Bevölkerung und Klimawandel - Deutsche Stiftung Weltbevölkerung

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Bevölkerung und Klimawandel - Deutsche Stiftung Weltbevölkerung
[I N F O
W el t be v ö lker u n g ]
» Bevölkerung und Klimawandel
»
Bevölkerungsdynamiken hängen eng mit den Ursachen und
Folgen des Klimawandels zusammen. Zum einen trägt
schnelles Bevölkerungswachstum, das unter anderem auf
ungewollte Schwangerschaften zurückgeht, zu den steigen-
Beitrag zum und Belastung durch den Klimawandel
Während auf die Industrieländer der ­weitaus größte Anteil am vom Menschen
­verursachten Klimawandel entfällt (siehe obere Weltkarte, die den Anteil an den
globalen CO2-Emissionen aus fossilen Energieträgern abbildet), sind die Menschen
in armen Ländern – und hier ganz besonders in Afrika – einem sehr viel höheren
Risiko ausgesetzt, an den Folgen des Klimawandels zu ­sterben (siehe ­untere Welt­
karte, die die ­regionalen Schätzwerte der Weltgesund­heits­organisation zur
­Pro-Kopf-Sterblich­keit infolge der Klima­veränderungen im ­späten 20. Jahrhundert
widerspiegelt).
Quelle: Patz, J. und andere: „Climate Change and Global Health: Quantifying a Growing Ethical Crisis“, In Ecohealth, Nr. 4, S. 397–405, 2007, sowie
Weltgesundheitsorganisation: „Protecting Health from climate Change: World Health Day 2008“
den Treibhausgasen bei. Zum
anderen werden durch eine
rasche Bevölkerungszunahme
immer mehr Menschen den
Folgen des Klimawandels
ausgesetzt.
Vor allem den ärmsten Ländern der
Welt fehlt es an Mitteln, um Aus­
wirkungen wie Flutkatastrophen,
Dürren und sinkende landwirtschaft­
liche Erträge zu bewältigen. Ein
­besserer Zugang zu Aufklärung und
Familienplanung würde ungewollte
Schwanger­schaften vermeiden und
damit das Bevölkerungswachstum
verlangsamen. Das wiederum würde
den Menschen helfen, besser mit den
Folgen des Klimawandels umzugehen
– und dazu beitragen, Treibhaus­
gasemissionen zu verringern. Eine
besondere Verantwortung kommt
den Industrieländern zu. Denn sie
sind es, die durch ihren hohen Konsum
den Klimawandel hauptsächlich
­verursachen.
Die Folgen des Klimawandels
Regionen mit hohem Bevölkerungs­
wachstum sind häufig Gebiete, die
einerseits besonders stark von den
Folgen des Klimawandels betroffen
sind und andererseits besonders arm
sind. In vielen der ärmsten Regionen
der Erde sorgen Veränderungen bei
Temperaturen und Niederschlägen
für schrumpfende Ernteerträge und
belasten die oft ohnehin knappe
Wasserversorgung. Extreme Wetter­
ereignisse ­häufen sich. Verheerende
Stürme und ein steigender Meeres­
spiegel bedrohen rasant wachsende
Großstädte in den Küstenregionen
von Entwicklungsländern, in denen
Millionen Menschen ohne sichere
Behausung, Dämme und Flut­schutz­
anlagen leben. Die ärmsten Länder
der Welt haben den Klimafolgen oft
nur wenig entgegenzusetzen.
Temperaturerhöhungen werden die
landwirtschaftliche Produktion in
den Tropen und Subtropen erheblich
beeinträchtigen. Viele Nutzpflanzen
wachsen hier bereits an der obersten
Grenze ihrer Temperaturtoleranz.
Basierend auf den Bevölkerungs­
projektionen der Vereinten Nationen
werden Produktionseinbußen in der
Land­wirtschaft und der Preisanstieg
bei landwirtschaftlichen Erzeug­
nissen aufgrund des Klimawandels
dazu führen, dass bis zum Jahr 2080
weitere 90 bis 125 Millionen Menschen
in Entwicklungsländern vom Hunger
bedroht sein werden.
Schon heute wirken sich Bevöl­ke­
rungs­­wachstum und Klimawandel
erheblich auf die beschränkten
Süßwasser­vorräte der Erde aus.
Über 45 Länder leiden unter Wasser­
mangel oder -knapp­heit, wobei die
Mehrheit dieser Länder in Afrika liegt.
Der Klimawandel führt zu größeren
Abweichungen innerhalb der Nieder­
schlagsmuster. Die Folge: Wenn sich
Regenfälle nicht mehr vorhersagen
­lassen, wird es noch schwieriger, mit
den knappen Wasser­ressourcen
umzugehen. Während auf der einen
Seite das Wasserangebot bedroht ist,
steigt auf der anderen Seite die Nach­
frage durch eine rasant wachsende
Bevölkerung: Jedes Jahr nimmt die
Zahl der Menschen in den 45 Ländern
mit Wassermangel oder -knappheit
um 2,5 Prozent zu und damit mehr als
doppelt so schnell wie die Weltbevöl­
kerung insgesamt (1,1 Prozent).
Bevölkerung und Klimawandel in Afrika – Brennpunkte
Brennpunkte des Bevölkerungs- und Klimawandels in Afrika
mit Staaten, die zusätzlich von Wassermangel oder -­knappheit
und einem hohen ungedeckten Bedarf an Familien­planung
betroffen sind
0
500
1.000
Kilom
Hohes Bevölkerungswachstum und großer Rückgang der
landwirtschaftlichen Produktion
Hohes Bevölkerungswachstum und geringe Widerstandsfähigkeit
gegenüber dem Klimawandel
Staaten mit allen drei Merkmalen
Hoher Prozentsatz an Frauen mit einem ungedeckten Bedarf
an Familienplanung
Zusätzlich Wassermangel oder -knappheit
Zusätzlich Wassermangel oder -knappheit
Zusätzlich Wassermangel oder -knappheit
0
500
1.000
Kilometer
Grafik: Population Action International: „Mapping Population and Climate Change“, 2011
[ 2 ] Weltbevölkerung ] Bevölkerung und Klimawandel
Hohes Bevölkerungswachstum und großer Rückgang der
landwirtschaftlichen Produktion
Hohes Bevölkerungswachstum und geringe Widerstandsfähigkeit
gegenüber dem Klimawandel
Keine Daten für ein Merkmal oder mehrere Merkmale vorhanden
meter
Frauen besonders betroffen
Obwohl die Auswirkungen des Klimawandels jeden
Einzelnen betreffen, sind es besonders die Frauen, die am
stärksten darunter leiden. In vielen Gesellschaften sind
Frauen als Hauptverantwortliche für die Versorgung mit
Wasser, Lebensmitteln und Feuerholz zusätzlichen
Belastungen ausgesetzt, wenn diese Ressourcen knapp
werden oder in ihrer Verfügbarkeit unvorhersehbaren
Schwankungen unterliegen. Auch die Wahrscheinlichkeit,
bei einer Naturkatastrophe zu sterben, ist für Frauen
höher.
Den Klimawandel bewältigen
Um dem Klimawandel zu begegnen,
müssen im Wesent­lichen zwei Maß­
nahmen ergriffen werden. Erstens gilt
es, das Klima zu schützen. Das heißt,
dass die Treibhaus­gasemissionen aus
der Verbrennung fossiler Brennstoffe
verringert und die Abholzung von
Waldflächen begrenzt werden müssen.
Bei der Reduzierung der Treibhaus­
gase sind vor allem die Industrie­
staaten gefordert: Allein in der
Europäischen Union und den USA
verursacht nur etwas mehr als ein
Zehntel der Weltbevölkerung fast ein
Drittel aller CO2-Emissionen.
Doch selbst entschiedene Maß­
nahmen werden die Veränderung des
Klimasystems durch erhöhte Treib­
haus­ga
­ skonzentrationen höchstens
abmildern können. Deshalb ist es
zweitens dringend erforderlich, sich
mit der Frage auseinanderzusetzen,
wie die Menschen in den am stärksten
betroffenen Gebieten besser mit den
Folgen des Klimawandels umgehen
können.
© Reiner Klingholz
Bevölkerungswachstum und
Treibhausgasemissionen
Die Entwicklung zukünftiger Treibhausgasemissionen –
und damit das Ausmaß des Klimawandels – hängt von
verschiedenen Faktoren ab. Hierzu zählen neben der
wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung
­insbesondere die Konsumgewohnheiten der reicheren
Länder. Aber auch die Entwicklung der Weltbevöl­kerung
spielt eine Rolle. Szenarien des Weltklimarats (IPCC)
zufolge ist ein schnelleres Bevölkerungswachs­tum in
der Zukunft fast ausnahmslos mit höheren Treibhaus­
gas­emissionen verbunden. Die Verlangsamung des
Bevölkerungswachstums durch Vermeidung ungewollter
Schwangerschaften könnte somit einen wichtigen
Beitrag zur Reduktion künftiger CO2-Emissionen leisten.
Dafür muss vor allem in den Entwicklungsländern der
Zugang zu Familienplanung verbessert werden.
Bevölkerung und Klimawandel
[ Weltbevölkerung [ 3 ]
Die Stiftung Weltbevölkerung ist eine international ­tätige Entwicklungshilfe­
organisation. Sie hilft jungen Menschen in Afrika und Asien, sich selbst
aus ihrer Armut zu befreien. Ungewollte Schwanger­schaften und Aids ver­
schärfen die Armut und bedeuten für viele Jugend­liche den Tod. Deshalb
unterstützt die Stiftung Aufklärungs- und Familienplanungsprojekte sowie
Gesundheitsinitiativen in Entwicklungsländern.
www.weltbevoelkerung.de
Herausgeber: Deutsche Stiftung Weltbevölkerung
Göttinger Chaussee 115, 30459 Hannover
Telefon: 0511 94373-0, Fax: 0511 94373-73
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Redaktion: Ute Stallmeister, Gestaltung: Simone Schmidt, Stand: Oktober 2012
Dieses Infoblatt basiert auf der Publikation „Why Population Matters to Climate Change“, Population Action International, 2011.
Die Veröffentlichung wird im Rahmen der europäischen Öffentlichkeitskampagne „Africa’s Demographic Challenges“ herausgegeben. Die Kampagne wird von der
Europäischen Union finanziell gefördert. Für den Inhalt dieser Veröffentlichung ist allein die Stiftung Weltbevölkerung verantwortlich; der Inhalt kann in keiner Weise als
Standpunkt der Europäischen Union angesehen werden.
Familienplanung wirkt
Doch noch immer bekommen viele
Frauen in Entwicklungsländern mehr
Kinder, als sie sich wünschen. Welt­
weit haben mehr als 220 Millionen
Frauen keinen Zugang zu Familien­
planung, obwohl sie eine Schwanger­
schaft vermeiden wollen. Wenn alle
Frauen, die verhüten möchten, dies
auch könnten, ginge die Zahl der un­­
ge­wollten Geburten um 21 Millionen
zurück, das Bevölkerungswachstum
würde sich somit verlangsamen. Den
Bedarf an Familienplanung zu decken,
hätte in etwa den gleichen Effekt
bezüglich der Senkung künftiger CO2Emissionen wie der Abholzungsstopp
des tropischen Regenwaldes.
Der Mangel an Familienplanung variiert je nach Region stark.
2008
2012
Afrika südlich
der Sahara
62
60
54
Westasien
50
34
Südasien
34
25
Nordafrika
32
Lateinamerika
& Karibik
25
22
8
Ostasien
6
0
Grafik: Stiftung Weltbevölkerung
10
20
30
40
50
60
Quelle: Guttmacher Institute 2012
Anteil der Frauen mit ungedecktem Bedarf an modernen Verhütungsmitteln an allen 15- bis 49-jährigen Frauen
mit Bedarf an modernen Verhütungsmitteln, 2008 und 2012 (in Prozent)
[ 4 ] Weltbevölkerung ] Bevölkerung und Klimawandel
Was ist zu tun?
Verglichen mit den technologi­
schen Investitionen, die für eine
weltweite Verringerung der Treib­
hausgasemissionen erforderlich
wären, sind die Kosten für die
Deckung des Bedarfs an Familien­
planung gering: Um allen Frauen,
die verhüten möchten, die Mög­
lichkeit dazu zu geben, würde dies
8,1 Milliarden US-Dollar jährlich
kosten – vor allem für Verhütungs­
mittel, Personal und Gesund­heits­
systeme. Das sind 4,1 Milliarden
US-Dollar mehr, als heute inves­
tiert werden.
Laut einer Studie US-amerika­
nischer Wissenschaftler des Center
for Global Development würden
die Kosten für die Vermeidung
von Emissionen durch Investi­
tionen in Familienplanung etwa
4,50 US-Dollar pro nicht ausge­
stoßener Tonne Kohlendioxid
betragen. Die technischen Alter­
na­tiven wären weitaus teurer:
Beim Ausbau von PhotovoltaikAnlagen zur Stromgewinnung
aus Sonne würden 30 US-Dollar
pro Tonne anfallen, beim so
70
genannten CCS-Verfahren der
CO2-Abscheidung und -Speiche­rung
an Kohlekraftwerken wären dies
sogar 60 US-Dollar pro Tonne.
Klimaneutral gedruckt auf PEFC-zertifiziertem Papier – fördert die nachhaltige Waldbewirtschaftung
Wenn Frauen die Möglichkeit haben,
die Anzahl ihrer Kinder und den Zeit­
punkt der Geburten selbst zu bestim­
men, fällt es ihnen leichter, sich und
ihre Familien vor den Folgen des
Klimawandels zu schützen. Denn
häufige Geburten und hohe Geburten­
zahlen wirken sich negativ auf die
Gesundheit und die Lebens­bedin­­
gungen der Frauen und ihrer Familien
aus. In einer Studie, die im Jahr 2009
in Äthiopien durchgeführt wurde,
sprachen sich Frauen und Männer
für Familienplanung aus, da sie der
Auffassung waren, dass Familien mit
weniger Kindern besser in der Lage
seien, die aktuellen ökologischen
Herausforderungen zu meistern.