Die Nordelbische 2007 - Schattenseiten der Bio
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Die Nordelbische 2007 - Schattenseiten der Bio
IV DIE NORDELBISCHE K I R C H E U N D A R B E I T S W E LT 2 3 . 12 . 2 0 0 7 | AU S G A B E 51 / 5 2 KO M M E N T I E R T Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt Gartenstraße 20 24103 Kiel Tel. 0431/55 779-400 [email protected] www.kda-nordelbien.de Sprit statt Nahrung? Erst kommt das Auto, dann die Moral? Peter Hendrikson sieht bei Biosprit einen Schildbürgerstreich der Auto-Lobby. Die Steuerzahler fördern innovative Verfahren zur Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Und wohin fließt ein Gutteil der Mittel? In die Umwandlung von Raps, Getreide und Mais zu Treibstoffen. Nettoenergie wird dabei nicht gewonnen, denn die Energiebilanz von Raps-Esthern und „Bio“-Alkohol ist bestenfalls ausgeglichen. Einer nachhaltigen Wirtschaftsweise von „bebauen und bewahren“ entsprechen Biogas aus Gülle und Abfallstoffen in überbetrieblicher Kooperation und die thermische Nutzung von extensiv gedüngten nachwachsenden Rohstoffen und Abfällen. Ziel ist die Optimierung der natürlichen Stoffkreisläufe. Im Ökolandbau und in Vieh haltenden konventionellen Betrieben sind mit diesem Ziel dem Energiepflanzenanbau ökologische wie ökonomische Grenzen gesetzt. Ohne diese Grenzen bieten die subventionierten Preise der Treibstoffe kurzfristig ökonomische Vorteile, führen aber weltweit zu einer Flächenkonkurrenz mit dem Anbau von Nahrungsmitteln. Sprit statt Nahrungsmittel? Das ist keine nachhaltige Ökonomie, sondern gerät eher zu einem Schildbürgerstreich der Auto-Lobby. Denn wer Sprit sparen will, macht ihn nicht billiger, sondern stellt die Produktion von Spritfressern ein! Dr. Peter Hendrikson ist Landwirtschaftsmeister – und ehemaliger Mitarbeiter des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt NACHWACHSENDE ROHSTOFFE MELDUNGEN Landpastor Wichert-von Holten forderte mehr Achtsamkeit im Umgang mit Getreide Schattenseiten der Bio-Energie Von Ulrich Ketelhodt RENDSBURG – „Unser tägliches Brot“ ist alles,„was Not tut für Leib und Leben“, schreibt Luther im Kleinen Katechismus. Ist damit die Verwendung von Getreide zur Energiegewinnung ethisch gleichzusetzen mit der Nutzung als Lebensmittel? Ethische Fragen standen im Mittelpunkt der 44. Begegnung Landwirtschaft und Kirche im Christophorus-Haus in Rendsburg. Pastor Stephan Wichertvon Holten ist der Landwirtschaftsexperte für die Landeskirche Hannover. In seinem Vortrag „Bioenergie und Verantwortung“ wurde deutlich, dass mit dem Lutherzitat die ethische Herausforderung „Heizen mit Weizen“ nicht beantwortet ist. Bioenergie war über Jahrzehnte ein Hoffnungsträger, erst für die Ökos und in den vergangenen Jahren für Landwirte, die nach Einkommensalternativen suchen. Aber mit der zunehmenden Nutzung kommen die Schattenseiten in den Blick. Pastor Wichert-von Holten beleuchtete bei der ethischen Beurteilung der Nawaros (Nachwachsende Rohstoffe) das Spannungsfeld von Pro und Contra. Er führte aus, dass über Verantwortung in der Energiedebatte nur die reden sollten, die die drei „E“ abgearbeitet haben: Einsparung, Effizienz und Energie-Alternativen. Kirche sei hier viel zuwenig Vorbild, so Wi- „Gefühlte Maisdichte“: Landpastor Wichert-von Holten aus Hannover auf der diesjährigen Begegnung Landwirtschaft und Kirche Foto: Dirk Ehlers chert-von Holten, der auch Umweltbeauftragter seiner Landeskirche ist. Der kirchliche Gebäudebestand biete ein grosses Einsparungs- und Effizienzpotential. Er mahnte an, dass mit der Bioenergie auch die ethische Dimension von Energieerzeugung und -verbrauch stärker in den Blick komme. Grundsätzlich seien Nahrungsmittel und Energie gleichwertig, aber „Nawaros sind Schöpfung und müssen achtsam behandelt werden.“ Der Beirat „Nachwachsende Rohstoffe“ des Landes Niedersachsen, in dem Wichert-von Holten mitwirkt, hat grundsätzlich nichts gegen die energetische Nutzung von Getreide. Allerdings forderte der bundesweit aktive Landpastor, die Emotionen ernst zu nehmen, die mit dem „Grundsymbol Getreide“ verbunden sind. Über Getreideverbrennung hinaus spreche für Bioenergie die Umkehrbarkeit: In einer Vegetationsperiode können Energiepflanzen angebaut werden und in der nächsten Lebensmittel. Auch können mittelgroße Bioenergieanlagen vor Ort kleine Siedlungen versorgen, aus denen sich heute große Energieunternehmen zurückziehen, weil die Zuleitungen sich nicht lohnen. Zurzeit dehnt sich der Maisanbau für Biogasanlagen aus: Die „gefühlte Maisdichte“ ist schon sehr hoch. Flächen, auf denen bisher Futter für das Vieh angebaut wurden, liefern nun Nahrung für die Bakterien der Bioreaktoren; mit der Folge, dass die Pachten und die Viehfutterkosten steigen. Neue Ungerechtigkeiten oder einfach Marktwirtschaft? Noch ist die Entwicklung nicht absehbar, denn einfach ist es nicht „Energiewirt“ zu sein. Aus Bayern kommt die Nachricht, nur ein Viertel der Biogasanlagen seien langfristig rentabel. Zeitgleich werden auch in Schleswig-Holstein Großanlagen mit Kapital geplant, das nicht aus der Landwirtschaft kommt. In der Diskussion fiel der Satz: „Erstmal rechnen und dann ethisch reflektieren“. Bischof Dr. Hans Christian Knuth betonte: „Geld darf nicht das letzte Wort haben. Ethik muss auch unseren Ansprüchen entgegengesetzt werden.“ Diese 44. Begegnung von Kirchenvertretern und Landwirten war die letzte mit Bauernverbandspräsident OttoDietrich Steensen und Bischof Dr. Knuth. Beide sind in einem Jahr nicht mehr im Amt. Das Spannungsfeld von Ethik und Ökonomie bleibt auf der Tagesordnung. Weitere Infos: www.kda-nordelbien.de/texte_landtexte.php# get Ulrich Ketelhodt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt – – Kommunales Kino Film und Diskussion KIEL – Im Kieler Kommunalen Kino (Pumpe) werden im Rahmen des Filmfestivals „über_morgen“ der Aktion Mensch (dieGesellschafter.de) zwei Filme gemeinsam mit dem KDA gezeigt. Es geht um Utopien, Träume und Weltentwürfe. Der KDA lädt im Anschluss zur Diskussion ein. Filmstart am 22. Januar „Eggesin möglicherweise“ und am 31. Januar „Menschen, Taten, Träume“ jeweils um 18.30 Uhr. Weitere Infos: www.kda-nordelbien.de/veranstaltungen.php – Buchvorstellung „Teilhabe von unten“ HAMBURG – Über Armut wurde unter Mitwirkung des KDA in Hamburg-Wilhelmsburg eine Studie erstellt, die nun als Buch erscheint. Originalzitate von den Interviews mit armen Menschen geben tiefen Einblick in deren Lebenssituation. Die Autorin Dr. Claudia Schulz liest daraus und diskutiert über Möglichkeiten der „Teilhabe von unten“. Eine Veranstaltung im Nordelbischen Zentrum Gartenstrasse in Kooperation mit dem Kirchenkreis Kiel am 24. Januar um 17 Uhr. Weitere Infos: www.kda-nordelbien.de/kooperationen.php# kooperationen – Termine und Veranstaltungen: – www.kda-nordelbien.de/veran- – staltungen.php Den Newsletter des KDA per E-Mail bestellen: [email protected]