Das Klavier - Hans

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Das Klavier - Hans
Hans-Günter Heumann
Das
Klavier
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Das Klavier – ein Steckbrief
Geburtstag und Geburtsort
1698 begann der Instrumentenbauer Bartolomeo Cristofori (1655–1731) in Florenz mit dem Bau eines Klaviers,
dessen Saiten mit Hämmerchen angeschlagen wurden. Zwei Jahre später war das erste „Hammerklavier“
– auch „Hammerflügel“ genannt – fertig. Damit war der Grundstein für die Entwicklung unseres heutigen
Klaviers gelegt.
Florenz um 1750
Der Name
Im Barock bezeichnete man als „Clavier“ eigentlich
jedes Instrument mit einer Klaviatur – egal ob es eine
Orgel, ein Clavichord, ein Cembalo, ein Spinett oder ein
Hammerklavier war.
Cristofori nannte sein neu entwickeltes Klavier zunächst „Gravicembalo col piano e forte”, also:
„Großes Cembalo, das leise und laut spielen kann“.
Schon bald wurde der Name zu „Pianoforte” oder
„Fortepiano” abgekürzt.
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Um 1800 verdeutschte Beethoven den Namen
„Pianoforte“ und gab seine Sonaten fortan unter der
Bezeichnung „für das Hammerklavier“ heraus.
Heute wird der Ausdruck „Klavier“ oft als Sammelbezeichnung für Klavier und Flügel verwendet. Im
Klavier sind die Saiten jedoch aufrecht stehend
angeordnet, während sie beim Flügel in der
Waagerechten liegen (s. S. 19f.).
Das Klavier – ein Steckbrief
Besondere Merkmale
Klavier und Flügel haben ein Gehäuse, einen
Resonanzboden, einen gusseisernen Metallrahmen,
an dem die Saiten befestigt sind, Pedale und das so genannte „Spielwerk“ – also die Hammermechanik, die
aus vielen tausend Einzelteilen besteht. Die Klaviatur
oder Tastatur umfasst meist 88 Tasten. Große Konzertflügel haben im Vergleich zum Klavier oft bis zu neun
zusätzliche Tasten im Bassbereich.
Vorläufer des Klaviers, aus: Syntagma musicum von Michael
Praetorius, 1619
Gattung
Das Klavier gehört zur Familie der Tasteninstrumente.
Es ist aber gleichzeitig auch ein Saiteninstrument.
Clavichord, Cembalo, Spinett und Virginal sind seine
Vorläufer.
Größe und Gewicht
Es gibt verschieden große Klaviere und Flügel. Die
meisten Klaviere sind
■ 100–130 cm hoch,
■ 135–145 cm breit,
■ 50–65 cm tief und etwa
■ 200 kg schwer.
Der kleinste Flügel hat eine Länge von 150 cm, eine
Breite von ungefähr 145 cm und ein Gewicht von
ca. 250 kg.
Ein Konzertflügel hat etwa eine Länge von 275 cm,
eine Breite von 157 cm und das Gewicht beträgt
ca. 480 kg.
?
Das Innenleben des Klaviers
Schon gewusst?
Der längste Flügel der Welt wird in Italien gebaut
und hat eine Länge von 3,08 m. Er besitzt nicht nur
drei, sondern vier Pedale. Mit dem zusätzlichen
Pedal kann die Lautstärke reduziert werden, ohne
die charakteristische Klangfarbe zu verändern.
Blick in
einen Flügel
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Der Ton macht die Musik
Ein schöner Ton
Seit jeher haben Pianisten und andere Musiker
versucht, den Klang des Klaviers zu beschreiben. Hier
einige Kostproben:
Sieh, dein Klavikord athmet ja so sanft wie dein
Herz.
Christian Friedrich Daniel Schubart (1739–1791)
Den Flügel braucht man insgemein zu starcken
Musicken (…). Der Ton des Flügels (…) fällt allen
deutlich ins Gehör. Dahero weiß ich, dass sogar zerstreuete und weitläuftige Musicken, bei welchen offt
viele freywillige und mittelmäßige Musici (Musiker)
sich befunden haben, bloß durch den Ton des Flügels
in Ordnung erhalten worden sind (…)
Carl Philipp Emanuel Bach, 1753, aus: Versuch über
die wahre Art das Clavier zu spielen
Dame am Spinett, Gemälde von Jan Miense Molenaer, Mitte 17. Jh.
Ein Flügel, das ist nicht ein Instrument – das sind
hundert.
Anton Rubinstein (1829–1894)
Man muss vergessen, dass das Klavier Hämmer hat.
Claude Debussy (1862–1918)
Das Klavier ist ein Schlaginstrument, das man zum
Singen bringen muss.
Vladimir Horowitz (1904–1989)
Spiel jeden Ton so, als ob es um dein Leben ginge!
Mitdenken! Ja nicht die Finger laufen lassen! Bei
Klassik – bei Jazz – ganz egal. Denn es geht ja wirklich um dein Leben.
Die Tochter des Künstlers am Klavier, Gemälde von O. A. de Sequiera,
um 1822
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Friedrich Gulda (1930–2000)
Der Ton macht die Musik
?
Die schwingende Saite
Drückt man eine Taste auf dem Klavier nieder, so
schnellt der Hammer an die Saite und ein Ton erklingt.
Ein Ton – als Ergebnis einer einfachen sinusförmigen
Schwingung – kommt in der Praxis nur selten vor.
Zeit
D
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Meist klingt zum Grundton noch eine ganze Reihe
von anderen Tönen mit. Der Akustiker (Schallexperte)
bezeichnet dieses Tongemisch als „Klang“. Die
Summe dieser Obertöne bildet zusammen den
Klangcharakter des Tones. Anzahl und Stärke der
Obertöne sind bei jedem Instrument verschieden und
G
geben ihm seine eigene
Klangfarbe.
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Grundton
Obertonreihe
Theoretisch besteht ein Ton aus unendlich vielen
Obertönen, aber nur eine bestimmte Anzahl sind
überhaupt wahrnehmbar. Der Ton C setzt sich aus
folgenden Teiltönen zusammen: C, c, g, c1, e1, g1, b1,
?
1. Die Taste des großen C (s. S. 24) wird „stumm“
gedrückt, das heißt, der Ton darf nicht hörbar
erklingen.
Man kann diesen Vorgang auch mit Stummdrücken
der Tasten c, g (kleine Oktave) und c1, e1, g1 (eingestrichene Oktave) wiederholen. Dabei sind die
entsprechenden Töne, je weiter man in der Obertonreihe nach oben fortschreitet, immer leiser und
schwerer zu hören.
Sinusschwingung. Der Sinuston klingt aufgrund seiner fehlenden
Obertonstruktur eigentümlich dunkel.
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Beim Klavier lassen sich Obertöne durch ein einfaches Experiment hörbar machen:
2. Nun wird kurz und kräftig das Kontra C angeschlagen, während das große C gehalten bleibt.
Was passiert? Die Saite des großen C wurde durch
das Kontra-C mit in Schwingung versetzt und der
Ton ist leise wahrnehmbar.
Amplitude (Schwingungsweite, Ausschlag)
Teiltöne: 1
Schon gewusst?
Schon gewusst?
Ein gesundes menschliches Ohr nimmt Schwin gungen von 16 Hz (Hertz = Anzahl der Schwingungen pro Sekunde) in der Tiefe und bis zu etwa
20 000 Hz im oberen Bereich wahr. Die tiefsten
Pedaltöne der Orgel (ca. 16 Hz) erscheinen uns
zum Beispiel nur als vibrierendes Brummen.
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c2, d2, e2 usw.
Wie entstehen verschiedene
Tonhöhen?
Die Stahlsaiten im Klavier sind von unterschiedlicher
Länge. Die kurzen Saiten des Klaviers schwingen
schnell und erzeugen hohe Töne, die langen Saiten entsprechen niedrigen Schwingungszahlen und tiefen
Tönen. Der Resonanzboden nimmt die Schwingungen
der Saiten auf und verstärkt dabei den Klang. Die
Größe und Beschaffenheit eines Raumes entscheiden
auch darüber, wie laut oder leise ein Klavier klingt.
Der Weg zum Ohr
Die Schwingungen der Saiten erreichen über die Luft
als Schallüberträger das Ohr des Spielers und
Zuhörers. Die Schallwellen gelangen nun durch den
Gehörgang (Außenohr) zum Trommelfell (Mittelohr),
das so zum Schwingen gebracht wird. Von dort leiten
die Gehörknöchelchen (Hammer, Amboss und Steigbügel) die Bewegung auf das „ovale Fenster“ im Innenohr weiter. Die Schwingungen werden über das Häutchen des ovalen Fensters als Druckwellen in die mit
Flüssigkeit gefüllte „Schnecke“ übertragen. Hier wandeln die Sinneszellen die Schwingungen zu Nervenimpulsen um. Der Ton gelangt nun zum Gehirn, wird
wahrgenommen und „gehört“(s. Abb. S. 24).
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Vielseitig und faszinierend
Aufgabe, den Liedtext musikalisch auszudeuten.
Zu Stummfilmen
Anfang des 19. Jahrhunderts kam der Stummfilm auf
– ein Film ohne synchrone Tonspur, nur mit
Untertiteln versehen. Die Filme wurden meistens live
mit dem Klavier oder mit einer Kinoorgel (die zusätzlich Geräuscheffekte ermöglichte) begleitet. Das
Klavier hatte hier auch die Funktion, die Handlung atmosphärisch auszugestalten, z.B. bei spannenden
Als Deutschlands bekanntester StummfilmPianist gilt Willy Sommerfeld (*1904). Zu den
Filmen spielte er rein aus dem Gefühl heraus und
nicht nach Noten. Er sagte einmal:
Mir schießen die Bilder, die ich auf der Leinwand
sehe, ins Gehirn und von dort aus in meine Finger.
Da ich sehr klein bin, geht das sehr schnell.
die wichtigsten Orchesterstimmen des Werkes in
einem Klaviersatz zusammenfasst.
Im Jazz
Das Klavier ist in vielen Jazzstilen vertreten. Es ist als 12
Soloinstrument und in Gruppen (z.B. in der Bigband)
von großer Bedeutung. Ein reiner Jazz-Klavierstil ist
der Boogie-Woogie.
Der Ragtime gilt als Vorläufer des Jazz, denn viele
Jazz-Pianisten kamen vom Ragtime, und einige frühe
Jazz-Standards sind entscheidend von ihm beeinflusst. Der Ragtime ist aber komponierte Klavier-
Szenen oder Liebesszenen.
Als Probenbegleitinstrument
Das Klavier ist ein sehr nützliches Instrument bei
Proben, denn es kann hier das Orchester ersetzen.
Wenn Sänger, Chöre, Instrumentalisten oder Tänzer
ein Stück neu lernen und ihre Rollen einstudieren
oder Szenen geprobt werden (Oper, Ballett), spielt der
so genannte „Korrepetitor“ den Orchesterpart am
Klavier. Hierzu benötigt er einen Klavierauszug, der
Keith Jarrett
Für die Spezialisten:
Der Ragtime ist ein Stil in der Klaviermusik, der
um 1880 in den USA entstand. Er verbindet
Elemente europäischer und afroamerikanischer
Musik. In der Melodie kommen viele Synkopen
vor (Verschiebung eines betonten Grundschlags
auf eine unbetonte Zählzeit). Die Begleitung ist
ein ständiger Wechsel zwischen Basston und
Akkord. The Entertainer von Scott Joplin (1868–
1917) ist der berühmteste Ragtime.
Der Boogie-Woogie ist ein Klavierstil des Blues,
der unter den Schwarzen um 1920 in Chicago
entstand. Typisch für den Boogie ist die starre,
gleich bleibende Bassfigur und eine rhythmisch
interessante Melodie mit Synkopen und
Improvisation.
Klavierauszug von C. M. von Webers Oper Der Freischütz
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Vielseitig und faszinierend
musik, dem das Improvisatorische des Jazz fehlt.
In der Rock- und Popmusik
Das Klavier kommt in der Rock- und Popmusik oft
vor – entweder solistisch oder innerhalb einer Band.
In manchen Stilen dominiert das Klavier sogar, so
z. B. bei der Popballade mit ihrer oftmals akkordischen
gefühlvollen Klavierbegleitung und den häufig eingefügten „Licks“ – kleinen melodischen Motiven, die
als Füller von Lücken in der Melodie dienen.
Auch in einer Rock ’n’ Roll-Band besticht das Klavier
durch seine akrobatischen Einlagen und Akkord„Hämmereien“. Das E-Piano, der Synthesizer, das
Digitalpiano und das Keyboard sind im Rock und Pop
nicht wegzudenken.
Richard Clayderman
Billy Joel
In der Neuen Musik
John Cage (1912–1992), amerikanischer Komponist,
wird vor allem mit dem von ihm 1949 erfundenen
13 „Präparierten Klavier“ („Prepared Piano“) in
Verbindung gebracht. Cage brachte an den Saiten und
Hämmerchen z.B. Radiergummis, Schrauben, Nägel
und Papier an, die dem Klavier besondere, teils schlagzeugähnliche Klangeffekte entlockten. Sein berühmtestes Werk für Präpariertes Klavier ist der Zyklus
Sonatas and Interludes.
Zeitgenössische Komponisten verlangen vom
Klavier ganz neuartige Klänge und Spieltechniken.
Die Musik ist häufig in grafischer Notation aufge-
zeichnet. Das Studium der Partituren erfordert vom
Spieler meist mehr Zeit als die pianistische Arbeit
selbst, und Experimentierfreude ist gefragt.
Sylvano Bussotti, Klavierstück für David Tudor, aus: Pièces de chair II
Spieltechniken in Neuer Musik:
■ Klangerzeugung ohne Tastenanschlag, z. B. durch
Klopfen mit beliebigen Gegenständen rund um
den Flügel herum. Dabei bringen die Geräusche
durch Resonanz die Saiten zum Schwingen.
■ Flageolettklänge auf den Saiten zur Erzielung
flötenähnlicher Klangeffekte (eigentlich eine
Spieltechnik auf Saiteninstrumenten).
■ Cluster (Tontrauben; das Spielen vieler eng
nebeneinanderliegender Töne).
■ Glissando (über mehrere Töne gleiten) – nicht nur
auf den Tasten, sondern auch in den Saiten.
■ Zupfen und Schlagen einzelner Saiten.
■ Reine Tastaturklänge unter Einbeziehung des
Pedals.
Blick in ein „Präpariertes Klavier“
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Kompositionen und Lehrwerke
Historische Klavierschulen
Viele hervorragende Pianisten machten sich
Gedanken darüber, wie man das Klavierspiel lehren
kann und schrieben Klavierschulen. Drei bedeutende
Lehrwerke, die als zentrale Quelle für Spiel- und
Aufführungspraxis im 18. Jahrhundert gelten, sind:
■ François Couperin: L’art de toucher le clavecin
(Die Kunst, das Cembalo anzuschlagen), 1716
■ Carl Philipp Emanuel Bach: Versuch über die
wahre Art das Clavier zu spielen, 1753
■ Daniel Gottlob Türk, Klavierschule, 1789
Carl Philipp Emanuel Bach (1714–1788) gilt als der berühmteste „Bachsohn“. Er wirkte in der Zeit der
Vorklassik – zwischen Barock und Klassik. Zu Lebzeiten
war er anerkannter als sein Vater Johann Sebastian.
C. Ph. E. Bach und das Titelblatt seiner Klavierschule
Im 19. Jahrhundert schrieben maßgebliche
Schulen:
■ Johann Baptist Cramer,
Große Pianoforteschule, 1815
■ Johann Nepomuk Hummel, Ausführliche
Anweisung zum Pianofortespiel, 1828
■ Christian Louis Heinrich Köhler,
Systematische Lehrmethode für Clavierspiel
und Musik, 1857, und Führer durch den
Klavierunterricht, 1858
■ Max Bisping, Klavierschule, 1860
■ Theodor Steingräber (Pseudonym:
Gustav Damm), Klavierschule, 1868
C. Ph. E. Bach: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen,
Paragraf 1 der Einleitung
Robert Schumann hat zwar keine Klavierschule
es ist besser, als schwere mittelmäßig vorzutragen.
geschrieben, aber in seinen Musikalischen Haus- und ■ Nicht allein mit den Fingern musst du ein
Lebensregeln von 1850 befinden sich viele päda Stückchen können, du musst sie dir auch ohne
gogische Lebensweisheiten für Klavierspieler:
Clavier vorträllern können.
■ Wenn du spielst, kümmere dich nicht darum, wer
■ Klimpere nie! Spiele immer frisch zu und nie ein
dir zuhört.
Stück halb.
■ Die Finger müssen machen, was der Kopf will,
■ Spiele im Takt! Das Spiel mancher Virtuosen ist
nicht umgekehrt.
wie der Gang eines Betrunkenen. Solche nimm dir
■ Durch Fleiß und Ausdauer wirst du es immer
nicht zum Muster.
höher bringen.
■ Bemühe dich, leichte Stücke gut und schön zu spielen;
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Pianisten
Berühmte Virtuosen im 18. und 19. Jahrhundert
Muzio Clementi (1752–
1832) spielte bereits mit
9
Jahren
virtuos
Cembalo und Orgel
und erhielt eine erste
Anstellung in seiner
Heimatstadt Rom. Als
er 14 Jahre alt war,
nahm ihn ein reicher
Engländer mit auf sein
Landgut und ermöglichte dem
jungen Clementi eine umfassende Ausbildung. 1763
ging er nach London. Ab 1780 unternahm er mehrere Europa-Tourneen. Die völlig neuartige, kraftvolle
Art seines Klavierspiels erregte überall Aufsehen.
Clementis Grabstein in der Westminster-Abbey in
London trägt die Aufschrift: Hier liegt der Vater des
Pianoforte.
Konzert W. A. Mozarts und seiner Schwester Nannerl vor der
Kaiserin Maria Theresia
Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) zeigte sich
schon früh als äußerst begabtes Kind. Als
Vierjähriger begann er Klavier zu spielen und zu
komponieren. Der Vater Leopold, ein bekannter
Geiger, war sein erster Lehrer. Mit ihm und seiner
Schwester Nannerl machte Wolfgang bereits in seiner Kindheit Konzertreisen durch ganz Europa. In
den Konzerten erstaunte Mozart seine Zuhörer bisweilen dadurch, dass er auch mit verbundenen
Augen virtuos auf der Tastatur spielte. Mozart kehrte 1781 seiner Heimatstadt Salzburg den Rücken
und zog nach Wien, wo er als freischaffender
Künstler unermüdlich arbeitete. Mozart war sicherlich einer der vielseitigsten musikalischen Genies
aller Zeiten und der erste Komponist für das
Hammerklavier.
Ludwig van Beethoven
(1770–1827) hatte enormes musikalisches Talent
und erhielt vom Vater
den ersten Unterricht.
Mit 14 Jahren wurde er
Hoforganist in seiner
Heimatstadt Bonn. 1792 übersiedelte er nach Wien
und genoss bald als Pianist und Komponist großes
Ansehen in den vornehmen Kreisen, die ihn auch finanziell unterstützten. Ein 1795 beginnendes
Gehörleiden, das im Alter zu völliger Taubheit führte, machte ihm öffentliche Auftritte als Pianist unmöglich.
Trotz
seiner
Taubheit
komponierte Beethoven noch viele bedeutende
Werke. Beethoven war ein hervorragender Pianist
und Improvisator. Typisch für seinen Kompositionsstil ist ein Klaviersatz, der erstmals die gesamte
Klaviatur nutzte und das Klavier wie ein Orchester
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Die Pflege des Klaviers
Um den Klang und die mechanischen Spieleigenschaften des Klaviers über viele Jahre zu bewahren, ist die richtige Pflege wichtig. Regelmäßige Wartung durch Fachpersonal erhält sowohl
den Wert des Instruments als auch die Freude am Spielen.
Entscheidend sind:
■ der richtige Standort,
■ eine regelmäßige Stimmung,
■ die Regulierung der Mechanik,
■ die Pflege der Hämmer (Intonieren) und
Dämpfer,
■ Reinigung und
■ stets fachgerechter Transport.
Befeuchter, der in das Klavier
eingesetzt wird
Der Standort
Ein Klavier besteht zu ungefähr 80% aus Holz, und
Holz „arbeitet“ bekanntlich: Es dehnt sich bei
Feuchtigkeit aus und zieht sich bei Trockenheit zusammen. Im Sommer ist der Feuchtigkeitsgehalt der
Luft in den Wohnungen oft höher als im Winter während der Heizperiode. Resonanzboden und Stege verändern sich und damit auch die Spannung und die
Tonhöhe der Saiten. Um die Stimmung des Klaviers zu
halten, empfiehlt sich eine gleich bleibende Raumtemperatur von 20° C und eine relative Luftfeuchtigkeit
von 45–60 %. Auch auf die Filze und die Mechanik
wirkt sich dies positiv aus.
Faustregel:
Je geringer die Unterschiede in Temperatur
und Luftfeuchtigkeit sind, desto besser ist es
für das Klavier!
Das Hygrometer –
ein
Luftfeuchtigkeitsmesser
Bei Fußbodenheizung ist es ratsam, das Instrument
nicht auf eine Heizschlange zu stellen. Dies könnte
durch die aufsteigende Wärme zu starker Austrocknung führen.
Schwere Polstermöbel und dicke Vorhänge sind
Schallschlucker – dies kann erwünscht sein oder auch
nicht. Auf jeden Fall trägt der Raum genauso viel zum
Klangbild bei wie das Instrument selbst.
Der ideale Standort für das Klavier:
■ Ein gleichmäßig temperierter Raum.
■ Ein Platz möglichst an einer Innenwand, da hier
die Temperaturschwankungen geringer sind.
Während der Heizperiode sollte mittels eines „Hygro meters“ kontrolliert werden, dass die Luftfeuchtigkeit ■ Heizkörper, Fenster und Außentüren sind nicht in
unmittelbarer Nähe.
nicht unter 45 % fällt. Bei geringeren Werten können
Luftbefeuchter oder Luftfeuchtigkeitsregler, die im ■ Kein direktes Sonnenlicht (Ausbleichen der Oberfläche und Erwärmung des Instruments).
Klavier installiert werden, Abhilfe schaffen.
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Die Pflege des Klaviers
Stimmung & mehr
„Das Klavier ist verstimmt!“ – „Ach, worüber denn?“
Dieser oft gehörte Witz stammt sicherlich nicht aus
einem Gespräch zwischen Klavierspieler und
Klavierstimmer …
Da ein verstimmtes Klavier wahrlich kein Kunstgenuss ist, gehört zur Pflege vor allem die regelmäßige Wartung durch den Klavierstimmer.
Die Stimmung ist für den Erhalt der Funktionsfähigkeit und der akustischen Eigenschaften notwendig. Grund für die Verstimmung sind Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsschwankungen sowie die
enormen Saitenzugkräfte im Instrument.
Bei Instrumenten, die Jahre lang nicht gestimmt
wurden, sinkt die Stimmhöhe – egal, ob viel, wenig
oder gar nicht gespielt wurde. Sie muss dann durch
mehrmaliges Stimmen wieder angehoben werden,
was mit höheren Kosten verbunden ist.
Faustregel:
Das Klavier sollte mindestens einmal im Jahr
gestimmt werden, unabhängig von der Nutzung.
Im Idealfall zweimal – vor und nach der Heizperiode.
Der Klavierstimmer ist für die jährliche Wartung unverzichtbar. Neben dem eigentlichen Stimmen kümmert er sich auch um die Regulierung der Mechanik,
die Überprüfung der Intonation, die Kontrolle der
Pedale und Dämpfer usw.
Modernes Stimmgerät
Der Klavierstimmer – unentbehrlich, gestern wie heute
Für die Spezialisten:
Die Festlegung einer bestimmten Tonhöhe beim
Stimmen von Klavieren, Orgeln und anderen
Instrumenten hat sich im Laufe der Jahrzehnte
immer wieder gewandelt und ist bis heute nicht
überall gleich. 1939 wurde in Deutschland der so
genannte „Kammerton“ a1 auf 440 Hertz festgelegt (in Frankreich 432 Hz, in den USA 450 Hz).
Ursprünglich war der „Kammerton“ der Stimmton
für die Kammermusik, nach dem Instrumente ein gestimmt wurden.
Stimmgabel
Der Filz der Hammerköpfe verdichtet und verhärtet
sich im Laufe der Jahre am Anschlagspunkt.
Bisweilen erhält er durch das ständige Anschlagen
der Stahlsaiten auch tiefe Rillen. Dies führt zu einem
dünneren, metallischen Klang. Um wieder einen
guten Klang zu bekommen, muss daher jedes
Instrument früher oder später neu intoniert werden
(s. S. 17). Dabei wird der Hammerfilz abgefeilt – vorausgesetzt, es ist noch genug Filz in brauchbarem
Zustand vorhanden – und durch kleine Nadelstiche
weicher gemacht.
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