Mit dem Rad rund um das Inselparadies

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Mit dem Rad rund um das Inselparadies
Bike
VELOREISE AUF MAURITIUS
V O N S I LV I A S C H Ü T Z
D
Die Insel Mauritius im Indischen Ozean hat das Image
des paradiesischen, aber teuren Fleckens für Flitterwochen-Paare. Wer es aktiver und billiger mag, kann
das Paradies auch per Bike erkunden.
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50 Jahre Altersunterschied und
ein Gruppenclown
Alles beginnt gemütlich – und wird auch so
bleiben: Sonnencreme ins Gesicht, Wasser
in den Bidon und los gehts: vom Flughafen
Mahébourg im Südosten von Mauritius
zum 4-Sterne-Hotel am Strand, Distanz
gemütliche 12 km. Kaum losgefahren, treffen die Radler, der älteste der 80-jährige
Ernst, die jüngste die knapp 30-jährige Sabine, auf das erste von vielen Zuckerrohrfeldern. Während die Pneus über den rötlichen Lehm rollen und den Vulkangesteins-
FOTOS: BIKE ADVENTURE TOURS
Mit dem Rad rund
um das Inselparadies
as haben die vor dem Flughafen in
Mahébourg wartenden Mauritier
wohl noch nie gesehen: Anstatt Koffer und Strohhut schleppen die eben Gelandeten dicke Kartonkisten aus dem Flughafen-Gebäude in die Morgenwärme. Das
Thermometer zeigt um 9 Uhr morgens bereits 20 Grad. Während normale Touristen
einen Taxifahrer heranwinken, packen wir,
15 zunehmend schwitzende Gestalten aus
der kalten Schweiz, Schraubschlüssel,
Sackmesser, Öl und Handpumpen aus.
Genau in diesem Augenblick – und nur
in diesem Augenblick – taucht der Gedanke auf, der völlig fehl am Platz ist:
«Wär ich doch im Honeymoon und nicht
auf einer Biketour.» Stopp. Denn ist es
nicht gerade der Ruf von Mauritius als
Flitterwochenziel, der uns bis anhin davon
abgehalten hat, an den kilometerlangen
Sandstränden der Insel Ferien zu verbringen? Hat nicht die Unlust der Alleinreisenden, auf Schritt und Tritt Pärchen zu begegnen, die selig lächelnd jede malerische
Landschaft verschandeln, als MauritiusBremse gewirkt? Eben. Deshalb nehmen
wir gerne ein bisschen Montieren in Kauf,
damit wir mit Gleichgesinnten zu bunten
Märkten radeln, an einsamen Küstenstrichen schwelgen und an feinen Stränden
gemütlich picknicken können.
Bevor das Bike-Abenteuer beginnt,
werden auch bereits die ersten Strategien
für die zweiwöchige Rundreise im Sattel
ausprobiert: «Wie geht das mit dem
Schraubenzieher und dem Lenker?» Sofort ist eine helfende Männerhand zur
Stelle, das Rad steht wie von Zauberhand
gerichtet abfahrbereit an der Flughafenmauer. Beda aus dem Kanton Aargau wird
es noch bereuen, dass er sich als Velomechaniker geoutet hat. Sein Weg um die Insel, die knapp so gross wie der Kanton
Zürich ist, wird fortan von platten Reifen
gepflastert sein.
Vorbei – wie so oft – am Meer, an Zuckerrohrfeldern und danach ein Zwischenhalt beim
Mechaniker: Mauritius bietet alles.
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Bike
VELOREISE AUF MAURITIUS
Mauritius mit dem Velo
FOTO: BIKE ADVENTURE TOURS
Route
Kristallklares Wasser und stahlblauer Himmel: Typisch Mauritius.
brocken ausweichen, heizt die Sonne ein.
Nur ein laues Lüftchen weht durch die grünen, raschelnden Blätter. Bei jedem Stopp
zerstreut sich die Gruppe wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen. Schattenplätzchen werden während der ganzen Reise gefragt sein. Auch der Gruppenclown nimmt
bereits Konturen an. Velomechaniker
Beda setzt seine Sonnenbrille mit verstellbarem Rückspiegel auf und sagt zu seiner
Frau: «Stells Velo ned a Stei, süsch chasches nömme als neu verchaufe.»
Nach sieben Kilometern Fahrt tauchen
das blaue Meer, der weisse Strand und eine
kleine Strandimbissbude auf. Unter Schatten spendenden, pinienähnlichen Bäumen
sitzen einheimische Familien genüsslich
beim «Nationalsport», dem SonntagsPicknick. Sie essen diese herrlich geschmackvollen Früchte, um die wir sie das
ganze Jahr über beneiden. Mango, Ananas,
Papaya, Melone, Gurke und Bilanbilan
(eine Art Erdbeere). Über alles wird Tamarindensaft, Salz und Chili gestreut und
geträufelt. Köstlich.
Mehr als zwei Drittel der heutigen Mauritier stammen ursprünglich aus Indien,
der grosse Rest aus Afrika und Madagaskar
(30% Kreolen), dazu kommen einige Araber, Chinesen sowie wenige Europäer. Ob
Hindu, Muslim oder Katholik – nicht nur
am Strand beim Picknick verträgt man
sich. Die kulturelle Vielfalt bereichert
Mauritius, obwohl sie unter menschenunwürdigen Umständen zustande kam. Die
Vergangenheit ihrer Vorfahren als Sklaven
haben die heutigen Mauritier, darunter
die direkten Nachkommen von Sklaven,
die Kreolen, nicht vergessen. Während
Führungen, etwa im Museum L’Aventure
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du Sucre, ist das Thema allgegenwärtig.
Doch Groll oder Verbitterung sind
während der Rundreise nie zu spüren. Ein
Grund dürfte das Geld sein, das die Touristen aus den ehemaligen Mutterländern
ins Land bringen. Tourismus gehört zu den
wichtigsten Einnahmequellen der Insel.
Paartanz Schweiz – Mauritius
Zusammen mit dem Gepäck- und gleichzeitigen Besenwagen trifft die Pedaltruppe
am späteren Morgen im Hotel ein. Ein wiederkehrendes Ritual folgt: Welcome-Drink
schlürfen, auf den Zimmerschlüssel warten, Bikes auf den Balkon oder in den Abstellraum stellen, Badeanzug anziehen,
rein ins Meer oder an die Strandbar.
Der Genussfaktor bleibt sich während
der nachfolgenden Etappen, insgesamt 425
Kilometer, gleich. Was sich ändert, sind die
Schwierigkeitsgrade und die Eindrücke:
Reste von Regenwald während der Königsetappe durch den Black River Gorges National Park (80 km, 1100 Höhenmeter);
Wasser, das mitten im Grün von Charamell
83 m in die Tiefe stürzt; die Farben der
«Terres de Couleurs», die laut Geologen
durch das unterschiedlich schnelle Abkühlen der Lava entstanden. Und immer
wieder das Meer in all seinen wechselnden
Blautönen, gesäumt von hellem Sand. Ein
Kontrast zum traumhaften Meer, rau und
wild, sind hingegen die Klippen an der
Südküste: Der Pont Naturel, eine natürlich
entstandene, felsige Brücke über die starke
Brandung, lockt nur die Wagemutigen zu
einer Überquerung auf dem Bike. Jeder hat
seine eigenen Favoriten. Für die einen ist
es das Gefühl, die ganze Insel umradelt zu
haben und innert 10 Tagen Mauritius er-
spürt zu haben. Für Guide Simone bleibt
das «Picknick dansant» mit den Einheimischen am Strand von Flic en Flac in bester
Erinnerung – eine Demonstration, wie
sympathisch die Menschen miteinander
und mit Besuchern umgehen. Der Anlass
für die Charme-Einlage ist einer der zahlreichen Feiertage in Mauritius, diesmal ein
Hindufest. Da jeder Feiertag einer Religion
in der Regel von der gesamten Insel mit einem Picknick gefeiert wird, erstaunt es
nicht, dass der berühmte Traumstrand von
Flic en Flac an diesem Tag zahlreich bevölkert ist. Was für die Radler mit einem geschenkten Zweig frischer Lychées beginnt,
endet mit einem Paartanz Schweiz–Mauritius zu live gezupften Gitarrenklängen, Geklatsche und Gesang unter dem Zeltdach
der Nachbarn.
Unvergesslich bleibt für andere der Ausflug auf die Ile aux Cerfs, wo zahlreiche
Hochzeitsszenen für Bollywood-Filme gedreht wurden. Die Chance ist gross, dass
man während eines Spaziergangs entlang
den wunderschönen Stränden einer gelangweilten Film-Diva aus Indien begegnet. Entweder kämmt sie sich das
schwarze Haar oder lässt sich von einem
Lakeien Luft zufächern. Filmreif auch das
organisierte Picknick mit Sicht auf den
Golfplatz dahinter: Junger Mann mit alter
Golferin tritt auf, alter Golfer mit jungem
Caddy folgt. Die Stunde von Sprücheklopfer Beda ist gekommen. Ruhiger wird es,
als das letzte Boot von der Insel abgelegt
und wir allein am leeren Strand stehen.
Doch irgendwann, so erzählt ein
schwarzer Beau mit Spiegelbrille, werde jemand vorbeikommen. Wir lachen und geniessen, was ist. Die Reise ist das Ziel.
1. Tag: Flughafen Mahébourg an die Blue Bay
(12 km, 50 Höhenmeter).
2. Tag: Halbtagesausflug an die wilde Südküste zu
Le Souffleur und Pont Naturel (32 km, 100 Hm)
3. Tag: Naturgarten Domaine L’Ylang und Domaine Chasseur. Übernachtung in Trou d’Eau
Douce (47 km, 370 Hm).
4. Tag: Ruhetag mit Ausflug auf die paradiesische
Ile aux Cerfs. Übernachtung Trou d’Eau Douce.
5. Tag: Fahrt meist entlang der Küste, vorbei unter anderen an den Stränden Belle Mare, Pointe
Roche Noires und am Cap Malheureux. Übernachtung in Grand Baie (68 km, 150 Hm).
6. Tag: Ausflug in den Botanischen Garten Pamplemousse und ins Museum L’Aventure du Sucre.
Übernachtung in Grand Baie (37 km/120 Hm).
7. Tag: Halbtagesetappe nach Port Louis. Bunter
Markt, Waterfront, Stadtbummel. Übernachtung
Port Louis (24 km, 80 Hm).
8.+9. Tag: Fahrt zum Traumstrand von Flic en Flac
plus ein Ruhetag. Übernachtung in Flic en Flac.
10. Tag: Halbinsel Le Morne Brabant mit dem
gleichnamigen Sklavenfelsen. Unterwegs besucht man Salinen. Übernachtung in Le Morne
Brabant (39 km, 220 Hm).
11. Tag: Tagesausflug ums Südwestcap und via
Baie du Cap bergauf zum Chamarell Nationalpark
(Wasserfall) und Terres des Couleurs. Übernachtung Halbinsel Le Morne Brabant.
12. Tag: Königsetappe: Fahrt durch den Black River Gorges National Park und über Grand Bassin
zur Teefabrik Bois Chéri. Via Le Val nach Mahébourg. Übernachten Blue Bay (76 km, 1100 Hm).
13. Tag: Ruhetag Blue Bay.
Anreise
Direktflüge aus der Schweiz nach Mauritius bietet nur Air Mauritius. Während der Hochsaison
von November bis April kosten die Tickets für den
Flug am Samstag via Genf etwa 1180 Franken
ohne Taxen (etwa 1420 Franken mit Taxen). Im
Sommer – mit Abflugtag Freitag – kostet der NurFlug etwa 890 Franken (mit Taxen und Gebühren
rund 1130 Franken). Da Mauritius keinen Mas-
sentourismus will, sondern mit seinen zahlreichen Top-Hotels (5- und 6-Sterne-Häuser) das
oberste Segment anspricht, gibt es keine Charterflüge auf die Insel. Der Flug von Zürich nach
Mauritius dauert rund 10 Stunden. Da man dabei nur drei Zeitzonen überquert, stellt sich kein
Jetlag ein, wie etwa bei Reisen über den Atlantik
oder nach Ostasien. Seit 1988 verfügt Mauritius
mit dem Sir Seewosagur Ramgoolam Airport in
Mahébourg über einen auf Grossflugzeuge ausgelegten Flughafen, den zahlreiche Fluggesellschaften aus Europa, Afrika, Asien und Australien täglich ansteuern. Die staatliche Fluglinie Air Mauritius unterhält die meisten Verbindungen. Infos
und Tickets: www.airmauritius.com. Air Mauritius,
Löwenstr. 29, 8001 Zürich, Telefon 044 215 10 30.
Organisation
Bis anhin war Mauritius, so die Wahrnehmung,
betuchten «Honeymoonern» und verliebten
Pärchen vorbehalten, die sich und ihre Liebe in
wunderschönen 6-Sterne-Hotels feiern wollten.
Dass es auch Bed-&-Breakfast-Angebote für 30
Franken pro Nacht gibt und die Insel, knapp so
gross wie der Kanton Zürich, auch von Backpackern bereist wird, ist wenig bekannt. Seit
2004 bieten die zwei Brüder Chris und Andi
Schnelli als bis anhin einzige MountainbikeTouren in Mauritius an. Das Angebot schlug sofort ein, in den Büros von Bike Adventure Tours
gingen so viele Anmeldungen ein, dass schon im
zweiten Jahr Zusatztouren aufgelegt wurden.
Besonders erstaunlich: Die vor 15 Jahren quer
ins Business eingestiegenen Brüder schufen
sich eigentlich einen Namen mit anstrengenden
Reisen, etwa in Nepal oder Pakistan. Warum
zieht Mauritius, warum eine einfache Tour?
Chris Schnelli: «Auf Mauritius existiert nichts
Vergleichbares. Und die Tour eignet sich im
Frühling fürs Einfahren und im Herbst und Winter zum genussvollen Ausfahren». Geniessen,
baden, Sonne tanken und pedalen – für einmal
in dieser Reihenfolge. Bike Adventure Tours,
Sagistrasse 12, Affoltern am Albis, Telefon 044
761 37 65, www.bike-adventure-tours.ch.