Der Trauerbaum Fonte: Kuchenbecker, Luiz (ed.). Die Chronik. Juiz

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Der Trauerbaum Fonte: Kuchenbecker, Luiz (ed.). Die Chronik. Juiz
LITERATURA BRASILEIRA DE EXPRESSÃO ALEMÃ
(Coordenação geral: Celeste Ribeiro de Sousa)
LUIZ KUCHENBECKER
1897-1969
(Ana Júlia Mazzotti)
Der Trauerbaum
Aus meinem Kriegstagebuch. Als Kriegsfreiwilliger Rekrut beim Ulanenregiment
12. „Haberberger Grund“ – Königsberg i. Pr.
Ich sitze im schönen Vogelsang – einer Schlucht gar wild und tief;
Ich höre des Baches plätschernden Gang – und wie die Amsel rief.
Es winket der dichte See, so blau, und die Blumen blühen so schön,
Der Duft der kleinen grünen Au, er will mir zu Herzen geh’n.
Vor mir sah ich zwei Gräber – und daneben – ein Trauerbaum;
Hoch in der Tanne der Häher – er ahnt es wohl kaum;
Denn sonst möcht er so laut nicht singen, und nicht plätschern der Bach – so hell,
Und auf der Tanne nicht springen, das Eichkätzchen – so schnell.
Auch ich beachte die Gräber kaum, das Winken des See’s, so nah;
In einem langen, schönen Traum – die Heimat ich sah.
Nur einer schneit die Gräber zu schau’n – zu ahnen, dass jemand dort schlief,
Das ist der stille Trauerbaum – er neigt die Zweige so tief.
Fonte: Kuchenbecker, Luiz (ed.). Die Chronik. Juiz de Fora, [Juni], 1938,
p. 268.