Referenzdaten (pdf-Version)
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Referenzdaten und Referenzbudgets – Kompass für die Haushaltsfinanzen I. Referenzbudgets und ihre Anwendungsbereiche Referenzdaten für Haushaltsbudgets bieten wissenschaftlich fundierte Vergleichsgrößen zur Beurteilung der Lebenshaltungskosten in einzelnen Haushalten. Sie geben Haushalten Orientierung, um individuelle Richtlinien für das eigene Handeln zu finden. Referenzdaten und Referenzbudgets sind nicht als Normgrößen zu verstehen. Sie stellen keine Vorschriften für richtiges Handeln dar. Im Unterschied zu Referenzdaten, die sich auf einzelne Ausgabenkategorien beziehen, beinhalten Referenzbudgets eine nach bestimmten Kriterien geordnete Zusammenstellung mehrerer Ausgabenkategorien. In dieser Struktur weisen sie für Haushalte unterschiedlicher Größe und Zusammensetzung die Geldbeträge aus, die in Abhängigkeit vom verfügbaren Einkommen im statistischen Durchschnitt ausgegeben werden. Alternativ dazu können die Angaben zur Höhe des Geldbedarfs eines Haushaltstyps auch auf Schätzungen von Experten oder Befragung von Betroffenen beruhen. Einsatz in Privathaushalten sowie in Budget- und Schuldnerberatung Das Abstimmen von Einnahmen und Ausgaben gehört für viele Menschen zu den alltäglichen Herausforderungen im privaten Haushalt. Das finanzielle Gleichgewicht wird durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Unerwartete Ereignisse führen beispielsweise dazu, dass sich Einkommen verringern (z.B. durch Krankheit, Arbeitslosigkeit) oder Ausgaben steigen (z.B. aufgrund einer Mieterhöhung). Ersparnisse oder Schulden bewirken, dass der finanzielle Spielraum für das Handeln unterschiedlich groß ist. Aufgabe des Haushalts ist es, das Budget kurz- und langfristig im Gleichgewicht zu halten. Immer dann, wenn Haushaltsmitglieder sich Klarheit über ihre eigene finanzielle Situation verschaffen möchten oder Veränderungen in den Konsumausgaben anstreben, sind Vergleichsdaten bzw. Orientierungswerte eine Hilfe für realistische Einschätzungen und Planungen. In Form von Referenzbudgets oder ausgewählter Referenzdaten lassen sich diese Angaben übersichtlich darstellen. Sie können jedem Haushalt helfen, das eigene Ausgabeverhalten kritisch zu überprüfen und dienen somit der Selbstinformation. In der Budget- und Schuldnerberatung unterstützen Referenzdaten und Referenzbudgets die Beratungsfachkräfte dabei, Budgetanalysen durchzuführen und haushaltsspezifische Beratungsempfehlungen auszusprechen. Sie bilden eine fundierte und objektive Datengrundlage zur Versachlichung von Beratungsgesprächen. Darüber hinaus lässt sich mit Hilfe von Referenzbudgets die wirtschaftliche Belastbarkeit (Kreditwürdigkeit) eines Haushalts beurteilen. Sie dienen dazu, mögliche wirtschaftliche Probleme zu identifizieren und Überschuldung vorzubeugen. Referenzbudgets liefern außerdem Hinweise, welches Potential zur Sicherung und zum Ausbau von Vermögen im Haushalt vorhanden ist. 1 Referenzbudgets als Orientierung für politische Entscheidungen Referenzbudgets können darüber hinaus wissenschaftlich begründete Daten für viele sozialund familienpolitische Fragestellungen, besonders bei der Bemessung von sozialkulturellen Existenzminima (Grundsicherungsniveau), liefern. Diskussionen um die Regelsatzberechnung für die Leistungen zur Grundsicherung zeigen immer wieder, wie schwer es ist, den Geldbetrag zu ermitteln, der für ein menschenwürdiges Leben notwendig ist. II. Dokumentation der bisherigen Projektarbeit zur Entwicklung von Referenzbudgets Haushaltsökonomische Analysekonzepte bieten Grundlage für die Entwicklung von Referenzbudgets Konzeptionelle Basis für die Entwicklung von Referenzdaten und Referenzbudgets sind die Haushaltsanalyse-, Simulations- und Planungsmodelle haushaltswissenschaftlicher Fachvertreterinnen und Fachvertreter sowie die Datensammlungen des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL). Die dgh-Fachtagung „Referenzbudgets für Privathaushalte“, die am 1.und 2. April 2009 in Münster stattfand, dokumentierte aus Sicht unterschiedlicher Fachexperten die Notwendigkeit, das Interesse und das Potential für die Entwicklung von Referenzbudgets in Deutschland. Als Ergebnis der Tagung wurde beschlossen, an der Entwicklung solcher Budgets auf haushaltsökonomischen Grundlagen zu arbeiten und die wissenschaftlichen Kompetenzen und anwendungsorientierten Erfahrungen der dgh-Mitglieder zu nutzen.1 Die Bearbeitung des Themas durch die Deutsches Gesellschaft für Hauswirtschaft e.V, wurde angeregt durch ein zu dieser Zeit gerade von Mitgliedern des ECDN (European Consumer Debt Network) bearbeitetes Projekt, bei dem die Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft e.V. assoziierter Partner war. Ziel des ECDN-Projektes war es, unter fachlicher Leitung der niederländischen Konsumentenorganisation NIBUD (Nationaal Instituut voor Budgetvoorlichting) in verschiedenen europäischen Ländern Referenzbudgets für Privathaushalte zu entwickeln, die in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden können: Budget- und Schuldnerberatung, Kreditwürdigkeitsprüfung, sozialpolitische Fragestellungen. Das im Projekt entwickelte Handbuch kann auf der Internetseite des ECDN bestellt werden ebenso wie weitere Informationen zu Referenzbudgets.2 1 2 Pathenschneider, M., Preuße, H. (2009): Entwicklung von Referenzbudgets. Tagungsbericht Fachgespräch an der Universität Münster. In: Hauswirtschaft und Wissenschaft, 57. Jg., H. 2., S. 6065 Warnaar, M.; Luten, A. (Ed.) (2009): Handbook of Reference Budgets, on the design, construction and application of reference budgets, Utrecht, www.referencebudgets.eu 2 Realisierung eines ersten Teilprojekts Die Wissenschaftsförderung und der Beratungsdienst Geld und Haushalt der SparkassenFinanzgruppe förderten die Entwicklung von „Referenzbudgets für Medianhaushalte“ als ein erstes Teilprojekt in Deutschland. Unter fachlicher Leitung von PD Dr. Hufnagel wurde an der Universität Bonn (Lehrstuhl von Prof. Piorkowsky) ein Algorithmus zur Berechnung von Referenzbudgets mit Daten der Einkommens- und Verbrauchsstichproben 2003 entwickelt. Der Praxistransfer wurde von einer Arbeitsgruppe gewährleistet, die von Frau Bürkin (rw budgetberatung) und Frau Dr. Preuße (Universität Gießen) koordiniert wurde.3 Im Rahmen einer Fachtagung, die am 19. und 20. Mai 2011 an der TU MünchenWeihenstephan stattfand, wurde der Zwischenstand in der Entwicklung von Referenzdaten und Referenzbudgets einer Fachöffentlichkeit vorgestellt und diskutiert.4 Erarbeitung eines Leitfadens für die Budgetberatung Die Datenstruktur und -aufbereitung wurde in einem weiteren Schritt mit den neueren Daten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 verbessert und ausdifferenziert, so dass aktuell Referenzdaten für 20 verschiedene Haushaltstypen und jeweils vier Einkommensklassen zur Verfügung stehen. Diese sind veröffentlicht in der Schrift „Referenzdaten für Haushaltsbudgets, Vergleichs- und Orientierungsgrößen für die Budgetberatung“. Die Autorinnen Heide Preuße, Stefanie Bödeker, Birgit Bürkin und Korina Dörr erläutern in dem Leitfaden auch Grundlagen der Gewinnung und Anwendung von Referenzdaten für Haushaltsbudgets, stellen ausgewählte Ausgaben privater Haushalte in Strukturvergleichen dar und zeigen Nutzungsmöglichkeiten von Referenzdaten in Budget- und Schuldnerberatungen an Beispielen auf. Veröffentlichung Preuße, Heide unter Mitarbeit von Stefanie Bödeker, Birgit Bürkin, Korina Dörr (2013): Referenzdaten für Haushaltsbudgets. Vergleichs- und Orientierungsgrößen für die Budgetberatung. Hrsg. von der dgh e.V. Zu bestellen für 18,- Euro (inkl. Versandgebühr) bei dgh e.V.5 3 4 5 Bürkin, B., Preuße, H., Weidemann, L. (2010): Referenzbudgets als Hilfe in der Beratungsarbeit. In: Hauswirtschaft und Wissenschaft, 58 J., H. 4. S.182-186 Preuße, H.(2011): Gemeinsames Anliegen zweier Fachausschüsse: Referenzbudgets. In: Hauswirtschaft und Wissenschaft, 59. Jg., H. 3, S. 114-116 Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft e.V., Allensteiner Str. 14, 49088 Osnabrück, Tel. 0541/76089988, Fax: 0541/76089991, E-Mail: [email protected] 3 Senioren als Zielgruppe einer GRUNDTVIG-Lernpartnerschaft zu Referenzbudgets Seit dem Herbst 2012 ist die Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft e.V. eingebunden in ein europäisches Bildungsprojekt im Rahmen einer GRUNDTVIG-Lernpartnerschaft, das von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen e. V. (BAGSO) koordiniert wird. Es wird mit Partnern aus sieben EU-Ländern (Belgien, Bulgarien, Deutschland, Polen, Tschechien, Slowakei und Vereinigtes Königreich) durchgeführt. Unter dem Titel "Social Inclusion and Dignity in Old Age - Promoting participatory approaches to use reference budgets" (Soziale Teilhabe und Würde im Alter – Förderung partizipativer Ansätze durch Nutzung von Referenzbudgets) geht es um die Frage, wie die Situation älterer Menschen mit niedrigem Einkommen verbessert und damit ein würdevolles Leben im Alter ermöglicht werden kann. Eine Reihe von Workshops und Projektpartner-Treffen in den Partnerländern sowie ein abschließender "Runder Tisch" in Brüssel sollen die Vernetzung und Kooperation zwischen Senioren-Organisationen, Fachverbänden und Akteuren aus Sozialdiensten, der Verbraucher-, Finanz- und Schuldnerberatung in den jeweiligen Ländern fördern. Ziel ist es, innovative und partizipative Initiativen zur Entwicklung und Erfahrungen mit dem Einsatz von Referenzbudgets zwischen den beteiligten Ländern auszutauschen. Der zweite transnationale Workshop und ein Partnertreffen wurden am 1. und 2. März 2013 vom Fachausschuss Beratung für Haushalt und Verbrauch in Kooperation mit der BAGSO in Bonn ausgerichtet. Zu dem Thema “Older People and Poverty: How can reference budgets be used in education and counseling?” konnten auch Teilnehmer am EU-Projekt „Reference Budgets for Social Inclusion“ als Referenten eingebunden und damit bereits bestehende transnationale Kooperationen gepflegt werden.6 Der Fachausschuss Beratung für Haushalt und Verbrauch wird die Lernpartnerschaft nutzen, um sich mit den Möglichkeiten der Fokusgruppenarbeit für die Weiterentwicklung und Nutzung von Referenzbudgets im unteren Einkommensbereich, zu denen zunehmend ältere Menschen gehören werden, zu widmen. Kontakt: Birgit Bürkin, Vorstandsmitglied [email protected] Prof. Dr. Stefanie Bödeker, Fachausschussvorsitzende [email protected] Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft e.V. Allensteiner Str. 16, 49088 Osnabrück, Tel.: 0541 76089988, Fax: 0541 76089991 Mail: [email protected], www.dghev.de 6 Preuße, H.; Bödeker, S.; Bürkin, B. (2013): Workshop im Rahmen der Grundtvig-Lernpartnerschaft. Armut im Alter: Wie können Referenzbudgets in Bildung und Beratung eingesetzt werden? Hauswirtschaft und Wissenschaft, 61. Jg., H. 2 4