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2 Systemparameter
2
Systemparameter
In diesem Kapitel werden die wesentlichen Eigenschaften von mechanischen Schwingern dargestellt. Sie erhalten Hinweise, wie diese Eigenschaften, nämlich
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
Massen,
Steifigkeiten,
Dämpfungen und
typische Kombinationen dieser Elemente
modelliert werden können. Praktisch ist dies der entscheidende Schritt, um von einem realen
System zu einem geeigneten Simulationsmodell zu kommen. Darüber hinaus ist nach Bearbeitung dieses Kapitels bekannt, welche Ansätze zur möglichst einfachen Modellierung von realen
Systemen existieren und wie komplexe Modelle vereinfacht werden können.
2.1
Allgemeines
Das Schwingen mechanischer Systeme beruht, wie später auch noch gezeigt wird, auf einer
permanenten Wandlung von Energie. Immer wiederkehrend wird kinetische Energie in potentielle Energie gewandelt und umgekehrt. Hieraus lässt sich bereits erkennen, dass der mechanische Schwinger zumindest über zwei Eigenschaften verfügen muss, welche die Möglichkeiten
zum Aufbau von kinetischer Energie und von potentieller Energie bereitstellen.
Zum Aufbau einer kinetischen Energie muss eine Masse existieren, welcher diese kinetische
Energie verliehen wird. Zum Aufbau einer potentiellen Energie existieren verschiedene Möglichkeiten. Bei dem schon erwähnten Pendel beruht der Aufbau potentieller Energie darin, die
Lageenergie einer Masse im Erdschwerefeld zu erhöhen. Eine weitere und auch öfter auftretende Variante ist der Aufbau einer Verformungsenergie in einer Feder. Sowohl die Masseeigenschaft als auch die Federeigenschaft werden quasi automatisch durch viele Werkstoffe
automatisch bereitgestellt. Insofern ist auch die Erkenntnis zutreffend, dass im Grunde jedes
Bauteil und jede Konstruktion schwingungsfähig sind.
Hieraus ergibt sich eine wesentliche Herausforderung der Maschinendynamik. Da maschinendynamische Analysen eines gewissen Aufwandes bedürfen gilt es, aus der Vielzahl der praktisch erstellten Konstruktionen genau diejenigen zu erkennen, bei denen schwingungstechnische Probleme auftreten können. Nicht erforderliche Berechnungen binden Ressourcen, nicht
untersuchte kritische Fälle ziehen dagegen ggf. erhebliche Risiken nach sich.
Neben Masse und Steifigkeit ist ein weiterer Parameter von Bedeutung - die Dämpfung. Erfahrungsgemäß wird jedes schwingende System, soweit es nicht immer wieder angeregt wird,
irgendwann den Ruhezustand erreichen, da während der Schwingbewegung Energie dissipiert,
d.h. in Wärme umgewandelt, wird. Diese Dämpfung kann durch verschiedene Mechanismen
bereitgestellt werden, beispielsweise durch die innere Reibung eines Materials oder die Verluste in einem strömenden Fluids.
2.2
Massen
Räumliche Körper verfügen über sechs Freiheitsgrade im Raum. Bzgl. jeden Freiheitsgrades
verfügt die Masse über eine Trägheitseigenschaft. Im einfachsten Fall der Betrachtung einer
eindimensionalen, translatorischen Bewegung einer Punktmasse ist von diesen verschiedenen
Trägheitsmerkmalen lediglich noch die Masse m des Körpers selbst relevant. Bei Beschleunigung der Masse in positive x-Richtung ist auf die Masse wirkend die so genannte
2.2 Massen
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d’Alembert’sche Trägheitskraft anzusetzen. Diese wirkt entgegengesetzt zur Beschleunigungsrichtung, somit in negative x-Richtung:
FT = m &x&
Bild 2-1 veranschaulicht die Wirkung dieser Trägheitskraft FT:
x
x
FT = m&x&
m
Bild 2-1: Auf eine Punktmasse wirkende D’Alembert’sche Trägheitskraft für den Fall der
eindimensionalen Translation
Wirken beliebige äußere Kräfte Fi auf die Masse, welche untereinander nicht im Gleichgewicht
sind, so wird die Masse beschleunigt. Für den translatorischen Fall ergibt sich aus dem Kräftegleichgewicht an der Masse die aktuell vorliegende Beschleunigung der Masse:
∑ F = ∑ F − F = ∑ F − m &x& = 0
x
i
i
∑F
&x& =
m
i
i
i
i
T
=
Fbeschleunigend − Fverzögernd
m
Maßgebend für den Beschleunigungszustand ist also neben der Masse die Differenz aus beschleunigenden und verzögernden Kräften welche auf die Masse einwirken. Wird aus dem
Beschleunigungszustand durch Integration der Geschwindigkeitszustand ermittelt, so lässt sich
die Punktmasse mit einem Freiheitsgrad wie folgt (Bild 2-2) als SIMULINK®-Modell abbilden:
Bild 2-2: SIMULINK®-Modell einer Masse mit einem Freiheitsgrad
Rotiert die Masse um eine Achse, so ist analog zu der Trägheitskraft FT bei der Translation ein
entsprechendes Trägheitsmoment MT anzunehmen. Dieses ist das Produkt aus Drehmasse und
Winkelbeschleunigung um die Drehachse:
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2 Systemparameter
M T = −θϕ&&
2.3
Steifigkeiten
Neben Massen können als diskrete Elemente Steifigkeiten bzw.
Federn auftreten. Diese Federn können an den Kraftangriffspunkten
theoretisch entlang den gleichen sechs Freiheitsgraden verformt
werden, in deren Richtung sich eine Masse verschieben oder verdrehen kann.
Bild 2-3: Fahrzeugfeder [Ahle]
Im einfachsten Fall liegt eine in einer Achse translatorisch verformbare Feder vor, wie die in
Bild 2-3 dargestellte nichtlineare Fahrzeugfeder. Eine an einem Ende aufgebrachte Verformung in positiver Koordinatenrichtung bewirkt auf das angeschlossene Bauteil eine Reaktionskraft in negative Koordinatenrichtung. Für eine lineare Feder hat die Reaktionskraft folgende
Größe:
FC = c x
Umgekehrt kann auch formuliert werden, dass eine konstante einwirkende Kraft zu einer konstanten Verformung in Wirkungsrichtung der Kraft führt. Das Bild 2-4 veranschaulicht diese
Situation:
x
x
FC = cx
c
Bild 2-4: Reaktionskraft für eine verformte Feder
Aus dem Kräftegleichgewicht an der Masse ergibt sich die vorliegende Deformation der Feder:
∑ F = ∑ F − F = ∑ F − cx
x
i
i
C
i
i
2.3 Steifigkeiten
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∑F
i
x=
i
c
=
Fverlängernd − Fkomprimierend
c
In Bild 2-5 ist das SIMULINK®-Modell für die Feder für den Fall dargestellt, dass nicht die
Kraft eingeprägt wird, sondern über die Geschwindigkeiten an den beiden Federenden die
Deformation der Feder. Diese Deformation führt zu einer entsprechenden Reaktionskraft der
Feder.
Bild 2-5: SIMULINK®-Modell einer Steifigkeit mit einem Freiheitsgrad
Liegt eine Drehfeder mit der Steifigkeit ct vor, so tritt analog zur Reaktionskraft bei der Translation ein Reaktionsmoment MC in folgender Größe auf:
M C = ct ϕ
Die Steifigkeit eines Bauteils kann sich beliebig kompliziert aus dem Aufbau des Bauteils
ergeben. Für triviale Bauteile mit konstruktiv vorgesehenen, wenigen Freiheitsgraden lassen
sich die Steifigkeiten wie folgt angeben:
Bauteil
Zugstab
Biegestab,
einfach eingespannt
Biegestab, beidseitig
gelenkig gelagert
Biegestab,
beidseitig eingespannt
Torsionsstab
Federsteifigkeit
EA
c=
L
3EI
c= 3
L
48 EI
c= 3
L
192 EI
c=
L3
GI
c= T
L
Tabelle 2-1: Federsteifigkeiten verschiedener Bauteile
Praktisch verfügen Federn in aller Regel nicht über eine lineare Kennlinie. Die Ausprägung der
Nichtlinearitäten ist dabei z. B. von den konstruktiven Gegebenheiten wie der Federgeometrie
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2 Systemparameter
und der Größe der Federverformung abhängig. In Bild 2-6 ist exemplarisch die messtechnisch
aufgenommene Federkennlinie eines Federbeins für einen Personenkraftwagen zu sehen.
Bild 2-6: Nichtlineare Kennlinien einer Feder für ein Federbein
Deutlich zu erkennen ist der nichtlineare Charakter der Feder, der sich durch ein „weicheres“
Verhalten im Zugbereich der Feder und durch ein „härteres“ Verhalten im Druckbereich der
Feder ausweist. Darüber hinaus ist auch die Hysterese der Feder markant, d. h. der Unterschied
in der Federkraft zwischen dem Belastungs- und dem Entlastungsprozess der Feder. Diese
Hysterese ist durch Reibung im System bedingt.
2.3.1
Beispiel: Ermittlung der Ersatzsteifigkeit
Sind in einem System mehrere Steifigkeiten miteinander verschaltet, so können diese zu einer
Gesamtsteifigkeit zusammengefasst werden. Dabei berechnet sich diese Gesamtsteifigkeit c*
für Parallelschaltungen und Reihenschaltungen wie folgt:
Parallelschaltung:
c* =
∑c
i
i
Reihenschaltung:
1
=
c*
1
∑c
i
i
Ein in der Praxis öfter vorkommendes Beispiel ist die Verschaltung von Tellerfedern. Durch
die gute Kombinierbarkeit und die Nichtliearität dieser Type werden Tellerfedern oft eingesetzt, um auf relativ kleinem Bauraum gezielt eine bestimmte Kennliniencharakteristik einzustellen. Die einfachsten Stapelungen dieser Federn bestehen in der reinen Parallelschaltung zur
Erhöhung der Steifigkeit des Paketes und in der reinen Reihenschaltung zur Verminderung der
Steifigkeit des Paketes jeweils im Vergleich zur Einzelfeder (Bild 2-7).
2.3 Steifigkeiten
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Bild 2-7: Tellerfedern in Parallelschaltung und Reihenschaltung
Parallelschaltung und Reihenschaltung können wie in Bild 2-8 zu sehen beliebig kombiniert
werden, um die gewüschten Eigenschaften des Federpakets zu erreichen.
Bild 2-8:
Kombination von Reihen- und Parallelschaltung in einem Tellerfederpaket
Das in Bild 2-9 dargestellte ebene System mit einem Freiheitsgrad soll als Einmassenschwinger abgebildet werden. Ermitteln Sie die Ersatzmasse m* und die Ersatzfedersteifigkeit c*, die
für den äquivalenten Einmassenschwinger anzusetzen sind.
EA = ∞, EI , L
EA = ∞
EI = ∞
EA = ∞, EI , L
c
m
x
Bild 2-9: Schwinger mit mehreren miteinander verschalteten Federn
Das System verfügt insgesamt über vier diskrete Elemente. Dies sind die Punktmasse, eine
Zug-/Druckfeder sowie zwei Biegefedern. Darüber hinaus sind die beiden Biegefedern über
einen gelenkig angebundenen, starren Stab gekoppelt. Die beiden Biegefedern sind parallel
geschaltet. Durch die Kopplung über den starren Stab weisen die linksseitig eingespannten
Biegefedern auf deren rechter Seite stets die gleiche Durchbiegung auf. Somit addiert sich
deren jeweilige Einzelbiegesteifigkeit zur Gesamtbiegesteifigkeit.
c * * = 2c B = 2
3EI
3
L
=
6 EI
L3
20
2 Systemparameter
Zur Gesamtsteifigkeit resultierend aus den beiden Biegefedern, liegt die Zug-/Druckfeder in
Reihe. Somit ergibt sich die Ersatzfedersteifigkeit des Systems aus der entsprechenden Reihenschaltung.
1 1 L3
= +
c * c 6 EI
c* =
6 EIc
6 EI + cL3
Die Ersatzmasse besteht schlicht aus der vorliegenden Punktmasse.
m* = m
Somit liegt das in Bild 2-10 dargestellte Ersatzsystem vor:
c*
m*
x
Bild 2-10: Ersatzsystem für Schwinger mit mehreren miteinander verschalteten Federn
Frage: Wie verändert sich die Ersatzfedersteifigkeit des Systems, wenn der starre Stab nicht
gelenkig sondern starr mit den beiden Biegefedern gekoppelt wird?
2.4
Dämpfungen
Neben der Masseeigenschaft und der Steifigkeitseigenschaft kann eine Dämpfungseigenschaft
auftreten. Wie die vorgenannten Eigenschaften kann diese ebenfalls bei Bewegungen in allen
sechs Freiheitsgraden auftreten. Im einfachsten Fall einer translatorischen Bewegung in einer
Achse und viskoser Dämpfung verursacht diese Dämpfung bei Bewegung in positive Koordinatenrichtung eine Reaktionskraft in folgender Größe auf die angeschlossenen Bauteile:
FD = d x&
Eine entsprechende Kraftwirkung geht u.a. von Einrohrdämpfern für Fahrzeuge aus
(Bild 2-11), deren Dämpfungswirkung im Wesentlichen durch ein viskoses Modell abgebildet
werden kann.
2.4 Dämpfungen
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Bild 2-11: Einrohrdämpfer für Fahrzeuge [Sachs]
Das Bild 2-12 gibt die von einem viskosen Dämpfer ausgehende Kraft bei einer konstanten
Auslenkungsgeschwindigkeit wieder:
x
x
FD = dx&
d
Bild 2-12: Reaktionskraft eines viskosen Dämpfers
Für das viskose Dämpfungselement ergibt sich die konstante Verformungsgeschwindigkeit
unter Krafteinwirkung aus der Kräftebilanz:
∑ F = ∑ F − F = ∑ F − dx&
x
i
i
i
x& =
d
i
i
∑F
i
D
=
FAntrieb − FAbtrieb
d
Analog zur Feder ist das SIMULINK®-Modell auch hier wieder in der Form formuliert, dass
die Verformungsgeschwindigkeit des Dämpfers eingeprägt wird. Für diesen Fall ergibt sich
eine von der Dämpfungskonstante abhängige Reaktionskraft (Bild 2-13).
Bild 2-13: SIMULINK®-Modell eines viskosen Dämpfers
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2 Systemparameter
Bei rotatorischer Bewegung wirkt analog zur Reaktionskraft bei Translation folgendes Reaktionsmoment auf die angeschlossenen Bauteile:
M D = d t ϕ&
Die hier modellierte proportionale Abhängigkeit der Dämpferkraft von der Hubgeschwindigkeit des Dämpfers ist ein erster einfacher Ansatz der Modellierung. Praktisch sind Dämpferkennlinien vielgestaltig und insbesondere nichtlinear. Exemplarisch ist das der in Bild 2-14
aufgetragenen Kennlinie zu entnehmen, die das Verhalten eines Dämpfers für ein Federbein für
Personenkraftwagen beschreibt.
Bild 2-14: Nichtlineare Kennlinie eines Dämpfers für ein Federbein
Die vorgestellten SIMULINK®-Modelle für Masse Steifigkeit und Dämpfer sind in sich noch
relativ einfach strukturiert. Um die Transparenz eines Modells auch dann noch zu wahren,
wenn eine Vielzahl von Elemente verschaltet wird, kann ein Modell in SIMULINK® zu einem
Block zusammengefasst werden. Der Block verfügt dann über Eingänge und Ausgänge, die
denen des zugrunde liegenden Modells entsprechen. Das Bild 2-15 zeigt die auf diese Weise
erstellten Blöcke für die bisher behandelten drei diskreten Strukturelemente.
Bild 2-15: Maskierte SIMULINK®-Modelle für Masse, Steifigkeit und Dämpfer
2.5 Parameterbestimmung
2.5
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Parameterbestimmung
Um eine gute Modellqualität zu erreichen, ist neben der Wahl einer angemessenen Modellstruktur die möglichst wirklichkeitsnahe Festlegung der einzelnen Modellparameter wichtig.
Bei allen Eigenschaften besteht natürlich grundsätzlich die Möglichkeit, diese in einem Experiment zu bestimmen. Hierbei ist mehr oder weniger Aufwand zu treiben, so dass diese Variante in den meisten Fällen nicht die praktikable erste Wahl ist.
Am unproblematischsaten stellt sich die Bestimmung der Masseeigenschaften dar. Für die
meisten Bauteile ist die Dichteverteilung bekannt, in der Regel liegt sogar eine konstante Dichte vor. So kann die Geometrie bestimmt werden, aus der sich in Verbindung mit der Dichteverteilung die Masseeigenschaften ergeben. Liegen 3-D-Modelle von Bauteilen in CAD-Systemen
vor, so liegt diese Berechnung meist automatisiert vor.
Die Steifigkeiten liegen für primitive Geometrien und auch viele komplexere Bauteile und
Baugruppen Informationen in der Literatur vor [Hol94]. Darüber hinaus sind für Bauteile, die
in Bereichen Anwendung finden, in denen die Steifigkeit von besonderem Interesse ist, oft
Informationen der Hersteller verfügbar. Gerade für in Serie hergestellte Bauteile sind dies dann
auch experimentell abgestützte Daten. Liefern alle diese Quellen keine Informationen, so müssen Steifigkeiten berechnet werden. Dies kann bei hinsichtlich Geometrie oder Homogenität
komplexen Bauteilen bis zur Durchführung von FE-Analysen gehen.
Die Dämpfung stellt den kompliziertesten Parameter dar. Sie kann rechnerisch nicht ermittelt
werden. Deswegen sind experimentelle Daten erforderlich. Aus der Erfahrung vielfältiger
versuche können der Literatur Anhaltswerte entnommen werden [Dre06]. Allerdings steckt
gerade in den auf dieser Basis ermittelten dämpfungsbeschreibenden Parametern immer eine
Unsicherheit. Diese kann lediglich durch Experimente wie Ausklingversuche am relevanten
System gemindert werden.
2.6
Systemvereinfachung
Eine wesentliche Frage, die sich im Rahmen der Modellierung ergibt ist die, in welcher Feinheit ein System zu modellieren ist. In der Realität sind die Systemeigenschaften Masse, Steifigkeit und Dämpfung verteilt vorhanden. Insofern sind für eine diskrete Modellierung, die hier
fokussiert behandelt wird, grundsätzlich vereinfachende Annahmen zu treffen, um diese überhaupt vornehmen zu können.
Die Idee der Diskretisierung besteht im Kern darin, die verteilten Systemeigenschaften zu
konzentrieren. Nahe liegend ist eine solche Konzentration, wenn die Verteilung der Eigenschaft über die Struktur hinweg ungleich ist. In diesem Falle kann an dem Ort, wo die Eigenschaft besonders intensiv auftritt ein entsprechendes diskretes Element vorgesehen werden.
Unklarer stellt sich die Vorgehensweise bei der Diskretisierung bei einer gleichmäßigen Verteilung der Eigenschaft dar. Dann lässt sich zumindest ad hoc kein bevorzugter Ort für diskrete
Elemente angeben. In diesem Fall drängt es sich auf, die Anzahl der vorgesehenen Elemente
äquidistant über das System zu verteilen. Bei einer hohen Anzahl an Elementen wird es hierdurch gelingen, das Systemverhalten relativ genau abzubilden. Allerdings steigt der Aufwand
bei Modellierung und Berechnung. Wird aus Gründen des Aufwandes die Anzahl der Elemente
kleiner gehalten, so ist mit ungenaueren Ergebnissen zu rechnen. Darüber hinaus können auch
nicht alle Eigenschaften des Systems, wie z. B. Eigenformen und –frequenzen, rechnerisch
bestimmt werden.
Von besonderer Bedeutung bei der Modell- und Parameterfindung ist die Beobachtung der
Erscheinungen an ausgeführten Systemen. Bei Neuentwicklungen ist diese meist nicht möglich. Da dynamische Analysen aber oft auch nach aufgetretenen Problemen durchgeführt wer-
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2 Systemparameter
den, ist diese Beobachtung bei einem Teil von Aufgabenstellungen durchaus anzustellen. Idealerweise kann der Charakter der zu untersuchenden Schwingungserscheinung aufgenommen
werden. Von besonderem Interesse sind dabei Eigenfrequenzen und Eigenformen der vorliegenden Schwingung. Ist dieser Charakter bekannt, so ist bei der Modellierung und Parameterzuweisung darauf zu achten, dass die Festlegungen die Abbildung der beobachteten Erscheinungen ermöglichen. Ebenso relevant ist die Berücksichtigung der auftretenden Lasten. Diese
sollten hinsichtlich der involvierten Anregungsfrequenzen untersucht werden. Modell und
Parameter sollten dann alle Systemeigenfrequenzen bis zur größten Anregungsfrequenz und im
Bereich der einzelnen Anregungsfrequenzen abbilden.
Aus den genannten Gründen macht es Sinn, vor der Definition eines endgültigen Modells die
Systemeigenschaften detailliert zu untersuchen und z. B. folgende Fragen zu beantworten:
ƒ
An welchen Orten treten bestimmte Eigenschaften konzentriert auf?
ƒ
Welche Eigenschaften des Systems sind ggf. vernachlässigbar?
ƒ
Liegen zunächst definierte diskrete Elemente gleicher Art direkt in Reihe oder parallel zueinander und können so zusammengefasst werden?
ƒ
Hat das System Symmetrie, die bei der Modellierung berücksichtigt werden kann?
ƒ
Kann das in Erwägung gezogene Modell die zu untersuchenden Systemeigenschaften
abbilden?
Die Beantwortung dieser Fragen wird helfen, ein einfaches aber hinreichendes Modell für den
beabsichtigten Zweck zu finden.
2.7
Maxwell-Element
Neben den diskreten Einzelelementen tauchen in der praktischen Modellierung des Öfteren
auch Kombinationen auf. Eine dieser Kombinationen ist das Maxwell-Element (Bild 2-16),
eine Reihenschaltung von Feder und viskosem Dämpfer.
x
x
c
FC = cx = FD = dx&
d
Bild 2-16: Maxwell-Element
Mit dem Maxwell-Element lässt sich z.B. die Deformation eines Werkstoffs beschreiben, der
unter einer aufgebrachten Last sich zunächst spontan verformt und anschließend aufgrund der
anstehenden Last ein langsames Ansteigen der Verformung infolge Kriechen aufweist. Dieses
Verhalten weisen Kunststoffe bereits bei Raumtemperatur und Metalle bei erhöhten Temperaturen auf.
Grundlegend für das Maxwell-Element ist, dass sowohl die Verformung der Feder als auch die
Verformungsgeschwindigkeit des Dämpfers von der von außen einwirkenden Kraft abhängen.
2.8 Kelvin-Voigt-Element
25
Diese Kraft, welche gleichermaßen von Feder und Dämpfer übertragen wird, und ihre Einwirkungsdauer bestimmen die Deformation des Maxwell-Elements. Unter einer konstanten Kraft
setzt sich die Verformung des Elements summarisch aus einer konstanten Verformung der
Feder und einer mit konstanter Geschwindigkeit anwachsenden Verformung des Dämpfungselements zusammen:
xMaxwell =
F
F
+
dt
c
d
∫
Entsprechend diesem Zusammenhang ist auch das SIMULINK®-Modell des MaxwellElements (Bild 2-17) aufgebaut:
Bild 2-17: SIMULINK®-Modell eines Maxwell-Elements
Frage: Welche Verformung weist ein Maxwell-Element bei einer anliegenden Last nach
unendlich langer Zeit auf? Mit welcher Verformung reagiert das Maxwell-Element
auf eine kurzzeitige, schlagartige Belastung?
2.8
Kelvin-Voigt-Element
Neben der Reihenschaltung ist auch die Parallelschaltung von Feder und viskosem Dämpfer,
das so genannte Kelvin-Voigt-Element, geläufig (Bild 2-18).
x
x
c
FC = cx
d
FD = dx&
Bild 2-18: Kelvin-Voigt-Element
Das Kelvin-Voigt-Modell ist besispielsweise geeignet, Federbeine in PKW abzubilden. Federbeine stellen durch das Ineinanderschieben von Stoßdämpfer und Feder eine Parallelschaltung
dieser beiden diskreten Elemente dar (Bild 2-19).
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2 Systemparameter
Bild 2-19: Als Kelvin-Voigt-Modell abbildbare Federbeine in einem Fahrzeug [Volkswagen]
Beschreibend für das Kelvin-Voigt-Modell ist, dass die übertragene Kraft sich als Summe der
von Feder und von Dämpfer übertragenen Kraft ergibt.
FKelvin −Voigt = c x + d x&
Unter einer konstanten Kraft nimmt die Verformung des Kelvin-Voigt-Elements stetig entsprechend der vorliegenden Dämpfung und bisher aufgebauten Rückstellkraft der Feder zu. Die
Verformung nimmt zu, und zwar so lange bis die aufgebaute Federrückstellkraft mit der einwirkenden Kraft im Gleichgewicht steht. Genau dann besteht kein Kraftanteil mehr, der ein
weiteres Verfahren des Dämpfers einleiten könnte.
Für das SIMULINK®-Modell ist hier die inverse Aussage modelliert (Bild 2-20). Diese besagt,
dass die von außen einwirkende Kraft abhängig ist vom aktuellen Verformungs- und Geschwindigkeitszustand des Elements.
Bild 2-20: SIMULINK®-Modell eines Kelvin-Voigt-Elements
Genauso wie für die diskreten Einzelelemente sind hier auch die Blöcke für die beiden FederDämpfer-Kombinationen angelegt (Bild 2-21).
2.8 Kelvin-Voigt-Element
27
Bild 2-21: Maskierte SIMULINK®-Modelle für Kelvin-Voigt-Modell und Maxwell-Modell
Frage: Welche Lage erreicht ein Kelvin-Voigt-Modell nach theoretisch unendlich langer
Zeit? Welche Verformung weist ein kelvin-Voigt-Modell bei kurzzeitiger, schlagartiger Belastung auf?

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