunynstrasse.de
1
Brokemper, Peter/Köster, ELISABETH/Potente, Dieter (Hg.): Geschichte 2 Real. Arbeitsbuch für Realschulen
Nordrhein-Westfalen. Berlin 2004.
2
Feret Muanza Pokos, Hugues Blaise (2009): Schwarzsein im ‚Deutschsein‘? Zur Vorstellung vom Monovolk in bundesdeutschen Geschichtsschulbüchern am Beispiel der Darstellung von Menschen mit schwarzer Hautfarbe, BIS-Verlag der Carl
von Ossietzky Universität Oldenburg 2009, S. 71.
3
Eine ausführlichere Untersuchung über die Auswirkungen der Vorstellung vom Monovolk auf die Schul- und Lebenserfahrungen deutscher Kinder bzw. Jugendlicher mit schwarzer Hautfarbe wurde in Bezug auf diese Forschung als Notwendigkeit gesehen und somit auch im Rahmen meiner Dissertation – welche 2011 veröffentlicht wurde – durchgeführt: Siehe Feret Muanza Pokos, Hugues Blaise: Schwarzsein im ‚Deutschsein‘? Zu Vorstellungen vom Monovolk in der Schule und deren
Auswirkungen auf die Schulerfahrungen von deutschen Jugendlichen mit schwarzer Hautfarbe: Handlungsorientierte Reflexionen zur interkulturellen Öff nung der Schule und rassismuskritischer Schulentwicklung. Lit-Verlag, Berlin 2011, S. 631.
25
Mais in Deutschland und
anderen Galaxien
Uraufführung
19., 21., 23., 24. & 25.2.15 –
20:00; 22.2.15 – 19:00
VON OLIVIA WENZEL
REGIE: ATIF MOHAMMED NOR HUSSEIN
Noah und seine Mutter Susanne fahren durch ein Maisfeld auf der Suche
nach einer Raumstation, die Susanne
endlich auf den Mond schießen wird.
Noah hat bei einer Ausschreibung mitgemacht und die Reise für seine Mutter
gewonnen. Weil sie doch schon immer
weg wollte – damals aus der DDR,
dann aus der Psychiatrie, dann aus
allen Beziehungen, in denen sie war,
und am meisten weg von ihm, weg von
Noah. Der war mehr ein Plan für ihren Ausbruch als etwas, was bindet. Sie
wollte nach Angola, Noah zu seinem
Vater bringen und dann weiter. Das
sahen die informellen Mitarbeiter anders. Nun sind dreißig Jahre vergangen und das Leben ging weiter. Noah
zog aus, er liebte, er jobbte, er wurde
Vater, er wollte schon immer einen
Comic zeichnen. Susanne verliebte sich
in Männer, dann in Frauen, dann ver-
graulte sie alle. Nun rasen sie durch die
ostdeutsche Provinz und Lila springt
ihnen vors Auto. Eine junge Frau, die
„wunde Punkte liebt“. Und auch sie
sucht etwas – ihren überdimensionalen Hund Pozzo, der wächst und
wächst und irgendwo auf alle wartet,
um sie in einem Hausboot durch das
Universum anzuschieben.
ATIF MOHAMMED NOR
HUSSEIN
OLIVIA WENZEL
Erzählt wird die Geschichte eines
Heranwachsenden in der DDR. Es ist
die Geschichte von Noah. Sein Vater
George verlässt die junge Familie kurz
nach Noahs Geburt. Er kehrt nach
Angola zurück, wo er einst geboren
wurde. In Noahs Geschichte ist George der abwesende Vater. Doch nicht
Noah sehnt sich nicht nach ihm, sondern seine Mutter Susanne. Aber Susanne hat nie eine Sehnsucht nach
ihrem Sohn. Mais in Deutschland
1985 in Weimar geboren, studierte 20042010 Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis an der Universität Hildesheim. Sie lebt in Berlin. Wenzel schreibt
Theatertexte & Prosa und ist Sängerin
& Songwriterin der Band ANKA. Für ihr
Theaterstück Jiggy Porsche taucht ab
(UA April 2012, Münchner Kammerspiele)
erhielt sie 2011 in der „Langen Nacht der
neuen Dramatik“ den Münchner Förderpreis für deutschsprachige Dramatik. Ihr
Stück Exzess, mein Liebling wurde 2013
zur „Langen Nacht der Autoren“ am Deutschen Theater eingeladen. Weitere Texte sind Weißes Mäuschen, Warme Pistole
über den NSU (UA: Juni 2013, Ballhaus
Ost und Staatstheater Braunschweig)
und Vom Sitzen auf angestammten Plätzen (UA: September 2014, Thalia Theater
Hamburg). Zur Zeit erarbeitet sie mit mehreren Taxifahrer_innen und der Regisseurin Jessica Glause das dokumentarische
Format Halbgötter in Gelb (AT; UA Mai 2015
in Berlin).
Text: Olivia Wenzel, Regie: Atif Mohammed Nor Hussein, Ausstattung:
Petra Korink, Dramaturgie: Katja
Wenzel
Mit: Asad Schwarz-Msesilamba, Dela
Dabulamanzi, Theo Plakoudakis, Lisa
Scheibner, Toks Körner, Isabelle Redfern, Atilla Oener
Foto: Robert Kellner
Foto: Wagner Carvalho
Regisseur und Szenograf, studierte an der
Ernst-Busch-Schauspielschule in Berlin.
Seinen Engagements am Maxim-Gorki-Theater, der Volksbühne u.a. folgten
zahlreiche Regiearbeiten an der Oper in
Halle, dem Bayrischen Staatstheater u.a.
Er wurde mit dem Max-Reinhardt-Preis
und dem Friedrich-Luft-Preis ausgezeichnet.
und anderen Galaxien ist auch die
Geschichte von Noahs Mutter Susanne. Sie wird in der DDR geboren
und schon früh missverstanden. So
rebelliert sie gegen alle und alles –
gegen die eigenen Eltern, gegen den
Staat, gegen das Muttersein. Mais in
Deutschland und anderen Galaxien ist
ein Märchen und ein Comic, in das die
Realität immer wieder einbricht.
Foto: Lena Obst
26
27
Color me B–
23. & 24.1.15
20:00
EINE PERFORMANCE VON MMAKGOSI KGABI UND STOMPIE SELIBE
Yesternow: Zwischen Jetset
und Vergessen
Ausstellungsreihe
KURATIERT VON MANUELA SAMBO
Die multimediale Theaterperformance benutzt Sound, Sprache
und Bewegung, um Identität neu zu verhandeln und eine Form
der Identitätsfindung in Frage zu stellen, die auf stereotypen
Kategorisierungen nach Hautfarbe und Herkunft basiert. Das
Zwiegespräch bedient sich der Mythen von Sisyphus und Narcissus und erforscht mittels Fotografie, Farben, Zeichnungen,
Stimme und Bewegung innere und gesellschaftliche Konflikte
zwischen dem „Westen“ und den ehemaligen Kolonien.
Mit Werken von: Mansour Ciss Kanakassy,
Thabo Thindi, Manuela Sambo u.a.
Die Farbe meiner Haut ist braun, vielleicht eine helle Schattierung von
braun. Wenn wir alle dieselben Standards zur Identifizierung von Farben benutzen, so ist dies die Farbe meiner Haut. Wenn ich mich verstauche, reagiert das rote Blut und es färbt sich lila oder blau-schwarz.
Die Innenflächen meiner Hände sind… Ich weiß nicht, wie diese Farbe
genau heißt. Wenn ich gelaufen bin oder Liebe gemacht habe, kann ich
das rote Blut in meinen Handflächen fließen sehen. Wenn mir kalt ist,
verfärben sich meine Fingerspitzen lila oder blau, genauso, wie wenn
ich mich verstauche. Meine Haare sind lockig. Und zwar ganz natürlich.
Um sie im Wind wehen lassen zu können, müsste ich sie föhnen oder
chemischen Relaxer hinzufügen. Meine Haare sind enggelockt.
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Die Ausstellung bietet eine Panoramaperspektive auf Diskurse im künstlerischen Raum zwischen politischer Vergangenheit und politisierter Internationalität.
Ziel der Ausstellung soll es sein, das Publikum für die transkontinentalen Verflechtungen von Kunst und Politik zu
sensibilisieren, konservative Vorstellungen zeitgenössischer
afrikanischer Kunst zu dekonstruieren und einen realistischen und zukunftsweisenden IST-Zustand afrikanischer
Kunst zu präsentieren.
MANUELA SAMBO
STOMPIE SELIBE
Foto: Thabo Thindi
ist Künstler, Grafiker und Lehrer. Er leitet
Musik-Workshops in Südafrika und arbeitet dabei mit Menschen, deren Leben
vom Umgang mit HIV/AIDS geprägt ist, mit
Frauen in Armut, jungen Menschen in den
Townships von Johannesburg und mit
Gruppen, die sich im gesellschaftlichen
Prozess der Aussöhnung mit den Gräueltaten der Apartheid engagieren.
In der von der Künstlerin Manuela Sambo kuratierten Ausstellung Yesternow: Zwischen Jetset und Vergessen werden zeitgenössische afrikanische bildende Künstler_innen
dazu eingeladen, sich mit ihren Arbeiten am Diskurs zum
Spannungsfeld zu beteiligen, das aus der unglaublichen Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung und einer
zum Teil sehr nahen Kriegsvergangenheit in ihren Ländern
resultiert. Inhaltlicher Fokus und künstlerischer Anspruch
ist die Verhandlung moderner afrikanischer Identitäten im
globalen Rahmen. Manuela Sambo geht der Frage nach, inwieweit afrikanische Kunst politisch war und ist – und welche Funktion sie für die kommenden Generationen erfüllt.
Um auf diese Frage einzugehen, werden u.a. Künstler_innen aus Nigeria, Angola, Ghana, Togo, Senegal, Ruanda und
Benin dazu eingeladen, sich mit ihren Arbeiten an der Diskussion zu beteiligen. Alle Beteiligten haben gemeinsam,
dass sie Brückenbauer zwischen oben beschriebenen Verhandlungen sind. So sehr sie in der sozialen Realität und
der Politik ihrer jeweiligen Ursprungsländer der 1960er –
Foto: Klaus von Kries
Nein, meine Haut ist braun und ich stamme von Pädagogen ab. Jene,
deren Ursprung noch in der Kolonialzeit lag, schauen mich an und
sagen, ich spreche gebildet. […] Ich spreche gebildet und ich bin mir
nicht sicher, ob mich das stolz oder beschämt stimmen sollte. Manchmal spüre ich diesen Konfl ikt in mir. Ich bin nicht arrogant. Ich bin
einfach so wie ich bin. Ich bin die Summe der Menschen, mit denen ich
in Kontakt kam; der Orte, an denen ich schlief; des Essens, das ich aß,
der Bücher, die ich las; der Musik, die ich hörte; der Spiele, die ich spielte; der Liebhaber_innen, die ich wiegte. Ich blute ein Blut, das dasselbe
Rouge ist, wie das des Nächsten.
ist Performance-Künstlerin und Schauspielerin im Film und auf der Bühne. Kgabi
ist 1985 in Botswana geboren, hat in Südafrika an der Rhodes University Schauspiel, Choreografie und Volkswirtschaft
studiert. Auf der Bühne befasst sie sich
u.a. mit Genderzuschreibungen und Identitätsverhandlungen Schwarzer Frauen.
Kgabi war u.a. mit Jill Scott in der Serie
The No. 1 Ladies Detective Agency zu sehen und spielte in Ntozake Shanges Choreopoem Coloured Girls. Gemeinsam mit
Kolleginnen hat sie das Performance-Kollektiv Stash the Suitcase gegründet.
Foto: Thenji Nkosi
Ich bin in einem aufgeschlossenen Haushalt groß geworden. Ich hatte
Zugang zu Büchern und traf Menschen aus anderen Kulturen, Religionen, Ursprüngen und mit unterschiedlichen politischen Ansichten. Wir
stiegen auf aus der Unterdrückung in unseren Breiten – die, die wir
uns selbst auferlegten und die, die uns von außen auferlegt wurde. In
dieser Kultur der Unterdrückung scheinen Bildung und Aufgeschlossenheit Attribute zu sein, die weißen Menschen zugeschrieben werden.
Ich denke, diese Attribute gehören uns allen. Das Material ist heutzutage uns allen zugänglich. Die vormals Unterdrückten werden einen
gebildeten Schwarzen Menschen für jemanden halten, der/die sich für
„besser“ oder gar für „weiß“ hält.
1980er verwurzelt und von diesen geprägt sind, haben sie
doch alle einen kosmopolitischen Lebensmittelpunkt zwischen Europa und dem afrikanischen Kontinent gefunden.
Der Titel Yesternow: Zwischen Jetset und Vergessen nimmt
bereits Bezug auf Diskrepanz und Symbiosen zwischen
der modernen afropolitanen Jetset-Mentalität der jungen
Generation und der politisierten afrikanischen Kunst des
20. Jahrhunderts, welche noch geprägt war durch die politischen und sozialen Umwälzungen der (post-)kolonialen
Regierungsphasen.
Foto: Peter Fuchs
Ich bin nicht meine Hautfarbe
MMAKGOSI KGABI
ist in Angola geboren und aufgewachsen. 1984 kam
Manuela Sambo zum Studium in die DDR, wo sie parallel
zu ihrem Studium der Germanistik und Literaturwissenschaften ihre künstlerische Tätigkeit aufnahm.
Die Künstlerin beschäftigt sich mit Fragen der Rezeption
afrikanischer Kunst in Europa sowie europäischer Kunst in
Afrika. Die Kraft von Vorurteilen über die jeweils andere
Kultur motiviert sie, sich auch in ihrer künstlerischen Arbeit damit auseinanderzusetzen und diese Aspekte subtil
zu hinterfragen.
Manuela Sambo lebt und arbeitet in Berlin.
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They are, Then are We
16. & 17.1.15
20:00
EINE SZENISCHE LESUNG VON BRANWEN OKPAKO
Die Regisseurin und Filmemacherin
Branwen Okpako widmet sich in ihrer szenischen Lesung der afrikanischen Perspektive in der Frühphase
des europäischen Kolonialismus. Der
britische Forscher und Missionar David Livingstone ist bekannt für seine
Reisen durch das präkoloniale Afrika. Er verstarb am 4. Mai 1873 in
Sambia. Weniger bekannt sind seine
afrikanischen Begleiter Abdullah Susi,
James Chuma und Jakob Wainwright
– Männer aus der afrikanischen Diaspora. Diese trafen nach Livingstones
Tod eine ungewöhnliche Entscheidung: Livingstones Körper einzubalsamieren und ihn in einer einjährigen
Reise in das 1000 Meilen weit entfernte Sansibar zu bringen, damit seine
Leiche von dort nach England zurück-
Annabel Guérédrat begibt sich in den
Prozess, die Handlungsspielräume einer sexualisierten Schwarzen Frau zu
erforschen. Guérédrat experimentiert
mit Erotik und Hingabe, mit Kontrolle
und Widerstand und der Frage, ob diese
Dinge nicht doch ein und dasselbe sein
können. Sie bricht mit der Selbst- und
Fremdwahrnehmung des sexualisierten Körpers, des Exotisierten und kritisiert somit zugleich die erschreckende
Normalität sexistischer und inhärent
rassistischer Sehgewohnheiten.
A Freak Show for S. ist der Versuch einer
performativen Transformation für Publikum und Performerin zugleich; vom
dehumanisierten Objekt sexueller Begierde zur widerständigen und selbstbestimmten Schwarzen Frau bis hin
zum Zustand purer tanzender Energie.
Foto: Kolja Brandt
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EINE PERFORMANCE VON ANNABEL GUÉRÉDRAT
A Freak Show for S. ist ein Performance-Solo. Es ist eine Hommage an Sarah
Baartman, die „Schwarze Venus“, eine
Khoi-San Frau, die gegen ihren Willen
im 19. Jahrhundert nackt zur Belustigung eines europäischen Publikums als
exotische Kuriosität vorgeführt wurde.
BRANWEN OKPAKO
1969 in Lagos geboren, ging mit 16
Jahren nach Wales und studierte
Politik und Wirtschaft in Bristol, später Regie an der Deutschen Filmund Fernsehakademie Berlin (dffb).
Für ihren Abschlussfilm Dreckfresser (2000), wurde sie u.a. mit dem
Nachwuchspreis First Steps ausgezeichnet. Okpakos Werk als Drehbuchautorin und Regisseurin umfasst zahlreiche Kurzfilme, u.a. Probe
(1992) und Tal der Ahnungslosen
(2003). Ihr mehrfach preisgekrönter Dokumentarfilm Die Geschichte
der Auma Obama (2011) porträtiert
die Germanistin, Soziologin, Autorin
und Filmemacherin Auma Obama,
Halbschwester des US-Präsidenten
Barack Obama. Am Ballhaus Naunynstraße inszenierte sie 2013 im
Rahmen von Black Lux. Ein Heimatfest aus Schwarzen Perspektiven
das Stück Schwarz tragen.
A Freak Show for S.
17. & 18.12.14
20:00
Foto: Archiv
geführt werden könne. Okpako geht
hier der Frage nach, wer diese drei
Männer waren und was sie bei dieser
bemerkenswerten Entscheidung motivierte; wie sie auf dem afrikanischen
Kontinent agierten, während in Europa die Pläne seiner Teilung geschmiedet wurden.
Ihr Fokus liegt auf der Kreativität und
der Agenda der Protagonisten Chuma,
Susi und Wainwright – der Balance
zwischen internationaler Diplomatie
und individuellen Interessen, Respekt,
Würde und strategischem Kalkül. Wie
haben es diese Menschen, allein durch
Konsens, geschaff t, eine Gemeinschaft
von 96 Männern, Frauen und Kindern aufzubauen - auf dem Weg durch
eine unbekannte Landschaft, um Geschichte zu schreiben?
Okpako arbeitet mit den transkribierten Manuskripten des Reisetagebuchs aus den Jahren 1873–1884, mit
dem Chuma, Susi und Wainwright den
Mythos Livingstone mitprägten und
sich in die Geschichte einschrieben.
In Okpakos eigenen Worten: They say
the winner tells the story, maybe, but
we do not know the winner yet for the
game is still being played.
Mit: Oben Tabie Eyong, Jerry Kwarteng
u.a.
Artists’ Talk mit Branwen Okpako,
Wendy Sutherland u.a. am 18.1.15, 19:00
Foto: Sabre Na-ideyam Natabé
Sonderausgabe
Kiez-Monatsschau:
130 Jahre
Berliner Konferenz
20.2.2015
20:00
AKADEMIE DER AUTODIDAKTEN AM BALLHAUS NAUNYNSTRASSE
In der Stadtgeschichte von Berlin gibt es viele Orte, die einen
Bezug zum deutschen Kolonialismus haben. Doch wo finden
sich diese Orte? Welche Orte sind sichtbar und welche verstecken sich und treten nur bei genauerem Hinsehen zum Vorschein? Warum werden in diesem Kontext die Spuren des
Kolonialismus in Berlin nicht kritisch verhandelt und öffentlich zum Diskurs gestellt? Die Sonderausgabe der Kiezmonatsschau wird sich gemeinsam mit Jugendlichen und zwei
Pat_innen auf die Spuren der Berliner Kolonialgeschichte
begeben und die Vergangenheit in die Gegenwart holen, diese neu interpretieren und einen künstlerischen Ausblick in
die Zukunft geben. Mit Kameras ausgerüstet machen sich die
Jugendlichen auf die Suche nach den Überbleibseln der Kolo-
nialgeschichte; sie hinterfragen und recherchieren, sie wechseln auf die Produzentenseite, ergreifen selbst das Wort und
berichten aus ihrer Perspektive heraus.
Die Sonderausgabe der Kiez-Monatschau (Projektleitung:
V. Gerhard, V. Türeli) entsteht in Kooperation mit Each One
Teach One (EOTO) e.V., einem Schwarzen Bildungsprojekt,
das Literatur und andere Medien von Menschen afrikanischer
Herkunft vorstellt und Wissen im intergenerationalen Dialog
vermittelt. Die Bibliothek von EOTO e.V. in Berlin-Wedding
umfasst Publikationen von Autor_innen des afrikanischen
Kontinents und der Diaspora und dokumentiert so Schwarze
Geschichte und Gegenwart in und außerhalb Deutschlands.
31
ADRESSE/ANFAHRT
Ko t t b u s
fsk-Kino
Segitzdamm 2
10969 Berlin
U-Bahn: U8, U1 (Kottbusser Tor)
Bus: M29, 140 (Adalbert-/Oranienstr.)
Eine Veranstaltungsreihe von Kultursprünge im
Ballhaus Naunynstraße gemeinnützige GmbH.
Gefördert mit MItteln der Stiftung Deutsche
Klassenlotterie Berlin.
Medienpartner
se
Ballhaus Naunynstraße
Naunynstraße 27
10997 Berlin
r To r
Mit freundlicher
Unterstützung durch
Decolonize
Bodies! Minds! Perceptions!
gefördert durch
Ticketpartner
TICKETS
Online-Tickets: www.ballhausnaunynstrasse.de
Die Kasse ist ausschließlich an Spieltagen Mo–Sa von 17:30 – 20 Uhr, So von 16:30 – 19 Uhr geöff net (nur Barzahlung möglich).
INFO- UND KARTEN-TELEFON: (030) 754 537 25
An Spieltagen: Mo–Sa 17–20 Uhr, So 16–19 Uhr; an Nicht-Spieltagen: Mo–Fr 17–19 Uhr
TICKETPREISE
Performing Back, A Freak Show for S., STILL/life, Color me B –, Mais in Deutschland und anderen Galaxien .................................... 14/8 €
Beyond the Maps (Tickets nur im fsk-Kino) .............................................................................................................................................................................. 7 €
Eröff nungskonzert: Pan-African Groove Collective, They are, Then are We, Polyphonic – Spontaneous Town Meetings,
Decolonize Bodies! Minds! Perceptions! ................................................................................................................................................................................. 7/5 €
Literarische Topografien des Kolonialismus .......................................................................................................................................................................... 5/3 €
Colored Woman in a White World, Artists’ Talks, Sonderausgabe Kiez-Monatsschau ........................................................................... Eintritt frei
Für diese Veranstaltungen gilt die tanzcard
IMPRESSUM
Herausgeber ....................................... Ballhaus Naunynstraße
Künstlerische Leitung .................... Wagner Carvalho
Redaktion: .......................................... Michael Götting, Philipp Khabo
Koepsell, Verena Schimpf,
Katja Wenzel
Grafische Gestaltung: ..................... Michael Clemens
Art-Direktion & Cover: ................. Katrin Schoof
Titel- & Posterfoto: .......................... Lena Obst
www.ballhausnaunynstrasse.de
Das Ballhaus Naunynstraße ist eine Einrichtung
des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Träger
des Programms ist Kultursprünge im Ballhaus
Naunynstraße gemeinnützige GmbH, gefördert durch
die Senatskanzlei des Landes Berlin – Kulturelle
Angelegenheiten.

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