Budapester Zeitung Budapester Zeitung
Transcrição
Budapester Zeitung Budapester Zeitung
Budapester Zeitung 14. Jahrgang / Nr. 50-52 Budapest, 12. Dezember 2014 - 8. Januar 2015 www.bzt.hu 750 Forint Wochenmagazin für Ungarn 9 771419 877002 14050 Frohe Weihnachten Editorial Budapester Zeitung Budapester (Tages-)Zeitung Wie schnell doch die Zeit vergeht, und wie schnell man sich an neue Dinge gewöhnen kann! Noch nicht einmal ein Jahr ist es her, dass wir den Übergang von der klassischen Zeitung zum Nachrichtenmagazin gemeistert haben. Vor einem Jahr nutzten wir unsere Redaktionspause zum Jahreswechsel, um diesen Schritt zu vollziehen. So konnten Sie die erste Budapester Zeitung des Jahres 2014 bereits in neuem Gewand begrüßen und seitdem noch 47 weitere. Im Nachhinein können wir auf Grund der vielen anerkennenden Leserreaktionen klar sagen: es war ein richtiger und zeitgemäßer Schritt. Auch die aktuelle Redaktionspause werden wir wieder teilweise für redaktionelle Bauarbeiten nutzen. Diesmal weniger am Magazin und auch nicht – wie während des Jahres kontinuierlich – bei BZ online, nein, jetzt geht es um ein vollständig neues Produkt. Es geht um die Vorbereitung für eine Montag bis Freitag täglich erscheinende, etwa vierseitige pdfAusgabe der Budapester Zeitung. Ab dem 5. Januar früh um 7 Uhr können Sie sich mittels dieser Publikation unter der Woche über alle relevanten tagesaktuellen Nachrichten auf dem Laufenden halten. Ab dem ersten Montag im neuen Jahr ist – sofern Sie Abonnent dieser neuen Publikation werden – die Chance deutlich geringer, dass Sie etwas Wichtiges verpassen. Seien es größere politische oder wirtschaftliche Ereignisse oder ganz praktische Informationen wie Veranstaltungshinweise (fürs Geschäftsleben und auch privat), wichtigere Verkehrsinformationen und andere Informationen, die zu wissen das Leben in Ungarn einfach angenehmer macht. All diese Informationen finden Sie übersichtlich und optisch ansprechend präsentiert in unserer neuen pdf-Tageszeitung. So werden nur wenige Minuten ausreichen, damit Sie informierter als bisher Ihren Arbeitstag in Ungarn beginnen können. Motiviert zu dieser Neuerung haben uns zwei Überlegungen beziehungsweise Einsichten. Zum einen die immer größere Flut an täglichen Nachrichten und deren Schnelllebigkeit insbesondere im gesetzgeberischen Bereich. Hier zu versuchen, mittels einer Wochenzeitung ständig auf der Höhe der Zeit zu sein, ist einfach ein hoffnungsloses Unterfangen. Eine Menge an zusätzlichen Nachrichten zu produzieren und sie dann kostenfrei über BZ online zu verteilen, wäre zwar für unsere Leser eine feine Sache, für uns aber wirtschaftlich Budapester Zeitung nicht darstellbar, da man mittels Einnahmen aus Banner-Anzeigen vielleicht jemanden bezahlen kann, der ab und zu mal „copy and paste“ drückt, nicht aber Qualitätsjournalisten. Bleibt also nur die Möglichkeit der Nachrichtenübermittlung mittels eines pdf-Dokuments, wobei sich jeder, der an diesen Informationen ein Interesse hat, über eine gewisse Abo-Gebühr an der Finanzierung der Nachrichtenerstellung beteiligt. Dahinter verbirgt sich der allgemeine Trend der Branche zur direkten Inhaltsfinanzierung. Nachdem das indirekte Finanzierungsmodell, bei dem Leser nur einen geringen Teil und Anzeigenkunden den großen Rest der Produktionskosten schulterten, praktisch gescheitert ist, könnte das ein zukunftsweisender und nachhaltiger Weg für einen Teil unserer Branche werden. Mit der Erweiterung unseres Angebots um ei nen dritten Nachrichtenvertriebskanal werden sich auch Änderungen für unsere beiden bisherigen Vertriebswege ergeben. Insbesondere wird es zur Schärfung ihres jeweiligen Profils kommen. So wird etwa das gewohnte Ma gazin, das Sie gerade in der Hand halten, noch mehr zu einem Nachrichtenmagazin werden, mit Hintergrundartikeln, Analysen, Interviews, Reportagen und ähnlichem. Es wird noch mehr Ruhe und Solidität ausstrahlen und das Hinterherhecheln nach dem gerade aktuellsten Stand bei gewissen Entwicklungen der pdf-Tageszeitung überlassen. Diese wird sich wiederum voll darauf konzentrieren und durch ihre tägliche Erscheinungsweise auch eine realistische Chance haben, sich hier mit Bravour zu behaupten. Und wenn es mit der Nachrichtenübertragung einmal ganz schnell gehen muss und möglichst nicht bis zum nächsten Morgen gewartet werden sollte, dann gibt es immer noch den bewährten Vertriebs weg BZ online – gegebenenfalls verstärkt um einen Impuls über Facebook. Im Bereich der von uns real ins Auge gefassten Möglichkeiten liegt auch die Herausgabe von Sonderausgaben der pdf-Tageszeitung, etwa bei Wahlen oder schwerwiegenderen Naturereignissen wie der Eisinvasion in der vergangenen Woche. Vielen Dank dafür, dass Sie uns in diesem Jahr die Treue gehalten haben. Im Namen unserer Redaktion wünsche ich Ihnen erholsame Feier tage und ein erfolgreiches Jahr 2015. ISSN 1419-8770 Verlag: BZT Media Kft. 1073 Budapest, Erzsébet krt. 43. (Corinthia Hotel Budapest) Chefredakteur & Herausgeber: Jan Mainka Tel: 453-0752, 453-0753 Fax: 240-7583 E-Mail: [email protected], [email protected] Internet: www.bzt.hu stellv. Chefredakteurin: Elisabeth Katalin Grabow Politik: Peter Bognar Wirtschaft: Rainer Ackermann, Daniel Hirsch BZ-Online: Daniel Hirsch Kultur: Lisa Weil, Katrin Holtz Layout: Zsuzsa Urbán Foto-Redakteurin: Nóra Halász Abo & Distribution: Ildikó Varga Kioskvertrieb: Hungaropress Kft. Gedruckt von: Pharma Press Kft. Wo gibt es die Budapester Zeitung? Die Budapester Zeitung ist in Budapest an Zeitungskiosken mit ausländischer Presse erhältlich sowie unter anderem in folgenden Einkaufszentren: Mammut 2, Budagyöngye, Rózsakert Center, WestEnd, Aréna Plaza, Arkád, Mom Park, Allee Center, Campona und Köki Terminál. Außerdem kann man die Budapester Zeitung in einigen Budapester Super- und Hypermärkten sowie in Souvenir-Shops und Budapester FünfSterne-Hotels kaufen. Weiterhin gibt es die Budapester Zeitung in sämtlichen Zeitungsläden des Budapester Franz-Liszt-Flughafens sowie als complementary copy in den Business Launches der Fluglinien. Außerhalb von Budapest ist die Budapester Zeitung bisher nur in Hévíz und Keszthely oder im Abonnement erhältlich. … oder einfach direkt von der Quelle: Gerne können Sie die aktuelle Budapester Zeitung beziehungsweise The Budapest Times und ebenso ältere Exemplare dieser Magazine auch direkt in unserer Redaktion im Corinthia Hotel Budapest am Erzsébet krt. kaufen. Natürlich können Sie hier auch bequem Abos abschließen oder Anzeigen aufgeben. Unsere Redaktion ist für Sie wochentäglich geöffnet von 8.30 bis 16.30 Uhr. (Spätere Termine nach vorheriger Vereinbarung möglich.) Abonnement Druck-Ausgabe Budapest Ungarn außerhalb Europa von Budapest Außerhalb Europas 6 Monate 19.000 Ft 22.000 Ft 130 Euro 160 Euro 1 Jahr 35.000 Ft 40.000 Ft 240 Euro 280 Euro PDF-AusgabeUngarn Ausland 6 Monate 10.000 Ft 35 Euro 1 Jahr 18.000 Ft 60 Euro Genießen Sie die Vorzüge unserer Print- und PdfAusgabe gleichermaßen! Wenn Sie die Budapester Zeitung als gedruckte Version bestellen, geben wir Ihnen die pdf-Version gerne kostenfrei für den gesamten Bestellzeitraum dazu. Budapester Zeitung ist Partner der: The Budapest Times Jan Mainka Chefredakteur & Herausgeber Die Budapester Zeitung ist Mitglied folgender Organisationen: Deutscher Wirtschaftsclub Budapest, Deutsch-Ungarische Industrie- und Handelskammer, Wirtschaftsjunioren Ungarn, Swisscham Hungary, Lions Club Thomas Mann und International Women‘s Club Budapest. Seite 1: Foto: BZT / Nóra Halász 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 3 Gut informiert lebt und arbeitet es sich besser! Ab 5. Januar wird das bisherige Informations-Angebot unseres Verlages – das gedruckte Wochenmagazin und BZ online – mit einer Montag bis Freitag erscheinenden Tageszeitung im pdf-Format abgerundet. • Diese bietet unter anderem: aktuelle, faktenorientierte und an den Bedürfnissen der Leser ausgerichtete Nachrichten aus den Bereichen Innenpolitik, Außenpolitik, Wirtschaftspolitik, Unternehmen, Kultur und Lokales. • Zudem gibt es in jeder Ausgabe Veranstaltungstipps für den beruflichen und den Freizeitbereich, natürlich verbunden mit den notwendigen Anmelde- und Ticketinfos, so weit möglich, bequem als Hyperlink präsentiert. • Außerdem wird die Budapester Zeitung fallweise um größere aktuelle Dokumente ergänzt, etwa um Lebensläufe neuer relevanter Politiker, Verwaltungsbeamter oder Manager, um Übersetzungen wichtiger Reden oder Kurz-Interviews zu tagesaktuellen Themen. • Die pdf-Tageszeitung erhalten Sie wochentäglich um Punkt 7 Uhr bequem per E-Mail. Überzeugen Sie sich selbst und sichern Sie sich unter [email protected] eine kostenlose Probewoche. Neben Ihrer Interessebekundung freuen wir uns auch über mögliche inhaltliche Anregungen, um unsere Tageszeitung noch besser auf Ihre Bedürfnisse zuschneiden zu können. Keine relevante Nachricht mehr verpassen – Budapester Zeitung! I n h a lt Budapester Zeitung Titelthema 42 | Budapester Geschenktipps auf den letzten Drücker: Für jeden etwas Politik 8-9 Doch nicht? 8 | Máté Kocsis und die Drogenpolitik: Pipi-Tests für (fast) alle 10 | Affäre um US-Einreiseverbote: Vida geht gegen Goodfriend vor Gericht 12 | Bei anderen gelesen: Anständige Armut 13 | Bei anderen gelesen – Orbán: „Unsere Philosophie ist leben und leben lassen” 14 | Presseschau Máté Kocsis veröffentlichte am Samstag die Idee zu einem verbindlichen Drogentest. Seitdem kocht die Diskussion immer höher. Wirtschaft 16 | Wirtschaftspolitisches Holterdiepolter: 33-35 Hoffen auf einen steigenden Privatkonsum 18 | ELMŰ-ÉMÁSZ – Mit Energieverbraucherpreis 2014 ausgezeichnet: „Mit ganzer Seele für den Kunden“ Gut angekommen 20 | Gespräch mit Gerhard Hahn, geschäftsführender Die neue deutsche Botschafterin Lieselore Cyrus spricht mit der BZ über ihre ersten Eindrücke von Budapest und Ungarn. Gesellschafter der Knüppel Verpackung GmbH & Co. KG: „Ungarn ist für uns ein wichtiger Standort“ 22 | Interview mit Mihály Jankovich, Director Corporate Business bei der UNIQA Biztosító Zrt.: „Der Aufwand hat sich gelohnt!“ 24 | Made in Hungary – Die Magyar Suzuki Zrt. und ihr SX4 S-Cross: Kai-zen in Esztergom 26 | SX4 S-Cross – der Test Feuilleton 28 | BZ-Serie zum 25. Jahrestag der Grenzöffnung – Teil 9: Gespräch mit dem Journalisten, Historiker und Buchautoren Andreas Oplatka 33 | Gespräch mit der deutschen Botschafterin Lieselore Cyrus: „Dialogmöglichkeiten nutzen“ 36 | Gespräch mit dem Polit-Aktivisten Imre Mécs: 44-45 Voller Erfolg Der Weihnachtsball des Deutschen Wirtschaftsclubs war auch in diesem Jahr wieder ein voller Erfolg. Es wurde gegessen, getanzt und auch für gute Zwecke gespendet. „Imre, wie würdet ihr das machen?“ Budapest 44 | DWC-Weihnachtsgala: Feiern und helfen Restaurant 47 | Stilvolles Dinieren für Fleischliebhaber in der Baltazár Grillbar: Kolonialstil trifft Emaille Panorama 50 | Zur Erklärung: Drogentest als Meme-Grundlage: Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte 47-49 Einfach angesagt Das Baltazár ist ebenso hip wie seine Geschwister der Zsidai-Familie und bietet neben ansprechendem Ambiente auch zu gastronomischen Erlebnissen erhobene Streetfood-Klassiker. Politik Budapester Zeitung + + + + + + + + + + + + + + KOMPAKT + + + + + + + + + + + + + + „Áder hau ab“. Derweil wurde Spielgeld mit dem Konterfei der Chefin der ungarischen Steuer- und Zollbehörde (NAV), Ildiko Vida, verteilt und erneut deren Rücktritt gefordert. Die Teilnehmer forderten eine unabhängige Durchleuchtung der NAV, Null Toleranz für Korruption und die Achtung des Rechts auf Privateigentum in Zusammenhang mit den neuerlich “bedrohten” Privatrentenkassen. „Wenn wir uns organisieren, können wir unser Land zurückerobern“, betonte Gábor Vagó, einer der Organisatoren der Aktion und kündigte für den 16. Dezember eine neue Demonstration an. Foto: kormany.hu / Márton Kovács Außenpolitik: Szijjártó bei OSZE-Ministerrat South Stream: Opposition reagiert auf Projektabsage Nach Russlands Absage an das Gaspipeline-Projekt South Stream und dem Statement von Außenminister Péter Szijjártó, dass Ungarn künftig stattdessen neue Energiequellen suchen werde, reagierte auch die ungarische Opposition. Orbán habe „auf das falsche Pferd gesetzt“, was nicht nur für die Energie-, sondern die gesamte Außenpolitik gelte. Die ganze „Ostöffnung“ gehöre korrigiert, außerdem sei es bekannt gewesen, dass Putin „nach Gutdünken Verträge und Vereinbarungen breche“, daher sei es „notwendig, auch die Entscheidung zu Paks II“ nochmals zu überdenken, hieß es in Mitteilungen von LMP, MSZP, Együtt und den Liberalen. Agrarministerium: Untersuchung wegen Untreue Proteste: Erneut Tausende auf den Straßen Tausende Menschen versammelten sich vergangene Woche Donnerstag auf dem Kossuth tér vor dem Parlament, um gegen Korruption zu demonstrieren. Mit Transparenten mit der Aufschrift „Mafia-Regierung“ oder „Wir können nicht so viel Steuern zahlen, wie ihr klaut“ zog die Menge auf den Budaer Burgberg zum Sitz von Staatspräsident János Áder und rief Am Montag verordnete Agrarminister Sándor Fazekas eine Untersuchung seines eigenen Ministeriums. Zuvor hatte das Nachrichtenportal hvg.hu unter Berufung auf Dokumente, die Zivilorganisationen freigeklagt hatten, von einer Veruntreuung von Steuerspenden (TAO-Gelder) in Höhe von 642 Mio. Forint berichtet. Die Gelder sollten eigentlich für die Bekämpfung von Ambrosia-Flächen eingesetzt werden, stattdessen wurde dem Ministerium nachgewiesen, dass es u.a. IT-Technologie, Mobiltelefone, Schuhputzmaschinen und Ledertaschen kaufte sowie Abfindungen für Mitarbeiterkündigungen bezahlte. 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 6 Außenminister Péter Szijjártó nahm vergangene Woche Donnerstag beim Treffen der Minister der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Basel teil und erklärte, dass ein schnelle Lösung des Ukraine-Konflikts von großem Interesse für Ungarn sei. Europa stehe aktuell vor zwei sicherheitspolitischen Herausforderungen: der Ukraine-Konflikt im Osten, der mithilfe von diplomatischen Verhandlungen gelöst werden müsse, und die Bedrohung durch den Islamischen Staat im Süden, bei der man (auch mit militärischen Mitteln) verhindern müsse, dass das dortige Christentum gänzlich ausgelöscht wird. Später führte Szijjártó bilaterale Gespräche, etwa mit dem OSZE-Medienbeauftragten Dunja Mijatovic, mit dem sich die Regierung in Sachen Pressefreiheit „ständig beraten“ wolle, mit dem rumänischen Amtskollegen Bogdan Aurescu, der im Februar nach Budapest kommen wird, um über engere Kooperationen zu beraten, dem ukrainischen Amtskollegen Pavlo Klimkin, der Szijjártó über die aktuelle Lage in seinem Land informierte und den der Ungar am 19.12. in Kiew besuchen wird, und dem weißrussischen Amtskollegen Vladimir Makei über die Wirtschaftsbeziehungen der beide Länder. Elegant besohlt durchs ganze Jahr: Mit Schuhen von Dinkelacker. www.heinrich-dinkelacker.de Trockenen Fusses und bequem durch den Winter. Mit unseren Schuhen machen Ihnen nasse Gehwege nichts mehr aus. eisvorteil 20prozentigen Pr n de st pe da Bu -Schuhen Nutzen Sie in b von Dinkelacker er w Er m de r be gegenü elhandel! im deutschen Einz Unsere Schuhe können Sie bequem in unserem Budapester Schauraum (1225 Budapest, Március 15. u. 1-3) kennenlernen und natürlich auch kaufen. Nebenbei können Sie dort auch einen Blick in unsere Schuh-Manufaktur werfen und einen Eindruck von der einzigartigen handwerklichen Herstellung dieser besonderen Schuhe gewinnen. Der Schauraum ist von Montag bis Freitag von 8 bis 14.30 Uhr für Sie geöffnet oder nach Terminabsprache (Tel.: +36-1-207-6185 oder Mobil: +36-20-537-8683). Frau Andrea Nyerges berät Sie auf Deutsch und führt Sie auch gerne durch unsere Manufaktur. Politik Budapester Zeitung Pipi-Tests Máté Kocsis und die Drogenpolitik für (fast) alle Máté Kocsis ist Bürgermeister des VIII. Bezirks und hat damit ohne Frage einen der schwierigsten Bezirke der Hauptstadt zu verwalten. Neben einem immer angesagteren Nachtleben konzentriert sich hier auch die Drogenszene Budapests. Zuletzt sorgte Kocsis in diesem Zusammenhang mit der Schließung des Spritzentausch-Programms der Zivilorganisation Kék Pont für Aufregung. Sein neuester Vorstoß lässt Fachleute nunmehr komplett ratlos zurück. 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 8 Foto: Fidesz.hu D enn was Máté Kocsis (bekannt auch für seine „unorthodoxe“ Obdachlosenpolitik, auf ihn gehen die ungarichen Obdachlosengesetze zurück, die das Leben auf der Straße de facto unter Strafe stellt (die BZ berichtete), nun aufs Tapet gebracht hat, erscheint mehr denn je als Schnapsidee: Ein verpflichtender Drogentest für alle Jugendlichen zwischen zwölf und 18 Jahren sowie Journalisten und Politiker. Die Begründung ist so einfach wie fachlich nicht nachvollziehbar: Wer gegen den Test ist, ist für Drogen. Der Hintergrund ist laut dem Politologen Gábor Török einfach. Der Fidesz hat mit stetig sinkenden Umfrageergebnissen zu kämpfen. Verzweifelt sucht man nun nach einem Thema, das den Sturzflug beenden könnte. Drogen, so meint man, ziehen immer, denn egal, wie die Opposition auf das Thema reagiert, ihnen kann immer das Etikett „Junkies und Drogenbefürworter“ angeheftet werden, so das Kalkül. Doch noch mehr drängt sich die Frage nach der Zielgruppe auf, Jugendliche, Politiker und Journalisten? Nur am Rande erwähnt sei, dass Politiker ob ihrer Immunität nicht zu solch einem Test verpflichtet werden können. Und auch bei Journalisten und Jugendlichen sind Datenschutz und Persönlichkeitsrechte eher Nebensache. Denn, so die Máté Kocsis, so seine Kritik, würde mit dem verpflichtenden Drogentest alle Jugendlichen unter Generalverdacht stellen. Erklärung, Jugendliche müssten abgeschreckt, Journalisten sich hingegen ihrer Vorbildfunktion bewusst sein und deswegen am Test teilnehmen. Dass es bei den Regierungsparteien Fidesz und KDNP zumindest koalitionsintern keine Abstimmung in dieser Frage gab, zeigt das Beispiel des KDNP-Spitzenpolitikers György Rubovszky. Gelinde gesagt „ungehalten“ äußerte er sich gegenüber der linksliberalen Tageszeitung Népszabadság wie folgt: „Meine (12jährige – Anm.) Enkelin rief mich schluchzend an, und sagte: „Großvater, ich muss das Land verlassen, ich werde nicht in Gegenwart Fremder pullern!“ Der Vorschlag, so Rubovszky, sei in vielerlei Hinsicht problematisch. Ein Thema, viele Reaktionen Derweil fragen sich viele, ob die Idee des Drogentests nicht ein Ablenkungs- Budapester Zeitung manöver des Fidesz ist. László Szili, Blogger bei cink.hu, ist sich sicher, dass hier ein „Gummiknochen“ die Runde macht. Nicht nur, dass es noch gar keinen konkreten Gesetzesvorschlag gibt. Selbst Fraktionsvorsitzender Antal Rogán sprach davon, dass der Test für Journalisten nicht verpflichtend sein sollte und auch für Kinder erst nach vorherigem Einverständnis der Eltern. Tests sind absolut nicht brauchbar Natürlich wurde das Thema auch im sozialen Netzwerk Facebook aufgegriffen. Die Gruppe „Eine Million Urinproben für den Fidesz“ zählte am Mittwochabend bereits mehr als 6.000 Mitglieder. Die Gründer erklärten, sollten 10.000 Unterstützer zusammenkommen, würde es eine dem Thema würdige Protestaktion geben, die Übergabe von Urinproben in der Fidesz-Parteizentrale. Die oppositionelle Partei von Ex-Premier Ferenc Gyur csány, Demokratische Koalition, hatte sich am Montag kurzerhand dieser Idee bemächtigt und Urinproben in der von Kocsis´ verwalteten VIII. Bezirksleitung abgegeben. Neben der fachlichen Fragwürdigkeit dieses Tests sind es auch die Kosten, die ungeheuerlich scheinen. Gábor Zacher, Toxikologe und Leiter der Ambulanz des Honvédkorház, sprach am Montag gegenüber InfoRádió über Kocsis´ Idee. Der über Parteigrenzen hinweg anerkannte Fachmann stellte der Idee ein vernichtendes Urteil aus. Nur etwa vier bis sechs Prozent der im Umlauf befindlichen Drogen könnten mit den heute zur Verfügung stehenden Tests tatsächlich nachgewiesen werden, und egal, ob positiv oder negativ, vor Gericht hätten sie ohnehin keinen Bestand (bei positivem Ergebnis muss ein zweiter spezieller Test durchgeführt werden, erst dieser hat vor Gericht Beweiskraft). Zudem würden die – überflüssigen und unbrauchbaren – Drogentests bei knapp 750.000 Menschen auch den Haushalt enorm belasten, betonte Zacher. Er rechnete vor, dass der breit angelegte Massentest bis zu 50 Milli- Politik arden Forint verschlingen, mit der benötigten Ausrüstung könnte sich diese Summe gar auf 100 Milliarden Forint belaufen. Der Toxikologe wies nachdrücklich darauf hin, dass mit diesem Geld die gesamte Bevölkerung Krebs, Cholesterin-, Blutdruck, Prostata und Dickdarm-Vorsorgeuntersuchungen unterzogen werden könnte. Und während noch die Diskussion über Sinn und Unsinn eines verpflichtenden Drogentests läuft, wurde im VIII. Bezirk der erste Aids-Kranke getestet. Mit der Schließung des Spritzentauschprogramms ist es Fachleuten zufolge nur eine Frage der Zeit, bis es zum explosionsartigen Anstieg von HIV-Erkrankungen kommt. Sollte die Regierung tatsächlich etwas in Sachen Suchtproblem unternehmen wollen, so wäre eigentlich die Bekämpfung des grassierenden Alkoholismus naheliegend. Im Vergleich zu den ungefähr 20.000 Drogensüchtigen leben in Ungarn rund 800.000 Alkoholkranke, von denen jährlich etwa 30.000 Personen an den Folgen ihrer Sucht sterben. ▶▶ EKG 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 9 Politik Budapester Zeitung Affäre um US-Einreiseverbote Vida geht gegen Goodfriend vor Gericht Wenn die Vereinigten Staaten André Goodfriend von der diplomatischen Immunität befreien würden, könnte vor aller Welt endlich die Wahrheit geklärt werden. Dies sagte Viktor Orbán am Dienstag. (Seite 13). Die Steuerbehörde NAV hatte schon zu Beginn der Woche signalisiert: Direktorin Ildikó Vida, die vom US-Einreiseverbot betroffen ist, werde die notwendigen rechtlichen Schritte gegen Goodfriend einleiten. Unterdessen wurde zudem bekannt, dass die USA seit anderthalb Monaten nicht auf das Rechtshilfegesuch der ungarischen Generalstaatsanwaltschaft reagiert haben. Rechtliche Schritte: NAV-Leiterin Ildikó Vida will André Goodfriend nun doch anzeigen. W ie Orbán am Dienstag sagte, ist „Ungarn nicht nur ein Land der Freiheit, sondern auch der Verantwortung. Für unsere Worte und Taten müssen wir Verantwortung übernehmen.” Der Premier hatte schon am Montag im Parlament betont: Die NAV-Chefin müsse den Geschäftsführer der US-Botschaft, André Goodfriend, verklagen, „anders kann sie ihre Unbescholtenheit nicht beweisen”. Orbán betonte auch, sollte Vida gegen Goodfriend rechtlich nicht vorgehen, werde er die NAV-Direktorin ablösen. Die deutlichen Worte des Ministerpräsidenten zeigten offenbar Wirkung. Am Dienstag hieß es aus der NAV, dass Ildikó Vida die „notwendigen Schritte” einleiten werde. Unterdessen wurde auch bekannt, dass die USA seit anderthalb Monaten mit einer Antwort auf ein Rechtshilfegesuch der ungarischen Generalstaatsanwaltschaft in Sachen US-Einreiseverbote 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 10 schuldig sind. Wie der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft, Géza Fazekas, am Montag gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender M1 mitteilte, hat sich Generalstaatsanwalt Péter Polt bereits am 27. Oktober mit einem Rechtshilfegesuch an den US-amerikanischen Justizminister gewandt. Grundlage dafür sei ein Abkommen zwischen den USA und Ungarn aus dem Jahr 2008. Hat sich Polt mit einem Rechtshilfegesuch an die USA gewandt? Von seinem Rechtshilfegesuch habe Polt auch André Goodfriend per Brief informiert. Gleichwohl sah sich der Geschäftsführer der US-Botschaft genötigt, am Montag per Facebook auf die Worte Orbáns im ungarischen Parlament zu reagieren. Goodfriend wies darauf hin, dass die rechtliche Kooperation zwischen Un- garn und den USA hervorragend sei, wobei er auch das bilaterale Rechtshilfeabkommen hervorhob. Er ging allerdings nicht darauf ein, warum die USA der ungarischen Generalstaatsanwaltschaft dann noch immer nicht geantwortet haben. Der Co-Vorsitzende der oppositionellen Partei „Gemeinsam”, Viktor Szigetvári, beschuldigte Generalstaatsanwalt Polt derweil geradewegs der Lüge. Laut dem Oppositionspolitiker habe Polt kein Rechtshilfegesuch an die USA geschickt, sondern lediglich eine informelle Benachrichtigung. In der Affäre um die US-Einreiseverbote meldete sich am Dienstag auch Außenminister Péter Szijjártó zu Wort. Er machte darauf aufmerksam, dass aufgrund eines internationalen Abkommens der entsendende Staat seinen Gesandten in bestimmten Fällen von der diplomatischen Immunität befreien könne. So gäbe es die Möglichkeit, dass André Goodfriend seine Beweise vor einem ungarischen Gericht offenlegt und endlich Licht in die Affäre um die US-Einreiseverbote bringt. Zur Erinnerung: Mitte Oktober wurde publik, dass die USA gegen sechs ungarische Offizielle ein Einreiseverbot verhängt hatten. Später trat die NAV-Direktorin Ildikó Vida an die Öffentlichkeit und gab bekannt, dass sie vom US-Einreisebann betroffen sei. Die ungarischen Medien mutmaßen, dass dahinter das angeblich lasche Vorgehen der NAV in einem angeblichen Mehrwertsteuerskandal stehen könnte. Auch wird eine Abstrafung Ungarns wegen seiner Annäherung an Russland als weitere Ursache für möglich gehalten. ▶▶ Peter Bognar Budapester Zeitung Anzeigen Wir bedanken uns bei allen unseren Kunden und Partnern für die gute Zusammenarbeit und wünschen allen Fröhliche Weihnachten und ein gesundes Neues Jahr 2015. Hirschmann Car Communication Kft. Békéscsaba 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 11 Politik Budapester Zeitung Anständige Armut Bei anderen gelesen Die heutige Stigmatisierung der Armut ist vor allem den effektheischenden Medien geschuldet. Wenn im Fernsehen eine arme Familie gezeigt werden muss, dann packen die TV-Reporter die Kamera ins Auto und begeben sich auf die Suche nach einem stinkenden, dreckigen und einsturzgefährdeten Lehmhaus in einem aus der Zeit gefallenen, elendigen Ziegendorf irgendwo hinter den sieben Bergen. Wenn die Elendshütte von Zigeunern bewohnt wird, ist es auch kein Problem. Ganz im Gegenteil, in vielen Fällen ist es sogar noch besser. W orauf es ankommt: Der Hof sollte mit Müll und wertlosem Gerümpel überfüllt sein, der Hund sollte an die Kette gelegt und völlig ausgemergelt sein, in den winzigen Zimmern sollte ein heilloses Durcheinander herrschen, das Bett sollte ungemacht sein, Küche und Herd sollten vor Schmutz starren, das Geschirr sollte sich ungewaschen auf einem chaotischen Haufen stapeln – zu guter Letzt sollte auch eine schmierige Katze auf einem schäbigen Hocker sitzen. Zu den Menschen: Die Mutter sollte möglichst heruntergekommen aussehen, ihre Haare sollten zerzaust und fettig sein, ihr Gewand ungewaschen. Auch die Kinder sollten nach Tunlichkeit schmutzig sein, und ihre Nasen voller Rotz. Und das kleinste der Kinder sollte schreien, wenn möglich lauthals. Auch darf ein hohläugiger Greis oder ein verrunzeltes Mütterchen nicht fehlen, die irgendwo in einer dunklen Ecke sitzen und stumm vor sich hinstarren – neben ihnen ein Berg Medikamente. Im Großen und Ganzen sind das die Stereotypien für die Armut in Ungarn. Solche Darstellungen gehen bei hiesigen Doku- und Filmfestivals sowie Fotowettbewerben häufig als Sieger hervor. Eine Armut, die in den Medien keine Beachtung findet… Es gibt allerdings auch eine „anständige Armut”. Von dieser ist in den Medien wenig zu sehen und zu hören, obwohl viele Menschen von ihr betroffen sind: 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 12 Die Wochenzeitung Nevem Senki ist der klischeehaften Darstellung von Armut überdrüssig und macht auf eine wenig reißerische Armut in Ungarn aufmerksam. Wenn auf dem sauberen Hof die Blumen blühen, hört man den Hund glücklich kläffen, der Garten ist adrett, die Wände gemeißelt, die Küche blitzblank, und über dem Herd hängt der Haussegen. Auch die Möbel und Teppiche sind sauber und die Fenster frisch geputzt. Auf dem Küchentisch sind einfache, wohlfeile, aber nahrhafte Speisen zu finden, irgendwo steht ein Fett-Trog, da liegen Winteräpfel, dort hängt ein Speck von der Decke. Die Kleidung der Menschen ist abgetragen und aus der Mode gekommen, aber sauber, irgendwo stehen ein Emaille-Eimer und eine Holzwanne herum. Der Sitz des Fahr- rades ist von einer Häkelei umgeben, im Hof laufen Hühner umher, da ein Gemüsebeet, dort einige Reihen Weinstöcke und am Ende des Gartens Obstbäume. In der Stadt ist diese Armut vor allem in den Plattenbauten zu finden: kleine Zimmer, alte Möbel, Krautgeruch, Hajdú-Mimimat-Waschmaschine, Aluminiumkaffeekocher auf dem Herd, Bravos Kaffee, Beko-Fernseher, Gorenje-Kühlschrank, Tesco-Schnitten, Sodaflasche, gestopfte Socken, Trainingshose, RTV-Zeitung (Fernsehprogramm; Anm.), Weste aus Schafspelz. Die Armut ist mitnichten mit Anspruchslosigkeit gleichzusetzen. Die Armut ist aber auch nicht mit dem Verlust der menschlichen Würde und dem Unglücklichsein gleichzusetzen. Die Armut ist ein Zustand. Sie ist eine Lebenssituation. Sie ist weder eine Schande noch ist sie eine Krankheit. Die Armut ist nicht mit Dreck, Unordentlichkeit, Alkoholismus, Kriminalität, Ungebildetheit und Primitivität gleichzusetzen. Der in Armut lebende anständige Ungar lebt bescheiden, er macht keinen Lärm. Er fordert nicht, er demonstriert nicht, ja er ist unproblematisch. Diese Menschen würden mehr Respekt und Achtung verdienen. Es handelt sind nicht um viele. Um wie viele eigentlich? Nur um einige Millionen… Der hier abgedruckte Text erschien am 2. Dezember 2014 in der unabhängigen Wochenzeitung Nevem Senki. Aus dem Ungarischen von Peter Bognar Budapester Zeitung Politik Bei anderen gelesen Orbán: „Unsere Philosophie ist leben und leben lassen” In der Online-Ausgabe der Boulevardzeitung Blikk konnten die Leser am 9. Dezember 2014 mit Regierungschef Viktor Orbán anderthalb Stunden lang chatten. Lesen Sie im Folgenden einige Fragen und Antworten aus dem „Starchat” mit dem Premier. Lőrinc: Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Was sagen Sie zu den Vorwürfen des US-Geschäftsträgers der amerikanischen Botschaft, André Goodfriend, wonach die Regierung bei ihren Maßnahmen gegen die Korruption nicht konsequent genug gewesen sei. Noch dazu führt er konkrete Fälle an. Ein ehemaliger Fidesz-Wähler Viktor Orbán: Der genannte Herr wird eine exzellente Gelegenheit dazu haben, seine Vorwürfe vor der gesamten ungarischen Öffentlichkeit vor Gericht zu wiederholen. Die Direktorin (Ildikó Vida; Anm.) der NAV (Steuerbehörde; Anm.) kann nicht umhin, den Geschäftsträger zu verklagen, um ihre Unbescholtenheit zu beweisen. Ich kann nur hoffen, dass sich der Herr Geschäftsträger nicht hinter seiner Immunität als Diplomat verstecken und sich dem offenen Dialog stellen wird. Das Dampfplaudern hat ein Ende, jetzt müssen rechtliche Schritte folgen. Die Vereinigten Staaten haben das Recht dazu, ihren diplomatischen Vertreter von der Immunität zu befreien, so könnte vor aller Welt die Wahrheit endlich geklärt werden. Darauf müssen wir beharren. Es soll nämlich jeder wissen, dass Ungarn nicht nur ein Land der Freiheit ist, sondern auch der Verantwortung. Für unsere Worte und Taten müssen wir Verantwortung übernehmen. Hochachtungsvoll, gesegnete Weihnachten und ein erfolgreiches Neujahr, Viktor Orbán, Ministerpräsident. Die Korruption ist inakzeptabel… Jolánka: Was unternehmen Sie gegen die Korruption? Warum lassen Sie es zu, dass Ihre Parteifreunde, Kumpel und ehemaligen Studentenheimmitbewohner Sie über den Tisch ziehen? Außer Ihnen weiß die halbe Welt, was in Ungarn vor sich geht. Wo leben Sie eigentlich, dass Sie keinen blassen Schimmer von der Realität haben? Danke. Viktor Orbán: Wir sollten bei den Tatsachen bleiben. Die Korruption ist inakzeptabel, hier gibt es keine Toleranz. Ich glaube nicht, dass meine Mitarbeiter mich über den Tisch ziehen. Und ich kann Ihnen versichern, dass ich nicht auf dem Mars lebe, sondern hier in Ungarn unter ihnen. Ich kann leider nicht behaupten, dass mir alles gefällt, was ich sehe. Aber ich arbeite jeden Tag hart dafür, um immer mehr Dinge sehen zu können, die alle mit Zufriedenheit erfüllen. Hochachtungsvoll und frohe Weihnachten. Ein Geflohener…: Sehr geehrter Herr Orbán, ich hoffe, Sie werden den Forderungen der Vasallen der USA (Frau Merkel + EU!) nicht klein beigeben. Viktor Orbán: Die Amerikaner sind unsere Freunde, ja sogar unsere guten Freunde. Bitte vertrauen Sie mir! Hochachtungsvoll! Derzeit ist leider nur so viel drin… Kálmán Szabó: Laut Ihren Versprechungen werden auch Männer die Möglichkeit haben, in Frührente zu gehen, wenn die Wirtschaftsentwicklung positiv ist (dies bekommen wir nun immer wieder zu hören). Wird was daraus? Ich arbeite seit 45 Jah- ren und habe noch anderthalb Jahre vor mir. Viktor Orbán : In Ungarn wird es in absehbarer Zukunft keine Möglichkeit geben, um vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter in Pension zu gehen. Dazu fehlen ganz einfach die wirtschaftlichen Voraussetzungen. Es gibt eine einzige Ausnahme, das ist der Renteneintritt von Frauen nach vierzig Jahren Arbeit. Wir kämpfen jedes Jahr darum, die finanziellen Grundlagen dafür zu gewährleisten. Derzeit ist leider nur so viel drin. Hochachtungsvoll. Mónika: Herr Orbán, unterstützen Sie nicht nur Ihre Freunde wie etwa den Herrn Mészáros (Lőrinc Mészáros ist in der Heimatgemeinde von Orbán, Felcsút, der Bürgermeister und hat es auf wundersame Weise vom einfachen Handwerker unter die Top-100 der reichsten Ungarn geschafft; Anm.), sondern auch die Menschen, die Sie gewählt haben. Warum nehmen Sie uns unsere Zulagen am Sonntag weg? (Stichwort einkaufsfreier Sonntag; Anm.). Ich frage: Wem tut es weh, dass wir am Sonntag arbeiten und ein bisschen mehr verdienen? Sie da oben haben alles. Warum nehmen Sie uns jetzt auch noch diese kleinen Zusatzverdienstmöglichkeiten weg? Warum? Viktor Orbán: Unsere Philosophie ist leben und leben lassen. Aus diesem Grund wollen wir nicht wegnehmen, sondern helfen. Ich hoffe, die Zeit wird mir Recht geben und mich auch in Ihrem persönlichen Leben bestätigen. Viel Erfolg und frohe Weihnachten! Aus dem Ungarischen von Peter Bognar 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 13 Politik Budapester Zeitung Zitate „Der Redner hat sich mit diesen extremen Worten selbst qualifi ziert. (…) Ungarns Unab hängigkeit ist angegriffen worden.“ Presseschau Premier Viktor Orbáns Reaktion auf die Neo-Faschisten-Entgleisung des republikanischen Senators John McCain. „Der Fidesz feiert den AntiKorruptionstag mit der geheimen Unterschrift des die ungarische Energiepolitik für die nächsten 60 Jahre festlegenden Vertragspaketes zum Bau von Paks 2.“ Aus einer Pressemitteilung der oppositionellen Együtt-Partei vom Dienstag. „Die Anzahl der Armen in Ungarn steigt nicht, sondern fällt.“ Premier Viktor Orbán am Montag im Parlament (vor zwei Wochen wurde der alljährliche EurostatArmutsbericht veröffentlicht, laut dem die Armut in Ungarn EU-weit am stärksten zugenommen habe). „Niemand zahlt gern Steuern. Aber Steuern sind keine Strafen. Die betroffenen Branchen vertragen sie gut. Die ganze Wirtschaft profitiert davon, wenn die Arbeit entlastet und dafür der Konsum stärker besteuert wird.“ László Szabó, Ungarns neuer Vize-Außenminister vergangene Woche im Wirtschaftsblatt-Interview zu den Sondersteuern. „Als ich in Österreich lebte, störte es mich zunächst, dann freute es mich, dass es hier keine Sonntagsöffnung gibt. Wenn Menschen die Freizeit mit ihrer Familie verbringen, erhöht das ihre Lebensqualität und Zufriedenheit.“ Ebenda, gefragt nach dem Gesetzesvorschlag zu den Sonntagsöffnungszeiten. 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 14 Ungarn stößt Rumäniens Nationalfeiertag ab Der orthodoxe Priester und Publizist Eugen Tanasescu ist empört, dass viele Angehörige der ungarischen Minderheit in Rumänien nicht an den Feierlichkeiten des rumänischen Nationalfeiertags am 1. Dezember teilnahmen. Die ungarischsprachige rumänische Tageszeitung Krónika nimmt die Ungarn in Schutz: „Der vom Nationalgefühl trunkene Pope kam derart in Rage, dass er den Entzug der rumänischen Staatsbürgerschaft von all jenen forderte, die den rumänischen Nationalsymbolen nicht die gebührende Achtung schenken. (...) Er sollte vielleicht einmal darüber nachdenken, warum der rumänische Feiertag für die Ungarn so abstoßend ist. Wenn er sich die Mühe geben würde, die Ungarn persönlich zu befragen, würde er erfahren, dass der 1. Dezember für sie für die gebrochenen rumänischen Versprechen [von 1918 zu Autonomierechten für die Ungarn] und die Ausgrenzung der Ungarn steht, die vom rumänischen Staat nicht als gleichberechtigte Bürger behandelt werden.“ (6. Dezember 2014) Staatliche Drogentests beleidigen junge Ungarn Alle Politiker, Journalisten und Schüler ab zwölf Jahren sollen in Ungarn künftig einem Drogentest unterzogen werden. Das forderte die rechtskonservative Regierungspartei Fidesz am Montag. Es ist skandalös, Jugendliche unter Generalverdacht zu stellen, wettert der Publizist Gellért Rajcsányi auf dem Meinungsportal Mandiner: „Was bei mir die Sicherungen durchbrennen ließ, ist der obligatorische Drogentest für alle Kinder. Dies wird in den nächsten Tagen wohl auch eine Lawine der öffentlichen Entrüstung auslösen. (...) Wenn ich heute ein mit Liebe und Vertrauen erzogenes unschuldiges, argloses zwölfjähriges Kind hätte und in den TV-Nachrichten hörte, dass eine Partei einen verpflichtenden Drogentest für alle Schüler ab dem zwölften Lebensjahr einführen will, dann würde ich in meiner Wut wohl gegen den Fernseher treten. Welcher verqueren und perversen Logik ist es geschuldet, dass eine Partei eine komplette Generation des Drogenkonsums verdächtigt?“ (8. Dezember 2014) Orbán kämpft sehr wohl gegen Kinderarmut Linksliberale Medien kritisieren die rechtskonservative Regierung unter Viktor Orbán für die drastische Zunahme der Kinderarmut in Ungarn. Laut OECD lebt knapp ein Drittel der ungarischen Kinder unter Entbehrungen. Die regierungsnahe Tageszeitung Magyar Nemzet spricht solchen Anschuldigungen und Statistiken die Glaubwürdigkeit ab: „Was auch immer die Regierung zur Linderung der Armut tut, etwa indem sie immer mehr Kindern in rückständigen Regionen eine kostenlose Verpflegung ermöglicht, die linksliberalen Medien weigern sich beharrlich, davon Notiz zu nehmen. Stattdessen ergehen sie sich in Panikmache und traktieren ihre Leser mit Armutsberichten, die den einschlägigen Erhebungen des Zentralamts für Statistik widersprechen. (...) Wenn es in den vergangenen 25 Jahren eine ungarische Regierung gab, die wirklich etwas für das Wohl der in Armut lebenden Kinder geleistet hat, dann ist es die Regierung Orbán.“ (7. Dezember 2014) Budapester Zeitung Wirtschaft + + + + + + + + + + + + + + KOMPAKT + + + + + + + + + + + + + + wonach bei verschiedenen Milchprodukten aus Kärnten in Hinsicht auf Hexachlorbenzol (HCB) die Grenzwerte für einen gesundheitlich unbedenklichen Verzehr deutlich überschritten wurden. Greenpeace sprach von Produkten mehrerer Marken, die jedoch allesamt aus einer Region stammen und durch ein nahe gelegenes Zementwerk bzw. eine Blaukalkdeponie verunreinigt worden sein könnten. Das ungarische Agrarministerium rät den Kunden, einheimische Produkte zu kaufen. Paks-2: Dieses Projekt verwirklichen die Russen V4-Gipfel: Energiesicherheit im Mittelpunkt Der russisch-ukrainische Konflikt und damit im Zusammenhang die Energiesicherheit in der Region waren herausragende Themen des Gipfeltreffens der Visegrád-Staaten in Bratislava unter Teilnahme des Bundespräsidenten der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Didier Burkhalter. Mit seinen Amtskollegen aus Polen, Tschechien und der Slowakei beriet sich Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán vornehmlich über die angespannte Lage im Nachbarland Ukraine. Dabei vertrat er die Ansicht, dass man nicht nur passiv zuschauen dürfe, um die Folgen zu erleiden, sondern aktiv in die Geschehnisse an den Ostgrenzen Europas eingreifen müsse. Ungarn werde alles für die Schaffung einer Pax Europa tun. Burkhalter erklärte, die Sicherheit Europas müssten die Europäer zu ihrem gemeinsamen Projekt machen. Die V4-Staaten forderten die Schweiz auf, sich stärker in der Region zu engagieren. Ungarn-Bayern: Zusammengewachsen Die grundlegend auf Fertigungskooperationen basierende Zusammenarbeit wird um neue Aspekte wie Forschung, Entwicklung und Ausbildung bereichert, sagte Außenminister Péter Szijjártó im Anschluss an die 18. Sitzung der Gemischten Kommission Ungarn-Bayern am vergangenen Freitag in München. Ungarns Industrie sei praktisch mit jener Süddeutschlands zusammengewachsen, weshalb die ungarische Wirtschaftsleistung erheblich vom Erfolg ihrer deutschen und insbesondere bayerischen Partner abhängt. Der Freistaat Bayern habe die Fortsetzung der Finanzierung für die deutschsprachige Andrássy-Universität in Budapest beschlossen. Das Ungarische Institut in Regensburg wird der dortigen Universität zugeordnet. Aktiviert werden müsse die unter der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft 2011 auf den Weg gebrachte Donauregion-Strategie. Szijjártó verhandelte in München mit der Wirtschaftsministerin des Freistaates, Ilse Aigner, sowie mit dem BMW-Management. Bekanntlich gilt Ungarn als „unsichtba- re Fabrik“ des Automobilkonzerns, kauft BMW doch von 120 ungarischen Zulieferern jährlich für 1,3 Mrd. Euro Waren und Dienstleistungen ein. Unter fünfmonatige Verhandlungen setzten die Partner am Dienstag einen Punkt, als in Budapest drei Verträge zur Verwirklichung des Projekts AKW Paks-2 unterzeichnet wurden. Der Regierungsbeauftragte Attila Aszódi erklärte, das Atomkraftwerk bleibe ungarisches Eigentum, die Investition werde die Finanzierungsvorgabe von 12,5 Mrd. Euro ganz bestimmt nicht sprengen. Die russische Seite wird das Projekt mit einem Kreditrahmen von 10 Mrd. Euro finanzieren und zwei Reaktorblöcke á 1.200 MW Leistung liefern. Wegen des plötzlichen Aus für das Pipelineprojekt South Stream habe Ungarn wiederholt nachgefragt, ob Paks2 sicher sei. Die Antwort lautete, Moskau nehme das Projekt ungeachtet der zunehmend schwierigeren Wirtschaftslage ernst. Die Oppositionsparteien kritisieren die fehlende Transparenz – nach einer Vorlage des Entwicklungsministeriums sollen sämtliche Verträge im Zusammenhang mit dem AKWBau aus Gründen der nationalen Sicherheit für 15 Jahre unter Verschluss gelangen. Lebensmittelkontrolle: Belastete Milch aus Kärnten Milch und Milchprodukte aus Österreich werden auf Anweisung des Agrarministers Sándor Fazekas ab sofort besonders intensiv geprüft. Auslöser der Vorsichtsmaßnahme sind Medienberichte im Alpenland, 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 15 Wirtschaft Budapester Zeitung Wirtschaftspolitisches Holterdiepolter Hoffen auf einen steigenden Privatkonsum Viktor Orbán regiert nun schon im fünften Jahr. Was brachte seine „Regierung der nationalen Mitte“ den Ungarn und was versprechen die kommenden drei Jahre? Bevor wir uns in Pro und Kontra verzetteln, sei ein Aspekt genannt, der unumstößlich ist: das Primat der Politik gegenüber der Wirtschaft. D ie einen singen Lobeshymnen auf Viktor Orbán, die anderen möchten ihn am liebsten zum Teufel jagen: Der seine dritte Amtszeit politisch mehr denn je einbetoniert antretende Ministerpräsident spaltet die Geister wie kein anderer. Im Ausland wird er vornehmlich aufgrund oberflächlicher Kenntnisse und darum kritisiert, weil er ausgetretene Pfade verlässt und lieber experimentiert. Für seine Landsleute wirkt sich eher kritisch aus, dass Orbán längst eigenmächtig entscheidet, immer seltener den Konsens sucht, während niemand in seinem Umfeld mehr Zeit auf Studien verschwendet, um mögliche Risiken und Nebenwirkungen dieser „genialen Einfälle“ aufzudecken. Nach den Jahren der Stabilisierung werden heute die Fundamente einer national gesinnten Wirtschaftsordnung gelegt. Es geht mal wieder holterdiepolter, als hätte der Fidesz keine Zeit für ein Konzept mit Hand und Fuß. Mittlerweile wird nicht mehr im Wochen-, sondern geradezu im täglichen Takt mit Ideen um sich geworfen, die wirklich niemanden mehr verschonen. Cafeteria so hoch besteuern, dass es sich nicht mehr lohnt. Internetsteuer einführen, oder besser doch nicht, weil die Leute mal wieder alles falsch verstanden haben. Den Grünen Punkt neu erfinden, auditierte Versorgungsunternehmen von einem Monopol nochmals auditieren lassen, immer mehr Kassen online anbinden. Die Spediteure zur elektronischen Erfassung sämtlicher Frachtdaten (EKAER) nötigen. Dem Handel eine gewaltige Gebührenerhöhung aufdrücken, die vermeintlich einer höheren Nahrungsmittelsicherheit dient… Orbán ist Jurist, er fühlt sich ganz in seinem Metier, wenn er Spielregeln neu schreiben darf. Damit hat er bereits meh12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 16 rere Sektoren der Volkswirtschaft der „Fremdherrschaft“ entrissen: Nach Bankensektor und Energiesektor sind Medien und Handel die aktuellen Schlachtfelder. Bei den Banken haben über Jahre angewandte Sondersteuern ihre Wirkung nicht verfehlt. Takarékbank, MKB und Budapest Bank wurden den deutschen und amerikanischen Investoren abgekauft; neben den Genossenschaftsbanken wird nun eine starke Handelsbank als Alternative zur OTP aufgebaut. Im Energie- und Versorgungssektor ziehen sich die mit der Privatisierung Mitte der 90er Jahre ins Land geströmten deutschen, französischen und italienischen Konzerne infolge absurder Gängelung durch die Regulierung zurück und überlassen das Feld der Mol-Gruppe und der staatlichen Energieholding MVM. Den „Extraprofiten“ der bösen Multis ist diese Regierung nun auch bei RTL, Tesco & Co. auf der Spur. Die Handelsgesellschaften haben derzeit eine ganze Reihe an Maßnahmen der hyperaktiven Regierung zu verdauen, unter denen das Sonntags-Verkaufsverbot – so es denn wettbewerbsneutral umgesetzt wird – noch die kleinste Delle verursachen dürfte. Neben der bereits erwähnten Gebühr für bessere Lebensmittelsicherheit, die mal wieder nur die „Extraprofite“ der großen Ketten abschöpft, attackiert das Volkswirtschaftsministerium von Mihály Varga Grundfesten der marktwirtschaftlichen Ordnung, wenn Handelsunternehmen nach zwei Jahren in den roten Zahlen die Lizenz entzogen werden soll. Wohlgemerkt nur Großunternehmen mit einem Mindestumsatz von rund 160 Millionen Euro; die großen einheimischen Handelsketten fallen deshalb nicht unter diese Regelung, weil CBA, Coop und Reál Franchise-Misch-Systeme aufweisen. Ausländische Investoren müssen verstehen, dass sie im Orbán-Ungarn bes- ser freiwillig das Feld räumen, sofern ihr Geschäfts-Know-how von Einheimischen ohne weiteres kopiert werden kann. Im verarbeitenden Gewerbe sowie in Technologiesektoren sind Investoren derweil aber nicht nur willkommen, sondern als Zugpferde vonnöten, um ungarische Klein- und mittelständische Unternehmen heranzuziehen. Denn an Stelle der heute vielleicht zweitausend exportfähigen ungarischen Firmen möchte Orbán zwölftausend solche Firmen im ungarischen Eigentum sehen, denen er die Ostmärkte öffnet und den Forint schwächt. Wenn bei den guten Multis das Licht ausgeht Die von Orbán hofierten Investoren mögen nicht bemerken, dass etwas faul ist im heutigen Ungarn. Sie sind begeistert von der liberalsten Arbeitsgesetzgebung auf dem Kontinent, denn wo sonst kann man die teuren Maschinen 168 Stunden in der Woche auslasten? Es gibt zwar in den meisten Betrieben Gewerkschaften, aber Arbeitskampf ist nicht das Ding der friedfertigen Ungarn. Infrastruktur und Logistik sind auf einem hohen Niveau angelangt, die gute Qualifizierung der weiterhin kläglich (mit 800 Euro brutto im Landesdurchschnitt) bezahlten ungarischen Arbeitskräfte ist in aller Munde. Doch haben all diese hofierten Unternehmen auch Geschäftspartner wie Banken oder Energieversorger. Vor vielleicht zwei Jahren sagte der heute das Ministerpräsidialamt leitende János Lázár, wenn die Energienetze zusammenbrechen, kommt auch das Vorzeigewerk von Mercedes-Benz in Kecskemét zum Stillstand. Das war ein Augenblick der Erleuchtung, doch in wenigen Wochen geht vielleicht tatsächlich das Licht aus. Budapester Zeitung Zumindest hat es der Gesetzgeber bis Mitte Dezember nicht vermocht, die Rahmenbedingungen für 2015 abzustecken. Ein Versorgungsunternehmen, das nicht nach den bizarren Vorgaben auditiert wird, an denen die Regierung zurzeit noch immer bastelt, darf in wenigen Monaten keine Rechnungen mehr an seine Kunden ausstellen. Ohne Abhilfe werden Hunderte Versorger im Verlauf des kommenden Jahres Pleite gehen. Natürlich wird es nicht dazu kommen und auch bei den Autobauern in Kecskemét wird nicht das Licht ausgehen. So wie bei der absurden wie wirklichkeitsfernen Idee mit dem EKAER wird es auch bei diesem Problem in letzter Minute schon wieder irgendeinen Kompromiss geben. Allein die derzeitige Verunsicherung und der Ärger der Betroffenen werden dadurch nicht ungeschehen gemacht. Auch die Kratzer auf dem Sicherheitsgefühl, als Produktionsunternehmen in Orbán-Ungarn mit einem Schutzengel ausgestattet zu sein, werden bleiben. Natürlich merken die hofierten Multis auch irgendwann, wo ihren Mitarbeitern der Schuh drückt. Ungarn hat die höchste Mehrwertsteuer (27 Prozent), doch wer gut verdient – Multis zahlen im Schnitt ein Fünftel mehr als ungarische Arbeitgeber der gleichen Branche –, kommt im Steuersystem der Orbán-Regierung besser weg, dank niedrigem Einheitssatz der Einkommensteuer von 16 Prozent und üppigen Steuervergünstigungen für Familien. Ein wichtiges Element der Vergütungspolitik stellt die Cafeteria dar, deren Leistungsumfang für viele Arbeitnehmer bis zu zwei Monatsgehälter bedeutet. Die Regierung wollte die Steuern und Abgaben auf Cafeteria-Leistungen ab 2015 aber so radikal anheben, dass es sich für die Unternehmen eher gelohnt hätte, den Mitarbeitern Bargeld zu zahlen – natürlich in der Summe weniger. Der wieder einmal ohne jegliche Konsultationen vorgebrachte Vorschlag hätte besonders bei Kleinfirmen zu erheblichen Reallohneinbußen geführt und nebenbei dem Aufschwung im Tourismus das Wasser abgegraben. Denn die im Rahmen der Cafeteria aufgelegte SZÉP-Karte für Urlaubsleistungen hatte beträchtlichen Anteil daran, dass der Inlandstourismus in diesem Jahr zweistellig zulegen konnte. Wegen der allgemeinen Entrüstung kam es bei der nachträglichen „Verfeinerung“ der Steuergesetze dazu, dass die SZÉP-Karte zum Jolly Joker gekürt wurde: Oberhalb von 200.000 Forint wird dies nämlich die einzige abrechenbare Leistung sein, die keiner Strafsteuer unterworfen wird. Konsumieren für mehr Wohlstand Wer bei diesem Hick-Hack eine klare Linie der Wirtschaftspolitik ausmachen kann, der hat vermutlich den Blick für die ganz großen Zusammenhänge bewahrt. Viktor Orbán will dieses Land zu einem Glanzpunkt Europas machen. Dafür braucht er neben stabilen Staatsfinanzen ein solides Wachstum, denn die ehrgeizigen Pläne wollen finanziert sein. In diesem Jahr gehört Ungarn mit über drei Prozent BIP-Zuwachs zum Spitzenfeld, doch die Investitionen flauen bereits ab, weil keine weiteren Automobilwerke mehr gebaut werden und 2014 Rekordtransfers an EU-Geldern brachte, die sich unmöglich wiederholen lassen. Die Industrie hängt unverändert von der deutschen Konjunktur ab, die doch sehr verhalten wirkt, die Landwirtschaft hat zwei tolle Jahre hingelegt. Der noch von György Matolcsy niedergelegte Generalplan baut tatsächlich auf den Privatkonsum als Wachstumsmotor. Wirtschaft Dabei sind die Visionen des zum Notenbankpräsidenten gewandelten früheren Wirtschaftsministers von 5-7 Prozent Wachstum nie auch nur annähernd umgesetzt worden, während seine ungezählten Sparpakete die zu Konsum aufgerufene Bevölkerung bluten ließen. Die Zinsen schickte er in der Tat in den Keller, so dass ein Leben auf Pump wieder funktionieren würde – nur haben sich die Magyaren für ein, zwei Generationen mehr als nur die Finger an Krediten verbrannt. Die Reallöhne legen auf Volkswirtschaftsebene nicht wirklich zu, wenn die Arbeitslosenstatistik überwiegend durch unterbezahlte Jobs verschönert wird. Dennoch hat die Regierung nicht wenige Maßnahmen mit dem ausdrücklichen Ziel verwirklicht, den Konsum anzukurbeln. Der Einzelhandel wird nach den vorliegenden Statistiken im laufenden Jahr um rund 5 Prozent wachsen, die Menschen lassen schätzungsweise 400 Milliarden Forint mehr in den Geschäften. Um bei einem Bruttoinlandsprodukt von 30.000 Milliarden Forint die Rolle als Wachstumslokomotive zu übernehmen, müsste der Privatverbrauch weiter dynamisiert werden. Der einkaufsfreie Sonntag – auch wieder so eine „spontane Idee“ – wirkt da ganz sicher kontraproduktiv. ▶▶ Rainer Ackermann 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 17 Wirtschaft Budapester Zeitung ELMŰ-ÉMÁSZ: Mit Energieverbraucherpreis 2014 ausgezeichnet „Mit ganzer Seele für den Kunden“ Dass sich guter Kundenservice auszahlt, bestätigte sich vergangene Woche Mittwoch: der ungarische Energieversorger ELMŰ und der zur selben Firmengruppe gehörende Netzbetreiber ÉMÁSZ wurden mit je einem Energieverbraucherpreis ausgezeichnet. Z um 19. Mal wurden die Auszeichnungen an die kundenfreundlichsten Energieversorger verliehen, für die ELMŰ-ÉMÁSZ waren es die ersten der Firmengeschichte. Entsprechend stolz zeigte sich Vorstandsvorsitzende Marie-Theres Thiell, die laut eigener Aussage die Entwicklung des Kundenservices seit 2006 verfolgt: „700 Mitarbeiter, also etwa ein Viertel unserer Gesamtbelegschaft hat dort einen harten Job. Der Kundenservice hat sich prächtig entwickelt und befindet sich mittlerweile auf internationalem Niveau.“ Die Abteilung müsse qualitativ und gleichzeitig kosteneffizient arbeiten, das Fundament hierfür und für die Arbeit der Abteilung sei das von T-Systems betriebene IT-System, in das man viel investiert habe (die BZ berichtete). Dank diesem gebe es etwa immer weniger Beschwerden über fehlerhafte Abrechnungen. „Gratulation auch an den Gesetzgeber, der festgelegt hat, dass Kundenanfragen schnell beantwortet werden müssen“, so Thiell. Sie selbst lege daneben Wert auf die Erneuerung der Kundencenter, denn diese bilden „unser Gesicht für den Kunden“ und müssen auch dementsprechend aussehen sowie funktionieren. Im ELMŰ-Callcenter gab es ebenfalls Verbesserungen, berichtete sie, dank denen etwa beim Kundenanruf sofort dessen Angaben auf dem Monitor des Mitarbeiters erscheinen. „Die Kunden haben zudem immer mehr Möglichkeiten, ihre Verbrauchskontrolle und auch die Zahlung elektronisch zu erledigen, was vieles vereinfacht.“ Zum Schluss erwähnte die Top-Managerin, dass die Unternehmenswebseite als kundenfreundlichste beim 14. eFestival-Wettbewerb 2014 Anfang November in Balatonfüred ausgezeichnet worden sei – was durchaus in Verbindung zur aktuellen Ehrung stehe. 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 18 Ausgezeichneter Kundenservice: ELMŰ-ÉMÁSZ-Vorsitzende Marie-Theres Thiell und ELMŰ-ÉMÁSZ Ügyfélszolgálati Kft.-Geschäftsführer Péter Mészáros nahmen den Preis aus den Händen von Dezső Porpárczy vom Energie-Verbraucherverband entgegen. „Preis hält Versorgern den Spiegel vor“ Dezső Porpárczy, Vizepräsident des Verbandes der ungarischen Energieverbraucher erinnerte daran, dass die Ungarische Energiebehörde 1995 die Erlaubnis zur Privatisierung des Sektors unter der Prämisse erteilt habe, dass die Unternehmen jährlich an einer Erhebung bezüglich ihres Kundenservices teilnehmen müssen. „Die Erhebungen sind somit immer auch ein Zeichen der Kundenzufriedenheit, weshalb auch unser Preis etabliert wurde. Seit 1995 hat sich der Energiesektor enorm verändert, es blieben aber die Vergleiche mit der Vorjahresleistung der Unternehmen“, erklärte er. „Unser Preis hält den Versorgern jedes Jahr einen Spiegel in Sachen Kundenservice vor.“ Anschließend zeichnete er bei den Energieversorgern ELMŰ und FŐGÁZ sowie bei den Netzbetreibern ÉMÁSZ und die FŐGÁZ Földgázelosztási Kft. aus. Auf Nachfrage der Budapester Zeitung erklärte die ELMŰ-Vorsitzende, dass sie höchstens noch Verbesserungspotenzial bei der Nutzung der Unternehmens-App sehe, über die ebenfalls alle Kundenbelange erledigt werden können, aber dies hänge natürlich auch von den Kunden selbst ab. Aktuell werde der bis Ende Januar erfolgende Umstieg auf elektronische Abrechnung mit der Gewinnchance auf ein iPhone belohnt. ▶▶ Daniel Hirsch Mehr Informationen zum Gewinnspiel unter elmu.hu Wirtschaft Budapester Zeitung + + + + + + + + + + + + + + KOMPAKT + + + + + + + + + + + + + + Széchenyi-Bank: Das Töröcskei-Imperium zerbirst Nachdem die Széchenyi-Bank und die Széchenyi-Kreditgenossenschaft von der als Finanzaufsicht vorgehenden Notenbank geschlossen werden mussten, hat der Präsident der Zentrale zur Verwaltung der Auslandsschulden (ÁKK), István Töröcskei, dem Volkswirtschaftsministerium seinen Rücktritt angeboten. Töröcskei hat mit seinen Bankgeschäften Milliarden an Staatsgeldern in den Sand gesetzt; die Inhaber von Einlagen bei der Széchenyi-Bank werden jetzt aus jenem Landesfonds für Einlagensicherheit (OBA) entschädigt, dessen Vermögen ausgerechnet von der ÁKK verwaltet wird. Das Finanzportal portfolio.hu schrieb, die Széchenyi-Bank habe ihre Bilanzsumme durch Kreditvergaben im Rahmen des Wachstumskreditprogramms (NHP) der Ungarischen Nationalbank künstlich auf 50 Mrd. Forint aufgeblasen. Zu Jahresbeginn wollte die Töröcskei-Bank noch allen Ernstes das Ungarngeschäft der Raiffeisen Bank verschleuderte, wollte sie die Österreicher mit einem einzigen Euro abspeisen. Siemens: Partner in der dualen Hochschulausbildung TVK: Rohstoffe für die Reifenproduktion Foto: BGF.hu DM: Outlet-Geschäft eröffnet übernehmen. Doch während die Széchenyi-Bank Milliarden an Postkastenfirmen Im Premier Outlet-Center Biatorbágy hat dm ein neues, eigenständiges Geschäft eröffnet. Auf knapp 300 qm Verkaufsfläche werden angepasst an den Outlet-Charakter neben der gewohnten Angebotspalette von knapp 11.000 Artikeln besonders viele Auslaufprodukte feilgeboten. Im Übrigen steht das Sortiment wie in allen 258 Ungarn-Geschäften der deutsch-österreichischen Drogeriekette ganz im Zeichen von Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Naturprodukten. Zumindest bis März 2015 wird das dm-Geschäft im Outlet-Center täglich, also auch sonntags, von 10 bis 20 Uhr geöffnet sein. Die Siemens Zrt. hat mit der Budapester Wirtschaftshochschule (BGF) eine Kooperationsvereinbarung hinsichtlich der dualen Ausbildung unterzeichnet. Studenten der Hochschule werden im Rahmen der neuartigen Ausbildungsform mehr als anderthalb Jahre mit Fachpraktika bei Unternehmen des deutschen Großkonzerns zubringen. Siemens bietet ab dem Studienjahr 2015/16 zunächst fünf Studenten entsprechende Verträge an. Die BGF plant ab dem kommenden Herbst gleich an fünf Fakultäten in Zusammenarbeit mit 25-30 Unternehmen den Start der dualen Ausbildung. Die MOL-Gruppe plant bei ihrem Chemieunternehmen TVK in Tiszaújváros den Bau einer Fabrik für Synthesekautschuk. Nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Reuters soll der ungarische Mineralölkonzern für das Projekt 100 Mio. Dollar bereitstellen. Erst vor einem Jahr hatte MOL die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens mit der japanischen Firma JSR bekanntgegeben, das ab 2017 Kapazitäten von 60.000 Tonnen Synthesekautschuk im Jahr in Betrieb nehmen soll. Der im Fachjargon mit S-SBR abgekürzte Kautschuk kommt in der Produktion kraftstoffeffizienter Reifen zum Einsatz. Außerdem steht bei TVK an der Theiß ein Butadien-Betrieb mit einer Jahreskapazität von 130.000 Tonnen vor der Übergabe. Controlling IT-Unterstützung Steuerberatung Buchführung Firmengründung in Ungarn ig prach Zweis zise Prä ! ässig Zuverl Journal Finanzdienstleistungen GmbH E-Mail: [email protected] Tel: (36-1) 391-8080 Fax: (36-1) 275-8424 Fordern Sie ein Probeexemplar unseres kostenlosen Mandantenbriefes an! www.journal.hu 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 19 Wirtschaft Budapester Zeitung Gespräch mit Gerhard Hahn, geschäftsführender Gesellschafter der Knüppel Verpackung GmbH & Co. KG „Ungarn ist für uns ein wichtiger Standort“ Foto: BZT / Nóra Halász Weihnachtszeit ist auch Verpackungszeit. Für Firmen wie die Knüppel Verpackung GmbH & Co. KG ist das ganze Jahr über, wenn auch nicht Weihnachts-, so doch Verpackungszeit. Im Rahmen seines jüngsten Besuchs bei der 2004 gegründeten ungarischen Tochterfirma Knüppel Csomagolástechnika Kft. unterhielten wir uns mit dem geschäftsführenden Gesellschafter Gerhard Hahn über seine Firma sowie Trends auf dem Verpackungsmarkt. Frank Adenauer, Geschäftsführer der Knüppel Csomagolástechnikai Kft. (M.), und Knüppel-Inhaber Gerhard Hahn (r.) im Gespräch auf der Automotive Hungary 2014. I nnerhalb der Knüppel-Gruppe sorgen inzwischen 350 Mitarbeiter für einen Jahresumsatz von etwa 95 Millionen Euro. Eine der Stärken der 1919 ursprünglich als Papiergroßhandel gegründeten Firma sind nach Aussage von Hahn speziell nach Kundenwünschen maßgeschneiderte Lösungen der eigenen Entwicklungsabteilung. Dabei würde eine Vielzahl an Parametern rund um die einzupackenden Waren eine Rolle spielen. So etwa die Versandart, die Zahl der auf einmal versandten Güter, natürlich deren Beschaffenheit, aber auch Dinge wie die Temperatur und andere Umwelteinflüsse. „Der Trend gehe in den vergangenen zehn Jahren immer mehr zu kleineren Losgrößen und zu individuelleren Kundenwünschen“, erklärt Hahn. Ein weiterer Trend beste12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 20 he in der Auffächerung der Produkte in immer mehr individuelle Produktvarianten, die teils nach unterschiedlichen Verpackungen verlangen. Von daher gewinne auch das Thema Entwicklung immer mehr an Bedeutung. „Viele Waren sind heute überverpackt“ Obwohl natürlich der Schutz der transportierten Waren ganz oben stehe, würden bei der Entwicklung aber auch Wirtschaftlichkeitsaspekte eine Rolle spielen. So sei es beispielsweise rausgeworfenes Geld, mehr in die Verpackung zu investieren als unbedingt nötig. Diese Bemerkung kommt nicht von ungefähr: „Viele Waren sind heute überverpackt“, so Hahn. Durch eine zu geringe Beach- tung des Themas Verpackung würden Firmen hier Mehrkosten von bis zu 20 Prozent entstehen, durch größere Volumina, ein höheres Gewicht und den Einsatz von zu viel Verpackungsmaterial. „Wegen dieses verbreiteten Phänomens haben wir bei uns eine Abteilung geschaffen, die speziell auf das Abspecken von Verpackungen spezialisiert ist.“ Interessanterweise gehe es dabei nicht nur um das Vermeiden von unnötigen Kosten, sondern auch um die Erhöhung der Sicherheit. Schließlich gehe ein Mehr an Verpackung nicht automatisch mit einem Mehr an Sicherheit einher. „Manchmal kann sogar das Gegenteil der Fall sein“, warnt Hahn. Teilweise könne ein größerer Einsatz von Verpackungsmaterialen etwa auf Kosten ihrer Bremswirkung oder anderer physikalischer Eigenschaften gehen. Danach gefragt, wie hoch die Bereitschaft der Kunden sei, sich ernsthafter mit dem Thema Verpackung auseinanderzusetzen, antwortet Hahn, dass diese durchaus vorhanden sei und mit wirtschaftlichem Druck, aber auch der Anzahl an Schadensfällen steige. „Wenn ein Kunde vertraglich nicht an einen anderen Anbieter gebunden ist, ist er in der Regel für unsere Angebote offen.“ Bei der Kundenstruktur sei man recht breit aufgestellt. „Wir haben Kunden aus fast allen Branchen“, so Hahn. Immer mehr würde seine Firma beim Transport zwischen einzelnen Industriefirmen zum Zuge kommen. Dieser Bereich sei aufgrund der immer stärkeren Arbeitsteilung und dem Outsourcen von Teilprozessen nach wie vor im Wachsen begriffen. Automotive mache bei Knüppel inzwischen knapp 40 Prozent des Foto: BZT / Nóra Halász Knüppel-Inhaber Gerhard Hahn: „Bei uns gibt es eine Abteilung, die speziell auf das Abspecken von Verpackungen spezialisiert ist.“ Umsatzes aus. Dabei gehe es um den Transport von einzelnen Komponenten bis hin zu komplett zerlegten Autos, die dann an ihrem Bestimmungsort nur noch montiert werden müssen. Das Thema Kosten erstrecke sich wiederum von den Kosten für die Verpackung bis hin zur notwendigen Arbeitszeit für das Ein- und Auspacken. „Es muss eine möglichst einfache Handhabung für die Verpackung der Komponenten am Produktionsort und beim Entpacken am Montageband gewährleistet sein.“ Abgesehen von den Eigenmaßen des zu verpackenden Produktes müssten bei der Konzipierung der richtigen Verpackung auch Dinge wie die Stellfläche im Container und Ähnliches berücksichtigt werden. Auch mache der Fortschritt natürlich nicht halt. Über die Verpackungsmaterialklassiker Pappe und Holz hinaus gebe es ständig neue Materialien oder zumindest neue Lösungen mit den bisherigen Materialien. Knüppel konzentriert sich vor allem auf die Entwicklung bis hin zur Herstellung eines Prototyps. Erteilt der Kunde nach der Präsentation dann einen Auftrag, würden die größeren Mengen in anderen Betrieben produziert. Wachstumsmarkt Ungarn „Ungarn ist für uns ein wichtiger Standort, da wir hier das größte und schnellste Wachstumspotenzial sehen“, so der Geschäftsführer. Einer der hiesigen Großkunden ist Audi, für den man etwa in der Ukraine Autohüllen produziere, die dann die frisch gefertigten PKW schützen. Weitere bedeutende Auftraggeber seien Mercedes, Knorr-Bremse, Bosch und Siemens. „Bei den Konzernen wird fast alles über den Zentraleinkauf in Deutschland abgewickelt, aber kleinere zusätzliche Bestellungen werden auch von den hiesigen Werken getätigt.“ Hahn vermutet, dass dies vom jeweiligen Transportweg und den damit verbundenen Kosten abhängt. Den Einstieg zur Neukundenakquise bilde oft ein Verbesserungsvorschlag eines Knüppel-Außendienstmitarbeiters vor Ort beim Kunden. Dabei ist es unabdingbar, dass sich diese möglichst gut in die Situation des Kunden und dessen exakte Bedürfnisse hineindenken. Berücksichtigt werden müsse in Ungarn, dass hier wegen den im Vergleich zu Deutschland niedrigeren Löhnen einzelne Parameter wie etwa die Ein- und Auspackzeit anders ins Gewicht fallen. Bezüglich der Auftragslage sei man zuversichtlich. Nach einem nicht so leichten Start in Ungarn werde man dieses Jahr mit einem Umsatzwachstum von beachtlichen 30 Prozent beenden. Für das kommende Jahr rechne man ebenfalls mit einem sehr dynamischen Wachstum. Etwas Sorgen bereite derzeit lediglich das ukrainische Werk in Ushgorod, da einige ungarischstämmige Mitarbeiter beziehungsweise deren Angehörige wegen des dortigen Bürgerkriegs, um dem Militärdienst zu entgehen, nach Ungarn übersiedeln. Man habe zuvor Aufträge von Polen dorthin verlegt, da die Zusammenarbeit mit den ungarischstämmigen Ukrainern viel besser und angenehmer funktioniere. Auch in Ungarn sei man in puncto Mitarbeiter zufrieden. Zwar gäbe es hier keine Verpackungstechnikerausbildung, allerdings könne dieses Manko durch eine intensive eigene Ausbildung, zum Teil auch in Deutschland, ohne weiteres kompensiert werden. ▶▶ Jan Mainka 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 21 Wirtschaft Budapester Zeitung Interview mit Mihály Jankovich, Director Corporate Business bei der UNIQA Biztosító Zrt. „Der Aufwand hat sich gelohnt!“ Seit drei Jahren gibt es bei der ungarischen Tochterfirma der österreichischen UNIQA Versicherung den Geschäftsbereich Corporate Business, der sich mit Großfirmen (mindestens 300 Mitarbeiter und Versicherungswert ab einer Milliarde Forint) beschäftigt. Von Anfang an wird der Bereich von dem ungarischstämmigen Österreicher Mihály Jankovich geleitet. Wir unterhielten uns mit ihm unter anderem über die Haftpflichtversicherung für Manager, die Lage seines Geschäftsbereichs und allgemeine Trends auf dem Markt. Wir sind pünktlich mit unserem D&O Produkt (Manager-Haftpflichtversicherung) am 15. März fertiggeworden. Anfänglich sind wir buchstäblich von den vielen Anfragen überflutet worden. Doch nach Abklingen der ersten Aufregungen am Markt haben sich die Anfragen deutlich reduziert. Wir können aber sagen, dass wir weit über unsern geplanten Erwartungen viele neue Verträge abgeschlossen haben. Der Aufwand hat sich gelohnt! Gegen welche Risiken können sich Geschäftsführer mittels einer solchen Versicherung überhaupt absichern? Unterläuft einem Geschäftsführer oder Vorstand ein Managementfehler, haftet er unbegrenzt für einen entstandenen Vermögensschaden - und das mit seinem gesamten Privatvermögen. Eine D&O-Versicherung schützt dagegen. Sollte er von Seiten eines Geschäftspartners, staatlicherseits oder auch durch sein eigenes Unternehmen mit berechtigten Schadensersatzforderungen konfrontiert werden, übernehmen wir die Kosten bis zur Höhe der vereinbarten Versicherungssumme. Aber auch unberechtigte Schadensansprüche Dritter wehren wir bis zum vereinbarten Limit ab. Somit hat der versicherte Geschäftsführer quasi 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 22 Foto: BZT / Jan Mainka Zu Beginn dieses Jahres herrschte unter Geschäftsführern bezüglich einiger Neuerungen bei der Haftung von Geschäftsführern eine gewisse Verunsicherung. Teilweise kamen Anwälte zum Zug, die die entsprechenden Verträge überarbeiteten, teilweise aber auch Versicherer. Wie hat sich das bei Ihnen niedergeschlagen? „Mit einem Dienstwagen kann ein Geschäftsführer sein Privatvermögen nicht retten, mit einer ordentlichen D&O-Versicherung aber schon!“ auch eine Rechtsschutzversicherung mitabgedeckt. Ist es mit einer entsprechenden Versicherung alleine getan oder empfehlen Sie parallel dazu auch eine Veränderung der Verträge? Wenn wir uns schon in diesen Bereich der Berufshaftpflichtversicherung bewegen, muss hierzu ergänzt werden, dass die D&O-Versicherung nur das Fehlverhalten des Managers in seiner Eigenschaft als Manager für das Unternehmen abdeckt, nicht aber die Tätigkeit des Unternehmens selbst, etwa als Berater oder Hersteller eines Produktes. Versicherungsschutz in Bezug auf von dritter Seite gegen das Unternehmen erhobene Ansprüche wegen Pflichtverletzungen ihrer Mitarbeiter bietet eine Professional Indemnity (PI)-Deckung, bei Produkten gibt es hierfür die Produkthaftpflichtversicherung. Dies klingt allerdings für einen Laien alles etwas verwirrend, daher kann ich nur empfehlen, sich in solchen Fällen von einem professionellen Versicherungsmakler beraten zu lassen. Worauf sollten Geschäftsführer prinzipiell achten, wenn sie sich genauso sorglos um ihre Firma kümmern wollen wie vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung? Der Geschäftsführer sollte von seinem Dienstgeber fordern, dass seine Rechte und Verpflichtungen klar definiert werden. Sei es im Dienstvertrag oder aber auch im Budapester Zeitung Gesellschaftsvertrag. Des Weiteren würde ich raten - und dass nicht nur um für unser Produkt zu werben – dass der Geschäftsführer seinen Dienstgeber dazu bewegt, für ihn eine solide Manager-Haftpflichtversicherung abzuschließen, statt auf einen möglichst großen Dienstwagen zu pochen. Mit einem Dienstwagen kann ein Geschäftsführer sein Privatvermögen nicht retten, mit einer ordentlichen D&O-Versicherung aber schon! Wie hat sich Ihr Geschäftsbereich ansonsten entwickelt? Auf welchen Gebieten gab es besondere Entwicklungen? Ich kann mich wirklich nicht beklagen, auch wenn die Marktsituation nicht wirklich rosig ist, so können wir doch einen positiven Trend nach oben beobachten. Dies betrifft aber in erster Linie die Sachversicherungssparten wie Feuer, Betriebsunterbrechung und Haftpflichtversicherung. Autound in erster Linie die Flottenversicherung gestalten sich schwierig. Daher wollen wir hier auch unser Portfolio sanieren und schadensträchtige Flotten kündigen. Gab es im dritten Geschäftsjahr Ihres Bereiches etwaige Nachjustierungen? Ja, in erster Linie bei der Kfz-Haftpflicht- und der Kasko-Versicherung, die stark vom Markt getrieben sind. Hier planen wir Sanierungen vorzunehmen beziehungsweise die Prämien zu erhöhen. Wie steht Ihre Firma insgesamt geschäftlich da? Wir sind seit langem auf dem ungarischen Markt präsent, wo wir etwa 600.000 Kunden betreuen. In diesem äußerst kompetitiven Umfeld konnte die UNIQA Biztosító Zrt. 2013 eine herausragende Erhöhung der Prämieneinnahmen um 11,3 Prozent erreichen. Das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit lag stabil bei 10,1 Millionen Forint (Ergebnis vor Steuern nach IFRS). In diesem Jahr wurde die UNIQA aufgrund der hohen Qualität ihrer Dienstleistungen und ihrer innovativen Entwicklungen bereits zum achten Mal nacheinander als SuperBrand zu einer der besten Marken gewählt und zum fünften Mal als Business SuperBrand ausgezeichnet. Bei dem jedes Jahr veranstalteten Wettbewerb der Unit-linked-Fonds, der MoneyMoon-Preisverleihung, schneiden unsere Fonds stets hervorragend ab. In den letzten Monaten hat die UNIQA-Marke in vielen Tochterländern – so auch in Ungarn – eine Re-branding Kampagne erlebt. Im Mittelpunkt der Kommunikation stand unsere Mission, dass wir uns wie in einer Familie für unsere Kunden engagieren, damit sie ein Leben lang mit unserer Hilfe festen Boden unter den Füßen spüren und zuversichtlich ihr Leben gestalten können. Welche Veränderungen gab es auf dem Markt? Die Situation am ungarischen Versicherungsmarkt ist stark gekennzeichnet von den Sondersteuern, die wir als Versicherungsunternehmen seit der Finanzkrise zu entrichten haben. Wegen des starken Konkurrenzkampfes und auch wegen der Art dieser Steuer können wir die staatlichen Abgaben nur sukzessive an die Kunden weitergeben, um unseren Marktanteil nicht zu gefährden. Auf jeden Fall ist aber unsere Profit Margin stark unter Druck gekommen. Zum Glück sind unsere österreichischen Eigentümer verständnisvoll und können unsere Situation hier in Ungarn gut einschätzen. Generell sind auf dem Markt gewisse Konsolidierungstendenzen zu beobachten, es wird sicherlich zu weiteren Fusionen kommen. Wie beeinflussen die Veränderungen beim Cafeteria-System Zusatzleistungen Zur Person Mihály Jankovich (54) beschäftigt sich schon seit über zwanzig Jahren in Zentral- und Osteuropa mit der Versicherung von Firmenkunden. Von 1990 bis 1993 war er bei der Gerling Konzern Kft. Referent für internationale Kunden, danach bis 1997 Geschäftsführer beim Versicherungsbroker Risikoservice. Von 1997 bis 2006 war er Geschäftsführer der Aon Magyarország Kft. und von 2007 bis 2011 Geschäftsführer der Vienna International Underwriters GmbH. Seit Oktober 2011 leitet er bei der UNIQA Biztosító Zrt. den Großfirmenbereich. Wirtschaft an Mitarbeiter in Form von Unfall-, Kranken- und Lebensversicherungen? Welche Dinge lohnen sich noch für Arbeitgeber? Unseren Informationen nach wird die Cafeteria-Steuer nicht die Unfall-, Kranken- und Lebensversicherungen betreffen. Daher ist diese Form der Bonifikation für den Arbeitgeber weiterhin lukrativ. Neben den steuerlichen Vorteilen kann der Arbeitgeber für seine Mitarbeiter auch günstige Gruppenkonditionen erreichen und somit seine Attraktivität als guter und sozialer Arbeitgeber deutlich steigern. So kann er etwa seine Mitarbeiter bei einem unerwarteten Unfall, oder bei einer schweren Erkrankung, oder gar bei einem Todesfall finanziell absichern. Die beliebtesten Deckungsformen sind die Rehabilitationspauschalen, das Krankenhaustagegeld, Knochenbruch-Pauschalen sowie die Absicherung gegen gefährliche Krankheiten wie Krebs oder Herzinfarkt. Mit welchen Änderungen rechnen Sie im kommenden Jahr beim Gesundheitswesen? Eine wesentliche Entscheidung der Regierung ist die scharfe Trennung zwischen dem privaten und öffentlichen Gesundheitssystem. Sie will das staatliche Gesundheitswesen stärken und die medizinische Versorgung landesweit sicherstellen. Für den privaten Anbieter ergeben sich dort Chancen, wo die staatliche Fürsorge nicht die Möglichkeit hat, eine professionelle Gesundheitsversorgung anzubieten. Hier sehe ich auch unsere Chancen als Versicherer. Wir werden mit entsprechenden neuen innovativen Produkten auf den Markt kommen, um den Bedürfnissen unserer Kunden Rechnung zu zollen. Wie sehen Sie die wirtschaftliche Lage Ungarns? Ich bin von Natur aus Optimist und sehe daher gewisse positive Entwicklungen in unserem Land. Die finanzielle Stabilität des Landes ist weitgehend gesichert, die faulen Kredite wurden saniert, die Arbeitslosenzahlen gehen zurück und der Konsum nimmt in einigen Bereichen zu. Das alles sind Zeichen einer positiven Entwicklung. Ich hoffe sehr, dass externe Umstände diese Entwicklung nicht stören werden. Das ist auch mein großer Weihnachtswunsch für heuer! ▶▶ Jan Mainka 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 23 Die Automobilindustrie ist der mit Abstand größte Hoffnungsträger für Ungarns Wirtschaft. Sie generiert Wachstum, steht für ein Fünftel der Exportleistung, erwirtschaftet rund 15 Milliarden Euro und sichert bei gut 700 Firmen 115.000 Arbeitsplätze. In einer neuen BZ-Serie schauen wir ein wenig hinter die Kulissen der Fertigung in den drei großen Automobilwerken, aus denen in diesem Jahr 450.000 Autos rollen könnten, so viele wie nie zuvor in Ungarn. Nach Artikeln über die Audi Hungaria Motor Kft. und die Mercedes-Benz Manufacturing Hungary Kft. befassen wir uns im 3. Teil mit der Magyar Suzuki Zrt. in Esztergom, dem ersten vollwertigen Automobilwerk, das nach der Wende hierzulande entstand. Kai-zen in Esztergom Made in Hungary – Die Magyar Suzuki Zrt. und ihr SX4 S-Cross D ass es 1989/90 zur Systemwende im ehemaligen Ostblock kam, daran hatte die „lustigste Baracke“, wie Ungarn gerne genannt wurde, großen Anteil. Kaum ein anderes Land im sozialistischen Lager orientierte sich so stark am Westen. Doch nicht von dort sollte die Wiederbelebung des komplexen Automobilbaus kommen, dazu bedurfte es eines Investors aus dem Fernen Osten. Die japanische Suzuki Corp. setzte 1993 das erste Bein auf den europäischen Kontinent – die Standortwahl für das Fertigungswerk fiel auf das kleine Städtchen Esztergom im Donauknie, nordwestlich der ungarischen Hauptstadt. Japanische Werke gab es im Ostteil des alten Kontinents zu jener Zeit noch überhaupt keine, doch was sich Bei Suzuki wird mit der in Japan verbreiteten Kaizen-Methode für Ungarn als gearbeitet. „Kai“ steht für Veränderung, „zen“ für die gute Richtung. weitaus wich12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 24 tiger erweisen sollte: Dank Suzuki entwickelte sich das Industriehinterland für die komplexen Prozesse im Fahrzeugbau. Darauf konnten schließlich die deutschen Automobilkonzerne bauen, zuerst Mercedes mit einer Investition auf der grünen Wiese in Kecskemét, dann Audi mit der Standorterweiterung in Győr. Die größten Kapazitäten in der Automobilproduktion hält jedoch bis heute die Magyar Suzuki Zrt., die aktuell etwa 3.100 Mitarbeiter beschäftigt und indirekt über ihre mehr als 80 einheimischen Zulieferer zehnmal so vielen Menschen eine Existenz sichert. 2008 nahe an der Kapazitätsgrenze Dabei ist das Werk wegen Umstellungen in der Modellpalette momentan nur in einer Schicht ausgelastet. Die Weltwirtschaftskrise hat die Absatzpläne der Japaner nämlich gehörig durcheinandergewirbelt. Wurde in den 90er Jahren der Suzuki Swift der ersten Generation noch Budapester Zeitung Wirtschaft wagen erzielt werden sollte. Die Kapazitäten hatten die japanischen Investoren zwischenzeitlich im Rahmen ihres „europäischen Renaissance-Programms“ auf 300.000 Einheiten aufgestockt, die seit 1991 über 1,5 Mrd. Euro in Ungarn investierten. Allein vom neu lancierten Minifahrzeug Splash wurden im letzten „Friedensjahr“ mehr als 120.000 Stück verkauft – das war der stärkste Serienanlauf aller Zeiten in einem ungarischen Automobilwerk. Für den Swift und den SX4 war der Aufwärtstrend jedoch zu Ende, die Krise warf ihre Schatten voraus. Innerhalb eines Jahres gingen 2009 einhunderttausend Verkaufseinheiten verloren, das Produktionsniveau sackte auf den Stand des Jahres 2006 ab. Der Generaldirektor der Magyar Suzuki Zrt., Ryoichi Oura, und sein Stellvertreter Dr. László Urbán nehmen den Großen Produktpreis Ungarns entgegen. mit gemäßigtem Erfolg verkauft, sollte sich die zweite Generation des Kleinwagens als Volltreffer erweisen. Bereits im ersten vollständigen Verkaufsjahr 2005 lieferten die Esztergomer rund 85.000 Swift-Modelle aus, praktisch doppelt so viel, wie vom Vorgänger im Durchschnitt eines Jahrzehnts verkauft werden konnte. Im Rekordjahr 2007 wurden sogar nahezu 110.000 Suzuki Swift in Ungarn gebaut. Ähnlich verhielt es sich mit der zweiten Modellreihe, die zur Jahrtausendwende aufgelegt wurde. Mit Wagon R+ bzw. Ignis ließen sich im Schnitt jährlich etwa 40.000 Einheiten auf den Montagelinien binden, der 2005 präsentierte SX4 verkaufte sich aber doppelt so gut. Hatte das ungarische Suzuki-Werk im Jahre 2004 erstmals an der Messlatte von 100.000 Kleinwagen im Jahr gerüttelt, wurde diese ein Jahr später mit Leichtigkeit übersprungen; 2006 hatte sich die Produktionszahl des Jahres 2000 verdoppelt, ein Jahr darauf sogar verdreifacht, bevor 2008 ein absoluter Auslieferungsrekord mit rund 280.000 KleinWie ernst man bei „Unser Auto“ ist kein Billigauto Der Suzuki Swift war im Zuge von zwei Jahrzehnten dank eines cleveren Marketings, gepaart mit einem flächendeckenden Händlernetz, Niedrigpreispolitik und fantastischen Finanzierungsofferten im wahrsten Sinne des Wortes zu „unserem Auto“ avanciert. In den besten Jahren erhielten 40.000 der in Esztergom gebauten Suzukis ein ungarisches Kennzeichen. Doch die Krise traf genau die Käuferschicht von Kleinwagen am härtesten, aus dem Wunder der Fremdwährungskredite wurde ein Alptraum. Suzuki die Qualitätsanforderungen nimmt, zeigt die Fertigungstiefe des Automobilwerks: In Esztergom wurde abgesehen von Presswerk, Karosseriebau, Lackiererei und Montage eine eigene Stoßfänger-Fertigung aufgebaut, weil sich kein Zulieferer fand, der den geforderten Standards gerecht geworden wäre! Wirtschaft Budapester Zeitung SX4 S-Cross – der N ach dem Splash und dem Suzuki der dritten Generation wurde nunmehr auch der SX4 S-Cross mit dem Großen Produktpreis Ungarns ausgezeichnet. Damit erkannte die Fachjury Know-how, Innovation und Qualität an, wie sie durch dieses SUV-Modell in ausgezeichneter Weise verkörpert werden. Im September 2013 war die Serienfertigung des neuesten Modells aus Esztergom aufgenommen worden. Bereits in die Entwicklung des Prototyps und die Vorserie flossen zahlreiche hierzulande gefertigte Bauteile und Komponenten sowie selbstverständlich der Sachverstand der qualifizierten ungarischen Arbeitskräfte mit ein. Das ungarische Alleinstellungsmerkmal wird noch dadurch vertieft, dass der Automarkt Europas exklusiv aus dem ungarischen Werk bedient wird. Exportmärkte sind darüber hinaus der Nahe Osten, Südafrika, Australien, Neuseeland und Mexiko. Als besonders innovativ ist beim SX4 S-Cross die weiterentwickelte Allgrip-Allradtechnologie anzusehen, die wir in vier verschiedenen Modi hätten ausprobieren können, jeweils angepasst an die Straßenverhältnisse bzw. unsere Entscheidung, ob wir In Ungarn galt die Marke mit dem Werbeslogan „a mi autónk“ (Unser Auto) für den Swift sehr lange als Billigangebot für einen Einstiegswagen. Diese Zeiten sind endgültig vorbei. 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 26 die Betonung auf Fahrdynamik oder Sicherheit legen wollten. Im Auto-Modus schaltet das intelligente System automatisch und stufenlos die Hinterachse zu, sobald die Vorderräder durchzudrehen drohen. Im Sport-Modus sorgen aktive Eingriffe des Systems in die Drehmomentverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse für eine verbesserte Kurvenstabilität. Der Begriff „Snow“-Modus führt ein wenig in die Irre, denn schon auf rutschigen Straßen können damit bei optimierter Kraftverteilung Traktion und Stabilität verbessert werden – diesen Test versäumten wir, erfolgreich in die Irre geführt. Mittels Lock-Modus ließe sich dieses Auto zur Not aus tiefen Schlammschichten befreien, doch fuhren wir es besser erst gar nicht zu weit abseits von festen Pisten, denn Schmutzspritzer schmälern das Lifestyle-Gefühl in diesem schmuck anzusehenden Auto. Ganz zu schweigen vom schnell „aufgerauhten“ Unterboden in unwegsamem Gelände, denn Bodenfreiheit hat der S-Cross nicht eben viel. Ganz ehrlich, dieses Auto kommt bullig und robust daher, doch ist der Offroad-Charakter nur aufgetragen; in Wirklichkeit handelt es sich um ein familien- freundliches Fahrzeug ohne Drang nach Abenteuern. Das gilt dermaßen, dass man uns bei Suzuki zur Einweisung mit einem „csüccs!“ auf den Fahrersitz befahl, im üblichen Tonfall einer jungen Mutter gegenüber ihrem Kleinkind. Beschwichtigend fügte die Marketingdame hinzu, dies sei ein Frauenauto. Nach deren Logik gibt es keinen im Schloss zu drehenden Zündschlüssel, sondern eine KeyLess-Technologie, deren zentrales Stück bitte schön in der Hosentasche schlummern soll, und einen Startknopf, um den Motor anspringen zu lassen. Dieser 1.6 GL-Dieselmotor sollte uns nach Herstellerangaben selbst mit Allradantrieb einen beeindruckenden Spritverbrauch von weniger als 4,5 Litern auf 100 Kilometern bescheren (beim Frontantrieb sind es gar nur 4,2 Liter), am Ende unserer Ostungarntour waren wir mit etwas mehr als fünf Litern durchaus zufrieden. Viel mehr gibt es zu diesem Motor nicht an Worten zu verlieren, der zuverlässig das Programm absolvierte, ohne Bäume auszureißen. Ein typisches Auto, um im Strom mitzufahren. Doch viel wichtiger für Kunden, die vorwiegend funktionelle Ansprüche an den Autokauf stellen, sind Budapester Zeitung Wirtschaft Test . r z e h n , e - 5 r m g - d d Im Juli wurde in Esztergom die Fertigung des 2,5-millionsten Suzuki Swift gefeiert. Der erste Preis für den S-Cross. ein schlichtes Interieur ohne Schnörkel, dafür mit vielen praktischen Ideen (so kann jeder Insasse eine große Wasserflasche in seiner Türtasche unterbringen) und Raum. Der S-Cross ist tatsächlich sehr geräumig (sein Radstand beträgt 2,60 m), mit erstaunlich viel Beinfreiheit für vier Erwachsene vorne wie hinten. Der Kofferraum fasst durchschnittliche 430 Liter Gepäck, doch auch dort wurden raffinierte Lösungen gefunden, wie ein eingebauter Unterboden. Die neue Preispolitik ist für den ungarischen Autokäufer, der das erste Swift-Modell noch als PR-Geschenk des MediaMarkts neben dem High-Tech-TVGerät im Hinterkopf hat, nicht so leicht verdaulich. Heute fängt der simpelste Swift bei drei Millionen Forint an, der SX-4 S-Cross kostet als Diesel gleich sechs Millionen! Beim identisch ausgestatteten Modell mit Benzinmotor kann der Kunde nahezu eine Million sparen, weshalb der im Übrigen überzeugende Diesel-Suzuki wirklich nur für Langstreckenfahrer in Frage kommen kann. Immerhin sind Dinge wie Multifunktionsdisplay, Klimaanlage, Tempomat, Sitzheizung und rundum getönte Scheiben in dem etwas üppig angesetzten Grundpreis enthalten. RA Das Einstiegsmodell des SX4 S-Cross (mit Benzinmotor) gibt es aktuell für 4 Mio. Forint, bei einer Finanzierung der OTP-Merkantilbank ab 7%. www.suzuki.hu Inmitten dieses unwirtlichen Krisenumfeldes versuchten sich die Japaner mit einer Neuprofilierung: Mit dem Suzuki der dritten Generation wurde die weit verbreitete Auffassung über Bord gekippt, was in Ungarn gebaut wird, müsse gesetzmäßig billig sein. Daneben schärfte das Unternehmen mit dem SX4 sein Profil als Hersteller geländegängiger Fahrzeuge. Genau das – nämlich Kleinwagen und geländegängige Fahrzeuge (SUV-Modelle) – machen ja die weltweit anerkannte Stärke der Japaner aus. Im vorigen Jahr wurden in diesem Sinne einige Weichen gestellt, die dem Standort Esztergom eine bessere Zukunft versprechen. So wurde die Fertigung des Kleinwagens Splash ebenso eingestellt, wie die Produktions-Zusammenarbeit mit Fiat und Opel (die mit ihren Lieferaufträgen für Sedici und Agila über einen beachtlichen Zeitraum hinweg anständig zur Auslastung des ungarischen Suzuki-Werks beigetragen hatten). Die Magyar Suzuki Zrt. brach mit dem SX4 S-Cross unterdessen zu neuen Ufern auf, die das Freizeitauto in einer höheren Qualitätsklasse anstrebt. Fertigungsqualität wie in Japan Dazu ist es gut zu wissen, dass die Ungarn hinsichtlich der Fertigungsqualität den gleichen Standard wie in Japan erreichen. Esztergom landet in der internationalen Rangliste sämtlicher Suzu- ki-Werke mal auf dem 2., mal auf dem 3. Platz, hat also überaus stabil einen Platz auf dem Siegerpodest gemietet. Hinzu kommt, dass die Zulieferer bereits in die Entwicklungstätigkeit einbezogen werden, was von der Entwurfsplanung angefangen eine engere Geschäftsbeziehung generiert. Ausgehend von dieser Unternehmensphilosophie erhält ein größeres Gewicht, dass mit dem SX4 S-Cross zum ersten Mal eine sogenannte Pilot-Fertigung in Ungarn verwirklicht wurde, d. h. dieses Modell wurde von Anbeginn dem Können der hiesigen Belegschaft anvertraut. Nur wenige Wochen ist es her, dass Suzuki auf dem Pariser Autosalon den neuen Vitara präsentierte – Sie haben es sicher schon erraten, auch dieser SUV wird künftig in Esztergom gebaut. Das sind tolle Nachrichten für den ungarischen Standort, der von der höheren Wertigkeit der hier in Serie gebauten Modelle nur profitieren kann. Dank einer anspruchsvolleren Modell-Mixtur stiegen die Umsatzerlöse der Magyar Suzuki Zrt. im Vorjahr gegenüber 2012 um zwölf Prozent auf knapp 1,6 Mrd. Euro, obgleich doch kaum mehr Autos von den Bändern rollten. Wenn ab 2015 SX4 S-Cross und Vitara die ungarische Angebotspalette neben dem bewährten Basismodell Swift ergänzen und die Rückkehr zum Zweischichtbetrieb unumgänglich wird, dürften Umsatz und Gewinn auch in Nordungarn endgültig wieder nach oben schnellen. ▶▶ Rainer Ackermann 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 27 Feuilleton Budapester Zeitung BZ-Serie zum 25. Jahrestag der Grenzöffnung – Teil 9: Gespräch mit dem Journalisten, Historiker und Buchautoren Andreas Oplatka „Warum haben wir alle vom bevorstehenden Untergang so wenig bemerkt?“ Zum Abschluss des Jubiläumsjahres der Grenzöffnung vor 25 Jahren lesen Sie ein Interview, das wir mit dem ehemaligen Korrespondenten der renommierten Neuen Zürcher Zeitung und heutigen Professor an der Andrássy Universität Budapest, Andreas Oplatka, führten. Oplatka gilt als profunder Kenner und eminenter Forscher der Geschehnisse von 1989/90. Im Interview mit der Budapester Zeitung geht er nicht nur auf die Umstände der Grenzöffnung ein, sondern zieht auch eine Bilanz der diesjährigen Erinnerungsfeierlichkeiten. Wie bewerten Sie das Jubiläumsjahr rückblickend? nung geklärt oder scheiden sich in einzelnen Punkten nach wie vor die Geister? Einiges scheint sich nach einem Vierteljahrhundert geklärt zu haben, manche ursprüngliche Legende ist etwas verblasst. Zugleich freilich – wohl unvermeidlich – hat das Interesse am damaligen Geschehen abgenommen, was sich 1989 ereignete, ist heute eben schon Geschichte. Bewerten will ich das Jahr nicht. Ich finde es richtig, dass man von Zeit zu Zeit Vergangenes in Erinnerung ruft, aber etwas zu oft erschöpfen sich solche Jubiläen in Feierlichkeiten. In einigen Archiven besteht für die einschlägigen Unterlagen immer noch eine Sperrfrist, so im Bundeskanzleramt in Wien oder beim Deutschen Roten Kreuz. Gesperrt sind auch große Teile der damaligen bundesdeutschen diplomatischen Korrespondenz. Ebenso haben wir in vielen Punkten keinen Einblick in die Akten des ungarischen Innenministeriums beziehungsweise des Staatssicherheitsdienstes. Unser Wissen darüber, was die ungarische Regierung bei der Vorbereitung der Grenzöffnung dem österreichischen Nachbarn mitgeteilt hat, ist vorläufig mangelhaft. Wir haben keine genaue Kenntnis, inwieweit die westdeutsche Seite über das Soproner Grenzpicknick schon im Voraus im Bild war. Unklar ist auch die Rolle des ungarischen Geheimdienstes beim gleichen Anlass, und wir wissen nicht, in welchem Maß er später, im September, bei der Sicherung der Grenzöffnung eine Rolle gespielt hat. In welchen etwas kontrovers betrachteten Fragen haben sich im Verlauf des Jubiläumsjahres neue Erkenntnisse ergeben? Wurden eventuell bisherige Erkenntnisse durch neue Informationen relativiert? Persönlich habe ich nicht den Eindruck, viel Neues erfahren zu haben. Aber zugegeben, ich habe bei weitem nicht alles mitverfolgt. Um bei Ungarn zu bleiben: Ich müsste beispielsweise unbedingt das neue Buch von Mihály Bihari lesen, wenn ich Ihre Frage gerecht beantworten wollte. Sind nach fünfundzwanzig Jahren alle Fragen in Hinblick auf die Grenzöff12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 28 Wer oder welcher Personenkreis zeichnete eigentlich für das Paneuropäische Picknick verantwortlich? Organisiert wurde das Picknick von den damals neu entstandenen Opposi- tionsparteien und namentlich von deren örtlichen Vertretern in der Stadt Sopron. Die Schirmherrschaft hatten Otto von Habsburg und Imre Pozsgay inne, sie waren aber an der Vorbereitung nicht beteiligt. Die ungarische Regierung wusste vom Vorhaben und förderte es diskret. Die Beteiligung von Geheimdiensten (des ungarischen und des westdeutschen) gehört, wie schon erwähnt, bis heute zu den nicht offengelegten Kapiteln. Wurde das Risiko des Picknicks von den Organisatoren richtig eingeschätzt? Waren die Veranstaltung und deren Ausgang entsprechend gesichert? Hätten es auch tragisch enden können? Die Organisatoren rechneten mit keiner Massenflucht. Der Grenzschutz vermutlich auch nicht, obwohl es bis heute unklar ist, was seine damaligen Befehlshaber wussten. Die Möglichkeit, dass es bei einer falschen Reaktion der kleinen, zum Schauplatz des Picknicks hinbeorderten Gruppe an Grenzschützern zu Tumulten und womöglich zu Todesopfern gekommen wäre, ist nicht auszuschließen. Wer waren eigentlich die entscheidenden Motoren und treibenden Kräfte der Grenzöffnung? Andreas Oplatka (l.) zusammen mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Miklós Neméth 2009 bei der Vorstellung seines Buches: „Der Hauptanteil an der Grenzöffnung kam Ministerpräsident Miklós Németh zu, der es allerdings nicht verstand, daraus politisches Kapital zu schlagen.“ In erster Linie natürlich die ostdeutschen fluchtwilligen Massen. Auf ungarischer Seite das Amt des Ministerpräsidenten, das Außen- und das Innenministerium, in einem etwas kleineren Ausmaß auch das Justizministerium. Wie beurteilen Sie die damalige Haltung der Sowjetunion? Nahm Mihail Gorbatschow die Grenzöffnung tatsächlich so locker hin? Es gab in Ungarn zwei Entscheidungen: Ende Februar 1989 wurde beschlossen, den Eisernen Vorhang abzubauen, und Ende August entschloss sich die Regierung dazu, auch die Bewachung der Westgrenze aufzugeben und den DDR-Bürgern die freie Ausreise zu gestatten. Direkt ins Bild gesetzt wurde Gorbatschow von Miklos Németh nur über die erste Entscheidung, die er tatsächlich sehr locker hinnahm. Vermutlich verkannte er die Bedeutung des Schritts. Auch über die zweite Maßnahme wusste Gorbatschow natürlich bestens Bescheid, er ließ sie aber zu. Vielleicht muss man anmerken, dass die Tragweite der Grenzöffnung im Spätsommer 1989 niemandem bewusst war. War die Grenzöffnung maßgeblich ein Werk von Miklós Németh? Németh selber pflegt auf diese Frage zu antworten, dass die Öffnung der Grenze eine kollektive Leistung der ganzen ungarischen Gesellschaft war. Der Ministerpräsident fällte die Entscheidung und trug die Verantwortung. Andere Regierungsmitglieder, wie zuvor erwähnt, waren beteiligt. Möglich wurde die Handlungsweise aber vor allem dank der damals schon erheblich aufgelockerten innenpolitischen Bedingungen – ein Verdienst der Opposition, der Presse und der Öffentlichkeit allgemein. Konnte Németh der Sowjetunion überhaupt richtig übermitteln, was er vorhatte? Nein, Németh war Ende August 1989 gar nicht daran interessiert, die Sowjetunion offiziell zu informieren oder gar um Erlaubnis zu bitten. Die ungarische Diplomatie ließ Moskau gegenüber einzig durchblicken, was geschehen würde, wenn sich die beiden deutschen Staaten über eine Lösung der Flüchtlingskrise nicht einigen könnten. Spielte der „sowjetischen Faktor“ in den Überlegungen der ungarischen Seite noch eine Rolle? Wenn ja, welche? Als wie bedrohlich wurde die Möglichkeit eines Putsches gegen Gorbatschow durch Hardliner angenommen? Gorbatschow hatte Anfang März in Moskau Miklós Németh zugesichert, es werde „kein neues 1956“ geben, solange er „auf diesem Stuhl“ sitze. Wie Németh zu sagen pflegt: Von Frühling bis Sommer 1989 suchte man in Budapest wiederholt zu ergründen, wie fest besagter Stuhl sei, wie fest Gorbatschow also im Sattel sitze. Mit einem Putschversuch, wie er dann im August 1991 Wirklichkeit werden sollte, rechnete wohl niemand, aber man wusste bereits im Sommer 1989, dass die innenpolitische Lage in der Sowjetunion unstabil geworden war. In der BRD wurde der Grenzöffnung anfangs mit großer Zurückhaltung begegnet. Wann ist die Stimmung bei den Entscheidungsträgern in der BRD, sprich Kohl und Genscher, umgeschlagen? In Bonn scheint man damals erst Anfang August erkannt zu haben, dass in 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 29 Feuilleton Budapester Zeitung Der Abbau des Eisernen Vorhangs wird vor allem darauf zurückgeführt, dass die Grenzanlagen heillos veraltet waren und ihre Modernisierung im hochverschuldeten Ungarn zu viel Geld verschlungen hätte. Wären die Grenzanlagen in technischer Hinsicht noch funktionstüchtig gewesen, hätte es die Grenzöffnung dann überhaupt gegeben? Gab der marode technische Zustand der Grenzanlagen wirklich den entscheidenden Anstoß zur Grenzöffnung? Was unter anderen Bedingungen geschehen wäre, wissen wir natürlich nicht. Es ist indessen richtig, dass den Anstoß zum Abbau des Eisernen Vorhangs dessen technischer Zustand und materielle Gründe gegeben haben. Bis zur Öffnung der Grenze führte aber hernach noch ein langer Weg. „Alles in allem glaube ich, dass das Buch vorerst noch so bestehen kann, wie es vor fünf Jahren herausgekommen ist.“ Ungarn ein gewaltiges deutsch-deutsches Problem heranreifte. Erst zu diesem Zeitpunkt schaltete sich die Bundesrepublik ein. Die Öffnung der Grenze am 10./11. September wurde in Westdeutschland aber dann mit Begeisterung und Dankbarkeit aufgenommen. Warum war Bonn zunächst so zurückhaltend? Wovor hatte man Angst? In den westlichen Hauptstädten befürchtete man allgemein, dass ein zu forsches Vorgehen der Polen und Ungarn die Stellung Gorbatschows untergraben könnte. Ob Bonn eine Agenda verfolgte, möchte ich bezweifeln. Man lese die Äußerungen von westdeutschen Politikern vom Sommer 1989. In allen ist davon die Rede, dass die Wiedervereinigung in weiter Ferne und nicht aktuell sei. Die Lektüre westlicher Expertenmeinungen aus den späten achtziger Jahren ist aus heutiger Sicht überaus amüsant: Kaum jemand rechnete mit einem baldigen Zusammenbruch des Sowjetimperiums. War sich die Regierung von Miklós Németh beim öffentlichkeitswirksam begonnenen Abbau der Grenzsicherungsanlagen eigentlich der Tragweite dieses Schrittes bewusst, sprich des zu erwartenden Flüchtlingsstroms gen Westen? 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 30 Dass es Zehntausende von Flüchtlingen, „Übersiedlern“, geben würde, das wusste man. Der langfristigen politischen Folgen war man sich in Budapest aber nicht bewusst, und Németh leugnet das auch keineswegs. Stimmt es, dass der Eiserne Vorhang zum Zweck eines Foto-Shootings der ungarischen und österreichischen Außenminister, Gyula Horn und Alois Mock, auf einem kurzen Abschnitt eigens wiederaufgebaut werden musste? Es gibt zwei Versionen. Nach der einen musste man einen Abschnitt von einigen hundert Metern, wo die Drähte noch intakt waren, mühsam suchen, nach der anderen die Grenzanlage sogar neu aufbauen, damit die beiden Außenminister ihr fotogenes Handwerk verrichten konnten. Tatsache ist, dass der Abbau des Eisernen Vorhangs am 2. Mai begonnen hatte. Am 27. Juni, als Alois Mock und Gyula Horn ihren Auftritt absolvierten, war vom Signalsystem nicht mehr viel übrig. Für welche der beiden Versionen haben Sie belastbare Informationen? Für keine der beiden. Beide Versionen beruhen auf einander widersprechenden Aussagen von Grenzschutz-Beamten. Welche Sorgen gab es bei den ungarischen Entscheidungsträgern mit Blick auf die DDR-Führung? Inwieweit wurden die Drohgebärden der DDR-Führung ernst genommen? Welche Trümpfe hatte Ostberlin in der Hand? Befürchtungen im ungarischen Ministerpräsidentenamt galten vor allem der Möglichkeit, dass hartgesottene „Bruderländer“ wie Rumänien, die Tschechoslowakei und die DDR versucht sein könnten, in Ungarn – womöglich auch ohne Moskauer Einverständnis – militärisch zu intervenieren. Wirtschaftsexperten auf ungarischer Seite klärten vor der Grenzöffnung ab, ob es Importwaren gebe, durch deren Sperrung die DDR Ungarn erheblichen Schaden verursachen könnte. Sie fanden keine solchen Produkte. Sie haben 2009 ein Buch mit dem Titel „Der erste Riss in der Mauer – September 1989 – Ungarn öffnet die Grenze” geschrieben. Müssten Sie für eine eventuelle zweite Auflage wesentliche Änderungen vornehmen? Wenn ja, welche? Das Buch hatte bisher nur in der ungarischen Ausgabe eine kleine zweite Auflage, die im Wesentlichen unverändert blieb. In einer möglichen zweiten deutschsprachigen Auflage würde ich heute vielleicht eher einige Einzelheiten differenzieren. Ich muss allerdings gestehen, dass ich in den letzten fünf Jahren die Forschung über das Thema Budapester Zeitung nicht so sorgfältig verfolgt habe, dass ich überall mitreden könnte. Ich denke, ich müsste in Zusammenhang mit dem Soproner Picknick auf interne Vorgänge innerhalb des Grenzschutzes, auf Formulierungen von Befehlen ausführlicher eingehen. Auch weiß ich heute, dass der ungarische Ministerpräsident Miklós Németh den österreichischen Bundeskanzler Franz Vranitzky Ende April getroffen und ihn über den beabsichtigten Abbau des Eisernen Vorhangs informiert hatte. Alles in allem glaube ich, dass das Buch vorerst noch so bestehen kann, wie es vor fünf Jahren herausgekommen ist. Doch es ist natürlich das Schicksal jeder historischen Arbeit, dass sie mit der Zeit durch neue Erkenntnisse überholt wird. Konnten Sie beim Verfassen des Buches alle wichtigen Protagonisten der damaligen Ereignisse befragen oder hätten Sie noch „Wunsch-Interviewpartner“? Gibt es noch Zeitzeugen von damals, die Sie gerne interviewen würden? Der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl weigerte sich als einziger, mit mir ein Gespräch zu führen. Haben Sie eine Erklärung für die Kooperationsunwilligkeit von Kohl? Mit welcher Begründung verschloss er sich Ihnen gegenüber? Kohl wurde von mir, später auch von hochrangigen deutschen Politikern, die zu vermitteln suchten, darum gebeten, mich zu empfangen. Er weigerte sich unter Angabe von sehr verschiedenen, nicht recht nachvollziehbaren Gründen. Nun, ich habe Vermutungen, weshalb er keine Begegnung wünschte, da es aber eben nur Vermutungen sind, möchte ich mich über das Thema nicht weiter aussprechen. Was sind für Sie die größten Rätsel in Sachen 1989? Welche Fragen konnten Sie noch nicht zweifelsfrei klären? Erschöpfende Antworten, so fürchte ich, wären abendfüllend. In Kürze also. Was ich bis heute nicht verstehe, ist die Haltung Gorbatschows. Dass er nicht die Panzer losschicken wollte, wie unter Chruschtschow und Breschnew geschehen, begreife ich. Das hätte Feuilleton die Verständigung mit den Vereinigten Staaten und damit die von Moskau dringend benötigte Atempause zunichte gemacht. Aber zwischen einer militärischen Intervention und dem „Nichts-tun“ hätte es noch etliche andere Möglichkeiten der Einflussnahme gegeben. Gorbatschow nutzte sie nicht, sondern ließ den Dingen in Polen und in Ungarn freien Lauf. Warum? Kein Zweifel, dass er gegen die Interessen seines Reichs und des Warschauer Paktes handelte, kein Zweifel, dass er dafür wenig später einen gewaltigen Preis bezahlen musste. Kamen Ihnen während des Schreibens an diesem Buch bezüglich Ihres Grenzöffnungsbuches neue Einsichten? Sind Sie auf Dinge gestoßen, die Sie auch in einer möglichen zweiten Auflage berücksichtigen würden? Welche weiteren großen Fragezeichen gibt es für Sie noch? Ist auch eine deutsche Version der Németh-Biographie geplant? Wie schon angedeutet, es bleibt die überaus selbstkritische Frage, die seit 1989 und 1991 nicht nur mich, sondern die ganze westliche „Ostexperten“-Kolonie beschäftigt: Warum haben wir alle vom bevorstehenden Untergang so wenig bemerkt? Der ungarische Verlag möchte wohl gern, dass eine deutschsprachige Ausgabe erscheint, aber das Interesse auf deutscher Seite scheint bisher gering zu sein. Wie beurteilen Sie die Rollen von Miklós Németh und Gyula Horn in Hinblick auf die Grenzöffnung? Diesbezüglich gab es ja unterschiedliche Darstellungen. Gyula Horn hatte als Außenminister an der diplomatischen Vorbereitung der Grenzöffnung seinen Anteil, aber dass er die Öffnung der Grenze beschlossen und durchgesetzt habe, ist eine Legende, die durch Horns werbewirksame Fernsehauftritte entstanden war und an der später der Vollblutpolitiker Horn eifrig mitdichtete. Im Protokoll einer Regierungssitzung ist nachzulesen, dass sich Horn noch am 17. August dagegen aussprach, die Grenze zu öffnen. Der Hauptanteil an der Grenzöffnung kam Ministerpräsident Miklós Németh zu, der es allerdings nicht verstand, daraus politisches Kapital zu schlagen. Vor kurzem ist in Ungarn eine Biographie über Miklós Németh erschienen, die Sie verfasst haben. Wie ist dieses Buch zustande gekommen? Die Initiative kam vom Verlag Libri, der 25 Jahre nach den Ereignissen eine Biografie des damaligen Regierungschefs wünschte; Németh schlug mich als Gesprächspartner und Verfasser vor. Nein. Mit Miklós Németh hatte ich ausdrücklich vereinbart, dass wir kein zweites „Grenzöffnungsbuch“ schreiben wollen, dass wir dieses Thema in unseren Gesprächen diesmal ganz aussparen und ich diese Geschichte, die ja doch wesentlich zu Némeths Biografie gehört, lediglich zusammenfasse. Was sind Ihre nächsten Projekte? Woran arbeiten Sie derzeit? Welche möglichen Buchthemen liegen Ihnen noch am Herzen? Gerade in diesen Tagen konnten wir, drei Kollegen und ich, ein Buch vorstellen, an dem wir vier Jahre lang gearbeitet haben: Ausgewählte Briefe des Grafen Stephan Széchenyi. Diese Ausgabe von Briefen des großen Reformpolitikers und Staatsmanns wurde durch die Ungarische Akademie der Wissenschaften ermöglicht und publiziert. Ich selber habe gegenwärtig (und vielleicht auch auf absehbare Zeit) kein eigenes Buchprojekt. Dagegen habe ich vor, ein 1999 erschienenes Buch des bedeutenden ungarischen Historikers Domokos Kosáry ins Deutsche zu übersetzen. Es ist ein glänzendes Werk über die Außenbeziehungen der ungarischen Regierungen in den Revolutionsjahren 1848/49 und über die damalige Stellung Ungarns in Europa allgemein. Der Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zeigt dafür Interesse. Ich selber bleibe damit bei der Merkwürdigkeit, dass ich mich als Journalist und Historiker vornehmlich mit zwei ziemlich verschiedenartigen Perioden beschäftige: mit der ersten Hälfte des 19. und der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. ▶▶ Peter Bognar / Jan Mainka 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 31 Feuilleton Budapester Zeitung + + + + + + + + + + + + + + KOMPAKT + + + + + + + + + + + + + + NGYSZ: Unvergessliche Weihnachtserlebnisse Auch dieses Jahr beschenkt der Internationale Kinderrettungsdienst (NGYSZ) Kinder aus benachteiligten Verhältnissen mit unvergesslichen Weihnachtserlebnissen: Am 19.12. sind 300 Kinder aus Budapest und dem Komitat Pest in die Kinoräume des WestEnd City Centers eingeladen, wo nach der Vorführung von Szenen aus dem Budapester Operettentheater Geschenke überreicht werden. Am 21.12. gibt es dann eine Vorführung von Tschaikowskis „Nussknacker“ im Opernhaus für 1.200 Kinder aus ganz Ungarn und den angrenzenden Ländern, wonach ebenfalls Geschenke verteilt werden. Foto: MTI Kirchengesetz: Mitspracherecht gefordert Unwetter: Zerstörte Wälder in Buda und Pilis Nach den Unwettern vergangener Woche machte Staatspräsident János Áder bei einem Besuch auf dem Kakashegy im Pilis-Gebirge darauf aufmerksam, dass die zerstörten Gebiete „nur durch Zusammenhalt und mit staatlicher Hilfe“ wieder auf Vordermann gebracht werden könnten. Ersten Schätzungen zufolge sind bis zu 50.000 Hektar staatliches Waldgebiet betroffen, darunter auch auf dem Normafa. Zukauf: CEE Equity Partners ersteht BKF Schwimmen: Hosszú mit neuen Rekorden Die Schwimmstars haben bei der Kurzbahn-WM in Doha vergangene Woche für einen „Weltrekord-Rekord“ gesorgt: 23 Bestzeiten wurden im Hamad Aquatic Centre aufgestellt - so viele wie nie zuvor bei Weltmeisterschaften im 25-m-Becken. Damit überbot die Weltelite um die ungarische Vierfach-Weltmeisterin Katinka Hosszú, die allein viermal schneller schwamm als alle vor ihr, die Ausbeute der WM 2008. In Manchester waren damals 17 Weltrekorde gefallen, als die neuen High-Tech-Anzüge die Schwimmwelt revolutionierten. Der private Vermögensfond mit Hauptsitz in Warschau erstand vergangenen Freitag die Mehrheit an der Budapester Fachhochschule für Kommunikation und Wirtschaft (BKF). Laut BKF-Mitteilung war dies die erste Investition des Fonds in eine Einrichtung der höheren Bildung in der Region. Die BKF soll durch die Transaktion sowohl im In- wie im Ausland wachsen, mehr (englischsprachige) Programme erhalten und attraktiver für ausländische Studenten werden. Aktuell hat die Privathochschule etwa 7.000 Studenten. 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 32 Primas Kardinal Péter Erdő, Vorsitzender der Ungarischen Bischofskonferenz (MKPK), hält den von Justizminister László Trocsányi gewählten Weg einer Anlehnung an deutsche Länder-Regelungen, aber unter weitgehendem Ausschluss der Kirchen aus der Diskussion zur Nivellierung des durch Straßburg beanstandeten Kirchengesetzes für inakzeptabel. Erdő warnte auf einer Pressekonferenz vergangenen Freitag die Regierung, eine völlig neue Rechtsstruktur einführen zu wollen. Er erwähnte ein Treffen der Vertreter der historischen Kirchen in Ungarn mit dem zuständigen Minister Zoltán Balog am 20.11. Dort habe man erfahren, dass die Regierung ein neues Gesetz über Religionsfreiheit und Kirchen plane, etwa 2 Monate früher hätten deren Vertreter sich „bei deutschen staatlichen Stellen“ nach dortigen Regelungen zwischen Staat und Kirchen erkundigt. Die deutschen Partner wiederum hätten - so Erdődie Ungarn darauf aufmerksam gemacht, auch Vertreter der Kirchen in den Denkprozess einzubeziehen. Erdő erinnerte, dass die Regierung die Kirchen dringend brauche und ihnen den Löwenanteil der kommunalen sozialen Einrichtungen übertragen wolle. Feuilleton Budapester Zeitung Gespräch mit der deutschen Botschafterin Lieselore Cyrus „Dialogmöglichkeiten nutzen“ Seit Anfang September wird die Deutsche Botschaft Budapest von Lieselore Cyrus geleitet. Wir unterhielten uns mit ihr über ihre ersten Eindrücke und über die deutsch-ungarischen Beziehungen. Warum ausgerechnet Ungarn? Ungarn war mein Wunschposten, denn nach vier Jahren in Äthiopien wollte ich gerne wieder zurück nach Europa. Ich war neugierig auf eine Region, die ich bis dato noch nicht kannte. Gab es davor Berührungspunkte mit Ungarn? Wie sind Ihre ersten Eindrücke? Ich bin – in jeglicher Hinsicht - sehr schnell in Ungarn angekommen. Ein Grund dafür war sicherlich, dass dieses Jahr ein Jubiläumsjahr ist und vielerlei entsprechende Aktivitäten und Besuche stattfanden. Diese Ereignisse haben mir den „Einstieg“ wesentlich erleichtert, und ich muss sagen, dass mich die Tiefe und Vielfalt der deutsch-ungarischen Beziehungen auf allen Ebenen sehr überrascht hat. Natürlich hat dies stark mit der gemeinsamen Geschichte zu tun, wobei man nicht bis zu König Stephan und seiner Frau Gisella zurückgehen muss. Es gibt andere wichtige historische Faktoren wie die jahrhundertelange Tradition der deutschen Minderheit in Ungarn, die einen tiefen Fußabdruck in der ungarischen Geschichte, Kultur und Gesellschaft hinterlassen hat. Mit der friedlichen Revolution 1989 haben unsere Beziehungen noch viel mehr an Dynamik gewonnen, eine Dynamik, die ihren Ausdruck im wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Bereich und auch in den Wissenschaftsbeziehungen findet. Das Fundament unserer Beziehungen ist sehr solide. Ich möchte gerne daran mitwirken, diese Beziehungen weiter auszubauen. Foto: BZT / Nóra Halász Nein. Während meiner Zeit im Auswärtigen Amt war ich zwei Jahre lang Sonderbeauftragte für den Stabilitätspakt Süd-Osteuropa. Dabei hatte ich zwar keine unmittelbaren Berührungspunkte zu Ungarn, aber damals kam das Land als nördlicher Anrainer der Region auf meinen Radarschirm. „Europa muss mit einer gemeinsamen Stimme sprechen.“ In Ungarn gibt es immer mehr EU-kritische Stimmen. Das vereinte Europa garantiert uns Frieden, Stabilität und soziale Gerechtigkeit. Leider wird diesem Europa in letzter Zeit zunehmend skeptisch begegnet, wie wir bei der Europawahl festgestellt haben. Viele – vor allem junge – Menschen sehen sich in ihren Erwartungen und Hoffnungen enttäuscht. Meiner Meinung nach müssen wir hier verstärkt ein Narrativ für Europa entwickeln und aufzeigen, welchen Wert die Europäische Union für uns hat. Und dies muss für die Menschen auch konkret erlebbar werden. Dieses Europa sollte von uns nicht einfach als gegeben hingenommen, sondern vielmehr als Auftrag angesehen werden. Deutschland und Ungarn haben beide in den vergangenen Jahren von der EU-Mitgliedschaft profitiert, beide sollten sich dies gleichermaßen bewusst machen und sich gemeinsam für ein starkes Europa engagieren. In Gesprächen ist es mir hingegen schon häufig aufgefallen, dass von „denen in Europa“ gesprochen wird. Aber Europa, das sind wir. Die europäischen Institutionen können schließlich nur so gut sein, wie wir es zulassen oder wie wir sie befähigen. Es besteht die Tendenz, und dies gilt für alle europäischen Mitgliedsstaaten, dass man die Erfolge gerne den nationalen Regierungen zuschreibt, für die Misserfolge jedoch Brüssel verantwortlich macht. So funktioniert Europa jedoch nicht. Nobody is perfect, auch nicht dieses Europa. Man darf sich nicht auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausruhen, sondern wir müssen die Institutionen an die neuen Gegebenheiten anpassen. Manches ist schwerfällig und manchmal wünscht man sich, dass die Toolbox, die Europa zur Verfügung steht, etwas vielseitiger, differenzierter und schneller wäre. Genau daran müssen wir arbeiten. Deutschland hat in dieser Hinsicht hohe Erwartungen an die neue Kommission. Wir müssen Europa wirtschaftlich wettbewerbsfähig halten und politisch handlungsfähiger machen. Europa muss mit einer gemeinsamen Stimme sprechen. Wie glauben Sie, sehen die Ungarn Deutschland? 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 33 Feuilleton Ich stelle bei Begegnungen mit Menschen unterschiedlicher Provenienz fest, dass nach wie vor Deutschland als wichtigster Partner Ungarns gesehen wird. Die Botschaft hat letztes Jahr eine Umfrage in Auftrag gegeben, bei der 42 Prozent der befragten Ungarn Deutschland als bedeutendsten Partner angaben. Deutsche und Ungarn hegen seit jeher eine sehr enge Freundschaft, die durch die Ereignisse von 1989 eine besondere Dimension erfahren hat. Allerdings haben deutsche Medien in den letzten Wochen kritisch über Ungarn berichtet. Hierfür gab es konkrete Anknüpfungspunkte in der ungarischen Politik, über die man in Deutschland verwundert war und daher auch Fragen gestellt hat. Die Demonstrationen der letzten Wochen haben der kritischen Berichterstattung wieder einige neue Argumente geliefert. Wie sollten beide Länder miteinander umgehen, um Frustrationen und Enttäuschungen möglichst zu vermeiden? Ich bin davon überzeugt, dass die deutsch-ungarischen Beziehungen ein unerschütterliches und solides Fundament haben, ebenso genügend Dialogmöglichkeiten, die auch entsprechend genutzt werden sollten. Während der drei Monate, die ich hier bin, gab es einen regen Besuchsaustausch und Gespräche auf verschiedensten Ebenen, auch kritische Fragen wurden nicht außen vor gelassen. Solange diese Kanäle funktionieren, muss man sich keine Sorgen machen. Was ist wichtig für die deutsch-ungarischen Beziehungen? Die gemeinsamen Erfahrungen des Jahres 1989 haben uns zu den engen Partnern gemacht, die wir heute sind. Unsere bilateralen Beziehungen ruhen auf drei Säulen: der politischen, indem wir enge Kontakte auf Bundes-, Landes- und auch auf kommunaler Ebene pflegen. Die Wirtschaft ist die zweite Säule, wo wir gemeinsam sehr viel bewegen können. Fachkräfteförderung ist eines der Topthemen. Es gibt im Rahmen der EU-Strategie 2020 ein Förderpaket zum Thema Wachstum und berufliche Entwicklung. Hier bieten sich viele Ansatzpunkte für eine Zusammenarbeit von Wirtschaft und Politik. Deutschland ist mit einem Investitionsvolumen von fast 20 Milliarden Euro 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 34 Budapester Zeitung der größte Direktinvestor in Ungarn. 11 Milliarden Euro hiervon sind reinvestierte Gewinne, dies entspricht einer höheren Reinvestitionsquote als die aller anderen ausländischen Unternehmen in Ungarn. Etwa 6 000 deutsche Unternehmen sind in Ungarn aktiv, woraus ca. 300 000 Arbeitsplätze entstanden sind. Attraktive Standortfaktoren sind hier vor allem die hoch motivierten und –qualifizierten Arbeitskräfte, die hohe Produktivität sowie die wettbewerbsfähigen Lohnkosten in Ungarn, jedoch ebenso die kulturelle Nähe zu Deutschland und die verbreitet guten Deutschkenntnisse. Deutsche Unternehmen sehen ihr Engagement hier als Langzeit-Investition, weisen jedoch auch gelegentlich darauf hin, dass die Konditionen stimmen müssten. Änderungen des rechtlich-politischen Umfelds, die manchmal quasi über Nacht erfolgen, haben in letzter Zeit etwas für Irritationen gesorgt. Ein Viertel aller ungarischen Im- und Exporte kommt aus bzw. geht nach Deutschland, so dass wir einander gleichermaßen als wichtigen Handelspartner schätzen. 2013 betrugen die Exporte 21 Milliarden Euro und die Importe 19 Milliarden Euro, mit einem Wachstum von 4,5 %. Auch aus deutscher Sicht nimmt Ungarn eine bedeutende Rolle ein und steht gemessen an Im- und Exporten an 15. Stelle, noch vor anderen Industrienationen wie Japan. Es hat sich ein enger bilateraler Dialog institutionalisiert, etwa über die Deutsch-Ungarische Industrie- und Handelskammer und Germany Trade and Invest, von dem beide Seiten profitieren. Die ungarische Regierung wird im Rahmen ihrer Wachstumsstrategie den Bereich der dualen beruflichen Bildung ausbauen und vor allem kleine und mittlere Unternehmen fördern. Hier sehe ich eine große Chance, unsere Beziehungen weiter zu vertiefen. Die deutsche Wirtschaft in Ungarn verfügt über reichlich Erfahrung und hat auch ein Interesse daran, sich mit ihren Möglichkeiten beim Ausbau der dualen Berufsausbildung und bei der Förderung von KMU einzubringen. Die dritte Säule ist der Bereich Kultur: Insgesamt besteht im Kulturbereich ein sehr enges Verhältnis zwischen Deutschland und Ungarn: Eine große Rolle spielen hier die „Mittlerorganisationen“, etwa das Goethe Institut, die politischen Stiftungen sowie viele Kulturorganisationen und Alumniclubs. Es existieren unzählige Initiativen auf lokaler Ebene und mehrere hundert Städtepartnerschaften zwischen deutschen und ungarischen Kommunen. Durch Tourismus kommen weiterhin viele Menschen aus den beiden Ländern miteinander in Kontakt. Ich würde sagen, das Besondere an den deutsch-ungarischen Beziehungen ist die große persönliche Komponente. Neben der breit angelegten institutionellen Zusammenarbeit in Politik, Wirtschaft und Kultur sind es letztlich die vielfältigen menschlichen Kontakte, die die deutsch-ungarische Freundschaft stark und belastbar machen. Eine ebenso enge Zusammenarbeit gibt es auf wissenschaftlichem Feld: Maßgeblich unterstützt wird diese Zusammenarbeit von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung (seit 1953 über 500 Forschungsstipendien an Ungarn), vom Deutschen Akademischen Austauschdienst und anderen unabhängigen Stiftungen. Zwischen Universitäten und Fachhochschulen gibt es 422 Kooperationen und seit 1990 auch immer mehr Studierende, die einen Teil ihrer Ausbildung im jeweils anderen Land absolvieren. Aus Deutschland kommen fast 2.000 Studierende hierher, vornehmlich um Veterinär-, Zahn- und Humanmedizin zu studieren. Die Zahl der ungarischen Austauschstudierenden, die nach Deutschland gehen, ist noch etwas größer. Deutschland ist dabei vor Österreich und den USA das beliebteste Ziel ungarischer Studierender. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass sich die deutsche Sprache zunehmender Beliebtheit erfreut. An ungarischen Universitäten existieren inzwischen 15 Germanistiklehrstühle mit mehr als 2.000 Studierenden. Weiterhin kann man an einer Reihe von Universitäten sowohl medizinische als auch technische, naturwissenschaftliche und geisteswissenschaftliche Fächer auf Deutsch studieren. In diesem Zusammenhang finde ich auch sehr erfreulich, dass hiesige Schüler und Studenten oft sehr gute Deutschkenntnisse besitzen und ein großes Interesse an Deutschland haben. Bitte ziehen Sie eine Bilanz zum 25.Jahrestag der Grenzöffnung. 2014 war ein Jahr mit einzigartig vielen Höhepunkten. Das 25-jährige Jubiläum des Falls des Eisernen Vorhangs war im deutsch-ungarischen Verhältnis besonders wichtig, und das hat sich in unseren zahlreichen Aktionen dazu gezeigt. So haben wir den Empfang zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober in diesem Jahr auf Budapester Zeitung den 11. September, den Tag der Grenzöffnung durch Ungarn, verlegt. Es lag uns sehr am Herzen, damit die mutige Entscheidung zu würdigen, die die Ungarn im September 1989 getroffen haben, indem sie die Grenze nach Österreich öffneten. Der Herbst 2014 stand für uns ganz unter dem Motto „Danke Ungarn“, denn was hier 1989 geschehen ist, hatte und hat nach wie vor für Deutschland eine immense Bedeutung. Eine so schnelle und friedliche Wiedervereinigung Deutschlands und auch die Integration Europas wären ohne Ungarns weitsichtige Entscheidungen von 1989 wohl nicht möglich gewesen. Die deutsche Botschaft hat daher in Zusammenarbeit mit hier ansässigen deutschen Unternehmen eine Plakataktion organisiert, die diese Dankbarkeit in Budapest und 11 weiteren ungarischen Städten zum Ausdruck gebracht hat. Nicht nur bei den hiesigen Medien, sondern ebenso bei vielen anderen ungarischen Vertretern hat diese Aktion großen Anklang gefunden. Das konnte ich in zahlreichen Gesprächen erfahren. Zum Abschluss des Gedenkjahres bereiten wir momentan noch ein weiteres Projekt vor: An vier Orten, wo im Sommer 1989 mehrere zehntausende DDR-Flüchtlinge aufgenommen wurden, möchten wir Gedenktafeln aufstellen. Die Menschen aus der DDR, die alles zurückgelassen hatten und darauf hofften, von Ungarn aus in den Westen ausreisen zu dürfen, wurden hier mit einer unglaublichen Hilfsbereitschaft empfangen. Wir möchten diesen selbstlosen Einsatz und auch die Leistung unter anderem des Malteser Hilfsdienstes und des Roten Kreuzes noch einmal sichtbar würdigen. Die Budapester Zeitung hat im Sommer dieses Jahres schon des Öfteren über die Veranstaltungen berichtet, die an die Ereignisse vor 25 Jahren erinnert haben. Sie hat ja auch die Botschaftsausstellung „Sommer 1989 im Spiegel der Diplomatie“ mit bis dahin unveröffentlichten Bildern und Dokumenten der Öffentlichkeit bekannt gemacht. Welche Höhepunkte gibt es im kommenden Jahr? Das Gedenken an den Ersten Weltkrieg vor 100 Jahren wird uns noch bis 2018 begleiten und ich denke, hier bieten sich noch viele Ansatzpunkte für analysierende und anregende Veranstaltungen. Die Andrássy Universität in Budapest hat beispielsweise eine Reihe von Konferenzen veranstaltet, die sich sowohl mit Erinnerungskultur in verschiedenen europäischen Staaten als auch mit der Bedeutung des Weltkrieges für die weitere Geschichte beschäftigten. Ich halte es für sehr wichtig, dass wir uns in Europa weiterhin damit auseinandersetzen und uns bewusst machen, was eine friedliche und demokratische Europäische Union für uns bedeutet. 2015 steht für uns im Zeichen von 25 Jahren Deutsche Einheit. Im Zeichen von Freiheit und Einheit werden wir nicht nur an die Ereignisse vor 25 Jahren erinnern und ein wenig Bilanz der Wiedervereinigung ziehen. Wir wollen uns mittels Dialog und Reflexion noch einmal vergegenwärtigen, was Freiheit und Einheit eigentlich sind. Indem wir u.a. über die damaligen Rufe „Wir sind das Volk!“ nachdenken, wollen wir auch reflektieren, welche Zukunft dieses Volk, mehr noch die EU und Europa, vor sich hat und was es sein will. Denn die Wiedervereinigung Deutschlands vor 25 Jahren war auch Anstoß zur Vereinigung Europas. Grenzen gehören innerhalb Europas der Vergangenheit an und das ist auch gut so. Die Idee von Freiheit und Einheit hat große Bedeutung nicht nur für die deutsche Wiedervereinigung, sondern auch für unsere tägliche Arbeit und unser Zusammenleben in der Europäischen Union. Wo möchten Sie bei der Arbeit der Botschaft Ihre persönliche Handschrift mit einbringen? Das wird sich entwickeln. Ich möchte mir zuerst die Situation anschauen und mit möglichst vielen Menschen das Gespräch suchen. Es wird sicherlich noch dauern, bis ich meine persönlichen Schwerpunkte entwickele. Jedoch kann ich jetzt schon sagen, dass mir der Bereich der zivilgesellschaftlichen Organisationen und des Jugendaustausches wichtig sein wird. Feuilleton Wie sind Sie hier in Budapest angekommen? Welche kulturellen Einrichtungen haben Sie schon zu schätzen gelernt? Die Fülle an Veranstaltungsangeboten und Restaurants ist überwältigend. Das Kulturleben ist sehr vielschichtig und begeistert mich. Von Jazz bis zu klassischer Musik ist alles dabei. Allerdings fehlte mir bisher die Zeit, all dies zu nutzen oder auszuprobieren. Was mich jedoch sehr beeindruckt hat, ist, wie liebevoll die verschiedenen Veranstaltungsorte restauriert wurden, so etwa die Franz-Liszt-Musikakademie, ebenso die Oper und das Urania Filmtheater. Es ist faszinierend zu sehen, wie viel Wert in Ungarn auf die Erhaltung des kulturellen Erbes gelegt wird. Welche Orte in Budapest haben Ihnen bisher besonders gefallen? Mir gefällt die Möglichkeit, in Budapest wieder Fahrrad fahren zu können. In Äthiopien stand mein Fahrrad vier Jahre im Keller. Ich freue mich, es hier wieder nutzen zu können. Die Fahrradwege sind zwar noch ausbaufähig, aber die Fahrt entlang der Donau ist großartig. Besonders bewundere ich auch den Sonnenaufgang und den Ausblick auf den Gellértberg, den ich jeden Morgen aus meiner Wohnung genießen kann. Abends sehe ich dann die Sonne hinter den Budaer Bergen untergehen und bestaune das angeleuchtete Parlament und die Fischer-Bastei. Das ist ein Anblick, bei dem mir immer warm ums Herz wird. ▶▶ Jan Mainka Mit freundlicher Unterstützung von: Zur Person Die gebürtige Wattenscheiderin Lieselore Cyrus ist nach einem Psychologie-Studium seit 1981 für das Auswärtige Amt tätig. Nach einem zweijährigen Vorbereitungsdienst folgte 1983 ihr erster Auslandseinsatz als Referentin für Presse und Kultur am deutschen Generalkonsulat in Istanbul. Anschließend wurde sie von 1986 bis 1989 als Referentin für Politische Angelegenheiten an die deutsche Botschaft in Paris entsandt. Von 1989 bis 1992 war sie dann als Referentin für Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Auswärtigen Amt in Bonn tätig. 1992 wurde sie zur Generalkonsulin in Alexandria ernannt. Ab 1995 war sie wieder im Auswärtigen Amt in Bonn und Berlin tätig, zunächst als stellvertretende Leiterin des Haushaltsreferats (1995–1999), dann als Leiterin des OSZE-Referats (1999–2002) und Beauftragte für Stabilitätspolitik Südosteuropa (2002–2004). 2004 wurde sie zur stellvertretenden Leiterin der Zentralabteilung ernannt und 2006 zu deren Leiterin – und war damit bis dato die erste Abteilungsleiterin in der Geschichte des Auswärtigen Amts. Von 2010 bis 2014 war sie deutsche Botschafterin in Äthiopien. Am 1. September trat sie offiziell ihre Position als Botschafterin in Budapest an. 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 35 Foto: BZT / Nóra Halász “Die Rechtsstaatlichkeit bedeutet, das Funktio nieren nach feststehenden Regeln. Aber diese Regeln müssen nicht zwangsläufig gut sein” Feuilleton Budapester Zeitung „Imre, wie würdet ihr das machen“? Gespräch mit dem Polit-Aktivisten Imre Mécs Imre Mécs ist eine besondere Erscheinung in der ungarischen politischen Szene. Der nach dem Volksaufstand 1956 zum Tode Verurteilte und später Begnadigte saß zur Zeit der Wende mit am verfassungsgebenden Runden Tisch, ehe er nach 1990 zwanzig Jahre lang als Abgeordneter die Geschicke des Landes mitgestaltete. Bis heute ist er auf fast allen oppositionellen Demonstrationen anzutreffen. Mit der Budapester Zeitung sprach der Zeitzeuge über Vergangenes, Aktuelles und wenig Bekanntes. I n einem heimeligen Café nahe des Liszt Ferenc tér treffen wir Imre Mécs. Das unauslöschliche, kaum wahrnehmbare Lächeln blitzt auch heute auf. Der im Jahr 1933 geborene Mécs spricht leise, die Klaviermusik im Café übertönt ihn hier und da, er ist nicht derjenige, der um Aufmerksamkeit durch Lautstärke buhlt. Auch auf dem Szabadság tér bei den Protesten gegen das Besetzungsdenkmal stand Mécs selten im Mittelpunkt. Doch obwohl die täglichen Proteste heute nicht mehr stattfinden, das Thema beschäftigt ihn weiter: „Das Denkmal wurde bis heute nicht offiziell übergeben und eingeweiht. Viktor (Orbán – Anm.) hat sich nicht getraut, her zu kommen, und jemanden schicken konnte er auch nicht. Das Ganze ist still und heimlich über Nacht aufgestellt worden.“ Dabei spricht er ohne Bitterkeit über das Denkmal und die dort beschäftigten Arbeiter: „Die Bauarbeiter dort haben in passiver Weise, zumindest scheint es uns so, unseren Protest unterstützt. Sie waren vorsichtig, sind nicht auf die von uns ausgelegten Erinnerungsstücke und Blumen getreten. Wenn sie die Erinnerungsstücke entfernen mussten, haben sie sie sorgsam in Kisten gepackt.“ Der Protest, so erinnert sich Mécs, hätte irgendwann Dürrenmatt´sche Züge angenommen: „Jeden Tag montierten wir die Bauzäune ab und jede Nacht wurden sie wieder aufgestellt. Doch hier in Ungarn brauchen wir keine Literatur, wir erleben Tag für Tag die sonderlichsten Absurditäten.“ Eine dieser Absurditäten war es zweifelsohne, dass Imre Mécs, seine Frau Fruzsina Magyar und einige ihrer Mitstreiter auf dem Szabadság tér wegen an- geblichen Widerstands gegen die Staatsgewalt vor Gericht gestellt wurden: „Drei oder vier Verhandlungstage waren es, an deren Ende wir zuerst zu einer Geldstrafe von 50.000 Forint verurteilt wurden.“ Doch eine Geldstrafe kam für den überzeugten Demokraten nicht in Frage, „wir wollten den Fall zu Ende bringen und wären zur Not auch bis nach Straßburg gegangen.“ Nach einem Einspruch wurden Mécs und seine Mitstreiter freigesprochen. Er sieht darin die Bestätigung einer seiner grundlegendsten Überzeugungen: „Das Recht auf Meinungsfreiheit ist das allumfassendste aller Freiheitsrechte in Europa. Über diesem darf kein Recht außer dem Recht auf Leben stehen. Um dies zu verdeutlichen, haben wir beschlossen, den gerichtlichen Weg bis zu Ende zu gehen.“ Dass dieser bereits in Budapest zu Ende sein würde, überraschte und freute ihn: „Die Richterin hat uns rein anhand der Fakten freigesprochen. Als Anhänger der Idee und als einer der Gründer des ungarischen Rechtsstaates habe ich mit Vertrauen auf die junge Richterin geblickt.“ Ob dies ein Zeichen des Wandels ist, beurteilt Mécs nicht, sicher jedoch ist, es geht etwas vor sich innerhalb der Gesellschaft: „Die Menschen werden sich ihrer selbst bewusst, sie stehen für ihren Willen ein und haben keine Angst vor Repressalien – und es werden immer mehr.“ Mit seiner Frau spricht er manchmal scherzhaft darüber, endlich Menschen auf Demonstrationen zu treffen, die er nicht kennt. Obwohl er in den vergangenen Jahren Zweifel daran hatte, dass das Konzept der rebellischen Jugend in Ungarn noch Gültigkeit hat, so ist Mécs doch froh zu sehen, dass, wenn es um für sie greifbare Dinge geht, sie doch den Weg des Protestes einschlagen können. Die Rebellion der Jugend erlebte Imre Mécs einst auch bei einem heute bekannten Politiker: „1988, als wir am Runden Tisch saßen und die neue ungarische Verfassung besprachen, saß Viktor Orbán neben mir. Er wusste um meine politische Vergangenheit und fragte oft „Imre, wie würdet ihr das machen?“ Viele sagen heute, sie hätten damals schon gewusst, dass Orbán gefährlich sei, aber das kann ich nicht teilen.“ Was er jedoch teilt, ist die Auffassung, Ungarn sei heute auf dem Weg in eine Diktatur: „Ich habe in Diktaturen gelebt. Der Begriff der Diktatur ist irgendwann untrennbar mit dem Begriff der Totalitarität verbunden. Diktatur war, als man uns zu hunderten gehängt hat, als tausende von uns inhaftiert und interniert waren. Das nannte sich Diktatur des Proletariats, wobei das Proletariat hier komplett außen vor war, die Diktatur war dafür umso präsenter.“ Heute sei Ungarn noch nicht auf dem Stand einer totalitären Diktatur, aber auf dem Weg dorthin, „denn die meisten Diktaturen haben nicht totalitär begonnen“. Es gibt Beispiele in der Geschichte, in denen erst gesellschaftspolitisch günstige Maßnahmen eingeführt wurden, bevor es zu politischen Säuberungen kam. Der einstig zum Tode Verurteilte stellt der Regierung Orbán ein vernichtendes Urteil aus: „Die jetzige ist keine totalitäre Diktatur. Bis heute ist niemand hingerichtet worden, ist noch niemand wegen politischer Vergehen eingesperrt worden. Aber der juristische Apparat ist bereits eingenommen. Staatsanwälte und Richter werden in einer Art und Weise benutzt, die 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 37 Budapester Zeitung Foto: BZT / Nóra Halász Feuilleton Der 1933 geborene Mécs ist Vater von acht Kindern, die, wie er sagt, zum Glück alle noch in Ungarn leben. in einem demokratischen Rechtsstaat undenkbar wären.“ Damals, am Runden Tisch, hätte man sich auf die Bezeichnung des demokratischen Rechtsstaats in der Verfassung geeinigt, weil ein Rechtsstaat allein noch nicht die Demokratie mit sich bringt, oder, wie Mécs es ausdrückt: „Die Rechtsstaatlichkeit bedeutet, das Funktio- nieren nach feststehenden Regeln. Aber diese Regeln müssen nicht zwangsläufig gut sein.“ Umso wichtiger war es damals allen Beteiligten, dass demokratische Grundwerte die Basis für die neue, im Entstehen begriffene Gesellschaft bilden. Von diesen hat sich der einstige Freiheitskämpfer Orbán jedoch entfernt, so Mécs: „Die Regierung hat sich einbetoniert, auch wenn das dem zusammengeschusterten neuen Grundgesetz widerspricht.“ Die Art und Weise, wie das Grundgesetz und das Wahlrecht heute verändert und umgebaut werden – insbesondere die Idee der Registrierung vor der Wahl – , erinnert ihn stark an die Zeiten der k. u. k. Monarchie, als ebenfalls mit viel Bedacht das Wahlrecht so gestaltet wurde, dass nur der Monarchie genehme Bürger wählen können. Doch wie fühlt es sich an, den einstigen Mitstreiter und überzeugten Liberalen Viktor Orbán nun zu sehen? Ohne Bitterkeit spricht Mécs über ihn: „Wir haben den Fidesz damals 1988 herzlich aufgenommen in unseren Kreisen, wir haben uns über diese Organisation ehrlich gefreut.“ Gleichzeitig achtete man aber auf Seiten des Fidesz darauf, nicht aus Versehen als Jugendorganisation der in Gründung befindlichen Demokratischen Vereinigung zu gelten: „Als wir 1988 dabei waren, uns als Partei neu zu gründen, baten wir den Fidesz um Unterstützung. Gábor Fodor sollte unseren Gründungskongress leiten. Gábor Fodor nahm unsere Einladung an und eröffnete seine Rede ebenfalls mit einer Bitte. Er hätte gehört, dass wir uns als Partei Marczi Közösségi tér, 1022 Budapest, Marczibányi tér 5/a Photo: Judit Horváth www.dancetheatre.hu | info: (+36 1) 201 4407 Toll-free Number: (+36 80) 10 44 55 Wednesday, 17 December 7 p.m. PR-Evolution Dance Company P.P.Pasoliniproject (+18) 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 38 Budapester Zeitung den Namen Demokratische Vereinigung geben wollen. Ob wir nicht etwas anderes wählen könnten, weil der Fidesz sonst allzu sehr nach unserer Jugendorganisation klingen würde.“ Der Name wurde tatsächlich geändert in Bund Freier Demokraten, SZDSZ. Mécs betont, wie gut die Stimmung damals war und wie gern man kooperiert hat. Damals, als man gemeinsam an einer neuen Verfassung arbeitete, gab es eine Stimmung des Umbruchs: „Wir spürten, dass wir jetzt etwas tun müssen, wir wussten nicht, wie lange dieses Zeitfenster, in dem wirkliche Veränderungen möglich waren, offen sein würde. Also versuchten wir, eine neue Verfassung zusammenzubauen, aber dabei fühlten wir uns wie Hufschmiede, die eine Hirn-OP durchführen sollen.“ Auch deswegen gab es viele Fehler, die sich in die Verfassung von 1989 eingeschlichen hätten, so zum Beispiel die weiterhin enorm große Zahl an 2/3-Gesetzen. „Diese haben wir später unter der Regierung Antal korrigiert und aus der Verfassung genommen.“ Ob er eine ähnliche Atmosphäre des unbedingten Wandels auch 2010 gespürt hätte, fragen wir. „Wenn wir das ganze geschichtlich betrachten, müssen wir uns auch die Frage unserer eigenen Verantwortung stellen. 1989 versuchten wir aus deutschen Beispielen und Erfahrungen zu schöpfen. Aber wir wollten eine Verfassung des Übergangs, das erste, frei gewählte Parlament sollte eine neue, vom Volk mitgetragene Verfassung verabschieden.“ Doch das Schicksal wollte es anders, bei der abschließenden Abstimmung reichte es trotz einer satten Mehrheit von 72 Prozent aus MSZP und SZDSZ nicht für die neue Verfassung. Bis heute ist parteiintern nicht aufgearbeitet worden, was damals passiert ist. „Dies bildete schließlich die Grundlage für die Rechthaberei des Fidesz heute.“ Feuilleton Im Café wird es immer lauter, immer mehr Menschen kehren ein. Eine letzte Frage stellen wir dem gestandenen Oppositionellen noch: Was würde er seinem einstigen Weggefährten und heutigem Ministerpräsidenten raten, wenn er die Möglichkeit dazu hätte. Mécs´s Antwort kommt prompt: „Über diesen Punkt sind wir schon lange hinaus. Wir sind heute an einem Punkt angelangt, an dem ein Dialog nicht mehr möglich ist. Ich sehe in ihm heute das größte Hindernis für eine demokratische Gesellschaft, während er 1989 noch ein Mitstreiter war, mit dem wir gemeinsam die Zukunft gestalten wollten.“ Auch in Deutschland wurden und werden die Geschehnisse um das Besetzungsdenkmal in der Zivilsphäre verfolgt. Die AG Bergen-Belsen e.V. erklärte ihre Solidarität: Die Zukunft hat eine lange Vergangenheit Die Arbeitsgemeinschaft Bergen-Belsen e.V. setzt sich ein für die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus. Dazu zählen Juden, Sinti und Roma und Kriegsgefangene, vor allem aus der Sowjetunion. Aus unserer deutschen Geschichte kennen wir starke Tendenzen, eigene Verantwortung für Barbarei und Massenmord zu bagatellisieren und von sich weg zu schieben. Vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen unterstützen wir das Anliegen der Gruppe Szabadságért és Demokráciáért, zu den Schatten der eigenen Geschichte zu stehen und für die geschichtliche Wahrheit, für Freiheit und Demokratie zu kämpfen. Lasst uns gemeinsam mutig und offen für Demokratie und Toleranz eintreten! Budapest Deutschsprachige Angebote Budapester Zeitung + + + + + + + + KOMPAKT + + + + + + + + IX. Ráday utca 58, Tel.: +36 1 374 4070 [email protected] www.goethe.de/budapest Leiterin: Jutta Gehrig VI. Benczúr utca 16, Tel.: +36 1 413 3590 [email protected], www.okfbudapest.hu, Leiterin: Mag. Dr. iur. Susanne Bachfischer Noch bis Februar: EUNIC-Ausstellung „Turning Points”: Die von Zsolt Petrányi kuratierte Gemeinschaftsausstellung von 15 Kulturinstituten verschiedener EU-Länder und der Nationalgalerie zeigt insgesamt 150 Werke von fast 20 zeitgenössischen Künstlern, die auf die 2014 anstehenden historisch bedeutsamen Gedenkjahre 1914, 1939, 1989 und 2004 reflektieren. Ort: Nationalgalerie, Budapest I. Szent György tér 2. VIII. Pollack Mihály tér 3 Tel: +36 1 266 3101, /4408, 30 525 50 43 Fax: +36 1 266 3099, www.andrassyuni.hu Rektor: Prof. Dr. András Masát 17. Dezember, ganztägig: Internationale Konferenz zum Thema „Der gute Politiker”: Ziel der Tagung ist es, aus interdisziplinärer Perspektive der Frage nachzugehen, welcher Eigenschaften und Faktoren es bedarf, um ein guter Politiker zu sein. Anmeldung via [email protected] I. Batthyány utca 49., Tel: +36 1 487 5010 [email protected] www.kas.de/ungarn Leiter: Frank Spengler VI. Lendvay u. 22 www.hdu.hu 15. Dezember, 18 Uhr: Stylus Phantasticus – Adventskonzert auf historischen Instrumenten. Die Musiker Mónika Tóth (Barockvioline), Christoph Urbanetz (Viola da gamba), Soma Dinnyés (Portativ-Orgel und Clavicembalo) und Igor Davidovics (Theorbe) spielen Stücke der barocken Komponisten Froberger, Buxtehude, Biber und Abel. 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 40 Budapest Airport: Lammers Unternehmer des Jahres Vergangenen Freitag wurde Jost Lammers, Geschäftsführender Direktor der Budapest Airport Zrt. vom Landesverband der Unternehmer und Arbeitgeber (VOSZ) zum Unternehmer des Jahres gekürt. Die feierliche Preisverleihung fand traditionell am Tag der Unternehmer, am 5. Dezember im Palast der Künste (MűPa) statt. Der deutsche Manager wurde laut Mitteilung des Flughafenbetreibers auf persönlichen Vorschlag des VOSZ-Präsidenten Sándor Demján gekürt, Volkswirtschaftsminister Mihály Varga übergab die Ehrung auf der Gala. Der Flughafen habe in den vergangenen Jahren nicht nur die Malév-Pleite überstanden, sondern auch trotz der schweren finanziellen Krise sein 330 Mio. Euro schweres Investitionsprogramm verwirklicht, seine finanzielle Lage stabilisiert und werde das aktuelle Jahr mit einem Rekord an Passagieraufkommen schließen, hieß es dort. Lammers betonte bei seiner Ehrung: „Der Preis gilt nicht nur mir, sondern auch allen Mitarbeitern des Flughafens, der Fluggesellschaften und den Partnerunternehmen der Bodenabfertigung, wir haben die Ergebnisse schließlich gemeinsam erzielt. Mit unserem Rekordjahr konnten wir zur Stärkung der ungarischen Wirtschaft beitragen, auch weiterhin ist es unser Ziel, dass der Flughafen Budapest der am dynamischsten wachsende der Region ist.“ Wizz Air: Subunternehmer gekündigt Bereits Anfang des Monats informierte die ungarische Fluglinie, dass man als Reaktion auf die zahlreichen Beschwerden von Passagieren reagiert habe und seinen Partner zur Bodenabfertigung, Malév Ground Handling aufgefordert hat, dessen Subunternehmer Budport zu kündigen. Zudem wurde beschlossen, Handgepäck auch dann an Bord zu lassen, wenn dessen Haltegriffe oder Rollen aus dem Gitter zur Überprüfung der Größe herauslugen. Über diese und alle weiteren Gepäckinformationen wolle man die Passagiere künftig noch besser informieren, damit es keine Missverständnisse gibt, hieß es. Budapest Airport: Selfie-Gewinnspiel Der Flughafenbetreiber, die Budapest Airport Zrt. startete vergangenen Freitag ein besonderes Gewinnspiel: aufgrund des anste- henden Feiertagsverkehrs wurde empfohlen, vor dem Abflug besonders früh am Flughafen zu sein, um Schlangen zu vermeiden; die Wartenden sollen anschließend mit einem Selfie dokumentieren, wie sie ihre Wartezeit im Terminal verbringen und das Bild auf der Facebook-Seite des Flughafens (facebook. com/budapestairport) hochladen. Die zwei besten Bilder werden bis zum 15. Januar jede Woche mit einem Geschenkkorb prämiert, der Gesamtsieger des Gewinnspiels kann sich sogar über ein iPad mini freuen. Mehr Informationen zum Gewinnspiel auf der Facebook- und Webseite des Flughafens. Budapester Zeitung Budapest + + + + + + + + + + + + + + KOMPAKT + + + + + + + + + + + + + + Eröffnet: Holocaust-Ausstellung zum Gedenken an ungarische Sportler Wie die Stadtverwaltung diese Woche informierte, wurden bereits am 3. Dezember im Rahmen der Konferenz zum Tag der mit Behinderung lebenden Europäer in Brüssel die Access City 2015-Preise für die am meisten barrierefreien Städte des Kontinents durch den Europarat vergeben. Zur fünften Preisverleihung hatten sich 62 Städte beworben, Ungarns Hauptstadt wurde vom Rat unter die besten sieben gewählt und für den Bereich Verkehr mit einem Sonderpreis bedacht. Selbigen nahmen die Vize-OBs Alexandra Szalay-Bobrovniczky und Balázs Szeneczey in Brüssel entgegen. Nikolausdemo: Nur 200 Teilnehmer Gedenkturnier: A Football Remembers Day Wie regierungskritische Medien berichteten, kamen zu der Demonstration der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes (MKKSZ) am Samstag auf dem József Nádor tér vor dem Volkswirtschaftsministerium nur 200 Teilnehmer. Laut dem Bericht ist dies auf die Uneinigkeit und mangelnde Mobilisierungskraft der ungarischen Gewerkschaften zurückzuführen. Zudem hänge dies auch mit denkbaren Repressalien gegen Teilnehmer zusammen, denn selbst öffentliche Bedienstete seien heutzutage leicht kündbar. Die bislang eher als regierungsfreundlich gehandelte Gewerkschaftskonföderation LIGA, die nicht an der Nikolausdemo teilnahm, kündigte für 15. Dezember, einen Tag vor den nächsten großen Anti-Regierungs-Protesten, landesweite Proteste an. Im Rahmen der britischen „Football Remembers Week“ werden weltweit Gedenkspiele aus Anlass des Beginns des 1. Weltkrieges vor 100 Jahren organisiert, um an die Opfer zu erinnern. So soll der Spiele gedacht werden, die anno für kurze Momente des Friedens gesorgt hatten. Bei dem Gedenkturnier „A Football Remembers Day” am Donnerstag in der Handballhalle des Vasas SC im XIII. Bezirk maßen sich die Mannschaften der Britischen Botschaft Budapest und des Ministeriums für Außenhandel und Auswärtiges, erstere unter Führung des Botschafters Jonathan Knott, letztere unter der von Staatsekretär Balázs Kohut. Unter den Zuschauern waren Vertreter mehrerer diplomatischer Institutionen in Ungarn, Vorstände britischer Unternehmen in Ungarn und Mitarbeiter des Ministeriums. Eröffnet: 10. Mikulás Gyár Foto: MTI / Szilárd Koszticsák Sonderpreis: Budapest unter den besten Europas Am Dienstag eröffnete Vize-OB Alexandra Szalay-Bobrovniczky im Ehrensaal der Kunsteisbahn im Stadtwäldchen die Ausstellung „Opfer des ungarischen Sports im Holocaust“. Unter den damaligen Opfern befanden sich solche Größen wie der Schwimmer Alfred Hajós (Ungarns erster Olympiasieger), Fechter und Journalist Attila Petschauer sowie Ringer János Garay. Die Jubiläumsausgabe der traditionellen Sammelstelle für Lebensmittel-, Kleidungsund sonstige Spenden wurde vergangenen Freitag von Vize-OB Alexandra Szalay-Bobrovniczky mit einer Dankesrede für die Arbeit der Beteiligten eröffnet. Noch bis zum 21. Dezember können Spenden am Ötvenhatosok tere neben dem Heldenplatz (XIV. Bezirk, Dózsa György út 84.) abgegeben werden. 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 41 Budapest Budapester Zeitung Für jeden etwas Budapester Geschenktipps auf den letzten Drücker Wer momentan in den Kalender blickt, der kennt nur zwei Gefühle: Entweder man hält es kaum aus vor lauter Vorfreude oder es läuft einem eiskalt den Rücken runter. Denn Weihnachten steht vor der Tür. Aus diesem Anlass möchten wir unseren Lesern gerne eine für viele unangenehme Frage stellen: Haben Sie bereits alle Geschenke zusammen? Verzagen Sie nicht, falls dem nicht so ist, denn die Budapester Zeitung steht Ihnen gern mit einigen Tipps zur Seite. oder Notizbücher (zwischen 990 und 1.490 Forint) unter anderem am Flughafen, im Design Terminal (V. Erzsébet tér) und im Pop-up Christmas Giftstore „Projekt“ in der Dessewffy utca 18-20 (VI. Bezirk), wo noch viele weitere Geschenkideen auf geschmackssichere Designfreunde warten. 2. Neue Seiten der Stadt entdecken Stadttouren mit „Hosszúlépés“ garantieren neue Einblicke – als Gutschein ein tolles Weihachtsgeschenk! 1. Ungarn in sechs Bänden Ob als Geschenk oder Souvenir – die Kis Hungarikumhatározók (in der englischen Variante „Little Hungaropedia“) sind ein witziges, informatives und dazu echt ungarisches Mitbringsel. In englischer, italienischer und ungarischer Sprache erhältlich, erfährt der Leser in sechs dünnen Taschenbüchern thematisch geordnet alles Wissenswerte über die ungarische Realität. Das hellgrün-minzfarbene Büchlein befasst sich dabei mit dem Balaton, das gelbe mit der Kneipenkultur, das rote mit Allgemeinplätzen über Ungarn, das orangefarbene mit Obst- und Gemüsemärkten, das blaue mit der ungarischen Badekultur und das fliederfarbene mit – wie könnte man ihn aus der Reihe vergessen – Pálinka. Auf etwas über 40 Seiten laden knapp zwei Dutzend Texte zwischen 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 42 Essay und Anekdote und herrliche Illustrationen zum Staunen und Schmunzeln ein. Für die Gestaltung zeichnet Designerin Zsófi Szabó verantwortlich, die die Buchidee während ihrer Studienzeit erdacht hat. „Ich habe in Design- und Souvenir-Geschäften nachgesehen, ob es so ein Buch gibt – also eines, dass sich dem Hungarikum-Begriff mit einer lokalen und Design-orientierten Sichtweise annähert, aber nichts gefunden“, sagte Szabó gegenüber dem Online-Magazin We Love Budapest. Wer nun Lust bekommen hat, auch live zu überprüfen, ob die Kis Hungarikumhatározók ein gutes Weihnachtsgeschenk für die in Deutschland gebliebenen Freunde, den ungarischen Partner oder die italienische Freundin sind, der findet die Büchlein zum Stückpreis von 1.790 Forint (im Dreierpack günstiger), passende Leinentaschen (2.990 Forint) Wer schon eine Weile in Budapest wohnt, der kennt die Stadt bald wie seine Westentasche. Zumindest möchte man so meinen, ist die ungarische Hauptstadt doch keine der riesigen Millionenmetropolen wie es New York, Tokio oder Moskau sind. Weit gefehlt, wie die Stadt-Touren mit Hosszúlépés – járunk? (auf Englisch: Chainless – Budapest Urban Adventures) beweisen. Dabei kann zwischen der Stadtbesichtigung in ungarischer oder englischer Sprache beziehungsweise zu Fuß oder auf dem Fahrrad gewählt werden. Wer das Rad bevorzugt, darf auf einer echten ungarischen Erfindung, dem kettenfreien Stringbike nämlich, Platz nehmen. Auf dem Drahtesel kann dann beispielsweise an der „Recycling Budapest“-Tour teilgenommen werden. Hier führen junge Ungarn durch Budapester Gebäude, die entgegen ihrer ursprünglichen Funktion zweckentfremdet, ja „recycelt“ wurden – sei es, um Kneipen, Galerien oder Theater daraus zu machen. Zu Fuß lockt unter anderem die Tour hin zur Kindereisenbahn in den Budaer Bergen. Dort wird dann in kleiner Runde das kommunistische Überbleibsel ausgetestet, während über das Aufwachsen im Sozialismus diskutiert und die Budapester Zeitung Budapest Waldlandschaft bestaunt werden darf. Um die ungewöhnliche Sightseeing-Tour zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen, können außerdem Privat-Spaziergänge oder ganz individuell gestaltete Touren gebucht werden. Tickets um die 6.000 Forint pro Person. Die Online-Buchung ist günstiger, zudem gibt es Studenten-Rabatt. Geschenkgutscheine sind erhältlich. www.chainlessbudapest.com 3. Teenager-Träume Kindern schenkt man Spielzeug, Männern Manschettenknöpfe und Frauen Handtaschen. So einfach ist die Formel leider nicht – besonders schwierig bis hin zu unmöglich wird es aber bei der Herausforderung, Teenager zu beschenken. Ob Mädchen oder Junge, nicht selten wünschen sich die Halbstarken Unbezahlbares, und wenn man es doch riskiert und ihnen etwas selbst Erdachtes und aus Erwachsenensicht gar Brauchbares kredenzt, dann hängt der Haussegen garantiert schief. Wieso also nicht gleich alles richtig machen. Die mittlerweile vollends etablierte Budapester Merchandise-Marke BP Shop, die von HipHop bis Hipster alle angesagten Trends bedient, bietet etwas für jeden stilsicheren Teenager: von Mützen über Gürtel und Geldbörsen bis hin zu T-Shirts und Pullovern kann man sich und seinen Schützling hier garantiert geschmackvoll und stadtstolz eindecken. Im Dezember kann man außerdem sowohl online als auch in den BP Shops der Stadt (zum Beispiel im WestEnd City Center und in der Wesselényi utca) um bis zu 60 Prozent reduzierte Ware kaufen – auf www.bpshop.hu sogar versandkostenfrei! Schönes Schenken! ▶▶ Lisa Weil Unbestritten ein wichtiges ungarisches Kulturgut: Der Pálinka. Auch über den Plattensee lehrt die „Kleine Hungaropedia“ – selbst nicht-Ungarnkenner. Budapest Budapester Zeitung DWC-Weihnachtsgala Feiern und helfen A ls krönender Abschluss eines in jeder Hinsicht erfolgreichen Club-Jahres fand vergangene Woche Sonnabend im noblen Ambiente des Stefania-Palais’ die Weihnachtsfeier des Deutschen Wirtschaftsclubs statt. Im bis auf den letzten Sitzplatz gefüllten prächtigen Ballsaal des Hauses wurde den Gästen (darunter auch die Botschafter von Großbritannien und Israel) ein sehr reichhaltiges Programm geboten. So gab es unter anderem musikalische Auf- tritte von Schülern der Deutschen Schule Budapest und eines Streichquartetts. Die absoluten musikalischen Höhepunkte des Abends waren die Auftritte der besten ungarischen Beatles-Tribute-Band, „The Black Birds“, sowie der erfolgreichen ungarischen Eurovision Song Contest-Aspirantin Bogi. Traditionell spielten an dem Abend auch wieder diejenigen eine Rolle, für die das baldige Weihnachtsfest leider nicht so prächtig ausfallen wird wie für die Gäste der DWC-Gala. Dank einer einträglichen Tombola können aber sowohl die Stiftung Menedékház als auch Csodalámpa beziehungsweise die von ihnen betreuten Kinder immerhin wieder mit einer größeren Spende bedacht werden. Beide bedankten sich schon einmal vorab für diese Unterstützung: einige Kinder von Menedékház mit einer Tanzund Gesangsdarbietung und Mitstreiter von Csodalámpa mit einem originellen Beitrag zum Tischschmuck. Stimmung, Gesellschaft, Verköstigung und musika- Gebürtige Deutsche berät Sie gerne bei allen Fragen bezüglich Kauf oder Verkauf von Immobilien in Budapest und Umgebung. Berdefy Brigitte 1052 Budapest, Arany János utca 22 Mobil: +36-(20) 932-6538 E-Mail: [email protected] 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 44 Budapester Zeitung Budapest DWC-Vorsitzender Dr. Arne Gobert im Gespräch mit dem israelischen Botschafter Ilan Mor. lische Unterhaltung waren so gut, dass die meisten Gäste bis deutlich nach Mitternacht blieben und viele sogar ausgiebig das Tanzbein schwangen. Der Vorstand des DWC bedankt sich bei folgenden Firmen für die Unterstützung des Abends: Angelgold, Corinthia Hotel Budapest, Glaub Automation, Kempinski Hotel Corvinus, Marriott Hotel Budapest, Mercedes-Benz Hungária, OMV Hungária, Overdenture Fogászati, Szájsebészeti és Relaxációs Klinika, Pilots Simulator Center, Porsche Hungária, Robert Bosch, Royal Diamonds, Sonepar Magyaroszág, Universe Gold, Vitra Büromöbel und Zsolnay Porcelán. … und wünscht seinen 222 Mitgliedern, zukünftigen Mitgliedern, Freunden, Partnern und Gästen erholsame Feiertage und ein erfolgreiches Jahr 2015. ▶▶ Fotos: BZT / Nóra Halász Das nächste große Konzert der Black Birds findet am Sonnabend, den 27. Dezember, um 21 Uhr im New Orleans Club statt. Weitere Infos unter: www.blackbirds.hu 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 45 R e s tau r a n t Budapester Zeitung Kolonialstil trifft Emaille Stilvolles Dinieren für Fleischliebhaber in der Baltazár Grillbar Foto: BZT / Nóra Halász Das Baltazár Hotel mit angeschlossener Wein- und Grillbar ist das jüngste Mitglied der Zsidai-Gastrofamilie. Und wie schon zuvor das Spíler oder das Shanghai Spíler ist das Baltazár vor allem eines: hip. Die Zsidais verstehen sich darauf, höchste Qualität und ein modernes Image zu vereinen. Neben einem schicken, warmen Ambiente hat das Baltazár eine hervorragend ausgestattete Küche, die nur auf beste Zutaten setzt und von einem der Starköche der Stadt geführt wird, sowie eine riesige Weinauswahl zu bieten. Über all dem wacht der geflügelte Elefant, der Schutzpatron des Baltazár. Im Baltazár fühlt man sich rundumwohl: Herausragende Küche trifft auf ein gemütliches aber zeitgemäßes Ambiente. A uf den ersten Blick ist der Einrichtungsstil des Baltazár ein bunter Mix: Mit rotem Leder bezogene Sofas im Kolonialstil sowie dunkle, hochwertige Hölzer für Tische und Stühle; dann wieder getünchte Wände und Ableitungsrohre wie man sie aus Fabriken kennt; die Dekoration wiederum – alte Haushaltswaagen, Küchengefäße und das allgegenwärtige Emaillegeschirr – könnte aus Großmutters Küche stammen. Doch genau diese Freiheit sich nicht zu einem Stil bekennen zu müssen, macht das gemütliche und warme Ambiente der Baltazár Wein- und Grillbar aus. Die Wände sind mit bunten Grafiken geziert, wie man sie auch auf dem Plattencover einer hippen Rockband vermutet und durchdringen die Atmosphäre des Raumes mit jenem Schuss Kreativität, der das Baltazár auch zum perfekten Ort macht, um über einem Businesslunch neue Geschäftsideen zu besprechen oder Pläne für einen aufregenden Abend zu schmieden. Rauchiges Aroma von argentinischer Kohle Ähnlich wie beim Einrichtungsstil setzt das Balatazár auch beim Menü auf die Verquickung verschiedener Einflüsse: Ungarische Klassiker treffen auf amerikanische Burger-Tradition. Wobei die angebotenen Burger-Delikatessen nichts zu tun haben mit jener Fleisch-Brötchen-Kombination, die in Schnellrestaurants über die Theke geht. Hier wird der Streetfood-Klassiker zum Gourmetprodukt erhoben. Das hat auch mit dem hochwertigen Holzkohlegrill der Küche zu tun. Das Ge- rät des katalanischen Herstellers Josper grillt nicht nur auf besonders hoher Temperatur, was die Zubereitungszeit verkürzt und ein Braten ohne durchzugaren ermöglicht, sondern verleiht dem Fleisch durch seinen aromatischen Rauch, der von der argentinischen Grillkohle herrührt, eine einzigartig würzige Note. Dank der offenen Küche des Baltazár kann der Gast einen Blick auf das Schmuckstück erhaschen, während er live miterlebt, wie sein Essen zubereitet wird. Ein Star in der Küche Mit Zsolt Litauszki hat das Baltazár Budapests bedeutendsten Kreativkoch an sich gebunden. Doch schon früher war der Sternekoch im Dienste der Familie Zsidai, mitunter als Chefkoch des 21. Litauszki zeichnet heute nicht nur verantwortlich für das Menü des Baltazár, sondern für die gastronomische Konzeption und Neukreationen aller Zsidai-Restaurants. Seine Stärke liegt in den immer wieder überraschenden Kombinationen aus Exquisitem und Gewöhnlichem. So wird eine simple Beilage wie Pommes durch die Hinzugabe einiger Trüffelspäne zum Gourmetgericht geadelt. Besonders empfiehlt der Maestro die Speisen der saisonalen Menükarte. Der Kreativkoch liebt es, mit frischen, lokalen Produkten zu arbeiten. Gerade steht das Adventsmenü fest, das noch bis Heiligabend angeboten wird. Natürlich dürfen da Ente und Fisch nicht fehlen, aber der besondere Hingucker der Adventsauswahl ist das Sirloin-Steak vom Wild zu einer Auswahl von Sellerie. Abgesehen von der Diättauglichkeit des gesunden und vor allem mageren Wildbret kommt dieses Gericht ohne jedwe12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 47 Fotos: BZT / Nóra Halász Budapester Zeitung PRIVATE KRANKENVERSICHERUNG V. Zoltán u. 16 (am Szabadság tér) Reservierung: +36 1 331 4352 THINKING RELOCATION? THINK INTERDEAN. Tel. 888-6750 [email protected] “We make it easy” Relocation Immigration Moving Real Estate 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 48 • für ständig in Ungarn lebende Ausländer • nur Stationär- oder Vollversicherung mit oder ohne Selbstbehalt • Geltung weltweit wahlweise mit oder ohne USA • Informationsunterlagen oder Terminvereinbarung zur Beratung: at & t Bt. Vermittlung von Krankenversicherungen Ősi u. 19, 8181 Berhida Tel./Fax +36 88 454 167 Mobil +36 30 378 0579 E-Mail: [email protected] R e s tau r a n t Budapester Zeitung de Kohlenhydrate aus und zeigt, wie vielfältig das Wurzelgemüse sein kann. Über 300 Weine Neben Grillspezialitäten können Gäste auch von der enormen Auswahl der Weinbar profitieren. Im Keller des Hauses lagern bis zu 300 verschiedene Weine. Kenner sollten sich daher nicht von der kleinen Auswahl im Menü der Grillbar täuschen lassen und am besten direkt nach der vollständigen Weinkarte oder dem Sommelier fragen. Ein besonderes Highlight ist der Chardonnay aus der Weinregion Eger. Der exklusive Wein aus der Kelterei Attila wird ohne jegliche Zusatzstoffe hergestellt und besonders lang gereift, bevor er verkauft wird. Derzeit wird ein 2009-er Jahrgang angeboten. Im Resümee ist das Speisen im Baltazár ein Hochgenuss für Augen und Gaumen. Hier fühlt man sich rundum wohl, ob man dieses Erlebnis nun mit Freunden, der Familie oder Geschäftspartnern teilt – oder sich gönnt, ganz allein bei einem der herausragenden Weine und einem Stück Fleisch vom berühmten Holzkohlegrill die Atmosphäre zu genießen. ▶▶ Katrin Holtz Fotos: BZT / Nóra Halász Baltazár – Bar, Weinbar, Grill und Hotel I. , Országház utca 31 Öffnungszeiten: täglich ab 7:30 Uhr Tel.: +36 1 /300-7050 Preise Suppen und Vorspeisen:..............1.240-2.860 Ft Hauptspeisen:..............................2.680-8.960 Ft Desserts:.....................................1.180-2.680 Ft Arany Kaviar Restaurant Mittags Russisches Bistro in unserem Garten: Menü für 3.900 Ft Von 12 bis 15 Uhr! 1015 Budapest, Ostrom u. 19 Geöffnet: 12-15 Uhr, 18-24 Uhr Montags geschlossen Tel.: (+36 1) 201 6737 www.aranykaviar.hu 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 49 Panorama Budapester Zeitung Zur Erklärung: Drogentest als Meme-Grundlage Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte Am Wochenende stellte Máté Kocsis die Idee eines verpflichtenden Drogentests auf Facebook online. Eine Idee, die so fern ab der Realität und nicht umsetzbar ist, bringt zwangsläufig die Meme-Macher auf den Plan. Hier eine kleine Auswahl. K ennen Sie die Serie Breaking Bad? Ein arbeitsloser Chemielehrer fängt an, Methamphetamine zu brauen, die Serie gilt als einer der größten TV-Erfolge der vergangen Jahre. Kein Wunder also, dass Máté Kocsis („Junkies tummeln sich im VIII. Bezirk, weil es hier ein Nadeltauschprogramm gibt”) und seine Idee der Drogentests auf dieser Grundlage aufgearbeitet wird. Doch auch an die jüngere Generation, sprich Kinder haben die Meme-Macher gedacht. Während nach Kocsis´ Idee alle 12 bis 18jährigen unter Generalverdacht gestellt werden, ist es ohne Zweifel wichtig, die zu befürchtenden einhergehenden Fragen und Diskussionen bereits im Vorfeld zu klären. Und was wäre da besser geeignet als ein Bilderbuch? In klassischem Design werden mehrere Fragen aufgeworfen, so auch der Drogentest. Der kleine Laci fragt, ob er wirklich in einen Becher pullern muss. Der geduldige Onkel Doktor erklärt die Notwendigkeit, da nur so festgestellt werden kann, ob er Drogen nimmt. Laci ist aber so klein, dass er gar nicht weiß, was Drogen sind. Doch zum Glück wird ihm auch das bereitwillig erklärt: „Linksliberaler Heimatverrat“. Damit wäre an dieser Stelle wohl alles gesagt, die Autorin begibt sich jetzt auf die Suche nach einem geeigneten verschließbaren, wasserdichten Behälter. ▶▶ EKG 12. Dezember 2014 | Nr. 50-52 50 Es wird gerätselt, was Máté zu seinem Facebook-Eintrag bewegt hat. Auch die Kleinsten sollen bereits lernen, was Drogen sind: „Linksliberaler Heimatverrat“. Wir wünschen Ihnen besinnliche Feiertage und ein erfolgreiches Jahr 2015.