Röntgenfluoreszenzanalyse mit einem Silizium

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Röntgenfluoreszenzanalyse mit einem Silizium
Versuchsanleitung
Fortgeschrittenenpraktikum:
Röntgenfluoreszenzanalyse mit
einem Silizium-Driftdetektor
Halbleiterlabor der Max-Planck-Institute
für Physik und für extraterrestrische Physik
Otto-Hahn-Ring 6
81739 München
4. Dezember 2002
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung
3
2 Wechselwirkung von Röntgenstrahlung mit Materie
2.1 Compton-Streuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Der Photoeffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
5
6
3 Erzeugung der Röntgenstrahlung
9
3.1 Kontinuumsstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
3.2 Charakteristische Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
4 Versuchsaufbau
5 Funktionsweise des Silizium-Driftdetektors
5.1 Bandstruktur von Halbleitern . . . . . . .
5.2 Grundprinzipien der Halbleiterdetektoren
5.3 Das Prinzip der Seitwärtsdepletion . . . .
5.4 Das Driftfeld . . . . . . . . . . . . . . . .
5.5 Die Auslesestruktur . . . . . . . . . . . . .
6 Die
6.1
6.2
6.3
12
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14
14
16
18
19
21
Form des Spektrums
21
Kalibrierung mit einem 55 Mn-Spektrum . . . . . . . . . . . . . . 21
Der Untergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Der Pulsformer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
1
Inhaltsverzeichnis
7 Das
7.1
7.2
7.3
Rauschen
25
Physikalische Ursachen des Rauschens . . . . . . . . . . . . . . . 26
Zusammenhang zwischen Rauschen und Shaping-Zeit . . . . . . . 27
Breite der Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
8 Auswertung von Spektren
28
8.1 Charakterisierung der Linien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
8.2 Abschätzung des Untergrunds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
9 Qualitative Analyse
29
9.1 Identifizierung von Elementen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
9.2 Störeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
9.3 Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
10 Versuchsdurchführung
10.1 Bedienung der Röntgenröhre . . . . . . . . . . .
10.2 Inbetriebnahme des Silizium-Driftdetektors . .
10.3 Aufgabengebiet I: Charakterisierung des SDDs
10.4 Aufgabengebiet II: Röntgenfluoreszenzanalyse .
10.5 Anmerkungen zur Ausarbeitung . . . . . . . . .
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32
32
33
33
34
36
11 Strahlenschutz
36
11.1 Dosisgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
11.2 Folgen hoher Strahlenbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
11.3 Durchschnittliche Strahlenbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . 37
12 Weiterführende Literatur
38
13 Kontakt
39
Ziel des Versuchs
In diesem Versuch soll ein grundlegendes Verständnis der Funktionsweise von
Halbleiter-Strahlungsdetektoren anhand von Untersuchungen an verschiedenen
Proben mit Hilfe der Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA) erworben werden. Für
die Durchführung des Versuchs werden Kenntnisse in folgenden Gebieten benötigt:
Atom-/Kernphysik Entstehungsmechanismen von Röntgenstrahlung, Wechselwirkungsprozesse von Photonen mit Materie: Streuung, Photoeffekt, Compton-Effekt.
Festkörperphysik Grundbegriffe der Halbleiterphysik: Bändermodell, Bandlücke, Dotierung, Halbleiterübergangsschichten (Dioden).
2
1 Einführung
Die Röntgenfluoreszenzanalyse findet Anwendung bei der Untersuchung von
Festkörpern, Pulvern und Flüssigkeiten, wie z. B.: Gesteinen, Böden, Mineralien, Erzen, Metallen, Legierungen, Gläsern, Keramiken, Baustoffen, Farbstoffen,
Kunstoffen, Pasten und Ölen. Sie wird eingesetzt in der Forschung und der Qualitätskontrolle von Produkten in der Industrie, in der Grundlagenforschung der
Geowissenschaften und Materialwissenschaften, sowie für die Analytik im Umweltbereich. Ein weiterer sehr wichtiger Anwendungsbereich ist die elementspezifische Analyse in der Elektronenmikroskopie. Die RFA basiert auf der Anregung
von Atomen typischerweise durch energiereiche, primäre Röntgenstrahlung. Die
angeregten Atome emittieren ihrerseits eine Fluoreszenzstrahlung im Röntgenbereich, deren Energie charakteristisch für jedes Element ist. Alle Elemente des
Periodensystems außer Wasserstoff und Helium sind nachweisbar.
Die erzeugte Fluoreszenzstrahlung wird mit Hilfe eines Detektors registriert.
Hierzu können wellenlängen- oder energiedispersive Spektrometer verwendet
werden. In diesem Versuch wird ein energiedispersiver Siliziumdetektor verwendet, der im Gegensatz zu bisher häufig verwendeten Si(Li)-Detektoren nicht mit
flüssigem Stickstoff gekühlt werden muß, sondern mit Hilfe eines Peltierelements
auf −10◦ C gekühlt wird.
Die Röntgenfluoreszenzanalyse läuft im wesentlichen in vier Schritten ab:
1. Die Anregung charakteristischer Röntgenstrahlung in einer Probe durch
hochenergetische Photonen, Elektronen, Protonen oder anderen ionisierenden Teilchen. In diesem Versuch werden die Proben durch Röntgenstrahlen
angeregt.
2. Die Auswahl einer charakteristischen Emissionslinie eines Elements durch
wellenlängen- oder energiedispersive Spektroskopie. Dieser Praktikumsversuch verwendet einen energiedispersiven Silizium-Driftdetektor.
3. Die Bestimmung der Intensität der Emissionslinie.
4. Die Umrechnung der Intensität der charakteristischen Emissionslinie in
die Elementkonzentration mit Hilfe einer geeigneten Kalibrierung.
Alle Elemente emittieren eine Serie von charakteristischen Linien. Die Anzahl
der beobachteten Linien ist abhängig vom Detektionsbereich des verwendeten
Spektrometers und der Anregungsenergie. Üblicherweise verwendet man mindestens zwei Linien zur Identifikation eines Elements.
Bei der quantitativen Analyse wird die Intensität der Linien als Maß für die
Konzentration verwendet. Diese Beziehung ist in den meisten Fällen nicht linear, denn die Intensität einer Linie ist sehr oft abhängig von der Konzentration
anderer in der Probe vorhandener Elemente. Dieser sogenannte Matrix-Effekt
muß bei der Auswertung berücksichtigt werden, wenn ein exaktes Ergebnis benötigt wird. Da Röntgenstrahlen nur ca. 1 bis 1000 µm in Materie eindringen,
ist es wichtig, darauf zu achten, daß die Probe in diesem Bereich homogen ist.
Unter Umständen muß die Probe geeignet präpariert werden.
3
2 Wechselwirkung von Röntgenstrahlung mit Materie
2 Wechselwirkung von Röntgenstrahlung mit Materie
Die Wechselwirkung von elektromagnetischer Strahlung mit Materie ist sehr
komplex und berührt viele Aspekte der modernen Physik. Röntgenstrahlen liegen im Energiebereich von 0,1 bis 100 keV. Wenn sie Materie durchdringen, wird
ihre Intenstität geschwächt. Es gibt verschiedene Arten von Wechselwirkungen,
die alle zu einer Abschwächung der ursprünglich einfallenden Röntgenstrahlung
führen. Das Ausmaß dieser Wechselwirkungen wird stark beeinflußt durch:
1. die Energie der einfallenden Röntgenstrahlung,
2. die spektrale Zusammensetzung der Röntgenstrahlung und
3. die chemische und kristalline Zusammensetzung der Probe.
Die Abschwächung erfolgt exponentiell mit der Dicke und wird durch folgende
Gleichung beschrieben (Lambert-Beersches Gesetz):
I = I0 e−µd
(1)
I = Strahlungsintensität nach Durchgang durch die Materie
I0 = Strahlungsintensität vor Durchgang durch die Materie
d = Schichtdicke des Absorbers
µ = Schwächungskoeffizient (reziproke Eindringtiefe 1/λ)
Der Schwächungskoeffizient ist abhängig von der Energie der Röntgenstrahlen
und dem Absorbermaterial. Die Schwächung der einfallenden Röntgenstrahlen
und Effekte wie Wärmeentwicklung, Streuung und Aussendung von Photonen
mit diskreten Energien sind auf Wechselwirkungen der Röntgenstrahlen mit
Elektronen der Atomhülle zurückzuführen. Hierbei unterscheidet man vier Mechanismen. Beim Photoeffekt werden Elektronen aus der Atomhülle herausgeschlagen. Streuung führt zu Intensitätsverlust beim Durchgang durch Materie. Man unterscheidet zwischen kohärenter Rayleigh-Streuung und inkohärenter
Compton-Streuung.
Der Schwächungskoeffizient setzt sich also aus einem Koeffizienten für die
photoelektrische Absorption µph , einem für Rayleigh-Streuung µra und einem
für Compton-Streuung µcom .
µ = µph + µra + µcom
Aufgabe 1
Der im Versuch verwendete Siliziumdriftdetektor hat ein Eintrittsfenster
aus Aluminium mit einer Dicke von 30 nm, der Detektor selbst besteht
aus 300 µm dickem Silizium. Die untere Energienachweisgrenze ist gegeben
durch das Eintrittsfenster, die obere Grenze durch die Dicke des Siliziums.
Berechnen Sie, welcher Anteil an 500 eV Photonen und 20 keV Photonen
im Detektor registriert werden kann. Zahlenwerte können der Abbildung 1
entnommen werden.
4
(2)
2.1 Compton-Streuung
1000
λ (µm)
100
Si
10
1
Al
0.1
100
1000
10000
E (eV)
Abbildung 1: Eindringtiefe von Photonen in Silizium und Aluminium in Abhängigkeit
von der Photonenenergie.
Welche anderen Faktoren begrenzen die Detektion von niederenergetischen
Photonen und damit den Nachweis von Elementen mit kleinen Ordnungszahlen?
2.1 Compton-Streuung
Bei der Compton-Streuung wechselwirkt ein Röntgenphoton mit einem schwach
gebundenen Elektron in einer äußeren Schale des Atoms. Das Elektron wird
aus dem Atomverbund herausgeschlagen und trägt einen Teil der Energie des
Photons weg. Die Summe der Energie des gestreuten Photons und des Elektrons
ist gleich der Energie des einfallenden Photons. Der Prozeß wird beschrieben
durch Energie- und Impulserhaltung. Für die Energie des gestreuten Photons
gilt folgende Formel:
E0 =
E
1 + (E/me c2 ) (1 − cos φ)
(3)
wobei E und E 0 die Photonenenergien des einfallenden und des gestreuten
Photons darstellen, me ist die Elektronenmasse, c die Lichtgeschwindigkeit und
φ der Winkel zwischen einfallendem und gestreutem Photon.
Der Anteil der Compton-gestreuten Photonen nimmt zu mit der Energie der
Röntgenstrahlen, abnehmender Ordnungszahl des streuenden Atoms und zunehmendem Winkel φ.
5
2 Wechselwirkung von Röntgenstrahlung mit Materie
2.2 Der Photoeffekt
Beim photoelektrischen Effekt werden Elektronen aus dem Atomverband herausgeschlagen, wenn die zugeführte Energie größer als die Bindungsenergie E B
des betreffenden Elektrons ist. Die restliche Energie wird als kinetische Energie
auf das herausgeschlagene Elektron übertragen:
hν = EB + Ekin
(4)
h = Plancksches Wirkungsquantum
ν = Frequenz des Photons
Ein Atom mit einem fehlenden inneren Elektron befindet sich in einem angeregten Zustand. Nach etwa 10−8 Sekunden geht es unter Energieabstrahlung
wieder in den Grundzustand über. Hierbei sind zwei Mechanismen möglich:
Röntgenfluoreszenz und Auger-Effekt.
2.2.1 Röntgenfluoreszenz
Ein Elektron aus einer höheren Schale „fällt“ beim Übergang in den Grundzustand in die durch den photoelektrischen Effekt entstandene Lücke. Die Energiedifferenz ∆E kann vollständig als Röntgenstrahlung abgegeben werden:
∆E = hν
(5)
Dieser Vorgang wird als Röntgenfluoreszenz bezeichnet. Die emittierte Fluoreszenzstrahlung ist charakteristisch für das jeweilige Element sowie für den
betrachteten Energieübergang innerhalb der Elektronenhülle. Das Gesetz von
Moseley beschreibt den Zusammenhang zwischen der Energie der emittierten
Strahlung und der Ordnungszahl des Elements sowie den Hauptquantenzahlen
der beteiligten Schalen der Elektronenhülle:
1
1
2
−
(6)
hν = R h c (Z − σ)
n1 2 n2 2
R = Rydberg-Konstante
Z = Ordnungszahl
σ = Abschirmkonstante (Z − σ gibt die effektive Ordnungszahl an)
n1 , n2 = Hauptquantenzahlen, wobei n2 > n1
Für die praktische Anwendung kann man Gleichung 6 auf folgende einfache
Beziehung reduzieren:
ν ∝ Z2
(7)
Die Linien des emittierten Spektrums sind geordnet in K-, L- und M-Serien, abhängig davon, in welche Schale der Elektronenübergang stattfindet (siehe
auch Abbildung 4). Die verschiedenen Linien innerhalb einer Serie haben unterschiedliche Intensitäten, abhängig von den quantenmechanischen Übergangswahrscheinlichkeiten. Die Energien der Linien werden üblicherweise nicht mit
Hilfe des Moseley-Gesetzes berechnet, sondern liegen in Tabellenform mit hoher
Genauigkeit vor.
6
2.2 Der Photoeffekt
Symbol
n
l
m
s
j
Name
Hauptquantenzahl
Drehimpulsquantenzahl
magn. Quantenzahl
Spinquantenzahl
Vektorsumme s + l
erlaubte Werte
1, 2, . . . , n
0, 1, . . . , (n − 1)
−l, . . . , 0, . . . , +l
±1/2
l ± 1/2
für l = 0 : j 6= −1/2
Auswahlregeln
∆n 6= 0
∆l = ±1
–
–
∆j = ±1 oder 0
Tabelle 1: Auswahlregeln für Elektronenübergänge
Die α-Linien sind die stärksten Linien, da Übergänge zwischen direkt nebeneinander liegenden Schalen am häufigsten auftreten. Die Energien dieser Linien
identifizieren ein Element. Üblicherweise reicht die Kα -Linie aus, um ein Element zu bestimmen, für eine eindeutige Bestimmung sollte aber auf jeden Fall
gleichzeitig die Kβ -Linie identifiziert werden. Ebenso lassen sich die Lα -, Lβ -,
u.a. Linien verwenden.
Die Energie der abgestrahlten Röntgenstrahlung ist im übrigen unabhängig
vom Bindungszustand der Elemente, da in im wesentlichen Übergänge zwischen inneren Schalen vorkommen. Ausnahmen können für niedrige Energien
und leichte Elemente auftreten. Wenn ein Elektron nahe des Valenzbandes am
Emissionsprozeß beteiligt ist, kann die Energie vom chemischen Bindungszustand des Atoms beeinflußt werden. Der charakteristische Peak kann dann für
gleiche Elemente in verschiedenen Verbindungen verschoben sein. Diese Verschiebungen können nur bei leichten Elementen beobachtet werden, die in diesem Praktikumsversuch nicht detektiert werden können.
Aufgabe 2
Im Versuch wird als Target für die Röntgenröhre Molybdän verwendet.
Die Energie der Mo-Kα -Linie liegt bei 17,4 keV. Wie können im Versuch
Elemente mit höheren Ordnungszahlen als Mo nachgewiesen werden?
Aufgabe 3
Bei der charakteristischen Röntgenstrahlung ist die Intensität der K-Linien deutlich höher als die Intensitäten der anderen Serien. Warum werden gerade die am stärksten gebundenen inneren Elektronen (aus der KSchale) aus dem Atomverbund geschlagen? (Hinweis: Energie- und Impulserhaltung)
2.2.2 Auswahlregeln
Elektronenübergänge können nicht von jeder höheren zu jeder niedrigeren Schale stattfinden. Nur einige Übergänge sind erlaubt. Es gelten die in Tabelle 1
angegebenen Auswahlregeln.
7
2 Wechselwirkung von Röntgenstrahlung mit Materie
Serie
Konstante
A
B
C
K
−3, 795 · 10−2
3, 426 · 10−2
−1, 163 · 10−6
L
−1, 111 · 10−1
1, 368 · 10−2
−2, 177 · 10−7
M
−3, 60 · 10−4
3, 86 · 10−3
−2, 01 · 10−7
Tabelle 2: Werte der Konstanten A, B, C für Gleichung 10
2.2.3 Auger-Effekt und Fluoreszenzausbeute
Beim Übergang in den Grundzustand kann die frei werdende Energie auch auf
ein anderes Elektron übertragen werden. Dieses Elektron aus einer höheren Schale verläßt aufgrund der Energieaufnahme die Atomhülle – das Atom ist zweifach
ionisiert. Dieser Prozess wird Auger-Effekt, strahlungsloser Übergang oder interne Konversion genannt. Die kinetische Energie des Auger-Elektrons ist gegeben
durch
Ekin = ∆E − EB ,
(8)
wobei ∆E die frei werdende Energie beim Übergang in den Grundzustand bezeichnet. Die kinetische Energie des Auger-Elektrons ist wiederum charakteristisch für den entsprechenden Übergang und das Element. Der Auger-Effekt
tritt besonders für Elemente mit niedriger Ordnungszahl auf, da deren innere
Elektronen weniger stark gebunden sind.
Ein Resultat des Auger-Effekts ist, daß die Linien einer bestimmten Serie
nicht so intensiv zu beobachten sind, wie man aus der Anzahl der Leerstellen
im betroffenen Orbital schließen könnte. Die K-Fluoreszenzausbeute W K ist definiert durch das Verhältnis der Anzahl emittierter Röntgenquanten n γ der KSerie zu den gleichzeitig geschaffenen Leerstellen n in der K-Schale:
nγ
(9)
n
Die L- und M-Fluoreszenzausbeuten WL und WM sind analog definiert. Die
Fluoreszenzausbeuten sind für die verschiedenen Elektronenschalen eines Atoms
unterschiedlich. Generell steigt die Fluoreszenzausbeute mit steigender Ordnungszahl. Für kleine Ordnungszahlen ist mit einer geringeren Empfindlichkeit
der RFA zu rechnen. Die Fluoreszenzausbeute kann näherungsweise berechnet
werden durch:
WK =
W
1−W
1/4
= A + BZ + CZ 3 ,
(10)
wobei Z die Ordnungsnummer angibt, und A, B und C Konstanten für die jeweilige Schale sind. Für den Nachweis von Elementen mit kleinen Ordnungszahlen
ist die Fluoreszenzausbeute der limitierende Faktor.
Eine Folge des Auger-Effekts ist wie oben erläutert das Entstehen von zweifach
ionisierten Atomen. Zum Beispiel wird in einem Atom eine K-Schalen-Leerstelle
durch primäre Röntgenstrahlung erzeugt, ein L-Schalen-Elektron fällt in die KSchale unter Aussendung eines Kα -Photons, dieses Photon erfährt den Auger-
8
Abbildung 2: Schematischer Aufbau einer Röntgenröhre
Effekt und erzeugt eine weitere Leerstelle in der L-Schale. Das Atom liegt nun
im LL-Zustand vor.
In solchen zweifach ionisierten Atomen führt der Übergang von Elektronen
von einer Schale zu einer anderen zu geringfügig anderen Energien als in einfach
ionisierten Atomen. Solche Linien nennt man Satelliten-Linien. Vor allem bei
Elementen mit niedrigen Ordnungszahlen können diese Linien relativ intensiv
sein, bei Aluminium zum Beispiel beträgt die Intensität der Linie Al K α3 (LKLL-Übergang) ungefähr 10% der Intensität von Al Kα1,2 .
Aufgabe 4
Warum sind mit der Röntgenfluoreszenzanalyse Wasserstoff und Helium
nicht nachweisbar?
3 Erzeugung der Röntgenstrahlung
Röntgenstrahlen lassen sich mit Röntgenröhren erzeugen. Hierbei entsteht zum
einen die Brems- oder Kontinuumsstrahlung, zum anderen die charakteristische
Strahlung. Der typische Aufbau einer Röntgenröhre ist in Abbildung 2 dargestellt. Für tragbare XRF-Spektrometer werden anstelle von Röntgenröhren
Radionuklidquellen wie z. B. 109 Cd oder 241 Am verwendet.
9
3 Erzeugung der Röntgenstrahlung
3.1 Kontinuumsstrahlung
Im Hochvakuum einer Röntgenröhre werden freie Elektronen erzeugt, indem ein
Filament (Glühkathode) hocherhitzt wird, und Elektronen durch thermische
Emission austreten. Diese Elektronen werden in einem starken elektrischen Feld
beschleunigt und treffen dann auf eine Anode (Target), die z. B. aus Mo, Cr, Cu
oder Rh bestehen kann. Beim Auftreffen auf die Anode werden die Elektronen
abgebremst und geben ihre kinetische Energie in Form von kurzwelliger elektromagnetischer Strahlung ab. Daher der (auch im Englischen gebräuchliche)
Ausdruck Bremsstrahlung. Nach der Beschleunigung im elektrischen Feld der
Röntgenröhre besitzen die Elektronen die Energie
Ee = eU
(11)
Hierbei ist e die elektrische Ladung des Elektrons und U die Potentialdifferenz,
die das Elektron auf seinem Weg vom Filament bis zur Anode durchlaufen hat.
Die Energie Ee des Elektrons und die Wellenlänge der Röntgenstrahlung stehen
in einem Zusammenhang, der von der Plankschen Gleichung beschrieben wird:
Ee =
hc
λ
(12)
λ = Wellenlänge
Aus den Gleichungen 11 und 12 ergibt sich die kleinst mögliche Wellenlänge:
λmin =
hc
eU
(13)
Wird ein Elektron in einem Schritt abgebremst, so gibt Gleichung 13 die kürzeste Wellenlänge λmin an, die erzeugt werden kann. Die meisten Elektronen
geben ihre Energie nicht in einem Schritt sondern in einer großen Anzahl an unterschiedlichen Schritten ab. Dies resultiert in einem kontinuierlichen Spektrum
an Röntgenphotonen.
Die Verteilung der Intensität des kontinuierlichen Spektrums wird durch die
Kramersche Regel beschrieben:
1
λ
−1
(14)
I(λ) ∝ iZ
λmin
λ2
I = Intensität in cm−2 s−1
i = Röhrenstrom
Z = Ordnungszahl des Elements des Röhrentargets
Aus Gleichung 13 und der Kramerschen Regel lassen sich drei wichtige Aussagen ableiten (sieha Abbildung 3):
1. Eine Erhöhung der an der Röntgenröhre anliegenden Spannung U bei
konstanter Stromstärke i führt zu einer Verringerung der minimalen Wellenlänge λmin .
2. Es besteht eine lineare Abhängigkeit zwischen der Ordnungszahl des Anodenmaterials und der Intensität der erzeugten Kontinuumsstrahlung.
10
3.2 Charakteristische Strahlung
Abbildung 3: Abhängigkeit der Intensität der Kontinuumsstrahlung vom Röhrenstrom (links), von der Röhrenspannung (Mitte) und von der Ordnungszahl des Anodenmaterials (rechts); aus Bertin (1970).
3. Es besteht ebenfalls eine lineare Abhängigkeit zwischen der Stromstärke i,
mit der die Röntgenröhre betrieben wird, und der Intensität I der Kontinuumsstrahlung. Mit zunehmender Stromstärke werden mehr Elektronen
vom Filament freigesetzt, so daß mehr Elektronen ihre Energie in Form
von Bremsstrahlung abgeben.
3.2 Charakteristische Strahlung
Charakteristische Strahlung entsteht, wenn durch energiereiche Strahlung oder
energiereiche Elektronen innere Elektronen eines Atoms herausgeschlagen werden. Die entstandenen Leerstellen werden dann wieder durch Elektronen höherer
Bahnniveaus besetzt (siehe Abschnitt 2.2.1). Die Energiedifferenz zwischen diesen beiden Besetzungsniveaus wird dann in Form von charakteristischer Röntgenstrahlung diskreter Wellenlänge frei.
Es muß zwischen der charakteristischen Strahlung des Anodenmaterials und
der charakteristischen Strahlung der Probe unterschieden werden. Die charakteristische Strahlung des Anodenmaterials überlagert das kontinuierliche Spektrum der Röntgenröhre nur an wenigen Stellen. Es wird durch das Herausschlagen innerer Elektronen aus dem Anodenmaterial durch die vorher beschleunigten
Elektronen erzeugt.
Die charakteristische Strahlung der Probe wird durch die von der Röntgenröhre kommende Strahlung erzeugt, die sich aus kontinuierlicher und charakteristischer Strahlung zusammensetzt. Aufgrund der unterschiedlichen Bindungs-
11
4 Versuchsaufbau
Abbildung 4: Schematische Darstellung der Energieübergänge bei charakteristischer
Röntgenstrahlung (Schalenmodell)
energie der Elektronen in den verschiedenen Elementen wird mit der Probe ein
Linienspektrum erzeugt, das das kontinuierliche Spektrum der Röntgenröhre an
vielen Stellen überlagert.
Das charakteristische Linienspektrum besteht aus einer Reihe von diskreten
Energielinien. Es ist charakteristisch für das jeweilige Anodenmaterial und hat
bestimmte relative Intensitäten gemäß der Zusammensetzung .
4 Versuchsaufbau
Der typische Aufbau eines Röntgenfluoreszenzanalyse-Spektrometers mit energiedispersivem Detektor ist in Abbildung 5 dargestellt. Die Röntgenstrahlung
aus der Quelle trifft unter einem Winkel von 45◦ auf die Probe. Der gesamte Aufbau befindet sich in einem Gehäuse, welches die Röntgenstrahlung nach
außen abschirmt.
In diesem Versuch wird ein Silizium-Driftdetektor (SDD) eingesetzt, der im
Halbleiterlabor der Max-Planck-Institute für Physik und extraterrestrische Physik gemeinsam mit der Firma Ketek GmbH entwickelt und gefertigt wird. Der
SDD erzeugt für jedes eintreffende Röntgenquant einen Ladungspuls, dessen
Höhe proportional zur Energie des Röntgenquants ist (die Funktionsweise des
SDDs ist in Abschnitt 5 erklärt).
Im Gegensatz zu den ebenfalls in der Röntgenfluoreszenzanalyse häufig verwendeten Gasdurchfluß- oder Szintillationszählern kann bei einem energieauf-
12
Abbildung 5: Schematischer Aufbau eines energiedispersiven RFA-Spektrometers
lösenden Halbleiterdetektor (Spektrometer) wie dem SDD auf ein spezielles dispergierendes Element verzichtet werden. Die spektrale Verteilung der Fluoreszenzstrahlung muß nicht durch Beugung an einem Analysatorkristall ermittelt
werden, da der SDD über eine ausgezeichnete Energieauflösung verfügt (in Abschnitt 7.3 wird gezeigt, warum Halbleiterdetektoren eine wesentlich bessere
Energieauflösung als Gaszähler besitzen).
Im Vergleich zu anderen Halbleiterdetektoren kann der SDD bei sehr hohen
Zählraten (bis zu 106 Photonen/s) messen. Der hier verwendete SDD hat eine
aktive Fläche von 5 mm2 und kann Röntgenstrahlung ab einer Energie von ca.
1 keV detektieren. Der Detekor-Chip kann zwar auch deutlich niederenergetische
Photonen nachweisen (ab ca. 200 eV), eingeschränkt wird die Nachweisgrenze
jedoch durch das Berryllium-Fenster, das auf der Oberseite des SDD-Gehäuses
angebracht ist. Es verschließt das Gehäuse hermetisch und verhindert somit, daß
der Chip durch Staub oder Kondenswasser beeinträchtigt bzw. zerstört wird.
Der SDD ist in Abbildung 6 schematisch dargestellt. Der SDD unterscheidet
sich von vergleichbaren energieauflösenden Halbleiterdetektoren für Röntgenstrahlung (z. B. Si(Li)s) darin, daß es nicht notwendig ist, den Detektor auf sehr
niedrige Temperaturen zu kühlen. Der Silizium-Driftdetektor kann bereits bei
Raumtemperatur betrieben werden und erreicht bei ca. −15◦ C seine optimale
Energieauflösung. Diese Temperatur kann mit einem thermoelektrischen Kühlelement (Peltier-Kühler) erreicht werden, und es wird kein flüssiger Stickstoff
zum Kühlen benötigt. Dadurch ist das Detektormodul klein und unproblematisch in der Handhabung.
In Abbildung 7 ist die Verarbeitung des SDD-Ausgangssignals schematisch
dargestellt. Es geht zunächst in einen ladungsempfindlichen Vorverstärker, welcher auf der Platine angebracht ist, die die Versorgungsspannungen für den
SDD bereitstellt. Damit möglichst keine Störungen in die Signalleitung streuen
können, befindet sich diese Platine in unmittelbarer Nähe des SDD (ca. 10 cm
13
5 Funktionsweise des Silizium-Driftdetektors
Anode
Integrated FET
S
G
D
Drift Rings
V
+
p
n Silicon
Path of
Electrons
Back Contact
Abbildung 6: Schematische Darstellung des SDD. Auf der Oberseite befinden sich die
Ringe, die das Driftfeld definieren. Der p+ -Kontakt auf der Rückseite, der sich über die
gesamte aktive Fläche erstreckt, wird zur Erzeugung der Raumladungszone benötigt.
Die Strahlung trifft von der Rückseite ein.
Abstand).
Das Ausgangssignal der ersten Verstärkerstufe wird danach in eine Verstärker-/Pulsformereinheit (preamp/shaper ) geführt (siehe Abschnitt 6.3). Das Signal wird dort wiederum verstärkt und das stufenförmige Ausgangssignal in
einen gaußförmigen Puls umgewandelt. Nun wird das Signal in eine Diskriminator-/ADC-Einheit geführt. Der Diskriminator läßt nur Signale oberhalb einer
gewissen Signalhöhe (threshold ) passieren. Auf diese Weise kann störendes Rauschen entfernt werden. Der ADC wandelt die analogen Signale in digitale um.
Der Mehrkanalanalysator (MCA) sammelt die Signale entsprechend ihren Amplituden in verschiedenen Kanälen. Man erhält also zunächst ein Pulshöhenspektrum, welches nicht nach der Energie, sondern nach Kanalnummern geordnet
ist. Um den Kanalnummern die entsprechenden Energien zuzuordnen, muß eine
Kalibrierung vorgenommen werden (siehe Abschnitt 6.1). Das vom MCA gespeicherte Spektrum wird zur Weiterverarbeitung in einen Rechner eingelesen.
5 Funktionsweise des Silizium-Driftdetektors
Der Silizium-Driftdetektor (SDD) hat die Aufgabe, die von der Probe ausgehende Röntgenfluoreszenzstrahlung zu detektieren. Prinzipiell kann der SDD nicht
nur Röntgenstrahlung, sondern auch ionisierende Teilchen (z. B. Röntgen- und
Gamma-Strahlung, Elektronen, Protonen, α-Teilchen, Ionen) detektieren.
5.1 Bandstruktur von Halbleitern
Die bei Halbleiterdetektoren üblicherweise verwendeten Materialien Silizium
und Germanium gehören der IV. Gruppe des Periodensystems an; sie sind also vierwertig (tetravalent), d. h. sie besitzen pro Atom vier Valenzelektronen.
14
5.1 Bandstruktur von Halbleitern
SDD
Shaper
Diskri−
minator
Counts
MCA
ADC
Kanäle
Abbildung 7: Das Ausgangssignal des SDD wird verstärkt, geformt, diskriminiert und
digitalisiert. Der MCA trägt das Maximum jedes Pulses in ein Histogramm ein. Das
von dem MCA erzeugte Pulshöhenspektrum wird von einem Rechner ausgelesen und
kann dort weiterverarbeitet werden.
Diese Elektronen ermöglichen über eine kovalente Bindung mit jedem der vier
nächsten Nachbaratome die Bildung des Kristallgitters. Bei einem ungebundenem Atom (z. B. bei einem Gas) bestimmen die diskreten Energieniveaus der
Hüllenelektronen die Energie, die notwendig ist, um eine Elektron-Ionen-Paar
zu erzeugen. Diese Energie liegt typischerweise zwischen 20 und 30 eV. In einem
Festkörper sind die Atome aneinander gebunden und liegen eng beieinander, so
daß sich diese n-fach entarteten Zustände in n nahe beieinanderliegende, sogenannte Bänder aufteilen (wobei n die Anzahl der Atome ist).
Das Band, welches von den Valenzelektronen besetzt ist, wird Valenzband
genannt. Das energetisch niedrigste Band, in dem im Grundzustand (T = 0 K)
noch unbesetzte Zustände vorhanden sind, ist das Leitungsband. Die Energieniveaus des Leitungsbandes befinden sich oberhalb denen des Valenzbandes.
Zwischen den beiden Bändern befindet sich bei Halbleitern und Isolatoren eine
Energielücke, so daß in einem idealen Halbleiter keine Zustände innerhalb dieser Lücke von Elektronen besetzt werden können. Bei T = 0 ist in solch einem
Kristall das Valenzband vollständig gefüllt, wohingegen im Leitungsband alle
Zustände unbesetzt sind.
Ein Isolator unterscheidet sich nur insofern von einem Halbleiter, als daß die
Bandlücke so groß ist, daß die Besetzungwahrscheinlichkeit von Zuständen im
Leitungsband praktisch null ist, da selbst bei Raumtemperatur keine Elektronen
aus dem Valenzband in das Leitungsband angeregt werden können.
Man unterscheidet zwischen intrinsischen und extrinsischen (dotierten) Halbleitern. Ein idealer intrinsischer Halbleiter besitzt keine Störstellen oder Verunreinigungen. Ein realer intrinsischer Halbleiter besitzt nur sehr wenige verglichen
15
5 Funktionsweise des Silizium-Driftdetektors
mit der Anzahl der thermisch generierten Elektronen und Löcher. Intrinsische
Halbleiter werden nur selten benutzt, da es sehr schwierig ist, die Materialien mit einer genügend großen Reinheit herzustellen. Stattdessen verändert man
absichtlich die Eigenschaften des Materials, in dem man „Verunreinigungen“ hinzufügt und damit gezielt Energieniveaus in der Bandlücke erzeugt.
5.2 Grundprinzipien der Halbleiterdetektoren
Prinzipiell können Halbleiterstrahlungsdetektoren jede Art von ionisierender
Strahlung messen. Durch die einfallende ionisierende Strahlung werden im Halbleiter Elektronen angeregt. Die Funktionsweise von Halbleiterdetektoren ist deshalb von der Bandstruktur des Materials (im Fall des SDDs Si) abhängig. Halbleiter besitzen eine Lücke zwischen Valenz- und Leitungsband (Abschnitt 5.1).
Im Grundzustand sind die elektronischen Zustände bis zur oberen Kante des
Valenzbandes voll besetzt und die Zustände im Leitungsband vollständig unbesetzt. Von der Bandstruktur her unterscheiden sich somit Halbleiter nur durch
die Größe der Bandlücke von Isolatoren. Die Bandlücke von Si beträgt 1,6 eV.
Reale Halbleiter besitzen zusätzliche Energieniveaus in der Bandlücke (Donator- und Akzeptorniveaus), deren Eigenschaften durch Dotierung gezielt beeinflußt werden können. Bei einem dotierten Halbleiter (Störstellenhalbleiter)
wird der Grundsubstanz ein geringer Anteil bestimmter Fremdatome zugesetzt.
Dotiert man (das vierwertige) Silizium mit einem fünfwertigen Element (beim
SDD wird Phosphor verwendet), ersetzt dieses Element an einigen Gitterplätzen Siliziumatome. Vier der fünf Valenzelektronen nehmen an den kovalenten
Bindungen zu den vier benachbarten Si-Atomen teil. Das fünfte Valenzelektron
ist jedoch nur sehr schwach gebunden, und es entstehen dicht unterhalb des
Leitungsbandes diskrete Energieniveaus (Donor-Niveaus). Die Elektronen aus
diesen Niveaus können sehr leicht in das Leitungsband angeregt werden, so daß
sie zur elektrischen Leitfähigkeit beitragen. Diesen Halbleitertyp nennt man nHalbleiter, da nahezu alle Ladungsträger negativ sind.
Dotiert man Silizium mit dreiwertigen Atomen (im Fall des SDD mit Bor),
so bilden sich dementsprechend Akzeptorniveaus oberhalb der Valenzbandkante, welche Elektronen aus dem gefüllten Valenzband aufnehmen, wenn diese
thermisch angeregt werden. Es entsteht ein p-Halbleiter, da sich die im Valenzband entstehenden Löcher wie positive Ladungsträger verhalten. Erst durch die
Dotierung von Halbleitern und die Kombination verschieden dotierter Bereiche
lassen sich Bauelemente wie Dioden und Transistoren herstellen – und somit
auch Halbleiterdetektoren, die auf diesen Strukturen aufbauen.
5.2.1 Erzeugung und Auslese der Elektronen
Ein Röntgenquant, das in das Halbleitermaterial eindringt, kann mit seiner
Energie aufgrund des Photoeffekts ein Elektron vom Valenz- in einen unbesetzten Zustand des Leitungsbandes heben (bei Röntgenstrahlung ist die Energie
stets hoch genug um die Bandlücke zu überwinden). Im Valenzband bleibt ein
16
5.2 Grundprinzipien der Halbleiterdetektoren
Loch zurück. Dieses primäre Elektron1 regt (z. B. durch Stoßprozesse) weitere
Elektronen an, und es entstehen weitere Elektron-Loch-Paare, welche wiederum
Energie übertragen. Man spricht deshalb von einem Kaskadenprozeß.
Die Zahl der erzeugten Elektron-Loch-Paare kann mit Hilfe der Paarerzeugungsenergie w berechnet werden. Sie gibt die Energie an, die im Durchschnitt
notwendig ist, um ein Elektron-Loch-Paar zu erzeugen. Sie ist schwach von der
Temperatur des Halbleiters und der Energie des einfallenden Röntgenquants abhängig und liegt für Silizium und Eγ ≈ 1 keV und T ≈ 300 K bei etwa 3,65 eV.
Die Anzahl der im Mittel erzeugten Ladungsträger hni ist deshalb proportional
zur ursprünglichen Energie des Röntgenquants. Ein 6 keV-Röntgenquant erzeugt
also ca. 1 640 Elektronen.
Die Elektron-Loch-Paar-Erzeugungsenergie ist größer als die Bandlücke, da
bei der „Abregung“ der angeregten Elektronen nicht nur weitere Atome ionisiert werden (und dadurch wiederum Photoelekronen freiwerden), sondern auch
durch Phononenstreuung Energie auf das Kristallgitter übertragen wird.
Die auf diese Weise erzeugten Elektronen werden durch Anlegen eines elektrischen Feldes von den Löchern getrennt. Die Elektronen driften in einem elektrischen Feld zur Anode in der Mitte des Detektors (siehe Abschnitte 5.2.2 bis
5.4). Dort wird die elektrische Ladung registriert und ausgelesen (Abschnitt 5.5).
Auf diese Weise kann die Anodenfläche sehr klein gehalten werden. Eine kleine
Anodenfläche hat eine sehr kleine Kapazität zur Folge, wodurch wiederum das
elektronische Rauschen gering bleibt (Abschnitt 7). Durch das Driftprinzip lassen sich deshalb großflächige Detektoren mit dennoch geringer Kapazität und
sehr guter Energieauflösung bauen. Innerhalb des Anodenrings befindet sich ein
JFET (Junction Field Effect Transistor, Sperrschichtfeldeffekttransistor), der
als erste Verstärkungsstufe dient. Die Anode ist an das Gate des JFET gekoppelt. Eine Potentialänderung an der Anode ändert das Potential am Gate. Der
Source-Kontakt ist an einer Konstantstromquelle angeschlossen. Bei einer Änderung des Gate-Potentials ändert sich die an der Source anliegende Spannung.
Ausgelesen wird also nicht die Ladung an der Anode, sondern die Änderung der
Source-Spannung des JFETs.
5.2.2 Der p-n-Übergang
Der SDD enthält zahlreiche Kontaktstellen, an denen sich p- und n-dotiertes
Material berühren. p-n-Übergänge sind der Hauptbestandteil aller Gleichrichter
und Verstärker, aber auch von Solarzellen und Halbleiterdetektoren. Die wichtigste Eigenschaft dieser Struktur ist ihre gleichrichtende Funktion: Je nachdem
welche Polarität die am p-n-Übergang anliegende Spannung hat, leitet oder
sperrt die Diode. Die p-n-Übergänge im SDD werden in Sperrichtung betrieben.
Bringt man zwei Gebiete entgegengesetzter Dotierung zusammen, so beginnt
ein Diffusionsstrom zu fließen. Die Ursache dieses Stromes ist der große Gradient
in der Elektronen- und Löcher-Konzentration der dotierten Gebiete. Elektronen
fließen aus dem n- in das p-Gebiet und hinterlassen positiv geladene Ionenrümpfe. Entsprechendes gilt für Löcher aus dem p-Gebiet. Durch die unbewegli1
Im Vergleich zur Bandlücke ist die Energie des e− so hoch, daß es als ein durch Ionisierung
erzeugtes Photoelektron angesehen werden kann.
17
5 Funktionsweise des Silizium-Driftdetektors
chen, zurückgebliebenen Ionenrümpfe entsteht ein elektrisches Feld (Potential),
das der Diffusion der Elektronen und Löcher entgegenwirkt (Potentialbarriere,
s. u.). Im thermischen Gleichgewicht stellt sich ein Zustand ein, bei dem die Zone um den Übergang frei von beweglichen Ladungsträgern ist. Dieses Gebiet ist
die Verarmungs- oder Depletionszone. Wegen der dort vorhandenen ionisierten
Dotierungsatome wird sie auch Raumladungszone genannt. Das Potential, welches der Diffusion entgegenwirkt, heißt Diffusionspotential und hängt von der
Dotierung und der Temperatur ab.
Legt man eine der Diffusionsspannung gleichgerichtete Spannung am p-nÜbergang an, so vergrößert sich die Raumladungszone. Um z. B. einen 300 µm
dicken, hochreinen Silizium-Wafer mit einer Dotierung von nD = 1012 cm−3 zu
depletieren, benötigt man am p+ -n− -Übergang2 eine Spannung von ca. −70 V
(Gl. 15). Das Prinzip der Seitwärtsdepletion bietet die Möglichkeit, den gesamten Wafer mit einer wesentlich niedrigeren Spannung zu verarmen (siehe
Abschnitt 5.3), Erst durch die Bildung der Raumladungszone ist es möglich, die
angeregten Elektronen zu messen, da in einem nicht-verarmten Halbleiter der
Strom der thermisch generierten Elektronen den durch die Ionisierung erzeugten
Elektronenstrom überdecken würde. Weiterhin ist es auch nur durch Anlegen
einer Spannung möglich, die angeregten Elektronen vom Erzeugungsort an die
Anode zu transportieren.
Im Gleichgewichtszustand fließt aufgrund der Potentialbarriere in der Raumladungszone kein Nettostrom. Das Potential stellt für die Diffusion der Majoritätsladungsträger eine Barriere dar. Hochenergetische Majoritätsladungsträger
können zwar dennoch durch die Barriere diffundieren (Löcher zur n-Region und
Elektronen zur p-Region), die dadurch verursachten Ströme werden aber durch
Driftströme der Minoritätsladungsträger in der Raumladungszone ausgeglichen.
5.3 Das Prinzip der Seitwärtsdepletion
1983 schlugen Gatti und Rehak einen neuartigen, auf dem Prinzip der Seitwärtsdepletion beruhenden Halbleiterdetektor vor. Die Grundidee ist, daß eine
große Fläche, z. B. aus hochohmigem n-Silizium, vollständig von einem kleinen
n+ -Kontakt aus verarmt werden kann, in dem man an zwei großen p+ -Kontakten an der Wafer-Ober- und -Unterseite eine negative Spannung anlegt (siehe
Abbildung 8).
Je negativer die Spannung ist, die an den beiden p+ -Kontakten anliegt, desto
größer ist die Raumladungszone, die von ihnen ausgeht. Bei einer bestimmten
Spannung berühren sich die beiden Verarmungszonen. Das nicht-verarmte Gebiet (d. h. mit höherer Leitfähigkeit) in der Mitte des Wafers verschwindet (siehe
Abbildung 8 b). Die Tiefe der Depletionszone einer Diode zd ist näherungsweise
durch
r
2 0 r Vbias
zd =
(15)
e nD
gegeben (wenn die Akzeptorkonzetration in der p-Dotierung nA als die Donatorkonzentration in der n-Dotierung nD ist). Dabei ist 0 = 8, 85 · 10−14 F/cm
2
Die hochgestellten + und − Zeichen deuten eine starke bzw. schwache Dotierung an.
18
5.4 Das Driftfeld
#
"
#
"
#
!
Abbildung 8: Das Prinzip der Seitwärtsdepletion. a) An den p+ -Implantationen liegt
keine Spannung an. Man erkennt lediglich die intrinsischen Raumladungszonen. b) Die
Raumladungszonen erstrecken sich über die gesamte Tiefe des Wafers. c) zeigt die
sogenannte Überdepletion.
die elektrische Feldkonstante, r die Dielektrizitätszahl (für Si ist r = 11, 9),
Vbias die von außen angelegte Spannung und e die Elementarladung. Die Donatorkonzentration nD liegt typischerweise bei 1012 cm−3 , die Wafer-Dicke beträgt
300 µm und somit benötigt man zur vollständigen Verarmung von einer Seite
aus −70 V.
Bei der Seitwärtsdepletion wird von beiden Seiten aus verarmt, die Depletionstiefe zd ist also lediglich halb so groß. Da Vbias ∝ zd2 ist die zur vollständigen
Depletion benötigte Spannung viermal kleiner als bei einer Depletion von einer
Seite. Das Miminum des Betrags des elektrischen Potentials liegt in der Mitte
des Wafers. Zur Oberfläche steigt der Betrag des Potentials an, woraus sich eine
parabolische Form ergibt (rechte Seite Abbildung 8).
5.4 Das Driftfeld
Der SDD beruht auf dem Prinzip der Seitwärtsdepletion, jedoch wird zusätzlich
ein elektrisches Feld parallel zur Wafer-Oberfläche angelegt, welches die Elektronen zur n+ -Anode transportiert. Dies wird durch ringförmige p+ -Implantationen
auf der Wafer-Oberseite erreicht (siehe Abbildungen 6 und 9). Das positivste
Potential (≈ 0 V) liegt am innersten Ring an, der in unmittelbarer Nähe der Anode liegt. Das negativste Potential (≈ −100 V) liegt am äußersten Ring an. Die
dazwischenliegenden Ringe erhalten ihr Potential durch Spannungsteiler, welche
auf der SDD-Oberfläche implantiert sind. Die Elektronen driften an die Stelle
19
5 Funktionsweise des Silizium-Driftdetektors
+
+
Anode
(p
) (n
) Driftringe
++++
−−− −
+ z
Back−Kontakt (p )
Röntgenquant
r
Abbildung 9: Das Driftfeld im SDD wird durch die Position der p+ -Implantationen
und die dort anliegenden Spannungen definiert. Die durch das Röntgenquant entstandenen Elektronen driften zur Anode, während die Löcher zu den Ringen bzw. dem
Rückseitenkontakt driften.
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34
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Abbildung 10: Potentialverlauf im SDD. Man erkennt die Driftringe (Feldstreifen)
auf der Vorderseite (z = 0) des SDD, das Potentialminimum an der Anode und den
großflächigen Rückkontakt (z = 300 µm).
des positivsten Potentials, also in Richtung Anode. Die Driftgeschwindigkeit
liegt zwischen 103 und 104 m/s. Die Potentialverteilung des auf der Vorderseite
mit Driftringen versehenen SDD ist in Abbildung 10 dargestellt.
20
5.5 Die Auslesestruktur
5.5 Die Auslesestruktur
Wie in Abschnitt 7 gezeigt wird, muß die Kapazität der Ausleseanode möglichst
klein sein, um das Rauschen in Halbleiterdetektoren zu minimieren. Bei konventionellen Halbleiterdetektoren (z. B. pin-Dioden) hängt die Kapazität stets mit
der Größe des strahlungsempfindlichen Volumens zusammen. Damit die Kapazität möglichst klein, ist minimiert man deshalb entweder die sensitive Fläche
oder erhöht die sensitive Dicke. Bei SDD ist hingegen die Größe des strahlungsempfindlichen Volumens von der Ausleseanode entkoppelt, da ein elektrisches
Feld parallel zur Wafer-Oberfläche die Signalladung zur Anode transportiert.
Die Anodengröße ist somit unabhängig von der sensitiven Fläche.
Um die Energie der eintreffenden Strahlung zu bestimmen, mißt man die
Anzahl der an der Auslesestruktur (d. h. die Anode und der JFET) eintreffenden
Elektronen. Die Anzahl der im Halbleiter erzeugten Elektron-Loch-Paare ist
proportional zur Energie Eγ und umgekehrt proportional zur Elektron-LochPaar-Erzeugungsenergie w:
Eγ
(16)
hni =
w
Die Elektron-Loch-Paar-Erzeugungsenergie w beträgt für Silizium 3,65 eV bei
T = 300 K. Die an der Auslesestruktur meßbare Spannungsänderung beträgt
∆U =
q
,
C
(17)
wobei q = −hnie die injizierte Ladung ist und C die Kapazität der Anode.
Für den SDD beträgt C typischerweise 200 fF, also erzeugt ein eintreffendes
Röntgenquant mit Eγ = 6 keV einen Spannungspuls von
∆U = −
Eγ e
= −1, 3 mV
wC
Der auf der Chip-Mitte befindliche JFET ist über eine Aluminiumstruktur mit
der Anode verbunden (siehe Abbildung 6 Mitte). Auf diese Weise vermeidet man
Einstreuungen und eine deutlich höhere Kapazität, die auftreten würde, wenn
die erste Verstärkerstufe außerhalb des SDDs läge und mit der Anode durch
Bond-Drähte verbunden wäre.
6 Die Form des Spektrums
6.1 Kalibrierung mit einem
55
Mn-Spektrum
Die Energieauflösung wird bei Halbleiterdetektoren für Röntgenstrahlung häufig mit einem radioaktiven Eisenpräparat (55 Fe) bestimmt. 55 Fe hat eine Halbwertszeit von 2,73 Jahren und zerfällt durch Elektroneneinfang zu einem angeregten Zustand von Mangan-55. Beim Übergang zum Grundzustand werden
u. a. Röntgenphotonen mit Energien von 5,895 keV (24 % Wahrscheinlichkeit)
und 6,492 keV (2,9 % Wahrscheinlichkeit) emittiert – die Mn Kα - und Kβ -Linien. Mit Hilfe dieser beiden Linien nimmt man eine Kalibrierung vor. Unter der
21
6 Die Form des Spektrums
Energie (eV)
2000
4000
6000
8000
10000
12000
14000
1000000
100000
counts
10000
1000
100
10
1
1000
2000
3000
4000
5000
Kanal
Abbildung 11: Ein typisches, mit einem SDD und einer Fe-55-Quelle aufgenommenes
Mn-Spektrum in halblogarithmischer Darstellung. Man erkennt die beiden Mn K-Peaks,
den Escape-Peak und den Pile-up.
Annahme, daß das Ausgangssignal des Detektors direkt proportional zur detektierten Energie der Röntgenquanten ist, kann man den Kanalnummern x die
dazugehörige Energie E zuordnen.
Aufgabe 5
Die Mn Kα -Linie habe den Mittelpunkt ihrer Verteilung bei Kanal x1 ,
die Mn Kβ -Linie liege bei Kanal x2 . Geben Sie eine Gleichung an, mit der
man Kanalnummern in die entsprechende Energie umrechnen kann. Welche Energie kann man einer Linie zuordnen, deren Mittelpunkt bei Kanal
700 liegt, wenn x1 = 1 000 und x2 = 1 200?
Die Energieauflösung gibt man üblicherweise mit der vollen Halbwertsbreite
(FWHM, Full Width at Half Maximum) der Gauß-Verteilung um den Mn K α Peak an. Sie liegt für auf ≤ −10◦ C gekühlte SDDs zwischen 140 und 150 eV.
Der physikalische Ursprung dieser Breite wird in Abschnitt 7 erklärt.
Aufgabe 6
Die Gauß-Verteilung ist durch folgende Gleichung gegeben:
(x − p)2
φ(x) = h · exp −
2 σ2
(18)
Dabei ist h die Höhe, p die Positions des Mittelpunkts und σ die Breite der
Gauß-Verteilung. Veranschaulichen Sie durch eine Skizze (z. B. für h = 1,
22
6.2 Der Untergrund
p = 0) die Bedeutung von σ. Rechnen Sie die Breite σ in die volle Breite
auf halber Höhe σFWHM um.
Abbildung 11 zeigt ein typisches 55 Mn-Spektrum. Man erkennt neben den Mn
Kα - und Kβ -Linien auch den sog. Escape-Peak bei ≈ 4, 2 keV. Dieser kommt
folgendermaßen zustande: Wenn ein (primäres) Röntgenquant ein Elektron aus
der K-Schale eines Siliziumatomes herausschlägt, füllen Elektronen aus höheren Schalen das Loch in der K-Schale auf. Die Energiedifferenz ∆E wird in
Form eines weiteren Röntgenquants frei. Falls dieses Röntgenquant das sensitive Detektorvolumen verläßt, kann nicht die volle Energie Eγ des primären
Röntgenquants detektiert werden, sondern lediglich Eγ − ∆E. Die Si Kα -Linie
liegt bei 1,74 keV, der Escape-Peak hat deshalb eine Energie von 4,155 keV.
6.2 Der Untergrund
Neben diesen drei Peaks erkennt man noch verschiedene Fluoreszenzlinien zwischen 4 und 6 keV sowie einen Untergrund, der sich über den gesamten Energiebereich erstreckt. Der physikalische Ursprung dieser Ereignisse mit nur teilweiser Ladungssammlung (partial events) ist in Abbildung 12 veranschaulicht. Zum
einen ist es möglich, daß das Röntgenphoton in der dünnen Aluminiumbeschichtung oder an der Grenzfläche zwischen Aluminium und dem p+ -Si absorbiert
wird (Fall a). Nur ein Teil der Ladung kann nun in das aktive Volumen driften
und wird registriert. Im Spektrum sind diese Ereignisse gleichmäßig bis hin zur
Gesamtenergie des Röntgenquants verteilt.
Wird das Röntgenquant in der Nähe der Grenzschicht zwischen der p + -Implantation und dem n− -Substrat absorbiert, kann es ebenfalls zu einer lediglich
teilweisen Ladungssammlung kommen, da die in der p+ -Implantation befindlichen Löcher einen Teil der Elektronen einfangen können. Der niederenergetische
Peak im obigen Spektrum in Abbildung 12 (ungefähr 15 ADC-Kanäle) rührt
vom Rauschen der Verstärkerelektronik her. Bei einer etwas höheren Diskiminatorschwelle wird dieser Peak unterdrückt.
Bevor in Abschnitt 7 eine physikalische Begründung für die Ursachen der
Peak-Breite σ gegeben werden kann, muß zunächst der Begriff der Shaping-Zeit
erklärt werden.
6.3 Der Pulsformer
Eine Pulsformung errreicht man durch das Hintereinanderschalten von Differenzier- (CR) und Integrationsgliedern (RC). Differenzierglieder schwächen Signale
mit niedriger Frequenz ab (Hochpaßfilter), während RC-Glieder als Tiefpaßfilter
arbeiten. Man erreicht dadurch effektiv ein höheres Signal-zu-Untergrund-Verhältnis, da durch den Einsatz eines Pulsformers die Signalverarbeitung auf den
Frequenzbereich beschränkt wird, in dem die sinnvollen Detektorsignale liegen.
Differenzier- und Integrationsglieder werden durch die Zeitkonstante
τ = RC ,
(19)
23
6 Die Form des Spektrums
&'(*) +*, (.- /1032547698*':*; (=<
"!$#%
Abbildung 12: Die verschiedenen Prozesse, die für die Erzeugung von Ereignissen
mit teilweiser Ladungssammlung (partial events) auf der Rückseite des Detektors verantwortlich sind: a) Ladungserzeugung an der Grenzfläche zwischen Aluminium und
Silizium. b) Rekombination der Signalladungen in der Nähe der Grenzfläche p + -Implantation-n− -Silizium. c) Vollständige Ladungssammlung. d) Hochenergetische Röntgenstrahlung verläßt den Detektor, ohne mit ihm wechselzuwirken. Der obere Plot zeigt
ein typisches, monoenergetisches Energiespektrum, der mittlere einen schematischen
Schnitt durch den Detektor, der untere Plot die CCE-Funktion (charge collection efficiency, Ladungssammlungseffizienz) bis zu einer Tiefe von 0,8 µm, also knapp 0,3%
der gesamten Wafer-Dicke.
24
also dem Produkt aus Widerstand und Kapazität, charakterisiert (Pulsformungszeitkonstante = Shaping-Zeit). Ein CR-Glied wandelt ein stufenförmiges Eingangssignal
E (t ≥ 0)
Ein (t) =
0 (t < 0)
in ein exponentiell abfallendes Ausgangssignal
Eout (t) = E e−t/τ
um. Ein RC-Integrationsglied wandelt es demenstprechend in ein exponentiell
ansteigendes Ausgangssignal um:
Eout (t) = E 1 − e−t/τ
Eine Gaußsche Pulsform erreicht man in der Praxis durch ein einfaches CR-Differentiationsglied, dem mehrere RC-Integrationsglieder folgen. Der in diesem
Versuch verwendete Pulsformer erzeugt eine asymmetrische, sogenannte semiGaußsche Pulsform, d. h. die Anstiegszeit des Ausgangssignals (≈ 2τ ) ist kürzer als die abfallende Flanke (≈ 5τ ). Die gesamte Pulsdauer beträgt also 7τ .
Daraus läßt sich leicht die maximale Zählrate fmax bei gegebener Shaping-Zeit
abschätzen, ohne daß pile-up (siehe Abschnitte 7.2 und 9.2) auftritt:
fmax =
1
7τ
(20)
Bei diesem Pulsformer beträgt die kleinste einstellbare Shaping-Zeit 0,25 µs,
es können also maximal 5, 7 · 105 Pulse pro Sekunde gezählt werden. Da die
Pulse jedoch zufällig und nicht mit einer regelmäßigen Frequenz auftreten, ist
die maximale Zählrate etwas niedriger. Bei Verwendung eines Pile-up-Rejectors,
der die Pulse nicht weiterleitet, wenn kurz hintereinander zwei Pulse auftreffen,
ist Gleichung 20 wieder gültig.
7 Das Rauschen
Die verschiedenen Anteile, die bei einer Ladungsmessung mit Halbleiterdetektoren zum Rauschen beitragen, sind in folgender Gleichung aufgeführt:
2 kB T C 2
+
gm τ
bf
2
+
A2 2π af C +
2π
2 kB T
A3 q Il +
τ
Rf
nENC2 =A1
serielles Rauschen
(21)
niederfrequentes Rauschen
(22)
paralleles Rauschen
(23)
Dabei ist
• nENC ist die Anzahl der Elektronen des equivalent noise charge (äquivalente Rauschladung);
25
7 Das Rauschen
• gm der Gegenwirkleitwert (transconductance) des JFET;
• A1 , A2 , A3 Konstanten, die von den Filterfunktionen des Shapers abhängen;
• T die Temperatur;
• C die Kapazität der Anode;
• af und bf Konstanten, die das niederfrequente Rauschen parametrisieren;
• Il der Leckstrom;
• Rf der Widerstand der Feedback-Schaltung im Vorverstärker;
• τ die Shaping-Zeit (siehe Abschnitt 6.3).
Die Gleichung zeigt, daß, um das Rauschen zu minimieren, in erster Linie die
Kapazität C, die Temperatur T , sowie der Leckstrom Il klein sein müssen. Zudem hängen die verschiedenen Rauschkomponenten in unterschiedlicher Weise
von der Shaping-Zeit ab: nENC ist für serielles Rauschen ∝ τ −1/2 , für paralleles Rauschen ∝ τ 1/2 und das niederfrequente Rauschen (1/f -Rauschen) ist
unabhängig von der Shaping-Zeit.
7.1 Physikalische Ursachen des Rauschens
Das serielle Rauschen (Gleichung 21) ist thermisches Rauschen durch einen Widerstand R = 1/gm und wird im Transistor generiert. Das thermische Rauschen
entsteht durch die Brownsche Molekularbewegung der Elektronen in einem elektrischen Leiter, was wiederum zu unterschiedlichen Potentialdifferenzen an den
beiden Leiterenden führt.
Das 1/f -Rauschen (22) entsteht durch elektrisch aktive Traps im Transistorkanal, die Ladungsträger einfangen und wieder emittieren. Dies bewirkt einen
Anstieg des elektrischen Felds im Transistorkanal, welches wiederum den Strom
beeinflußt. Die Störungen im elektrischen Feld können durch die Trap-Dichte
und deren Einfang- und Emissionsrate beschrieben werden.
Das parallele Rauschen (23) enthält alle Ströme, die durch den elektrischen
Eingang fließen. Dies ist in erster Linie der Oberflächenleckstrom, der durch Defekt-bedingte mobile Ladungsträger an der Oberfläche herrührt. Diese Defekte
bestehen vor allem aus unvermeidliche Verunreinungen und Gitterfehlstellen.
Der Leckstrom kommt durch die thermische Generation von Elektron-Loch-Paaren im Halbleiter zustande, die durch Energieniveaus in der Bandlücke ermöglicht werden. Diese Energieniveaus entstehen durch Fehlstellen im Kristallgitter
und Kontamination mit (überwiegend metallischen) Fremdatomen im Silizium.
Liegen diese Energieniveaus (traps) in der Mitte der Bandlücke, halbiert sich
der Leckstrom jeweils bei einer Temperaturverringerung um 7 K. Zum parallelen
Rauschen trägt auch der Leckstrom durch das Gate, sowie der Feedback-Strom
durch den Feedback-Widerstand im ladungsempfindlichen Vorverstärker bei.
26
7.2 Zusammenhang zwischen Rauschen und Shaping-Zeit
7.2 Zusammenhang zwischen Rauschen und Shaping-Zeit
Könnte man den Leckstrom des Detektors unendlich klein machen (z. B. durch
Kühlung des SDDs und der Elektronik), so müßte man die Shaping-Zeit τ so groß
wie möglich machen, um das Rauschen zu minimieren, bis das 1/f -Rauschen die
obere Grenze für das Rauschen bildet. Dies steht jedoch im Widerspruch zur
hohen Zählratenfähigkeit, denn lange Shaping-Zeiten führen zu pile-up-Effekten.
Pile-up tritt auf, wenn innerhalb der Breite des Pulses nicht nur ein Signal,
sondern zwei oder mehr aufsummiert werden und somit ein falsches Spektrum
liefern. Um pile-up zu verhindern, muß also C verringert werden, um trotz kurzer
Shaping-Zeit ein niedriges Rauschen zu erhalten.
7.3 Breite der Verteilung
Damit nah beieinanderliegende Fluoreszenzlinien noch getrennt werden können,
muß die Breite der Peaks (die Energieauflösung) möglichst klein sein. Die mit
einem SDD erreichbare Energieauflösung σ (vgl. Gleichung 18) beträgt:
r
F Eγ
σ = w nENC2 +
(24)
w
Dabei ist F der Fano-Faktor (für Silizium ist F = 0, 115), Eγ die Energie
des Röntgenquants und w die Elektron-Loch-Paar-Erzeugungsenergie. Selbst
bei verschwindendem nENC kann die Breite nicht unter das Fano-Limit
p
(25)
σ = wF Eγ
fallen. Der Fano-Faktor ist definiert als die mittlere quadratische Abweichung
der Anzahl der erzeugten Ladungsträgerpaare geteilt durch die mittlere Anzahl
der erzeugten Ladungsträgerpaare hni:
F =
hn2 i − hni2
hni
(26)
Der Fano-Faktor F kann auch interpretiert werden als beobachtete Varianz der
2 , wie man sie bei
2
geteilt durch die Varianz σPois
Ladungsträgerverteilung σbeob
einer Poisson-Verteilung erwarten würde:
F =
2
σbeob
2
σPois
(27)
Da die Prozesse, die zur Erzeugung der Ladungsträger führen, nicht unabhängig
voneinander sind, ist die beobachtete Varianz in der Anzahl der Ladungsträger
deutlich kleiner als bei einer Poisson-Verteilung erwartet, bei der
σPois p
= hni ,
w
(28)
gilt. (hni ist die Anzahl der erzeugten Ladungsträger). Setzt man Gleichung 28
in Gleichung 27 ein, löst diese nach σbeob auf und berücksichtigt Gleichung 16,
27
8 Auswertung von Spektren
so erhält
p man die kleinst mögliche Breite (Gleichung 25). Da Eγ ∝ hni und
σ ∝ hni, erhält man eine um so kleinere relative Breite
σ
1
∝p
,
Eγ
hni
je höher die Anzahl der erzeugten Ladungsträger ist. Damit kann man sich nun
leicht klarmachen, warum die Energieauflösung bei Halbleiterdetektoren wesentlich besser als bei Gasdetektoren ist: Bei Halbleiterdetektoren ist F ∼ 0,1 ,
während bei Gaszählern die Ionisationsstatistik im wesenlichen der PoissonVerteilung gehorcht, und somit F ∼ 1 ist. Da zudem die Elektron-Loch-PaarErzeugungsenergie um etwa eine Größenordnung kleiner als die Ionisierungsenergie von ungebundenen Atomen im Gas ist, ergibt sich nach Gleichung 25
√
für Halbleiterdetektoren eine um den Faktor 0, 1 · 0, 1 = 0, 1 verringerte Breite
σ als für Gasdetektoren.
8 Auswertung von Spektren
8.1 Charakterisierung der Linien
Photonen unterschiedlicher Energie treffen im Detektor ein. Dort erzeugen sie
Elektronen, deren Anzahl ein Maß für die jeweilige Photonenenergie ist. Ein
MCA ermittelt die Häufigkeitsverteilung der einzelnen Energien und stellt dies
als Spektrum dar. Ein solcher Zählprozeß wird durch eine Poissonstatistik beschrieben, die sich aber für große Zahlen durch eine Normalverteilung (GaußVerteilung) annähern läßt.
Zunächst werden die Positionen der Linien näherungsweise bestimmt. Das
kann per Hand oder mit dem Computer durch Peak-Search-Algorithmen geschehen. Um die genaue Position, Höhe und Halbwertsbreite der Linien zu
erhalten, werden die Peaks durch Gauß-Funktionen (siehe Gleichung 18) mit
Least-Squares- oder Maximum-Likelihood-Verfahren approximiert. Als Maß für
die Intensität wird bei einem energiedispersiven Detektor die Fläche unter dem
Peak verwendet, also die Zahl der Ereignisse unterhalb des gefitteten GaußPeaks (Untergrund bereits abgezogen – siehe nächster Abschnitt).
8.2 Abschätzung des Untergrunds
Bei allen Messungen muß eine Untergrundkorrektur durchgeführt werden, um
korrekte Werte für die Intensitäten zu erhalten. Für die Korrektur der Intensität
gibt es verschiedene Ansätze, die von der einfachen Subtraktion eines benachbarten Meßpunktes ohne Peak bis hin zu einem Least-Squares-Fit mit Polynomen
zweiter Ordnung reichen. Als sinnvoll hat sich das folgende Verfahren erwiesen.
Links und rechts vom Peak wird in gleichem Abstand vom Mittelpunkt in
zwei gleich breiten Abschnitten ohne Peak integriert (Breite η B /2). Es ergeben
sich die Häufigkeits-Summen NB1 und NB2 . Ebenso wird der Peak über eine
Breite ηP integriert, man erhält den Wert NT = P + B (siehe Abbildung 13).
Der Untergrund ergibt sich zu
ηP
(NB1 + NB2 )
(29)
B=
ηB
28
Abbildung 13: Untergrundkorrektur der Peakfläche zur Ermittlung der Intensität
Daraus ergibt sich die korrigierte Intensität P . Das im Versuch verwendete Meßprogramm führt bereits eine Untergrundkorrektur durch. Bei der Festlegung des
Fit-Bereichs ist jedoch darauf zu achten, daß die linke und rechte Grenze des
Fit-Bereichs symmetrisch um den Gauß-Peak liegen, und ηB ≈ ηP ist.
9 Qualitative Analyse
9.1 Identifizierung von Elementen
Alle Elemente weisen ein charakteristisches Röntgenspektrum auf, wobei die
Intensitäten der verschiedenen Linien in festen Verhältnissen vorliegen. Um ein
Element eindeutig zu identifizieren, benutzt man üblicherweise keine einzelne
Linie im Spektrum, sondern ein Gruppe von zusammengehörenden Linien und
deren Intensitätsverhältnisse.
Entdeckt man zum Beispiel die Kα -Linie eines Elements, so muß auch dessen Kβ -Linie im richtigen Intensitätsverhältnis vorhanden sein. Wird diese nicht
gefunden, so ist die gefundene Kα -Linie anzuzweifeln. Stimmt das Intensitätsverhältnis nicht, so kann eine andere Linie überlagert sein oder es können Effekte
wie Absorption oder Verstärkung beteiligt sein. Alternativ können in der gleichen Weise auch Übergänge zur L-Schale betrachtet werden, wenn es Auflösung
und Energiebereich des Spektrometers erlauben. Die Energien der K- und LLinien verschiedener Elemente und deren relative Intensitäten findet man z. B.
in Tabellenbüchern und im Periodensystem, die am Versuchsaufbau ausliegen
(siehe auch Anhang). Die qualitative Analyse geht grundsätzlich jeder weiteren
Messung voraus, um die in der Probe enthaltenen Elemente zu identifizieren.
Dabei läßt sich auf vereinfachte Weise feststellen, welche Elemente als Hauptbestandteil und welche nur in Spuren enthalten sind. Kennt man die Intensität
einer Linie der Probe und die Intensität derselben Linie für das reine Element,
so kann die Konzentration mit
cA ≈
IProbe
IRein
(30)
29
9 Qualitative Analyse
Abbildung 14: Typisches Röntgenfluoreszenzspektrum, aufgenommen mit einem
SDD
abgeschätzt werden.
9.2 Störeffekte
9.2.1 Linien erzeugende Effekte
Durch verschiedene Effekte entstehen weitere Linien, die jedoch nichts mit den
Fluoreszenzspektren zu tun haben und häufig zu Fehlinterpretationen führen.
Andere wiederum führen zu einer Verschiebung der Fluoreszenzlinien.
Escape-Peaks entstehen durch sekundär angeregte Photonen im Detektor, die
das Detektorvolumen verlassen. Es entstehen zusätzliche Linien, die um den
Energiebetrag der Si-Kα -Linie von 1,74 keV zu den charakteristischen Linien
verschoben sind.
Rayleigh-Streuung Durch elastische Stöße wird die von der Röntgenquelle ausgehende Strahlung, die sich aus dem kontinuierlichen Bremsspektrum und den
charakteristischen Linien des Targets zusammensetzt, an den Atomen den Probe
gestreut. Das gestreute Röhrenspektrum wird im Detektor dem charakteristischen Spektrum der Probe überlagert. Abhilfe schaffen hier Filter die die TargetLinien sperren, z. B. Ni für ein Cu-Target, man betrachte hierzu die Absorptionskanten der verschiedenen Elemente (siehe Abbildung 1).
30
9.3 Grenzen
Compton-Streuung Bei inelastischen Stößen der Röntgenphotonen mit Hüllenelektronen wird Energie an die Elektronen abgegeben. Die Photonen haben
danach eine um ∆E kleinere Energie. Der Betrag von ∆E hängt im wesentlichen vom Streuwinkel und der Energie ab (siehe Gleichung 3). Dieser Effekt
führt also zu zusätzlichen Linien bei E − ∆E und tritt vor allem bei leichten
Atomen und hohen Röntgenenergien auf.
Pile-Up Wenn zwei oder mehr Photonen zugleich in den Detektor eindringen und Elektron-Loch-Paare erzeugen, entstehen zusätzliche Linien mit der
doppelten oder mehrfachen Energie der eigentlichen charakteristischen Linien
(siehe Abbildung 11).
9.2.2 Untergrund erzeugende Effekte
Durch Erhöhung des Untergrunds wird das Erkennen schwacher Linien (z. B. L,
M) deutlich erschwert.
Partial Events Durch die räumliche Verteilung der Ladungswolke im Detektor können Ladungen aus dem Detektorvolumen austreten, die nicht registriert
werden können. Es handelt sich dabei im wesentlichen um einen geometrischen
Effekt, der vom Auftreffort des Photons abhängt und sich in einer kontinuierlichen Verteilung unterhalb der charakteristischen Linien äußert.
9.2.3 Linien verbreiternde Effekte
Sind die gemessenen Peaks stark verbreitert, so ergeben sich bei der Auswertung
der Spektren Probleme für die Unterscheidung der Linien und der Bestimmung
von deren Position und Höhe.
Überlappende Peaks aus zwei eng nebeneinander liegenden Linien lassen sich
nur schwer trennen. Oft ist nur noch ein einziger, verbreiterter Gauß-Peak erkennbar. Die Positionen der Linien sind dann nicht mehr präzise bestimmbar.
Energieauflösung Die Energieauflösung des Detektors und der Elektronik limitiert die Qualität des Gesamtsystems. Je breiter die Linien werden, desto
schlechter die Qualität der Linienbestimmung.
9.3 Grenzen
Mit der vorhandenen Röntgenquelle lassen sich nur Übergänge unterhalb einer
Grenzenergie anregen, die durch die Beschleunigungsspannung der Röntgenröhre gegeben ist (siehe Gleichung 13).
Der Silizium-Driftdetektor kann nur Photonen in einem bestimmten Energiebereich detektieren. Die Grenzen sind hier durch das Eintrittsfenster, die
Detektordicke und das Detektormaterial gegeben. Absorptionsdaten findet man
z. B. auf der Homepage des Center for X-ray Optics. (siehe Literaturangaben in
Kapitel 12)
31
10 Versuchsdurchführung
1.0
Quanteneffizienz
0.8
0.6
0.4
0.2
0.0
1000
10000
E (eV)
Abbildung 15: Quanteneffizienz des SDD
10 Versuchsdurchführung
Wichtig: Vor Beginn des Versuchs müssen die in dieser Anleitung gestellten
Aufgaben beantwortet worden sein!
10.1 Bedienung der Röntgenröhre
Vor dem Einschalten der Röntgenröhre sollte der Abschnitt 11 Strahlenschutz
durchgelesen werden. Im Röntgengerät kann im Strahlkegel eine Dosisleistung
von über 10 Sv/h erzeugt werden. Diese Dosisleistung kann bereits bei kurzen Expositionszeiten lebendes Gewebe schädigen. Außerhalb des Röntgengeräts
ist die Dosisleistung auf unter 1 µSv/h reduziert, einen Wert, der in der Größenordnung der natürlichen Strahlenbelastung liegt. Vor jeder Inbetriebnahme
muß das Gehäuse, insbesondere die Bleiglas-Scheiben und -Schiebetüren sowie
das Bleiglas-Rohr um die Röntgenröhre auf Unversehrtheit überprüft werden.
Inbetriebnahme der Röntgenröhre:
• Netzanschluß herstellen und Röntgenröhre einschalten (Netzschalter an
der linken Gehäuseseite).
• Taster U drücken und mit dem Drehknopf ADJUST eine Beschleunigungsspannung von 0 kV einstellen.
• Taster I drücken und einen Heizstrom vom 0 mA einstellen.
• Kontrollieren, ob die Bleiglas-Schiebetüren ordnungsgemäß verschlossen
sind und Taster HV ON/OFF drücken: Die Hochspannungs-Kontrolleuchte
32
10.2 Inbetriebnahme des Silizium-Driftdetektors
blinkt, und die Glühkathode der Röntgenröhre leuchtet. Ein Sicherheitsschalter verhindert, daß bei offenen Schiebetüren Röntgenstrahlung erzeugt wird. Nun werden die eigentlichen Röhrenparameter eingestellt:
• Eine Beschleunigungsspannung von z. B. U = 20 kV einstellen: im Anzeigefeld wird der Sollwert angezeigt.
• Den Heizstrom z. B. auf I = 0, 1 mA einstellen: im Anzeigefeld wird der
Sollwert angezeigt und die Helligkeit der Glühkathode ändert sich.
Um die Röntgenröhre zu schonen, müssen vor dem Ausschalten der Röhre (HV
ON/OFF) die Hochspannung und der Heizstrom auf 0 heruntergeregelt werden.
10.2 Inbetriebnahme des Silizium-Driftdetektors
• Einschalten der Spannungsversorgung ±12 V (wird benötigt für den Betrieb des Verstärkerchips auf der SDD-Platine) am Rohde & SchwarzNetzteil. Die Spannungen sind bereits eingestellt und dürfen nicht verändert werden.
• Einschalten der Hochspannungsversorgung (−140 V) am Toellner-Netzteil.
Taste STB/EXE zum Ein-/Ausschalten der Hochspannung drücken. Die
für den Detektor benötigten Spannungen werden auf der Platine mit Spannungsteilern erzeugt.
• Pulsformer und ADC im NIM-Gehäuse einschalten. Stellen Sie zunächst
den Pulsformer auf eine Shaping-Zeit von 1 µs ein.
• Die Temperatur des Chips läßt sich durch die Stärke des Stromes bestimmen, der durch das Peltier-Element fließt (siehe Aufgabe 1). Beachten Sie,
daß sich bei längerem Betrieb des Detektors die Umgebung aufwärmt und
ein Regulieren des Peltier-Stromes erforderlich sein kann, um die Temperatur konstant zu halten. Schalten Sie deshalb die Peltierkühlung in
Meßpausen aus, um ein übermäßiges Aufwärmen zu verhindern.
10.3 Aufgabengebiet I: Charakterisierung des SDDs
Bringen Sie den Detektor in den Strahlengang der Röntgenröhre.
1. Berechnung der Chip-Temperatur des Detektors mit Hilfe der eingebauten Temperaturdiode. Die Spannung der Temperaturdiode erhöht sich um
3 mV bei einer Erniedrigung der Temperatur um 1 K. Auf der Platine
wird diese Spannung um das zehnfache verstärkt, die Spannungsänderung
beträgt also −30 mV/K. Messen Sie die Spannung bei Raumtemperatur
(siehe Thermometer). Schalten Sie dann den Peltier-Strom am Rohde &
Schwarz-Netzteil ein (auf etwa 300 mA). Regulieren Sie den Peltier-Strom,
so daß die Chip-Temperatur zunächst etwa 0◦ C beträgt.
33
10 Versuchsdurchführung
2. Stellen Sie als Beschleunigungsspannung 20 kV ein, als Strom 0, 01 mA.
Beobachten Sie das (verstärkte) Ausgangssignal des Detektors am Oszilloskop (BNC-T-Stück am Eingang des Shapers). Verändern Sie die Beschleunigungsspannung auf 30 kV. Betrachten Sie das Ausganssignal des
Pulsformers am Oszilloskop (BNC-T-Stück am Ausgang des Shapers). Wie
verändert sich das Signal bei unterschiedlichen Pulsformungszeiten? Stellen Sie für die weiteren Messungen eine Pulsformungszeit von 1 µs ein.
3. Aufnehmen eines Spektrums der Röntgenröhre bei verschiedenen Röhrenspannungen (15 bis 35 keV) und einer Chip-Temperatur von etwa −10 ◦ C.
Wie ändert sich die Form des Spektrums? Bestimmen Sie die Spannung, ab
der die charakteristischen Linien von Molybdän angeregt werden. Stellen
Sie die Spannung für die weiteren Messungen so ein, daß die charakteristischen Linien am deutlichsten sichtbar werden (betrachten Sie hierzu auch
das Signal zu Untergrundverhältniss der charakteristischen Linien).
4. Durchführung einer Energiekalibrierung mit Hilfe der charakteristischen
Linien der Röntgenröhre (Mo Kα bei 17,44 keV und Mo Kβ bei 19,63 keV).
Das Meßprogramm bietet eine eingebaute Energiekalibrierung (Menüpunkt
E-Cal). Hierzu müssen die beiden Peaks markiert werden (Shift-Taste
drücken und gleichzeitig mit der Maus die Peaks nacheinander markieren
– siehe auch Online-Hilfe). Mit Hilfe des Menüpunkts Calibration wird den
beiden Peaks die jeweilige Energie zugeordnet und das Spektrum hiermit
kalibriert. Für spätere Auswertungen können im Menüpunkt Coefficients
die Parameter der Energiekalibrierung ausgelesen werden. Die Kalibrierung sollte so durchgeführt werden, daß Energien bis zu 30 kV vermessen werden können. Hierzu den Verstärkungsfaktor am Shaper Gain Fine/Coarse verändern, nach einer Veränderung muß neu kalibriert werden!
Notieren Sie sich deshalb die vom Programm angegebenen Kalibrationsparameter für jede Shaping-Zeit.
10.4 Aufgabengebiet II: Röntgenfluoreszenzanalyse
Justieren Sie den Detektor in einem Winkel von ca. 90◦ zum Strahlverlauf und
montieren Sie den Probenhalter unterhalb des Detektors (siehe Abbildung 5).
5. Bestimmung der Energieauflösung des Detektors aus der Breite der charakteristischen Linien einer Cu-Probe, Berechnung des ENC-Wertes (s.
Gl. 24). Hierzu wird eine Cu-Probe auf den Probenhalter gebracht. Erhöhen Sie den Emissionsstrom der Röhre, bis ein Signal zu messen ist. Die
Breite der Cu Kα -Linie kann mit dem Programm im Menüpunkt Analysis
bestimmt werden (FWHM in eV). Überprüfen Sie die oben durchgeführte
Kalibrierung anhand der Energien der charakteristischen Linien von Kupfer. Für eine genauere Kalibrierung können zusätzlich noch die Cu Kα bzw. die Cu Kβ -Linie verwendet werden.
6. Bestimmen Sie die Energieauflösung des Detektors für verschiedene Temperaturen T und Pulsformungszeiten τ . Variieren Sie hierzu den Peltierstrom (bis maximal 0, 6 A), und nehmen Sie für drei verschiedene Tem-
34
10.4 Aufgabengebiet II: Röntgenfluoreszenzanalyse
peraturen (z. B. −10◦ C, 5◦ C, +20◦ C) jeweils Spektren bei einer ShapingZeit von 250 ns, 500 ns und 1µs auf. Für verschiedene Shaping-Zeiten muß
jeweils die Kalibrierung neu durchgeführt werden, deshalb sollte diese zunächst konstant gelassen und jeweils die Temperatur geändert werden (auf
±2◦ C genau). Welche Detektorparameter bestimmen die Energieauflösung
für die verschiedenen Pulsformungszeiten? Welche Shaping-Zeiten sind für
welche Temperaturen optimal? Siehe Abschnitt 7. Stellen Sie die Meßergebnisse in einer Grafik dar (Abszissenachse τ , Ordinatenachse σ FWHM ,
verschiedene Kurven für die verschiedenen Temperaturen). Stellen Sie für
die folgenden Messungen die optimale Temperatur und Shaping-Zeit ein.
7. Bestimmung der Dicken mehrerer Aluminiumfolien. Da die Absorptionslänge stark abhängig von der Energie ist (siehe Abbildung 1), kann die
Dicke eines Absorbers aus der unterschiedlichen Abschwächung der charakteristischen Linien bestimmt werden. Berechnen Sie die Dicke mit Hilfe
von zwei Methoden mit Hilfe von Gleichung 1:
• direkter Vergleich der Zählraten zwischen Messung ohne Folie und
den Messungen mit Folie.
• relativer Vergleich der Intensitätsverhältnisse Cu Kα /Kβ .
Die Absorptionslängen (reziproke Schwächungskoeffizienten) betragen z. B.
bei Cu Kα 78,8 µm, bei Cu Kβ 106,4 µm. Wie ändert sich dieses Verhältnis
in Abhängigkeit von der Foliendicke? Für die Dickenmessungen kann man
also die Fluoreszenzlinien eines Kupferstückes verwenden. Die verschiedenen Aluminiumfolien werden dann zwischen der Kupferprobe und dem
Detektor angebracht. Die Meßdauer sollte 200 s betragen bei einem Emissionsstrom von 1 mA. Berücksichtigen Sie die statistischen und Meßfehler
und berechnen Sie den gesamten Fehler mit Hilfe der Gaußschen Fehlerfortpflanzung (der Fehler der Absorptionslängen beträgt etwa 0.5 %). Bei
welcher Berechnungsweise ist der Fehler größer?
8. Qualitative Analyse anhand verschiedener Proben:
• zunächst Metalle und Legierungen: Fe, In, Cu, Stahl, . . . Achtung:
Indiumfolie nicht direkt berühren, sondern Handschuhe bzw. Pinzette
verwenden!
• unbekannte Proben analysieren und die darin enthaltenen Elemente
bestimmen (z. B. Erze, Münzen, Gesteinsproben, eigene mitgebrachte
Proben o.ä.).
• kompliziertere Probe mit sehr vielen Linien analysieren (z. B. Telefonkartenchip)
• Untersuchen Sie einen Silizium-Wafer. Optimieren Sie den Aufbau
so, daß der Silizium-Kα -Peak deutlich sichtbar wird. Was ist hierbei
zu beachten? Welche Faktoren schränken die Aufnahme eines solchen
Peaks ein?
35
11 Strahlenschutz
9. Auswertung der Messungen (Identifikation der Peaks, Störungen wie Escape-Peak und evtl. Pile-Up erkennen), Berechnung der verschiedenen Faktoren bei der quantitativen Analyse (Berücksichtigung der Fluoreszenzausbeute, Anregungsspektrum der Röntgenröhre). Falls einige identifizierte
Linien systematisch höher oder niedriger erscheinen, als die tatsächlichen
Fluoreszenzenergien sind, kann es notwendig sein, erneut zu kalibrieren.
10.5 Anmerkungen zur Ausarbeitung
Falls die in diesem Skript gestellten Aufgaben nicht bereits vor der Versuchsdurchführung bearbeitet und besprochen wurden, geben Sie die Lösungen zu
den Aufgaben in der Ausarbeitung an.
Stellen Sie die Meßergebnisse und Auswertungen graphisch und/oder in Tabellenform dar. Kommentieren Sie die Resultate, führen Sie eine ausführliche
Fehlerrechnung bei Aufgabe 7 und grobe Fehlerabschätzungen bei den anderen
Aufgaben durch.
Bitte lassen Sie einen ausreichenden Rand, so daß Kommentare und Verbesserungen eingefügt werden können. Wenn Sie LATEX verwenden, sollten Sie die
Standard-Seitenbreiten und -höhen für A4-Papier unverändert lassen. Ansonsten gilt die Faustregel, daß unabhängig von der verwendeten Schriftgröße jede
Zeile etwa 60 bis 70 Zeichen haben sollte.
Für typographische Feinheiten empfiehlt sich die Lektüre von www.dante.de/
dante/DTK/dtk96_4/dtk96_4_neubauer_feinheiten.html und www.dante.de
/dante/DTK/dtk97_1/dtk97_1_neubauer_feinheiten.html. Beispielsweise ist
es Konvention, physikalische Größen in kursiver Schrift darzustellen, Einheiten
jedoch in normaler, aufrechter Schrift. Es sollte jedoch mehr Wert auf einen
richtigen und aussagekräftigen Inhalt als eine gute Optik gelegt werden!
Die Ausarbeitung kann entweder in Papierform oder elektronisch abgegeben
werden (am besten als PDF oder Postscript, beides bei Bedarf auch gezippt;
E-Mail-Adressen siehe Abschnitt 13).
11 Strahlenschutz
Da ein beträchtlicher Teil der Strahlenbelastung des Menschen durch Röntgenstrahlung verursacht wird, soll in diesen Abschnitt auf die Ursachen und Folgen
radioaktiver Bestrahlung eingegangen werden.
Das in diesem Versuch verwendeten Röntgengerät besitzt eine Bauartzulassung und spezielle Sichherheitsvorrichtungen. Die Versuchskammer und die
Röntgenröhre befinden sich hinter Bleiglasscheiben. Sobald diese geöffnet werden, schaltet sich die Röntgenröhre ab. Die Dosisleistung im Betrieb liegt unterhalb von 1 µSv/h (siehe nächster Abschnitt).
11.1 Dosisgrößen
Die biologische Wirkung ionisierender Strahlung ist im wesentlichen eine Folge
der im biologischen Material (Gewebe, Knochen, . . . ) erzeugten Ionisationen. So
können in Zellen schon wenige Ionisationen ausreichen, um einzelne Funktionen
36
11.2 Folgen hoher Strahlenbelastung
zu beeinträchtigen oder die Teilungsfähigkeit zu zerstören. Quantitativ wird die
Strahlenexposition durch die Energiedosis
dE
dm
beschrieben. Die SI-Einheit der Energiedosis ist das Gray: 1 Gy = 1 J/kg (=
100 rad). Die biologische Wirkung einer Strahlenexposition kann durch die Energiedosis allein nur unzureichend beschrieben werden. So ist z. B. eine Bestrahlung mit α-Teilchen schädlicher als mit Elektronen, auch wenn die Energiedosis
gleich ist, da die Ionisation im bestrahlten Material geometrisch unterschiedlich
verteilt ist (beim α-Teilchen haben die Ionisationen kleinere Abstände voneinander als in der Spur eines schnellen Elektrons).
Für Zwecke des Strahlenschutzes wird die Energiedosis mit dem Qualitätsfaktor (RBW-Faktor, relative biologische Wirksamkeit) multipliziert, um die
unterschiedliche biologische Wirksamkeit der verschiedenen Strahlungsarten zu
berücksichtigen. Das Produkt aus Qualitätsfaktor und Energiedosis heißt Äquivalentdosis:
H = qD
D=
Die Einheit der Äquivalentdosis ist das Sievert: 1 Sv = 1 J/kg (= 100 rem). Photonen (also auch Röntgenstrahlung) und Elektronen haben einen Qualitätsfaktor
von 1, für langsame Neutronen ist q = 2 . . . 5, für schnelle Neutronen ist q = 10
. . . 15, und für α-Teilchen und schwere Ionen ist q = 20.
11.2 Folgen hoher Strahlenbelastung
Bei der biologischen Wirkung einer Strahlenexposition unterscheidet man zwischen der akuten Strahleneinwirkung und den Spätschäden. Während Ganzkörperdosen unterhalb von 0,25 Sv beim Menschen keine akuten Strahlenschäden
hervorzurufen scheinen, beeinträchtigen Dosen über 1 Sv z. B. die blutbildenden
Organe. Dosen oberhalb 5 Sv führen innerhalb kurzer Zeit zum Tod.
Der wichtigste Spätschaden ist die Entstehung von Tumoren. Durch Äquivalentdosen von etwa 1 bis 2 Sv wird die Wahrscheinlichkeit von Tumorerkrankungen gegenüber dem Wert ohne Bestrahlung verdoppelt. Auch kleinere Dosen
können mit entsprechend geringerer Wahrscheinlichkeit Krebserkrankungen verursachen.
11.3 Durchschnittliche Strahlenbelastung
Bei der natürlichen Strahlungsexposition von Menschen unterscheidet man zwischen kosmischer, terrestrischer und körpereigener Strahlung. In Tabelle 3 sind
durchschnittliche Äquivalentdosen für die Strahlenexposition der Bevölkerung
angegeben.
Die kosmische Strahlung besteht aus vor allem aus Protonen und α-Teilchen,
die mit den Kernen der Luftmoleküle wechselwirken. Dabei entseht sekundäre
Strahlung, die in erster Linie aus Protonen, Neutronen, Pionen, Myonen, Kaonen, Elektronen und Photonen besteht. Die mittlere Dosisleistung der kosmischen Strahlung auf Meereshöhe beträgt etwa 400 µSv/a. Die Jahresdosis steigt
mit der Höhe über dem Meeresspiegel um etwa 10 µSv/a pro 30 m an.
37
12 Weiterführende Literatur
Strahlungsquelle
kosmische Strahlung
terrestr. Gammastrahlung
Luft
globaler Fallout
innere radioaktive Nuklide
Röntgenuntersuchungen
Fernseher/Monitore
Kernkraftwerke
hHi (mSv/Jahr)
0,45
0,6
1,8
0,04
0,35
1,8
0,01
0,000 03
Tabelle 3: Durchschnittliche Äquivalentdosen pro Jahr
Die terrestrische Strahlung ist die Strahlung der natürlichen radioaktiven Nuklide mit sehr langen Halbwertzeiten und ihrer Tochterprodukte. Sie ist regional
sehr unterschiedlich in erreicht in Deutschland z. B. Werte von 0.1 mSv/a (Norddeutschland) oder 1.5 mSv/a (Bayerischer Wald).
Das im Boden und in Baumaterialien enthaltene Uran führt über eines seiner
Zerfallsprodukte 222 Rn zu einer relativ hohen Strahlenbelastung durch Einatmung. Radon ist ein Edelgas und diffundiert deshalb durch Materie, ohne mit
dieser zu reagieren. Es zerfällt unter α-Emission mit einer Halbwertzeit von
3,8 Tagen. Insbesondere in geschlossenen Räumen kann es sich schnell ansammeln. Zur terrestrischen Strahlung zählt auch der globale Fall-Out, die Erhöhung
der Radioaktivität (in erster Linie 3 H, 90 Sr und 137 Cs) auf der Erdoberfläche als
Folge der oberirdischen Atombombenversuche in den sechziger Jahren und des
Reaktorunfalls von Tschnernobyl. Die körpereigene (innere) Strahlenexposition
rührt von radioaktiven Kernen, wie 40 K und Uran, im Inneren des Körpers her.
Die größte Quelle künstlicher Strahlenbelastung stellt die zur medizinischen
Diagnostik verwendete Röntgenstrahlung dar. Die in diesem Versuch verwendete
Röntgenröhre erzeugt in 10 cm Abstand (hinter der Abschirmung) etwa eine
Dosisleistung von 1 µSv/h, bei einem Monitor beträgt sie etwa 5 µSv/h.
12 Weiterführende Literatur
• E. Bertin, Principles and Practice of X-Ray Spectrometric Analysis, Plenum Press, 1975
• G. Lutz, Semiconductor Radiation Detectors, Springer, 1999
• R. Jenkins, An Introduction to X-Ray Spectrometry, Heyden, 1974
• R. Jenkins, Quantitative X-ray Spectrometry, Dekker, 1995
• Strahlenschutz, Radioaktivität und Gesundheit, Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen
• www.hll.mpg.de und www.ketek.net – Publications
• www-cxro.lbl.gov – Center for X-ray Optics
38
13 Kontakt
Der F-Praktikumsversuch und das Kolloquium finden am Halbleiterlabor der
Max-Planck-Institute auf dem Siemens-Gelände in München-Neuperlach statt
(Gebäude 72, Erdgeschoß, Raum 251). Es liegt direkt an der U-/S-Bahn-Station
Neuperlach-Süd. Bitte kontaktieren Sie einen der Betreuer Andreas Pahlke (Tel.
089-83940024, E-Mail [email protected]) oder Tobias Eggert (Tel. 089-67346773,
E-Mail [email protected]), um einen Termin auszumachen.
39
40
1
1.008
2
H
3
6.941 4
Atomic Number
Element
9.012
Li
Be
Kα 0.054
Kα 0.109
21
Line*, Energy (keV)
11
4.003
He
Atomic Mass
22.99 12
44.96
5
10.81 6
12.01 7
14.01 8
16.00 9
19.00 10
20.18
Sc
B
C
N
O
F
Ne
Kα 4.091
Kβ 4.461
Lα 0.395
Kα 0.183
Kα 0.277
Kα 0.392
Kα 0.525
Kα 0.677
Kα 0.849
Creative Detector Solutions
24.31
13
26.98 14
28.09 15
30.97 16
32.07 17
35.45 18
39.95
Na
Mg
Al
Si
P
S
Cl
Ar
Kα 1.041
Kα 1.254
Kα 1.487
Kα 1.740
Kβ 1.836
Kα 2.014
Kβ 2.139
Kα 2.308
Kβ 2.464
Kα 2.622
Kβ 2.816
Kα 2.958
Kβ 3.191
19
40.08 21
39.10 20
44.96 22
47.87 23
50.94 24
52.00 25
54.94 26
55.85 27
58.93 28
58.69 29
63.55 30
65.41 31
69.72 32
72.64 33
74.92 34
78.96 35
79.90 36
83.80
K
Ca
Sc
Ti
V
Cr
Mn
Fe
Co
Ni
Cu
Zn
Ga
Ge
As
Se
Br
Kr
Kα 3.314
Kβ 3.590
Kα 3.692
Kβ 4.013
Lα 0.341
Kα 4.091
Kβ 4.461
Lα 0.395
Kα 4.511
Kβ 4.932
Lα 0.452
Kα 4.952
Kβ 5.427
Lα 0.511
Kα 5.415
Kβ 5.947
Lα 0.573
Kα 5.899
Kβ 6.490
Lα 0.637
Kα 6.404
Kβ 7.058
Lα 0.705
Kα 6.930
Kβ 7.649
Lα 0.776
Kα 7.478
Kβ 8.265
Lα 0.852
Kα 8.048
Kβ 8.905
Lα 0.930
Kα 8.639
Kβ 9.572
Lα 1.012
Kα 9.252
Kβ 10.26
Lα 1.098
Kα 9.886
Kβ 10.98
Lα 1.188
Kα 10.54
Kβ 11.73
Lα 1.282
Kα 11.22
Kβ 12.50
Lα 1.379
Kα 11.92
Kβ 13.29
Lα 1.480
Kα 12.65
Kβ 14.11
Lα 1.586
37
85.47 38
88.91 40
87.62 39
Sr
Y
Kα 14.17
Kβ 15.84
Lα 1.807
Kα 14.96
Kβ 16.74
Lα 1.923
55
132.9 56
Cs
Kα
Kβ
Lα
Lβ
87
137.3 57
Ba
30.97
34.97
4.287
4.620
Kα
Kβ
Lα
Lβ
Kα
Kβ
Lα
Lβ
Kα
Kβ
Lα
Lβ
92.91 42
33.44
37.80
4.651
5.042
Kα
Kβ
Lα
Lβ
178.5 73
Ac
Lα 12.65
Lβ 15.71
Mα 2.910
Kα
Kβ
Lα
Lβ
180.9 74
101.1 45
Tc
17.48
19.61
2.293
2.395
Kα
Kβ
Lα
Lβ
183.8 75
102.9 46
Ru
18.37
20.62
2.424
2.538
Kα
Kβ
Lα
Lβ
186.2 76
106.4 47
Rh
19.28
21.66
2.559
2.683
Kα
Kβ
Lα
Lβ
Pd
20.22
22.72
2.697
2.834
190.2 77
Kα
Kβ
Lα
Lβ
192.2 78
107.9 48
Ag
21.18
23.82
2.839
2.990
Kα
Kβ
Lα
Lβ
195.1 79
112.4 49
114.8 50
Cd
22.16
24.94
2.984
3.151
Kα
Kβ
Lα
Lβ
197.0 80
In
23.17
26.10
3.134
3.317
Kα
Kβ
Lα
Lβ
200.6 81
118.7 51
121.8 52
Sn
24.21
27.28
3.287
3.487
Kα
Kβ
Lα
Lβ
204.4 82
127.6 53
Sb
25.27
28.47
3.444
3.663
Kα
Kβ
Lα
Lβ
207.2 83
126.9 54
Te
26.36
29.73
3.605
3.844
Kα
Kβ
Lα
Lβ
209.0 84
131.3
I
27.47
31.00
3.769
4.030
Kα
Kβ
Lα
Lβ
Xe
28.61
32.29
3.938
4.221
(209) 85
Kα
Kβ
Lα
Lβ
29.78
33.62
4.110
4.423
(210) 86
(222)
Ta
W
Re
Os
Ir
Pt
Au
Hg
Tl
Pb
Bi
Po
At
Rn
Lα 7.899
Lβ 9.023
Mα 1.645
Lα 8.146
Lβ 9.343
Mα 1.710
Lα 8.398
Lβ 9.672
Mα 1.775
Lα 8.653
Lβ 10.01
Mα 1.843
Lα 8.912
Lβ 10.36
Mα 1.910
Lα 9.175
Lβ 10.71
Mα 1.980
Lα 9.442
Lβ 11.07
Mα 2.051
Lα 9.713
Lβ 11.44
Mα 2.123
Lα 9.989
Lβ 11.82
Mα 2.195
Lα 10.27
Lβ 12.21
Mα 2.271
Lα 10.55
Lβ 12.61
Mα 2.346
Lα 10.84
Lβ 13.02
Mα 2.423
Lα 11.13
Lβ 13.45
Mα 2.502
Lα 11.43
Lβ 13.88
Mα 2.581
Lα 11.73
Lβ 14.32
Mα 2.662
(261) 105
Rf
Ra
Lα 12.34
Lβ 15.24
Mα 2.825
(98) 44
Mo
16.62
18.62
2.166
2.257
Hf
(227) 104
(226) 89
Fr
Lα 12.03
Lβ 14.77
Mα 2.743
95.94 43
Nb
15.78
17.67
2.042
2.124
138.9 72
La
32.19
36.38
4.466
4.828
(223) 88
91.22 41
Zr
Rb
Kα 13.40
Kβ 14.96
Lα 1.694
58
Actinides
(266) 107
Sg
140.1 59
(264) 108
Bh
140.9 60
144.2 61
(269) 109
Hs
(268)
Mt
(145) 62
150.4 63
152.0 64
157.3 65
158.9 66
162.5 67
164.9 68
167.3 69
168.9 70
173.0 71
175.0
Ce
Pr
Nd
Pm
Sm
Eu
Gd
Tb
Dy
Ho
Er
Tm
Yb
Lu
Lα 4.840
Lβ 5.262
Mα 0.883
Lα 5.034
Lβ 5.489
Mα 0.929
Lα 5.230
Lβ 5.722
Mα 0.978
Lα 5.433
Lβ 5.961
Mα 1.029
Lα 5.636
Lβ 6.205
Mα 1.081
Lα 5.846
Lβ 6.456
Mα 1.131
Lα 6.057
Lβ 6.713
Mα 1.185
Lα 6.273
Lβ 6.978
Mα 1.240
Lα 6.495
Lβ 7.248
Mα 1.293
Lα 6.720
Lβ 7.525
Mα 1.348
Lα 6.949
Lβ 7.811
Mα 1.406
Lα 7.180
Lβ 8.101
Mα 1.462
Lα 7.416
Lβ 8.402
Mα 1.521
Lα 7.656
Lβ 8.709
Mα 1.581
90
Lanthanides
(262) 106
Db
232.0 91
231.0 92
238.0 93
(237) 94
(244) 95
(243) 96
(247) 97
(247) 98
(251) 99
(252) 100
(257) 101
Th
Pa
U
Np
Pu
Am
Cm
Bk
Cf
Es
Fm
Lα 12.97
Lβ 16.20
Mα 2.996
Lα 13.29
Lβ 16.70
Mα 3.082
Lα 13.61
Lβ 17.22
Mα 3.171
Lα 13.94
Lβ 17.75
Mα 3.260
Lα 14.62
Lβ 18.85
Mα 3.351
Lα 14.62
Lβ 18.85
Mα 3.443
Lα 14.96
Lβ 19.43
Mα 3.537
Lα 15.31
Lβ 20.02
Mα 3.632
Lα 15.66
Lβ 20.56
Mα 3.727
Lα 16.02
Lβ 21.17
Mα 3.824
Lα 16.38
Lβ 21.78
Mα 3.923
*Quoted are the Kα1, Kβ1, Lα1, etc. energies. The observed energies may/will slightly vary because of (not resolved) α2, β2, etc. contributions.
(258) 102
Md
(259) 103
No
(262)
Lr

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