spotguide - Freeride

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spotguide - Freeride
> SPOTGUIDE
Moon-Riding: Livigno ist immer wieder für Überraschungen gut. Diesen Traumtrail fanden wir
am Carosello 3000, im Winter der Skiberg von
Livigno.
Ja
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ackpot
600 Kilometer Militärwege, Schmug
glerpfade, Singletrails. Und als
ob das noch nicht genug wäre, gib
t’s in der Alpenregion als Dreingabe einen Killer-Bikepark – Jackpot
Liv
Mario Lenzen waren dort und habe igno! Wade Simmons, Rob J und
n das Freeride-Paradies gefunden!
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> SPOTGUIDE
Typisch Simmons: Wade zeigt Tabletops im
Moto-Style im Val Federia.
Spielplatz für Gravitations-Freaks: Diese Anlieger
sind das Wahrzeichen des Mottolino-Bikeparks.
Flanieren im Ort: Rustikale Holzhäuser, dörfliches Ambiente mit italienischem Charme – in
Livigno verpuffen die Gedanken um das Alltagsallerlei automatisch.
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Wie gemalt: Livigno ist
das Singletrail-Paradies.
Wade und Rob auf der
Panoramica.
FOTOS und TEXT Markus Greber
„Saluti“, zirpt es hinter uns – und völlig verdutzt
drehen sich vier Biker-Köpfe Richtung Eingangstür der Mottolino-Bergstation. Zwar war uns
klar, dass unser Bike-Guide für die nächsten drei
Tage weiblich sein würde. Aber wir hatten eher
den Typ „Burschikose Downhill-Matrone” als
eine „Elfe in Protektoren” erwartet. Wir, das sind
Wade Simmons, Mario Lenzen, Rob J und ich.
Es ist Oktober 2007, und wir sind nach Livigno
gekommen, um unsere private Freeride-Landkarte um einen Spot zu erweitern, von dem die
Szene immer mehr schwärmt: Tagsüber endlose
Flowtrails, garniert mit geschaufelten Steilkurven, Sprüngen und Northshore-Elementen,
abends lecker Pasta essen und Party machen
in zahllosen Bars und Clubs. Und das alles zu
Low-Budget-Preisen. Denn Livigno ist bekannt
als zollfreies Einkaufs- und Schlemmerparadies.
Drei Tage Livigno sollten es werden, voll gepackt
mit allen Highlights der Region.
Schon bei der Vorab-Recherche stolperten wir
fast automatisch über Patricia, die in Livigno
eine Art weiblicher Bike-Messias ist. So infiziert
sie den Sommer über Hotelbesitzer mit dem BikeVirus und schafft die entsprechende Infrastruktur. Mit Erfolg: Bereits 14 ausgewiesene BikeHotels gibt es hier, doch das nur am Rande.
„Kommt, zum Einfahren erst mal die leichte Variante.“ Patricia stülpt sich die Schoner über die
Gazellenbeine, schwingt sich auf ihr „Ransom“
und rast mit voller Schräglage in die erste Anlieger-Kombination.
Den Freeride-Trail hatten wir schon von der
Gondel aus gescannt. Besonders im oberen,
baumfreien Teil zeigt er seine Zähne: Wie riesige
Muscheln, die sich im Sand eingegraben haben,
sehen die Anlieger schon von Weitem aus. Mit
diesen Steilkurven, die sich so lang ziehen,
dass sie mit Höchstgeschwindigkeit genommen
werden wollen, startet der Trail. Nach ein paar
hundert Metern teilt sich der Weg und man
kann wählen, welchem Jump-Trail man folgen
will. Auf jeden Fall ist hier für jede Könnensstufe
etwas dabei. Die Bandbreite reicht von kleinen
Stufen zum Droppen, Doubles und Tables in allen
Größen über teils technische Rhythm-Sections.
Am obersten Ende der Schwierigkeitsskala
stehen zwei wahrliche Monster-Tables, deren Dimension der Mann im Mond noch locker mit dem
bloßen Auge erkennen kann. Doch alles ist sicher
gebaut und jeder kann sich seinem Fahrkönnen
entsprechend steigern und herantasten.
Der zweite Teil des Trails verläuft im Wald auf
vorwiegend natürlichem Singletrail. Nur hier und
da haben die Bikepark-Designer Mutter Natur ein
wenig auf die Sprünge geholfen und den Weg
mit kleinen Jumps, Wallrides und NorthshoreElementen garniert. Alle schwierigen Passagen
lassen sich jedoch umfahren, absteigen brauchen also auch schwächere Fahrer nicht.
Wer so richtig Downhill-Luft schnuppern will,
der entscheidet sich für die (beschilderte) Original-Weltcup-Strecke von 2005. Die riesigen
Gaps von damals hat man zwar weitgehend
entschärft, doch vom Design her ist die Strecke
im Originalzustand geblieben.
BIG MOUNTAIN RIDING
Morgenstund hat Gold im Mund, schlägt aber
aufs Gemüt. Und so herrscht unter den Freeridern erstmal gedämpfte Stimmung, als sie um
fünf Uhr früh aus den Federn mussten. Unglaublich, mit welcher Kreativität die Jungs Argumente
finden, wenn’s ums Ausschlafen geht. Eine halbe
Stunde später habe ich gewonnen, wir sind auf
dem Weg zum Carosello 3000, dessen Gipfel mit
2 900 Höhenmetern der höchste Punkt des Areals
ist. Normalerweise bequem per Seilbahn (Biker
willkommen) zu erreichen, durften wir dank
Sondergenehmigung heute das Auto benutzen.
Der Berg hat die Form einer Flanke, auf deren
Grat ein Bilderbuch-Singletrail verläuft. Rechter- >
„W ER GLAU BT, TRAILS MIT FLO W
GIBT`S NIC HT IN DE N ALPE N, DE R
WI RD IN LIV IGN O EIN ES BESS ER EN
BE LEHRT.“
J
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Helikopter-Perspektive: Patricia und Rob auf dem
Höhepunkt. Im Hintergrund der Livignosee.
Flowiger geht’s
nicht: Rob und
Mario im unteren
Teil des Bikeparks
Mottolino.
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SIMMONS
„L IVI GN O IST DE R SP OT IN DE N ALPE N,
DE R ME INE N LIE BL ING ST RA ILS IN KA NA DA
AM NÄ CH STEN KO MM T.“
hand blickt man auf Livigno, dessen Häuser aus dieser Höhe wie Spielzeuge
aussehen. Dahinter der tiefblau glitzernde Livigno-Stausee. Links taucht
die Morgensonne das mächtige Bernina-Massiv in goldenes Licht. Müdigkeit und schlechte Laune sind schnell verflogen. Der Singletrail ist ein
„Eye Opener“, wie die Kanadier einen absoluten Traumtrail beschreiben.
Diesmal trifft das sogar im Wortsinn zu. Kehre für Kehre fliegen wir den
exponierte Pfad talwärts. Tief unter uns liegt das einsame Tal Val Federia
noch im Schatten. Zunächst führt der Weg durch offenes, hochalpines
Terrain – später durch einen Lärchenwald, der mich mit seinen Herbstfarben an Indian Summer in Colorado erinnert. Patricia überrascht uns
immer wieder – unglaublich, wie die zierliche Schweizerin ihr Enduro
durch die haarigen, felsdurchsetzten Schlüsselstellen zirkelt. In Livigno
lernt man scheinbar schnell. Der Panoramica-Trail bringt uns Stunden
später wieder zum Ort zurück.
AUF DEN SPUREN DER SCHMUGGLER
Heute hat das Grauen einen Namen: Der Chaschaunapass. 900 Höhenmeter, größtenteils extrem steil auf Schotter, kämpfen wir uns mit den
Freeride-Bikes – keines unter 16 Kilo – hinauf. Ziel der kraftraubenden
Expedition sind dabei noch nicht einmal epische Singletrails. Der Weg, auf
dem wir hier hochschrauben, ist eine der historischen Schmugglerrouten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren in Italien Genussmittel wie Tabakwaren, Kaffee und Zucker durch ein staatliches Monopol extrem teuer.
So entwickelte sich in und um Livigno in den 50er- und 60er-Jahren ein
lebhafter Schmugglerhandel. In bis zu 40 Kilo schweren Jutesäcken trugen
die Schweizer die heiße Ware auf schmalen Bergpfaden bis kurz vor die
italienische Grenze. Dort wurde sie von italienischen Schmugglern übernommen, die – immer nachts – ihren gefährlichen Weg ins Tal antraten.
Sommer wie Winter. Der Chaschaunapass ist die Verbindung zwischen
dem Engadin und Livigno und war somit eine der Hauptdrehscheiben
des Schmuggels.
Endlich taucht das Rifugio Cassana auf. Die Schutzhütte, kurz vor dem
Grenzübergang, ist heute beliebte Zwischenstation von Transalplern. So
sind die freundlichen Besitzer voll auf Biker eingestellt. Sie servieren uns
eine extragroße Portion Pasta. Der Tag endet mit einem Panorama, das
eher an Utah als an die Alpen erinnert. Wir hiken in Richtung des 3 000
Meter hohen Punta Cassana um mit Highspeed dessen steile, sandsteinartigen Flanken abzusurfen. Wade erklärt diesen verlassenen Ort zu seinem
Lieblingsplatz der Region. In der Ferne leuchtet der Ortler im letzten
Abendlicht, als wir wieder zum Rifugio zurückkehren.
Wir kuscheln uns ins Matratzenlager auf 2 600 Meter und lassen drei
Tage Revue passieren, die keiner von uns missen will. Livigno ist eines
der Freeride-Highlights in den Alpen – ein Rundumpaket aus perfekten
Trails, faszinierender Landschaft, gutem Essen und freundlichen Menschen. „Buona Notte. Jetzt wird geschlafen – und keine Dummheiten“,
sagt Patricia. Frauen müssen eben immer das letzte Wort haben.
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LENZEN
Gastspiel: Holger Meyer kam kurzerhand für
einen Tag zum Surfen.
Die besten Bike-Infos über Livigno: www.altarezia.eu
Beste Reisezeit: Die Trails rund um Livigno sind vom späten
Frühjahr bis Ende Oktober fahrbar. Eindeutig schönste Jahreszeit ist der Herbst. Die Lärchenwälder bekommen dann
den „Indian Summer Look“.
Anreise: Aus Süddeutschland über den Fernpass, Landeck
und das Engadin. In Zernez nach links die Passstraße Richtung Ofenpass und durch den Tunnel Munt la Schera (gebührenpflichtig). Vorsicht: Der Tunnel ist ab 20 Uhr geschlossen,
die Zufahrt nach Livigno ist dann nicht mehr möglich. Mit
dem Zug: Die Schweizer Hälfte von Alta Rezia kann man
einfach mit dem Zug erreichen. Von Zernez aus gibt es eine
neue Buslinie nach Livigno.
Bikepark-Infos:
Bikepark Mottolino: Tel: +39 0342 970025, www.mottolino.it oder www.konabikeparks.com. Offen von 21. Juni
bis 21. September, meistens von 9 bis 16.30 Uhr. Preise:
Einzelfahrt: 8 Euro (Frauen: 7 Euro). Tageskarte 20 Euro
(Frauen: 16 Euro). Fünftagespass: 60 Euro (Frauen: 49 Euro).
Leihbike- und Protektoren gibt’s an der Talstation oder in
einem Shop in Livigno ab 56 Euro/Tag.
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„FÜ R MI CH ALS BIG -M OU NTAIN RID ER HA BE ICH IN LIV IGN O ME IN
PA RA DIES GE FU ND EN .“
Die besten Strecken im Bikepark Mottolino:
1. Camanel: Perfekter natürlicher Flowtrail mit vielen
Spitzkehren. Endet direkt am Hotel Intermonti.
2. Val Tort Singletrail: Die längste und leichteste Abfahrt,
über Trepalle zum Livignosee. Mit kurzen Gegenanstiegen.
3. Val delle Mine: Singletrail-Runde mit viel Panorama,
ideal für Enduro- und All-Mountain-Biker.
4. Freeride Trail: Anspruchsvolle Strecke mit Tables,
Banked Turns und Doubles. Für Fahrer, die keine Drops und
Sprünge mögen, gibt es auch Alternativen. Trotzdem ist hier
gute Fahrtechnik Voraussetzung.
5. Downhill Trail: Die Originalstrecke der Weltmeisterschaft von 2005.
6. Jump Area: Auf halber Höhe des Mottolino-Bikeparks.
Übungsparcours mit Tables jeder Dimension. Auch Anfänger
können hier an ihren ersten Sprüngen feilen.
Die besten Bike-Touren außerhalb des Bikeparks:
Für die Region empfehlen wir die Singletrail-Maps Blatt 37
(Livigno/Bormio) und Blatt 38 (Poschiavo/Tirano), sowie
Blatt 24 (Oberengadin) für die angrenzenden Alta Rezia
Regionen. Zu bestellen unter:
www.ride-shop.ch
Tagestouren für Freerider:
1. Bernina Freeride Express: Mit dem Silvestribus kommt
man schnell zum Berninapass. Von da aus kann man Richtung St. Moritz oder Poschiavo auf flüssigen Trails surfen
und danach mit der Rhätischen Bahn wieder zurück auf die
Passhöhe. Shuttleinfos: www.rhb.ch / Tel. +41 81 288 5415 /
www.silvestribus.it Tourdaten: www.altarezia.eu
2. Carosello 3000: Diese Tour ist eigentlich nur was für
angefressene Kletterer. Zur Enduro-Tour wird die Runde,
wenn man den gesamten Aufstieg mit Hilfe der Carosello
3000 Bahn auf der anderen Seite des Bikeparks in Angriff
nimmt. Shuttleinfos: Bergbahn Carosello, Tel. +39 0342
996152 / www.carosello.it, Tourdaten: www.altarezia.eu
Die schönsten Touren für All-Mountain-Fahrer (ohne
Shuttle):
1. Panoramica: Eine kurze Trailrunde mit typischen Livigno-Trails. Tourdaten: www.altarezia.eu
2. Passo Gallo: Ein langer und leicht versteckter Ride.
Tourdaten: www.altarezia.eu
3. Passo Trela: Eine mittelschwere Tour mit dem Bürgermeister-Trail, einem Phänomen in den Alpen.
Tourdaten: www.altarezia.eu
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> LAGOTRAIL
SPOTGUIDE
Big-Mountain-Riding am frühen
Morgen: Rob und Mario fahren sich
wach am Carosello 3000.
TIBOR
KE INE VE RB OTE, KA UM REGLEM EN TS
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NIC HT BLÖD AN GESC HA UT, WE NN DU
EIN EN FU LL FA CE -H EL M TRÄG ST.
Bike-Shops:
Shopping in Livigno lohnt sich wegen der Zollfreiheit. Neben
Elektronik, Mode, Schnaps und Benzin sollte man auch
einen Blick in die Bike-Shops werfen. Die besten sind:
1. Ceccini Sport, Via Pontiglia 575, Tel. +39 0342 997 219
www.cecinisport.com
2. I’M Sport, Via Ostaria 210, Tel. +39 0342 997722
www.imsport.cx
3. Arcobaleno, Via Plan 42, Tel. + 39 0342 996 662
4. De Fox, Via Saroch 1274, Tel. +39 0342 970 471
www.livigno.com/defox
Unterkünfte:
In Livigno gibt es 14 ausgewiesene Bikehotels. Hier fünf
Unterkünfte, deren Chefs angefressene Biker sind (Preise
mit Halbpension in der Hauptsaison):
1. Hotel Lac Salin (bestes Hotel): ab 160 Euro pro Zimmer,
Tel: + 39 0342 996166, [email protected].
2. Hotel Baita Montana: ab 65 Euro pro Person,
Tel: + 39 0342 990611, [email protected].
3. Hotel Astoria: ab 43 Euro pro Person,
Tel: + 39 0342 996663, [email protected]
4. Hotel Intermonti (mit Trailanbindung Mottolino): ab 50
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1/08
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Euro pro Person, Tel: + 39 0342 972100,
[email protected].
5. Hotel Villagio San Carlo (Nähe Mottolino-Talstation): ab
42 Euro pro Person, Tel: + 39 0342 972999,
[email protected].
Die besten After Bike Locations:
Im ganzen Ort gibt es Restaurants, Bars Kaffees, Pubs
und Pizzerien. Für den Schlummertrunk hier eine kleine
Auswahl an Lokalen:
1. Junges Publikum: Homelywood Pub, Via Saroch 466
2. Das Pub im Zentrum: Micky’s Pub, Via Pontiglia 149
3. Das Stammlokal der Snowboard-Locals: Marco’s Ristorante, Via Saroch 591
4. Der gediegene Aperitiv mit guter Weinauswahl:
Jpioca Wine Bar, Via Botarel 52
5. Die Apres-Bike-Location im Keller: Bivio, Via Plan 422/A
Events:
1. Free Wheel Fest: „No pros, just bros.“ 4 Tage TrailSurfen ohne Wettkampf, dafür mit Lagerfeuer am Abend
und Touren mit Übernachtung unter freiem Himmel.
24. - 29. Juni, [email protected]
2. La Pedaleda: Legendärer Bike-Marathon, am 29. Juni
Anmeldung: [email protected]
3. Bernina Night Ride am 12. Juli: Eine 1300 Meter lange
Nachtabfahrt und ein Freeride-Abenteuer auf 18 km langen
Trails vom Berninapass nach Poschiavo.
Anmeldung: [email protected]
Camps:
1. Rocky Mountain Rider Clinics mit Wade Simmons,
Dennis Stratmann und Mario Lenzen, 26. - 29. Juni und 17.20. Juli. Anmeldung: [email protected]
2. FREERIDE-Lesercamp mit Holger Meyer, 31. Juli bis
3. August. Für fortgeschrittene Singletrail-Liebhaber und
Freeride-Einsteiger mit guter Kondition.
Infos und Anmeldung: Die Rasenmäher, Tel: 089 64280055
[email protected]