Paul Celan und Ingeborg Bachmann: Poetik und Hermeneutik

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Paul Celan und Ingeborg Bachmann: Poetik und Hermeneutik
UNIVERSITÄT ZU KÖLN
Institut für Deutsche Sprache und Literatur II
Prof. Dr. Dr. habil. StR. Rainer J. Kaus
Tel. 470- 4763, Zimmer: 617,
E-Mail- Adresse: [email protected]
UNIVERSITÄT ZU KÖLN
Institut für Deutsche Sprache und Literatur II
Prof. Dr. Dr. Rainer J. Kaus, StR
Die Vorbesprechung zu dem Oberseminar
Paul Celan und Ingeborg Bachmann:
Poetik und Hermeneutik (Vorles.-Nr. 4417)
findet am Montag, den 09.11.09
von 13.30-14.15 h in R 617 statt.
Kommentar:
Die Beziehung zwischen Paul Celan (1920 - 1970) und Ingeborg Bachmann (1926 - 1973) ist
vor allem bekannt geworden durch den 2008 unter dem Titel Herzzeit erschienenen
Briefwechsel. Es ist eine persönliche, eine Liebesbeziehung, die sich aber zugleich
manifestiert in ihren Werken. Paul Celan tritt hervor als Lyriker mit zahlreichen Lyrikbänden
wie Sand in den Urnen (1968), Mohn und Gedächtnis (1952/53) und Die Niemandsrose
(1963). Das bekannteste freilich ist sein Gedicht Die Todesfuge (Der Tod ist ein Meister aus
Deutschland), das wie viele seiner Gedichte unter dem Einfluß der Erfahrung des Holocaust
entsteht. Als Kind einer deutschsprachigen jüdischen Familie in Czernowitz muß er die
Ermordung seiner Eltern in einem Konzentrationslager miterleben. Ein Thema, das ihn nie
mehr verlassen wird. Sein sehr persönlicher, vom Symbolismus und französischen
Surrealismus beeinflußter Sprachduktus mit einer eigenen Welt von dunklen Metaphern,
Motiven, Farben und Bildern setzt einen Akzent in der Poesie der damaligen Literaturwelt.
Auch die Schriftstellerin und Lyrikerin Ingeborg Bachmann erobert sich in ihren Erzählungen,
in ihrer Todesarten - Trilogie (Malina/ 1971, Der Fall Franza/ 1979, Requiem für Fanny
Goldmann/ 1979), in dem die Vergeblichkeit weiblichen Liebesstrebens thematisiert wird,
und in ihren berühmten Gedichtbänden Die gestundete Zeit (1953) und Die Anrufung des
großen Bären (1956) mit der ihr eigenen Sprachskepsis, mit ihrer eindrucksvollen
Bildersprache und ihrer Kritik an den restaurativen Kräften der Politik ebenfalls eine
exponierte Position in der deutschen Nachkriegsliteratur. Im Mai 1948 treffen sie zum
erstenmal zusammen: Sie, die Tochter eines früh der NSDAP beigetretenen Schuldirektors,
studiert Philosophie, Celan, gerade einen rumänischen Arbeitslager entkom-men,
veröffentlicht gerade seine ersten Gedichte. Es beginnt ein Liebesverhältnis, das von Anfang
an von Irritation und Zerrissenheit gezeichnet ist. Schon im Herbst 1948 geht Celan nach
Paris, weil er den deutschen Sprachraum nicht mehr erträgt. Sie schicken und widmen
einander Gedichte. Oft aber werden Briefe überhaupt nicht abgeschickt. Manchmal der
verzweifelte Versuch von Telefonaten. Es gibt viel Zögern, Unterbrechungen und Schweigen.
Erst 1950, nach Abschluß ihrer Doktorarbeit, besucht ihn Ingeborg Bachmann. Doch
während sie im nachhinein die Drängende bleibt, heiratet er 1952 die Graphikerin Gisèle
Lestrange und mahnt, daß es zwischen ihnen nur noch Freundschaft geben solle. 1952
kommt es auch zu einem schwierigen Zusammentreffen zwischen beiden auf einer Tagung
der Gruppe 47 in Niendorf, wo Celan mit dem ihm eigenen singenden Tonfall sein Gedicht
Die Todesfuge vorträgt, was auf die Ablehnung der meisten der der Literaturrichtung jener
Zeit entsprechend mehr sachlich-realistisch ausgerichteten Teilnehmern trifft. Er zieht sich
gekränkt zurück. Sie jedoch appelliert an Celan, Verlagen weiterhin Gedichte anzubieten.
1953 schickt sie ihm ihren Gedichtband Die gestundete Zeit, bekommt aber keine Antwort.
Seit 1954 lebt sie mit dem Komponisten Hans Werner Henze in Italien zusammen. Aber der
Austausch zwischen den beiden geht im Stillen weiter. Er veröffentlicht inzwischen die Bände
Mohn und Gedächtnis und Von Schwelle zu Schwelle (1955) und kauft sich 1956 ihren
Gedichtband Anrufung des großen Bären. 1957 begegnen sich die beiden noch einmal in
Köln. Die Leidenschaft flammt erneut auf: Du warst, als ich Dir begegnete, beides für mich:
das Sinnliche und das Geistige. Das kann nie auseinander treten, Ingeborg. 1958 trennen
sie sich wieder. Ingeborg Bachmann lernt Max Frisch kennen. Eine als antisemitisch
gedeutete Kritik seines Gedichtbandes Sprachgitter (1959) und der Plagiatsvorwurf der
Witwe des Dichters und Schriftstellers Ivan Goll lassen Celan in eine tiefe Depression
verfallen. 1970 stürzt er sich in die Seine und findet dort den Tod. Ingeborg Bachmann stirbt
1973 an den Folgen eines möglicherweise selbst verschuldeten Brandunfalls in Rom.