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CHARTER & REISE Wanderer zwischen den Welten Zwischen Salute und Santé: Auf einem kulinarischen SardinienKorsika-Törn lassen sich Meister aus Cucina und Cuisine in die Töpfe gucken Text und Fotos: Lina Nagel Cala Giunco auf Lavezzi: Die benachbarte Cala Lazarina war auch im Mai schon überfüllt 84 www.segelnmagazin.de 1/2012 1/2012 www.segelnmagazin.de 85 CHARTER & REISE O ttavio hat Feierabend. Seine Küche ist aufgeräumt, alle Teller und Gläser gespült. Nur ein Haufen Gräten, sein verschwitztes T-Shirt und das zerzauste graue Haar zeugen von der Arbeit, die der Küchenchef des Yachtclubs Porto Rafael heute Abend vollbracht hat: Kochen für „Gli Tedeschi“, die Deutschen, und zuvor: Angeln, und zwar eine Bernsteinmakrele, die ausreicht, um 49 hungrige Segler satt zu machen. Ottavio zeigt die Angel, mit der er die Makrele gefangen hat. Ein Prachtstück mit einer zwei Fäuste dicken Trommel aus poliertem Messing, das unter vielen anderen an der Decke seines mit Reliquien und Bildern vollgestopften Arbeitszimmers hängt. Ottavio ist eigentlich Hafenmeister in Porto Rafael an der italienischen Costa Smeralda auf Sardinien. Heute Abend jedoch hat er für seine Gäste aufgetischt, was das Mittelmeer hergibt: marinierten Schwertfisch, Meeresfrüchtesalat, Penne alla marinara und als Krönung eben jene kapitale Bernsteinmakrele. Zuvor wurde unter freiem Himmel eine Kostprobe der roten, weißen und roséfarbenen Weine der Region Gallura ausgeschenkt, begleitet von herzhaftem sardischen Käse, hauchdünnem „Pane di Musica“, Oliven, Schinken, Salami... Im Saal des Club Nautico reiben sich die Segler zufrieden die Bäuche: Der Abend im noblen privaten Yachtclub ist einer der Höhepunkte des einwöchigen sogenannten „Kulinarischen Entdeckertörns“. Zwischen Sardinien und Korsika segeln die sieben Flottillen-Crews von einem lukullischen Highlight zum anderen, unter kundiger Führung von Hartmut Holtmann, Geschäftsführer der Charteragentur KH+P, die das Event bereits im fünften Jahr organisiert. Im Kielwasser der Tafelgesellschaft liegen in diesem Jahr bereits die Cala Gavetta auf La Maddalena und dort das Restaurant L`Avventura – schier endlose Menüfolgen, von denen man wünschte, sie würden niemals enden: Tintenfisch-Ravioli, Zahnbrasse, am Tisch filetiert, alles genussvoll heruntergespült mit Weinen aus der Region, und natürlich Pasta in den köstlichsten Variationen. Für den kleinen Gourmet-Hunger zwischendurch decken sich die Crews in der Markthalle von La Maddalena ein. Hier gibt es Lebensmittel, die womöglich keiner EU-Norm, aber dafür umso mehr Herz und Sinnen gerecht werden: Knotig verwachsene Tomaten mit 86 www.segelnmagazin.de 1/2012 CHARTER & REISE Von Porto Vecchio geht es über die PanterellaPassage nach Bonifacio Ein Törn für die Sinne: Appetizer in der Cala Portese auf Caprera (oben), Weinprobe in Porto Raf ael (unten links) „Besondere Würze bekommt die Genießerdem malerischen Namen Cuor di Búfala, Büffelherz, Coppa, herzhafter Rohschinken, und natürlich Pecorino, den gut gereiften Schafskäse mit Parmesan-Charakter, der für die Region so typisch ist. Wer zwischen Korsika und Sardinien segelt, kann französische Finesse ebenso genießen wie etwas bodenständigere, aber nicht minder überraschende italienische Küche, Fleischgerichte aus dem bergigen Hinterland ebenso wie feine Fischküche. Dafür, dass die Kalorien nicht eins zu eins auf die Hüften wandern, sorgen der windbeschleunigende Düseneffekt in der Straße von Bonifacio ebenso wie navigatorische Herausforderungen wie die PanterellaPassage zwischen der Südspitze Korsikas und flachen Inseln, die sich wie steinerne Sprenkel im Mittelmeer ausnehmen. Hier müssen permanent Kardinalzeichen, Peilmarken und markante Felsen entlang der Fahrrinne im Auge behalten werden, die Durchfahrt empfiehlt sich nur bei ruhigen Wetterbedingungen. Die Flottillenteilnehmer sind so unterschiedlich wie die Gerichte, die im Laufe der Woche aufgetischt werden: Von totalen Segelanfängern wie Norbert („eine Bekannte aus dem Fitness-Studio erzählte von ihrem Segeltörn, und da habe ich einfach auch gebucht“) über Wiederholungstäter wie Peter, genannt Wupps, der seit unzähligen Jahren als Skipper fährt, über Ute, IT-Fachfrau, die aus alter Treue zum Charteranbieter jedes Jahr mehrere Wochen für Segelurlaub freischaufelt, bis zu Irene und Reinhard, Bodensee-Segler, die sich vor Jahren auf einer anderen Flottille kennengelernt haben, über die Besitzer des ehemaligen Whitbread-Racers Pinta, die ihre Südtiroler Freunde aus dem Skiurlaub zum Segeln eingeladen haben. Das Flottille durch den Düseneffekt in der Straße von Bonifacio.“ Format der Flottille ist schnell erklärt: Segeln, genießen und ein bisschen um die Wette segeln – daher der Namenszusatz Economed Cup. Das Vorsaison-Format hat den Vorteil, dass für noble Häfen wie Porto Cervo ein vergleichsweise günstigerPreis ausgehandelt werden kann. „Hier lerne ich ja eher abwaschen als segeln“, mokiert sich Norbert. Kein Wunder, ist er doch auf dem „Amazonenboot“ gelandet. Bei einem Geschlechterverhältnis von drei zu sechs haben ganz klar die Frauen das Sagen. Und die packen an: Schneller als die Männer schauen können, sind Fender und Leinen verstaut, Schoten losgeworfen und dichtgeholt und die Segel getrimmt. Denn: Je schneller sie segeln, desto schneller können sie in einer der von zerklüfteten Felsen eingerahmten Traumbuchten ankern, die sich zwischen Sardinien und Korsika verstecken. Ob Cala Lazarina, Cala Rondinara oder Cala Tahiti – das Wasser scheint immer ein wenig türkiser, die Felsen ein bisschen sanfter geschwungen zu sein als anderswo. So viel Schönheit bleibt von Yachties und Tagestouristen nicht unbemerkt: Die Cala Lazarina auf der Felseninsel Lavezzi ist schon im Mai gut gefüllt mit Yachten und Ausflugsbooten. Eine Bucht weiter, in der Cala Giunco, ist hingegen noch viel Platz. Der Anker fällt auf mit Seegras durchsetztem Sandgrund, von Land weht der warme Rosmarinduft der von Insekten summenden Macchia herüber. Ein weiteres Highlight liegt auf der Route der Flottille: Bonifacio, die korsische Freibeuterstadt, durch deren steile Gassen stets ein leichter, salziger Wind weht. Wer sich durch den von steilen, konkav ausgewaschenen Felswänden begrenzten Fjord der Stadt nähert, fühlt sich zurückversetzt ins goldene Zeitalter der Seefahrt – eine Verklärung, die schlagartig nachlässt, wenn es gilt, an einer der Moorings festzumachen, die nicht weniger schleimig und dreckig sind als in jedem anderen Mittelmeerhafen. Dafür aber um einiges dicker, da an den sieben für die Flottille reservierten Plätzen normalerweise Maxi-Yachten festgemacht werden. Ruhig und routiniert legen alle sieben Crews nach und nach an. Keine Hektik, keine Dramen, kaum ein lautes Wort. Pure Routine, oder ist es die Wirkung des „Soul Foods“, die für Ruhe beim Anlegen sorgt? Auf den steilen Treppen, die vom Hafen hinauf zu Bonifacios Ville Haute, der Altstadt, führen, lassen sich die eine oder andere Portion Pasta, das eine oder andere Glas Wein wieder abtrainieren. Am Abend sitzen dann doch wieder alle Crews an kariert eingedeckten Tischen über korsi- ➤ 1/2012 www.segelnmagazin.de 87 CHARTER & REISE schen Schweinereien, was ganz wörtlich zu nehmen ist. Sanglier, Wildschwein, ist ein typisches Gericht der Insel. Hoch über den Dächern der Stadt haben die Seefahrer ihre letzte Ruhe gefunden: Kleine Mausoleen reihen sich aneinander, schmale Gänge geben den Blick frei auf die Straße von Bonifacio. Langsam senkt sich die Sonne über die Kreuz-Giebel, der Leuchtturm auf dem Capo Pertusato sendet die ersten Lichtzeichen aufs Meer. Ein Moment der Stille über den quirligen Gassen der alten Stadt. Im letzten Dämmerlicht geht es durch die gewundenen Gassen der Altstadt und über eine versteckte Kasemattentreppe wieder zu den Booten. Die Woche verschwimmt in einem angenehmen Gleichklang aus Segeln, Baden, in der Sonne dösen und natürlich Kochen und Essen. Am vorletzten Abend machen alle sieben Genießerschiffe in der Bucht Cala Portese auf der Maddalena-Insel Caprera fest. An Mooringbojen schwojend, wird ein halb-offizieller Kochwettbewerb ausgetragen. Über den UKW-Arbeitskanal fliegen die Menüs hin und her, die auf den einzelnen Schiffen aufgetischt werden: die butterzarten Steaks mit selbstgemachter Kräuterbutter auf dem AmazonenSchiff, die auf Prosciutto e Melone folgen, rangieren da noch am unteren Ende der Gourmet-Skala. Die Bucht hallt wider von klingenden Gläsern, Gelächter und Stimmengewirr, später vom Klatschen der Riemen, als die Schiffe wechselseitig geentert CHARTER & REISE werden. Während der Mond immer helleres Licht verbreitet, steigert sich der Wind zu einem konstanten Pfeifen. Der Himmel ist bedeckt am folgenden Morgen, der Wind weht mit bis zu dreißig Knoten aus West. Letzte Gelegenheit, eine sportliche Wettfahrt zu segeln. Drei der sieben Crews raffen sich tatsächlich auf. Das Meer ist heute nicht türkis, sondern von einem kalten Tiefblau. Aus den Tiefen der Schapps werden zum ersten Mal Fleecejacken und Segelhandschuhe herausgekramt. Das Groß steht im ersten Reff, dennoch schäumt das Wasser teils über die Fußreling. Am Start sind nur noch zwei der regattawilligen Crews, von diesen zweien nimmt dann noch eine Crew den falschen Kurs... Egal, was zählt, ist das Segelerlebnis. Mit Rauschefahrt geht es vorbei am Leuchtturm von Monaci in Richtung Porto Cervo. Einfallende Böen fordern permanentes Fieren und wieder Dichtholen an der Großschot. Die Genuaschoten auf dem „Amazonen-Boot“, dick und steif wie Trossen, machen das Trimmen zur Knochenarbeit. Der Kalorienhaushalt kommt spätestens am Abend wieder ins Lot. Im idyllisch inmitten von Weiden und Olivenhainen gelegegenen „La Sasima“, 15 Autominuten von Porto Cervo entfernt, hat Wirtin Carla Conti zum großen Abschlussessen gedeckt. Den ehemaligen Bauernhof haben Conti und ihr Mann zu einem geschmackvoll-rustikalen „Agriturismo“ ausgebaut. Vor roh gemauerten Steinwänden, an knorrigen Eichentischen werden ur-sardische Spezialitäten aufgetischt. Ein Abend, an den man sich lange erinnert. z lues Zum Seelenwärmen bei Winterb f: flau e-Au -Käs Brot er isch sard ein Zuppa Gallurese für vier • 500 Gramm altbackenes Brot Büffel• 500 Gramm Peretta (sardischer e) olon Prov eise tzw ersa se, hkä milc • 1 Liter Fleischbrühe • 50 Gramm Speck • 1 Handvoll Petersilie • 5 Esslöffel Minze • eine große Knoblauchzehe • eine Prise Pfeffer und Salz • eine Peperoni eiben, Brot in ein Zentimeter dicke Sch n. eide schn n eibe Sch ne dün Käse in n ckte Petersilie, Minze und grob geha en, rück zerd ser Knoblauch mit dem Mör Bomit den Gewürzen mischen. Den , egen ausl ck Spe mit l üsse Sch den einer und e darüber abwechselnd Brot, Käs schichten. Kräuter-Gewürzmischung ber giedarü rühe schb Zum Schluss Flei a 20 circ Ofen zten ehei vorg im ßen und Minuten backen. „Ein salziger Wind weht durch Bonifacios enge Altstadtgassen.“ Bonifacio: Die Szenerie sucht ihresgleichen, am Kai liegen Super yachten 88 www.segelnmagazin.de 1/2012 Revierinformationen Veranstalter: KH+P Yachtcharter, Tel. 0711/63 82 82 + 63 82 83, www.khp-yachtcharter.de Preise und Schiffe (kulinarischer Törn): Einzelbucher zahlen zwischen 710 und 895 Euro für eine Koje, hinzu kommt die individuelle An- und Abreise sowie die Bordkasse. Selbstfahrer können zwischen Einrümpfern von 40 bis 53 Fuß sowie einem 44 Fuß-Katamaran (Lagoon) wählen. Sie zahlen zwischen 575 und 1.190 Euro pro Person, je nach Belegung des Schiffes. Wind und Wetter: Bei mäßigen und mittle- Reise ren Winden aus Süd müssen Sie wegen der Abdeckung und Verwirbelung durch Sardinien mit umlaufenden Winden rechnen. Ähnlich sind die Bedingungen bei Wind aus Nord. Bei West- oder Ostwetterlage hingegen sorgt der Düseneffekt in der Straße von Bonifacio für eine Verstärkung des Windes. Wetterberichte: Um 0135, 0735, 1335 und 1935 Uhr UTC wird ein Wetterbericht in Italienisch und Englisch gesendet. Zu empfangen sollte er auf Kanal 19, 62, 04 oder 82 sein. Korsika: Wetterbericht in Französisch, auf Ersuchen auch auf Englisch, um 0803, 1303 und 2003 Uhr GZ auf Kanal 79 nach Ankündigung auf Kanal 16. Seekarten: Amtliche Italienische Sportbootkarten ITP3a, ITP3b, ITP3c (Sardinien), Amtliche französische See- und Sportbootkarten F7025L, F7024L, F7162L (Westspitze Korsikas und Maddalena-Archipel) Nautische Literatur: Bloc Marine Italia Almanac, 500 italienische Häfen, in Italienisch und Englisch, mit Wetter-, Strömungs- und Sicherheitsinformationen sowie Karten, ISBN 978-2916175263, circa 21,80 Euro; Andrea Horn/Wyn Hoop: Korsika, Nordost-Sardinien, Toskanische Inselwelt. Edition Maritim, 312 Seiten, mit Farbfotos und detaillierten Plänen, ISBN 978-3892251606, circa 45 Euro; Mauro Mancini, Navigare Lungocosta 5 (Corsica e Sardegna). Ein Revierführer für´s Auge: Küstenformationen, Ansteuerungen etc. mit feinem Strich gezeichnet. Class Editori 2006, ISBN-13: 978-8895080017, www.iltagliamare.it. Circa 40 Euro. Leuchtfeuer & Seezeichen: Das Revier ist gut betonnt und befeuert. Gezeiten & Strom: In der Straße von Bonifacio kann kann der Wind für Strom bis zu drei Knoten sorgen. Navigation: terrestrisch. Beste Zeit: Mai bis September Anreise: Mit dem Flugzeug nach Olbia, weiter mit dem Bus oder einem gebuchten Transfer nach Palau oder Portisco. Für Autofahrer: Fährpassagen können unter www. mobylines.de gebucht werden. Linienflug ab 350 Euro Reisepapiere Personalausweis Devisen Euro Notarzt/Notruf 112 Zeitunterschied MEZ/MESZ Hafen Essen & Trinken 15 bis 50 Euro Liegeplatz/Kosten Für ein 40 Fuß-Schiff je nach Saison und Society-Faktor des Hafens zwischen 40 und 280 Euro Tidenhub max. 0,3 Meter Hafenschutz Ambiente Segeln Windvorkommen Agriturismo – ländlich genießen Warum nicht nach dem Törn noch eine romantische Übernachtung in einem alten Bauernhof buchen? Auch campen auf der Kuhweide oder tafeln in Restaurants mit Spezialitäten aus eigener Produktion ist in den unter dem Oberbegriff Agriturismo zusammengeschlossenen italienischen Hotels, Gasthöfe und Campingplätze möglich. Eine Übersicht von Hotels und Landgasthöfen finden Sie auf der deutschsprachigen Website www.agriturismo.it 1/2012 www.segelnmagazin.de 89