Tiere töten als hobby 10 Stunden Todeskampf im

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Tiere töten als hobby 10 Stunden Todeskampf im
Das Tagesthema
Akte Tier
Mittwoch, 8. Oktober 2008
Seite 18
Michael Aufhauser
10 Stunden Todeskampf im Starnberger See
Ü
ber 20, vielleicht sogar
40 Jahre lang zog er als
unangefochtener König durch den Starnberger
See – er war kein geliebter
Herrscher, sondern einer,
vor dem man besser reißaus
nahm. Der 1,92 Meter lange
und 47 Kilo schwere Riesenwaller verließ in der Dämmerung sein Sandbett, wo er
den Tag verdöst hatte und
ging Nacht für Nacht auf die
Jagd: Mit seinen Barteln
lockte er Fische an, die auf
saftige Würmer hofften, aber
gierig verschlungen wurden.
Am Donnerstag vor zwei
Wochen schnappte der Riesenräuber zum letzten Mal
zu und eigentlich war er da
noch satt: Die dicke Ente im
Bauch war gerade erst halbverdaut, doch für den anstehenden Winter und die Ruhe
im tiefen Wasser braucht der
Riesenfisch jede Reserve
und daher biss er gierig in
den Köderfisch, der vorbei­
glitt und hing bei Christian
Held an der Angel.
Der tz-Bericht über den
10-stündigen Kampf des
größten Räubers unserer Seen und dem Fischer empörte
viele Leser: „Ich spüre eine
unbändige Wut“,schrieb Maria Oswald. Robert Both
nennt den Fischfang eine
„unglaubliche, barbarische
Tierquälerei“. Viele Tierfreunde riefen in der Redaktion an und fragten: „Musste
das sein?“ Und: „Hätte man
den Fisch nicht einfach wieder freilassen können?“
Inke Drossé, Fachreferentin beim Deutschen Tierschutzbund, kann das Entsetzen gut nachvollziehen:
„Bei so einem langen Kampf,
der doch mit erheblichem
Leiden verbunden ist, hätte
man als Fischer vielleicht
versuchen können, so ein
einmaliges Tier zu retten.“
Lorenz Lidl stutzt auf die
Frage, ob er Mitleid mit dem
Riesenwaller gehabt habe:
„Dann hätte ich diesen Beruf nicht ergreifen können“,
sagt der Fischwirtschaftsmeister von der Fischereigenossenschaft Würmsee, der
dabei war, als der Fisch aus
dem See geschleppt wurde.
Musste das sein?
Tiere töten
als Hobby
N
icht genug, dass wir
den Tieren ihr Leben nehmen. Wir
nehmen auch in Kauf,
dass ihr Tod in der Regel
ein schier endloses Vorspiel hat. Die Angst und
das Leid der Tiere interessieren nicht. Das Budget entscheidet, wie lange
sie auf Tiertransporten zu
den Schlachthöfen unterwegs sein müssen.
Auch was wir Passionen nennen, im Grunde
Hobbys, entscheidet über
Leben und Todesart von
Tieren. Anzeigen in Jagdzeitschriften klären unfreiwillig darüber auf,
dass diverse „Jagd“-Fasane und -enten eigens für
Viele tz-Leser fragten, ob es wirklich nötig war, dass Christian Held und Klaus Lidl den Waller töteten
Wenn man Fische essen wolle, müsse einem auch klar sein,
dass sie gefangen und getötet
werden. „Der Waller“, so verspricht er, „wird bis zum letzten
Gramm verwertet.“ Zehn Kilo
habe er schon an das Restaurant Andechser Hof verkauft:
„Die Gäste waren begeistert
von dem leckeren Fleisch.“
Laut dem Tierschutzgesetz
dürfen einem Tier nur ausnahmsweise und aus einem
vernünftigen Grund Schmerzen zugefügt werden. Aus
Spaß, Fische zu fangen, um sie
anschließend nach einem Erinnerungsfoto wieder ins Wasser zu werfen, ist in Deutschland verboten. Der Verzehr
von Fleisch ist laut Gesetz ein doch, wenn sie an der Angel
vernünftiger Grund. Jeder hängen, auch herausgezogen
Angler muss einen Fischkun- werden.
denachweis erwerben und lerUnvereinbar mit dem Tiernen, wie Tiere möglichst scho- schutzgesetz ist es nämlich, die
nend gefangen, betäubt und Angelschnur zu kappen: Der
getötet werden.
Fisch kann sich nicht
Lediglich zu kleiallein vom Haken
ne Fische, die das
Millionen befreien, die AngelMindestmaß noch Freizeitangler gibt schnur verheddert
nicht erreicht haben, es schätzungswei- sich womöglich unmüssen wieder ins
ter Wasser. Der Fisch
Wasser gesetzt wer- se in Deutschland. würde zum langsaden. Prof. Kurt Schremen und qualvollen
ckenbach vom Verband Deut- Tod verurteilt. Waller sind sehr
scher Sportfischer erklärt: scheu und da sie in größeren
„Fischen soll die Möglichkeit Tiefen jagen, sieht man sie
gegeben werden, einmal in ih- kaum. Trotzdem seien sie nicht
rem Leben zu laichen.“ Alle selten, so Lorenz Lidl: „Jedes
größeren Tiere müssten je- Jahr setzen wir 150 bis 200 jun-
3,8
ge, etwa zwei Jahre alte Waller
in den See.“ Gefangen werden
sie dagegen nur selten – und
dann eher aus Zufall.
Hätte der Waller gerettet
werden können? Lorenz Lidl
meint: „Nein.“ Der Dreifachhaken reißt eine große Wunde,
die nur schwer oder womöglich auch gar nicht geheilt wäre. Inke Drossé vom Tierschutzbund meint, es wäre
bestimmt sehr schwierig,
aber einen Versuch wert gewesen. Vergessen werden
die Fischer den Riesenwaller nicht: Sein Kopf des wird
präpariert und bekommt einen Ehrenplatz im heimischen
Wohnzimmer.
ier
n Von allen Süßwasser­
fischen besitzt der Wels das
mit Abstand größte und
breiteste Maul.
n In den Monaten Dezem­
ber und Januar hungert der
Wels.
n Die in Restaurants ange­
botenen Welse stammen in
der Regel aus Zuchtteichen.
Denn sie lassen sich mit
Reusen, Netzen oder An­
geln nur schwer fangen.
Montag
Lifestyle
Der Waller lockt mit
seinen Barteln Fische
an. Wettkampfangeln
ist in Deutschland verFoto: WDR, dpa
boten
n Waller fressen haupt­
sächlich Fische und Krebs­
tiere, größere Exemplare
verschlingen auch Wasser­
vögel oder kleinere Säuge­
tiere.
n Waller sind recht rede­
freudig: Sie geben knarzen­
de und krächzende Geräu­
sche von sich. Außerdem
können sie sehr gut hören.
Ob sich die Tiere so jedoch
unter Wasser verständigen,
ist noch nicht erforscht.
Dienstag
n Unglaublich: Waller kön­
nen bis zu 80 Jahre alt, drei
Meter lang und 300 Kilo
schwer werden.
n Mit seinem empfindlichen
Seitenlinienorgan registriert
der Fisch die Nähe von
Schwimmern und Tauchern,
lange bevor der Mensch auf
den scheuen Riesen auf­
merksam wird. Wenn er
­jedoch aus seinem Schlaf
geschreckt wird, kann er
sehr unangenehm werden.
Zukunft Alter
mittwoch
Professor Rudolf Hoffmann von der Klinik
für Zoologie, Fischereibiologie und Fischkrankheiten der LMU München antwortet
auf die Frage: „Wie empfinden Fische
Schmerz?“:
„Schmerz ist nicht messbar, nicht
einmal beim Menschen. Was als
Schmerz empfunden wird, hängt immer
auch von der Situation ab. Mittlerweile
gibt es fundierte Untersuchungen,
die zeigen, dass Fische im Prinzip ähnliche Reaktionen auf
Schmerz zeigen wie höhere Wirbeltiere. Sie verfügen über Schmerzrezeptoren, die chemischen Prozesse auf
Schmerzreize sind gleich. Die Verarbeitung
der Reize erfolgt jedoch in anderen Bereichen des Gehirns. Immer noch z. B. in den
Vereinigten Staaten von Amerika verbreitet ist die Auffassung, Fische könnten keinen Schmerz spüren, weil sie kein Großhirn haben. Ich denke jedoch, das ist zu
kurz gesprungen.Wir können nicht wissen, was der Waller fühlte und wir können uns da auch nicht reindenken. Möglich ist, dass die ungeheure Stress-Situation und die Anstrengung, unbedingt
freikommen zu wollen, den akuten
Schmerz der Angelhaken übertönt
hat. Wie gesagt, möglicherweise ist
das so. Überzeugt bin ich davon,
dass der Fisch keine Todesangst hatte. Tiere können nicht, so wie wir, in
die Zukunft denken. Sie wissen
nicht, dass sie sterben müssen, und haben daher auch
keine Angst vor dem Tod.“
Akte Tier
Donnerstag
selten der Kopf geschüttelt. Ist das der berühmte
Schritt zu weit? Ich glaube nicht.Wir leben eigentlich in einer aufgeklärten
Zeit.Wir wissen, dass Tiere keine gefühllosen Sachen sind. Die Frage sollte doch sein, warum es
immer noch Menschen
gibt, die das ignorieren.
Ich glaube, dass der Hobbyangler, der seinen gefangenen Fisch am Haken zehn Stunden lang in
seinem Elektroboot gezogen hat,nicht verstehen
kann, dass es Menschen
gibt, die sich darüber aufregen. Er hat dabei das
Gesetz auf seiner Seite.
Gesetze sind im Sinne
Foto: E. Gronau
So empfinden Fische
Schmerz & Stress
Typisch
Leben lieben. Aiderbichl
Trophäenjäger boten hohe Summen für Burli
Hobbybetreiber gezüchtet werden. Man lässt die
Tiere kurz vor der Jagd ins
Freie und garantiert damit, dass die Gäste des
Jagdherren durch reichliche Treffer und bequemen Abschuss voll zufriedengestellt werden.
Erinnern Sie sich doch
nur daran, dass Fälle aufgedeckt wurden, bei denen kapitale Hirsche betäubt und aus ihren Gehegen in ferne Wälder
verbracht wurden, lediglich, um gut betuchten
Hobbyjägern die Trophäen zu liefern, von denen
sie träumten.
Über sensible Menschen, denen das unnötige Leid auffällt,wird nicht
Hier schreibt
unser Leser
an die
-Redaktion
80282 München
E-Mail: [email protected]
Fax: 089 / 53 06 - 515
EIn
Dorsch am
Haken
spürt
Schmerz
Foto: tz-Archiv
Multimedia
Zum Kommentar anlässlich des Welttierschutztages:
„Menschlichkeit
auch für Tiere“
Man muss nicht unbedingt auf die unerträglichen Quälereien in der
Welt hinweisen. Auch in
München finden z. B. auf
dem Oktoberfest und der
Auer Dult Tierquälereien
statt. Zum Beispiel wenn
dort die Ponys über Stun-
des Rechts- und Unrechtsbewusstseins unserer Gemeinschaft entstanden und Teil unserer
Kultur. Viele Menschen
haben schon begonnen
umzudenken oder wenigstens darüber nachzudenken, wie fatal unterschiedlich das Tierschutzgesetz interpretierbar ist.
Wir haben eben immer
noch keinen Weg gefunden, unseren Egoismus
und Zynismus in den
Griff zu bekommen, und
fügen der Welt weiterhin
Schaden zu. Vielleicht
wäre es ein erster Schritt,
eine Situation herzustellen, in der niemand mehr
sagen kann:Tiere töten ist
mein Hobby.
den im Kreis gehen müssen. Leid tun mir auch die
völlig verstörten BrauereiRösser, wenn sie von Besuchern angeglotzt werden.
A. Hauk
München
Gleiches Thema:
Ich finde es schön, dass
Sie als einzige Zeitung in
München an den Welttierschutztag erinnern. Den
Kommentar von Jill Robinson fand ich sehr interessant, überrascht hat mich,
wie viele positive Entwicklungen es im Bereich Tierschutz in China gibt. Die
Arbeit von Animals Asia
verdient wirklich unseren
höchsten Respekt!
Claudia Spies
Fürstenfeldbruck
n Leserbriefe geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Bitte fassen
Sie sich kurz, weil wir möglichst viele Leser zu Wort kommen lassen wollen.
Kürzungen behalten wir uns vor.
Freitag
Medizin
Samstag
Garten