Ein Herz für den Appetit

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Ein Herz für den Appetit
FOTOS: AT VERL AG
Ein Herz für den Appetit...
Gemüse oder Heilpflanze? Die Ar tischocke ist beides. In der Heilkunde ist sie
von Alexandra Suter*
besonders für ihre appetitanregende und verdauungsfördernde Wirkung bekannt,
als Gemüse bietet sie eine viel versprechende Abwechslung auf dem Teller.
Carciofi alla romana – Artischocken auf römische Art
Artischockenknospen drücken, Frische-Tipps:
diese mit Salz und Pfeffer ein- • Beim Einkaufen darauf achreiben.
ten, dass die Blätter mögIn eine möglichst hohe, feuerlichst knackig sind und keine
feste Form etwa 3 cm hoch Olibräunlichen und trockenen
venöl giessen, erhitzen und die
Stellen aufweisen. Der «Kern»
Füllung:
gefüllten Artischocken kopfüsollte sich auf leichten Druck
Glatte Petersilie, frische Pfefber, also Stiel nach oben, nehin öffnen lassen.
ferminzblätter, 2 Knoblauchbeneinander hineinlegen. So • Artischocken so frisch wie
zehen, alles fein gehackt
viel heisses Wasser dazugiesmöglich zubereiten. Auch geSalz, Pfeffer aus der Mühle
sen, dass die Artischocken halb
kochte Artischocken sind
1–2 EL Brotbrösel
bedeckt sind. Zugedeckt etwa
leicht verderblich und sollten
45 Minuten im Ofen schmoren,
nicht länger als einen Tag im
Zubereitung:
Kühlschrank liegen bleiben.
Die Artischocken grosszügig bis die Flüssigkeit nahezu aufvon allem befreien, was hart, gesogen ist.
trocken und stachelig ist.
Die Stiele auf vier Zentimeter kür- Aus:
zen und schälen. Die Blätter vor- «Artischocken – Die besten
sichtig auseinander biegen und Rezepte».
wenn nötig das Heu entfernen. Barbara Wurzel. AT Verlag.
Die vorbereiteten Artischocken in 2002. Fr. 19.90.
ISBN: 3-85502-805-2.
Zitronenwasser legen.
Die Zutaten zur Füllung zu einer Paste mischen und in die
8 junge, zarte Artischocken
1 Zitrone, Saft
Salz, Pfeffer aus der Mühle
Kaltgepresstes Olivenöl
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peisen mit einem Hauch des Exklusiven scheinen etwas Reizvolles an sich zu haben: Sie heben sich ab von alltäglichen
Lebensmitteln, die sich jede und jeder
leisten kann. Die Artischocke war
lange Zeit eine solche Speise. Sie galt
als edel, war sündhaft teuer und daher
reichen Leuten vorbehalten. Ihre kulinarische Geschichte begann im Orient, wo sie bereits den Ägyptern bekannt war; später wurde sie von den
Römern «entdeckt» und nach raffinierten Rezepten verspiesen.
Der griechischen Mythologie zufolge
verliebte sich Zeus in die schöne Cynaria. Als diese ihn jedoch abwies, verwandelte sie der zornige Göttervater
zur Strafe in ein stacheliges Distelgewächs mit demselben Namen: Cynaria
scolymus – auf Deutsch «Artischocke».
Dutzende von spitzigen Blättern umhüllen ihr essbares «Herz». Gut möglich, dass die Artischocke im Mittelalter und auch später wegen ihrer
geheimnisvollen Erscheinung als
Aphrodisiakum (Liebesmittel) galt.
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Experiment im eigenen Garten
Als Wildpflanze ist die Artischocke
nicht zu finden, sie wird von Menschenhand angebaut, traditionellerweise vor allem im Mittelmeerraum in
Küstennähe, wo das Klima weder zu
heiss noch zu kalt ist. Übrigens: Auch
hierzulande ist es möglich, Artischocken erfolgreich anzubauen, sofern
der Boden feucht, aber nicht zu nass
ist, und die Pflanzen im Winter genügend gegen Kälte geschützt sind.
Die Stängel mit 1 bis 15 cm breiten
Blütenköpfen werden bis zu zwei Meter hoch. Je nach Sorte – es gibt unzählige, von der «Babyartischocke» bis
zur grossen «Camus de Bretagne» –
sind die Knospen kugelrund bis spitz
zulaufend, grün, rot und violett in den
verschiedensten Farbabstufungen. Die
Haupterntezeiten fallen auf die Zeiten
von März bis Juni und von Oktober bis
Dezember, bevor die Pflanzen zu
blühen beginnen. Allerdings: Auf den
Märkten ist das essbare Distelgewächs
heutzutage das ganze Jahr hindurch zu
finden. Zur Familie der Korbblütler
(Asteraceae) gehörend, ist die Artischocke – auch wenn man es zunächst
nicht vermuten würde – verwandt mit
Pflanzen wie Chicorée, Radicchio, Endivie, Topinambur und Löwenzahn,
die alle mehr oder weniger bitter sind
im Geschmack.
Schutz für Leber und Galle
Die Artischocke gilt als kulinarische
Spezialität, aber auch in der Heilkunde
spielt sie eine Rolle rund ums Thema
«Essen»: Seit langem bekannt und wissenschaftlich erwiesen sind ihre appetitanregenden,
verdauungsfördernden
und harntreibenden Eigenschaften. Extrakte aus den Laubblättern der Artischocke enthalten beispielsweise Stoffe,
die den Gallenfluss anregen und die Leber entlasten. Ein «Verdauungstee»,
selbst zubereitet: 2 g fein geschnittene,
getrocknete Artischockenblätter mit
150 ml kochendem Wasser übergiessen
und nach 10 Minuten abseihen. Den
Tee nach dem Essen lauwarm trinken.
Auch für den Fettstoffwechsel hat sich
das stachlige Gewächs als förderlich
erwiesen, indem es die Bildung von
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C
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ungünstigem LDL-Cholesterin hemmt
und etwa phytotherapeutisch bei der
Prävention von Arteriosklerose eingesetzt werden kann. Wie diese Wirkungen genau zustande kommen und welche Inhaltsstoffe dabei eine Rolle
spielen, ist noch nicht restlos geklärt.
Aussen rau, innen zart
Die Artischocke als Gemüse genutzt
liefert viele Ballaststoffe und dafür
umso weniger Kalorien. Zudem ist sie
reich an Mineralien wie Kalium, Magnesium, Kupfer, Eisen, Zink und Kalzium sowie an den Vitaminen C und
B6. Und da Artischocken keine Stärke
enthalten, dürfen besonders auch DiabetikerInnen zugreifen.
Der Grund, weshalb es die Artischocke
trotz den heutzutage erschwinglichen
Preisen nicht zum Alltagsgemüse geschafft hat, liegt wohl vor allem darin,
dass vor dem Essen viel Arbeit geleistet
werden muss und viel ungeniessbarer
Rest übrig bleibt: Das schmackhafte
und essbare Innere – das «Artischockenherz» und der Boden ohne
«Heu» – muss zuerst von einer dicken
Schicht Blätter entfernt werden, und
zugegeben, viel bleibt dabei nicht
übrig (ausser es handelt sich um Artischocken aus der Büchse oder im
Glas in Öl oder Essig eingelegt). Dennoch ist es lohnenswert, sich an frische Artischocken heranzuwagen –
beispielsweise als Überraschungsvorspeise an einem lauen Sommerabend.
*Alexandra Suter ist Redaktorin der «Sprechstunde»
… und Appetitliches
fürs Herz
Die «Sprechstunde» stellt drei appetitlich aufgemachte
Kochbücher vor, die Rezepte für bekannte und weniger bekannte
Speisen aus den südlichen Gegenden Europas verraten – und eine
gesunde, ausgewogene Ernährung versprechen.
A
ntipasti, Risotto, Spaghetti,
griechischer Salat, Gazpacho
(kalte spanische Gemüsesuppe), Tomaten mit Mozzarellascheiben: Gerichte aus Mittelmeerländern haben unseren Geschmacksinn
längst erfolgreich umschmeichelt. Das
zeigt sich in den Buchläden, die gleich
reihenweise italienische oder französische Kochbücher verkaufen, und
ebenso in den Restaurants, die fast alle
Pasta-Gerichte servieren und obendrein häufig Flaschen mit Olivenöl auf
den Tischen parat stellen. Ein weiteres
Indiz: Balkon an Balkon reihen sich
Töpfe mit Basilikum und Rosmarin,
die für jeden Sonnenstrahl dankbar
sind.
Die so genannte mediterrane Ernährungsweise ist nicht nur geschmacklich interessant und weckt Erinnerungen an Ferien im Süden, sie wirkt sich
auch günstig aus auf das Herz-Kreislauf-System. Ihre Charakteristiken: Sie
ist reich an einfach ungesättigten Fettsäuren (z.B. im Olivenöl), welche das
so genannte LDL-Cholesterin senken
können (ein Blutfettbestandteil, das
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SPRECHSTUNDE
KOCHEN
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sich ungünstig auf die Blutgefässe auswirkt). Auch liefert sie Omega-3-Fettsäuren (z.B. in Fischölen, Rapsöl),
welche ebenfalls arteriosklerotische
Entwicklungen bremsen können. Auch
Früchte, Gemüse, Salate, Kräuter und
Gewürze, die unter anderem lebenswichtige Vitamine und Nahrungsfa-
sern enthalten, sind auf dem Menüplan unserer südlichen Nachbarn in
breiter Variation zu finden. Zudem:
Getreideprodukte wie Brot und Teigwaren gelten als geeignete Kalorienträger – für DiabetikerInnen allerdings in
eingeschränkter Weise – und machen
in der Regel nicht dick.
Nach Herzenslust
Arteriosklerose («Arterienverkalkung»),
Diabetes, Herzinfarkt oder Schlaganfall sind Beispiele für Erkrankungen,
die unter anderem eng mit Ernährungsgewohnheiten im Zusammenhang stehen. Meistens sind sie Folgen
langfristiger Veränderungen wie etwa
Fettablagerungen in den Blutgefässen.
Deshalb lohnt es sich schon für junge
Menschen, mit Prävention zu beginnen – auch auf dem Teller.
Dieser Idee folgt das Buch «Kochen für
das Herz»: Es bietet verlockende Rezepte für Herz-Kreislauf-schonende
Menus, darunter gibt es auch welche,
deren Herkunft näher liegt als das Mittelmeer (z.B. Kastaniensuppe), und andere aus ferneren Ländern (z.B. Gemüsecurry mit Bohnen und Kürbis).
Enthalten sind zudem Informationen
zu gesunder Ernährung sowie ein Test,
mit dem das eigene Risiko für Herzinfarkt oder Hirnschlag ermittelt werden kann.
«Kochen für das Herz.» Peter E. Ballmer,
Nicole Brüllhardt, Erica Bänziger. EDITION FONA. 2001.
Fr. 29.90. ISBN: 3-907108-37-X.
Ferien zu Hause
Wer plötzlich von der Sehnsucht nach
Süden und Sonne überfallen wird,
müsse keineswegs sofort verreisen,
meint die Kochbuchautorin Annemarie Wildeisen. Ein wenig «Dolce Vita»
in den Alltag bringe es auch, wenn
man mit Hilfe des Kochlöffels in die
Welt der Düfte, Aromen und Lebensfreude eintauche. Mit diesem Buch
sollte das auch nicht schwierig sein:
Allein die Fotos mit Blick auf gefüllte
Teller und aufgeschichtete Platten lassen das Wasser im Munde zusammenlaufen, und ungewöhnliche Rezepte
wie etwa «Gebratene Champignons an
Dörrtomaten» oder «Pizza verde» mit
Zucchini- statt Teigboden wecken die
Neugier.
«Eine Prise Süden.» Annemarie Wildeisen.
AT Verlag. 2004. Fr. 29.90. ISBN: 3-85502-905-9.
Von der Orange bis zum Mozzarella
Beim Titel «Süditalien – Küche und
Kultur» wird schnell klar, dass es sich
dabei um mehr als um ein Kochbuch
handelt: Es ist vielmehr eine kulinarische und kulturelle Reisereportage
durch die fünf süditalienischen Regionen Kampanien, Apulien, Kalabrien,
Basilicata und Sizilien mit regionalen
Rezepten und zahlreichen stilisierten
Fotos. Informativ sind zudem die Hintergrundberichte zu den kulinarischen
Spezialitäten der jeweiligen Regionen,
beispielsweise zu den Zitrusfrüchten
Siziliens: Die Orangenbäume gedeihen
auf dem vulkanischen Boden der Insel
besonders gut. Wer eine Orange auf
«sizilianische Art» – das heisst geschält
und quer in runde Scheiben geschnitten – ausprobiert, merkt, dass jede
Scheibe ein wenig anders schmeckt:
Die Orange ist am am Stiel weniger
süss als am unteren Ende, wo sie
schneller und intensiver reift.
as
«Süditalien – Küche und Kultur.» Cornelia Schinharl.
GU-Verlag. 2003. Fr. 52.20. ISBN: 3-7742-3202-4.
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