Villach
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Straßenbenennungen: Ein Spiegel lokaler Gendersensibilität „Genderproblematik in Villach: Leider gibt es im Verhältnis zu wenig nach weiblichen Personen benannte Verkehrswege, obwohl Villach durchaus weibliche Persönlichkeiten hervorbringt, die für ihr Lebenswerk geehrt werden sollten.“ Lehrveranstaltung: Seminar zur Fachdidaktik: Die Straße – der Straßenname LV-Leitung: Prof. Mag. Dr. Friedrich Palencsar & Patricia Katharina Schober AutorInnen: Christian Osou ([email protected]), Sandra Moser ([email protected]) und Sandra Überbacher ([email protected]) Einleitung Im Rahmen der Lehrveranstaltung „Seminar zur Fachdidaktik: Die Straße - der Straßenname“ vom Institut für Geographie und Regionalforschung Klagenfurt wurde von unserer Projektgruppe diese Pressemappe zum Thema nach Personen benannte Verkehrswege in Villach erstellt. Der Grundgedanke dieser Lehrveranstaltung ist es, aufzuzeigen, dass in vielen Städten Kärntens im Verhältnis kaum Verkehrswege nach Frauen benannt sind, es aber genügend weibliche Persönlichkeiten gäbe, die durch ihre Vitae durch eine Verkehrswegbenennung geehrt werden sollten. Um auf diese Genderproblematik aufmerksam zu machen, beinhaltet diese Mappe zum einen Kennzahlen, die das Verhältnis der nach Personen benannten Verkehrswege in Villach zeigen und zum anderen graphische Auswertungen durch Karten der Stadt Villach, um zu zeigen, wo und wie nach Personen benannte Verkehrswege verteilt sind. Letztendlich werden Vorschläge in Form von weiblichen Personen, die einen Bezug zu Villach haben und die durch ihre Vitae durch eine Verkehrswegbenennung geehrt werden sollten, für künftige Verkehrswegbenennungen geliefert. Die ausgearbeiteten Karten bilden eine Grundlage, um die Situation der nach Personen benannten Verkehrswege in Villach zu untersuchen. Als Vorgeschmack auf den späteren Inhalt der Mappe kann vorangestellt werden, dass ein extremer Unterschied in Bezug auf die Anzahl und der Verteilung der nach männlichen bzw. weiblichen Personen benannten Verkehrswegen vorherrscht. Dies zeigt auch die Relevanz dieser Projektarbeit. Leider gibt es im Verhältnis nur sehr wenige nach weiblichen Personen benannte Verkehrswege in Villach, wohingegen es aber viele weibliche Persönlichkeiten gäbe, die einen Bezug zu Villach haben und durchaus durch ihre Vitae, für ihr Lebenswerk, durch eine Verkehrswegbenennung geehrt werden sollten. Diese Pressemappe sollte den Verantwortlichen für Verkehrswegbenennungen oder Umbenennungen einen Status-Quo in Bezug auf die Namensvergabe der Verkehrswege in Villach bieten und zukünftig dazu veranlassen bzw. ins Bewusstsein rufen, dass es durchaus weibliche Persönlichkeiten mit Bezug zu Villach gibt, die für künftige Verkehrswegbenennungen bzw. Umbenennungen herangezogen werden sollten, um somit den Unterschied in der Anzahl und Verteilung der nach weiblichen bzw. männlichen Personen benannten Verkehrswegen auszumerzen. Christian Osou, Sandra Moser und Sandra Überbacher Seite 2 Status Quo der nach Personen benannten Verkehrswege in Villach Auf den ersten Blick ist zu erkennen, dass ein extremer Unterschied in Bezug auf die Anzahl der nach männlichen bzw. weiblichen Personen benannten Verkehrswege vorherrscht. In Villach gibt es 205 nach männlichen Personen benannte Verkehrswege, jedoch nur 15 nach weiblichen Personen benannte Verkehrswege (Stand April 2015)1 (93%/7%). Dies ist ein äußerst beträchtlicher Unterschied, der durchaus zum Nachdenken anregen sollte. Es stellt sich die Frage, warum es nur so wenig nach weiblichen Personen benannte Verkehrswege in Relation zu den nach männlichen Personen benannten Verkehrswegen gibt? 1 Statistik Austria (2015): Straßenverzeichnis. URL: http://www.statistik.at/strasse/suchmaske.jsp (Zugriff: April 2015) Christian Osou, Sandra Moser und Sandra Überbacher Seite 3 Betrachtet man die nach weiblichen Personen benannten Verkehrswege nach ihrer Benennungsgrundlage, so fällt auf, dass die Kategorie Großgrundbesitzerinnen, Adelige und verdienstvolle Bürgerinnen, sowie die Kategorie Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen und Intellektuelle stark vertreten sind. In der Altstadt und im Stadtteil Lind sind die Verkehrswege vor allem nach Großgrundbesitzerinnen, Adelige und verdienstvollen Bürgerinnen benannt. Dies könnte damit im Zusammenhang stehen, dass einige weibliche Personen, nach denen in Villach Verkehrswege benannt wurden, Gattinnen oder Töchter von Großgrundbesitzern oder Adelige waren. Was besonders auffällt, ist, dass die Verkehrswege, die nach 2000 benannt wurden, alle der Kategorie Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen und Intellektuelle zugeordnet werden können. Dies könnte damit im Zusammenhang stehen, dass seit der Gender-Bewegung Frauen generell stärker Zugang zur Wissenschaft und Kunst finden und diese auch anerkannt werden. Christian Osou, Sandra Moser und Sandra Überbacher Seite 4 Weibliche Persönlichkeiten mit Bezug zu Villach als Vorlage für zukünftige Straßenbenennungen oder Umbenennungen Mathilde Martens (1834-1911) Mathilde Martens ist ein Beispiel einer bürgerlichen Frau, die zwischen gesellschaftlichen Konventionen und eigenständigem Denken hin- und hergerissen war und sich schließlich dazu entschied, sich gegen diese Konventionen zu richten, um ihren eigenen Weg zu gehen. Sobald sie heiratete und Mutter wurde, verweist ihr Leben auf eine Zerrissenheit zwischen den damaligen bürgerlichen Idealen einer Frau und dem Drang nach eigener Freiheit, sowohl in künstlerischen, als auch in gesellschaftlichen Belangen. Ein Grund warum sie durch eine Straßenbenennung nach ihr geehrt werden sollte, ist, dass sie auch den Mut aufbrachte, 1856 eine Frauengruppe in Villach zu gründen, in der sie mit anderen Frauen für ihre eigene Freiheit und gegen die damaligen Moralvorstellungen einer bürgerlichen Frau kämpfte2. Nach der Scheidung verlegte sie ihren Wohnsitz nach Wien, um sich dort künstlerisch zu verwirklichen. Sie arbeitete als Restauratorin in der Familiengalerie von Graf Esterhazy. Ihre Arbeit wurde dort sowohl geschätzt, als auch bewundert2 und auch dies erweist sich als Grund, warum Mathilde Martens durch eine Straßenbenennung geehrt werden sollte. Christine Widowitsch (1887- 1976) Christine Widowitsch könnte als Heilpraktikerin, Kräuterweiberl oder Bauernärztin bezeichnet werden. Sie schaffte für sehr viele Menschen einen Zugang zur Medizin und konnte so in ihrer 70 Jahre langen Arbeit ungemein vielen helfen. Bis in die 1930er Jahren spielten heilkundige Frauen eine wesentliche Funktion in der medizinischen Versorgung, vor allem in ländlichen Gebieten, aber auch in den Städten, da sich viele keinen Arztbesuch leisten konnten2. Nach dem Ersten Weltkrieg zog Christine nach Villach und übte hier weiterhin ihre Arbeit als Heilpraktikerin aus und machte sich dahingehend einen Namen. Ferner stand sie in enger Verbindung mit den in Villach lebenden Sinti-Familien und unterstütze diese sowohl in medizinischen, als auch familiären 2 Schmidt, Alexandra (Hrsg.)(2013): Drautöchter: Villacher Frauengeschichte(n). Johannes Heyn Verlag: Klagenfurt. Christian Osou, Sandra Moser und Sandra Überbacher Seite 5 Belangen. Die NS-Herrschaft stellt einen Einschnitt in ihrem Schaffen als Heilpraktikerin dar, da zu dieser Zeit das sogenannte Heilpraktikergesetz erlassen wurde, das eine Prüfung voraussetzt, um als HeilpraktierIn wirken zu dürfen3. Diese absolvierte Christine Widowitsch zwar, die Lizenz wurde ihr aber aufgrund ihrer Verbindung zu den Sinti-Familien verwehrt. Nichts desto trotz ließ sie sich nicht davon abbringen, weiterhin als Heilpraktikerin zu wirken und brach auch den Kontakt zu den Sinti-Familien in Villach nicht ab. Sie setzte sich in dieser schwierigen Zeit für die Bedürftigen ein, obwohl sie auch Gerichtsverhandlungen dahingehend in Kauf nehmen musste. Dies wäre durchaus ein Grund, dass Christine Widowitsch durch eine Straßenbenennung nach ihr geehrt wird. Maria Preskoller (1902-1944) Maria Preskoller ist ein Beispiel einer Frau, die im Widerstand gegen den Nationalsozialismus eine enorm wichtige Rolle spielte und dahingehend viel bewirkte. 1932 übersiedelte sie mit ihrem Ehemann Josef Preskoller und den zwei Töchtern von Osttirol nach Villach in den St. Leonharterweg3. Mit zwei Freundinnen und ihrer älteren Tochter Helga bildete sie eine Drehschreibe des Widerstandes zwischen der Partisanengruppe im Süden und dem Widerstand in der Steiermark3. So war Maria Preskoller maßgeblich an der Übermittlung von politischen Nachrichten, am Transport von Flugblättern und auch an der Nahrungsversorgung der entflohenen Zwangsarbeiter beteiligt3. Dieser aktive Widerstand ihrerseits gegen das Regime des Nationalsozialismus und ihr Mut, den sie dafür aufbrachte, sind triftige Gründe, warum Maria Preskoller von der Stadt Villach geehrt werden sollte, indem ein Verkehrsweg nach ihr benannt wird, um so ihrem Einsatz für Gerechtigkeit zu gedenken. 1944 wurde sie verhaftet und hingerichtet. Diese starken Frauen sollten Anreiz dafür geben, zukünftig mehr Verkehrswege in Villach nach weiblichen Personen zu benennen. 3 Schmidt, Alexandra (Hrsg.)(2013): Drautöchter: Villacher Frauengeschichte(n). Johannes Heyn Verlag: Klagenfurt. Christian Osou, Sandra Moser und Sandra Überbacher Seite 6