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CHARTER & REISE
Wanderer zwischen
den Welten
Zwischen Salute und Santé:
Auf einem kulinarischen SardinienKorsika-Törn lassen sich Meister
aus Cucina und Cuisine in die Töpfe
gucken Text und Fotos: Lina Nagel
Cala Giunco auf Lavezzi:
Die benachbarte Cala
Lazarina war auch im
Mai schon überfüllt
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CHARTER & REISE
O
ttavio hat Feierabend. Seine
Küche ist aufgeräumt, alle
Teller und Gläser gespült.
Nur ein Haufen Gräten, sein
verschwitztes T-Shirt und
das zerzauste graue Haar zeugen von der
Arbeit, die der Küchenchef des Yachtclubs Porto Rafael heute Abend vollbracht
hat: Kochen für „Gli Tedeschi“, die Deutschen, und zuvor: Angeln, und zwar eine
Bernsteinmakrele, die ausreicht, um 49
hungrige Segler satt zu machen.
Ottavio zeigt die Angel, mit der er die
Makrele gefangen hat. Ein Prachtstück mit
einer zwei Fäuste dicken Trommel aus poliertem Messing, das unter vielen anderen
an der Decke seines mit Reliquien und
Bildern vollgestopften Arbeitszimmers
hängt. Ottavio ist eigentlich Hafenmeister
in Porto Rafael an der italienischen Costa Smeralda auf Sardinien. Heute Abend
jedoch hat er für seine Gäste aufgetischt,
was das Mittelmeer hergibt: marinierten
Schwertfisch, Meeresfrüchtesalat, Penne
alla marinara und als Krönung eben jene
kapitale Bernsteinmakrele. Zuvor wurde unter freiem Himmel eine Kostprobe
der roten, weißen und roséfarbenen Weine der Region Gallura ausgeschenkt, begleitet von herzhaftem sardischen Käse,
hauchdünnem „Pane di Musica“, Oliven,
Schinken, Salami... Im Saal des Club Nautico reiben sich die Segler zufrieden die
Bäuche: Der Abend im noblen privaten
Yachtclub ist einer der Höhepunkte des
einwöchigen sogenannten „Kulinarischen
Entdeckertörns“. Zwischen Sardinien und
Korsika segeln die sieben Flottillen-Crews
von einem lukullischen Highlight zum anderen, unter kundiger Führung von Hartmut Holtmann, Geschäftsführer der Charteragentur KH+P, die das Event bereits im
fünften Jahr organisiert.
Im Kielwasser der Tafelgesellschaft liegen in diesem Jahr bereits die Cala Gavetta
auf La Maddalena und dort das Restaurant
L`Avventura – schier endlose Menüfolgen, von denen man wünschte, sie würden niemals enden: Tintenfisch-Ravioli,
Zahnbrasse, am Tisch filetiert, alles genussvoll heruntergespült mit Weinen aus
der Region, und natürlich Pasta in den
köstlichsten Variationen. Für den kleinen
Gourmet-Hunger zwischendurch decken
sich die Crews in der Markthalle von La
Maddalena ein. Hier gibt es Lebensmittel,
die womöglich keiner EU-Norm, aber dafür umso mehr Herz und Sinnen gerecht
werden: Knotig verwachsene Tomaten mit
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CHARTER & REISE
Von Porto Vecchio geht
es über die PanterellaPassage nach Bonifacio
Ein Törn für die Sinne: Appetizer
in der Cala Portese auf Caprera
(oben), Weinprobe in Porto Raf­
ael (unten links)
„Besondere Würze bekommt die Genießerdem malerischen Namen Cuor di Búfala,
Büffelherz, Coppa, herzhafter Rohschinken, und natürlich Pecorino, den gut gereiften Schafskäse mit Parmesan-Charakter, der für die Region so typisch ist.
Wer zwischen Korsika und Sardinien
segelt, kann französische Finesse ebenso
genießen wie etwas bodenständigere, aber
nicht minder überraschende italienische
Küche, Fleischgerichte aus dem bergigen
Hinterland ebenso wie feine Fischküche.
Dafür, dass die Kalorien nicht eins zu eins
auf die Hüften wandern, sorgen der windbeschleunigende Düseneffekt in der Straße
von Bonifacio ebenso wie navigatorische
Herausforderungen wie die PanterellaPassage zwischen der Südspitze Korsikas
und flachen Inseln, die sich wie steinerne
Sprenkel im Mittelmeer ausnehmen. Hier
müssen permanent Kardinalzeichen, Peilmarken und markante Felsen entlang der
Fahrrinne im Auge behalten werden, die
Durchfahrt empfiehlt sich nur bei ruhigen
Wetterbedingungen.
Die Flottillenteilnehmer sind so unterschiedlich wie die Gerichte, die im Laufe
der Woche aufgetischt werden: Von totalen Segelanfängern wie Norbert („eine
Bekannte aus dem Fitness-Studio erzählte
von ihrem Segeltörn, und da habe ich einfach auch gebucht“) über Wiederholungstäter wie Peter, genannt Wupps, der seit
unzähligen Jahren als Skipper fährt, über
Ute, IT-Fachfrau, die aus alter Treue zum
Charteranbieter jedes Jahr mehrere Wochen für Segelurlaub freischaufelt, bis zu
Irene und Reinhard, Bodensee-Segler, die
sich vor Jahren auf einer anderen Flottille kennengelernt haben, über die Besitzer
des ehemaligen Whitbread-Racers Pinta,
die ihre Südtiroler Freunde aus dem Skiurlaub zum Segeln eingeladen haben. Das
Flottille durch den Düseneffekt in der Straße von Bonifacio.“
Format der Flottille ist schnell erklärt: Segeln, genießen und ein bisschen um die
Wette segeln – daher der Namenszusatz
Economed Cup. Das Vorsaison-Format
hat den Vorteil, dass für noble Häfen wie
Porto Cervo ein vergleichsweise günstigerPreis ausgehandelt werden kann.
„Hier lerne ich ja eher abwaschen als
segeln“, mokiert sich Norbert. Kein Wunder, ist er doch auf dem „Amazonenboot“
gelandet. Bei einem Geschlechterverhältnis von drei zu sechs haben ganz klar die
Frauen das Sagen. Und die packen an:
Schneller als die Männer schauen können, sind Fender und Leinen verstaut,
Schoten losgeworfen und dichtgeholt und
die Segel getrimmt. Denn: Je schneller sie
segeln, desto schneller können sie in einer
der von zerklüfteten Felsen eingerahmten
Traumbuchten ankern, die sich zwischen
Sardinien und Korsika verstecken. Ob
Cala Lazarina, Cala Rondinara oder Cala
Tahiti – das Wasser scheint immer ein
wenig türkiser, die Felsen ein bisschen
sanfter geschwungen zu sein als anderswo. So viel Schönheit bleibt von Yachties
und Tagestouristen nicht unbemerkt: Die
Cala Lazarina auf der Felseninsel Lavezzi
ist schon im Mai gut gefüllt mit Yachten
und Ausflugsbooten. Eine Bucht weiter,
in der Cala Giunco, ist hingegen noch
viel Platz. Der Anker fällt auf mit Seegras
durchsetztem Sandgrund, von Land weht
der warme Rosmarinduft der von Insekten
summenden Macchia herüber.
Ein weiteres Highlight liegt auf der Route der Flottille: Bonifacio, die korsische
Freibeuterstadt, durch deren steile Gassen
stets ein leichter, salziger Wind weht. Wer
sich durch den von steilen, konkav ausgewaschenen Felswänden begrenzten Fjord
der Stadt nähert, fühlt sich zurückversetzt
ins goldene Zeitalter der Seefahrt – eine
Verklärung, die schlagartig nachlässt,
wenn es gilt, an einer der Moorings festzumachen, die nicht weniger schleimig und
dreckig sind als in jedem anderen Mittelmeerhafen. Dafür aber um einiges dicker,
da an den sieben für die Flottille reservierten Plätzen normalerweise Maxi-Yachten
festgemacht werden. Ruhig und routiniert
legen alle sieben Crews nach und nach an.
Keine Hektik, keine Dramen, kaum ein
lautes Wort. Pure Routine, oder ist es die
Wirkung des „Soul Foods“, die für Ruhe
beim Anlegen sorgt?
Auf den steilen Treppen, die vom Hafen hinauf zu Bonifacios Ville Haute, der
Altstadt, führen, lassen sich die eine oder
andere Portion Pasta, das eine oder andere
Glas Wein wieder abtrainieren. Am Abend
sitzen dann doch wieder alle Crews an kariert eingedeckten Tischen über korsi- ➤
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schen Schweinereien, was ganz wörtlich
zu nehmen ist. Sanglier, Wildschwein, ist
ein typisches Gericht der Insel.
Hoch über den Dächern der Stadt haben
die Seefahrer ihre letzte Ruhe gefunden:
Kleine Mausoleen reihen sich aneinander,
schmale Gänge geben den Blick frei auf
die Straße von Bonifacio. Langsam senkt
sich die Sonne über die Kreuz-Giebel, der
Leuchtturm auf dem Capo Pertusato sendet die ersten Lichtzeichen aufs Meer. Ein
Moment der Stille über den quirligen Gassen der alten Stadt. Im letzten Dämmerlicht geht es durch die gewundenen Gassen der Altstadt und über eine versteckte
Kasemattentreppe wieder zu den Booten.
Die Woche verschwimmt in einem angenehmen Gleichklang aus Segeln, Baden,
in der Sonne dösen und natürlich Kochen
und Essen. Am vorletzten Abend machen
alle sieben Genießerschiffe in der Bucht
Cala Portese auf der Maddalena-Insel Caprera fest. An Mooringbojen schwojend,
wird ein halb-offizieller Kochwettbewerb
ausgetragen. Über den UKW-Arbeitskanal
fliegen die Menüs hin und her, die auf den
einzelnen Schiffen aufgetischt werden:
die butterzarten Steaks mit selbstgemachter Kräuterbutter auf dem AmazonenSchiff, die auf Prosciutto e Melone folgen,
rangieren da noch am unteren Ende der
Gourmet-Skala. Die Bucht hallt wider von
klingenden Gläsern, Gelächter und Stimmengewirr, später vom Klatschen der Riemen, als die Schiffe wechselseitig geentert
CHARTER & REISE
werden. Während der Mond immer helleres Licht verbreitet, steigert sich der Wind
zu einem konstanten Pfeifen.
Der Himmel ist bedeckt am folgenden
Morgen, der Wind weht mit bis zu dreißig
Knoten aus West. Letzte Gelegenheit, eine
sportliche Wettfahrt zu segeln. Drei der
sieben Crews raffen sich tatsächlich auf.
Das Meer ist heute nicht türkis, sondern
von einem kalten Tiefblau. Aus den Tiefen der Schapps werden zum ersten Mal
Fleecejacken und Segelhandschuhe herausgekramt. Das Groß steht im ersten Reff,
dennoch schäumt das Wasser teils über
die Fußreling. Am Start sind nur noch
zwei der regattawilligen Crews, von diesen zweien nimmt dann noch eine Crew
den falschen Kurs... Egal, was zählt, ist
das Segelerlebnis. Mit Rauschefahrt geht
es vorbei am Leuchtturm von Monaci in
Richtung Porto Cervo. Einfallende Böen
fordern permanentes Fieren und wieder
Dichtholen an der Großschot. Die Genuaschoten auf dem „Amazonen-Boot“, dick
und steif wie Trossen, machen das Trimmen zur Knochenarbeit.
Der Kalorienhaushalt kommt spätestens
am Abend wieder ins Lot. Im idyllisch inmitten von Weiden und Olivenhainen gelegegenen „La Sasima“, 15 Autominuten
von Porto Cervo entfernt, hat Wirtin Carla Conti zum großen Abschlussessen gedeckt. Den ehemaligen Bauernhof haben
Conti und ihr Mann zu einem geschmackvoll-rustikalen „Agriturismo“ ausgebaut.
Vor roh gemauerten Steinwänden, an
knorrigen Eichentischen werden ur-sardische Spezialitäten aufgetischt. Ein Abend,
an den man sich lange erinnert. z
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Zum Seelenwärmen bei Winterb
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-Käs
Brot
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Zuppa Gallurese für vier
• 500 Gramm altbackenes Brot
Büffel• 500 Gramm Peretta (sardischer
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• 1 Liter Fleischbrühe • 50 Gramm Speck • 1 Handvoll Petersilie
• 5 Esslöffel Minze
• eine große Knoblauchzehe • eine Prise Pfeffer und Salz • eine Peperoni
eiben,
Brot in ein Zentimeter dicke Sch
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Petersilie, Minze und grob geha
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Knoblauch mit dem Mör
Bomit den Gewürzen mischen. Den
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darüber abwechselnd Brot, Käs
schichten.
Kräuter-Gewürzmischung
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Zum Schluss Flei
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Ofen
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vorg
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ßen und
Minuten backen.
„Ein salziger Wind weht durch Bonifacios enge Altstadtgassen.“
Bonifacio: Die Szenerie
sucht ihresgleichen, am
Kai liegen Supe­r ­yachten
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Revierinformationen
Veranstalter: KH+P Yachtcharter,
Tel. 0711/63 82 82 + 63 82 83,
www.khp-yachtcharter.de
Preise und Schiffe (kulinarischer Törn):
Einzelbucher zahlen zwischen 710 und 895
Euro für eine Koje, hinzu kommt die individuelle An- und Abreise sowie die Bordkasse.
Selbstfahrer können zwischen Einrümpfern
von 40 bis 53 Fuß sowie einem 44 Fuß-Katamaran (Lagoon) wählen. Sie zahlen zwischen
575 und 1.190 Euro pro Person, je nach
Belegung des Schiffes.
Wind und Wetter: Bei mäßigen und mittle-
Reise
ren Winden aus Süd müssen Sie wegen der
Abdeckung und Verwirbelung durch Sardinien
mit umlaufenden Winden rechnen. Ähnlich
sind die Bedingungen bei Wind aus Nord. Bei
West- oder Ostwetterlage hingegen sorgt der
Düseneffekt in der Straße von Bonifacio für
eine Verstärkung des Windes.
Wetterberichte: Um 0135, 0735, 1335 und
1935 Uhr UTC wird ein Wetterbericht in Italienisch und Englisch gesendet. Zu empfangen
sollte er auf Kanal 19, 62, 04 oder 82 sein.
Korsika: Wetterbericht in Französisch, auf
Ersuchen auch auf Englisch, um 0803, 1303
und 2003 Uhr GZ auf Kanal 79 nach Ankündigung auf Kanal 16.
Seekarten: Amtliche Italienische Sportbootkarten ITP3a, ITP3b, ITP3c (Sardinien), Amtliche französische See- und Sportbootkarten F7025L, F7024L, F7162L (West­spitze
Korsikas und Maddalena-Archipel)
Nautische Literatur: Bloc Marine Italia Almanac, 500 italienische Häfen, in
Italienisch und Englisch, mit Wetter-,
Strömungs- und Sicherheitsinformationen
sowie Karten, ISBN 978-2916175263,
circa 21,80 Euro; Andrea Horn/Wyn Hoop:
Korsika, Nordost-Sardinien, Toskanische
Inselwelt. Edition Maritim, 312 Seiten, mit
Farbfotos und detaillierten Plänen, ISBN
978-3892251606, circa 45 Euro; Mauro
Mancini, Navigare Lungocosta 5 (Corsica
e Sardegna). Ein Revierführer für´s Auge:
Küstenformationen, Ansteuerungen etc.
mit feinem Strich gezeichnet. Class Editori 2006, ISBN-13: 978-8895080017,
www.iltagliamare.it. Circa 40 Euro.
Leuchtfeuer & Seezeichen: Das Revier ist gut betonnt und befeuert.
Gezeiten & Strom: In der Straße
von Bonifacio kann kann der
Wind für Strom bis zu drei Knoten sorgen.
Navigation: terrestrisch.
Beste Zeit: Mai bis September
Anreise: Mit dem
Flugzeug nach Olbia,
weiter mit dem Bus
oder einem gebuchten
Transfer nach Palau
oder Portisco. Für
Autofahrer: Fährpassagen können unter www.
mobylines.de gebucht
werden.
Linienflug
ab 350 Euro
Reisepapiere
Personalausweis
Devisen
Euro
Notarzt/Notruf
112
Zeitunterschied
MEZ/MESZ
Hafen
Essen & Trinken
15 bis 50 Euro
Liegeplatz/Kosten
Für ein 40 Fuß-Schiff
je nach Saison und
Society-Faktor des
Hafens zwischen 40
und 280 Euro
Tidenhub
max. 0,3 Meter
Hafenschutz
Ambiente
Segeln
Windvorkommen
Agriturismo –
ländlich genießen
Warum nicht nach dem
Törn noch eine romantische
Übernachtung in einem alten
Bauernhof buchen? Auch
campen auf der Kuhweide
oder tafeln in Restaurants
mit Spezialitäten aus eigener
Produktion ist in den unter
dem Oberbegriff Agriturismo
zusammengeschlossenen
italienischen Hotels, Gasthöfe und Campingplätze
möglich. Eine Übersicht von
Hotels und Landgasthöfen
finden Sie auf der deutschsprachigen Website
www.agriturismo.it
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