Kostbarkeiten aus dem Deutschen Jagd

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Kostbarkeiten aus dem Deutschen Jagd
Kostbarkeiten aus dem Deutschen
Jagd- und Fischereimuseum
Jagdbekleidung
im Wandel der Zeit
1938 wurde in München das Deutsche Jagdmuseum
eröffnet. Den Grundstock dafür lieferte die berühmte
Geweihsammlung des Grafen Arco-Zinneberg. Heute
werden in der ehemaligen Augustinerkirche in der
Münchner Innenstadt auf 3.000 Quadratmetern
herausragende Zeugnisse der Jagd- und Fischereikultur gezeigt, von der Steinzeit bis in die Gegenwart.
Sven Riepe stellt Ihnen nach und nach einige vor.
E
in Jäger solle sich so anziehen, dass
er sich frei bewegen und sein Gewehr gut handhaben kann, fasste ein
englischer Autor in einem Ratgeber im
Jahre 1727 die Anforderungen an die
Bekleidung des Waidmanns zusammen. Leicht solle sie sein und ohne unnötigen Firlefanz – als Beispiel hierfür
nennt er allerdings hohe Absätze und
Spitzenmanschetten.
Die Forderung nach der Praxistauglichkeit der Bekleidung zieht sich wie ein
roter Faden durch die Jagdratgeber
und Jagdgeschichten. Dabei lag die
Beantwortung der Frage, was praktisch
ist, durchaus im Auge des Betrachters.
Der Jäger des 18. Jahrhunderts fühlte
sich sicherlich in Rock, Weste, Kniehosen und langen Strümpfen ebenso
praktisch gekleidet wie der heutige in
einem Jagdanzug oder einer Multifunktionsjacke. Die Tatsache, dass der
Rock – Justeaucorps genannt – nur
kleine Taschen hatte, wurde durch die
mitgeführte Jagdtasche kompensiert,
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Glücklicher Erleger im Justeaucorps, Stich von J.E. Ridinger,
18. Jahrhundert, Deutsches Jagd- und Fischereimuseum
und bei Kälte behalf man sich mit dem
Überziehen weiterer gefütterter Kleidungstücke. Für die Winterjagd zum
Beispiel empfahl ein Jäger 1720 das
Tragen einer Papierkappe, einer dicken Perücke und darüber einer Otter­
fellmütze, die bis über die Ohren geht.
Mit der französischen Revolution verschwinden die Kniehosen, an ihre Stelle treten lange Beinkleider. Die Oberbekleidung ist bis in die 1850er Jahre
wie ein Frack vorn ausgeschnitten, erst
von der Mitte des 19. Jahrhunderts an
werden auf der Jagd hüftlange Jacken
getragen.
Jagdbekleidung war und ist immer den
aktuellen modischen Vorstellungen der
Zeit unterworfen. Die Frage, wie man
sich für die Jagd angemessen kleidet,
beantwortete der Ratgeber „Was ziehe ich an?“ (1910) salomonisch: „Man
vermeide auf der Jagd das Extreme,
ziehe sich also nicht zu elegant, aber
auch nicht salopp an.“ Als Oberbekleidung wurde eine hoch geschlossene
Joppe empfohlen, kombiniert mit hohen Stiefeln und Wickelgamaschen.
Dass darunter das Hemd mit dem
Halsschmuck einer Fliege oder Krawatte getragen wurde, gehörte noch bis
nach dem letzten Krieg zur üblichen
Kleidungsweise.
Farblich hält sich der Jäger seit jeher bedeckt. Grün und braun sind die Farben
der Wahl, anders als in der Barockzeit,
wo zumindest bei den großen Jagdspektakeln auffallende, bunte Kleidung
bevorzugt wurde.
Die Kleidung sollte den Jäger
in die Umgebung einfügen
Jagdbekleidung sollte helfen, den Jäger
in die Umgebung einzufügen. Bereits
Kaiser Maximilian I. empfiehlt in seinem Jagdbuch im frühen 16. Jahrhundert im Sommer grüne und im Winter graue Bekleidung. Und in Dietzels
Niederjagd (1896) wird ein Wendeanzug beschrieben: Die Joppe ist aus grü-
Foto: Imagebroker/SZ Photo
Gruppe von Jägern, Ausschnitt aus „Jagdrast“ von Friedrich Happel,
1847, Deutsches Jagd- und Fischereimuseum
nem Stoff, aber innen grau gefüttert.
Wenn der Jäger bei der Pirsch Stangenholz erreicht, braucht er die Jacke nur
umzukrempeln, um der neuen Umgebung farblich angepasst zu sein.
Neue wissenschaftliche Erkenntnisse
über die Sehfähigkeit des Wildes haben
inzwischen die Bekleidungsindustrie zu
weiteren Entwicklungen angeregt. So
gibt es inzwischen eine entsprechende
Musterung der Oberstoffe, und auch
die grellen Orange- oder Gelbtöne von
Warnwesten sind heute kein Widerspruch mehr zur erwünschten unauffälligen Kleidungsweise.
Lange Zeit war eine grüne Jagdkleidung
das klassische Merkmal des Jägers,
besonders in Deutschland. Sie war Erkennungszeichen und verriet Passion
und Ernsthaftigkeit. Demgegenüber
fiel zum Beispiel der britische Jäger
deutlich ab: Trüge er nicht die Flinte
auf der Schulter, könnte man meinen,
er ginge zum Golf, so ein Beobachter
in den 1920er Jahren.
Jäger im bequem geschnittenen Jagdanzug mit
Wickelgamaschen und Lodenkotze, um 1920
Allzu enge Regeln und Vorgaben
sind heute glücklicherweise gefallen.
Gleichzeitig bieten Firmen Bekleidung
in schier unüberschaubarer Vielfalt an.
Ob man auf Kleidung aus Kunstfaser
oder auf Wollstoffe zurückgreift, bleibt
dem Geschmack und dem Geldbeutel
des einzelnen überlassen. Der Autor im Blickfeld:
Sven Riepe
Sven Riepe, Mitglied beim Bayerischen Jagdschutzverband München, ist Historiker und veranstaltet
Führungen im Deutschen Jagd- und Fischereimuseum
München.
Sonderausstellung: Jagdbekleidung im Wandel der Zeit
24. Juli bis 15. September
Deutsches Jagd- und Fischereimuseum, Neuhauser Straße 2,
80331 München, Tel.: 089/220522, Fax: 089/2904037,
E-Mail: [email protected]
Weitere Informationen unter www.jagd-fischerei-museum.de
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