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14 2 Systemparameter 2 Systemparameter In diesem Kapitel werden die wesentlichen Eigenschaften von mechanischen Schwingern dargestellt. Sie erhalten Hinweise, wie diese Eigenschaften, nämlich Massen, Steifigkeiten, Dämpfungen und typische Kombinationen dieser Elemente modelliert werden können. Praktisch ist dies der entscheidende Schritt, um von einem realen System zu einem geeigneten Simulationsmodell zu kommen. Darüber hinaus ist nach Bearbeitung dieses Kapitels bekannt, welche Ansätze zur möglichst einfachen Modellierung von realen Systemen existieren und wie komplexe Modelle vereinfacht werden können. 2.1 Allgemeines Das Schwingen mechanischer Systeme beruht, wie später auch noch gezeigt wird, auf einer permanenten Wandlung von Energie. Immer wiederkehrend wird kinetische Energie in potentielle Energie gewandelt und umgekehrt. Hieraus lässt sich bereits erkennen, dass der mechanische Schwinger zumindest über zwei Eigenschaften verfügen muss, welche die Möglichkeiten zum Aufbau von kinetischer Energie und von potentieller Energie bereitstellen. Zum Aufbau einer kinetischen Energie muss eine Masse existieren, welcher diese kinetische Energie verliehen wird. Zum Aufbau einer potentiellen Energie existieren verschiedene Möglichkeiten. Bei dem schon erwähnten Pendel beruht der Aufbau potentieller Energie darin, die Lageenergie einer Masse im Erdschwerefeld zu erhöhen. Eine weitere und auch öfter auftretende Variante ist der Aufbau einer Verformungsenergie in einer Feder. Sowohl die Masseeigenschaft als auch die Federeigenschaft werden quasi automatisch durch viele Werkstoffe automatisch bereitgestellt. Insofern ist auch die Erkenntnis zutreffend, dass im Grunde jedes Bauteil und jede Konstruktion schwingungsfähig sind. Hieraus ergibt sich eine wesentliche Herausforderung der Maschinendynamik. Da maschinendynamische Analysen eines gewissen Aufwandes bedürfen gilt es, aus der Vielzahl der praktisch erstellten Konstruktionen genau diejenigen zu erkennen, bei denen schwingungstechnische Probleme auftreten können. Nicht erforderliche Berechnungen binden Ressourcen, nicht untersuchte kritische Fälle ziehen dagegen ggf. erhebliche Risiken nach sich. Neben Masse und Steifigkeit ist ein weiterer Parameter von Bedeutung - die Dämpfung. Erfahrungsgemäß wird jedes schwingende System, soweit es nicht immer wieder angeregt wird, irgendwann den Ruhezustand erreichen, da während der Schwingbewegung Energie dissipiert, d.h. in Wärme umgewandelt, wird. Diese Dämpfung kann durch verschiedene Mechanismen bereitgestellt werden, beispielsweise durch die innere Reibung eines Materials oder die Verluste in einem strömenden Fluids. 2.2 Massen Räumliche Körper verfügen über sechs Freiheitsgrade im Raum. Bzgl. jeden Freiheitsgrades verfügt die Masse über eine Trägheitseigenschaft. Im einfachsten Fall der Betrachtung einer eindimensionalen, translatorischen Bewegung einer Punktmasse ist von diesen verschiedenen Trägheitsmerkmalen lediglich noch die Masse m des Körpers selbst relevant. Bei Beschleunigung der Masse in positive x-Richtung ist auf die Masse wirkend die so genannte 2.2 Massen 15 d’Alembert’sche Trägheitskraft anzusetzen. Diese wirkt entgegengesetzt zur Beschleunigungsrichtung, somit in negative x-Richtung: FT = m &x& Bild 2-1 veranschaulicht die Wirkung dieser Trägheitskraft FT: x x FT = m&x& m Bild 2-1: Auf eine Punktmasse wirkende D’Alembert’sche Trägheitskraft für den Fall der eindimensionalen Translation Wirken beliebige äußere Kräfte Fi auf die Masse, welche untereinander nicht im Gleichgewicht sind, so wird die Masse beschleunigt. Für den translatorischen Fall ergibt sich aus dem Kräftegleichgewicht an der Masse die aktuell vorliegende Beschleunigung der Masse: ∑ F = ∑ F − F = ∑ F − m &x& = 0 x i i ∑F &x& = m i i i i T = Fbeschleunigend − Fverzögernd m Maßgebend für den Beschleunigungszustand ist also neben der Masse die Differenz aus beschleunigenden und verzögernden Kräften welche auf die Masse einwirken. Wird aus dem Beschleunigungszustand durch Integration der Geschwindigkeitszustand ermittelt, so lässt sich die Punktmasse mit einem Freiheitsgrad wie folgt (Bild 2-2) als SIMULINK®-Modell abbilden: Bild 2-2: SIMULINK®-Modell einer Masse mit einem Freiheitsgrad Rotiert die Masse um eine Achse, so ist analog zu der Trägheitskraft FT bei der Translation ein entsprechendes Trägheitsmoment MT anzunehmen. Dieses ist das Produkt aus Drehmasse und Winkelbeschleunigung um die Drehachse: 16 2 Systemparameter M T = −θϕ&& 2.3 Steifigkeiten Neben Massen können als diskrete Elemente Steifigkeiten bzw. Federn auftreten. Diese Federn können an den Kraftangriffspunkten theoretisch entlang den gleichen sechs Freiheitsgraden verformt werden, in deren Richtung sich eine Masse verschieben oder verdrehen kann. Bild 2-3: Fahrzeugfeder [Ahle] Im einfachsten Fall liegt eine in einer Achse translatorisch verformbare Feder vor, wie die in Bild 2-3 dargestellte nichtlineare Fahrzeugfeder. Eine an einem Ende aufgebrachte Verformung in positiver Koordinatenrichtung bewirkt auf das angeschlossene Bauteil eine Reaktionskraft in negative Koordinatenrichtung. Für eine lineare Feder hat die Reaktionskraft folgende Größe: FC = c x Umgekehrt kann auch formuliert werden, dass eine konstante einwirkende Kraft zu einer konstanten Verformung in Wirkungsrichtung der Kraft führt. Das Bild 2-4 veranschaulicht diese Situation: x x FC = cx c Bild 2-4: Reaktionskraft für eine verformte Feder Aus dem Kräftegleichgewicht an der Masse ergibt sich die vorliegende Deformation der Feder: ∑ F = ∑ F − F = ∑ F − cx x i i C i i 2.3 Steifigkeiten 17 ∑F i x= i c = Fverlängernd − Fkomprimierend c In Bild 2-5 ist das SIMULINK®-Modell für die Feder für den Fall dargestellt, dass nicht die Kraft eingeprägt wird, sondern über die Geschwindigkeiten an den beiden Federenden die Deformation der Feder. Diese Deformation führt zu einer entsprechenden Reaktionskraft der Feder. Bild 2-5: SIMULINK®-Modell einer Steifigkeit mit einem Freiheitsgrad Liegt eine Drehfeder mit der Steifigkeit ct vor, so tritt analog zur Reaktionskraft bei der Translation ein Reaktionsmoment MC in folgender Größe auf: M C = ct ϕ Die Steifigkeit eines Bauteils kann sich beliebig kompliziert aus dem Aufbau des Bauteils ergeben. Für triviale Bauteile mit konstruktiv vorgesehenen, wenigen Freiheitsgraden lassen sich die Steifigkeiten wie folgt angeben: Bauteil Zugstab Biegestab, einfach eingespannt Biegestab, beidseitig gelenkig gelagert Biegestab, beidseitig eingespannt Torsionsstab Federsteifigkeit EA c= L 3EI c= 3 L 48 EI c= 3 L 192 EI c= L3 GI c= T L Tabelle 2-1: Federsteifigkeiten verschiedener Bauteile Praktisch verfügen Federn in aller Regel nicht über eine lineare Kennlinie. Die Ausprägung der Nichtlinearitäten ist dabei z. B. von den konstruktiven Gegebenheiten wie der Federgeometrie 18 2 Systemparameter und der Größe der Federverformung abhängig. In Bild 2-6 ist exemplarisch die messtechnisch aufgenommene Federkennlinie eines Federbeins für einen Personenkraftwagen zu sehen. Bild 2-6: Nichtlineare Kennlinien einer Feder für ein Federbein Deutlich zu erkennen ist der nichtlineare Charakter der Feder, der sich durch ein „weicheres“ Verhalten im Zugbereich der Feder und durch ein „härteres“ Verhalten im Druckbereich der Feder ausweist. Darüber hinaus ist auch die Hysterese der Feder markant, d. h. der Unterschied in der Federkraft zwischen dem Belastungs- und dem Entlastungsprozess der Feder. Diese Hysterese ist durch Reibung im System bedingt. 2.3.1 Beispiel: Ermittlung der Ersatzsteifigkeit Sind in einem System mehrere Steifigkeiten miteinander verschaltet, so können diese zu einer Gesamtsteifigkeit zusammengefasst werden. Dabei berechnet sich diese Gesamtsteifigkeit c* für Parallelschaltungen und Reihenschaltungen wie folgt: Parallelschaltung: c* = ∑c i i Reihenschaltung: 1 = c* 1 ∑c i i Ein in der Praxis öfter vorkommendes Beispiel ist die Verschaltung von Tellerfedern. Durch die gute Kombinierbarkeit und die Nichtliearität dieser Type werden Tellerfedern oft eingesetzt, um auf relativ kleinem Bauraum gezielt eine bestimmte Kennliniencharakteristik einzustellen. Die einfachsten Stapelungen dieser Federn bestehen in der reinen Parallelschaltung zur Erhöhung der Steifigkeit des Paketes und in der reinen Reihenschaltung zur Verminderung der Steifigkeit des Paketes jeweils im Vergleich zur Einzelfeder (Bild 2-7). 2.3 Steifigkeiten 19 Bild 2-7: Tellerfedern in Parallelschaltung und Reihenschaltung Parallelschaltung und Reihenschaltung können wie in Bild 2-8 zu sehen beliebig kombiniert werden, um die gewüschten Eigenschaften des Federpakets zu erreichen. Bild 2-8: Kombination von Reihen- und Parallelschaltung in einem Tellerfederpaket Das in Bild 2-9 dargestellte ebene System mit einem Freiheitsgrad soll als Einmassenschwinger abgebildet werden. Ermitteln Sie die Ersatzmasse m* und die Ersatzfedersteifigkeit c*, die für den äquivalenten Einmassenschwinger anzusetzen sind. EA = ∞, EI , L EA = ∞ EI = ∞ EA = ∞, EI , L c m x Bild 2-9: Schwinger mit mehreren miteinander verschalteten Federn Das System verfügt insgesamt über vier diskrete Elemente. Dies sind die Punktmasse, eine Zug-/Druckfeder sowie zwei Biegefedern. Darüber hinaus sind die beiden Biegefedern über einen gelenkig angebundenen, starren Stab gekoppelt. Die beiden Biegefedern sind parallel geschaltet. Durch die Kopplung über den starren Stab weisen die linksseitig eingespannten Biegefedern auf deren rechter Seite stets die gleiche Durchbiegung auf. Somit addiert sich deren jeweilige Einzelbiegesteifigkeit zur Gesamtbiegesteifigkeit. c * * = 2c B = 2 3EI 3 L = 6 EI L3 20 2 Systemparameter Zur Gesamtsteifigkeit resultierend aus den beiden Biegefedern, liegt die Zug-/Druckfeder in Reihe. Somit ergibt sich die Ersatzfedersteifigkeit des Systems aus der entsprechenden Reihenschaltung. 1 1 L3 = + c * c 6 EI c* = 6 EIc 6 EI + cL3 Die Ersatzmasse besteht schlicht aus der vorliegenden Punktmasse. m* = m Somit liegt das in Bild 2-10 dargestellte Ersatzsystem vor: c* m* x Bild 2-10: Ersatzsystem für Schwinger mit mehreren miteinander verschalteten Federn Frage: Wie verändert sich die Ersatzfedersteifigkeit des Systems, wenn der starre Stab nicht gelenkig sondern starr mit den beiden Biegefedern gekoppelt wird? 2.4 Dämpfungen Neben der Masseeigenschaft und der Steifigkeitseigenschaft kann eine Dämpfungseigenschaft auftreten. Wie die vorgenannten Eigenschaften kann diese ebenfalls bei Bewegungen in allen sechs Freiheitsgraden auftreten. Im einfachsten Fall einer translatorischen Bewegung in einer Achse und viskoser Dämpfung verursacht diese Dämpfung bei Bewegung in positive Koordinatenrichtung eine Reaktionskraft in folgender Größe auf die angeschlossenen Bauteile: FD = d x& Eine entsprechende Kraftwirkung geht u.a. von Einrohrdämpfern für Fahrzeuge aus (Bild 2-11), deren Dämpfungswirkung im Wesentlichen durch ein viskoses Modell abgebildet werden kann. 2.4 Dämpfungen 21 Bild 2-11: Einrohrdämpfer für Fahrzeuge [Sachs] Das Bild 2-12 gibt die von einem viskosen Dämpfer ausgehende Kraft bei einer konstanten Auslenkungsgeschwindigkeit wieder: x x FD = dx& d Bild 2-12: Reaktionskraft eines viskosen Dämpfers Für das viskose Dämpfungselement ergibt sich die konstante Verformungsgeschwindigkeit unter Krafteinwirkung aus der Kräftebilanz: ∑ F = ∑ F − F = ∑ F − dx& x i i i x& = d i i ∑F i D = FAntrieb − FAbtrieb d Analog zur Feder ist das SIMULINK®-Modell auch hier wieder in der Form formuliert, dass die Verformungsgeschwindigkeit des Dämpfers eingeprägt wird. Für diesen Fall ergibt sich eine von der Dämpfungskonstante abhängige Reaktionskraft (Bild 2-13). Bild 2-13: SIMULINK®-Modell eines viskosen Dämpfers 22 2 Systemparameter Bei rotatorischer Bewegung wirkt analog zur Reaktionskraft bei Translation folgendes Reaktionsmoment auf die angeschlossenen Bauteile: M D = d t ϕ& Die hier modellierte proportionale Abhängigkeit der Dämpferkraft von der Hubgeschwindigkeit des Dämpfers ist ein erster einfacher Ansatz der Modellierung. Praktisch sind Dämpferkennlinien vielgestaltig und insbesondere nichtlinear. Exemplarisch ist das der in Bild 2-14 aufgetragenen Kennlinie zu entnehmen, die das Verhalten eines Dämpfers für ein Federbein für Personenkraftwagen beschreibt. Bild 2-14: Nichtlineare Kennlinie eines Dämpfers für ein Federbein Die vorgestellten SIMULINK®-Modelle für Masse Steifigkeit und Dämpfer sind in sich noch relativ einfach strukturiert. Um die Transparenz eines Modells auch dann noch zu wahren, wenn eine Vielzahl von Elemente verschaltet wird, kann ein Modell in SIMULINK® zu einem Block zusammengefasst werden. Der Block verfügt dann über Eingänge und Ausgänge, die denen des zugrunde liegenden Modells entsprechen. Das Bild 2-15 zeigt die auf diese Weise erstellten Blöcke für die bisher behandelten drei diskreten Strukturelemente. Bild 2-15: Maskierte SIMULINK®-Modelle für Masse, Steifigkeit und Dämpfer 2.5 Parameterbestimmung 2.5 23 Parameterbestimmung Um eine gute Modellqualität zu erreichen, ist neben der Wahl einer angemessenen Modellstruktur die möglichst wirklichkeitsnahe Festlegung der einzelnen Modellparameter wichtig. Bei allen Eigenschaften besteht natürlich grundsätzlich die Möglichkeit, diese in einem Experiment zu bestimmen. Hierbei ist mehr oder weniger Aufwand zu treiben, so dass diese Variante in den meisten Fällen nicht die praktikable erste Wahl ist. Am unproblematischsaten stellt sich die Bestimmung der Masseeigenschaften dar. Für die meisten Bauteile ist die Dichteverteilung bekannt, in der Regel liegt sogar eine konstante Dichte vor. So kann die Geometrie bestimmt werden, aus der sich in Verbindung mit der Dichteverteilung die Masseeigenschaften ergeben. Liegen 3-D-Modelle von Bauteilen in CAD-Systemen vor, so liegt diese Berechnung meist automatisiert vor. Die Steifigkeiten liegen für primitive Geometrien und auch viele komplexere Bauteile und Baugruppen Informationen in der Literatur vor [Hol94]. Darüber hinaus sind für Bauteile, die in Bereichen Anwendung finden, in denen die Steifigkeit von besonderem Interesse ist, oft Informationen der Hersteller verfügbar. Gerade für in Serie hergestellte Bauteile sind dies dann auch experimentell abgestützte Daten. Liefern alle diese Quellen keine Informationen, so müssen Steifigkeiten berechnet werden. Dies kann bei hinsichtlich Geometrie oder Homogenität komplexen Bauteilen bis zur Durchführung von FE-Analysen gehen. Die Dämpfung stellt den kompliziertesten Parameter dar. Sie kann rechnerisch nicht ermittelt werden. Deswegen sind experimentelle Daten erforderlich. Aus der Erfahrung vielfältiger versuche können der Literatur Anhaltswerte entnommen werden [Dre06]. Allerdings steckt gerade in den auf dieser Basis ermittelten dämpfungsbeschreibenden Parametern immer eine Unsicherheit. Diese kann lediglich durch Experimente wie Ausklingversuche am relevanten System gemindert werden. 2.6 Systemvereinfachung Eine wesentliche Frage, die sich im Rahmen der Modellierung ergibt ist die, in welcher Feinheit ein System zu modellieren ist. In der Realität sind die Systemeigenschaften Masse, Steifigkeit und Dämpfung verteilt vorhanden. Insofern sind für eine diskrete Modellierung, die hier fokussiert behandelt wird, grundsätzlich vereinfachende Annahmen zu treffen, um diese überhaupt vornehmen zu können. Die Idee der Diskretisierung besteht im Kern darin, die verteilten Systemeigenschaften zu konzentrieren. Nahe liegend ist eine solche Konzentration, wenn die Verteilung der Eigenschaft über die Struktur hinweg ungleich ist. In diesem Falle kann an dem Ort, wo die Eigenschaft besonders intensiv auftritt ein entsprechendes diskretes Element vorgesehen werden. Unklarer stellt sich die Vorgehensweise bei der Diskretisierung bei einer gleichmäßigen Verteilung der Eigenschaft dar. Dann lässt sich zumindest ad hoc kein bevorzugter Ort für diskrete Elemente angeben. In diesem Fall drängt es sich auf, die Anzahl der vorgesehenen Elemente äquidistant über das System zu verteilen. Bei einer hohen Anzahl an Elementen wird es hierdurch gelingen, das Systemverhalten relativ genau abzubilden. Allerdings steigt der Aufwand bei Modellierung und Berechnung. Wird aus Gründen des Aufwandes die Anzahl der Elemente kleiner gehalten, so ist mit ungenaueren Ergebnissen zu rechnen. Darüber hinaus können auch nicht alle Eigenschaften des Systems, wie z. B. Eigenformen und –frequenzen, rechnerisch bestimmt werden. Von besonderer Bedeutung bei der Modell- und Parameterfindung ist die Beobachtung der Erscheinungen an ausgeführten Systemen. Bei Neuentwicklungen ist diese meist nicht möglich. Da dynamische Analysen aber oft auch nach aufgetretenen Problemen durchgeführt wer- 24 2 Systemparameter den, ist diese Beobachtung bei einem Teil von Aufgabenstellungen durchaus anzustellen. Idealerweise kann der Charakter der zu untersuchenden Schwingungserscheinung aufgenommen werden. Von besonderem Interesse sind dabei Eigenfrequenzen und Eigenformen der vorliegenden Schwingung. Ist dieser Charakter bekannt, so ist bei der Modellierung und Parameterzuweisung darauf zu achten, dass die Festlegungen die Abbildung der beobachteten Erscheinungen ermöglichen. Ebenso relevant ist die Berücksichtigung der auftretenden Lasten. Diese sollten hinsichtlich der involvierten Anregungsfrequenzen untersucht werden. Modell und Parameter sollten dann alle Systemeigenfrequenzen bis zur größten Anregungsfrequenz und im Bereich der einzelnen Anregungsfrequenzen abbilden. Aus den genannten Gründen macht es Sinn, vor der Definition eines endgültigen Modells die Systemeigenschaften detailliert zu untersuchen und z. B. folgende Fragen zu beantworten: An welchen Orten treten bestimmte Eigenschaften konzentriert auf? Welche Eigenschaften des Systems sind ggf. vernachlässigbar? Liegen zunächst definierte diskrete Elemente gleicher Art direkt in Reihe oder parallel zueinander und können so zusammengefasst werden? Hat das System Symmetrie, die bei der Modellierung berücksichtigt werden kann? Kann das in Erwägung gezogene Modell die zu untersuchenden Systemeigenschaften abbilden? Die Beantwortung dieser Fragen wird helfen, ein einfaches aber hinreichendes Modell für den beabsichtigten Zweck zu finden. 2.7 Maxwell-Element Neben den diskreten Einzelelementen tauchen in der praktischen Modellierung des Öfteren auch Kombinationen auf. Eine dieser Kombinationen ist das Maxwell-Element (Bild 2-16), eine Reihenschaltung von Feder und viskosem Dämpfer. x x c FC = cx = FD = dx& d Bild 2-16: Maxwell-Element Mit dem Maxwell-Element lässt sich z.B. die Deformation eines Werkstoffs beschreiben, der unter einer aufgebrachten Last sich zunächst spontan verformt und anschließend aufgrund der anstehenden Last ein langsames Ansteigen der Verformung infolge Kriechen aufweist. Dieses Verhalten weisen Kunststoffe bereits bei Raumtemperatur und Metalle bei erhöhten Temperaturen auf. Grundlegend für das Maxwell-Element ist, dass sowohl die Verformung der Feder als auch die Verformungsgeschwindigkeit des Dämpfers von der von außen einwirkenden Kraft abhängen. 2.8 Kelvin-Voigt-Element 25 Diese Kraft, welche gleichermaßen von Feder und Dämpfer übertragen wird, und ihre Einwirkungsdauer bestimmen die Deformation des Maxwell-Elements. Unter einer konstanten Kraft setzt sich die Verformung des Elements summarisch aus einer konstanten Verformung der Feder und einer mit konstanter Geschwindigkeit anwachsenden Verformung des Dämpfungselements zusammen: xMaxwell = F F + dt c d ∫ Entsprechend diesem Zusammenhang ist auch das SIMULINK®-Modell des MaxwellElements (Bild 2-17) aufgebaut: Bild 2-17: SIMULINK®-Modell eines Maxwell-Elements Frage: Welche Verformung weist ein Maxwell-Element bei einer anliegenden Last nach unendlich langer Zeit auf? Mit welcher Verformung reagiert das Maxwell-Element auf eine kurzzeitige, schlagartige Belastung? 2.8 Kelvin-Voigt-Element Neben der Reihenschaltung ist auch die Parallelschaltung von Feder und viskosem Dämpfer, das so genannte Kelvin-Voigt-Element, geläufig (Bild 2-18). x x c FC = cx d FD = dx& Bild 2-18: Kelvin-Voigt-Element Das Kelvin-Voigt-Modell ist besispielsweise geeignet, Federbeine in PKW abzubilden. Federbeine stellen durch das Ineinanderschieben von Stoßdämpfer und Feder eine Parallelschaltung dieser beiden diskreten Elemente dar (Bild 2-19). 26 2 Systemparameter Bild 2-19: Als Kelvin-Voigt-Modell abbildbare Federbeine in einem Fahrzeug [Volkswagen] Beschreibend für das Kelvin-Voigt-Modell ist, dass die übertragene Kraft sich als Summe der von Feder und von Dämpfer übertragenen Kraft ergibt. FKelvin −Voigt = c x + d x& Unter einer konstanten Kraft nimmt die Verformung des Kelvin-Voigt-Elements stetig entsprechend der vorliegenden Dämpfung und bisher aufgebauten Rückstellkraft der Feder zu. Die Verformung nimmt zu, und zwar so lange bis die aufgebaute Federrückstellkraft mit der einwirkenden Kraft im Gleichgewicht steht. Genau dann besteht kein Kraftanteil mehr, der ein weiteres Verfahren des Dämpfers einleiten könnte. Für das SIMULINK®-Modell ist hier die inverse Aussage modelliert (Bild 2-20). Diese besagt, dass die von außen einwirkende Kraft abhängig ist vom aktuellen Verformungs- und Geschwindigkeitszustand des Elements. Bild 2-20: SIMULINK®-Modell eines Kelvin-Voigt-Elements Genauso wie für die diskreten Einzelelemente sind hier auch die Blöcke für die beiden FederDämpfer-Kombinationen angelegt (Bild 2-21). 2.8 Kelvin-Voigt-Element 27 Bild 2-21: Maskierte SIMULINK®-Modelle für Kelvin-Voigt-Modell und Maxwell-Modell Frage: Welche Lage erreicht ein Kelvin-Voigt-Modell nach theoretisch unendlich langer Zeit? Welche Verformung weist ein kelvin-Voigt-Modell bei kurzzeitiger, schlagartiger Belastung auf?