Budapester Zeitung Budapester Zeitung

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Budapester Zeitung Budapester Zeitung
Budapester Zeitung
14. Jahrgang / Nr. 50-52 Budapest, 12. Dezember 2014 - 8. Januar 2015 www.bzt.hu 750 Forint
Wochenmagazin für Ungarn
9 771419 877002
14050
Frohe
Weihnachten
Editorial
Budapester Zeitung
Budapester (Tages-)Zeitung
Wie schnell doch die Zeit vergeht, und wie
schnell man sich an neue Dinge gewöhnen
kann! Noch nicht einmal ein Jahr ist es her,
dass wir den Übergang von der klassischen
Zeitung zum Nachrichtenmagazin gemeistert
haben. Vor einem Jahr nutzten wir unsere
Redaktionspause zum Jahreswechsel, um
diesen Schritt zu vollziehen. So konnten Sie
die erste Budapester Zeitung des Jahres 2014
bereits in neuem Gewand begrüßen und
seitdem noch 47 weitere. Im Nachhinein können wir auf Grund der vielen anerkennenden
Leserreaktionen klar sagen: es war ein richtiger
und zeitgemäßer Schritt.
Auch die aktuelle Redaktionspause werden wir
wieder teilweise für redaktionelle Bauarbeiten
nutzen. Diesmal weniger am Magazin und
auch nicht – wie während des Jahres kontinuierlich – bei BZ online, nein, jetzt geht es
um ein vollständig neues Produkt. Es geht um
die Vorbereitung für eine Montag bis Freitag
täglich erscheinende, etwa vierseitige pdfAusgabe der Budapester Zeitung. Ab dem 5.
Januar früh um 7 Uhr können Sie sich mittels
dieser Publikation unter der Woche über alle
relevanten tagesaktuellen Nachrichten auf dem
Laufenden halten. Ab dem ersten Montag im
neuen Jahr ist – sofern Sie Abonnent dieser
neuen Publikation werden – die Chance
deutlich geringer, dass Sie etwas Wichtiges
verpassen. Seien es größere politische oder
wirtschaftliche Ereignisse oder ganz praktische Informationen wie Veranstaltungshinweise (fürs Geschäftsleben und auch privat),
wichtigere Verkehrsinformationen und andere
Informationen, die zu wissen das Leben in
Ungarn einfach angenehmer macht. All diese
Informationen finden Sie übersichtlich und
optisch ansprechend präsentiert in unserer
neuen pdf-Tageszeitung. So werden nur wenige
Minuten ausreichen, damit Sie informierter
als bisher Ihren Arbeitstag in Ungarn beginnen
können.
Motiviert zu dieser Neuerung haben uns zwei
Überlegungen beziehungsweise Einsichten.
Zum einen die immer größere Flut an täglichen Nachrichten und deren Schnelllebigkeit
insbesondere im gesetzgeberischen Bereich.
Hier zu versuchen, mittels einer Wochenzeitung ständig auf der Höhe der Zeit zu sein,
ist einfach ein hoffnungsloses Unterfangen.
Eine Menge an zusätzlichen Nachrichten zu
produzieren und sie dann kostenfrei über BZ
online zu verteilen, wäre zwar für unsere Leser
eine feine Sache, für uns aber wirtschaftlich
Budapester Zeitung
nicht darstellbar, da man mittels Einnahmen
aus Banner-Anzeigen vielleicht jemanden
bezahlen kann, der ab und zu mal „copy
and paste“ drückt, nicht aber Qualitätsjournalisten. Bleibt also nur die Möglichkeit der
Nachrichtenübermittlung mittels eines pdf-Dokuments, wobei sich jeder, der an diesen Informationen ein Interesse hat, über eine gewisse
Abo-Gebühr an der Finanzierung der Nachrichtenerstellung beteiligt. Dahinter verbirgt
sich der allgemeine Trend der Branche zur
direkten Inhaltsfinanzierung. Nachdem das
indirekte Finanzierungsmodell, bei dem Leser
nur einen geringen Teil und Anzeigenkunden
den großen Rest der Produktionskosten schulterten, praktisch gescheitert ist, könnte das ein
zukunftsweisender und nachhaltiger Weg für
einen Teil unserer Branche werden.
Mit der Erweiterung unseres Angebots um ei­
nen dritten Nachrichtenvertriebskanal werden
sich auch Änderungen für unsere beiden
bisherigen Vertriebswege ergeben. Insbesondere wird es zur Schärfung ihres jeweiligen Profils kommen. So wird etwa das gewohnte Ma­
gazin, das Sie gerade in der Hand halten, noch
mehr zu einem Nachrichtenmagazin werden,
mit Hintergrundartikeln, Analysen, Interviews, Reportagen und ähnlichem. Es wird
noch mehr Ruhe und Solidität ausstrahlen
und das Hinterherhecheln nach dem gerade
aktuellsten Stand bei gewissen Entwicklungen
der pdf-Tageszeitung überlassen. Diese wird
sich wiederum voll darauf konzentrieren und
durch ihre tägliche Erscheinungsweise auch
eine realistische Chance haben, sich hier mit
Bravour zu behaupten. Und wenn es mit der
Nachrichtenübertragung einmal ganz schnell
gehen muss und möglichst nicht bis zum
nächsten Morgen gewartet werden sollte, dann
gibt es immer noch den bewährten Vertriebs­
weg BZ online – gegebenenfalls verstärkt um
einen Impuls über Facebook. Im Bereich der
von uns real ins Auge gefassten Möglichkeiten
liegt auch die Herausgabe von Sonderausgaben
der pdf-Tageszeitung, etwa bei Wahlen oder
schwerwiegenderen Naturereignissen wie der
Eisinvasion in der vergangenen Woche.
Vielen Dank dafür, dass Sie uns in diesem Jahr
die Treue gehalten haben. Im Namen unserer
Redaktion wünsche ich Ihnen erholsame Feier­
tage und ein erfolgreiches Jahr 2015.
ISSN 1419-8770
Verlag: BZT Media Kft.
1073 Budapest, Erzsébet krt. 43.
(Corinthia Hotel Budapest)
Chefredakteur & Herausgeber: Jan Mainka
Tel: 453-0752, 453-0753
Fax: 240-7583
E-Mail: [email protected], [email protected]
Internet: www.bzt.hu
stellv. Chefredakteurin:
Elisabeth Katalin Grabow
Politik: Peter Bognar
Wirtschaft: Rainer Ackermann, Daniel Hirsch
BZ-Online: Daniel Hirsch
Kultur: Lisa Weil, Katrin Holtz
Layout: Zsuzsa Urbán
Foto-Redakteurin: Nóra Halász
Abo & Distribution: Ildikó Varga
Kioskvertrieb: Hungaropress Kft.
Gedruckt von: Pharma Press Kft.
Wo gibt es die Budapester Zeitung?
Die Budapester Zeitung ist in Budapest an Zeitungskiosken mit ausländischer Presse erhältlich
sowie unter anderem in folgenden Einkaufszentren: Mammut 2, Budagyöngye, Rózsakert
Center, WestEnd, Aréna Plaza, Arkád, Mom
Park, Allee Center, Campona und Köki Terminál.
Außerdem kann man die Budapester Zeitung in
einigen Budapester Super- und Hypermärkten
sowie in Souvenir-Shops und Budapester FünfSterne-Hotels kaufen. Weiterhin gibt es die Budapester Zeitung in sämtlichen Zeitungsläden des
Budapester Franz-Liszt-Flughafens sowie als
complementary copy in den Business Launches
der Fluglinien. Außerhalb von Budapest ist die
Budapester Zeitung bisher nur in Hévíz und
Keszthely oder im Abonnement erhältlich.
… oder einfach direkt von der Quelle:
Gerne können Sie die aktuelle Budapester
Zeitung beziehungsweise The Budapest Times und
ebenso ältere Exemplare dieser Magazine auch
direkt in unserer Redaktion im Corinthia Hotel
Budapest am Erzsébet krt. kaufen.
Natürlich können Sie hier auch bequem
Abos abschließen oder Anzeigen aufgeben.
Unsere Redaktion ist für Sie wochentäglich
geöffnet von 8.30 bis 16.30 Uhr. (Spätere
Termine nach vorheriger Vereinbarung möglich.)
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Budapest
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Europa
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Europas
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Ausland
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Genießen Sie die Vorzüge unserer Print- und PdfAusgabe gleichermaßen! Wenn Sie die
Budapester Zeitung als gedruckte Version bestellen,
geben wir Ihnen die pdf-Version gerne kostenfrei
für den gesamten Bestellzeitraum dazu.
Budapester Zeitung ist Partner der:
The Budapest Times
Jan Mainka
Chefredakteur & Herausgeber
Die Budapester Zeitung ist Mitglied folgender Organisationen:
Deutscher Wirtschaftsclub Budapest, Deutsch-Ungarische
Industrie- und Handelskammer, Wirtschaftsjunioren Ungarn,
Swisscham Hungary, Lions Club Thomas Mann
und International Women‘s Club Budapest.
Seite 1:
Foto: BZT / Nóra Halász
12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
3
Gut informiert lebt und arbeitet es sich besser!
Ab 5. Januar wird das bisherige Informations-Angebot
unseres Verlages – das gedruckte Wochenmagazin und
BZ online – mit einer Montag bis Freitag erscheinenden
Tageszeitung im pdf-Format abgerundet.
•
Diese bietet unter anderem: aktuelle, faktenorientierte und
an den Bedürfnissen der Leser ausgerichtete Nachrichten aus
den Bereichen Innenpolitik, Außenpolitik, Wirtschaftspolitik,
Unternehmen, Kultur und Lokales.
•
Zudem gibt es in jeder Ausgabe Veranstaltungstipps für den
beruflichen und den Freizeitbereich, natürlich verbunden mit
den notwendigen Anmelde- und Ticketinfos, so weit möglich,
bequem als Hyperlink präsentiert.
•
Außerdem wird die Budapester Zeitung fallweise um größere
aktuelle Dokumente ergänzt, etwa um Lebensläufe neuer
relevanter Politiker, Verwaltungsbeamter oder Manager, um
Übersetzungen wichtiger Reden oder Kurz-Interviews
zu tagesaktuellen Themen.
•
Die pdf-Tageszeitung erhalten Sie wochentäglich um Punkt
7 Uhr bequem per E-Mail.
Überzeugen Sie sich selbst und sichern Sie sich unter [email protected]
eine kostenlose Probewoche. Neben Ihrer Interessebekundung freuen
wir uns auch über mögliche inhaltliche Anregungen, um unsere Tageszeitung noch besser auf Ihre Bedürfnisse zuschneiden zu können.
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I n h a lt
Budapester Zeitung
Titelthema
42 | Budapester Geschenktipps auf den
letzten Drücker: Für jeden etwas
Politik
8-9
Doch nicht?
8 | Máté Kocsis und die Drogenpolitik:
Pipi-Tests für (fast) alle
10 | Affäre um US-Einreiseverbote:
Vida geht gegen Goodfriend vor Gericht
12 | Bei anderen gelesen:
Anständige Armut
13 | Bei anderen gelesen – Orbán: „Unsere
Philosophie ist leben und leben lassen”
14 | Presseschau
Máté Kocsis veröffentlichte am Samstag die Idee zu einem verbindlichen
Drogentest. Seitdem kocht die Diskussion immer höher.
Wirtschaft
16 | Wirtschaftspolitisches Holterdiepolter:
33-35
Hoffen auf einen steigenden Privatkonsum
18 | ELMŰ-ÉMÁSZ – Mit Energieverbraucherpreis
2014 ausgezeichnet: „Mit ganzer Seele für
den Kunden“
Gut angekommen
20 | Gespräch mit Gerhard Hahn, geschäftsführender
Die neue deutsche Botschafterin Lieselore Cyrus
spricht mit der BZ über
ihre ersten Eindrücke von
Budapest und Ungarn.
Gesellschafter der Knüppel Verpackung GmbH
& Co. KG: „Ungarn ist für uns ein wichtiger
Standort“
22 | Interview mit Mihály Jankovich, Director
Corporate Business bei der UNIQA
Biztosító Zrt.: „Der Aufwand hat sich gelohnt!“
24 | Made in Hungary – Die Magyar Suzuki Zrt.
und ihr SX4 S-Cross: Kai-zen in Esztergom
26 | SX4 S-Cross – der Test
Feuilleton
28 | BZ-Serie zum 25. Jahrestag der Grenzöffnung –
Teil 9: Gespräch mit dem Journalisten, Historiker
und Buchautoren Andreas Oplatka
33 | Gespräch mit der deutschen Botschafterin
Lieselore Cyrus: „Dialogmöglichkeiten nutzen“
36 | Gespräch mit dem Polit-Aktivisten Imre Mécs:
44-45
Voller Erfolg
Der Weihnachtsball des
Deutschen Wirtschaftsclubs
war auch in diesem Jahr
wieder ein voller Erfolg.
Es wurde gegessen, getanzt
und auch für gute Zwecke
gespendet.
„Imre, wie würdet ihr das machen?“
Budapest
44 | DWC-Weihnachtsgala: Feiern und helfen
Restaurant
47 | Stilvolles Dinieren für Fleischliebhaber in
der Baltazár Grillbar: Kolonialstil trifft Emaille
Panorama
50 | Zur Erklärung: Drogentest als Meme-Grundlage:
Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte
47-49
Einfach angesagt
Das Baltazár ist ebenso hip
wie seine Geschwister der
Zsidai-Familie und bietet neben ansprechendem Ambiente auch
zu gastronomischen Erlebnissen
erhobene Streetfood-Klassiker.
Politik
Budapester Zeitung
+ + + + + + + + + + + + + + KOMPAKT + + + + + + + + + + + + + +
„Áder hau ab“. Derweil wurde Spielgeld
mit dem Konterfei der Chefin der ungarischen Steuer- und Zollbehörde (NAV),
Ildiko Vida, verteilt und erneut deren
Rücktritt gefordert. Die Teilnehmer forderten eine unabhängige Durchleuchtung
der NAV, Null Toleranz für Korruption
und die Achtung des Rechts auf Privateigentum in Zusammenhang mit den
neuerlich “bedrohten” Privatrentenkassen. „Wenn wir uns organisieren, können
wir unser Land zurückerobern“, betonte
Gábor Vagó, einer der Organisatoren der
Aktion und kündigte für den 16. Dezember eine neue Demonstration an.
Foto: kormany.hu / Márton Kovács
Außenpolitik:
Szijjártó
bei OSZE-Ministerrat
South Stream: Opposition reagiert auf Projektabsage
Nach Russlands Absage an das Gaspipeline-Projekt South Stream und dem Statement von
Außenminister Péter Szijjártó, dass Ungarn künftig stattdessen neue Energiequellen suchen werde, reagierte auch die ungarische Opposition. Orbán habe „auf das falsche Pferd
gesetzt“, was nicht nur für die Energie-, sondern die gesamte Außenpolitik gelte. Die ganze
„Ostöffnung“ gehöre korrigiert, außerdem sei es bekannt gewesen, dass Putin „nach Gutdünken Verträge und Vereinbarungen breche“, daher sei es „notwendig, auch die Entscheidung zu Paks II“ nochmals zu überdenken, hieß es in Mitteilungen von LMP, MSZP, Együtt
und den Liberalen.
Agrarministerium:
Untersuchung wegen
Untreue
Proteste: Erneut
Tausende auf den
Straßen
Tausende Menschen versammelten sich
vergangene Woche Donnerstag auf dem
Kossuth tér vor dem Parlament, um gegen Korruption zu demonstrieren. Mit
Transparenten mit der Aufschrift „Mafia-Regierung“ oder „Wir können nicht so
viel Steuern zahlen, wie ihr klaut“ zog die
Menge auf den Budaer Burgberg zum Sitz
von Staatspräsident János Áder und rief
Am Montag verordnete Agrarminister
Sándor Fazekas eine Untersuchung seines eigenen Ministeriums. Zuvor hatte das
Nachrichtenportal hvg.hu unter Berufung
auf Dokumente, die Zivilorganisationen
freigeklagt hatten, von einer Veruntreuung von Steuerspenden (TAO-Gelder) in
Höhe von 642 Mio. Forint berichtet. Die
Gelder sollten eigentlich für die Bekämpfung von Ambrosia-Flächen eingesetzt werden, stattdessen wurde dem Ministerium
nachgewiesen, dass es u.a. IT-Technologie,
Mobiltelefone, Schuhputzmaschinen und
Ledertaschen kaufte sowie Abfindungen für
Mitarbeiterkündigungen bezahlte.
12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
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Außenminister Péter Szijjártó nahm
vergangene Woche Donnerstag beim
Treffen der Minister der Organisation
für Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa (OSZE) in Basel teil und erklärte, dass ein schnelle Lösung des Ukraine-Konflikts von großem Interesse für
Ungarn sei. Europa stehe aktuell vor
zwei
sicherheitspolitischen
Herausforderungen: der Ukraine-Konflikt im
Osten, der mithilfe von diplomatischen
Verhandlungen gelöst werden müsse,
und die Bedrohung durch den Islamischen Staat im Süden, bei der man (auch
mit militärischen Mitteln) verhindern
müsse, dass das dortige Christentum
gänzlich ausgelöscht wird. Später führte
Szijjártó bilaterale Gespräche, etwa mit
dem OSZE-Medienbeauftragten Dunja
Mijatovic, mit dem sich die Regierung in
Sachen Pressefreiheit „ständig beraten“
wolle, mit dem rumänischen Amtskollegen Bogdan Aurescu, der im Februar
nach Budapest kommen wird, um über
engere Kooperationen zu beraten, dem
ukrainischen Amtskollegen Pavlo Klimkin, der Szijjártó über die aktuelle Lage
in seinem Land informierte und den der
Ungar am 19.12. in Kiew besuchen wird,
und dem weißrussischen Amtskollegen
Vladimir Makei über die Wirtschaftsbeziehungen der beide Länder.
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Politik
Budapester Zeitung
Pipi-Tests
Máté Kocsis und die Drogenpolitik
für (fast) alle
Máté Kocsis ist Bürgermeister des VIII. Bezirks und hat damit ohne Frage einen der
schwierigsten Bezirke der Hauptstadt zu verwalten. Neben einem immer angesagteren
Nachtleben konzentriert sich hier auch die Drogenszene Budapests. Zuletzt sorgte Kocsis
in diesem Zusammenhang mit der Schließung des Spritzentausch-Programms der Zivilorganisation
Kék Pont für Aufregung. Sein neuester Vorstoß lässt Fachleute nunmehr komplett ratlos zurück.
12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
8
Foto: Fidesz.hu
D
enn was Máté Kocsis (bekannt
auch für seine „unorthodoxe“ Obdachlosenpolitik, auf
ihn gehen die ungarichen Obdachlosengesetze zurück, die das Leben auf
der Straße de facto unter Strafe stellt
(die BZ berichtete), nun aufs Tapet gebracht hat, erscheint mehr denn je als
Schnaps­idee: Ein verpflichtender Drogentest für alle Jugendlichen zwischen
zwölf und 18 Jahren sowie Journalisten und Politiker. Die Begründung ist
so einfach wie fachlich nicht nachvollziehbar: Wer gegen den Test ist, ist für
Drogen. Der Hintergrund ist laut dem
Politologen Gábor Török einfach. Der
Fidesz hat mit stetig sinkenden Umfrageergebnissen zu kämpfen. Verzweifelt
sucht man nun nach einem Thema, das
den Sturzflug beenden könnte. Drogen,
so meint man, ziehen immer, denn egal,
wie die Opposition auf das Thema reagiert, ihnen kann immer das Etikett
„Junkies und Drogenbefürworter“ angeheftet werden, so das Kalkül. Doch
noch mehr drängt sich die Frage nach
der Zielgruppe auf, Jugendliche, Politiker und Journalisten? Nur am Rande erwähnt sei, dass Politiker ob ihrer
Immunität nicht zu solch einem Test
verpflichtet werden können. Und auch
bei Journalisten und Jugendlichen
sind Datenschutz und Persönlichkeitsrechte eher Nebensache. Denn, so die
Máté Kocsis, so seine Kritik, würde mit dem verpflichtenden Drogentest
alle Jugendlichen unter Generalverdacht stellen.
Erklärung, Jugendliche müssten abgeschreckt, Journalisten sich hingegen
ihrer Vorbildfunktion bewusst sein und
deswegen am Test teilnehmen. Dass
es bei den Regierungsparteien Fidesz
und KDNP zumindest koalitionsintern
keine Abstimmung in dieser Frage gab,
zeigt das Beispiel des KDNP-Spitzenpolitikers György Rubovszky. Gelinde
gesagt „ungehalten“ äußerte er sich
gegenüber der linksliberalen Tageszeitung Népszabadság wie folgt: „Meine
(12jährige – Anm.) Enkelin rief mich
schluchzend an, und sagte: „Großvater,
ich muss das Land verlassen, ich werde
nicht in Gegenwart Fremder pullern!“
Der Vorschlag, so Rubovszky, sei in vielerlei Hinsicht problematisch.
Ein Thema,
viele Reaktionen
Derweil fragen sich viele, ob die Idee
des Drogentests nicht ein Ablenkungs-
Budapester Zeitung
manöver des Fidesz ist. László Szili,
Blogger bei cink.hu, ist sich sicher, dass
hier ein „Gummiknochen“ die Runde
macht. Nicht nur, dass es noch gar keinen konkreten Gesetzesvorschlag gibt.
Selbst Fraktionsvorsitzender Antal
Rogán sprach davon, dass der Test für
Journalisten nicht verpflichtend sein
sollte und auch für Kinder erst nach
vorherigem Einverständnis der Eltern.
Tests sind absolut
nicht brauchbar
Natürlich wurde das Thema auch
im sozialen Netzwerk Facebook aufgegriffen. Die Gruppe „Eine Million
Urinproben für den Fidesz“ zählte am
Mittwochabend bereits mehr als 6.000
Mitglieder. Die Gründer erklärten,
sollten 10.000 Unterstützer zusammenkommen, würde es eine dem Thema würdige Protestaktion geben, die
Übergabe von Urinproben in der Fidesz-Parteizentrale. Die oppositionelle
Partei von Ex-Premier Ferenc Gyur­
csány, Demokratische Koalition, hatte
sich am Montag kurzerhand dieser Idee
bemächtigt und Urinproben in der von
Kocsis´ verwalteten VIII. Bezirksleitung abgegeben.
Neben der fachlichen Fragwürdigkeit dieses Tests sind es auch die Kosten, die ungeheuerlich scheinen. Gábor Zacher, Toxikologe und Leiter der
Ambulanz des Honvédkorház, sprach
am Montag gegenüber InfoRádió über
Kocsis´ Idee. Der über Parteigrenzen
hinweg anerkannte Fachmann stellte der Idee ein vernichtendes Urteil
aus. Nur etwa vier bis sechs Prozent
der im Umlauf befindlichen Drogen
könnten mit den heute zur Verfügung
stehenden Tests tatsächlich nachgewiesen werden, und egal, ob positiv
oder negativ, vor Gericht hätten sie
ohnehin keinen Bestand (bei positivem Ergebnis muss ein zweiter spezieller Test durchgeführt werden, erst
dieser hat vor Gericht Beweiskraft).
Zudem würden die – überflüssigen
und unbrauchbaren – Drogentests bei
knapp 750.000 Menschen auch den
Haushalt enorm belasten, betonte Zacher. Er rechnete vor, dass der breit
angelegte Massentest bis zu 50 Milli-
Politik
arden Forint verschlingen, mit der benötigten Ausrüstung könnte sich diese
Summe gar auf 100 Milliarden Forint
belaufen. Der Toxikologe wies nachdrücklich darauf hin, dass mit diesem
Geld die gesamte Bevölkerung Krebs,
Cholesterin-, Blutdruck, Prostata und
Dickdarm-Vorsorgeuntersuchungen
unterzogen werden könnte.
Und während noch die Diskussion über Sinn und Unsinn eines verpflichtenden Drogentests läuft, wurde
im VIII. Bezirk der erste Aids-Kranke
getestet. Mit der Schließung des Spritzentauschprogramms ist es Fachleuten
zufolge nur eine Frage der Zeit, bis es
zum explosionsartigen Anstieg von
HIV-Erkrankungen kommt. Sollte die
Regierung tatsächlich etwas in Sachen
Suchtproblem unternehmen wollen, so
wäre eigentlich die Bekämpfung des
grassierenden Alkoholismus naheliegend. Im Vergleich zu den ungefähr
20.000 Drogensüchtigen leben in Ungarn rund 800.000 Alkoholkranke, von
denen jährlich etwa 30.000 Personen an
den Folgen ihrer Sucht sterben.
▶▶ EKG
12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
9
Politik
Budapester Zeitung
Affäre um US-Einreiseverbote
Vida geht gegen Goodfriend
vor Gericht
Wenn die Vereinigten Staaten André Goodfriend von der diplomatischen Immunität
befreien würden, könnte vor aller Welt endlich die Wahrheit geklärt werden. Dies sagte Viktor Orbán
am Dienstag. (Seite 13). Die Steuerbehörde NAV hatte schon zu Beginn der Woche signalisiert:
Direktorin Ildikó Vida, die vom US-Einreiseverbot betroffen ist, werde die notwendigen
rechtlichen Schritte gegen Goodfriend einleiten. Unterdessen wurde zudem bekannt,
dass die USA seit anderthalb Monaten nicht auf das Rechtshilfegesuch
der ungarischen Generalstaatsanwaltschaft reagiert haben.
Rechtliche Schritte: NAV-Leiterin Ildikó Vida will André Goodfriend nun doch anzeigen.
W
ie Orbán am Dienstag sagte, ist
„Ungarn nicht nur ein Land der
Freiheit, sondern auch der Verantwortung. Für unsere Worte und Taten
müssen wir Verantwortung übernehmen.”
Der Premier hatte schon am Montag im
Parlament betont: Die NAV-Chefin müsse den Geschäftsführer der US-Botschaft,
André Goodfriend, verklagen, „anders
kann sie ihre Unbescholtenheit nicht beweisen”. Orbán betonte auch, sollte Vida
gegen Goodfriend rechtlich nicht vorgehen, werde er die NAV-Direktorin ablösen.
Die deutlichen Worte des Ministerpräsidenten zeigten offenbar Wirkung. Am
Dienstag hieß es aus der NAV, dass Ildikó
Vida die „notwendigen Schritte” einleiten
werde. Unterdessen wurde auch bekannt,
dass die USA seit anderthalb Monaten
mit einer Antwort auf ein Rechtshilfegesuch der ungarischen Generalstaatsanwaltschaft in Sachen US-Einreiseverbote
12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
10
schuldig sind. Wie der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft, Géza Fazekas, am
Montag gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender M1 mitteilte, hat sich
Generalstaatsanwalt Péter Polt bereits am
27. Oktober mit einem Rechtshilfegesuch
an den US-amerikanischen Justizminister
gewandt. Grundlage dafür sei ein Abkommen zwischen den USA und Ungarn aus
dem Jahr 2008.
Hat sich Polt mit einem Rechtshilfegesuch an die USA gewandt?
Von seinem Rechtshilfegesuch habe
Polt auch André Goodfriend per Brief
informiert. Gleichwohl sah sich der Geschäftsführer der US-Botschaft genötigt,
am Montag per Facebook auf die Worte
Orbáns im ungarischen Parlament zu reagieren. Goodfriend wies darauf hin, dass
die rechtliche Kooperation zwischen Un-
garn und den USA hervorragend sei, wobei er auch das bilaterale Rechtshilfeabkommen hervorhob. Er ging allerdings
nicht darauf ein, warum die USA der
ungarischen Generalstaatsanwaltschaft
dann noch immer nicht geantwortet haben. Der Co-Vorsitzende der oppositionellen Partei „Gemeinsam”, Viktor Szigetvári, beschuldigte Generalstaatsanwalt
Polt derweil geradewegs der Lüge. Laut
dem Oppositionspolitiker habe Polt kein
Rechtshilfegesuch an die USA geschickt,
sondern lediglich eine informelle Benachrichtigung.
In der Affäre um die US-Einreiseverbote
meldete sich am Dienstag auch Außenminister Péter Szijjártó zu Wort. Er machte
darauf aufmerksam, dass aufgrund eines
internationalen Abkommens der entsendende Staat seinen Gesandten in bestimmten Fällen von der diplomatischen
Immunität befreien könne. So gäbe es die
Möglichkeit, dass André Goodfriend seine
Beweise vor einem ungarischen Gericht offenlegt und endlich Licht in die Affäre um
die US-Einreiseverbote bringt.
Zur Erinnerung: Mitte Oktober wurde
publik, dass die USA gegen sechs ungarische Offizielle ein Einreiseverbot verhängt
hatten. Später trat die NAV-Direktorin
Ildikó Vida an die Öffentlichkeit und gab
bekannt, dass sie vom US-Einreisebann
betroffen sei. Die ungarischen Medien mutmaßen, dass dahinter das angeblich lasche
Vorgehen der NAV in einem angeblichen
Mehrwertsteuerskandal stehen könnte.
Auch wird eine Abstrafung Ungarns wegen seiner Annäherung an Russland als
weitere Ursache für möglich gehalten.
▶▶ Peter Bognar
Budapester Zeitung
Anzeigen
Wir bedanken uns bei allen unseren Kunden
und Partnern für die gute Zusammenarbeit
und wünschen allen Fröhliche Weihnachten
und ein gesundes Neues Jahr 2015.
Hirschmann Car Communication Kft.
Békéscsaba
12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
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Politik
Budapester Zeitung
Anständige Armut
Bei anderen gelesen
Die heutige Stigmatisierung der Armut ist vor allem den effektheischenden Medien geschuldet.
Wenn im Fernsehen eine arme Familie gezeigt werden muss, dann packen die TV-Reporter
die Kamera ins Auto und begeben sich auf die Suche nach einem stinkenden, dreckigen und
einsturzgefährdeten Lehmhaus in einem aus der Zeit gefallenen, elendigen Ziegendorf irgendwo
hinter den sieben Bergen. Wenn die Elendshütte von Zigeunern bewohnt wird, ist es
auch kein Problem. Ganz im Gegenteil, in vielen Fällen ist es sogar noch besser.
W
orauf es ankommt: Der Hof
sollte mit Müll und wertlosem
Gerümpel überfüllt sein, der
Hund sollte an die Kette gelegt und völlig ausgemergelt sein, in den winzigen
Zimmern sollte ein heilloses Durcheinander herrschen, das Bett sollte ungemacht sein, Küche und Herd sollten vor
Schmutz starren, das Geschirr sollte
sich ungewaschen auf einem chaotischen Haufen stapeln – zu guter Letzt
sollte auch eine schmierige Katze auf
einem schäbigen Hocker sitzen.
Zu den Menschen: Die Mutter sollte
möglichst heruntergekommen aussehen, ihre Haare sollten zerzaust und
fettig sein, ihr Gewand ungewaschen.
Auch die Kinder sollten nach Tunlichkeit schmutzig sein, und ihre Nasen
voller Rotz. Und das kleinste der Kinder sollte schreien, wenn möglich lauthals.
Auch darf ein hohläugiger Greis oder
ein verrunzeltes Mütterchen nicht fehlen, die irgendwo in einer dunklen Ecke
sitzen und stumm vor sich hinstarren –
neben ihnen ein Berg Medikamente. Im
Großen und Ganzen sind das die Stereotypien für die Armut in Ungarn. Solche Darstellungen gehen bei hiesigen
Doku- und Filmfestivals sowie Fotowettbewerben häufig als Sieger hervor.
Eine Armut, die in den Medien
keine Beachtung findet…
Es gibt allerdings auch eine „anständige Armut”. Von dieser ist in den Medien wenig zu sehen und zu hören, obwohl
viele Menschen von ihr betroffen sind:
12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
12
Die Wochenzeitung Nevem Senki ist der
klischeehaften Darstellung von Armut
überdrüssig und macht auf eine wenig
reißerische Armut in Ungarn aufmerksam.
Wenn auf dem sauberen Hof die Blumen blühen, hört man den Hund glücklich kläffen, der Garten ist adrett, die
Wände gemeißelt, die Küche blitzblank,
und über dem Herd hängt der Haussegen. Auch die Möbel und Teppiche sind
sauber und die Fenster frisch geputzt.
Auf dem Küchentisch sind einfache,
wohlfeile, aber nahrhafte Speisen zu
finden, irgendwo steht ein Fett-Trog,
da liegen Winteräpfel, dort hängt ein
Speck von der Decke. Die Kleidung der
Menschen ist abgetragen und aus der
Mode gekommen, aber sauber, irgendwo stehen ein Emaille-Eimer und eine
Holzwanne herum. Der Sitz des Fahr-
rades ist von einer Häkelei umgeben,
im Hof laufen Hühner umher, da ein
Gemüsebeet, dort einige Reihen Weinstöcke und am Ende des Gartens Obstbäume.
In der Stadt ist diese Armut vor allem in den Plattenbauten zu finden:
kleine Zimmer, alte Möbel, Krautgeruch, Hajdú-Mimimat-Waschmaschine, Aluminiumkaffeekocher auf dem
Herd, Bravos Kaffee, Beko-Fernseher,
Gorenje-Kühlschrank, Tesco-Schnitten,
Sodaflasche, gestopfte Socken, Trainingshose, RTV-Zeitung (Fernsehprogramm; Anm.), Weste aus Schafspelz.
Die Armut ist mitnichten mit Anspruchslosigkeit gleichzusetzen. Die
Armut ist aber auch nicht mit dem
Verlust der menschlichen Würde und
dem Unglücklichsein gleichzusetzen.
Die Armut ist ein Zustand. Sie ist eine
Lebenssituation. Sie ist weder eine
Schande noch ist sie eine Krankheit.
Die Armut ist nicht mit Dreck, Unordentlichkeit, Alkoholismus, Kriminalität, Ungebildetheit und Primitivität
gleichzusetzen. Der in Armut lebende
anständige Ungar lebt bescheiden, er
macht keinen Lärm. Er fordert nicht,
er demonstriert nicht, ja er ist unproblematisch. Diese Menschen würden
mehr Respekt und Achtung verdienen.
Es handelt sind nicht um viele. Um wie
viele eigentlich? Nur um einige Millionen…
Der hier abgedruckte Text erschien am
2. Dezember 2014 in der unabhängigen
Wochenzeitung Nevem Senki.
Aus dem Ungarischen
von Peter Bognar
Budapester Zeitung
Politik
Bei anderen gelesen
Orbán: „Unsere Philosophie
ist leben und leben lassen”
In der Online-Ausgabe der Boulevardzeitung Blikk konnten die Leser am 9. Dezember 2014
mit Regierungschef Viktor Orbán anderthalb Stunden lang chatten. Lesen Sie im
Folgenden einige Fragen und Antworten aus dem „Starchat” mit dem Premier.
„„ Lőrinc: Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!
Was sagen Sie zu den Vorwürfen des
US-Geschäftsträgers der amerikanischen Botschaft, André Goodfriend,
wonach die Regierung bei ihren Maßnahmen gegen die Korruption nicht konsequent genug gewesen sei. Noch dazu
führt er konkrete Fälle an.
Ein ehemaliger Fidesz-Wähler
Viktor Orbán: Der genannte Herr wird
eine exzellente Gelegenheit dazu haben,
seine Vorwürfe vor der gesamten ungarischen Öffentlichkeit vor Gericht zu
wiederholen. Die Direktorin (Ildikó Vida;
Anm.) der NAV (Steuerbehörde; Anm.)
kann nicht umhin, den Geschäftsträger
zu verklagen, um ihre Unbescholtenheit zu beweisen. Ich kann nur hoffen,
dass sich der Herr Geschäftsträger nicht
hinter seiner Immunität als Diplomat
verstecken und sich dem offenen Dialog
stellen wird. Das Dampfplaudern hat ein
Ende, jetzt müssen rechtliche Schritte
folgen. Die Vereinigten Staaten haben
das Recht dazu, ihren diplomatischen
Vertreter von der Immunität zu befreien, so könnte vor aller Welt die Wahrheit
endlich geklärt werden. Darauf müssen
wir beharren. Es soll nämlich jeder wissen, dass Ungarn nicht nur ein Land der
Freiheit ist, sondern auch der Verantwortung. Für unsere Worte und Taten
müssen wir Verantwortung übernehmen.
Hochachtungsvoll, gesegnete Weihnachten und ein erfolgreiches Neujahr, Viktor
Orbán, Ministerpräsident.
Die Korruption
ist inakzeptabel…
„„ Jolánka: Was unternehmen Sie gegen die Korruption? Warum lassen Sie es
zu, dass Ihre Parteifreunde, Kumpel und
ehemaligen Studentenheimmitbewohner
Sie über den Tisch ziehen? Außer Ihnen
weiß die halbe Welt, was in Ungarn vor
sich geht. Wo leben Sie eigentlich, dass
Sie keinen blassen Schimmer von der Realität haben? Danke.
Viktor Orbán: Wir sollten bei den Tatsachen bleiben. Die Korruption ist inakzeptabel, hier gibt es keine Toleranz.
Ich glaube nicht, dass meine Mitarbeiter
mich über den Tisch ziehen. Und ich
kann Ihnen versichern, dass ich nicht
auf dem Mars lebe, sondern hier in Ungarn unter ihnen. Ich kann leider nicht
behaupten, dass mir alles gefällt, was
ich sehe. Aber ich arbeite jeden Tag hart
dafür, um immer mehr Dinge sehen zu
können, die alle mit Zufriedenheit erfüllen. Hochachtungsvoll und frohe Weihnachten.
„ „ Ein Geflohener…: Sehr geehrter
Herr Orbán, ich hoffe, Sie werden den
Forderungen der Vasallen der USA
(Frau Merkel + EU!) nicht klein beigeben.
Viktor Orbán: Die Amerikaner sind
unsere Freunde, ja sogar unsere guten
Freunde. Bitte vertrauen Sie mir! Hochachtungsvoll!
Derzeit ist leider
nur so viel drin…
„ „ Kálmán Szabó: Laut Ihren Versprechungen werden auch Männer die
Möglichkeit haben, in Frührente zu
gehen, wenn die Wirtschaftsentwicklung positiv ist (dies bekommen wir
nun immer wieder zu hören). Wird
was daraus? Ich arbeite seit 45 Jah-
ren und habe noch anderthalb Jahre
vor mir.
Viktor Orbán : In Ungarn wird es in
absehbarer Zukunft keine Möglichkeit
geben, um vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter in Pension zu gehen.
Dazu fehlen ganz einfach die wirtschaftlichen Voraussetzungen. Es gibt
eine einzige Ausnahme, das ist der
Renteneintritt von Frauen nach vierzig Jahren Arbeit. Wir kämpfen jedes
Jahr darum, die finanziellen Grundlagen dafür zu gewährleisten. Derzeit
ist leider nur so viel drin. Hochachtungsvoll.
„„ Mónika: Herr Orbán, unterstützen
Sie nicht nur Ihre Freunde wie etwa den
Herrn Mészáros (Lőrinc Mészáros ist in
der Heimatgemeinde von Orbán, Felcsút,
der Bürgermeister und hat es auf wundersame Weise vom einfachen Handwerker unter die Top-100 der reichsten Ungarn geschafft; Anm.), sondern auch die
Menschen, die Sie gewählt haben. Warum nehmen Sie uns unsere Zulagen am
Sonntag weg? (Stichwort einkaufsfreier
Sonntag; Anm.). Ich frage: Wem tut es
weh, dass wir am Sonntag arbeiten und
ein bisschen mehr verdienen? Sie da oben
haben alles. Warum nehmen Sie uns jetzt
auch noch diese kleinen Zusatzverdienstmöglichkeiten weg? Warum?
Viktor Orbán: Unsere Philosophie ist
leben und leben lassen. Aus diesem
Grund wollen wir nicht wegnehmen,
sondern helfen. Ich hoffe, die Zeit wird
mir Recht geben und mich auch in Ihrem
persönlichen Leben bestätigen. Viel Erfolg und frohe Weihnachten!
Aus dem Ungarischen
von Peter Bognar
12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
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Politik
Budapester Zeitung
Zitate
„Der Redner hat sich mit diesen
extremen Worten selbst qualifi­
ziert. (…) Ungarns Unab­
hängigkeit ist angegriffen
worden.“
Presseschau
Premier Viktor Orbáns Reaktion auf die
Neo-Faschisten-Entgleisung des republikanischen Senators John McCain.
„Der Fidesz feiert den AntiKorruptionstag mit der
geheimen Unterschrift des
die ungarische Energiepolitik
für die nächsten 60 Jahre
festlegenden Vertragspaketes
zum Bau von Paks 2.“
Aus einer Pressemitteilung der oppositionellen Együtt-Partei vom Dienstag.
„Die Anzahl der Armen
in Ungarn steigt nicht,
sondern fällt.“
Premier Viktor Orbán am Montag
im Parlament (vor zwei Wochen
wurde der alljährliche EurostatArmutsbericht veröffentlicht, laut
dem die Armut in Ungarn EU-weit
am stärksten zugenommen habe).
„Niemand zahlt gern Steuern.
Aber Steuern sind keine
Strafen. Die betroffenen
Branchen vertragen sie gut.
Die ganze Wirtschaft profitiert
davon, wenn die Arbeit entlastet
und dafür der Konsum stärker
besteuert wird.“
László Szabó, Ungarns neuer
Vize-Außenminister vergangene
Woche im Wirtschaftsblatt-Interview
zu den Sondersteuern.
„Als ich in Österreich lebte,
störte es mich zunächst, dann
freute es mich, dass es hier
keine Sonntagsöffnung gibt.
Wenn Menschen die Freizeit
mit ihrer Familie verbringen,
erhöht das ihre Lebensqualität
und Zufriedenheit.“
Ebenda, gefragt nach dem
Gesetzesvorschlag zu den
Sonntagsöffnungszeiten.
12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
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Ungarn stößt Rumäniens
Nationalfeiertag ab
Der orthodoxe Priester und Publizist Eugen Tanasescu ist empört, dass viele Angehörige der ungarischen Minderheit in
Rumänien nicht an den Feierlichkeiten des
rumänischen Nationalfeiertags am 1. Dezember teilnahmen. Die ungarischsprachige
rumänische Tageszeitung Krónika nimmt
die Ungarn in Schutz: „Der vom Nationalgefühl trunkene Pope kam derart in Rage,
dass er den Entzug der rumänischen Staatsbürgerschaft von all jenen forderte, die den
rumänischen Nationalsymbolen nicht die
gebührende Achtung schenken. (...) Er sollte
vielleicht einmal darüber nachdenken, warum der rumänische Feiertag für die Ungarn
so abstoßend ist. Wenn er sich die Mühe geben würde, die Ungarn persönlich zu befragen, würde er erfahren, dass der 1. Dezember für sie für die gebrochenen rumänischen
Versprechen [von 1918 zu Autonomierechten
für die Ungarn] und die Ausgrenzung der
Ungarn steht, die vom rumänischen Staat
nicht als gleichberechtigte Bürger behandelt
werden.“ (6. Dezember 2014)
Staatliche Drogentests
beleidigen junge Ungarn
Alle Politiker, Journalisten und Schüler
ab zwölf Jahren sollen in Ungarn künftig
einem Drogentest unterzogen werden. Das
forderte die rechtskonservative Regierungspartei Fidesz am Montag. Es ist skandalös,
Jugendliche unter Generalverdacht zu stellen, wettert der Publizist Gellért Rajcsányi
auf dem Meinungsportal Mandiner: „Was
bei mir die Sicherungen durchbrennen
ließ, ist der obligatorische Drogentest für
alle Kinder. Dies wird in den nächsten Tagen wohl auch eine Lawine der öffentlichen
Entrüstung auslösen. (...) Wenn ich heute ein mit Liebe und Vertrauen erzogenes
unschuldiges, argloses zwölfjähriges Kind
hätte und in den TV-Nachrichten hörte,
dass eine Partei einen verpflichtenden Drogentest für alle Schüler ab dem zwölften
Lebensjahr einführen will, dann würde ich
in meiner Wut wohl gegen den Fernseher
treten. Welcher verqueren und perversen
Logik ist es geschuldet, dass eine Partei eine
komplette Generation des Drogenkonsums
verdächtigt?“ (8. Dezember 2014)
Orbán kämpft sehr
wohl gegen Kinderarmut
Linksliberale Medien kritisieren die
rechtskonservative Regierung unter Viktor Orbán für die drastische Zunahme der
Kinderarmut in Ungarn. Laut OECD lebt
knapp ein Drittel der ungarischen Kinder
unter Entbehrungen. Die regierungsnahe
Tageszeitung Magyar Nemzet spricht solchen
Anschuldigungen und Statistiken die Glaubwürdigkeit ab: „Was auch immer die Regierung zur Linderung der Armut tut, etwa
indem sie immer mehr Kindern in rückständigen Regionen eine kostenlose Verpflegung
ermöglicht, die linksliberalen Medien weigern sich beharrlich, davon Notiz zu nehmen.
Stattdessen ergehen sie sich in Panikmache
und traktieren ihre Leser mit Armutsberichten, die den einschlägigen Erhebungen des
Zentralamts für Statistik widersprechen.
(...) Wenn es in den vergangenen 25 Jahren
eine ungarische Regierung gab, die wirklich
etwas für das Wohl der in Armut lebenden
Kinder geleistet hat, dann ist es die Regierung Orbán.“ (7. Dezember 2014)
Budapester Zeitung
Wirtschaft
+ + + + + + + + + + + + + + KOMPAKT + + + + + + + + + + + + + +
wonach bei verschiedenen Milchprodukten
aus Kärnten in Hinsicht auf Hexachlorbenzol (HCB) die Grenzwerte für einen gesundheitlich unbedenklichen Verzehr deutlich
überschritten wurden. Greenpeace sprach
von Produkten mehrerer Marken, die jedoch
allesamt aus einer Region stammen und
durch ein nahe gelegenes Zementwerk bzw.
eine Blaukalkdeponie verunreinigt worden
sein könnten. Das ungarische Agrarministerium rät den Kunden, einheimische Produkte zu kaufen.
Paks-2: Dieses
Projekt verwirklichen
die Russen
V4-Gipfel: Energiesicherheit im Mittelpunkt
Der russisch-ukrainische Konflikt und damit im Zusammenhang die Energiesicherheit in
der Region waren herausragende Themen des Gipfeltreffens der Visegrád-Staaten in Bratislava unter Teilnahme des Bundespräsidenten der Schweizerischen Eidgenossenschaft,
Didier Burkhalter. Mit seinen Amtskollegen aus Polen, Tschechien und der Slowakei beriet
sich Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán vornehmlich über die angespannte Lage im
Nachbarland Ukraine. Dabei vertrat er die Ansicht, dass man nicht nur passiv zuschauen
dürfe, um die Folgen zu erleiden, sondern aktiv in die Geschehnisse an den Ostgrenzen
Europas eingreifen müsse. Ungarn werde alles für die Schaffung einer Pax Europa tun.
Burkhalter erklärte, die Sicherheit Europas müssten die Europäer zu ihrem gemeinsamen
Projekt machen. Die V4-Staaten forderten die Schweiz auf, sich stärker in der Region zu
engagieren.
Ungarn-Bayern:
Zusammengewachsen
Die grundlegend auf Fertigungskooperationen basierende Zusammenarbeit wird um
neue Aspekte wie Forschung, Entwicklung
und Ausbildung bereichert, sagte Außenminister Péter Szijjártó im Anschluss an die
18. Sitzung der Gemischten Kommission
Ungarn-Bayern am vergangenen Freitag
in München. Ungarns Industrie sei praktisch mit jener Süddeutschlands zusammengewachsen, weshalb die ungarische
Wirtschaftsleistung erheblich vom Erfolg
ihrer deutschen und insbesondere bayerischen Partner abhängt. Der Freistaat
Bayern habe die Fortsetzung der Finanzierung für die deutschsprachige Andrássy-Universität in Budapest beschlossen.
Das Ungarische Institut in Regensburg
wird der dortigen Universität zugeordnet.
Aktiviert werden müsse die unter der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft 2011 auf
den Weg gebrachte Donauregion-Strategie.
Szijjártó verhandelte in München mit der
Wirtschaftsministerin des Freistaates, Ilse
Aigner, sowie mit dem BMW-Management.
Bekanntlich gilt Ungarn als „unsichtba-
re Fabrik“ des Automobilkonzerns, kauft
BMW doch von 120 ungarischen Zulieferern jährlich für 1,3 Mrd. Euro Waren und
Dienstleistungen ein.
Unter fünfmonatige Verhandlungen setzten
die Partner am Dienstag einen Punkt, als in
Budapest drei Verträge zur Verwirklichung
des Projekts AKW Paks-2 unterzeichnet
wurden. Der Regierungsbeauftragte Attila
Aszódi erklärte, das Atomkraftwerk bleibe
ungarisches Eigentum, die Investition werde die Finanzierungsvorgabe von 12,5 Mrd.
Euro ganz bestimmt nicht sprengen. Die
russische Seite wird das Projekt mit einem
Kreditrahmen von 10 Mrd. Euro finanzieren und zwei Reaktorblöcke á 1.200 MW
Leistung liefern. Wegen des plötzlichen Aus
für das Pipelineprojekt South Stream habe
Ungarn wiederholt nachgefragt, ob Paks2 sicher sei. Die Antwort lautete, Moskau
nehme das Projekt ungeachtet der zunehmend schwierigeren Wirtschaftslage ernst.
Die Oppositionsparteien kritisieren die fehlende Transparenz – nach einer Vorlage des
Entwicklungsministeriums sollen sämtliche
Verträge im Zusammenhang mit dem AKWBau aus Gründen der nationalen Sicherheit
für 15 Jahre unter Verschluss gelangen.
Lebensmittelkontrolle:
Belastete Milch
aus Kärnten
Milch und Milchprodukte aus Österreich
werden auf Anweisung des Agrarministers
Sándor Fazekas ab sofort besonders intensiv geprüft. Auslöser der Vorsichtsmaßnahme sind Medienberichte im Alpenland,
12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
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Wirtschaft
Budapester Zeitung
Wirtschaftspolitisches Holterdiepolter
Hoffen auf einen steigenden
Privatkonsum
Viktor Orbán regiert nun schon im fünften Jahr. Was brachte seine „Regierung
der nationalen Mitte“ den Ungarn und was versprechen die kommenden drei Jahre?
Bevor wir uns in Pro und Kontra verzetteln, sei ein Aspekt genannt, der unumstößlich ist:
das Primat der Politik gegenüber der Wirtschaft.
D
ie einen singen Lobeshymnen
auf Viktor Orbán, die anderen
möchten ihn am liebsten zum
Teufel jagen: Der seine dritte Amtszeit
politisch mehr denn je einbetoniert antretende Ministerpräsident spaltet die Geister wie kein anderer. Im Ausland wird
er vornehmlich aufgrund oberflächlicher
Kenntnisse und darum kritisiert, weil er
ausgetretene Pfade verlässt und lieber experimentiert. Für seine Landsleute wirkt
sich eher kritisch aus, dass Orbán längst
eigenmächtig entscheidet, immer seltener
den Konsens sucht, während niemand in
seinem Umfeld mehr Zeit auf Studien verschwendet, um mögliche Risiken und Nebenwirkungen dieser „genialen Einfälle“
aufzudecken.
Nach den Jahren der Stabilisierung
werden heute die Fundamente einer national gesinnten Wirtschaftsordnung gelegt. Es geht mal wieder holterdiepolter,
als hätte der Fidesz keine Zeit für ein Konzept mit Hand und Fuß. Mittlerweile wird
nicht mehr im Wochen-, sondern geradezu
im täglichen Takt mit Ideen um sich geworfen, die wirklich niemanden mehr verschonen. Cafeteria so hoch besteuern, dass
es sich nicht mehr lohnt. Internetsteuer
einführen, oder besser doch nicht, weil die
Leute mal wieder alles falsch verstanden
haben. Den Grünen Punkt neu erfinden,
auditierte Versorgungsunternehmen von
einem Monopol nochmals auditieren lassen, immer mehr Kassen online anbinden. Die Spediteure zur elektronischen
Erfassung sämtlicher Frachtdaten (EKAER) nötigen. Dem Handel eine gewaltige
Gebührenerhöhung aufdrücken, die vermeintlich einer höheren Nahrungsmittelsicherheit dient…
Orbán ist Jurist, er fühlt sich ganz in
seinem Metier, wenn er Spielregeln neu
schreiben darf. Damit hat er bereits meh12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
16
rere Sektoren der Volkswirtschaft der
„Fremdherrschaft“ entrissen: Nach Bankensektor und Energiesektor sind Medien
und Handel die aktuellen Schlachtfelder.
Bei den Banken haben über Jahre angewandte Sondersteuern ihre Wirkung nicht
verfehlt. Takarékbank, MKB und Budapest Bank wurden den deutschen und
amerikanischen Investoren abgekauft; neben den Genossenschaftsbanken wird nun
eine starke Handelsbank als Alternative
zur OTP aufgebaut. Im Energie- und Versorgungssektor ziehen sich die mit der Privatisierung Mitte der 90er Jahre ins Land
geströmten deutschen, französischen und
italienischen Konzerne infolge absurder
Gängelung durch die Regulierung zurück
und überlassen das Feld der Mol-Gruppe
und der staatlichen Energieholding MVM.
Den „Extraprofiten“ der bösen Multis ist
diese Regierung nun auch bei RTL, Tesco
& Co. auf der Spur. Die Handelsgesellschaften haben derzeit eine ganze Reihe
an Maßnahmen der hyperaktiven Regierung zu verdauen, unter denen das Sonntags-Verkaufsverbot – so es denn wettbewerbsneutral umgesetzt wird – noch die
kleinste Delle verursachen dürfte. Neben
der bereits erwähnten Gebühr für bessere
Lebensmittelsicherheit, die mal wieder nur
die „Extraprofite“ der großen Ketten abschöpft, attackiert das Volkswirtschaftsministerium von Mihály Varga Grundfesten
der marktwirtschaftlichen Ordnung, wenn
Handelsunternehmen nach zwei Jahren in
den roten Zahlen die Lizenz entzogen werden soll. Wohlgemerkt nur Großunternehmen mit einem Mindestumsatz von rund
160 Millionen Euro; die großen einheimischen Handelsketten fallen deshalb nicht
unter diese Regelung, weil CBA, Coop und
Reál Franchise-Misch-Systeme aufweisen.
Ausländische Investoren müssen verstehen, dass sie im Orbán-Ungarn bes-
ser freiwillig das Feld räumen, sofern ihr
Geschäfts-Know-how von Einheimischen
ohne weiteres kopiert werden kann. Im
verarbeitenden Gewerbe sowie in Technologiesektoren sind Investoren derweil aber
nicht nur willkommen, sondern als Zugpferde vonnöten, um ungarische Klein- und
mittelständische Unternehmen heranzuziehen. Denn an Stelle der heute vielleicht
zweitausend exportfähigen ungarischen
Firmen möchte Orbán zwölftausend solche
Firmen im ungarischen Eigentum sehen,
denen er die Ostmärkte öffnet und den
Forint schwächt.
Wenn bei den guten Multis
das Licht ausgeht
Die von Orbán hofierten Investoren mögen nicht bemerken, dass etwas faul ist
im heutigen Ungarn. Sie sind begeistert
von der liberalsten Arbeitsgesetzgebung
auf dem Kontinent, denn wo sonst kann
man die teuren Maschinen 168 Stunden
in der Woche auslasten? Es gibt zwar in
den meisten Betrieben Gewerkschaften,
aber Arbeitskampf ist nicht das Ding der
friedfertigen Ungarn. Infrastruktur und
Logistik sind auf einem hohen Niveau
angelangt, die gute Qualifizierung der
weiterhin kläglich (mit 800 Euro brutto
im Landesdurchschnitt) bezahlten ungarischen Arbeitskräfte ist in aller Munde.
Doch haben all diese hofierten Unternehmen auch Geschäftspartner wie Banken oder Energieversorger. Vor vielleicht
zwei Jahren sagte der heute das Ministerpräsidialamt leitende János Lázár,
wenn die Energienetze zusammenbrechen, kommt auch das Vorzeigewerk
von Mercedes-Benz in Kecskemét zum
Stillstand. Das war ein Augenblick der
Erleuchtung, doch in wenigen Wochen
geht vielleicht tatsächlich das Licht aus.
Budapester Zeitung
Zumindest hat es der Gesetzgeber bis
Mitte Dezember nicht vermocht, die Rahmenbedingungen für 2015 abzustecken.
Ein Versorgungsunternehmen, das nicht
nach den bizarren Vorgaben auditiert
wird, an denen die Regierung zurzeit
noch immer bastelt, darf in wenigen Monaten keine Rechnungen mehr an seine
Kunden ausstellen. Ohne Abhilfe werden
Hunderte Versorger im Verlauf des kommenden Jahres Pleite gehen. Natürlich
wird es nicht dazu kommen und auch bei
den Autobauern in Kecskemét wird nicht
das Licht ausgehen. So wie bei der absurden wie wirklichkeitsfernen Idee mit dem
EKAER wird es auch bei diesem Problem
in letzter Minute schon wieder irgendeinen Kompromiss geben. Allein die derzeitige Verunsicherung und der Ärger
der Betroffenen werden dadurch nicht
ungeschehen gemacht. Auch die Kratzer
auf dem Sicherheitsgefühl, als Produktionsunternehmen in Orbán-Ungarn mit
einem Schutzengel ausgestattet zu sein,
werden bleiben.
Natürlich merken die hofierten Multis
auch irgendwann, wo ihren Mitarbeitern
der Schuh drückt. Ungarn hat die höchste Mehrwertsteuer (27 Prozent), doch wer
gut verdient – Multis zahlen im Schnitt
ein Fünftel mehr als ungarische Arbeitgeber der gleichen Branche –, kommt im
Steuersystem der Orbán-Regierung besser weg, dank niedrigem Einheitssatz der
Einkommensteuer von 16 Prozent und
üppigen Steuervergünstigungen für Familien. Ein wichtiges Element der Vergütungspolitik stellt die Cafeteria dar, deren
Leistungsumfang für viele Arbeitnehmer
bis zu zwei Monatsgehälter bedeutet. Die
Regierung wollte die Steuern und Abgaben auf Cafeteria-Leistungen ab 2015
aber so radikal anheben, dass es sich für
die Unternehmen eher gelohnt hätte, den
Mitarbeitern Bargeld zu zahlen – natürlich in der Summe weniger.
Der wieder einmal ohne jegliche Konsultationen vorgebrachte Vorschlag hätte
besonders bei Kleinfirmen zu erheblichen
Reallohneinbußen geführt und nebenbei
dem Aufschwung im Tourismus das Wasser abgegraben. Denn die im Rahmen
der Cafeteria aufgelegte SZÉP-Karte für
Urlaubsleistungen hatte beträchtlichen
Anteil daran, dass der Inlandstourismus
in diesem Jahr zweistellig zulegen konnte. Wegen der allgemeinen Entrüstung
kam es bei der nachträglichen „Verfeinerung“ der Steuergesetze dazu, dass
die SZÉP-Karte zum Jolly Joker gekürt
wurde: Oberhalb von 200.000 Forint wird
dies nämlich die einzige abrechenbare
Leistung sein, die keiner Strafsteuer unterworfen wird.
Konsumieren
für mehr Wohlstand
Wer bei diesem Hick-Hack eine klare
Linie der Wirtschaftspolitik ausmachen
kann, der hat vermutlich den Blick für
die ganz großen Zusammenhänge bewahrt. Viktor Orbán will dieses Land
zu einem Glanzpunkt Europas machen.
Dafür braucht er neben stabilen Staatsfinanzen ein solides Wachstum, denn die
ehrgeizigen Pläne wollen finanziert sein.
In diesem Jahr gehört Ungarn mit über
drei Prozent BIP-Zuwachs zum Spitzenfeld, doch die Investitionen flauen bereits
ab, weil keine weiteren Automobilwerke
mehr gebaut werden und 2014 Rekordtransfers an EU-Geldern brachte, die sich
unmöglich wiederholen lassen. Die Industrie hängt unverändert von der deutschen
Konjunktur ab, die doch sehr verhalten
wirkt, die Landwirtschaft hat zwei tolle Jahre hingelegt. Der noch von György
Matolcsy niedergelegte Generalplan baut
tatsächlich auf den Privatkonsum als
Wachstumsmotor.
Wirtschaft
Dabei sind die Visionen des zum Notenbankpräsidenten gewandelten früheren Wirtschaftsministers von 5-7
Prozent Wachstum nie auch nur annähernd umgesetzt worden, während seine
ungezählten Sparpakete die zu Konsum
aufgerufene Bevölkerung bluten ließen.
Die Zinsen schickte er in der Tat in den
Keller, so dass ein Leben auf Pump wieder funktionieren würde – nur haben sich
die Magyaren für ein, zwei Generationen
mehr als nur die Finger an Krediten verbrannt. Die Reallöhne legen auf Volkswirtschaftsebene nicht wirklich zu, wenn
die Arbeitslosenstatistik überwiegend
durch unterbezahlte Jobs verschönert
wird. Dennoch hat die Regierung nicht
wenige Maßnahmen mit dem ausdrücklichen Ziel verwirklicht, den Konsum anzukurbeln. Der Einzelhandel wird nach
den vorliegenden Statistiken im laufenden Jahr um rund 5 Prozent wachsen, die
Menschen lassen schätzungsweise 400
Milliarden Forint mehr in den Geschäften. Um bei einem Bruttoinlandsprodukt
von 30.000 Milliarden Forint die Rolle als
Wachstumslokomotive zu übernehmen,
müsste der Privatverbrauch weiter dynamisiert werden. Der einkaufsfreie Sonntag – auch wieder so eine „spontane Idee“
– wirkt da ganz sicher kontraproduktiv.
▶▶ Rainer Ackermann
12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
17
Wirtschaft
Budapester Zeitung
ELMŰ-ÉMÁSZ: Mit Energieverbraucherpreis 2014 ausgezeichnet
„Mit ganzer Seele
für den Kunden“
Dass sich guter Kundenservice auszahlt, bestätigte sich vergangene Woche Mittwoch:
der ungarische Energieversorger ELMŰ und der zur selben Firmengruppe gehörende
Netzbetreiber ÉMÁSZ wurden mit je einem Energieverbraucherpreis ausgezeichnet.
Z
um 19. Mal wurden die Auszeichnungen an die kundenfreundlichsten Energieversorger verliehen, für
die ELMŰ-ÉMÁSZ waren es die ersten
der Firmengeschichte. Entsprechend stolz
zeigte sich Vorstandsvorsitzende Marie-Theres Thiell, die laut eigener Aussage
die Entwicklung des Kundenservices seit
2006 verfolgt: „700 Mitarbeiter, also etwa
ein Viertel unserer Gesamtbelegschaft hat
dort einen harten Job. Der Kundenservice
hat sich prächtig entwickelt und befindet
sich mittlerweile auf internationalem Niveau.“ Die Abteilung müsse qualitativ und
gleichzeitig kosteneffizient arbeiten, das
Fundament hierfür und für die Arbeit der
Abteilung sei das von T-Systems betriebene IT-System, in das man viel investiert
habe (die BZ berichtete). Dank diesem
gebe es etwa immer weniger Beschwerden
über fehlerhafte Abrechnungen.
„Gratulation auch an den Gesetzgeber,
der festgelegt hat, dass Kundenanfragen
schnell beantwortet werden müssen“,
so Thiell. Sie selbst lege daneben Wert
auf die Erneuerung der Kundencenter,
denn diese bilden „unser Gesicht für den
Kunden“ und müssen auch dementsprechend aussehen sowie funktionieren. Im
ELMŰ-Callcenter gab es ebenfalls Verbesserungen, berichtete sie, dank denen etwa
beim Kundenanruf sofort dessen Angaben
auf dem Monitor des Mitarbeiters erscheinen. „Die Kunden haben zudem immer
mehr Möglichkeiten, ihre Verbrauchskontrolle und auch die Zahlung elektronisch
zu erledigen, was vieles vereinfacht.“ Zum
Schluss erwähnte die Top-Managerin,
dass die Unternehmenswebseite als kundenfreundlichste beim 14. eFestival-Wettbewerb 2014 Anfang November in Balatonfüred ausgezeichnet worden sei – was
durchaus in Verbindung zur aktuellen Ehrung stehe.
12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
18
Ausgezeichneter Kundenservice: ELMŰ-ÉMÁSZ-Vorsitzende Marie-Theres Thiell
und ELMŰ-ÉMÁSZ Ügyfélszolgálati Kft.-Geschäftsführer Péter Mészáros nahmen den
Preis aus den Händen von Dezső Porpárczy vom Energie-Verbraucherverband entgegen.
„Preis hält Versorgern
den Spiegel vor“
Dezső Porpárczy, Vizepräsident des
Verbandes der ungarischen Energieverbraucher erinnerte daran, dass die Ungarische Energiebehörde 1995 die Erlaubnis zur Privatisierung des Sektors
unter der Prämisse erteilt habe, dass
die Unternehmen jährlich an einer Erhebung bezüglich ihres Kundenservices
teilnehmen müssen. „Die Erhebungen
sind somit immer auch ein Zeichen der
Kundenzufriedenheit, weshalb auch unser Preis etabliert wurde. Seit 1995 hat
sich der Energiesektor enorm verändert,
es blieben aber die Vergleiche mit der
Vorjahresleistung der Unternehmen“,
erklärte er. „Unser Preis hält den Versorgern jedes Jahr einen Spiegel in Sachen
Kundenservice vor.“ Anschließend zeichnete er bei den Energieversorgern ELMŰ
und FŐGÁZ sowie bei den Netzbetreibern ÉMÁSZ und die FŐGÁZ Földgázelosztási Kft. aus.
Auf Nachfrage der Budapester Zeitung
erklärte die ELMŰ-Vorsitzende, dass sie
höchstens noch Verbesserungspotenzial
bei der Nutzung der Unternehmens-App
sehe, über die ebenfalls alle Kundenbelange erledigt werden können, aber dies
hänge natürlich auch von den Kunden
selbst ab. Aktuell werde der bis Ende
Januar erfolgende Umstieg auf elektronische Abrechnung mit der Gewinnchance
auf ein iPhone belohnt.
▶▶ Daniel Hirsch
Mehr Informationen zum Gewinnspiel
unter elmu.hu
Wirtschaft
Budapester Zeitung
+ + + + + + + + + + + + + + KOMPAKT + + + + + + + + + + + + + +
Széchenyi-Bank:
Das Töröcskei-Imperium zerbirst
Nachdem die Széchenyi-Bank und die
Széchenyi-Kreditgenossenschaft von der
als Finanzaufsicht vorgehenden Notenbank geschlossen werden mussten, hat der
Präsident der Zentrale zur Verwaltung der
Auslandsschulden (ÁKK), István Töröcskei,
dem Volkswirtschaftsministerium seinen
Rücktritt angeboten. Töröcskei hat mit seinen Bankgeschäften Milliarden an Staatsgeldern in den Sand gesetzt; die Inhaber von
Einlagen bei der Széchenyi-Bank werden
jetzt aus jenem Landesfonds für Einlagensicherheit (OBA) entschädigt, dessen Vermögen ausgerechnet von der ÁKK verwaltet
wird. Das Finanzportal portfolio.hu schrieb,
die Széchenyi-Bank habe ihre Bilanzsumme durch Kreditvergaben im Rahmen des
Wachstumskreditprogramms (NHP) der
Ungarischen Nationalbank künstlich auf 50
Mrd. Forint aufgeblasen. Zu Jahresbeginn
wollte die Töröcskei-Bank noch allen Ernstes das Ungarngeschäft der Raiffeisen Bank
verschleuderte, wollte sie die Österreicher
mit einem einzigen Euro abspeisen.
Siemens: Partner
in der dualen
Hochschulausbildung
TVK: Rohstoffe für
die Reifenproduktion
Foto: BGF.hu
DM: Outlet-Geschäft
eröffnet
übernehmen. Doch während die Széchenyi-Bank Milliarden an Postkastenfirmen
Im Premier Outlet-Center Biatorbágy hat
dm ein neues, eigenständiges Geschäft eröffnet. Auf knapp 300 qm Verkaufsfläche
werden angepasst an den Outlet-Charakter
neben der gewohnten Angebotspalette von
knapp 11.000 Artikeln besonders viele Auslaufprodukte feilgeboten. Im Übrigen steht
das Sortiment wie in allen 258 Ungarn-Geschäften der deutsch-österreichischen Drogeriekette ganz im Zeichen von Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Naturprodukten.
Zumindest bis März 2015 wird das dm-Geschäft im Outlet-Center täglich, also auch
sonntags, von 10 bis 20 Uhr geöffnet sein.
Die Siemens Zrt. hat mit der Budapester
Wirtschaftshochschule (BGF) eine Kooperationsvereinbarung hinsichtlich der dualen
Ausbildung unterzeichnet. Studenten der
Hochschule werden im Rahmen der neuartigen Ausbildungsform mehr als anderthalb
Jahre mit Fachpraktika bei Unternehmen
des deutschen Großkonzerns zubringen.
Siemens bietet ab dem Studienjahr 2015/16
zunächst fünf Studenten entsprechende
Verträge an. Die BGF plant ab dem kommenden Herbst gleich an fünf Fakultäten in
Zusammenarbeit mit 25-30 Unternehmen
den Start der dualen Ausbildung.
Die MOL-Gruppe plant bei ihrem Chemieunternehmen TVK in Tiszaújváros den Bau einer
Fabrik für Synthesekautschuk. Nach einer
Meldung der Nachrichtenagentur Reuters
soll der ungarische Mineralölkonzern für das
Projekt 100 Mio. Dollar bereitstellen. Erst vor
einem Jahr hatte MOL die Gründung eines
Gemeinschaftsunternehmens mit der japanischen Firma JSR bekanntgegeben, das ab
2017 Kapazitäten von 60.000 Tonnen Synthesekautschuk im Jahr in Betrieb nehmen soll.
Der im Fachjargon mit S-SBR abgekürzte
Kautschuk kommt in der Produktion kraftstoffeffizienter Reifen zum Einsatz. Außerdem
steht bei TVK an der Theiß ein Butadien-Betrieb mit einer Jahreskapazität von 130.000
Tonnen vor der Übergabe.
Controlling
IT-Unterstützung
Steuerberatung
Buchführung
Firmengründung in Ungarn
ig
prach
Zweis zise
Prä
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ässig
Zuverl
Journal Finanzdienstleistungen GmbH
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12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
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Wirtschaft
Budapester Zeitung
Gespräch mit Gerhard Hahn, geschäftsführender Gesellschafter der Knüppel Verpackung GmbH & Co. KG
„Ungarn ist für uns ein
wichtiger Standort“
Foto: BZT / Nóra Halász
Weihnachtszeit ist auch Verpackungszeit. Für Firmen wie die Knüppel Verpackung GmbH & Co. KG
ist das ganze Jahr über, wenn auch nicht Weihnachts-, so doch Verpackungszeit. Im Rahmen
seines jüngsten Besuchs bei der 2004 gegründeten ungarischen Tochterfirma Knüppel
Csomagolástechnika Kft. unterhielten wir uns mit dem geschäftsführenden
Gesellschafter Gerhard Hahn über seine Firma sowie Trends auf dem Verpackungsmarkt.
Frank Adenauer, Geschäftsführer der Knüppel Csomagolástechnikai Kft. (M.), und
Knüppel-Inhaber Gerhard Hahn (r.) im Gespräch auf der Automotive Hungary 2014.
I
nnerhalb der Knüppel-Gruppe sorgen inzwischen 350 Mitarbeiter für
einen Jahresumsatz von etwa 95
Millionen Euro. Eine der Stärken der
1919 ursprünglich als Papiergroßhandel
gegründeten Firma sind nach Aussage
von Hahn speziell nach Kundenwünschen maßgeschneiderte Lösungen der
eigenen Entwicklungsabteilung. Dabei
würde eine Vielzahl an Parametern rund
um die einzupackenden Waren eine Rolle spielen. So etwa die Versandart, die
Zahl der auf einmal versandten Güter,
natürlich deren Beschaffenheit, aber
auch Dinge wie die Temperatur und andere Umwelteinflüsse. „Der Trend gehe
in den vergangenen zehn Jahren immer mehr zu kleineren Losgrößen und
zu individuelleren Kundenwünschen“,
erklärt Hahn. Ein weiterer Trend beste12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
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he in der Auffächerung der Produkte in
immer mehr individuelle Produktvarianten, die teils nach unterschiedlichen
Verpackungen verlangen. Von daher
gewinne auch das Thema Entwicklung
immer mehr an Bedeutung.
„Viele Waren sind
heute überverpackt“
Obwohl natürlich der Schutz der
transportierten Waren ganz oben stehe,
würden bei der Entwicklung aber auch
Wirtschaftlichkeitsaspekte eine Rolle
spielen. So sei es beispielsweise rausgeworfenes Geld, mehr in die Verpackung
zu investieren als unbedingt nötig. Diese
Bemerkung kommt nicht von ungefähr:
„Viele Waren sind heute überverpackt“,
so Hahn. Durch eine zu geringe Beach-
tung des Themas Verpackung würden
Firmen hier Mehrkosten von bis zu 20
Prozent entstehen, durch größere Volumina, ein höheres Gewicht und den Einsatz von zu viel Verpackungsmaterial.
„Wegen dieses verbreiteten Phänomens
haben wir bei uns eine Abteilung geschaffen, die speziell auf das Abspecken
von Verpackungen spezialisiert ist.“ Interessanterweise gehe es dabei nicht
nur um das Vermeiden von unnötigen
Kosten, sondern auch um die Erhöhung
der Sicherheit. Schließlich gehe ein
Mehr an Verpackung nicht automatisch
mit einem Mehr an Sicherheit einher.
„Manchmal kann sogar das Gegenteil
der Fall sein“, warnt Hahn. Teilweise
könne ein größerer Einsatz von Verpackungsmaterialen etwa auf Kosten ihrer
Bremswirkung oder anderer physikalischer Eigenschaften gehen.
Danach gefragt, wie hoch die Bereitschaft der Kunden sei, sich ernsthafter
mit dem Thema Verpackung auseinanderzusetzen, antwortet Hahn, dass
diese durchaus vorhanden sei und mit
wirtschaftlichem Druck, aber auch
der Anzahl an Schadensfällen steige.
„Wenn ein Kunde vertraglich nicht an
einen anderen Anbieter gebunden ist,
ist er in der Regel für unsere Angebote
offen.“ Bei der Kundenstruktur sei man
recht breit aufgestellt. „Wir haben Kunden aus fast allen Branchen“, so Hahn.
Immer mehr würde seine Firma beim
Transport zwischen einzelnen Industriefirmen zum Zuge kommen. Dieser Bereich sei aufgrund der immer stärkeren
Arbeitsteilung und dem Outsourcen von
Teilprozessen nach wie vor im Wachsen
begriffen. Automotive mache bei Knüppel inzwischen knapp 40 Prozent des
Foto: BZT / Nóra Halász
Knüppel-Inhaber Gerhard Hahn: „Bei uns gibt es eine Abteilung, die speziell auf das Abspecken von Verpackungen spezialisiert ist.“
Umsatzes aus. Dabei gehe es um den
Transport von einzelnen Komponenten
bis hin zu komplett zerlegten Autos,
die dann an ihrem Bestimmungsort nur
noch montiert werden müssen.
Das Thema Kosten erstrecke sich
wiederum von den Kosten für die Verpackung bis hin zur notwendigen Arbeitszeit für das Ein- und Auspacken.
„Es muss eine möglichst einfache Handhabung für die Verpackung der Komponenten am Produktionsort und beim
Entpacken am Montageband gewährleistet sein.“ Abgesehen von den Eigenmaßen des zu verpackenden Produktes
müssten bei der Konzipierung der richtigen Verpackung auch Dinge wie die
Stellfläche im Container und Ähnliches
berücksichtigt werden. Auch mache der
Fortschritt natürlich nicht halt. Über
die Verpackungsmaterialklassiker Pappe und Holz hinaus gebe es ständig neue
Materialien oder zumindest neue Lösungen mit den bisherigen Materialien.
Knüppel konzentriert sich vor allem auf
die Entwicklung bis hin zur Herstellung
eines Prototyps. Erteilt der Kunde nach
der Präsentation dann einen Auftrag,
würden die größeren Mengen in anderen
Betrieben produziert.
Wachstumsmarkt
Ungarn
„Ungarn ist für uns ein wichtiger
Standort, da wir hier das größte und
schnellste Wachstumspotenzial sehen“, so der Geschäftsführer. Einer der
hiesigen Großkunden ist Audi, für den
man etwa in der Ukraine Autohüllen
produziere, die dann die frisch gefertigten PKW schützen. Weitere bedeutende Auftraggeber seien Mercedes,
Knorr-Bremse, Bosch und Siemens.
„Bei den Konzernen wird fast alles
über den Zentraleinkauf in Deutschland abgewickelt, aber kleinere zusätzliche Bestellungen werden auch von
den hiesigen Werken getätigt.“ Hahn
vermutet, dass dies vom jeweiligen
Transportweg und den damit verbundenen Kosten abhängt. Den Einstieg
zur Neukundenakquise bilde oft ein
Verbesserungsvorschlag eines Knüppel-Außendienstmitarbeiters vor Ort
beim Kunden. Dabei ist es unabdingbar, dass sich diese möglichst gut in
die Situation des Kunden und dessen
exakte Bedürfnisse hineindenken. Berücksichtigt werden müsse in Ungarn,
dass hier wegen den im Vergleich zu
Deutschland niedrigeren Löhnen einzelne Parameter wie etwa die Ein- und
Auspackzeit anders ins Gewicht fallen.
Bezüglich der Auftragslage sei man
zuversichtlich. Nach einem nicht so
leichten Start in Ungarn werde man
dieses Jahr mit einem Umsatzwachstum von beachtlichen 30 Prozent
beenden. Für das kommende Jahr
rechne man ebenfalls mit einem sehr
dynamischen Wachstum. Etwas Sorgen bereite derzeit lediglich das ukrainische Werk in Ushgorod, da einige ungarischstämmige Mitarbeiter
beziehungsweise deren Angehörige
wegen des dortigen Bürgerkriegs, um
dem Militärdienst zu entgehen, nach
Ungarn übersiedeln. Man habe zuvor
Aufträge von Polen dorthin verlegt,
da die Zusammenarbeit mit den ungarischstämmigen Ukrainern viel besser
und angenehmer funktioniere. Auch in
Ungarn sei man in puncto Mitarbeiter
zufrieden. Zwar gäbe es hier keine Verpackungstechnikerausbildung, allerdings könne dieses Manko durch eine
intensive eigene Ausbildung, zum Teil
auch in Deutschland, ohne weiteres
kompensiert werden.
▶▶ Jan Mainka
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Wirtschaft
Budapester Zeitung
Interview mit Mihály Jankovich, Director Corporate Business bei der UNIQA Biztosító Zrt.
„Der Aufwand hat sich gelohnt!“
Seit drei Jahren gibt es bei der ungarischen Tochterfirma der österreichischen UNIQA Versicherung
den Geschäftsbereich Corporate Business, der sich mit Großfirmen (mindestens 300 Mitarbeiter
und Versicherungswert ab einer Milliarde Forint) beschäftigt. Von Anfang an wird der Bereich von
dem ungarischstämmigen Österreicher Mihály Jankovich geleitet. Wir unterhielten uns mit ihm
unter anderem über die Haftpflichtversicherung für Manager, die Lage seines
Geschäftsbereichs und allgemeine Trends auf dem Markt.
Wir sind pünktlich mit unserem D&O
Produkt
(Manager-Haftpflichtversicherung) am 15. März fertiggeworden. Anfänglich sind wir buchstäblich von den
vielen Anfragen überflutet worden. Doch
nach Abklingen der ersten Aufregungen
am Markt haben sich die Anfragen deutlich reduziert. Wir können aber sagen,
dass wir weit über unsern geplanten Erwartungen viele neue Verträge abgeschlossen haben. Der Aufwand hat sich gelohnt!
„„ Gegen welche Risiken können sich
Geschäftsführer mittels einer solchen Versicherung überhaupt absichern?
Unterläuft einem Geschäftsführer
oder Vorstand ein Managementfehler,
haftet er unbegrenzt für einen entstandenen Vermögensschaden - und das mit
seinem gesamten Privatvermögen. Eine
D&O-Versicherung schützt dagegen.
Sollte er von Seiten eines Geschäftspartners, staatlicherseits oder auch durch
sein eigenes Unternehmen mit berechtigten Schadensersatzforderungen konfrontiert werden, übernehmen wir die Kosten
bis zur Höhe der vereinbarten Versicherungssumme. Aber auch unberechtigte
Schadensansprüche Dritter wehren wir
bis zum vereinbarten Limit ab. Somit hat
der versicherte Geschäftsführer quasi
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Foto: BZT / Jan Mainka
„„ Zu Beginn dieses Jahres herrschte
unter Geschäftsführern bezüglich einiger Neuerungen bei der Haftung von Geschäftsführern eine gewisse Verunsicherung. Teilweise kamen Anwälte zum Zug,
die die entsprechenden Verträge überarbeiteten, teilweise aber auch Versicherer. Wie
hat sich das bei Ihnen niedergeschlagen?
„Mit einem Dienstwagen kann ein Geschäftsführer sein Privatvermögen nicht retten,
mit einer ordentlichen D&O-Versicherung aber schon!“
auch eine Rechtsschutzversicherung mitabgedeckt.
„„ Ist es mit einer entsprechenden Versicherung alleine getan oder empfehlen Sie
parallel dazu auch eine Veränderung der
Verträge?
Wenn wir uns schon in diesen Bereich
der Berufshaftpflichtversicherung bewegen, muss hierzu ergänzt werden, dass die
D&O-Versicherung nur das Fehlverhalten
des Managers in seiner Eigenschaft als
Manager für das Unternehmen abdeckt,
nicht aber die Tätigkeit des Unternehmens selbst, etwa als Berater oder Hersteller eines Produktes. Versicherungsschutz in Bezug auf von dritter Seite gegen
das Unternehmen erhobene Ansprüche
wegen Pflichtverletzungen ihrer Mitarbeiter bietet eine Professional Indemnity
(PI)-Deckung, bei Produkten gibt es hierfür die Produkthaftpflichtversicherung.
Dies klingt allerdings für einen Laien alles etwas verwirrend, daher kann ich nur
empfehlen, sich in solchen Fällen von einem professionellen Versicherungsmakler
beraten zu lassen.
„„ Worauf sollten Geschäftsführer prinzipiell achten, wenn sie sich genauso sorglos um ihre Firma kümmern wollen wie vor
dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung?
Der Geschäftsführer sollte von seinem
Dienstgeber fordern, dass seine Rechte
und Verpflichtungen klar definiert werden.
Sei es im Dienstvertrag oder aber auch im
Budapester Zeitung
Gesellschaftsvertrag. Des Weiteren würde ich raten - und dass nicht nur um für
unser Produkt zu werben – dass der Geschäftsführer seinen Dienstgeber dazu
bewegt, für ihn eine solide Manager-Haftpflichtversicherung abzuschließen, statt
auf einen möglichst großen Dienstwagen
zu pochen. Mit einem Dienstwagen kann
ein Geschäftsführer sein Privatvermögen nicht retten, mit einer ordentlichen
D&O-Versicherung aber schon!
„„ Wie hat sich Ihr Geschäftsbereich ansonsten entwickelt? Auf welchen Gebieten
gab es besondere Entwicklungen?
Ich kann mich wirklich nicht beklagen,
auch wenn die Marktsituation nicht wirklich rosig ist, so können wir doch einen positiven Trend nach oben beobachten. Dies
betrifft aber in erster Linie die Sachversicherungssparten wie Feuer, Betriebsunterbrechung und Haftpflichtversicherung. Autound in erster Linie die Flottenversicherung
gestalten sich schwierig. Daher wollen wir
hier auch unser Portfolio sanieren und schadensträchtige Flotten kündigen.
„„ Gab es im dritten Geschäftsjahr Ihres
Bereiches etwaige Nachjustierungen?
Ja, in erster Linie bei der Kfz-Haftpflicht- und der Kasko-Versicherung, die
stark vom Markt getrieben sind. Hier planen wir Sanierungen vorzunehmen beziehungsweise die Prämien zu erhöhen.
„„ Wie steht Ihre Firma insgesamt geschäftlich da?
Wir sind seit langem auf dem ungarischen Markt präsent, wo wir etwa 600.000
Kunden betreuen. In diesem äußerst
kompetitiven Umfeld konnte die UNIQA
Biztosító Zrt. 2013 eine herausragende
Erhöhung der Prämieneinnahmen um
11,3 Prozent erreichen. Das Ergebnis der
gewöhnlichen Geschäftstätigkeit lag stabil bei 10,1 Millionen Forint (Ergebnis vor
Steuern nach IFRS). In diesem Jahr wurde
die UNIQA aufgrund der hohen Qualität
ihrer Dienstleistungen und ihrer innovativen Entwicklungen bereits zum achten
Mal nacheinander als SuperBrand zu einer der besten Marken gewählt und zum
fünften Mal als Business SuperBrand ausgezeichnet. Bei dem jedes Jahr veranstalteten Wettbewerb der Unit-linked-Fonds, der
MoneyMoon-Preisverleihung, schneiden
unsere Fonds stets hervorragend ab. In den
letzten Monaten hat die UNIQA-Marke in
vielen Tochterländern – so auch in Ungarn
– eine Re-branding Kampagne erlebt. Im
Mittelpunkt der Kommunikation stand
unsere Mission, dass wir uns wie in einer
Familie für unsere Kunden engagieren,
damit sie ein Leben lang mit unserer Hilfe
festen Boden unter den Füßen spüren und
zuversichtlich ihr Leben gestalten können.
„„ Welche Veränderungen gab es auf
dem Markt?
Die Situation am ungarischen Versicherungsmarkt ist stark gekennzeichnet von
den Sondersteuern, die wir als Versicherungsunternehmen seit der Finanzkrise
zu entrichten haben. Wegen des starken
Konkurrenzkampfes und auch wegen der
Art dieser Steuer können wir die staatlichen Abgaben nur sukzessive an die
Kunden weitergeben, um unseren Marktanteil nicht zu gefährden. Auf jeden Fall
ist aber unsere Profit Margin stark unter
Druck gekommen. Zum Glück sind unsere
österreichischen Eigentümer verständnisvoll und können unsere Situation hier in
Ungarn gut einschätzen. Generell sind auf
dem Markt gewisse Konsolidierungstendenzen zu beobachten, es wird sicherlich
zu weiteren Fusionen kommen.
„„ Wie beeinflussen die Veränderungen
beim Cafeteria-System Zusatzleistungen
Zur Person
Mihály Jankovich (54) beschäftigt sich schon seit über zwanzig Jahren in Zentral- und
Osteuropa mit der Versicherung von Firmenkunden. Von 1990 bis 1993 war er bei der
Gerling Konzern Kft. Referent für internationale Kunden, danach bis 1997 Geschäftsführer beim Versicherungsbroker Risikoservice. Von 1997 bis 2006 war er Geschäftsführer der Aon Magyarország Kft. und von 2007 bis 2011 Geschäftsführer der Vienna
International Underwriters GmbH. Seit Oktober 2011 leitet er bei der UNIQA Biztosító
Zrt. den Großfirmenbereich.
Wirtschaft
an Mitarbeiter in Form von Unfall-, Kranken- und Lebensversicherungen? Welche
Dinge lohnen sich noch für Arbeitgeber?
Unseren Informationen nach wird die
Cafeteria-Steuer nicht die Unfall-, Kranken- und Lebensversicherungen betreffen.
Daher ist diese Form der Bonifikation für
den Arbeitgeber weiterhin lukrativ. Neben den steuerlichen Vorteilen kann der
Arbeitgeber für seine Mitarbeiter auch
günstige Gruppenkonditionen erreichen
und somit seine Attraktivität als guter
und sozialer Arbeitgeber deutlich steigern.
So kann er etwa seine Mitarbeiter bei einem unerwarteten Unfall, oder bei einer
schweren Erkrankung, oder gar bei einem
Todesfall finanziell absichern. Die beliebtesten Deckungsformen sind die Rehabilitationspauschalen, das Krankenhaustagegeld, Knochenbruch-Pauschalen sowie die
Absicherung gegen gefährliche Krankheiten wie Krebs oder Herzinfarkt.
„„ Mit welchen Änderungen rechnen Sie im
kommenden Jahr beim Gesundheitswesen?
Eine wesentliche Entscheidung der Regierung ist die scharfe Trennung zwischen
dem privaten und öffentlichen Gesundheitssystem. Sie will das staatliche Gesundheitswesen stärken und die medizinische Versorgung landesweit sicherstellen.
Für den privaten Anbieter ergeben sich
dort Chancen, wo die staatliche Fürsorge
nicht die Möglichkeit hat, eine professionelle Gesundheitsversorgung anzubieten.
Hier sehe ich auch unsere Chancen als
Versicherer. Wir werden mit entsprechenden neuen innovativen Produkten auf den
Markt kommen, um den Bedürfnissen unserer Kunden Rechnung zu zollen.
„„ Wie sehen Sie die wirtschaftliche Lage
Ungarns?
Ich bin von Natur aus Optimist und
sehe daher gewisse positive Entwicklungen in unserem Land. Die finanzielle
Stabilität des Landes ist weitgehend gesichert, die faulen Kredite wurden saniert,
die Arbeitslosenzahlen gehen zurück und
der Konsum nimmt in einigen Bereichen
zu. Das alles sind Zeichen einer positiven
Entwicklung. Ich hoffe sehr, dass externe
Umstände diese Entwicklung nicht stören
werden. Das ist auch mein großer Weihnachtswunsch für heuer!
▶▶ Jan Mainka
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Die Automobilindustrie ist der
mit Abstand größte Hoffnungsträger für Ungarns Wirtschaft.
Sie generiert Wachstum, steht für
ein Fünftel der Exportleistung,
erwirtschaftet rund 15 Milliarden Euro und sichert bei gut 700
Firmen 115.000 Arbeitsplätze.
In einer neuen BZ-Serie schauen
wir ein wenig hinter die Kulissen
der Fertigung in den drei großen
Automobilwerken, aus denen in
diesem Jahr 450.000 Autos rollen
könnten, so viele wie nie zuvor in
Ungarn. Nach Artikeln über die
Audi Hungaria Motor Kft. und die
Mercedes-Benz Manufacturing
Hungary Kft. befassen wir uns im
3. Teil mit der Magyar Suzuki Zrt.
in Esztergom, dem ersten vollwertigen Automobilwerk, das nach
der Wende hierzulande entstand.
Kai-zen in Esztergom
Made in Hungary – Die Magyar Suzuki Zrt. und ihr SX4 S-Cross
D
ass es 1989/90 zur Systemwende
im ehemaligen Ostblock kam,
daran hatte die „lustigste Baracke“, wie Ungarn gerne genannt wurde,
großen Anteil. Kaum ein anderes Land
im sozialistischen Lager orientierte sich
so stark am Westen. Doch nicht von dort
sollte die Wiederbelebung des komplexen
Automobilbaus kommen, dazu bedurfte
es eines Investors aus dem Fernen Osten. Die japanische Suzuki Corp. setzte
1993 das erste Bein auf den europäischen Kontinent
– die Standortwahl für das
Fertigungswerk
fiel auf das kleine
Städtchen
Esztergom
im
Donauknie,
nordwestlich
der ungarischen
Hauptstadt. Japanische Werke
gab es im Ostteil
des alten Kontinents zu jener
Zeit noch überhaupt
keine,
doch was sich
Bei Suzuki wird mit der in Japan verbreiteten Kaizen-Methode
für Ungarn als
gearbeitet. „Kai“ steht für Veränderung, „zen“ für die gute Richtung. weitaus
wich12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
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tiger erweisen sollte: Dank Suzuki entwickelte sich das Industriehinterland
für die komplexen Prozesse im Fahrzeugbau. Darauf konnten schließlich die
deutschen Automobilkonzerne bauen,
zuerst Mercedes mit einer Investition
auf der grünen Wiese in Kecskemét,
dann Audi mit der Standorterweiterung
in Győr. Die größten Kapazitäten in der
Automobilproduktion hält jedoch bis
heute die Magyar Suzuki Zrt., die aktuell etwa 3.100 Mitarbeiter beschäftigt
und indirekt über ihre mehr als 80 einheimischen Zulieferer zehnmal so vielen
Menschen eine Existenz sichert.
2008 nahe an der
Kapazitätsgrenze
Dabei ist das Werk wegen Umstellungen in der Modellpalette momentan nur
in einer Schicht ausgelastet. Die Weltwirtschaftskrise hat die Absatzpläne der
Japaner nämlich gehörig durcheinandergewirbelt. Wurde in den 90er Jahren der
Suzuki Swift der ersten Generation noch
Budapester Zeitung
Wirtschaft
wagen erzielt werden sollte. Die Kapazitäten hatten die japanischen Investoren zwischenzeitlich im Rahmen ihres
„europäischen Renaissance-Programms“
auf 300.000 Einheiten aufgestockt, die
seit 1991 über 1,5 Mrd. Euro in Ungarn
investierten. Allein vom neu lancierten
Minifahrzeug Splash wurden im letzten
„Friedensjahr“ mehr als 120.000 Stück
verkauft – das war der stärkste Serienanlauf aller Zeiten in einem ungarischen
Automobilwerk. Für den Swift und den
SX4 war der Aufwärtstrend jedoch zu
Ende, die Krise warf ihre Schatten voraus. Innerhalb eines Jahres gingen 2009
einhunderttausend Verkaufseinheiten
verloren, das Produktionsniveau sackte
auf den Stand des Jahres 2006 ab.
Der Generaldirektor der Magyar Suzuki Zrt., Ryoichi Oura, und sein Stellvertreter
Dr. László Urbán nehmen den Großen Produktpreis Ungarns entgegen.
mit gemäßigtem Erfolg verkauft, sollte
sich die zweite Generation des Kleinwagens als Volltreffer erweisen. Bereits im
ersten vollständigen Verkaufsjahr 2005
lieferten die Esztergomer rund 85.000
Swift-Modelle aus, praktisch doppelt
so viel, wie vom Vorgänger im Durchschnitt eines Jahrzehnts verkauft werden konnte. Im Rekordjahr 2007 wurden sogar nahezu 110.000 Suzuki Swift
in Ungarn gebaut. Ähnlich verhielt es
sich mit der zweiten Modellreihe, die
zur Jahrtausendwende aufgelegt wurde.
Mit Wagon R+ bzw. Ignis ließen sich im
Schnitt jährlich etwa 40.000 Einheiten
auf den Montagelinien binden, der 2005
präsentierte SX4 verkaufte sich aber
doppelt so gut.
Hatte das ungarische Suzuki-Werk
im Jahre 2004 erstmals an der Messlatte von 100.000 Kleinwagen im Jahr gerüttelt, wurde diese ein Jahr später mit
Leichtigkeit übersprungen; 2006 hatte
sich die Produktionszahl des Jahres 2000
verdoppelt, ein Jahr darauf sogar verdreifacht, bevor 2008 ein absoluter Auslieferungsrekord mit
rund 280.000 KleinWie ernst man bei
„Unser Auto“
ist kein Billigauto
Der Suzuki Swift war im Zuge von
zwei Jahrzehnten dank eines cleveren
Marketings, gepaart mit einem flächendeckenden Händlernetz, Niedrigpreispolitik und fantastischen Finanzierungsofferten im wahrsten Sinne des Wortes zu
„unserem Auto“ avanciert. In den besten
Jahren erhielten 40.000 der in Esztergom gebauten Suzukis ein ungarisches
Kennzeichen. Doch die Krise traf genau
die Käuferschicht von Kleinwagen am
härtesten, aus dem Wunder der Fremdwährungskredite wurde ein Alptraum.
Suzuki die Qualitätsanforderungen nimmt,
zeigt die Fertigungstiefe des Automobilwerks: In Esztergom
wurde abgesehen von Presswerk, Karosseriebau, Lackiererei
und Montage eine eigene Stoßfänger-Fertigung aufgebaut,
weil sich kein Zulieferer fand, der den geforderten Standards
gerecht geworden wäre!
Wirtschaft
Budapester Zeitung
SX4 S-Cross – der
N
ach dem Splash und dem Suzuki der dritten Generation wurde nunmehr auch der
SX4 S-Cross mit dem Großen Produktpreis Ungarns ausgezeichnet. Damit erkannte die
Fachjury Know-how, Innovation und Qualität an,
wie sie durch dieses SUV-Modell in ausgezeichneter Weise verkörpert werden. Im September 2013
war die Serienfertigung des neuesten Modells aus
Esztergom aufgenommen worden. Bereits in die
Entwicklung des Prototyps und die Vorserie flossen
zahlreiche hierzulande gefertigte Bauteile und Komponenten sowie selbstverständlich der Sachverstand
der qualifizierten ungarischen Arbeitskräfte mit ein.
Das ungarische Alleinstellungsmerkmal wird noch
dadurch vertieft, dass der Automarkt Europas exklusiv aus dem ungarischen Werk bedient wird. Exportmärkte sind darüber hinaus der Nahe Osten, Südafrika, Australien, Neuseeland und Mexiko.
Als besonders innovativ ist beim SX4 S-Cross
die weiterentwickelte Allgrip-Allradtechnologie anzusehen, die wir in vier verschiedenen Modi hätten
ausprobieren können, jeweils angepasst an die Straßenverhältnisse bzw. unsere Entscheidung, ob wir
In Ungarn galt die Marke
mit dem Werbeslogan
„a mi autónk“ (Unser Auto)
für den Swift sehr lange
als Billigangebot für einen
Einstiegswagen. Diese Zeiten
sind endgültig vorbei.
12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
26
die Betonung auf Fahrdynamik oder Sicherheit legen
wollten. Im Auto-Modus schaltet das intelligente
System automatisch und stufenlos die Hinterachse
zu, sobald die Vorderräder durchzudrehen drohen.
Im Sport-Modus sorgen aktive Eingriffe des Systems
in die Drehmomentverteilung zwischen Vorder- und
Hinterachse für eine verbesserte Kurvenstabilität.
Der Begriff „Snow“-Modus führt ein wenig in die Irre,
denn schon auf rutschigen Straßen können damit
bei optimierter Kraftverteilung Traktion und Stabilität
verbessert werden – diesen Test versäumten wir, erfolgreich in die Irre geführt. Mittels Lock-Modus ließe
sich dieses Auto zur Not aus tiefen Schlammschichten befreien, doch fuhren wir es besser erst gar nicht
zu weit abseits von festen Pisten, denn Schmutzspritzer schmälern das Lifestyle-Gefühl in diesem
schmuck anzusehenden Auto. Ganz zu schweigen
vom schnell „aufgerauhten“ Unterboden in unwegsamem Gelände, denn Bodenfreiheit hat der S-Cross
nicht eben viel.
Ganz ehrlich, dieses Auto kommt bullig und robust
daher, doch ist der Offroad-Charakter nur aufgetragen; in Wirklichkeit handelt es sich um ein familien-
freundliches Fahrzeug ohne Drang nach Abenteuern.
Das gilt dermaßen, dass man uns bei Suzuki zur
Einweisung mit einem „csüccs!“ auf den Fahrersitz
befahl, im üblichen Tonfall einer jungen Mutter gegenüber ihrem Kleinkind. Beschwichtigend fügte die
Marketingdame hinzu, dies sei ein Frauenauto. Nach
deren Logik gibt es keinen im Schloss zu drehenden
Zündschlüssel, sondern eine KeyLess-Technologie,
deren zentrales Stück bitte schön in der Hosentasche
schlummern soll, und einen Startknopf, um den Motor anspringen zu lassen.
Dieser 1.6 GL-Dieselmotor sollte uns nach Herstellerangaben selbst mit Allradantrieb einen beeindruckenden Spritverbrauch von weniger als 4,5
Litern auf 100 Kilometern bescheren (beim Frontantrieb sind es gar nur 4,2 Liter), am Ende unserer
Ostungarntour waren wir mit etwas mehr als fünf Litern durchaus zufrieden. Viel mehr gibt es zu diesem
Motor nicht an Worten zu verlieren, der zuverlässig
das Programm absolvierte, ohne Bäume auszureißen. Ein typisches Auto, um im Strom mitzufahren.
Doch viel wichtiger für Kunden, die vorwiegend
funktionelle Ansprüche an den Autokauf stellen, sind
Budapester Zeitung
Wirtschaft
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Im Juli wurde in Esztergom die Fertigung des 2,5-millionsten Suzuki Swift gefeiert.
Der erste Preis für den S-Cross.
ein schlichtes Interieur ohne Schnörkel, dafür mit
vielen praktischen Ideen (so kann jeder Insasse eine
große Wasserflasche in seiner Türtasche unterbringen) und Raum. Der S-Cross ist tatsächlich sehr geräumig (sein Radstand beträgt 2,60 m), mit erstaunlich viel Beinfreiheit für vier Erwachsene vorne wie
hinten. Der Kofferraum fasst durchschnittliche 430
Liter Gepäck, doch auch dort wurden raffinierte Lösungen gefunden, wie ein eingebauter Unterboden.
Die neue Preispolitik ist für den ungarischen Autokäufer, der das erste Swift-Modell noch als PR-Geschenk des MediaMarkts neben dem High-Tech-TVGerät im Hinterkopf hat, nicht so leicht verdaulich.
Heute fängt der simpelste Swift bei drei Millionen
Forint an, der SX-4 S-Cross kostet als Diesel gleich
sechs Millionen! Beim identisch ausgestatteten Modell mit Benzinmotor kann der Kunde nahezu eine
Million sparen, weshalb der im Übrigen überzeugende Diesel-Suzuki wirklich nur für Langstreckenfahrer
in Frage kommen kann. Immerhin sind Dinge wie
Multifunktionsdisplay, Klimaanlage, Tempomat, Sitzheizung und rundum getönte Scheiben in dem etwas
üppig angesetzten Grundpreis enthalten.
RA
Das Einstiegsmodell des SX4 S-Cross
(mit Benzinmotor) gibt es aktuell
für 4 Mio. Forint, bei einer Finanzierung
der OTP-Merkantilbank ab 7%.
www.suzuki.hu
Inmitten dieses unwirtlichen Krisenumfeldes versuchten sich die Japaner
mit einer Neuprofilierung: Mit dem Suzuki der dritten Generation wurde die
weit verbreitete Auffassung über Bord
gekippt, was in Ungarn gebaut wird,
müsse gesetzmäßig billig sein. Daneben
schärfte das Unternehmen mit dem SX4
sein Profil als Hersteller geländegängiger Fahrzeuge. Genau das – nämlich
Kleinwagen und geländegängige Fahrzeuge (SUV-Modelle) – machen ja die
weltweit anerkannte Stärke der Japaner aus. Im vorigen Jahr wurden in diesem Sinne einige Weichen gestellt, die
dem Standort Esztergom eine bessere
Zukunft versprechen. So wurde die Fertigung des Kleinwagens Splash ebenso
eingestellt, wie die Produktions-Zusammenarbeit mit Fiat und Opel (die mit
ihren Lieferaufträgen für Sedici und
Agila über einen beachtlichen Zeitraum
hinweg anständig zur Auslastung des
ungarischen Suzuki-Werks beigetragen
hatten). Die Magyar Suzuki Zrt. brach
mit dem SX4 S-Cross unterdessen zu
neuen Ufern auf, die das Freizeitauto in
einer höheren Qualitätsklasse anstrebt.
Fertigungsqualität
wie in Japan
Dazu ist es gut zu wissen, dass die Ungarn hinsichtlich der Fertigungsqualität
den gleichen Standard wie in Japan erreichen. Esztergom landet in der internationalen Rangliste sämtlicher Suzu-
ki-Werke mal auf dem 2., mal auf dem
3. Platz, hat also überaus stabil einen
Platz auf dem Siegerpodest gemietet.
Hinzu kommt, dass die Zulieferer bereits
in die Entwicklungstätigkeit einbezogen
werden, was von der Entwurfsplanung
angefangen eine engere Geschäftsbeziehung generiert. Ausgehend von dieser
Unternehmensphilosophie erhält ein
größeres Gewicht, dass mit dem SX4
S-Cross zum ersten Mal eine sogenannte
Pilot-Fertigung in Ungarn verwirklicht
wurde, d. h. dieses Modell wurde von
Anbeginn dem Können der hiesigen Belegschaft anvertraut.
Nur wenige Wochen ist es her, dass Suzuki auf dem Pariser Autosalon den neuen Vitara präsentierte – Sie haben es sicher schon erraten, auch dieser SUV wird
künftig in Esztergom gebaut. Das sind
tolle Nachrichten für den ungarischen
Standort, der von der höheren Wertigkeit
der hier in Serie gebauten Modelle nur
profitieren kann. Dank einer anspruchsvolleren Modell-Mixtur stiegen die Umsatzerlöse der Magyar Suzuki Zrt. im Vorjahr gegenüber 2012 um zwölf Prozent auf
knapp 1,6 Mrd. Euro, obgleich doch kaum
mehr Autos von den Bändern rollten.
Wenn ab 2015 SX4 S-Cross und Vitara die
ungarische Angebotspalette neben dem
bewährten Basismodell Swift ergänzen
und die Rückkehr zum Zweischichtbetrieb
unumgänglich wird, dürften Umsatz und
Gewinn auch in Nordungarn endgültig
wieder nach oben schnellen.
▶▶ Rainer Ackermann
12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
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Feuilleton
Budapester Zeitung
BZ-Serie zum 25. Jahrestag der Grenzöffnung – Teil 9:
Gespräch mit dem Journalisten, Historiker und Buchautoren Andreas Oplatka
„Warum haben wir alle vom
bevorstehenden Untergang
so wenig bemerkt?“
Zum Abschluss des Jubiläumsjahres der Grenzöffnung vor 25 Jahren lesen Sie ein Interview,
das wir mit dem ehemaligen Korrespondenten der renommierten Neuen Zürcher Zeitung
und heutigen Professor an der Andrássy Universität Budapest, Andreas Oplatka, führten.
Oplatka gilt als profunder Kenner und eminenter Forscher der Geschehnisse von 1989/90.
Im Interview mit der Budapester Zeitung geht er nicht nur auf die Umstände der
Grenzöffnung ein, sondern zieht auch eine Bilanz der diesjährigen Erinnerungsfeierlichkeiten.
„„ Wie bewerten Sie das Jubiläumsjahr
rückblickend?
nung geklärt oder scheiden sich in einzelnen Punkten nach wie vor die Geister?
Einiges scheint sich nach einem Vierteljahrhundert geklärt zu haben, manche ursprüngliche Legende ist etwas
verblasst. Zugleich freilich – wohl unvermeidlich – hat das Interesse am damaligen Geschehen abgenommen, was
sich 1989 ereignete, ist heute eben schon
Geschichte. Bewerten will ich das Jahr
nicht. Ich finde es richtig, dass man von
Zeit zu Zeit Vergangenes in Erinnerung
ruft, aber etwas zu oft erschöpfen sich
solche Jubiläen in Feierlichkeiten.
In einigen Archiven besteht für die
einschlägigen Unterlagen immer noch
eine Sperrfrist, so im Bundeskanzleramt in Wien oder beim Deutschen Roten Kreuz. Gesperrt sind auch große
Teile der damaligen bundesdeutschen
diplomatischen Korrespondenz. Ebenso haben wir in vielen Punkten keinen
Einblick in die Akten des ungarischen
Innenministeriums beziehungsweise des
Staatssicherheitsdienstes. Unser Wissen
darüber, was die ungarische Regierung
bei der Vorbereitung der Grenzöffnung
dem österreichischen Nachbarn mitgeteilt hat, ist vorläufig mangelhaft. Wir
haben keine genaue Kenntnis, inwieweit
die westdeutsche Seite über das Soproner
Grenzpicknick schon im Voraus im Bild
war. Unklar ist auch die Rolle des ungarischen Geheimdienstes beim gleichen
Anlass, und wir wissen nicht, in welchem
Maß er später, im September, bei der Sicherung der Grenzöffnung eine Rolle gespielt hat.
„„ In welchen etwas kontrovers betrachteten Fragen haben sich im Verlauf
des Jubiläumsjahres neue Erkenntnisse
ergeben? Wurden eventuell bisherige Erkenntnisse durch neue Informationen relativiert?
Persönlich habe ich nicht den Eindruck, viel Neues erfahren zu haben.
Aber zugegeben, ich habe bei weitem
nicht alles mitverfolgt. Um bei Ungarn
zu bleiben: Ich müsste beispielsweise unbedingt das neue Buch von Mihály Bihari
lesen, wenn ich Ihre Frage gerecht beantworten wollte.
„„ Sind nach fünfundzwanzig Jahren
alle Fragen in Hinblick auf die Grenzöff12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
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„„ Wer oder welcher Personenkreis
zeichnete eigentlich für das Paneuropäische Picknick verantwortlich?
Organisiert wurde das Picknick von
den damals neu entstandenen Opposi-
tionsparteien und namentlich von deren örtlichen Vertretern in der Stadt
Sopron. Die Schirmherrschaft hatten
Otto von Habsburg und Imre Pozsgay
inne, sie waren aber an der Vorbereitung nicht beteiligt. Die ungarische
Regierung wusste vom Vorhaben und
förderte es diskret. Die Beteiligung von
Geheimdiensten (des ungarischen und
des westdeutschen) gehört, wie schon
erwähnt, bis heute zu den nicht offengelegten Kapiteln.
„„ Wurde das Risiko des Picknicks von
den Organisatoren richtig eingeschätzt?
Waren die Veranstaltung und deren Ausgang entsprechend gesichert? Hätten es
auch tragisch enden können?
Die Organisatoren rechneten mit
keiner Massenflucht. Der Grenzschutz
vermutlich auch nicht, obwohl es bis
heute unklar ist, was seine damaligen
Befehlshaber wussten. Die Möglichkeit,
dass es bei einer falschen Reaktion der
kleinen, zum Schauplatz des Picknicks
hinbeorderten Gruppe an Grenzschützern zu Tumulten und womöglich zu
Todesopfern gekommen wäre, ist nicht
auszuschließen.
„„ Wer waren eigentlich die entscheidenden Motoren und treibenden Kräfte
der Grenzöffnung?
Andreas Oplatka (l.) zusammen mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Miklós Neméth 2009 bei der Vorstellung seines
Buches: „Der Hauptanteil an der Grenzöffnung kam Ministerpräsident Miklós Németh zu, der es allerdings nicht verstand,
daraus politisches Kapital zu schlagen.“
In erster Linie natürlich die ostdeutschen fluchtwilligen Massen. Auf
ungarischer Seite das Amt des Ministerpräsidenten, das Außen- und das Innenministerium, in einem etwas kleineren Ausmaß auch das Justizministerium.
„„ Wie beurteilen Sie die damalige Haltung der Sowjetunion? Nahm Mihail Gorbatschow die Grenzöffnung tatsächlich so
locker hin?
Es gab in Ungarn zwei Entscheidungen:
Ende Februar 1989 wurde beschlossen,
den Eisernen Vorhang abzubauen, und
Ende August entschloss sich die Regierung dazu, auch die Bewachung der Westgrenze aufzugeben und den DDR-Bürgern
die freie Ausreise zu gestatten. Direkt
ins Bild gesetzt wurde Gorbatschow von
Miklos Németh nur über die erste Entscheidung, die er tatsächlich sehr locker
hinnahm. Vermutlich verkannte er die Bedeutung des Schritts. Auch über die zweite Maßnahme wusste Gorbatschow natürlich bestens Bescheid, er ließ sie aber zu.
Vielleicht muss man anmerken, dass die
Tragweite der Grenzöffnung im Spätsommer 1989 niemandem bewusst war.
„„ War die Grenzöffnung maßgeblich
ein Werk von Miklós Németh?
Németh selber pflegt auf diese Frage zu antworten, dass die Öffnung der
Grenze eine kollektive Leistung der
ganzen ungarischen Gesellschaft war.
Der Ministerpräsident fällte die Entscheidung und trug die Verantwortung.
Andere Regierungsmitglieder, wie zuvor
erwähnt, waren beteiligt. Möglich wurde
die Handlungsweise aber vor allem dank
der damals schon erheblich aufgelockerten innenpolitischen Bedingungen – ein
Verdienst der Opposition, der Presse und
der Öffentlichkeit allgemein.
„„ Konnte Németh der Sowjetunion überhaupt richtig übermitteln, was er vorhatte?
Nein, Németh war Ende August 1989
gar nicht daran interessiert, die Sowjetunion offiziell zu informieren oder gar
um Erlaubnis zu bitten. Die ungarische
Diplomatie ließ Moskau gegenüber einzig durchblicken, was geschehen würde,
wenn sich die beiden deutschen Staaten
über eine Lösung der Flüchtlingskrise
nicht einigen könnten.
„„ Spielte der „sowjetischen Faktor“ in
den Überlegungen der ungarischen Seite
noch eine Rolle? Wenn ja, welche? Als wie
bedrohlich wurde die Möglichkeit eines
Putsches gegen Gorbatschow durch Hardliner angenommen?
Gorbatschow hatte Anfang März in Moskau Miklós Németh zugesichert, es werde
„kein neues 1956“ geben, solange er „auf
diesem Stuhl“ sitze. Wie Németh zu sagen
pflegt: Von Frühling bis Sommer 1989 suchte man in Budapest wiederholt zu ergründen, wie fest besagter Stuhl sei, wie fest
Gorbatschow also im Sattel sitze. Mit einem
Putschversuch, wie er dann im August 1991
Wirklichkeit werden sollte, rechnete wohl
niemand, aber man wusste bereits im Sommer 1989, dass die innenpolitische Lage in
der Sowjetunion unstabil geworden war.
„„ In der BRD wurde der Grenzöffnung
anfangs mit großer Zurückhaltung begegnet. Wann ist die Stimmung bei den
Entscheidungsträgern in der BRD, sprich
Kohl und Genscher, umgeschlagen?
In Bonn scheint man damals erst Anfang August erkannt zu haben, dass in
12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
29
Feuilleton
Budapester Zeitung
„„ Der Abbau des Eisernen Vorhangs
wird vor allem darauf zurückgeführt,
dass die Grenzanlagen heillos veraltet waren und ihre Modernisierung im
hochverschuldeten Ungarn zu viel Geld
verschlungen hätte. Wären die Grenzanlagen in technischer Hinsicht noch
funktionstüchtig gewesen, hätte es die
Grenzöffnung dann überhaupt gegeben?
Gab der marode technische Zustand der
Grenzanlagen wirklich den entscheidenden Anstoß zur Grenzöffnung?
Was unter anderen Bedingungen geschehen wäre, wissen wir natürlich nicht.
Es ist indessen richtig, dass den Anstoß
zum Abbau des Eisernen Vorhangs dessen technischer Zustand und materielle
Gründe gegeben haben. Bis zur Öffnung
der Grenze führte aber hernach noch ein
langer Weg.
„Alles in allem glaube ich, dass das Buch vorerst noch so bestehen kann,
wie es vor fünf Jahren herausgekommen ist.“
Ungarn ein gewaltiges deutsch-deutsches Problem heranreifte. Erst zu
diesem Zeitpunkt schaltete sich die
Bundesrepublik ein. Die Öffnung der
Grenze am 10./11. September wurde
in Westdeutschland aber dann mit
Begeisterung und Dankbarkeit aufgenommen.
„„ Warum war Bonn zunächst so zurückhaltend? Wovor hatte man Angst?
In den westlichen Hauptstädten befürchtete man allgemein, dass ein zu
forsches Vorgehen der Polen und Ungarn die Stellung Gorbatschows untergraben könnte. Ob Bonn eine Agenda
verfolgte, möchte ich bezweifeln. Man
lese die Äußerungen von westdeutschen
Politikern vom Sommer 1989. In allen
ist davon die Rede, dass die Wiedervereinigung in weiter Ferne und nicht aktuell sei. Die Lektüre westlicher Expertenmeinungen aus den späten achtziger
Jahren ist aus heutiger Sicht überaus
amüsant: Kaum jemand rechnete mit
einem baldigen Zusammenbruch des
Sowjetimperiums.
„„ War sich die Regierung von Miklós
Németh beim öffentlichkeitswirksam begonnenen Abbau der Grenzsicherungsanlagen eigentlich der Tragweite dieses
Schrittes bewusst, sprich des zu erwartenden Flüchtlingsstroms gen Westen?
12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
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Dass es Zehntausende von Flüchtlingen, „Übersiedlern“, geben würde, das
wusste man. Der langfristigen politischen Folgen war man sich in Budapest
aber nicht bewusst, und Németh leugnet das auch keineswegs.
„„ Stimmt es, dass der Eiserne Vorhang
zum Zweck eines Foto-Shootings der ungarischen und österreichischen Außenminister, Gyula Horn und Alois Mock, auf
einem kurzen Abschnitt eigens wiederaufgebaut werden musste?
Es gibt zwei Versionen. Nach der einen musste man einen Abschnitt von
einigen hundert Metern, wo die Drähte noch intakt waren, mühsam suchen,
nach der anderen die Grenzanlage sogar
neu aufbauen, damit die beiden Außenminister ihr fotogenes Handwerk verrichten konnten. Tatsache ist, dass der
Abbau des Eisernen Vorhangs am 2. Mai
begonnen hatte. Am 27. Juni, als Alois
Mock und Gyula Horn ihren Auftritt absolvierten, war vom Signalsystem nicht
mehr viel übrig.
„„ Für welche der beiden Versionen haben Sie belastbare Informationen?
Für keine der beiden. Beide Versionen beruhen auf einander widersprechenden Aussagen von Grenzschutz-Beamten.
„„ Welche Sorgen gab es bei den ungarischen Entscheidungsträgern mit Blick
auf die DDR-Führung? Inwieweit wurden die Drohgebärden der DDR-Führung
ernst genommen? Welche Trümpfe hatte
Ostberlin in der Hand?
Befürchtungen im ungarischen Ministerpräsidentenamt galten vor allem der
Möglichkeit, dass hartgesottene „Bruderländer“ wie Rumänien, die Tschechoslowakei und die DDR versucht sein könnten, in Ungarn – womöglich auch ohne
Moskauer Einverständnis – militärisch
zu intervenieren. Wirtschaftsexperten auf
ungarischer Seite klärten vor der Grenzöffnung ab, ob es Importwaren gebe,
durch deren Sperrung die DDR Ungarn
erheblichen Schaden verursachen könnte.
Sie fanden keine solchen Produkte.
„„ Sie haben 2009 ein Buch mit dem Titel „Der erste Riss in der Mauer – September 1989 – Ungarn öffnet die Grenze” geschrieben. Müssten Sie für eine eventuelle
zweite Auflage wesentliche Änderungen
vornehmen? Wenn ja, welche?
Das Buch hatte bisher nur in der ungarischen Ausgabe eine kleine zweite
Auflage, die im Wesentlichen unverändert blieb. In einer möglichen zweiten
deutschsprachigen Auflage würde ich
heute vielleicht eher einige Einzelheiten differenzieren. Ich muss allerdings
gestehen, dass ich in den letzten fünf
Jahren die Forschung über das Thema
Budapester Zeitung
nicht so sorgfältig verfolgt habe, dass
ich überall mitreden könnte. Ich denke,
ich müsste in Zusammenhang mit dem
Soproner Picknick auf interne Vorgänge innerhalb des Grenzschutzes, auf
Formulierungen von Befehlen ausführlicher eingehen. Auch weiß ich heute,
dass der ungarische Ministerpräsident
Miklós Németh den österreichischen
Bundeskanzler Franz Vranitzky Ende
April getroffen und ihn über den beabsichtigten Abbau des Eisernen Vorhangs informiert hatte. Alles in allem
glaube ich, dass das Buch vorerst noch
so bestehen kann, wie es vor fünf Jahren herausgekommen ist. Doch es ist
natürlich das Schicksal jeder historischen Arbeit, dass sie mit der Zeit durch
neue Erkenntnisse überholt wird.
„„ Konnten Sie beim Verfassen des
Buches alle wichtigen Protagonisten der
damaligen Ereignisse befragen oder hätten Sie noch „Wunsch-Interviewpartner“?
Gibt es noch Zeitzeugen von damals, die
Sie gerne interviewen würden?
Der frühere Bundeskanzler Helmut
Kohl weigerte sich als einziger, mit mir
ein Gespräch zu führen.
„„ Haben Sie eine Erklärung für die Kooperationsunwilligkeit von Kohl? Mit welcher Begründung verschloss er sich Ihnen
gegenüber?
Kohl wurde von mir, später auch von
hochrangigen deutschen Politikern, die
zu vermitteln suchten, darum gebeten,
mich zu empfangen. Er weigerte sich
unter Angabe von sehr verschiedenen,
nicht recht nachvollziehbaren Gründen.
Nun, ich habe Vermutungen, weshalb er
keine Begegnung wünschte, da es aber
eben nur Vermutungen sind, möchte ich
mich über das Thema nicht weiter aussprechen.
„„ Was sind für Sie die größten Rätsel
in Sachen 1989? Welche Fragen konnten
Sie noch nicht zweifelsfrei klären?
Erschöpfende Antworten, so fürchte ich, wären abendfüllend. In Kürze
also. Was ich bis heute nicht verstehe,
ist die Haltung Gorbatschows. Dass er
nicht die Panzer losschicken wollte,
wie unter Chruschtschow und Breschnew geschehen, begreife ich. Das hätte
Feuilleton
die Verständigung mit den Vereinigten
Staaten und damit die von Moskau
dringend benötigte Atempause zunichte gemacht. Aber zwischen einer
militärischen Intervention und dem
„Nichts-tun“ hätte es noch etliche andere Möglichkeiten der Einflussnahme
gegeben. Gorbatschow nutzte sie nicht,
sondern ließ den Dingen in Polen und
in Ungarn freien Lauf. Warum? Kein
Zweifel, dass er gegen die Interessen
seines Reichs und des Warschauer
Paktes handelte, kein Zweifel, dass er
dafür wenig später einen gewaltigen
Preis bezahlen musste.
„„ Kamen Ihnen während des Schreibens an diesem Buch bezüglich Ihres
Grenzöffnungsbuches neue Einsichten?
Sind Sie auf Dinge gestoßen, die Sie auch
in einer möglichen zweiten Auflage berücksichtigen würden?
„„ Welche weiteren großen Fragezeichen gibt es für Sie noch?
„„ Ist auch eine deutsche Version der
Németh-Biographie geplant?
Wie schon angedeutet, es bleibt die
überaus selbstkritische Frage, die seit
1989 und 1991 nicht nur mich, sondern
die ganze westliche „Ostexperten“-Kolonie beschäftigt: Warum haben wir alle
vom bevorstehenden Untergang so wenig
bemerkt?
Der ungarische Verlag möchte wohl
gern, dass eine deutschsprachige Ausgabe erscheint, aber das Interesse auf deutscher Seite scheint bisher gering zu sein.
„„ Wie beurteilen Sie die Rollen von
Miklós Németh und Gyula Horn in Hinblick auf die Grenzöffnung? Diesbezüglich
gab es ja unterschiedliche Darstellungen.
Gyula Horn hatte als Außenminister
an der diplomatischen Vorbereitung der
Grenzöffnung seinen Anteil, aber dass er
die Öffnung der Grenze beschlossen und
durchgesetzt habe, ist eine Legende, die
durch Horns werbewirksame Fernsehauftritte entstanden war und an der später
der Vollblutpolitiker Horn eifrig mitdichtete. Im Protokoll einer Regierungssitzung ist nachzulesen, dass sich Horn
noch am 17. August dagegen aussprach,
die Grenze zu öffnen. Der Hauptanteil an
der Grenzöffnung kam Ministerpräsident
Miklós Németh zu, der es allerdings nicht
verstand, daraus politisches Kapital zu
schlagen.
„„ Vor kurzem ist in Ungarn eine Biographie über Miklós Németh erschienen,
die Sie verfasst haben. Wie ist dieses Buch
zustande gekommen?
Die Initiative kam vom Verlag Libri,
der 25 Jahre nach den Ereignissen eine
Biografie des damaligen Regierungschefs
wünschte; Németh schlug mich als Gesprächspartner und Verfasser vor.
Nein. Mit Miklós Németh hatte ich
ausdrücklich vereinbart, dass wir kein
zweites „Grenzöffnungsbuch“ schreiben
wollen, dass wir dieses Thema in unseren
Gesprächen diesmal ganz aussparen und
ich diese Geschichte, die ja doch wesentlich zu Némeths Biografie gehört, lediglich zusammenfasse.
„„ Was sind Ihre nächsten Projekte?
Woran arbeiten Sie derzeit? Welche möglichen Buchthemen liegen Ihnen noch am
Herzen?
Gerade in diesen Tagen konnten wir,
drei Kollegen und ich, ein Buch vorstellen, an dem wir vier Jahre lang gearbeitet haben: Ausgewählte Briefe des
Grafen Stephan Széchenyi. Diese Ausgabe von Briefen des großen Reformpolitikers und Staatsmanns wurde durch
die Ungarische Akademie der Wissenschaften ermöglicht und publiziert. Ich
selber habe gegenwärtig (und vielleicht
auch auf absehbare Zeit) kein eigenes
Buchprojekt. Dagegen habe ich vor, ein
1999 erschienenes Buch des bedeutenden ungarischen Historikers Domokos
Kosáry ins Deutsche zu übersetzen.
Es ist ein glänzendes Werk über die
Außenbeziehungen der ungarischen
Regierungen in den Revolutionsjahren
1848/49 und über die damalige Stellung
Ungarns in Europa allgemein. Der Verlag der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften zeigt dafür Interesse.
Ich selber bleibe damit bei der Merkwürdigkeit, dass ich mich als Journalist
und Historiker vornehmlich mit zwei
ziemlich verschiedenartigen Perioden
beschäftige: mit der ersten Hälfte des
19. und der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
▶▶ Peter Bognar / Jan Mainka
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Feuilleton
Budapester Zeitung
+ + + + + + + + + + + + + + KOMPAKT + + + + + + + + + + + + + +
NGYSZ:
Unvergessliche
Weihnachtserlebnisse
Auch dieses Jahr beschenkt der Internationale
Kinderrettungsdienst (NGYSZ) Kinder aus benachteiligten Verhältnissen mit unvergesslichen
Weihnachtserlebnissen: Am 19.12. sind 300
Kinder aus Budapest und dem Komitat Pest in
die Kinoräume des WestEnd City Centers eingeladen, wo nach der Vorführung von Szenen aus
dem Budapester Operettentheater Geschenke
überreicht werden. Am 21.12. gibt es dann eine
Vorführung von Tschaikowskis „Nussknacker“
im Opernhaus für 1.200 Kinder aus ganz Ungarn und den angrenzenden Ländern, wonach
ebenfalls Geschenke verteilt werden.
Foto: MTI
Kirchengesetz: Mitspracherecht gefordert
Unwetter: Zerstörte Wälder in Buda und Pilis
Nach den Unwettern vergangener Woche machte Staatspräsident János Áder bei einem Besuch auf dem Kakashegy im Pilis-Gebirge darauf aufmerksam, dass die zerstörten Gebiete
„nur durch Zusammenhalt und mit staatlicher Hilfe“ wieder auf Vordermann gebracht werden könnten. Ersten Schätzungen zufolge sind bis zu 50.000 Hektar staatliches Waldgebiet
betroffen, darunter auch auf dem Normafa.
Zukauf: CEE Equity
Partners ersteht BKF
Schwimmen: Hosszú
mit neuen Rekorden
Die Schwimmstars haben bei der Kurzbahn-WM in Doha vergangene Woche für
einen „Weltrekord-Rekord“ gesorgt: 23
Bestzeiten wurden im Hamad Aquatic Centre aufgestellt - so viele wie nie zuvor bei
Weltmeisterschaften im 25-m-Becken. Damit überbot die Weltelite um die ungarische
Vierfach-Weltmeisterin Katinka Hosszú,
die allein viermal schneller schwamm als
alle vor ihr, die Ausbeute der WM 2008. In
Manchester waren damals 17 Weltrekorde
gefallen, als die neuen High-Tech-Anzüge
die Schwimmwelt revolutionierten.
Der private Vermögensfond mit Hauptsitz
in Warschau erstand vergangenen Freitag
die Mehrheit an der Budapester Fachhochschule für Kommunikation und Wirtschaft
(BKF). Laut BKF-Mitteilung war dies die
erste Investition des Fonds in eine Einrichtung der höheren Bildung in der Region.
Die BKF soll durch die Transaktion sowohl
im In- wie im Ausland wachsen, mehr (englischsprachige) Programme erhalten und
attraktiver für ausländische Studenten
werden. Aktuell hat die Privathochschule
etwa 7.000 Studenten.
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32
Primas Kardinal Péter Erdő, Vorsitzender
der Ungarischen Bischofskonferenz (MKPK),
hält den von Justizminister László Trocsányi
gewählten Weg einer Anlehnung an deutsche
Länder-Regelungen, aber unter weitgehendem
Ausschluss der Kirchen aus der Diskussion zur
Nivellierung des durch Straßburg beanstandeten Kirchengesetzes für inakzeptabel. Erdő
warnte auf einer Pressekonferenz vergangenen
Freitag die Regierung, eine völlig neue Rechtsstruktur einführen zu wollen. Er erwähnte ein
Treffen der Vertreter der historischen Kirchen
in Ungarn mit dem zuständigen Minister Zoltán
Balog am 20.11. Dort habe man erfahren, dass
die Regierung ein neues Gesetz über Religionsfreiheit und Kirchen plane, etwa 2 Monate früher hätten deren Vertreter sich „bei deutschen
staatlichen Stellen“ nach dortigen Regelungen
zwischen Staat und Kirchen erkundigt. Die
deutschen Partner wiederum hätten - so Erdődie Ungarn darauf aufmerksam gemacht, auch
Vertreter der Kirchen in den Denkprozess einzubeziehen. Erdő erinnerte, dass die Regierung
die Kirchen dringend brauche und ihnen den
Löwenanteil der kommunalen sozialen Einrichtungen übertragen wolle.
Feuilleton
Budapester Zeitung
Gespräch mit der deutschen Botschafterin Lieselore Cyrus
„Dialogmöglichkeiten nutzen“
Seit Anfang September wird die Deutsche Botschaft Budapest
von Lieselore Cyrus geleitet. Wir unterhielten uns mit ihr über ihre ersten Eindrücke
und über die deutsch-ungarischen Beziehungen.
„„ Warum ausgerechnet Ungarn?
Ungarn war mein Wunschposten, denn
nach vier Jahren in Äthiopien wollte ich
gerne wieder zurück nach Europa. Ich war
neugierig auf eine Region, die ich bis dato
noch nicht kannte.
„„ Gab es davor Berührungspunkte mit
Ungarn?
„„ Wie sind Ihre ersten Eindrücke?
Ich bin – in jeglicher Hinsicht - sehr
schnell in Ungarn angekommen. Ein
Grund dafür war sicherlich, dass dieses
Jahr ein Jubiläumsjahr ist und vielerlei
entsprechende Aktivitäten und Besuche
stattfanden. Diese Ereignisse haben mir
den „Einstieg“ wesentlich erleichtert, und
ich muss sagen, dass mich die Tiefe und
Vielfalt der deutsch-ungarischen Beziehungen auf allen Ebenen sehr überrascht
hat. Natürlich hat dies stark mit der gemeinsamen Geschichte zu tun, wobei man
nicht bis zu König Stephan und seiner Frau
Gisella zurückgehen muss. Es gibt andere
wichtige historische Faktoren wie die jahrhundertelange Tradition der deutschen
Minderheit in Ungarn, die einen tiefen
Fußabdruck in der ungarischen Geschichte, Kultur und Gesellschaft hinterlassen
hat. Mit der friedlichen Revolution 1989
haben unsere Beziehungen noch viel mehr
an Dynamik gewonnen, eine Dynamik, die
ihren Ausdruck im wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Bereich und auch in
den Wissenschaftsbeziehungen findet. Das
Fundament unserer Beziehungen ist sehr
solide. Ich möchte gerne daran mitwirken,
diese Beziehungen weiter auszubauen.
Foto: BZT / Nóra Halász
Nein. Während meiner Zeit im Auswärtigen Amt war ich zwei Jahre lang Sonderbeauftragte für den Stabilitätspakt Süd-Osteuropa.
Dabei hatte ich zwar keine unmittelbaren
Berührungspunkte zu Ungarn, aber damals
kam das Land als nördlicher Anrainer der Region auf meinen Radarschirm.
„Europa muss mit einer gemeinsamen Stimme sprechen.“
„„ In Ungarn gibt es immer mehr EU-kritische Stimmen.
Das vereinte Europa garantiert uns Frieden, Stabilität und soziale Gerechtigkeit.
Leider wird diesem Europa in letzter Zeit
zunehmend skeptisch begegnet, wie wir bei
der Europawahl festgestellt haben.
Viele – vor allem junge – Menschen sehen sich in ihren Erwartungen und Hoffnungen enttäuscht. Meiner Meinung nach
müssen wir hier verstärkt ein Narrativ für
Europa entwickeln und aufzeigen, welchen
Wert die Europäische Union für uns hat.
Und dies muss für die Menschen auch konkret erlebbar werden.
Dieses Europa sollte von uns nicht einfach
als gegeben hingenommen, sondern vielmehr
als Auftrag angesehen werden. Deutschland
und Ungarn haben beide in den vergangenen Jahren von der EU-Mitgliedschaft profitiert, beide sollten sich dies gleichermaßen
bewusst machen und sich gemeinsam für ein
starkes Europa engagieren.
In Gesprächen ist es mir hingegen schon
häufig aufgefallen, dass von „denen in Europa“ gesprochen wird. Aber Europa, das
sind wir. Die europäischen Institutionen
können schließlich nur so gut sein, wie wir
es zulassen oder wie wir sie befähigen. Es
besteht die Tendenz, und dies gilt für alle
europäischen Mitgliedsstaaten, dass man
die Erfolge gerne den nationalen Regierungen zuschreibt, für die Misserfolge jedoch
Brüssel verantwortlich macht. So funktioniert Europa jedoch nicht.
Nobody is perfect, auch nicht dieses
Europa. Man darf sich nicht auf den
Lorbeeren der Vergangenheit ausruhen, sondern wir müssen die Institutionen an die neuen Gegebenheiten
anpassen. Manches ist schwerfällig
und manchmal wünscht man sich, dass
die Toolbox, die Europa zur Verfügung
steht, etwas vielseitiger, differenzierter und schneller wäre. Genau daran
müssen wir arbeiten. Deutschland hat
in dieser Hinsicht hohe Erwartungen
an die neue Kommission. Wir müssen
Europa wirtschaftlich wettbewerbsfähig halten und politisch handlungsfähiger machen. Europa muss mit einer
gemeinsamen Stimme sprechen.
„„ Wie glauben Sie, sehen die Ungarn
Deutschland?
12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
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Feuilleton
Ich stelle bei Begegnungen mit Menschen unterschiedlicher Provenienz fest,
dass nach wie vor Deutschland als wichtigster Partner Ungarns gesehen wird. Die
Botschaft hat letztes Jahr eine Umfrage
in Auftrag gegeben, bei der 42 Prozent der
befragten Ungarn Deutschland als bedeutendsten Partner angaben. Deutsche und
Ungarn hegen seit jeher eine sehr enge
Freundschaft, die durch die Ereignisse von
1989 eine besondere Dimension erfahren
hat. Allerdings haben deutsche Medien in
den letzten Wochen kritisch über Ungarn
berichtet. Hierfür gab es konkrete Anknüpfungspunkte in der ungarischen Politik,
über die man in Deutschland verwundert
war und daher auch Fragen gestellt hat.
Die Demonstrationen der letzten Wochen
haben der kritischen Berichterstattung
wieder einige neue Argumente geliefert.
„„ Wie sollten beide Länder miteinander
umgehen, um Frustrationen und Enttäuschungen möglichst zu vermeiden?
Ich bin davon überzeugt, dass die
deutsch-ungarischen Beziehungen ein unerschütterliches und solides Fundament
haben, ebenso genügend Dialogmöglichkeiten, die auch entsprechend genutzt werden
sollten. Während der drei Monate, die ich
hier bin, gab es einen regen Besuchsaustausch und Gespräche auf verschiedensten
Ebenen, auch kritische Fragen wurden
nicht außen vor gelassen. Solange diese
Kanäle funktionieren, muss man sich keine Sorgen machen.
„„ Was ist wichtig für die deutsch-ungarischen Beziehungen?
Die gemeinsamen Erfahrungen des Jahres 1989 haben uns zu den engen Partnern
gemacht, die wir heute sind.
Unsere bilateralen Beziehungen ruhen
auf drei Säulen: der politischen, indem wir
enge Kontakte auf Bundes-, Landes- und
auch auf kommunaler Ebene pflegen. Die
Wirtschaft ist die zweite Säule, wo wir gemeinsam sehr viel bewegen können. Fachkräfteförderung ist eines der Topthemen.
Es gibt im Rahmen der EU-Strategie 2020
ein Förderpaket zum Thema Wachstum
und berufliche Entwicklung. Hier bieten
sich viele Ansatzpunkte für eine Zusammenarbeit von Wirtschaft und Politik.
Deutschland ist mit einem Investitionsvolumen von fast 20 Milliarden Euro
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Budapester Zeitung
der größte Direktinvestor in Ungarn. 11
Milliarden Euro hiervon sind reinvestierte Gewinne, dies entspricht einer höheren
Reinvestitionsquote als die aller anderen
ausländischen Unternehmen in Ungarn.
Etwa 6 000 deutsche Unternehmen sind
in Ungarn aktiv, woraus ca. 300 000 Arbeitsplätze entstanden sind. Attraktive
Standortfaktoren sind hier vor allem die
hoch motivierten und –qualifizierten Arbeitskräfte, die hohe Produktivität sowie
die wettbewerbsfähigen Lohnkosten in
Ungarn, jedoch ebenso die kulturelle Nähe
zu Deutschland und die verbreitet guten
Deutschkenntnisse. Deutsche Unternehmen sehen ihr Engagement hier als Langzeit-Investition, weisen jedoch auch gelegentlich darauf hin, dass die Konditionen
stimmen müssten. Änderungen des rechtlich-politischen Umfelds, die manchmal
quasi über Nacht erfolgen, haben in letzter
Zeit etwas für Irritationen gesorgt. Ein
Viertel aller ungarischen Im- und Exporte
kommt aus bzw. geht nach Deutschland, so
dass wir einander gleichermaßen als wichtigen Handelspartner schätzen. 2013 betrugen die Exporte 21 Milliarden Euro und
die Importe 19 Milliarden Euro, mit einem
Wachstum von 4,5 %. Auch aus deutscher
Sicht nimmt Ungarn eine bedeutende Rolle
ein und steht gemessen an Im- und Exporten an 15. Stelle, noch vor anderen Industrienationen wie Japan.
Es hat sich ein enger bilateraler Dialog institutionalisiert, etwa über die
Deutsch-Ungarische Industrie- und Handelskammer und Germany Trade and Invest, von dem beide Seiten profitieren. Die
ungarische Regierung wird im Rahmen
ihrer Wachstumsstrategie den Bereich
der dualen beruflichen Bildung ausbauen
und vor allem kleine und mittlere Unternehmen fördern. Hier sehe ich eine große
Chance, unsere Beziehungen weiter zu vertiefen. Die deutsche Wirtschaft in Ungarn
verfügt über reichlich Erfahrung und hat
auch ein Interesse daran, sich mit ihren
Möglichkeiten beim Ausbau der dualen Berufsausbildung und bei der Förderung von
KMU einzubringen.
Die dritte Säule ist der Bereich Kultur:
Insgesamt besteht im Kulturbereich ein
sehr enges Verhältnis zwischen Deutschland und Ungarn: Eine große Rolle spielen
hier die „Mittlerorganisationen“, etwa das
Goethe Institut, die politischen Stiftungen sowie viele Kulturorganisationen und
Alumniclubs. Es existieren unzählige Initiativen auf lokaler Ebene und mehrere
hundert Städtepartnerschaften zwischen
deutschen und ungarischen Kommunen.
Durch Tourismus kommen weiterhin viele
Menschen aus den beiden Ländern miteinander in Kontakt. Ich würde sagen, das
Besondere an den deutsch-ungarischen
Beziehungen ist die große persönliche
Komponente. Neben der breit angelegten
institutionellen Zusammenarbeit in Politik, Wirtschaft und Kultur sind es letztlich
die vielfältigen menschlichen Kontakte, die
die deutsch-ungarische Freundschaft stark
und belastbar machen.
Eine ebenso enge Zusammenarbeit gibt
es auf wissenschaftlichem Feld: Maßgeblich
unterstützt wird diese Zusammenarbeit
von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung
(seit 1953 über 500 Forschungsstipendien
an Ungarn), vom Deutschen Akademischen
Austauschdienst und anderen unabhängigen Stiftungen. Zwischen Universitäten
und Fachhochschulen gibt es 422 Kooperationen und seit 1990 auch immer mehr Studierende, die einen Teil ihrer Ausbildung
im jeweils anderen Land absolvieren. Aus
Deutschland kommen fast 2.000 Studierende hierher, vornehmlich um Veterinär-,
Zahn- und Humanmedizin zu studieren.
Die Zahl der ungarischen Austauschstudierenden, die nach Deutschland gehen, ist
noch etwas größer. Deutschland ist dabei
vor Österreich und den USA das beliebteste Ziel ungarischer Studierender. Deshalb
ist es nicht verwunderlich, dass sich die
deutsche Sprache zunehmender Beliebtheit erfreut. An ungarischen Universitäten
existieren inzwischen 15 Germanistiklehrstühle mit mehr als 2.000 Studierenden.
Weiterhin kann man an einer Reihe von
Universitäten sowohl medizinische als
auch technische, naturwissenschaftliche
und geisteswissenschaftliche Fächer auf
Deutsch studieren. In diesem Zusammenhang finde ich auch sehr erfreulich, dass
hiesige Schüler und Studenten oft sehr
gute Deutschkenntnisse besitzen und ein
großes Interesse an Deutschland haben.
„„ Bitte ziehen Sie eine Bilanz zum
25.Jahrestag der Grenzöffnung.
2014 war ein Jahr mit einzigartig vielen
Höhepunkten. Das 25-jährige Jubiläum
des Falls des Eisernen Vorhangs war im
deutsch-ungarischen Verhältnis besonders
wichtig, und das hat sich in unseren zahlreichen Aktionen dazu gezeigt. So haben
wir den Empfang zum Tag der Deutschen
Einheit am 3. Oktober in diesem Jahr auf
Budapester Zeitung
den 11. September, den Tag der Grenzöffnung durch Ungarn, verlegt. Es lag uns
sehr am Herzen, damit die mutige Entscheidung zu würdigen, die die Ungarn im
September 1989 getroffen haben, indem
sie die Grenze nach Österreich öffneten.
Der Herbst 2014 stand für uns ganz unter
dem Motto „Danke Ungarn“, denn was hier
1989 geschehen ist, hatte und hat nach wie
vor für Deutschland eine immense Bedeutung. Eine so schnelle und friedliche Wiedervereinigung Deutschlands und auch die
Integration Europas wären ohne Ungarns
weitsichtige Entscheidungen von 1989
wohl nicht möglich gewesen. Die deutsche
Botschaft hat daher in Zusammenarbeit
mit hier ansässigen deutschen Unternehmen eine Plakataktion organisiert, die
diese Dankbarkeit in Budapest und 11 weiteren ungarischen Städten zum Ausdruck
gebracht hat. Nicht nur bei den hiesigen
Medien, sondern ebenso bei vielen anderen
ungarischen Vertretern hat diese Aktion
großen Anklang gefunden. Das konnte ich
in zahlreichen Gesprächen erfahren.
Zum Abschluss des Gedenkjahres bereiten wir momentan noch ein weiteres
Projekt vor: An vier Orten, wo im Sommer
1989 mehrere zehntausende DDR-Flüchtlinge aufgenommen wurden, möchten wir
Gedenktafeln aufstellen. Die Menschen
aus der DDR, die alles zurückgelassen hatten und darauf hofften, von Ungarn aus in
den Westen ausreisen zu dürfen, wurden
hier mit einer unglaublichen Hilfsbereitschaft empfangen. Wir möchten diesen
selbstlosen Einsatz und auch die Leistung
unter anderem des Malteser Hilfsdienstes
und des Roten Kreuzes noch einmal sichtbar würdigen. Die Budapester Zeitung hat
im Sommer dieses Jahres schon des Öfteren über die Veranstaltungen berichtet, die
an die Ereignisse vor 25 Jahren erinnert
haben. Sie hat ja auch die Botschaftsausstellung „Sommer 1989 im Spiegel der Diplomatie“ mit bis dahin unveröffentlichten
Bildern und Dokumenten der Öffentlichkeit bekannt gemacht.
„„ Welche Höhepunkte gibt es im kommenden Jahr?
Das Gedenken an den Ersten Weltkrieg
vor 100 Jahren wird uns noch bis 2018 begleiten und ich denke, hier bieten sich noch
viele Ansatzpunkte für analysierende und
anregende Veranstaltungen. Die Andrássy
Universität in Budapest hat beispielsweise
eine Reihe von Konferenzen veranstaltet,
die sich sowohl mit Erinnerungskultur in
verschiedenen europäischen Staaten als
auch mit der Bedeutung des Weltkrieges
für die weitere Geschichte beschäftigten.
Ich halte es für sehr wichtig, dass wir uns
in Europa weiterhin damit auseinandersetzen und uns bewusst machen, was eine
friedliche und demokratische Europäische
Union für uns bedeutet.
2015 steht für uns im Zeichen von 25
Jahren Deutsche Einheit. Im Zeichen von
Freiheit und Einheit werden wir nicht nur
an die Ereignisse vor 25 Jahren erinnern
und ein wenig Bilanz der Wiedervereinigung ziehen. Wir wollen uns mittels Dialog
und Reflexion noch einmal vergegenwärtigen, was Freiheit und Einheit eigentlich
sind. Indem wir u.a. über die damaligen
Rufe „Wir sind das Volk!“ nachdenken, wollen wir auch reflektieren, welche Zukunft
dieses Volk, mehr noch die EU und Europa, vor sich hat und was es sein will. Denn
die Wiedervereinigung Deutschlands vor
25 Jahren war auch Anstoß zur Vereinigung Europas. Grenzen gehören innerhalb
Europas der Vergangenheit an und das
ist auch gut so. Die Idee von Freiheit und
Einheit hat große Bedeutung nicht nur für
die deutsche Wiedervereinigung, sondern
auch für unsere tägliche Arbeit und unser
Zusammenleben in der Europäischen Union.
„„ Wo möchten Sie bei der Arbeit der
Botschaft Ihre persönliche Handschrift mit
einbringen?
Das wird sich entwickeln. Ich möchte mir
zuerst die Situation anschauen und mit
möglichst vielen Menschen das Gespräch
suchen. Es wird sicherlich noch dauern, bis
ich meine persönlichen Schwerpunkte entwickele. Jedoch kann ich jetzt schon sagen,
dass mir der Bereich der zivilgesellschaftlichen Organisationen und des Jugendaustausches wichtig sein wird.
Feuilleton
„„ Wie sind Sie hier in Budapest angekommen? Welche kulturellen Einrichtungen haben Sie schon zu schätzen gelernt?
Die Fülle an Veranstaltungsangeboten
und Restaurants ist überwältigend. Das
Kulturleben ist sehr vielschichtig und begeistert mich. Von Jazz bis zu klassischer
Musik ist alles dabei. Allerdings fehlte mir
bisher die Zeit, all dies zu nutzen oder auszuprobieren.
Was mich jedoch sehr beeindruckt hat,
ist, wie liebevoll die verschiedenen Veranstaltungsorte restauriert wurden, so etwa
die Franz-Liszt-Musikakademie, ebenso
die Oper und das Urania Filmtheater. Es
ist faszinierend zu sehen, wie viel Wert in
Ungarn auf die Erhaltung des kulturellen
Erbes gelegt wird.
„„ Welche Orte in Budapest haben Ihnen
bisher besonders gefallen?
Mir gefällt die Möglichkeit, in Budapest
wieder Fahrrad fahren zu können. In Äthiopien stand mein Fahrrad vier Jahre im
Keller. Ich freue mich, es hier wieder nutzen zu können. Die Fahrradwege sind zwar
noch ausbaufähig, aber die Fahrt entlang
der Donau ist großartig. Besonders bewundere ich auch den Sonnenaufgang und den
Ausblick auf den Gellértberg, den ich jeden
Morgen aus meiner Wohnung genießen
kann. Abends sehe ich dann die Sonne hinter den Budaer Bergen untergehen und bestaune das angeleuchtete Parlament und
die Fischer-Bastei. Das ist ein Anblick, bei
dem mir immer warm ums Herz wird.
▶▶ Jan Mainka
Mit freundlicher Unterstützung von:
Zur Person
Die gebürtige Wattenscheiderin Lieselore Cyrus ist nach einem Psychologie-Studium seit 1981 für das Auswärtige Amt tätig. Nach einem zweijährigen Vorbereitungsdienst folgte 1983 ihr erster Auslandseinsatz als
Referentin für Presse und Kultur am deutschen Generalkonsulat in Istanbul. Anschließend wurde sie von
1986 bis 1989 als Referentin für Politische Angelegenheiten an die deutsche Botschaft in Paris entsandt.
Von 1989 bis 1992 war sie dann als Referentin für Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik im
Auswärtigen Amt in Bonn tätig. 1992 wurde sie zur Generalkonsulin in Alexandria ernannt. Ab 1995 war sie
wieder im Auswärtigen Amt in Bonn und Berlin tätig, zunächst als stellvertretende Leiterin des Haushaltsreferats (1995–1999), dann als Leiterin des OSZE-Referats (1999–2002) und Beauftragte für Stabilitätspolitik
Südosteuropa (2002–2004). 2004 wurde sie zur stellvertretenden Leiterin der Zentralabteilung ernannt und
2006 zu deren Leiterin – und war damit bis dato die erste Abteilungsleiterin in der Geschichte des Auswärtigen Amts. Von 2010 bis 2014 war sie deutsche Botschafterin in Äthiopien. Am 1. September trat sie offiziell
ihre Position als Botschafterin in Budapest an.
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Foto: BZT / Nóra Halász
“Die Rechtsstaatlichkeit
bedeutet, das Funktio­
nieren nach feststehenden Regeln. Aber diese
Regeln müssen nicht
zwangsläufig gut sein”
Feuilleton
Budapester Zeitung
„Imre, wie würdet ihr das
machen“?
Gespräch mit dem Polit-Aktivisten Imre Mécs
Imre Mécs ist eine besondere Erscheinung in der ungarischen politischen Szene.
Der nach dem Volksaufstand 1956 zum Tode Verurteilte und später Begnadigte saß zur
Zeit der Wende mit am verfassungsgebenden Runden Tisch, ehe er nach 1990 zwanzig
Jahre lang als Abgeordneter die Geschicke des Landes mitgestaltete. Bis heute ist er auf
fast allen oppositionellen Demonstrationen anzutreffen. Mit der Budapester Zeitung
sprach der Zeitzeuge über Vergangenes, Aktuelles und wenig Bekanntes.
I
n einem heimeligen Café nahe des
Liszt Ferenc tér treffen wir Imre Mécs.
Das unauslöschliche, kaum wahrnehmbare Lächeln blitzt auch heute auf.
Der im Jahr 1933 geborene Mécs spricht
leise, die Klaviermusik im Café übertönt
ihn hier und da, er ist nicht derjenige, der
um Aufmerksamkeit durch Lautstärke
buhlt. Auch auf dem Szabadság tér bei den
Protesten gegen das Besetzungsdenkmal
stand Mécs selten im Mittelpunkt. Doch
obwohl die täglichen Proteste heute nicht
mehr stattfinden, das Thema beschäftigt
ihn weiter: „Das Denkmal wurde bis heute
nicht offiziell übergeben und eingeweiht.
Viktor (Orbán – Anm.) hat sich nicht getraut, her zu kommen, und jemanden schicken konnte er auch nicht. Das Ganze ist
still und heimlich über Nacht aufgestellt
worden.“ Dabei spricht er ohne Bitterkeit
über das Denkmal und die dort beschäftigten Arbeiter: „Die Bauarbeiter dort haben
in passiver Weise, zumindest scheint es
uns so, unseren Protest unterstützt. Sie
waren vorsichtig, sind nicht auf die von
uns ausgelegten Erinnerungsstücke und
Blumen getreten. Wenn sie die Erinnerungsstücke entfernen mussten, haben sie
sie sorgsam in Kisten gepackt.“ Der Protest, so erinnert sich Mécs, hätte irgendwann Dürrenmatt´sche Züge angenommen: „Jeden Tag montierten wir die
Bauzäune ab und jede Nacht wurden sie
wieder aufgestellt. Doch hier in Ungarn
brauchen wir keine Literatur, wir erleben
Tag für Tag die sonderlichsten Absurditäten.“ Eine dieser Absurditäten war es
zweifelsohne, dass Imre Mécs, seine Frau
Fruzsina Magyar und einige ihrer Mitstreiter auf dem Szabadság tér wegen an-
geblichen Widerstands gegen die Staatsgewalt vor Gericht gestellt wurden: „Drei
oder vier Verhandlungstage waren es, an
deren Ende wir zuerst zu einer Geldstrafe
von 50.000 Forint verurteilt wurden.“
Doch eine Geldstrafe kam für den überzeugten Demokraten nicht in Frage, „wir
wollten den Fall zu Ende bringen und wären zur Not auch bis nach Straßburg gegangen.“ Nach einem Einspruch wurden
Mécs und seine Mitstreiter freigesprochen.
Er sieht darin die Bestätigung einer seiner
grundlegendsten Überzeugungen: „Das
Recht auf Meinungsfreiheit ist das allumfassendste aller Freiheitsrechte in Europa.
Über diesem darf kein Recht außer dem
Recht auf Leben stehen. Um dies zu verdeutlichen, haben wir beschlossen, den gerichtlichen Weg bis zu Ende zu gehen.“
Dass dieser bereits in Budapest zu Ende
sein würde, überraschte und freute ihn:
„Die Richterin hat uns rein anhand der
Fakten freigesprochen. Als Anhänger der
Idee und als einer der Gründer des ungarischen Rechtsstaates habe ich mit Vertrauen auf die junge Richterin geblickt.“ Ob
dies ein Zeichen des Wandels ist, beurteilt
Mécs nicht, sicher jedoch ist, es geht etwas
vor sich innerhalb der Gesellschaft: „Die
Menschen werden sich ihrer selbst bewusst, sie stehen für ihren Willen ein und
haben keine Angst vor Repressalien – und
es werden immer mehr.“ Mit seiner Frau
spricht er manchmal scherzhaft darüber,
endlich Menschen auf Demonstrationen
zu treffen, die er nicht kennt. Obwohl er in
den vergangenen Jahren Zweifel daran
hatte, dass das Konzept der rebellischen
Jugend in Ungarn noch Gültigkeit hat, so
ist Mécs doch froh zu sehen, dass, wenn es
um für sie greifbare Dinge geht, sie doch
den Weg des Protestes einschlagen können. Die Rebellion der Jugend erlebte Imre
Mécs einst auch bei einem heute bekannten Politiker: „1988, als wir am Runden
Tisch saßen und die neue ungarische Verfassung besprachen, saß Viktor Orbán neben mir. Er wusste um meine politische
Vergangenheit und fragte oft „Imre, wie
würdet ihr das machen?“ Viele sagen heute, sie hätten damals schon gewusst, dass
Orbán gefährlich sei, aber das kann ich
nicht teilen.“ Was er jedoch teilt, ist die
Auffassung, Ungarn sei heute auf dem
Weg in eine Diktatur: „Ich habe in Diktaturen gelebt. Der Begriff der Diktatur ist
irgendwann untrennbar mit dem Begriff
der Totalitarität verbunden. Diktatur war,
als man uns zu hunderten gehängt hat, als
tausende von uns inhaftiert und interniert
waren. Das nannte sich Diktatur des Proletariats, wobei das Proletariat hier komplett außen vor war, die Diktatur war dafür umso präsenter.“ Heute sei Ungarn
noch nicht auf dem Stand einer totalitären
Diktatur, aber auf dem Weg dorthin, „denn
die meisten Diktaturen haben nicht totalitär begonnen“. Es gibt Beispiele in der Geschichte, in denen erst gesellschaftspolitisch günstige Maßnahmen eingeführt
wurden, bevor es zu politischen Säuberungen kam. Der einstig zum Tode Verurteilte
stellt der Regierung Orbán ein vernichtendes Urteil aus: „Die jetzige ist keine totalitäre Diktatur. Bis heute ist niemand hingerichtet worden, ist noch niemand wegen
politischer Vergehen eingesperrt worden.
Aber der juristische Apparat ist bereits
eingenommen. Staatsanwälte und Richter
werden in einer Art und Weise benutzt, die
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Budapester Zeitung
Foto: BZT / Nóra Halász
Feuilleton
Der 1933 geborene Mécs ist Vater von acht Kindern, die, wie er sagt, zum Glück alle
noch in Ungarn leben.
in einem demokratischen Rechtsstaat undenkbar wären.“ Damals, am Runden
Tisch, hätte man sich auf die Bezeichnung
des demokratischen Rechtsstaats in der
Verfassung geeinigt, weil ein Rechtsstaat
allein noch nicht die Demokratie mit sich
bringt, oder, wie Mécs es ausdrückt: „Die
Rechtsstaatlichkeit bedeutet, das Funktio-
nieren nach feststehenden Regeln. Aber
diese Regeln müssen nicht zwangsläufig
gut sein.“ Umso wichtiger war es damals
allen Beteiligten, dass demokratische
Grundwerte die Basis für die neue, im Entstehen begriffene Gesellschaft bilden. Von
diesen hat sich der einstige Freiheitskämpfer Orbán jedoch entfernt, so Mécs: „Die
Regierung hat sich einbetoniert, auch
wenn das dem zusammengeschusterten
neuen Grundgesetz widerspricht.“ Die Art
und Weise, wie das Grundgesetz und das
Wahlrecht heute verändert und umgebaut
werden – insbesondere die Idee der Registrierung vor der Wahl – , erinnert ihn stark
an die Zeiten der k. u. k. Monarchie, als
ebenfalls mit viel Bedacht das Wahlrecht
so gestaltet wurde, dass nur der Monarchie
genehme Bürger wählen können. Doch wie
fühlt es sich an, den einstigen Mitstreiter
und überzeugten Liberalen Viktor Orbán
nun zu sehen? Ohne Bitterkeit spricht
Mécs über ihn: „Wir haben den Fidesz damals 1988 herzlich aufgenommen in unseren Kreisen, wir haben uns über diese Organisation ehrlich gefreut.“ Gleichzeitig
achtete man aber auf Seiten des Fidesz
darauf, nicht aus Versehen als Jugendorganisation der in Gründung befindlichen
Demokratischen Vereinigung zu gelten:
„Als wir 1988 dabei waren, uns als Partei
neu zu gründen, baten wir den Fidesz um
Unterstützung. Gábor Fodor sollte unseren Gründungskongress leiten. Gábor Fodor nahm unsere Einladung an und eröffnete seine Rede ebenfalls mit einer Bitte.
Er hätte gehört, dass wir uns als Partei
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38
Budapester Zeitung
den Namen Demokratische Vereinigung
geben wollen. Ob wir nicht etwas anderes
wählen könnten, weil der Fidesz sonst allzu sehr nach unserer Jugendorganisation
klingen würde.“ Der Name wurde tatsächlich geändert in Bund Freier Demokraten,
SZDSZ. Mécs betont, wie gut die Stimmung damals war und wie gern man kooperiert hat. Damals, als man gemeinsam
an einer neuen Verfassung arbeitete, gab
es eine Stimmung des Umbruchs: „Wir
spürten, dass wir jetzt etwas tun müssen,
wir wussten nicht, wie lange dieses Zeitfenster, in dem wirkliche Veränderungen
möglich waren, offen sein würde. Also versuchten wir, eine neue Verfassung zusammenzubauen, aber dabei fühlten wir uns
wie Hufschmiede, die eine Hirn-OP durchführen sollen.“ Auch deswegen gab es viele
Fehler, die sich in die Verfassung von 1989
eingeschlichen hätten, so zum Beispiel die
weiterhin enorm große Zahl an 2/3-Gesetzen. „Diese haben wir später unter der Regierung Antal korrigiert und aus der Verfassung genommen.“ Ob er eine ähnliche
Atmosphäre des unbedingten Wandels
auch 2010 gespürt hätte, fragen wir.
„Wenn wir das ganze geschichtlich betrachten, müssen wir uns auch die Frage
unserer eigenen Verantwortung stellen.
1989 versuchten wir aus deutschen Beispielen und Erfahrungen zu schöpfen.
Aber wir wollten eine Verfassung des
Übergangs, das erste, frei gewählte Parlament sollte eine neue, vom Volk mitgetragene Verfassung verabschieden.“ Doch das
Schicksal wollte es anders, bei der abschließenden Abstimmung reichte es trotz
einer satten Mehrheit von 72 Prozent aus
MSZP und SZDSZ nicht für die neue Verfassung. Bis heute ist parteiintern nicht
aufgearbeitet worden, was damals passiert ist. „Dies bildete schließlich die
Grundlage für die Rechthaberei des Fidesz
heute.“
Feuilleton
Im Café wird es immer lauter, immer
mehr Menschen kehren ein. Eine letzte
Frage stellen wir dem gestandenen Oppositionellen noch: Was würde er seinem
einstigen Weggefährten und heutigem
Ministerpräsidenten raten, wenn er die
Möglichkeit dazu hätte. Mécs´s Antwort
kommt prompt: „Über diesen Punkt sind
wir schon lange hinaus. Wir sind heute an
einem Punkt angelangt, an dem ein Dialog nicht mehr möglich ist. Ich sehe in ihm
heute das größte Hindernis für eine demokratische Gesellschaft, während er 1989
noch ein Mitstreiter war, mit dem wir gemeinsam die Zukunft gestalten wollten.“
Auch in Deutschland wurden und werden die Geschehnisse um das Besetzungsdenkmal in der
Zivilsphäre verfolgt. Die AG Bergen-Belsen e.V. erklärte ihre Solidarität:
Die Zukunft hat eine lange Vergangenheit
Die Arbeitsgemeinschaft Bergen-Belsen e.V. setzt sich ein für die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus. Dazu zählen Juden, Sinti und Roma und Kriegsgefangene, vor allem aus der Sowjetunion. Aus unserer deutschen Geschichte kennen wir starke Tendenzen, eigene Verantwortung für
Barbarei und Massenmord zu bagatellisieren und von sich weg zu schieben. Vor dem Hintergrund
unserer Erfahrungen unterstützen wir das Anliegen der Gruppe Szabadságért és Demokráciáért, zu
den Schatten der eigenen Geschichte zu stehen und für die geschichtliche Wahrheit, für Freiheit und
Demokratie zu kämpfen.
Lasst uns gemeinsam mutig und offen für Demokratie und Toleranz eintreten!
Budapest
Deutschsprachige
Angebote
Budapester Zeitung
+ + + + + + + + KOMPAKT + + + + + + + +
IX. Ráday utca 58, Tel.: +36 1 374 4070
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www.goethe.de/budapest
Leiterin: Jutta Gehrig
VI. Ben­czúr utca 16, Tel.: +36 1 413 3590
[email protected], www.okfbudapest.hu,
Leiterin: Mag. Dr. iur. Susanne Bachfischer
Noch bis Februar: EUNIC-Ausstellung
„Turning Points”: Die von Zsolt Petrányi
kuratierte Gemeinschaftsausstellung von 15
Kulturinstituten verschiedener EU-Länder
und der Nationalgalerie zeigt insgesamt
150 Werke von fast 20 zeitgenössischen
Künstlern, die auf die 2014 anstehenden
historisch bedeutsamen Gedenkjahre 1914,
1939, 1989 und 2004 reflektieren. Ort: Nationalgalerie, Budapest I. Szent György tér 2.
VIII. Pollack
Mihály tér 3
Tel: +36 1 266
3101, /4408,
30 525 50 43
Fax: +36 1 266 3099, www.andrassyuni.hu
Rektor: Prof. Dr. András Masát
17. Dezember, ganztägig: Internationale
Konferenz zum Thema „Der gute Politiker”:
Ziel der Tagung ist es, aus interdisziplinärer
Perspektive der Frage nachzugehen, welcher
Eigenschaften und Faktoren es bedarf, um
ein guter Politiker zu sein. Anmeldung via
[email protected]
I. Batt­hyány utca 49.,
Tel: +36 1 487 5010
[email protected]
www.kas.de/ungarn
Leiter: Frank Spengler
VI. Lendvay u. 22
www.hdu.hu
15. Dezember, 18 Uhr:
Stylus Phantasticus – Adventskonzert auf
historischen Instrumenten. Die Musiker
Mónika Tóth (Barockvioline), Christoph
Urbanetz (Viola da gamba), Soma Dinnyés
(Portativ-Orgel und Clavicembalo) und Igor
Davidovics (Theorbe) spielen Stücke der
barocken Komponisten Froberger, Buxtehude, Biber und Abel.
12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
40
Budapest Airport:
Lammers Unternehmer des Jahres
Vergangenen Freitag wurde Jost Lammers, Geschäftsführender Direktor der Budapest Airport
Zrt. vom Landesverband der Unternehmer und Arbeitgeber (VOSZ) zum Unternehmer des
Jahres gekürt. Die feierliche Preisverleihung fand traditionell am Tag der Unternehmer, am
5. Dezember im Palast der Künste (MűPa) statt. Der deutsche Manager wurde laut Mitteilung
des Flughafenbetreibers auf persönlichen Vorschlag des VOSZ-Präsidenten Sándor Demján
gekürt, Volkswirtschaftsminister Mihály Varga übergab die Ehrung auf der Gala. Der Flughafen habe in den vergangenen Jahren nicht nur die Malév-Pleite überstanden, sondern auch
trotz der schweren finanziellen Krise sein 330 Mio. Euro schweres Investitionsprogramm verwirklicht, seine finanzielle Lage stabilisiert und werde das aktuelle Jahr mit einem Rekord an
Passagieraufkommen schließen, hieß es dort. Lammers betonte bei seiner Ehrung: „Der Preis
gilt nicht nur mir, sondern auch allen Mitarbeitern des Flughafens, der Fluggesellschaften und
den Partnerunternehmen der Bodenabfertigung, wir haben die Ergebnisse schließlich gemeinsam erzielt. Mit unserem Rekordjahr konnten wir zur Stärkung der ungarischen Wirtschaft
beitragen, auch weiterhin ist es unser Ziel, dass der Flughafen Budapest der am dynamischsten wachsende der Region ist.“
Wizz Air: Subunternehmer
gekündigt
Bereits Anfang des Monats informierte die
ungarische Fluglinie, dass man als Reaktion
auf die zahlreichen Beschwerden von Passagieren reagiert habe und seinen Partner zur
Bodenabfertigung, Malév Ground Handling
aufgefordert hat, dessen Subunternehmer
Budport zu kündigen. Zudem wurde beschlossen, Handgepäck auch dann an Bord zu
lassen, wenn dessen Haltegriffe oder Rollen
aus dem Gitter zur Überprüfung der Größe
herauslugen. Über diese und alle weiteren
Gepäckinformationen wolle man die Passagiere künftig noch besser informieren, damit
es keine Missverständnisse gibt, hieß es.
Budapest Airport:
Selfie-Gewinnspiel
Der Flughafenbetreiber, die Budapest Airport Zrt. startete vergangenen Freitag ein
besonderes Gewinnspiel: aufgrund des anste-
henden Feiertagsverkehrs wurde empfohlen,
vor dem Abflug besonders früh am Flughafen zu sein, um Schlangen zu vermeiden; die
Wartenden sollen anschließend mit einem
Selfie dokumentieren, wie sie ihre Wartezeit
im Terminal verbringen und das Bild auf der
Facebook-Seite des Flughafens (facebook.
com/budapestairport) hochladen. Die zwei
besten Bilder werden bis zum 15. Januar jede
Woche mit einem Geschenkkorb prämiert,
der Gesamtsieger des Gewinnspiels kann
sich sogar über ein iPad mini freuen. Mehr
Informationen zum Gewinnspiel auf der Facebook- und Webseite des Flughafens.
Budapester Zeitung
Budapest
+ + + + + + + + + + + + + + KOMPAKT + + + + + + + + + + + + + +
Eröffnet:
Holocaust-Ausstellung
zum Gedenken an
ungarische Sportler
Wie die Stadtverwaltung diese Woche informierte, wurden bereits am 3. Dezember im Rahmen der Konferenz zum Tag der mit Behinderung lebenden Europäer in Brüssel die Access
City 2015-Preise für die am meisten barrierefreien Städte des Kontinents durch den Europarat vergeben. Zur fünften Preisverleihung hatten sich 62 Städte beworben, Ungarns
Hauptstadt wurde vom Rat unter die besten sieben gewählt und für den Bereich Verkehr
mit einem Sonderpreis bedacht. Selbigen nahmen die Vize-OBs Alexandra Szalay-Bobrovniczky und Balázs Szeneczey in Brüssel entgegen.
Nikolausdemo:
Nur 200
Teilnehmer
Gedenkturnier:
A Football
Remembers Day
Wie regierungskritische Medien berichteten,
kamen zu der Demonstration der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes (MKKSZ)
am Samstag auf dem József Nádor tér vor
dem Volkswirtschaftsministerium nur 200
Teilnehmer. Laut dem Bericht ist dies auf
die Uneinigkeit und mangelnde Mobilisierungskraft der ungarischen Gewerkschaften
zurückzuführen. Zudem hänge dies auch mit
denkbaren Repressalien gegen Teilnehmer
zusammen, denn selbst öffentliche Bedienstete seien heutzutage leicht kündbar. Die
bislang eher als regierungsfreundlich gehandelte Gewerkschaftskonföderation LIGA, die
nicht an der Nikolausdemo teilnahm, kündigte für 15. Dezember, einen Tag vor den
nächsten großen Anti-Regierungs-Protesten,
landesweite Proteste an.
Im Rahmen der britischen „Football Remembers Week“ werden weltweit Gedenkspiele
aus Anlass des Beginns des 1. Weltkrieges vor
100 Jahren organisiert, um an die Opfer zu
erinnern. So soll der Spiele gedacht werden,
die anno für kurze Momente des Friedens gesorgt hatten. Bei dem Gedenkturnier „A Football Remembers Day” am Donnerstag in der
Handballhalle des Vasas SC im XIII. Bezirk
maßen sich die Mannschaften der Britischen
Botschaft Budapest und des Ministeriums für
Außenhandel und Auswärtiges, erstere unter
Führung des Botschafters Jonathan Knott,
letztere unter der von Staatsekretär Balázs
Kohut. Unter den Zuschauern waren Vertreter mehrerer diplomatischer Institutionen in
Ungarn, Vorstände britischer Unternehmen
in Ungarn und Mitarbeiter des Ministeriums.
Eröffnet:
10. Mikulás Gyár
Foto: MTI / Szilárd Koszticsák
Sonderpreis: Budapest unter den besten Europas
Am Dienstag eröffnete Vize-OB Alexandra Szalay-Bobrovniczky im Ehrensaal der
Kunsteisbahn im Stadtwäldchen die Ausstellung „Opfer des ungarischen Sports
im Holocaust“. Unter den damaligen Opfern befanden sich solche Größen wie der
Schwimmer Alfred Hajós (Ungarns erster
Olympiasieger), Fechter und Journalist Attila Petschauer sowie Ringer János Garay.
Die Jubiläumsausgabe der traditionellen
Sammelstelle für Lebensmittel-, Kleidungsund sonstige Spenden wurde vergangenen
Freitag von Vize-OB Alexandra Szalay-Bobrovniczky mit einer Dankesrede für die Arbeit der Beteiligten eröffnet. Noch bis zum
21. Dezember können Spenden am Ötvenhatosok tere neben dem Heldenplatz (XIV.
Bezirk, Dózsa György út 84.) abgegeben
werden.
12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
41
Budapest
Budapester Zeitung
Für jeden etwas
Budapester Geschenktipps auf den letzten Drücker
Wer momentan in den Kalender blickt, der kennt nur zwei Gefühle: Entweder man hält
es kaum aus vor lauter Vorfreude oder es läuft einem eiskalt den Rücken runter. Denn Weihnachten
steht vor der Tür. Aus diesem Anlass möchten wir unseren Lesern gerne eine für viele unangenehme
Frage stellen: Haben Sie bereits alle Geschenke zusammen? Verzagen Sie nicht, falls dem nicht
so ist, denn die Budapester Zeitung steht Ihnen gern mit einigen Tipps zur Seite.
oder Notizbücher (zwischen 990 und
1.490 Forint) unter anderem am Flughafen, im Design Terminal (V. Erzsébet
tér) und im Pop-up Christmas Giftstore
„Projekt“ in der Dessewffy utca 18-20
(VI. Bezirk), wo noch viele weitere Geschenkideen auf geschmackssichere Designfreunde warten.
2. Neue Seiten
der Stadt entdecken
Stadttouren mit „Hosszúlépés“ garantieren neue Einblicke – als Gutschein
ein tolles Weihachtsgeschenk!
1. Ungarn in sechs Bänden
Ob als Geschenk oder Souvenir – die
Kis Hungarikumhatározók (in der englischen Variante „Little Hungaropedia“)
sind ein witziges, informatives und dazu
echt ungarisches Mitbringsel. In englischer, italienischer und ungarischer
Sprache erhältlich, erfährt der Leser
in sechs dünnen Taschenbüchern thematisch geordnet alles Wissenswerte
über die ungarische Realität. Das hellgrün-minzfarbene Büchlein befasst sich
dabei mit dem Balaton, das gelbe mit
der Kneipenkultur, das rote mit Allgemeinplätzen über Ungarn, das orangefarbene mit Obst- und Gemüsemärkten,
das blaue mit der ungarischen Badekultur und das fliederfarbene mit – wie
könnte man ihn aus der Reihe vergessen
– Pálinka. Auf etwas über 40 Seiten laden knapp zwei Dutzend Texte zwischen
12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
42
Essay und Anekdote und herrliche Illustrationen zum Staunen und Schmunzeln
ein. Für die Gestaltung zeichnet Designerin Zsófi Szabó verantwortlich, die die
Buchidee während ihrer Studienzeit erdacht hat. „Ich habe in Design- und Souvenir-Geschäften nachgesehen, ob es so
ein Buch gibt – also eines, dass sich dem
Hungarikum-Begriff mit einer lokalen
und Design-orientierten Sichtweise annähert, aber nichts gefunden“, sagte Szabó gegenüber dem Online-Magazin We
Love Budapest.
Wer nun Lust bekommen hat, auch
live zu überprüfen, ob die Kis Hungarikumhatározók ein gutes Weihnachtsgeschenk für die in Deutschland gebliebenen Freunde, den ungarischen Partner
oder die italienische Freundin sind, der
findet die Büchlein zum Stückpreis von
1.790 Forint (im Dreierpack günstiger),
passende Leinentaschen (2.990 Forint)
Wer schon eine Weile in Budapest
wohnt, der kennt die Stadt bald wie
seine Westentasche. Zumindest möchte man so meinen, ist die ungarische
Hauptstadt doch keine der riesigen
Millionenmetropolen wie es New York,
Tokio oder Moskau sind. Weit gefehlt,
wie die Stadt-Touren mit Hosszúlépés
– járunk? (auf Englisch: Chainless – Budapest Urban Adventures) beweisen.
Dabei kann zwischen der Stadtbesichtigung in ungarischer oder englischer
Sprache beziehungsweise zu Fuß oder
auf dem Fahrrad gewählt werden. Wer
das Rad bevorzugt, darf auf einer echten
ungarischen Erfindung, dem kettenfreien Stringbike nämlich, Platz nehmen.
Auf dem Drahtesel kann dann beispielsweise an der „Recycling Budapest“-Tour
teilgenommen werden. Hier führen junge Ungarn durch Budapester Gebäude, die entgegen ihrer ursprünglichen
Funktion zweckentfremdet, ja „recycelt“
wurden – sei es, um Kneipen, Galerien
oder Theater daraus zu machen.
Zu Fuß lockt unter anderem die Tour
hin zur Kindereisenbahn in den Budaer
Bergen. Dort wird dann in kleiner Runde das kommunistische Überbleibsel
ausgetestet, während über das Aufwachsen im Sozialismus diskutiert und die
Budapester Zeitung
Budapest
Waldlandschaft bestaunt werden darf.
Um die ungewöhnliche Sightseeing-Tour zu einem unvergesslichen
Erlebnis zu machen, können außerdem
Privat-Spaziergänge oder ganz individuell gestaltete Touren gebucht werden.
Tickets um die 6.000 Forint pro Person. Die Online-Buchung ist günstiger,
zudem gibt es Studenten-Rabatt. Geschenkgutscheine sind erhältlich.
www.chainlessbudapest.com
3. Teenager-Träume
Kindern schenkt man Spielzeug, Männern Manschettenknöpfe und Frauen
Handtaschen. So einfach ist die Formel
leider nicht – besonders schwierig bis hin
zu unmöglich wird es aber bei der Herausforderung, Teenager zu beschenken.
Ob Mädchen oder Junge, nicht selten
wünschen sich die Halbstarken Unbezahlbares, und wenn man es doch riskiert
und ihnen etwas selbst Erdachtes und
aus Erwachsenensicht gar Brauchbares
kredenzt, dann hängt der Haussegen
garantiert schief. Wieso also nicht gleich
alles richtig machen. Die mittlerweile
vollends etablierte Budapester Merchandise-Marke BP Shop, die von HipHop bis
Hipster alle angesagten Trends bedient,
bietet etwas für jeden stilsicheren Teenager: von Mützen über Gürtel und Geldbörsen bis hin zu T-Shirts und Pullovern
kann man sich und seinen Schützling
hier garantiert geschmackvoll und stadtstolz eindecken.
Im Dezember kann man außerdem sowohl online als auch in den BP Shops der
Stadt (zum Beispiel im WestEnd City Center und in der Wesselényi utca) um bis zu
60 Prozent reduzierte Ware kaufen – auf
www.bpshop.hu sogar versandkostenfrei!
Schönes Schenken!
▶▶ Lisa Weil
Unbestritten ein wichtiges ungarisches Kulturgut: Der Pálinka.
Auch über den Plattensee lehrt die „Kleine Hungaropedia“ – selbst nicht-Ungarnkenner.
Budapest
Budapester Zeitung
DWC-Weihnachtsgala
Feiern und helfen
A
ls krönender Abschluss eines
in jeder Hinsicht erfolgreichen
Club-Jahres fand vergangene
Woche Sonnabend im noblen Ambiente
des Stefania-Palais’ die Weihnachtsfeier
des Deutschen Wirtschaftsclubs statt.
Im bis auf den letzten Sitzplatz gefüllten
prächtigen Ballsaal des Hauses wurde
den Gästen (darunter auch die Botschafter von Großbritannien und Israel) ein
sehr reichhaltiges Programm geboten. So
gab es unter anderem musikalische Auf-
tritte von Schülern der Deutschen Schule
Budapest und eines Streichquartetts. Die
absoluten musikalischen Höhepunkte
des Abends waren die Auftritte der besten
ungarischen Beatles-Tribute-Band, „The
Black Birds“, sowie der erfolgreichen ungarischen Eurovision Song Contest-Aspirantin Bogi. Traditionell spielten an dem
Abend auch wieder diejenigen eine Rolle,
für die das baldige Weihnachtsfest leider
nicht so prächtig ausfallen wird wie für
die Gäste der DWC-Gala. Dank einer
einträglichen Tombola können aber sowohl die Stiftung Menedékház als auch
Csodalámpa beziehungsweise die von ihnen betreuten Kinder immerhin wieder
mit einer größeren Spende bedacht werden. Beide bedankten sich schon einmal
vorab für diese Unterstützung: einige
Kinder von Menedékház mit einer Tanzund Gesangsdarbietung und Mitstreiter
von Csodalámpa mit einem originellen
Beitrag zum Tischschmuck. Stimmung,
Gesellschaft, Verköstigung und musika-
Gebürtige Deutsche berät Sie gerne bei
allen Fragen bezüglich Kauf oder Verkauf
von Immobilien in Budapest und Umgebung.
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12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
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Budapester Zeitung
Budapest
DWC-Vorsitzender Dr. Arne Gobert im Gespräch
mit dem israelischen Botschafter Ilan Mor.
lische Unterhaltung waren so gut, dass die meisten Gäste bis
deutlich nach Mitternacht blieben und viele sogar ausgiebig das
Tanzbein schwangen.
Der Vorstand des DWC bedankt sich bei folgenden Firmen für
die Unterstützung des Abends:
Angelgold, Corinthia Hotel Budapest, Glaub Automation, Kempinski Hotel Corvinus, Marriott Hotel Budapest, Mercedes-Benz
Hungária, OMV Hungária, Overdenture Fogászati, Szájsebészeti
és Relaxációs Klinika, Pilots Simulator Center, Porsche Hungária, Robert Bosch, Royal Diamonds, Sonepar Magyaroszág, Universe Gold, Vitra Büromöbel und Zsolnay Porcelán.
… und wünscht seinen 222 Mitgliedern, zukünftigen Mitgliedern, Freunden, Partnern und Gästen erholsame Feiertage und
ein erfolgreiches Jahr 2015.
▶▶ Fotos: BZT / Nóra Halász
Das nächste große Konzert der Black Birds findet am Sonnabend, den 27. Dezember, um 21 Uhr im New Orleans Club
statt. Weitere Infos unter: www.blackbirds.hu
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R e s tau r a n t
Budapester Zeitung
Kolonialstil trifft Emaille
Stilvolles Dinieren für Fleischliebhaber in der Baltazár Grillbar
Foto: BZT / Nóra Halász
Das Baltazár Hotel mit angeschlossener Wein- und Grillbar ist das jüngste Mitglied
der Zsidai-Gastrofamilie. Und wie schon zuvor das Spíler oder das Shanghai Spíler ist das Baltazár
vor allem eines: hip. Die Zsidais verstehen sich darauf, höchste Qualität und ein modernes Image
zu vereinen. Neben einem schicken, warmen Ambiente hat das Baltazár eine hervorragend
ausgestattete Küche, die nur auf beste Zutaten setzt und von einem der Starköche der Stadt
geführt wird, sowie eine riesige Weinauswahl zu bieten. Über all dem wacht
der geflügelte Elefant, der Schutzpatron des Baltazár.
Im Baltazár fühlt man sich rundumwohl:
Herausragende Küche trifft auf ein gemütliches aber zeitgemäßes Ambiente.
A
uf den ersten Blick ist der Einrichtungsstil des Baltazár ein bunter
Mix: Mit rotem Leder bezogene
Sofas im Kolonialstil sowie dunkle, hochwertige Hölzer für Tische und Stühle;
dann wieder getünchte Wände und Ableitungsrohre wie man sie aus Fabriken
kennt; die Dekoration wiederum – alte
Haushaltswaagen, Küchengefäße und das
allgegenwärtige Emaillegeschirr – könnte
aus Großmutters Küche stammen. Doch
genau diese Freiheit sich nicht zu einem
Stil bekennen zu müssen, macht das gemütliche und warme Ambiente der Baltazár Wein- und Grillbar aus. Die Wände
sind mit bunten Grafiken geziert, wie man
sie auch auf dem Plattencover einer hippen Rockband vermutet und durchdringen
die Atmosphäre des Raumes mit jenem
Schuss Kreativität, der das Baltazár auch
zum perfekten Ort macht, um über einem
Businesslunch neue Geschäftsideen zu
besprechen oder Pläne für einen aufregenden Abend zu schmieden.
Rauchiges Aroma
von argentinischer Kohle
Ähnlich wie beim Einrichtungsstil setzt
das Balatazár auch beim Menü auf die Verquickung verschiedener Einflüsse: Ungarische Klassiker treffen auf amerikanische
Burger-Tradition. Wobei die angebotenen
Burger-Delikatessen nichts zu tun haben
mit jener Fleisch-Brötchen-Kombination,
die in Schnellrestaurants über die Theke
geht. Hier wird der Streetfood-Klassiker
zum Gourmetprodukt erhoben.
Das hat auch mit dem hochwertigen
Holzkohlegrill der Küche zu tun. Das Ge-
rät des katalanischen Herstellers Josper
grillt nicht nur auf besonders hoher Temperatur, was die Zubereitungszeit verkürzt und ein Braten ohne durchzugaren
ermöglicht, sondern verleiht dem Fleisch
durch seinen aromatischen Rauch, der von
der argentinischen Grillkohle herrührt,
eine einzigartig würzige Note. Dank der
offenen Küche des Baltazár kann der Gast
einen Blick auf das Schmuckstück erhaschen, während er live miterlebt, wie sein
Essen zubereitet wird.
Ein Star in der Küche
Mit Zsolt Litauszki hat das Baltazár
Budapests bedeutendsten Kreativkoch an
sich gebunden. Doch schon früher war der
Sternekoch im Dienste der Familie Zsidai,
mitunter als Chefkoch des 21. Litauszki
zeichnet heute nicht nur verantwortlich
für das Menü des Baltazár, sondern für die
gastronomische Konzeption und Neukreationen aller Zsidai-Restaurants. Seine Stärke
liegt in den immer wieder überraschenden
Kombinationen aus Exquisitem und Gewöhnlichem. So wird eine simple Beilage
wie Pommes durch die Hinzugabe einiger
Trüffelspäne zum Gourmetgericht geadelt.
Besonders empfiehlt der Maestro die
Speisen der saisonalen Menükarte. Der
Kreativkoch liebt es, mit frischen, lokalen
Produkten zu arbeiten. Gerade steht das
Adventsmenü fest, das noch bis Heiligabend
angeboten wird. Natürlich dürfen da Ente
und Fisch nicht fehlen, aber der besondere
Hingucker der Adventsauswahl ist das Sirloin-Steak vom Wild zu einer Auswahl von
Sellerie. Abgesehen von der Diättauglichkeit des gesunden und vor allem mageren
Wildbret kommt dieses Gericht ohne jedwe12. Dezember 2014 | Nr. 50-52
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Fotos: BZT / Nóra Halász
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R e s tau r a n t
Budapester Zeitung
de Kohlenhydrate aus und zeigt, wie vielfältig das Wurzelgemüse sein kann.
Über 300 Weine
Neben Grillspezialitäten können Gäste
auch von der enormen Auswahl der Weinbar
profitieren. Im Keller des Hauses lagern bis
zu 300 verschiedene Weine. Kenner sollten
sich daher nicht von der kleinen Auswahl im
Menü der Grillbar täuschen lassen und am
besten direkt nach der vollständigen Weinkarte oder dem Sommelier fragen. Ein besonderes Highlight ist der Chardonnay aus
der Weinregion Eger. Der exklusive Wein
aus der Kelterei Attila wird ohne jegliche
Zusatzstoffe hergestellt und besonders lang
gereift, bevor er verkauft wird. Derzeit wird
ein 2009-er Jahrgang angeboten.
Im Resümee ist das Speisen im Baltazár ein Hochgenuss für Augen und Gaumen. Hier fühlt man sich rundum wohl,
ob man dieses Erlebnis nun mit Freunden,
der Familie oder Geschäftspartnern teilt –
oder sich gönnt, ganz allein bei einem der
herausragenden Weine und einem Stück
Fleisch vom berühmten Holzkohlegrill die
Atmosphäre zu genießen.
▶▶ Katrin Holtz
Fotos: BZT / Nóra Halász
Baltazár – Bar, Weinbar, Grill und Hotel
I. , Országház utca 31
Öffnungszeiten:
täglich ab 7:30 Uhr
Tel.: +36 1 /300-7050
Preise
Suppen und Vorspeisen:..............1.240-2.860 Ft
Hauptspeisen:..............................2.680-8.960 Ft
Desserts:.....................................1.180-2.680 Ft
Arany Kaviar Restaurant
Mittags Russisches Bistro
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1015 Budapest, Ostrom u. 19
Geöffnet: 12-15 Uhr, 18-24 Uhr
Montags geschlossen
Tel.: (+36 1) 201 6737
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Panorama
Budapester Zeitung
Zur Erklärung: Drogentest als Meme-Grundlage
Der Tropfen, der das
Fass zum Überlaufen
brachte
Am Wochenende stellte Máté Kocsis die Idee eines verpflichtenden Drogentests
auf Facebook online. Eine Idee, die so fern ab der Realität und nicht umsetzbar ist,
bringt zwangsläufig die Meme-Macher auf den Plan. Hier eine kleine Auswahl.
K
ennen Sie die Serie Breaking
Bad? Ein arbeitsloser Chemielehrer fängt an, Meth­amphetamine
zu brauen, die Serie gilt als einer der
größten TV-Erfolge der vergangen Jahre. Kein Wunder also, dass Máté Kocsis
(„Junkies tummeln sich im VIII. Bezirk,
weil es hier ein Nadeltauschprogramm
gibt”) und seine Idee der Drogentests auf
dieser Grundlage aufgearbeitet wird.
Doch auch an die jüngere Generation,
sprich Kinder haben die Meme-Macher
gedacht. Während nach Kocsis´ Idee alle
12 bis 18jährigen unter Generalverdacht
gestellt werden, ist es ohne Zweifel wichtig, die zu befürchtenden einhergehenden
Fragen und Diskussionen bereits im Vorfeld zu klären. Und was wäre da besser
geeignet als ein Bilderbuch? In klassischem Design werden mehrere Fragen
aufgeworfen, so auch der Drogentest. Der
kleine Laci fragt, ob er wirklich in einen
Becher pullern muss. Der geduldige Onkel Doktor erklärt die Notwendigkeit,
da nur so festgestellt werden kann, ob
er Drogen nimmt. Laci ist aber so klein,
dass er gar nicht weiß, was Drogen sind.
Doch zum Glück wird ihm auch das bereitwillig erklärt: „Linksliberaler Heimatverrat“. Damit wäre an dieser Stelle
wohl alles gesagt, die Autorin begibt sich
jetzt auf die Suche nach einem geeigneten verschließbaren, wasserdichten Behälter.
▶▶ EKG
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Es wird gerätselt, was Máté zu seinem Facebook-Eintrag bewegt hat.
Auch die Kleinsten sollen bereits lernen, was Drogen sind: „Linksliberaler Heimatverrat“.
Wir wünschen Ihnen besinnliche
Feiertage und ein erfolgreiches
Jahr 2015.