Funktionalanalysis II.

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Funktionalanalysis II.
Funktionalanalysis II.
Flavius Guiaş
Email: [email protected]
Technische Universität Dortmund, Sommersemester 2010
http://www.mathematik.tu-dortmund.de/lsi/fguias/fa2.html
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Empfohlene Literatur:
D. Werner: Funktionalanalysis, 6.Aufl., Springer, 2007
M. Dobrowolski: Angewandte Funktionalanalysis, Springer, 2006
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung in die Operatorentheorie
1.1 Kompakte Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Adjungierte Operatoren, Annihilatoren, Gelfandscher
1.2.1 Quotientenräume. Annihilatoren . . . . . . .
1.2.2 Adjungierte Operatoren . . . . . . . . . . . .
1.2.3 Hilbert-Adjungierte . . . . . . . . . . . . . .
1.2.4 Gelfandscher Dreier . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Operatoren mit abgeschlossenem Bild . . . . . . . .
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Dreier
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2 Spektraltheorie
2.1 Spektrum und Resolventenmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Fredholm-Operatoren und Spektraltheorie kompakter Operatoren
2.3 Kompakte Operatoren auf Hilbert-Räumen . . . . . . . . . . . .
2.3.1 Selbstadjungierte Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3.2 Spektralsatz für kompakte normale Operatoren . . . . . .
2.3.3 Das abstrakte Eigenwertproblem. Satz von Courant-Hilbert
2.3.4 Das Eigenwertproblem für den Laplace-Operator . . . . .
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21
3 Distributionen und Fourier-Transformation
3.1 Distributionen . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Die Fourier-Transformation in S . . . . . .
3.3 Die Fourier-Transformation in S 0 und in L2
3.4 Sobolev-Räume und Fourier-Transformation
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4 Operatorhalbgruppen
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4.1 Operatorhalbgruppen und infinitesimale Generatoren . . . . . . . 35
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INHALTSVERZEICHNIS
Kapitel 1
Einführung in die
Operatorentheorie
L(X, Y ) bezeichne den Raum der stetigen linearen Operatoren zwischen den
Banach-Räumen X und Y . Für T ∈ L(X, Y ) bezeichnet man mit N (T ) und
R(T ) den Nullraum bzw. den Bildraum von T .
1.1
Kompakte Operatoren
Definition 1.1 Seien X, Y Banach-Räume. Eine lineare Abbildung T : X → Y
heißt kompakt, wenn sie beschränkte Mengen in X auf relativ kompakte Mengen
in Y abbildet. Die Menge dieser kompakten linearen Abbildungen wird mit
K(X, Y ) bezeichnet.
Bemerkung: Eine kompakte lineare Abbildung ist stetig, denn das Bild der abgeschlossenen Einheitskugel ist beschränkt, so dass kT kX→Y = supkxkX =1 kT xkY
existiert. Äquivalent kann man kompakte Abbildungen dadurch charakterisieren, dass sie beschränkte Folgen auf Folgen abbilden, die eine konvergente Teilfolge besitzen.
Satz 1.2 (i) Seien X und Y Banach-Räume. Dann ist K(X, Y ) ein abgeschlossener Unterraum von L(X, Y ), bzw. selbst ein Banachraum. Insbesodere folgt aus Tk → T in L(X, Y ) mit Tk kompakt, dass auch T kompakt
ist.
(ii) Sei Z ein weiterer Banach-Raum und T ∈ L(X, Y ), S ∈ L(Y, Z). Ist T
oder S kompakt, so ist ST ∈ L(X, Z) ebenfalls kompakt.
Beispiele:
(i) Falls X endlichdimensional ist, so ist die abgeschlossene Einheitskugel
B̄1 (0) kompakt. Für T : X → Y linear und stetig folgt also dass T (B̄1 (0))
ebenfalls kompakt ist. In diesem Fall gilt daher K(X, Y ) = L(X, Y ).
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KAPITEL 1. EINFÜHRUNG IN DIE OPERATORENTHEORIE
(ii) Ist T ∈ L(X, Y ) mit endlichdimensionalem Bild, so ist T kompakt, denn
T (B̄1 (0)) ist beschränkte Teilmenge in R(T ), also auch relativ kompakt
(aufgrund der endlichen Dimension des Bildraums).
(iii) Sei X = L2 (R) oder C[a, b] und k ∈ L2 (R2 ) bzw. C([a, b]2 ). Der Fredholmsche Integraloperator mit Kern k
Z
Tk : X → X, (Tk f )(s) := k(s, t)f (t)dt
ist kompakt. (Das Integral wird über R bzw, über [a, b] berechnet).
Definition 1.3 Mit F(X, Y ) bezeichnet man die Menge der stetigen linearen
Operatoren von X nach Y mit endlichdimensionalem Bild. Falls X = Y benutzen wir die übliche Bezeichnung F(X) := F(X, X).
Satz 1.4 Seien X, Y Banach-Räume.
(i) Es gilt F(X, Y ) ⊂ K(X, Y ). Genauer, wenn Tn ∈ F(X, Y ) mit
kTn − T kX→Y → 0, so ist T kompakt.
(ii) Falls eine Folge (Sn ) in F(Y ) mit
limn→∞ Sn y = y, ∀y ∈ Y existiert (und Y somit separabel ist), so gilt
F(X, Y ) = K(X, Y ).
Korollar 1.5 Sei X ein beliebiger Banach-Raum und Y einer der separablen
Banach-Räume c0 , lp , Lp (1 ≤ p < ∞), C(K) mit K ⊂ Rn kompakt. Dann gilt
F(X, Y ) = K(X, Y ).
Bemerkung: Die Aussage (ii) des Satzes ist i.A. für nichtseparable Y nicht
richtig. Allerdings, für die Räume l∞ , L∞ stimmt sie ebenfalls.
1.2
1.2.1
Adjungierte Operatoren, Annihilatoren und
Gelfandscher Dreier
Quotientenräume. Annihilatoren
Sei U ein Unterraum eines Banach-Raums X. Für x ∈ X bezeichne [x] = {x+U }
dessen Äquivalenzklasse (x ∼ y ⇔ x − y ∈ U ). Der Quotientenraum X/U bildet
mit den Operationen [x] + [y] = [x + y] und α[x] = [αx] bekanntlich einen
linearen Raum. Auf X/U defineren wir
k[x]kX/U := dist(x, U ) = inf kx − ykX .
y∈U
Satz 1.6 Sei U ein Unterraum eines Banach-Raums X. Dann ist k[x]kX/U eine
Halbnorm auf X/U . Ist U abgeschlossen, so ist k[x]kX/U eine Norm, genannt
Quotientennorm, und (X/U, k[·]kX/U ) ist ein Banach-Raum.
1.2. ADJUNGIERTE OPERATOREN, ANNIHILATOREN, GELFANDSCHER DREIER7
Lemma 1.7 Seien X und Y Banach-Räume und T ∈ L(X, Y ). Dann ist der
Operator T̃ : X/N (T ) → R(T ), T̃ : [x] 7→ T x stetig und bijektiv.
Sei X ein Banach-Raum und X 0 der Dualraum. Für x ∈ X und x0 ∈ X 0
bezeichne hx, x0 i := x0 (x).
Definition 1.8 Sei X ein Banach-Raum und U ⊂ X, V ⊂ X 0 gegebene Teilmengen. Die Annihilatoren von U bzw. V werden durch
U ⊥ := {x0 ∈ X 0 : hx, x0 i = 0 für alle x ∈ U }
(1.1)
0
(1.2)
0
V⊥ := {x ∈ X : hx, x i = 0 für alle x ∈ V }
definiert.
Die Annihilatoren U ⊥ , V⊥ sind offenbar Unterräume von X 0 bzw. X.
V⊥ ist als Durchschnitt von Nullräumen stetiger Funktionale abgeschlossen in
X. U ⊥ läßt sich als Durchschnitt der Nullräume der Funktionale i(x) ∈ X 00 mit
x ∈ U schreiben. Da diese Funktionale stetig bezüglich der schwach* Topologie
von X 0 sind, ist U ⊥ schwach* abgeschlossen in X 0 .
Satz 1.9 Sei X ein Banach-Raum und U ein Unterraum.
(i) Es gilt (U ⊥ )⊥ = Ū .
(ii) Falls U abgeschlossen ist, dann existieren die kanonischen isometrischen
Isomorphismen (X/U )0 ' U ⊥ und U 0 ' X 0 /U ⊥ .
1.2.2
Adjungierte Operatoren
Definition 1.10 Seien X, Y Banach-Räume und T ∈ L(X, Y ). Dann heißt T 0 ∈
L(Y 0 , X 0 ) mit
hT x, y 0 i = hx, T 0 y 0 i ∀x ∈ X, y 0 ∈ Y 0
(1.3)
der adjungierte Operator zu T .
Satz 1.11 Durch (1.3) wird ein eindeutiger Operator T 0 ∈ L(Y 0 , X 0 ) bestimmt.
Weiterhin gilt:
(i) Die Abbildung T 7→ T 0 von L(X, Y ) nach L(Y 0 , X 0 ) ist linear und isometrisch, d.h. es gilt kT k = kT 0 k. Sie ist i.A. nicht surjektiv.
(ii) Sind X, Y, Z Banach-Räume und T ∈ L(X, Y ), S ∈ L(Y, Z), so gilt (ST )0 =
T 0S0.
(iii) T 00 ◦ iX = iY ◦ T wobei iX , iY die kanonischen Inklusionen im Bidual sind.
(iv) Ist T ∈ L(X, Y ) invertierbar, so ist auch T 0 ∈ L(Y 0 , X 0 ) und es gilt
(T 0 )−1 = (T −1 )0 .
8
KAPITEL 1. EINFÜHRUNG IN DIE OPERATORENTHEORIE
Beispiele:
(i) Sei X = Y = lp für 1 ≤ p < ∞ und T der Linksshift (x1 , x2 , x3 , . . . ) 7→
(x2 , x3 , . . . ). Dann ist T 0 der Rechtsshift (y1 , y2 , . . . ) 7→ (0, y1 , y2 , . . . ).
(ii) Sei X = Y = Lp ([0, 1]) für 1 ≤ p < ∞ und h ∈ L∞ ([0, 1]) gegeben.
0
Definiere den Operator T(p) ∈ L(X) durch f 7→ hf . Dann gilt T(p)
= T(q)
für 1/p + 1/q = 1.
(iii) Sei X = Y = L2 ([0,
mit L2 -Kern k gegeben
R 1]) und T der Integraloperator
0
durch (T f )(s) = k(s, t)f (t)dt. Dann ist T der Integraloperator mit Kern
k 0 (s, t) = k(t, s).
Satz 1.12 (Schauder)
Seien X und Y Banach-Räume und T ∈ L(X, Y ). Dann ist T genau dann
kompakt, wenn T 0 kompakt ist.
Satz 1.13 Seien X, Y Banach-Räume und T ∈ L(X, Y ). Dann gilt:
(i) N (T 0 ) = R(T )⊥ und N (T ) = R(T 0 )⊥ .
(ii) Es gilt R(T ) = N (T 0 )⊥ , insbesondere ist T 0 injektiv, wenn das Bild R(T )
dicht in Y ist.
Korollar 1.14 Seien X, Y Banach-Räume und T ∈ L(X, Y ) ein Operator
mit abgeschlossenem Bild. Dann ist die Operatorgleichung T x = y genau dann
lösbar, wenn y ∈ N (T 0 )⊥ gilt, d.h. wenn für alle y 0 ∈ Y 0 mit T 0 y 0 = 0 die
Eigenschaft y 0 (y) = 0 gilt. Dies stimmt insbesonders dann, wenn T 0 injektiv ist.
1.2.3
Hilbert-Adjungierte
Definition 1.15 Seien H1 , H2 Hilbert-Räume und T ∈ L(H1 , H2 ). Dann heißt
T ∗ ∈ L(H2 , H1 ) mit
(T x, y) = (x, T ∗ y) ∀x ∈ H1 , y ∈ H2
(1.4)
die Hilbert-Adjungierte zu T . Falls beide Räume übereinstimmen (= H), so heißt
ein Operator T ∈ L(H) mit T = T ∗ selbstadjungiert.
Bemerkung: Im Folgenden wird der Zusammenhang zum bisher definierten
adjungierten Operator festgehalten.
Bezeichne mit jH1 : H1 → H10 die Abbildung x 7→ jH1 (x) wobei jH1 (x)(y) :=
(y, x), ∀y ∈ H1 . Nach dem Rieszschen Darstellungssatz ist jH1 eine antilineare
Isometrie. Die Gleichung (1.4) ist äquivalent zu jH2 (y)(T x) = jH1 (T ∗ y)(x),
∀x ∈ H1 , y ∈ H2 und somit zu jH2 (y) ◦ T = jH1 ◦ T ∗ y, ∀y ∈ H2 .
Ausgehend von Gleichung (1.3) erhält man analog jH2 (y)(T x) = T 0 jH2 (y)(x),
∀x ∈ H1 , y ∈ H2 und damit jH2 (y) ◦ T = T 0 ◦ jH2 (y), ∀y ∈ H2 .
−1
Damit ergibt sich T ∗ = jH
◦T 0 ◦jH2 . Die Hilbert-Adjungierte und der adjun1
gierte Operator unterscheiden sich also nur in der Darstellung des Dualraums.
1.2. ADJUNGIERTE OPERATOREN, ANNIHILATOREN, GELFANDSCHER DREIER9
Satz 1.16 Durch (1.4) ist ein eindeutiger Operator T ∗ ∈ L(H2 , H1 ) bestimmt.
Weiterhin gilt:
(i) Der Operator ∗ : L(H1 , H2 ) → L(H2 , H1 ) ist eine antilineare Isometrie,
d.h. es gilt kT k = kT ∗ k ∀T ∈ L(H1 , H2 ) und (λ1 T1 +λ2 T2 )∗ = λ̄1 T1∗ +λ̄2 T2∗
für alle T1 , T2 ∈ L(H1 , H2 ) und λ1 , λ2 ∈ K.
(ii) Sind H1 , H2 , H3 Hilbert-Räume und T ∈ L(H1 , H2 ), S ∈ L(H2 , H3 ), so
gilt (ST )∗ = T ∗ S ∗ und T ∗∗ = T .
(iii) Es gilt kT T ∗ k = kT ∗ T k = kT k2 .
(iv) Wenn T ∈ L(H1 , H2 ) invertierbar ist, so ist (T ∗ )−1 ∈ L(H1 , H2 ) mit
(T ∗ )−1 = (T −1 )∗ .
(v) T ist genau dann kompakt, wenn T ∗ kompakt ist.
Satz 1.17
(i) Für T ∈ L(H1 , H2 ) gilt N (T ∗ ) = R(T )⊥ und N (T ) = R(T ∗ )⊥ .
(ii) Es gilt R(T ) = N (T ∗ )⊥ , insbesondere ist der adjungierte Operator injektiv, wenn das Bild von T dicht in H2 ist.
Beispiele:
(i) Sei H = Kn . Dann wird T ∈ L(H) durch eine Matrix (aij )i,j dargestellt,
während T ∗ durch die Matrix (āji )i,j dargestellt ist.
(ii) Sei H = L2 ([0, 1]) und Tk ∈ L(H) der Fredholmsche Integraloperator
R1
mit L2 -Kern k, also (Tk f )(s) = 0 k(s, t)f (t)dt. Dann ist Tk∗ = Tk∗ mit
k ∗ (s, t) = k(t, s).
(iii) Sei T : l2 → l2 der Linksshift: (x1 , x2 , x3 , . . . ) 7→ (x2 , x3 , . . . ). Dann ist T ∗
der Rechtsshift, d.h. es gilt T ∗ ((y1 , y2 , . . . )) = (0, y1 , y2 , . . . ).
1.2.4
Gelfandscher Dreier
Definition 1.18 Für Hilbert-Räume H1 , H2 heißt das Schema
H1 → H2 → H10 ,
(1.5)
wobei beide Einbettungen dicht sind, Gelfandscher Dreier.
Bemerkung: Für einen Gelfandschen Dreier reicht schon die dichte Einbettung
Id
H1 → H2 aus. Aufgrund der Reflexivität der Hilbert-Räume gilt Id00 = Id und
somit, nach Satz 1.13 (ii), R(Id0 ) = N (Id)⊥ = {0}⊥ = H10 , also die Einbettung
H20 → H10 ist ebenfalls dicht. Durch Identifizierung von H2 mit H20 erhält man
die gewünschte Eigenschaft.
10
KAPITEL 1. EINFÜHRUNG IN DIE OPERATORENTHEORIE
Ein Gelfandscher Dreier erlaubt die Konstruktion einer sogenannnten negativen Norm auf H2 . Die Identifizierung von H2 mit H20 ergibt folgendes Schema:
Id
H1 → H2
x 7→ x
↔
Id0
H20 → H10
(·, y)H2 7→ (·, y)H2 |H1 .
Die negative Norm eines Elementes y ∈ H2 wird durch
kyk−1 := k(·, y)kH10 = sup
x∈H1
|(x, y)H2 |
kxkH1
(1.6)
definiert.
Aufgrund der Einbettung H1 → H2 gilt kxkH2 ≤ KkxkH1 und somit
kyk−1 ≤ sup
x∈H1
kxkH2 · kykH2
≤ KkykH2 .
kxkH1
Nach dem Rieszschen Darstellungssatz gibt es zu jedem y ∈ H2 ein xy ∈ H1
mit (·, y)H2 |H1 = (·, xy )H1 . Für x ∈ H1 , y ∈ H2 gilt dann:
|(x, xy )H1 |
kxkH1 · kxy kH1
|(x, y)H2 |
=
≤
= kxy kH1 .
kxkH1
kxkH1
kxkH1
Für x = xy gilt Gleichheit und nach (1.6) ist kyk−1 = kxy kH1 .
Falls man die Identifizierung H2 ↔ H20 vornimmt, so kann man nicht mehr
H1 mit dessen Dualraum H10 identifizieren (s. nächstes Beispiel (ii))!
Beispiel: Sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes Gebiet.
(i) Der Dualraum von H0m,2 (Ω).
Durch den Skalarprodukt
(u, v)m :=
X Z
Dα uDα vdx
Ω
|α|≤m
wird der Raum H m,2 (Ω) ein Hilbert-Raum. Wir betrachten nun den Unterraum H0m,2 (Ω). Durch wiederholte Anwendung der Poincaré-Ungleichung:
kuk2;Ω ≤ ckDuk2;Ω für u ∈ H01,2 (Ω) auf die Ableitungen Dα u erhält man,
dass
X Z
(u, v)m,0 :=
Dα uDα vdx
|α|=m
Ω
ein zu (·, ·)m äquivalentes Skalarprodukt auf H0m,2 (Ω) ist.
Mit H −m,2 (Ω) bezeichne man den Dualraum von H0m,2 (Ω). Der Rieszsche
Darstellungssatz ergibt dann, dass zu jedem L ∈ H −m,2 (Ω) es genau ein
u ∈ H0m,2 (Ω) gibt, mit
X Z
L(v) =
Dα uDα vdx
|α|=m
für alle v ∈ H0m,2 (Ω).
Ω
1.2. ADJUNGIERTE OPERATOREN, ANNIHILATOREN, GELFANDSCHER DREIER11
(ii) Die negative Norm auf L2 (Ω).
Setze H1 = (H01,2 (Ω), (·, ·)1,0 ) und H2 = (L2 (Ω), (·, ·)). Da die Einbettung
H01,2 (Ω) → L2 (Ω) dicht (und kompakt) ist, so ist auch die Einbettung
L2 (Ω)0 → H01,2 (Ω)0 = H0−1,2 (Ω) dicht (und kompakt). Durch die Identifikation L2 ↔ (L2 )0 definiert man auf L2 (Ω) die negative Norm durch
R
| Ω ūvdx|
kuk−1,2;Ω = sup
, ∀u ∈ L2 (Ω).
1,2
kDvk
2;Ω
v∈H (Ω)
0
Dies entspricht der Norm von u in dem Raum (H01,2 )0 = H −1,2 . In der
Tat, durch die Identifizierung L2 ↔ (L2 )0 definiert u ∈ L2 ein stetiges
lineares Funktional Lu ∈ (L2 )0 ⊂ (H01,2 )0 durch Lu (·) = (·, u). Nach dem
Rieszschen Darstellungssatz kann dieses Funktional durch ein w ∈ H01,2
bezüglich des Skalarporduktes (·, ·)1,0 dargestellt werden: (v, u) = Lu (v) =
(v, w)1,0 = (Dv, Dw) ∀v ∈ H01,2 . Dann gilt: kuk−1 = kLu k(H 1,2 )0 =
0
kwkH 1,2 = kDwk2;Ω . Die negative Norm ist also die Norm der Funktiona0
le auf H01,2 welche sich im obigen Sinne durch L2 -Funktionen darstellen
lassen.
Man beachte: Im Kontext dieses Gelfandschen Dreiers darf man nicht mehr
den Hilbert-Raum H01,2 (Ω) mit dessen Dualraum H −1,2 (Ω) identifizieren!
Generell wird jedes Funktional L ∈ H −1,2 (Ω) als L(v) = (Dv, Dw) =:
−(v, ∆w) ∀v ∈ H01,2 (Ω) für ein w ∈ H01,2 (Ω) dargestellt. Die letzte Gleichheit ergibt sich zunächst durch partielle Integration für hinreichend reguläre w (z.B. im dichten Unterraum C0∞ (Ω)). Man kann in diesem Fall
∆w ∈ H0−1,2 betrachten. Aufgrund von |(Dv, Dw)| ≤ kDvk2 kDwk2 für
alle v ∈ H01,2 und w ∈ H01,2 fest, kann der Laplace-Operator −∆ durch
ein Standardargument auf ganz H01,2 (Ω) fortgesetzt werden. Somit ist
−∆ : H01,2 (Ω) → H −1,2 (Ω) ein isometrischer Isomorphismus, falls man
auf H01,2 den Skalarprodukt (·, ·)1,0 betrachtet.
Im Gelfandschen Dreier ist eine solche Identifikation jedoch nicht möglich.
Id0
Nach dem Schema (L2 )0 ↔ L2 → (H01,2 )0 , u 7→ w ∈ H01,2 mit (·, u) =
(D·, Dw) = −(·, ∆w) erhält man nur diejenigen Funktionale auf H01,2 , die
durch ein w ∈ H01,2 mit −∆w = u ∈ L2 (Ω) dargestellt werden. R(Id0 )
ist also ein echter Unterraum von (H01,2 )0 , dessen Identifikation mit H01,2
nicht möglich ist.
12
1.3
KAPITEL 1. EINFÜHRUNG IN DIE OPERATORENTHEORIE
Operatoren mit abgeschlossenem Bild
Für ein Operator T ∈ L(X, Y ) mit abgeschlossenem Bild ist nach Korollar
1.14 ist die Gleichung T x = y genau dann lösbar, wenn y ∈ N (T 0 )⊥ gilt. Im
Folgenden werden Bedingungen angegeben, welche die Abgeschlossenheit des
Bildes gewährleisten.
Satz 1.19 Sei X ein Banach-Raum und X0 ⊂ X ein endlichdimensionaler Unterraum. Dann existiert eine stetige lineare Projektion P : X → X0 mit abgeschlossenen Nullraum N (P ) =: X1 . Dann gilt X = X0 ⊕ X1 algebraisch und
topologisch, d.h. für jedes x ∈ X gibt es eine eindeutige Zerlegung x = x0 + x1
mit xi ∈ Xi und kxi kX ≤ KkxkX für i = 0, 1.
Bemerkung: Im Unterschied zu den Projektionssatz für Hilbert-Räume muss
hier vorausgesetzt werden, dass der Unterraum X0 endlichdimensional ist. Die
Norm von P ist von der Dimension von X0 abhängig, während X1 von P
abhängt.
Lemma 1.20 Seien X, Y Banach-Räume und T ∈ L(X, Y ). Dann sind äquivalent:
(i) R(T ) ist abgeschlossen in Y .
(ii) Zu jedem y ∈ R(T ), gibt es ein x mit T x = y und kxkX ≤ KkykY mit K
unabhängig von y.
Satz 1.21 Seien X, Y, Z Banach-Räume mit X → Y kompakt und sei T ∈
L(X, Z). Dann sind äquivalent:
(i) R(T ) ist abgeschlossen in Z und der Nullraum N (T ) ist endlichdimensional.
(ii) Es existiert eine Konstante K mit
kxkX ≤ K(kT xkZ + kxkY ), ∀x ∈ X.
(1.7)
Lemma 1.22 Sei T ∈ L(X, Y ). Falls ein m > 0 existiert, mit mky 0 kY 0 ≤
kT 0 y 0 kX 0 für alle y 0 ∈ Y 0 , dann ist T offen.
Satz 1.23 (Satz vom abgeschlossenen Bild, Closed Range Theorem)
Seien X, Y Banach-Räume und T ∈ L(X, Y ). Dann sind äquivalent:
(i) R(T ) ist abgeschlossen in Y .
(ii) R(T ) = N (T 0 )⊥ .
(iii) R(T 0 ) ist abgeschlossen in X 0 .
(iv) R(T 0 ) = N (T )⊥ .
Kapitel 2
Spektraltheorie
2.1
Spektrum und Resolventenmenge
Gegeben Sei in Cn das lineare Gleichungssystem (A − λId)x = y, wobei A eine
n × n-Matrix und y ∈ Cn gegeben ist. Falls λ kein Eigenwert von A ist, d.h.
wenn die Matrix A − λId regulär ist, so existiert eine eindeutige Lösung. Ist λ
ein Eigenwert von A, so ist die Gleichung lösbar genau dann, wenn y ⊥ N (λ̄Id−
A∗ ) ist, wobei A∗ := ĀT . In diesem endlich-dimensionalen Fall wird jedoch oft
ausgenutzt, dass eine lineare Abblidung bijektiv ist, sobald sie entweder injektiv
oder surjektiv ist.
In beliebigen Banach-Räumen kann man diese Theorie nicht unmittelbar
übertragen. Betrachte z.B. den Folgenraum l2 und T sei der Rechtsshift:
(x1 , x2 , . . . ) 7→ (0, x1 , x2 , . . . ). Dann ist die Gleichung T x = (1, 0, . . . ) offensichtlich unlösbar, λ = 0 ist jedoch kein Eigenwert von T .
Definition 2.1 Sei X ein Banach-Raum über K = C und T ∈ L(X). Bezeichne
Tλ := λId − T .
(i) Wenn Tλ injektiv ist, bezeichne mit Rλ die Inverse von Tλ . Rλ ist dann
auf dem Bildbereich von Tλ definiert und heißt Resolventenoperator oder
Resolventenabbildung.
(ii) Die Resolventenmenge von T ist ρ(T ) := {λ ∈ C | Rλ existiert in L(X)}.
Die Elemente λ ∈ ρ(T ) heißen reguläre Werte bezüglich T . (Nach dem
Satz vom inversen Operator ist λ bereits dann ein regulärer Wert, wenn
Tλ bijektiv, d.h. Rλ auf ganz X definiert ist.)
(iii) Das Komplement der Resolventenmenge σ(T ) := C \ ρ(T ) heißt Spektrum
von T . Die Elemente aus σ(T ) heißen Spektralwerte. Das Spektrum wird
in drei disjunkte Mengen unterteilt:
13
14
KAPITEL 2. SPEKTRALTHEORIE
– Punktspektrum:
σp (T ) = {λ ∈ σ(T ) : Rλ existiert nicht, d.h. Rλ ist nicht injektiv}
In diesem Fall gilt für den linearen Operator Tλ dass N (Tλ ) 6= {0}.
λ ∈ C heißt daher Eigenwert von T , N (Tλ ) ist der Eigenraum zu λ
und dimN (Tλ ) heißt Vielfachheit von λ.
– Kontinuierliches Spektrum:
σc (T ) = {λ ∈ σ(T ) : Rλ existiert, ist auf einer dichten Teilmenge von X definiert und dort unstetig}
(In diesem Fall kann Rλ nicht auf ganz X definiert sein.)
– Residuenspektrum (Restspektrum):
σr (T ) = {λ ∈ σ(T ) : Rλ existiert, ist aber nicht auf einer dichten Teilmenge von X definiert}
Bemerkung:
• Jeder Eigenwert ist ein Spektralwert, die Umkehrung ist jedoch falsch
(s.obiges Beispiel).
• Es gilt σ(T ) = σp (T ) ∪ σc (T ) ∪ σr (T ). Der Fall einer dicht definierten
(jedoch nicht auf ganz X), stetigen Resolvente kann also nicht vorkommen.
• Beim Residuenspektrum wird keine Aussage gemacht, ob der Resolventenoperator Rλ stetig ist oder nicht. Die Bezeichnung “kontinuierliches
Spektrum” rührt daher, dass solche Spektralwerte meist kontinuierlich
vorkommen, z.B. über ein ganzes reelles Intervall.
Beispiele:
(i) Sei X = l2 und T sei der Rechtsshift: (x1 , x2 , . . . ) 7→ (0, x1 , x2 , . . . ). T ist
injektiv, nicht surjektiv und es gilt kT k = 1. Die Inverse T −1 ist auf der
Menge {x ∈ l2 | x1 = 0} definiert und ist stetig. Dieser Definitionsbereich
liegt offenbar nicht dicht in l2 , daher gehört λ = 0 zum Residuenspektrum
von T .
(ii) Sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes Gebiet und sei X = C 0 (Ω̄). Sei v ∈ X
gegeben und T : X → X, T u = uv für alle u ∈ X. Es gilt kT uk∞ =
kuvk∞ ≤ kvk∞ kuk∞ . Damit ist T ∈ L(X) mit kT k ≤ kvk∞ . Sei A ⊂ C
der Wertebereich von v (kompakte Menge). Die Gleichung (λId − T )u =
w ist also äquivalent zu (λ − v)u = w und besitzt die formale Lösung
u = w/(λ − v). Damit ist σ(T ) = A und ρ(T ) = C \ A. Wenn das Urbild
v −1 ({λ}) ein nichtleeres Inneres besitzt, so gilt für alle Funktionen u aus X
mit Träger in diesem Inneren: Tλ u = (λ − v)u = 0. Somit ist N (Tλ ) 6= {0}
und diese Funktionen u sind Eigenvektoren von T zum Eigenwert λ .
Falls das Innere von v −1 ({λ}) leer ist, ist die Gleichung (λ − v)u = w
höchstens für diejenigen w ∈ X lösbar, mit w(x) = 0 für x ∈ v −1 ({λ}).
Die Menge dieser w’s liegt aber nicht dicht in X. Diese λ gehören daher
zum Residuenspektrum von T .
2.1. SPEKTRUM UND RESOLVENTENMENGE
15
Satz 2.2 Es gilt σ(T ) = σ(T 0 ). Ist X ein Hilbert-Raum, so ist
σ(T ∗ ) = {λ̄ : λ ∈ σ(T )}.
Lemma 2.3 Sei A ∈ L(X, Y ) bijektiv. Wenn für B ∈ L(X, Y ) gilt
kA − BkX→Y <
1
,
kA−1 k
Y →X
so ist auch B bijektiv und
B −1 =
∞
X
(A−1 (A − B))k A−1 .
k=0
Die Menge der bijektiven Operatoren ist somit offen in L(X, Y ).
Definition 2.4 Sei D ⊂ C eine offene Menge und sei {Aλ }λ∈D eine Menge von
Operatoren in L(X). Aλ hängt analytisch von λ ab, wenn es für jedes λ0 ∈ D
eine Umgebung
U = U (λ0 ) und Operatoren Ak ∈ L(X) gibt, mit
P∞
Aλ = k=0 (λ − λ0 )k Ak für alle λ ∈ U .
Satz 2.5 Sei T ∈ L(X) dann gilt:
(i) ρ(T ) ist offen und nichtleer.
(ii) σ(T ) ist nichtleer, kompakt und in der Menge {λ ∈ C : |λ| ≤ kT k}
enthalten.
(iii) Der Resolventenoperator Rλ =PRλ (T ) hängt auf der Menge ρ(T ) ⊂ C
∞
analytisch von λ ab mit Rλ = k=0 (λ − λ0 )k Rλk+1
. Die Reihe ist Norm0
konvergent mindestens im Kreis {λ ∈ C : |λ − λ0 | < kRλ0 k−1 }.
Lemma 2.6 Die reelle Zahlenfolge (an ) erfülle 0 ≤ an+m ≤ an am für alle
√
√
m, n ∈ N. Dann konvergiert ( n an ) gegen a := inf n n an .
Für T ∈ L(X) und an := kT n k ergibt sich daraus:
Definition 2.7 r(T ) := inf n kT n k1/n = limn→∞ kT n k1/n wird der Spektralradius von T ∈ L(X) genannt.
Satz 2.8 Es gelten folgende Aussagen:
(i) σ(T ) ⊂ {λ ∈ C : |λ| ≤ r(T )}.
(ii) Falls K = C, so existiert λ ∈ σ(T ) mit |λ| = r(T ), also es gilt r(T ) =
max{|λ| : λ ∈ σ(T )} (daher die Bezeichnung Spektralradius).
Satz 2.9 Ist H ein Hilbert-Raum und T ∈ L(H) normal, d.h. es erfüllt T T ∗ =
T ∗ T , so ist r(T ) = kT k.
16
KAPITEL 2. SPEKTRALTHEORIE
2.2
Fredholm-Operatoren und die Spektraltheorie kompakter Operatoren auf Banach-Räumen
Definition 2.10 Seien X, Y Banach-Räume. T ∈ L(X, Y ) heißt FredholmOperator, wenn N (T ) endlichdimensional und die Kodimension von R(T ):
codim R(T ) :=dim Y /R(T ) ebenfalls endlich ist. Die ganze Zahl
ind T :=dim N (T )−codim R(T ) heißt Index des Fredholm-Operators.
Aufgrund der endlichen Kodimension besitzen Fredholm-Operatoren ein abgeschlossenes Bild:
Satz 2.11 Seien X, Y Banach-Räume und T ∈ L(X, Y ) mit codim R(T ) < ∞.
Dann besitzt T ein abgeschlossenes Bild.
Bemerkungen:
(i) (Fredholmsche Alternative)
Sei T ein Fredholm-Operator vom Index 0, d.h. dim N (T ) =codim R(T ).
Dann ist T injektiv, genau dann wenn T surjektiv ist: T injektiv ⇔
dim N (T ) = 0 = codim R(T ) ⇔ T surjektiv.
D.h.: entweder die Operatorgleichung T x = y besitzt für alle y eine eindeutige Lösung, falls die homogene Gleichung T x = 0 nur die triviale Lösung
x = 0 besitzt, oder die Gleichung T x = y ist nicht für alle y lösbar. Dann
und nur dann gibt es genau einen endlichdimensionalen Eigenraum von T
(1 ≤ dim N (T ) < ∞).
(ii) Aus N (T 0 ) = R(T )⊥ und N (T ) = R(T 0 )⊥ folgt dim N (T 0 ) = codim R(T )
bzw. codim R(T 0 ) = dim N (T ). Der adjungierte Operator T 0 : Y 0 → X 0
ist daher ebenfalls Fredholmsch mit ind T 0 = −ind T .
Die Eigenschaften des Spektrums kompakter Operatoren werden im folgenden Satz festgehalten:
Satz 2.12 (Riesz-Schauder)
Sei X ein unendlichdimensionaler Banach-Raum und T ∈ K(X). Dann gilt:
(i) 0 ist Spektralwert von T .
(ii) Tλ = λId − T ist für λ 6= 0 ein Fredholm-Operator vom Index 0, insbesondere ist jeder Spektralwert Eigenwert.
(iii) Es gibt höchstens abzählbar viele Eigenwerte, die keinen Häufungspunkt
haben, außer eventuell 0.
Der Beweis basiert auf folgende Lemmata. Sei S = Id − T für T ∈ K(X).
Lemma 2.13 Der Nullraum von S n ist endlichdimensional und das Bild von
S n ist abgeschlossen, für alle n ∈ N.
2.3. KOMPAKTE OPERATOREN AUF HILBERT-RÄUMEN
17
Lemma 2.14 Wenn N (S) = {0}, so ist R(S) = X.
Lemma 2.15 Es gilt codim R(S) = dim N (S), also S ist ein Fredholm-Operator
vom Index 0.
Der Beweis von Teil (i) des Satzes von Riesz-Schauder folgt mithilfe der Kompaktheit von T : Wenn 0 ∈ ρ(T ), so sind T, T −1 stetig, bijektiv. Eine beliebige
beschränkte Folge in X kann also als Bild durch T einer anderen beschränkter
Folge dargestellt werden. Die Kompaktheit von T impliziert die Konvergenz einer Teilfolge der ursprünglich gewählten beschränkten Folge. Dies steht aber im
Widerspruch zur Annahme, dass X unendlichdimensional ist.
Teil (ii) des Satzes folgt aus Lemma 2.14 und Lemma 2.15 für Tλ = λId−T =
λ(Id − λ−1 T ).
Teil (iii) folgt aus dem nächsten Lemma:
Lemma 2.16 Ein kompakter Operator hat höchstens abzählbar viele Eigenwerte, die keinen Häufungspunkt in C besitzen, außer eventuell 0. Jeder Eigenwert 6= 0 hat endliche Vielfachheit.
2.3
2.3.1
Kompakte Operatoren auf Hilbert-Räumen
Selbstadjungierte Operatoren
Sei H ein Hilbert-Raum. Nach Definition 1.15 heißt ein Operator T ∈ L(H)
mit T = T ∗ selbstadjungiert. Selbstadjungierte Operatoren besitzen folgende
wichtige Eigenschaften:
Satz 2.17 (Hellinger-Toeplitz)
Erfüllt eine lineare Abbildung T : H → H die Symmetriebedingung
(T x, y) = (x, T y) ∀x, y ∈ H, so ist T stetig und folglich selbstadjungiert.
Satz 2.18 Sei K = C. Dann sind für T ∈ L(H) äquivalent:
(i) T ist selbstadjungiert.
(ii) Es gilt (T x, x) ∈ R ∀x ∈ H.
Satz 2.19 Für selbstadjungiertes T ∈ L(H) gilt kT k = supkxk≤1 |(T x, x)|.
2.3.2
Spektralsatz für kompakte normale Operatoren
Ein Operator T ∈ L(H) ist nach Satz 1.16 genau dann kompakt, wenn T ∗
kompakt ist. Falls T T ∗ = T ∗ T gilt, so heißt der Operator T normal.
Lemma 2.20 Sei T ∈ L(H). Dann gilt:
(i) λ ∈ σ(T ) genau dann, wenn λ̄ ∈ σ(T ∗ ).
18
KAPITEL 2. SPEKTRALTHEORIE
(ii) Ist T selbstadjungiert und kompakt, so ist σ(T ) ⊂ R. (Die Aussage gilt
auch generell, ohne die Kompaktheitsvoraussetzung).
(iii) Ist T normal und x Eigenvektor von T zum Eigenwert λ, so ist x auch
Eigenvektor von T ∗ zum Eigenwert λ̄.
(iv) Ist T normal, so haben verschiedene Eigenwerte orthogonale Eigenvektoren.
(v) Ist K = C und T normal, so existiert λ ∈ σ(T ) mit |λ| = kT k.
(vi) Ist K = R und T selbstadjungiert und kompakt, so ist kT k oder −kT k
Eigenwert von T .
Satz 2.21 (Spektralsatz für kompakte normale Operatoren)
Sei T ∈ K(H) normal (falls K = C) bzw. selbstadjungiert (falls K = R).
Dann existieren ein (eventuell endliches) Orthonormalsystem {e1 , e2 , . . . } sowie
eine (eventuell abbrechende) Nullfolge λ1 , λ2 , . . . in K \ {0}, so dass
H = N (T ) ⊕ span{e1 , e2 , . . . }
P
sowie T x = k λk (x, ek )ek für alle x ∈ H, wobei λk die von 0 verschiedene
Eigenwerte und ek entsprechende Eigenvektoren sind. Weiterhin gilt kT k =
supk |λk |.
Bemerkung: Im obigen Satz ist (λk ) die Folge aller Eigenwerte 6= 0, zu verschiedenen Eigenvektoren (ek ). Bezeichne mit (µk ) die Folge der paarweise verschiedenen Eigenwerte von T die 6= 0 sind (deren Vielfachheit durch die Anzahl der λ’s welche = µk sind gegeben ist. Sei Ek die orthogonale Projektion
auf dem entsprechenden Eigenraum N (Tµk ) = N (µk Id − T ), gegeben durch
Pdk
k
eine ONB von N (Tµk ) ist. Dann besagt
Ek x = i=1
(eki )di=1
(x, eki )eki , wobei P
∞
der Spektralsatz, dass T x = k=1 µk Ek x ∀x ∈ H gilt. Das nächste Resultat
zeigt jedoch, dass diese Konvergenz sogar in der Operatornorm stattfindet:
Korollar 2.22 (Spektralsatz, Projektionsversion)
Unter den Voraussetzungen
von Satz 2.21 und mit den obigen BezeichnunP∞
gen, konvergiert T = k=1 µk Ek in der Operatornorm.
Definition 2.23 Ein Operator T ∈ L(H) heißt positiv (T ≥ 0), wenn
(T x, x) ≥ 0 ∀x ∈ H. (Falls K = C folgt aus Satz 2.18 dass T selbstadjungiert
ist).
Satz 2.24 (Quadratwurzel aus positive kompakte Operatoren)
Sei T ∈ K(H) positiv (und selbstadjungiert falls K = R). Dann existiert
genau ein positiver (und selbstadjungierter) Operator S ∈ K(H) mit S 2 = T .
Man schreibt S := T 1/2 .
2.3. KOMPAKTE OPERATOREN AUF HILBERT-RÄUMEN
19
Bemerkung: Für T ∈ L(H) seien die Voraussetzungen aus Satz 2.21 erfüllt.
Für die Gleichung Tλ x = y für λ 6= 0 gilt die Fredholmsche Alternative: entweder
ist λ ∈ ρ(T ), d.h. die homogene Gleichung Tλ x = 0 besitzt nur die triviale
Lösung und somit hat die Gleichung Tλ x = y eine eindeutige Lösung für alle
y ∈ H, oder es ist λ ∈ σ(T ), nach Satz 2.12 hat also die homogene Gleichung
nichttriviale Lösungen. In diesem Fall ist die Operatorgleichung Tλ x = y nicht
für alle y ∈ H lösbar.
Falls λ ∈ ρ(T ) kann man die Lösung dieser Gleichung (nach Satz 2.21 als
x=
X
k
1X
1
(y, ek )ek +
(y, e)e
λ − λk
λ
e∈S
ausdrücken, wobei S eine Orthonormalbasis von N (T ) ist.
Beispiel: Sei H = L2 ([0, 1]) und T = Tk der Fredholmsche Integraloperator
mit L2 -Kern k:
Z 1
T x(s) =
k(s, t)x(t)dt.
0
T ist somit kompakt und, falls k(s, t) = k(t, s), auch selbstadjungiert. Die obigen
Betrachtungen sind also in diesem Fall anwendbar. Weiterhin läßt sich zeigen,
dass die Entwicklung
X
k=
λn en ⊗ ēn
n
2
in L gilt, wobei (g ⊗ h)(t, s) := g(t)h(s) und dass
!1/2
kkkL2 ([0,1]2 ) =
X
λ2n
= k(λn )kl2
n
gilt.
2.3.3
Das abstrakte Eigenwertproblem. Satz von CourantHilbert
Seien (X, a(·, ·)) und (Y, (·, ·)) Hilbert-Räume über K = R mit kompakter und
dichter Einbettung X → Y . Die Normen bezeichnet man mit k · kX bzw. k · k.
Betrachte das Eigenwertproblem:
a(u, v) = λ(u, v) ∀v ∈ X
(2.1)
mit dem Eigenvektor u ∈ X zum Eigenwert λ. R
1,2
2
Beispiel:
R X = H0 (Ω), a(u, v) = (Du.Dv) = Ω DuDvdx und Y = L (Ω),
(u, v) = Ω uvdx. Das Eigenwertproblem lautet in diesem Fall:
(Du, Dv) = (u, v) ∀v ∈ X,
welche die schwache Formulierung des Eigenwertproblems −∆u = λu, u ∈
H01,2 (Ω) ist.
20
KAPITEL 2. SPEKTRALTHEORIE
Bemerkung: Das abstrakte Eigenwertproblem kann man auf die Spektraltheorie eines kompakten, selbstadjungierten Operators zurückführen.
Sei R : X → X 0 gegeben durch a(Rg, v) = g(v) ∀v ∈ X und
J : X → X 0 , u 7→ (u, ·).
Für g = J(u) gilt dann: a(RJ(u), v) = J(u)(v) ∀v ∈ X ⇔ a(RJ(u), v) =
(2.1)
(u, v) ∀v ∈ X ⇔ a(λRJ(u), v) = λ(u, v) ∀v ∈ X(λ 6= 0) = a(u, v). Damit ist
(2.1) äquivalent zu u = λRJ(u) ⇔ (Id − λRJ)u = 0.
Aufgrund des Gelfandschen Dreiers X → Y ' Y 0 → X 0 ist J kompakt, daher
ist auch RJ : X → X kompakt. Eine direkte Rechnung zeigt, dass RJ auch
selbstadjungiert ist. Somit ist das abstrakte Eigenwertproblem (2.1) äquivalent
zur Spektraltheorie des kompakten, selbstadjungierten Operators RJ.
Satz 2.25 (Courant-Hilbert)
Sei X unendlichdimensional und seien die angegebenen Voraussetzungen
an X und Y erfüllt. Dann besitzt (2.1) abzählbar unendlich viele Eigenwerte λk , k ∈ N mit Eigenvektoren uk ∈ X, kuk k = 1, wobei die Eigenwerte zu
mehrfachen Eigenvektoren auch mehrfach gezählt werden. Es gelten weiterhin
die Eigenschaften:
(i) 0 < λ1 ≤ λ2 ≤ · · · → ∞, die Eigenwerte besitzen endliche Vielfachheiten
und es gibt keine Häufungspunkte von Eigenwerten.
(ii) Die Eigenvektoren sind sowohl a(·, ·) als auch (·, ·) -orthogonal; a(uk , ul ) =
λk δkl , (uk , ul ) = δkl . Sie bilden ein vollständiges System in X und Y : Zu v ∈ Y
Pk
setze ci = (v, ui ) (i-ter Fourier-Koeffizient), vk =
i=1 ci ui (k-ter FourierAbschnitt).
Dann
gilt
v
→
v
in
Y
sowie
v
→
v
in
X, falls v ∈ X und
k
k
P∞
P∞
kvk = ( i=1 c2i )1/2 , kvkX = ( i=1 λi c2i )1/2 falls v ∈ X.
(iii) Die Eigenwerte lassen sich variationell charakterisieren durch
λk =
min
v⊥Y Ek−1
R(v)
mit dem Rayleighquotienten
R(v) =
kvk2X
a(v, v)
=
(v, v)
kvk2
und Ek−1 = span{u1 , . . . uk−1 }, wobei das Minimum für v = uk angenommen
wird (Rayleighsches Minimumprinzip).
(iv) Es gilt das Courantsche Minmax-Prinzip:
λk = min{ max R(v) : Mk ⊂ X, dim Mk = k},
v∈Mk
wobei das Minimum für Mk = Ek angenommen wird.
Bemerkungen:
(i) Der Satz gilt auch für endlichdimensionale Räume X = Y ' Rn . In
diesem Fall gibt es allerdings nur n Eigenwerte. Da jedes Skalarprodukt auf
Rn durch eine symmetrische, positiv definite Matrix erzeugt werden kann, ist
2.3. KOMPAKTE OPERATOREN AUF HILBERT-RÄUMEN
21
das Eigenwertproblem (2.1) äquivalent zu Ax = λBx mit positiv definiten,
symmetrischen Matrizen A und B.
(ii) Im Courantschen Minmax-Prinzip kommen die ersten k − 1 Eigenvektoren nicht vor (im Unterschied zum Rayleighschen Minimumprinzip). Falls für
zwei Bilinearformen a1 (·, ·) und a2 (·, ·) die Beziehung zwischen den Rayleighkoeffizienten: R1 (v) ≤ R2 (v) ∀v ∈ X gilt, so impliziert das Courantsche MinmaxPrinzip λk (a1 ) ≤ λk (a2 ) ∀k. Mit dem Rayleighschen Minimumprinzip kann man
dies nur für k = 1 folgern.
Beispiele:
(i) Berechnung der negativen Norm
Sei X → Y → X 0 ein Gelfandscher Dreier. Nach den Ausführungen im
Abschnitt 1.2.4 definiert man die negative Norm für Elemente u ∈ Y durch
kuk−1 = supv∈X |(u,v)|
kvkX . Das Supremum wir für ein w ∈ X erreicht, welches
a(w, v) = (u, v) ∀v ∈ X löst. Damit gilt kuk−1 = kwkX . Mithilfe
Pdes Orthogonalsystems
(u
)
ergeben
sich
die
Fourier-Entwicklungen:
u
=
i ci ui bzw.
P −1 i
λ
c
u
und
somit,
unter
Anwendung
von
Satz
2.25,
dass
kuk−1 =
w =
i i
i
i P
2 1/2
)
.
c
kwkX = ( i λ−1
i
i
(ii) Das Ritzsche Verfahren
Dabei approximiert man die Lösung des Problems in X:
a(u, v) = (f, v) ∀v ∈ X, f ∈ Y gegeben
durch die Lösung des folgenden Problems in einem Unterraum Xk ⊂ X mit
dim Xk = k:
a(Pk u, vk ) = (f, vk ) ∀vk ∈ Xk
dessen Lösung Pk u die orthogonale Projektion von u auf Xk ist. Man zeigt,
dass die Abschätzung ku − Pk ukX ≤ ck kf k ∀f ∈ Y gilt, wobei die Konstante ck
vom Raum Xk abhängt. Folgendes Resultat liefert eine Aussage über die Größe
dieser Konstante im Falle des optimalen Raumes Xk :
Satz 2.26 Die kleinste Konstante ck in der Ungleichung ku − Pk ukX ≤ ck kf k
∀f ∈ Y wird für die Wahl Xk = Ek = span{u1 , . . . , uk } angenommen, mit
−1/2
ck = λk+1 .
2.3.4
Das Eigenwertproblem für den Laplace-Operator
Sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes Gebiet und K = R. Betrachte das DirichletProblem:
−∆uk = λk uk in Ω
uk = 0
auf ∂Ω
oder, in schwacher Formulierung: Gesucht sind Eigenvektoren uk ∈ H01,2 (Ω) und
Eigenwerte λk ∈ R mit
a(uk , v) = λk (uk , v) ∀v ∈ H01,2 (Ω),
22
KAPITEL 2. SPEKTRALTHEORIE
wobei
Z
a(u, v) = (Du, Dv) =
DuDvdx.
Ω
Die Poincaré-Ungleichung impliziert, dass a(·, ·)1/2 eine Norm auf X = H01,2 (Ω)
ist. Mit Y = L2 (Ω) betrachte den Gelfandschen Dreier X → Y → X 0 . Nach
Satz 2.25 existieren abzählbar viele Eigenwerte 0 < λ1 ≤ λ2 ≤ · · · → ∞ und die
entsprechenden Eigenvektoren bilden ein vollständiges Orthogonalsystem in X
und in Y .
Man kann zeigen, dass die schwachen Lösungen des Eigenwertproblems regulär und somit klassische Lösungen des ursprünglichen Dirichlet-Problems sind:
Satz 2.27 (Innere Regularität)
Falls u ∈ H01,2 (Ω) eine Lösung von a(u, v) = λ(u, v) ∀v ∈ H01,2 (Ω) ist, so gilt
u ∈ H 2,2 (Ω0 ), ∀Ω0 ⊂⊂ Ω und kuk2,2;Ω0 ≤ ckuk1,2;Ω .
Bemerkung: Die Eigenschaft der inneren Regularität gilt auch allgemeiner, für
elliptische Differentialoperatoren.
Lemma 2.28 Die Eigenvektoren uk liegen in C ∞ (Ω).
Bemerkung: Seien Ω1 , Ω2 Gebiete mit Ω1 ⊂ Ω2 . Setze die Funktionen, die
auf Ω1 definiert sind, durch 0 auf Ω2 fort. Damit folgt C0∞ (Ω1 ) ⊂ C0∞ (Ω2 ) und
H01,2 (Ω1 ) ⊂ H01,2 (Ω2 ). Nach dem Courantschen Minmax-Prinzip folgt λk (Ω1 ) ≥
λk (Ω2 ), die Eigenwerte sind also gebietsmonoton.
Beispiel: Sei Ω = (0, 1)2 . Die Eigenwerte des Laplace-Operators sind gegeben
durch λij = π 2 (i2 + j 2 ) mit den Eigenvektoren uij = sin(iπx) sin(jπy). Für
K ∈ N liegt im Intervall [K 2 /4, K 2 ] eine Anzahl O(K 2 ) Eigenwerte. Damit
existieren Konstanten m, M > 0 mit mk ≤ λk ≤ M k. Für Quadrate (0, a)2 gilt
eine ähnliche Ungleichung, mit m = m(a), M = M (a).
Diese Eigenschaft kann man benutzen, um eine Abschätzung dieser Art für
allgemeine Gebiete zu zeigen:
Satz 2.29 Sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes Gebiet. Dann gibt es Konstanten m =
m(Ω), M = M (Ω) > 0, so dass für den k-ten Eigenwert λk (Ω) gilt: mk ≤
λk (Ω) ≤ M k.
Als nächstes betrachten wir eine Anwendung des Eigenwertproblems des
Laplace-Operators unter anderen Randbedingungen.
Beispiel: Lösung der Wärmeleitungsgleichung mit Neumannschen Randbedingungen

in Ω × R+
 vt − ∆v = 0
Dν v = 0
auf ∂Ω

v(x, 0 = v0 (x) in Ω
wobei v(t, x) die Temperatur zur Zeitpunkt t im Punkt x des Gebietes darstellt.
Die betrachtete Randbedingung besagt, dass kein Wärmefluß durch den Rand
stattfindet.
2.3. KOMPAKTE OPERATOREN AUF HILBERT-RÄUMEN
23
Eine erste Lösung des Eigenwertproblems für den Laplace-Operator mit den
gegebenen Randbedingungen ist λ1 = 0 mit dem Eigenvektor u1 = konstant.
Die Neumannsche (“natürliche”) Randbedingung liefert die schwache Formulierung (Du, Dv) = λ(u, v) für alle v ∈ H 1,2 (Ω). Im Unterschied zur “erzwungenen” (Dirichlet-) Randbedingung ist diese nicht in dem zugrunde liegenden
Hilbertraum eingebaut, we z.B. im Falle des Raumes H01,2 .
Die bisherige Theorie lieferte aber nur strikt positive Eigenwerte. Um es
für die Bestimmung der restlichen Eigenwerte λ > 0 anwenden zu können,
benötigt man die Angabe eines passenden Unterraumes X ⊂ H 1,2 (Ω), in welchem die nichtkonstanten Eigenfunktionen liegen. Durch Einsetzen von v ≡ 1
in die schwache Formulierung
des Eigenwertproblems, erhält man dass für die
R
Lösung u die Eigenschaft Ω udx = 0 gelten muss.
Die anderen Eigenwerte und Eigenvektoren erhält man also
R durch Anwendung des Satzes 2.25 für die Räume X = {v ∈ H 1,2 (Ω) : Ω vdx = 0} und
Y = L2 (Ω). Dies ist möglich, da auf X (Funktionen mit verschwindendem Mittelwert) ebenfalls eine Poincaré-Ungleichung gilt. Die Folge der Eigenwerte des
Laplace-Operators in diesem Fall ist also 0 = λ1 < λ2 ≤ · · · → ∞ mit den
entsprechenden Eigenvektoren ui zu λi .
Der Ansatz vi (t, x) = ki (t)ui (x) für partikuläre Lösungen liefert ki (t) =
ci e−λi t und die Lösung de urspünglichen partiellen Differentialgleichung ist damit gegeben durch
∞
X
v(x, t) =
v0,i e−λi t ui (x),
i=1
P∞
wobei v0 (x) = i=1 v0,i ui (x), v0,i = (v0 , ui ).
Dies impliziert folgende Eigenschaften der Lösung:
(k)
der Anfangsdaten: Für beliebige k ∈ N gilt: kDt v(t, ·)k22 =
P∞a) Glättung
−2λi t
2k −2λi t
2
→ 0 für λi → ∞.
≤ c(t, k)kv0 k22 , da λ2k
i e
i=1 v0,i λi e
b) Asymptotisches Verhalten: v(x, t) → v0,1 für t → ∞, wegen λ1 = 0.
Da für t → ∞ die Approximation v(t, x) ≈ v0,1 u1 + v0,2 e−λ2 t u2 (x) (mit u1 =
konst) gilt, ist das Langzeitverhalten der Lösung v hauptsählich von der zweiten
Eigenfunktion u2 (x) beeinflusst.
24
KAPITEL 2. SPEKTRALTHEORIE
Kapitel 3
Distributionen und
Fourier-Transformation
In diesem Kapitel wird stets K = C angenommen.
3.1
Distributionen
Definition 3.1 Sei Ω ⊂ Rn ein Gebiet und (φk ) eine Folge in C0∞ (Ω). Wir
D
sagen, (φk ) konvergiert gegen φ ∈ C0∞ (Ω) (Bezeichnung φk → φ), wenn es eine
kompakte Menge K ⊂⊂ Ω gibt mit supp(φk ), supp(φ) ⊂ K und wenn Dα φk →
Dα φ gleichmäßig in Ω für alle Multiindizes α gilt. Der Raum C0∞ (Ω) mit diesem
Konvergenzbegriff wird mit D(Ω) bezeichnet. Die Elemente φ ∈ D(Ω) werden
auch Testfunktionen genannt.
Bemerkung: Man kann zeigen, dass dieser Konvergenzbegriff auf einer lokalkonvexen Topologie auf D(Ω) basiert.
Definition 3.2 Eine lineare Abbildung T : D(Ω) → C heißt Distribution, wenn
D
T sie folgenstetig bezüglich des Konvergenzbegriffs “→” ist, d.h. wenn für alle
Folgen (φk ) in D(Ω) gilt
D
φk → φ ⇒ T (φk ) → T (φ).
Die Menge der Distributionen wird mit D0 (Ω) bezeichnet.
Bemerkung: Die Menge der Distributionen D0 (Ω) bildet ein Vektorraum.
Satz 3.3 Ein lineares Funktional T : D(Ω) → C ist genau dann eine Distribution, wenn es zu jeder Menge K ⊂⊂ Ω Konstanten c ∈ R+ und N ∈ N gibt
mit
|T (φ)| ≤ ckφkN,∞;K = c max sup |Dα φ(x)| ∀φ ∈ D(K)
|α|≤N x∈K
wobei D(K) aus allen Funktionen in C ∞ mit Träger in K besteht.
25
26 KAPITEL 3. DISTRIBUTIONEN UND FOURIER-TRANSFORMATION
Definition 3.4 Distributionen T = Tf ∈ D0 (Ω) für welche
Z
Tf (φ) =
f φdx ∀φ ∈ D(Ω)
Ω
für ein f ∈
L1loc (Ω)
gilt, heißen reguläre Distributionen.
D
Bemerkung: Der Begriff ist wohldefiniert. Wenn φk → φ, so gilt supp(φk ), supp(φ) ⊂
K ⊂⊂ Ω und wegen f ∈ L1 (K),
Z
Z
f (φk − φ)dx ≤ max |φk − φ|
|f |dx → 0.
Ω
K
K
1
RDamit ist TRf eine Distribution. Falls Tf = Tg für f, g ∈ Lloc (Ω), so folgt aus
f φdx = Ω gφdx ∀φ ∈ D(Ω) (mit dem Fundamentallemma der VariationsΩ
rechnung) dass f = g f.ü. Somit ist die Zuordnung f → Tf injektiv.
Reguläre Distributionen Tf werden in der Regel mit ihrer Darstellung f
identifiziert.
Definition 3.5 Eine Distribution T ∈ D0 (Ω) heißt von endlicher Ordnung,
wenn es Konstanten c ∈ R+ und N ∈ N0 gibt mit
|T (φ)| ≤ ckφkN,∞;Ω ∀φ ∈ D(Ω).
Das minimale N heißt die Ordnung von T .
Bemerkung: Reguläre Distributionen und Distributionen von endlicher Ordnung bilden Unterräume von D0 (Ω). Ein Funktional, welches die Bedingung in
der obigen Definition erfüllt, ist nach Satz 3.3 bereits eine Distribution.
Beispiel: Die Dirac-Distribution δa für a ∈ Ω definiert durch δa (φ) = φ(a) ∀φ ∈
D(Ω) ist nicht regulär, aber von endlicher Ordnung mit der Ordnung 0.
Definition 3.6 Sei T ∈ D0 (Ω). Für eine Funktion p ∈ C ∞ (Ω) definiert man
die Multiplikation pT durch
pT (φ) = T (pφ) ∀φ ∈ D(Ω)
und für einen Multiindex α die Differentiation durch
Dα T (φ) = (−1)|α| T (Dα φ) ∀φ ∈ D(Ω).
Bemerkung: Man verifiziert leicht, dass pT und Dα T in der obigen Definition
ebenfalls Distributionen sind. Für reguläre Distributionen gilt sogar noch mehr,
wie das folgende Resultat zeigt:
Lemma 3.7 Sei Tf eine reguläre Distribution. Dann gilt pTf = Tpf für alle
p ∈ C ∞ (Ω). Falls die schwache Ableitung Dα f ∈ L1loc existiert, so gilt Dα Tf =
TD α f .
3.1. DISTRIBUTIONEN
27
Bemerkung: Die Identifizierung der regulären Distributionen mit der entsprechenden Funktion wird somit zusätzlich gerechtfertigt. Allgemeine Distributionen können jedoch beliebig oft differenziert werden (wobei das Ergebnis ebenfalls
eine Distribution darstellt). Aufgrund dieser Eigenschaft, wie das nächste Resultat zeigt, kann man aber das Produkt pT in der Tat nur für C ∞ -Funktionen
p definieren.
Lemma 3.8 Sei T ∈ D(Ω).
(i) Für p ∈ C ∞ (Ω) gilt Di (pT ) = Di pT + pDi T .
(ii) Für Multiindizes α, β gilt Dα+β T = Dα (Dβ T ) = Dβ (Dα T ).
Beispiele:
(i) Für die Heaviside-Funktion H : R → R, H(x) = 1(0,∞ (x) gilt DTH = δ0 .
(ii) Für die Dirac-Distribution δa ∈ D(Ω) gilt Dα δa (φ) = (−1)|α| Dα φ(a) und
pδa (φ) = p(a)φ(a) für alle p ∈ C ∞ (Ω).
Definition 3.9 Sei T ∈ D0 (Ω) eine Distribution.
(i) Für ein Teilgebiet Ω0 ⊂ Ω wird die Einschränkung von T auf Ω0 definiert
durch
T |Ω0 (φ) = T (φ) ∀φ ∈ D(Ω0 ).
Es gilt somit T |Ω0 ∈ D0 (Ω0 ).
(ii) Die Menge
supp(T ) = {x ∈ Ω̄ : ∀δ > 0 gilt T |Ω∩Bδ (x) 6= 0}
heißt der Träger von T .
Beispiel: supp(δa ) = {a}.
Satz 3.10 Der Träger einer Distribution besitzt folgende Eigenschaften:
(i) supp(T ) ist abgeschlossen und es gilt T (φ) = 0, falls supp(T )∩supp(φ) = ∅.
(ii) Ist Tf regulär, so läßt sich f auf einer Nullmenge so abändern, dass
supp(Tf ) ⊂ supp(f ).
(iii) Ist Tf regulär mit f ∈ C(Ω), so gilt supp(Tf ) = supp(f ).
Satz 3.11 Besitzt T ∈ D0 (Ω) einen kompakten Träger in Ω, so ist T von
endlicher Ordnung, es gibt also ein N ∈ N0 und ein c > 0 mit |T (φ)| ≤
kφkN,∞;Ω , ∀φ ∈ D(Ω).
Satz 3.12 Sei T ∈ D0 (Ω),
P a ∈ Ω und supp(T ) = {a}. Dann gibt es ein N ∈ N0
und bα ∈ C mit T (φ) = |α|≤N bα Dα δa (φ).
28 KAPITEL 3. DISTRIBUTIONEN UND FOURIER-TRANSFORMATION
Definition 3.13 Eine Folge (Tk ) konvergiert in D0 (Ω) gegen T ∈ D0 (Ω) (BeD0
zeichnung: Tk → T ), wenn Tk (φ) → T (φ) für alle φ ∈ D(Ω).
Satz 3.14 Sei (Tk ) eine Folge in D0 (Ω), so dass (Tk (φ)) für alle φ ∈ D(Ω)
D0
konvergiert. Dann gibt es eine Distribution T ∈ D0 (Ω) mit Tk → T .
D0
D
Satz 3.15 Ist Tk → T und φk → φ, so gilt Tk (φk ) → T (φ).
Sei nun Ω = Rn .
Da wir eine reguläre Distribution Tf mit der Funktion f ∈ L1loc identifizieren,
für welche das Faltungsprodukt f ∗ ψ für ψ ∈ D definiert ist, setzt man
Z
(Tf ∗ ψ)(x) = (f ∗ ψ)(x) = f (y)ψ(x − y)dy = Tf (ψ(x − ·)).
Dies motiviert die allgemeine Definition:
Definition 3.16 Für T ∈ D0 und ψ ∈ D ist die Faltung T ∗ ψ die Funktion
definiert durch
(T ∗ ψ)(x) = T (ψ(x − ·)),
wobei der Punkt die Variable bezeichnet, auf die T wirkt.
Beispiel: Für T =
P
i
αi δai gilt (T ∗ ψ)(x) =
P
i
αi ψ(x − ai ).
Die Differenzierbarkeitseigenschaften des Faltungsproduktes von Funktionen
übertragen sich auch in diesem Fall:
Satz 3.17 Sei T ∈ D0 und ψ ∈ D. Dann ist T ∗ ψ in Rn unendlich oft differenzierbar mit supp(T ∗ ψ) ⊂ supp(T ) + supp(ψ) und
Dα (T ∗ ψ) = (Dα T ) ∗ ψ = T ∗ (Dα ψ).
Lemma 3.18 Für T ∈ D0 und ψ, φ ∈ D gilt (T ∗ φ) ∗ ψ = T ∗ (φ ∗ ψ).
Satz 3.19 Für alle Distributionen T gilt mit den skalierten glättenden Kernen
D0
J die Konvergenz: T ∗ J → T , insbesondere ist C ∞ dicht in D0 und C0∞ ist
dicht im Raum der Distributionen mit kompaktem Träger.
Definition 3.20 Eine Distribution
T ∈ D0 (Rn ) heißt Fundamentallösung des
P
Differentialoperators P (D) = |α|≤m aα Dα , wenn P (D)T = δ0 gilt.
Beispiele:
(i) Die Distribution TH für die Heavisidefunktion H(x) = 1(0,∞) (x) ist eine
d
.
Fundamentalllösung des Operators D = dx
3.2. DIE FOURIER-TRANSFORMATION IN S
29
(ii) Die Fundamentallösung des Laplace-Operators ∆ ist gegeben durch Tu ,
wobei
1
− n(n−2)ω
|x|−n+2 , n ≥ 3
n
u(x) =
1
, n=2
2π log |x|
wobei ωn das Volumen der n-dimensionalen Einheitskugel in Rn bezeichnet.
Satz 3.21 Sei T eine Fundamentallösung von P (D) und f ∈ D(Rn ). Dann ist
die Lösung der Differentialgleichung P (D)u = f in Rn gegeben durch u(x) =
(T ∗ f )(x).
Bemerkung: Das Resultat gilt auch für allgemeinere rechte Seiten f . In dieser
Vorlesung haben wir das Faltungsprodukt T ∗ f jedoch nur für f ∈ D definiert,
wobei das Ergebnis wiederum eine Funktion in D ist. Eine Erweiterung des Faltungsproduktes für allgemeinere f liefert als Ergebnis die Distribution T ∗ f ,
welche die betrachtete Partielle Differentialgleichung (im Distributionssinn) löst.
Zusätzliche Regularitätseigenschaften dieser Distributionslösung müssen allerdings noch nachgewiesen werden. Auf weitere Details wird an dieser Stelle jedoch
verzichtet.
3.2
Die Fourier-Transformation in S
Sei weiterhin Ω = Rn .
Definition 3.22 Setze für k, l ∈ N0
pk,l (φ) = sup (|x|k + 1)
x∈Rn
X
|Dα φ(x)|.
|α|≤l
Eine Funktion φ ∈ C ∞ (Rn ) heißt schnell fallend, wenn pk.l < ∞ ∀k, l ∈ N0 . Mit
S = S(Rn ) wird die Menge der schnell fallenden Funktionen bezeichnet. Wir
S
sagen, (φj ) konvergiert gegen φ in S (Schreibweise φj → φ), wenn pk,l (φj −φ) →
0 ∀k, l ∈ N0 .
Bemerkung: Die Funktionen in S samt deren Ableitungen fallen für große
2
|x| schneller als jedes |x|−k ab. Die Funktion φ(x) = e−|x| liegt in S, jedoch
nicht in D, da sie kein kompakter Träger besitzt. Die Konvergenz in S ist die
polynomial gewichtete Konvergenz aller partiellen Ableitungen. D ist dicht in
S
S, denn es gilt τR φ → φ für R → ∞, wobei τR eine Abschneidefunktion gleich
1 für |x| ≤ R und gleich 0 für |x| > 2R ist.
Definition 3.23 Sei φ ∈ S. Dann heißt
Z
−n/2
Fφ(ξ) = (2π)
e−ix·ξ φ(x)dx, ξ ∈ Rn
Rn
die Fourier-Transformierte von φ. Der auf S definierte Operator heißt FourierTransformation.
30 KAPITEL 3. DISTRIBUTIONEN UND FOURIER-TRANSFORMATION
Bemerkung: Der Begriff ist wohldefiniert,
denn für φ ∈ S gilt |φ(x)| ≤ c(1 +
R
|x|)−n−1 und somit |Fφ(ξ)| ≤ c Rn |e−ix·ξ |(1 + |x|)−n−1 dx ≤ c.
Satz 3.24 Für φ ∈ S und ein Multiindex α sind auch xα φ, Dα φ, Fφ, Dα Fφ, F(Dα φ) ∈
S und es gilt Dα Fφ = (−i)|α| F(xα φ) und ξ α Fφ = (−i)|α| F(Dα φ).
S
Satz 3.25 Die Fouriertransformation F : S → S ist stetig, d.h. φk → φ ⇒
S
Fφk → Fφ.
Korollar 3.26 Die Fouriertransformation ist stetig zwischen den Räumen L1 (Rn )
und C 0 (R¯n ) mit kFuk∞ ≤ (2π)−n/2 kuk1 . Für u ∈ L1 (Rn ) gilt weiterhin, dass
lim|ξ|→∞ |Fu(ξ)| = 0.
Bemerkung: Im Fourier-Raum wird die partielle Ableitung zu einer Multiplikation mit einem Monom und daher transformiert sich eine lineare partielle
Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten in eine Multiplikation mit einem Polynom. Damit man aus den Eigenschaften im Fourier-Raum wieder auf
den Eigenschaften im ursprünglichen Raum schließen kann, ist die eine Umkehrtransformation notwendig.
Lemma 3.27 Es gilt
F(e−|x|
2
/2
)(ξ) = e−|ξ|
2
/2
.
Satz 3.28 Die Fourier-Transformation F : S → S ist bijektiv, stetig mit stetiger Inverse gegeben durch
Z
(F −1 φ)(x) = (2π)−n/2
eix·ξ φ(ξ)dξ, ∀φ ∈ S.
Rn
3.3
Die Fourier-Transformation in S 0 und in L2
Definition 3.29 Mit S 0 (Raum der langsam wachsenden oder temperierten
Distributionen) bezeichnet man den Raum der linearen Funktionale T : S → C
S
die folgenstetig bezüglich der Konvergenz in S sind, also φk → φ ⇒ T φk → T φ.
D
S
Bemerkung: Es gilt S 0 ⊂ D0 , denn φk → φ ⇒ φk → φ ⇒ T φk → T φ.
Beispiele:
(i) Jede Distribution mit kompaktem Träger kann zu einem Element in S 0
fortgesetzt werden.
(ii) Für f ∈ Lp (Rn ) ⊂ L1loc (Rn ) läßt sich die Distribution Tf auf S fortsetzen.
(iii) Für ein Polynom q(x) mit Grad ≤ k ist Tq ∈ S 0 .
2
(iv) Für f (x) = e|x| läßt sich die Distribution Tf nicht auf S forsetzen.
3.3. DIE FOURIER-TRANSFORMATION IN S 0 UND IN L2
31
Definition 3.30 Für T ∈ S 0 heißt
FT (φ) = T (Fφ)
die Fourier-Transformierte von T . Weiterhin definiert man
F −1 T (φ) = T (F −1 φ).
Satz 3.31
(i) Ist Tψ ∈ S 0 regulär mit ψ ∈ S, so gilt FTψ = TF ψ .
(ii) Für T ∈ S 0 ist FT ∈ S 0 .
Satz 3.32 Die Transformationen F, F −1 : S 0 → S 0 sind bijektiv mit FF −1 T =
F −1 FT = T .
Satz 3.33 Für T ∈ S 0 gilt F −1 T (φ(ξ)) = FT (φ(−ξ)) und
T
D α δ0
xα
Dα T
xα T
FT
(2π)−n/2 i|α| xα
(2π)n/2 i|α| Dα δ0
i|α| xα FT
i|α| Dα FT
F −1 T
(2π)−n/2 (−i)|α| xα
(2π)n/2 (−i)|α| Dα δ0
(−i)|α| xα F −1 T
(−i)|α| Dα (F −1 T ).
Satz 3.34 Für φ, ψ ∈ S gilt die Parsevalsche Gleichung
(φ, ψ) = (Fφ, Fψ) = (F −1 φ, F −1 ψ),
insbesondere kφk2 = kFφk2 , d.h. die Fourier-Transformation und deren Inverse
sind Isometrien bezüglich der L2 -Norm.
Bemerkung: Da S dicht in L2 ist, können die isometrischen Abbildungen
F, F −1 : S ⊂ L2 → S ⊂ L2 eindeutig zu auf L2 stetigen Abbildungen forgesetzt werden.
Definition 3.35 Die eindeutige Fortsetzung von F auf L2 heißt Fourier-PlancherelTransformation und wird auch mit F bezeichnet.
Satz 3.36 Für die Fourier-Plancherel-Transformation gilt für alle φ, ψ ∈ L2 :
(φ, ψ) = (Fφ, Fψ) = (F −1 φ, F −1 ψ),
insbesondere kφk2 = kFφk2 . Weiterhin stimmt die Fourier-Plancherel-Transformation
(durch die Identifizierung Tf ↔ f ) mit der Fourier-Transformation in S 0 überein
und es gilt FTf = TF f für alle f ∈ L2 .
32 KAPITEL 3. DISTRIBUTIONEN UND FOURIER-TRANSFORMATION
3.4
Sobolev-Räume und Fourier-Transformation
Sei Ω ⊂ Rn ein Gebiet (nicht unbedingt beschränkt). Zunächst definieren wir
die gebrochenen Sobolev-Räume H s,p (Ω), wobei der Exponent s > 0 nicht ganzzahlig sein muß. Sei dazu s = m + σ mit m ∈ N0 und 0 < σ < 1. Für 1 ≤ p < ∞
definieren wir:
Z Z
|u(x) − u(y)|p
|u|pσ,p;Ω =
dxdy,
n+σp
Ω Ω |x − y|
X
kukps,p;Ω = kukpm,p;Ω +
|Dα u|pσ,p;Ω .
|α|=m
Die Ausdrücke | · |σ,p;Ω sind nur Halbnormen, da sie für alle konstanten Funktionen verschwinden.
Bemerkung: Die Funktion |x|α liegt in L1 (B1 (0)) genau dann, wenn α > −n
und in L1 (Rn \ B1 (0)) genau dann, wenn α < −n. Der Beweis erfolgt über
Polarkoordinaten.
Definition 3.37 Für nichtganzzahliges s > 0 und 1 ≤ p < ∞ besteht der
Raum H s,p (Ω) aus den Funktionen u ∈ H m,p (Ω) mit endlicher Norm kuks,p;Ω .
Bemerkung: Für den Fall p = ∞ erhält man die bereits bekannten HölderRäume C m,σ (Ω̄).
Satz 3.38 H s,p (Ω) ist ein Banach-Raum unter der Norm k · ks,p;Ω . Weiterhin
ist H s,2 (Ω) ein Hilbert-Raum mit dem Skalarprodukt
X
(u, v)s = (u, v)m +
(Dα u, Dα v)σ ,
|α|=m
wobei
(u, v)m =
X
(Dα u, Dα v)
|α|≤m
das Skalarprodukt in H
m,2
(Ω) ist und
Z Z
(u, v)σ =
Ω
Ω
(u(x) − u(y))(v(x) − v(y))
dxdy.
|x − y|n+2σ
*
Im Folgenden betrachten wir nur die Hilbert-Räume H s,2 , welche auch durch
die Fourier-Transformation charakterisiert werden können:
Satz 3.39 Sei s ≥ 0. Dann gibt es Konstanten c1 , c2 > 0 die von s abhängen,
so dass für alle u ∈ H s,2 (Rn ) gilt:
Z
2
c1 kuks,2;Rn ≤
(1 + |ξ|)2s |Fu|2 dx ≤ c2 kuk2s,2;Rn .
Rn
3.4. SOBOLEV-RÄUME UND FOURIER-TRANSFORMATION
33
Satz 3.40 Sei s ≥ 0. Auf Ω ⊂ Rn gebe es einen stetigen Forsetzungsoperator
E : H s,2 (Ω) → H s,2 (Rn ) mit Eu|Ω = u. Dann stimmt der Raum H s,2 (Ω) mit
der Einschränkung der Funktionen in H s,2 (Rn ) auf Ω überein und die Norm
kuk0s,2;Ω = inf{k(1 + | · |)s F ũk2;Rn : ũ ∈ H s,2 (Rn ) mit ũ|Ω = u}
ist zur Norm in H s,2 (Ω) äquivalent.
Bemerkung: Man zeigt, dass ein solcher Fortsetzungsoperator E z.B. für beschränkte Gebiete der Klasse C m,1 existiert.
Mithilfe der Fourier-Transformation lassen sich z.B. Einbettungssätze für die
Räume H s,2 zeigen:
Satz 3.41 Sei s − n/2 = l + α mit l ∈ N0 und 0 < α < 1. Gibt es für das Gebiet
Ω ⊂ Rn einen stetigen Fortsetzungsoperator E : H s,2 (Ω) → H s,2 (Rn ), so gilt
die Einbettung H s,2 (Ω) → C l,α (Ω̄).
An dieser Stelle wird an die bisher bekannten Spursätzen aus der Theorie
der ganzzahligen Sobolev-Räume erinnert. Hier kann man einen stetigen Spuroperator S : H 1,p (Ω) → Lq (∂Ω) definieren (1/p + 1/q = 1), wobei Su mit der
klassischen Fortsetzung auf ∂Ω übereinstimmt, falls u ∈ C 0 (Ω̄). Im Allgemeinen gilt die Umkehrung nicht: Zu Elementen u ∈ Lq (∂Ω) gibt es kein stetiger
Fortstzungsoperator F mit F u ∈ H 1,p (Ω). Dafür benötigt man eine zusätzliche
Regularität, welche in geeigneter Weise durch gebrochene Sobolov-Räume charakterisiert werden kann.
Definition 3.42 Sei m ∈ N0 , s = m + σ mit 0 < σ < 1. Sei Ω ein beschränktes Gebiet der Klasse C m,1 mit entsprechender Lokalisierung (Uj , φj )
(mit Zerlegung der Eins {φj }), j = 1, . . . , J. Nach Drehung und Verschiebung
des Koordinatensystems ist der Rand ∂Ω lokal darstellbar als {(y 0 , hj (y 0 )} mit
y 0 ∈ Uj0 ⊂ Rn−1 und hj ∈ C m,1 .
Eine Funktion u : ∂Ω → K liegt im Raum H s,2 (∂Ω), wenn die Funktionen
uj (y 0 ) = (φj u)(y 0 , hj (y 0 )) im Raum H s,2 (Uj0 ) liegen.
Mit Dα uj = Dyα0 uj ist H s,2 (∂Ω) normiert durch:
kuk2m,2;∂Ω
=
J
X
X Z
j=1 |α|≤m
|u|2σ,2;∂Ω
kuk2s,2;∂Ω
J Z
X
|Dα uj |2 dσ für σ = 0,
∂Ω
|uj (x) − uj (y)|2
dσx dσy
|x − y|m−1+2σ
j=1 ∂Ω ∂Ω
X
= kuk2m,2;∂Ω +
|Dα u|2σ,2;∂Ω für 0 < σ < 1
=
Z
|α|=m
Bemerkung: Die Normen hängen von der Lokalisierung ab, sind aber äquivalent
für unterschiedliche Lokalisierungen.
34 KAPITEL 3. DISTRIBUTIONEN UND FOURIER-TRANSFORMATION
Satz 3.43 Sei Ω ein beschränktes Gebiet der Klasse C m,1 . Sei s = m + σ > 1/2
mit 0 ≤ σ < 1.
(i) Der Spuroperator S ist stetig zwischen den Räumen H s,2 (Ω) und H s−1/2,2 (∂Ω).
(ii) Es existiert ein stetiger Fortsetzungsoperator F : H s−1/2,2 (∂Ω) → H s,2 (Ω)
mit SF = Id.
Kapitel 4
Operatorhalbgruppen
Die Lösung der linearen homogenen gewöhnlichen DGL u0 = Au, u(0) = x0 in
Rn is bekanntlich gegeben durch u(t) = etA x0 , wobei die Exponentialfunktion
für Matrizen über die entsprechende Potenzreihe definiert wird. Dabei gilt die
Halbgruppeneigenschaft esA etA = e(s+t)A , s, t ≥ 0 und e0A = Id. Ziel dieses
Kapitels ist, diese Fragestellung im Kontext von linearen (nicht notwendig beschränkten) Operatoren A auf einem Banach- (Hilbert-) Raum zu untersuchen.
A kann oft ein linearer Differentialoperator sein und die entsprechende lineare
gewöhnliche DGL im Banachraum ist somit eine partielle Differentialgleichung.
4.1
Operatorhalbgruppen und infinitesimale Generatoren
Sei X ein Banach-Raum.
Definition 4.1 Eine stark stetige Operatorhalbgruppe (oder C0 -Halbgruppe) ist
eine Familie Tt : X → X, t ≥ 0 von stetigen linearen Operatoren mit folgenden
Eigenschaften:
(i) T0 = Id,
(ii) Ts+t = Ts Tt für alle s, t ≥ 0,
(iii) limt→0 Tt x = x für alle x ∈ X.
Bemerkung: Die Bedingung (iii) bedeutet Stetigkeit der Halbgruppe in der
starken Operatortopologie. Diese lokalkonvexe Topologie wird auf dem Raum
L(X, Y ) durch die Halbnormen px (T ) = kT xkY , x ∈ X erzeugt. Bedingung (iii)
bedeutet also, dass Tt gegen Id in dieser Topologie konvergiert. Gilt stattdessen
die stärkere Forderung (iii)’ limt→0 kTt − Idk = 0, so spricht man von einer
normstetigen Halbgruppe.
35
36
KAPITEL 4. OPERATORHALBGRUPPEN
Beispiele:
(i) Sei A ∈ L(X) Dann definiert
Tt = etA :=
∞ n n
X
t A
n!
n=0
eine normstetige Halbgruppe.
(ii) Die Translationshalbgruppe (Tt f )(x) = f (x + t) für f ∈ Lp (R), Lp ([0, ∞)),
1 ≤ p < ∞, oder in C 0 (R̄), C 0 ((0, ∞)).
(iii) Die Wärmeleitungshalbgruppe definiert auf Lp (Rd ) durch T0 = Id und
Z
|x − y|2
1
exp −
(Tt f )(x) =
f (y)dy = γt ∗ f für t > 0,
4t
(4πt)d/2 Rd
wobei γt (x) = (4πt)−d/2 exp(−|x|2 /4t).
Lemma 4.2 Ist (Tt )t≥0 eine C0 -Halbgruppe auf einem Banach-Raum X, so
existieren Konstanten M ≥ 1, ω ∈ R mit kTt k ≤ M eωt für alle t ≥ 0.
Bemerkung: Die Zahl ω0 = inf{ω : ∃M = M (ω) mit kTt k ≤ M eωt } heißt der
Typ oder die Wachstumsschranke der Halbgruppe. Falls man M = 1 und ω = 0
wählen kann, d.h. wenn kTt k ≤ 1, so spricht man von einer Kontraktionshalbgruppe.
Lemma 4.3 Ist (Tt ) eine C0 -Halbgruppe auf einem Banach-Raum X, so ist die
Abbildung (t, x) 7→ Tt (x) stetig von [0, ∞) × X nach X und zwar gleichmäßig
stetig in t auf kompakten Teilmengen von [0, ∞). Insbesondere ist für jedes
x ∈ X die vektorwertige Funktion u : t 7→ Tt x stetig. Bezeichnung: u ∈
C([0, ∞), X).
Definition 4.4 Sei (Tt )t≥0 eine C0 -Halbgruppe auf einem Banach-Raum X.
Der infinitesimale Generator von (Tt ) ist der Operator
Ax = lim
h→0
Th x − x
h
auf dem Definitionsbereich
Th x − x
dom(A) = x ∈ X : lim
existiert .
h→0
h
Beispiele:
(i) Der Generator der Halbgruppe (etA ) ist A selbst.
(ii) Für die Translationshalbgruppe (Tt ) gilt Af = f 0 , wobei auf C 0 dom(A) =
{f ∈ C 0 : f 0 ∈ C 0 } ist, während auf Lp dom(A) = {f ∈ Lp : f ist absolutstetig mit
f 0 ∈ Lp } gilt.
4.1. OPERATORHALBGRUPPEN UND INFINITESIMALE GENERATOREN37
(iii) Der Generator der Wärmeleitungshalbgruppe auf L2 (Rd )ist der LaplaceOperator ∆ mit dom(∆) = H 2,2 (Rd ). Im Fall p 6= 2 gilt dom(∆) = {f ∈
Lp : ∆f ∈ Lp } = H 2,p (Rd ) für 1 < p < ∞.
*
Z
Im Folgenden wird das Riemann-Integral
b
u(s)ds für stetige, Banachrauma
wertige Funktionen u : [0, ∞) → X benötigt. Deren Konstruktion und Eigenschaften sind ähnlich wie
! beiZ reellwertige (stetige) Funktionen. Für T ∈ L(X)
Z b
b
gilt dazu T
u(s)ds =
T (u(s))ds.
a
a
Lemma 4.5 Sei A der infinitesimale Generator der C0 -Halbgruppe (Tt ) auf
dem Banach-Raum X und sei t ≥ 0. Dann gilt:
Z t
Z t
(i)
Ts xds ∈ dom(A) für alle x ∈ X und A
Ts xds = Tt x − x.
0
0
(ii) Tt ( dom(A)) ⊂ dom(A).
(iii) Tt Ax = ATt x für alle x ∈ dom(A).
Z t
(iv) Tt x − x =
Ts Axds für alle x ∈ dom(A).
0
Satz 4.6 Der infinitesimale Generator einer C0 -Halbgruppe ist dicht definiert
und abgeschlossen (der Graph G(A) ist abgeschlossen in dom(A) × X).
Satz 4.7 Sei (Tt ) eine C0 -Halbgruppe auf dem Banach-Raum X mit Generator
A und sei x0 ∈ dom(A). Dann ist die Funktion u : [0, ∞) → X, u(t) = Tt x0
stetig differenzierbar, mit Werten in dom(A) und eine Lösung des abstrakten
Cauchy-Problems
u0 = Au, u(0) = x0 .
(4.1)
Die Lösung von (4.1) mit diesen Eigenschaften ist eindeutig und hängt stetig
vom Anfangswert x0 ab.
Korollar 4.8 Zwei C0 -Halbgruppen mit demselben Generator stimmen überein.
Satz 4.9 Für eine C0 -Halbgruppe (Tt ) mit Generator A sind folgende Aussagen
äquivalent:
(i) (Tt ) ist normstetig.
(ii) A ist stetig.
(iii) dom(A) = X.
Falls diese Bedingungen erfüllt sind, so gilt Tt = etA für alle t ≥ 0.
38
KAPITEL 4. OPERATORHALBGRUPPEN
*
Das obige Resultat charakterisiert also die normstetigen Halbgruppen. Als
nächstes werden notwendige und hinreichende Bedingungen angegeben, unter
welchen ein Operator A eine C0 -Halbgruppe erzeugt. Nach Satz 4.6 muss A
dicht definiert sein. Für dicht definierte Operatoren definiert man die Begriffe
Resolventenmenge, Spektrum, Resolventenabbildung analog wie im Abschnitt
2.1. Es gilt ebenfalls, dass ρ(A) offen und Rλ analytisch ist, während das Spektrum σ(A) abgeschlossen ist, i.A. aber für unbeschränkte Operatoren A nicht
kompakt ist (vgl. Abschnitt 2.1).
Satz 4.10 Sei A der infinitesimale Generator einer Kontraktionshalbgruppe
(Tt ). Dann gilt:
(i) {λ ∈ C : Reλ > 0} ⊂ ρ(A).
R∞
(ii) Rλ x = (λId − A)−1 x = 0 e−λs Ts xds für alle λ mit Reλ > 0 (die Resolvente ist also die Laplace-Transformierte der Halbgruppe).
(iii) kRλ k ≤ 1/(Reλ) für alle λ mit Reλ > 0.
Satz 4.11 (Satz von Hille-Yosida für Kontraktionshalbgruppen)
Ein Operator A ist genau dann ein Generator einer Kontraktionshalbgruppe,
wenn A dicht definiert und abgeschlossen ist, (0, ∞) ⊂ ρ(A) gilt und kRλ k ≤ 1/λ
für alle λ > 0.
Satz 4.12 Sei A der infinitesimale Generator einer C0 -Halbgruppe (Tt ) mit
kTt k ≤ M eωt für alle t ≥ 0. Dann gilt:
(i) {λ ∈ C : Reλ > ω} ⊂ ρ(A).
R∞
(ii) Rλ x = (λId − A)−1 x = 0 e−λs Ts xds für alle λ mit Reλ > ω.
(iii) kRλn k ≤ M/(Reλ − ω)n für alle λ mit Reλ > ω, n ∈ N.
Satz 4.13 (Satz von Hille-Yosida im allgemeinen Fall)
Ein Operator A ist genau dann ein Generator einer C0 -Halbgruppe, wenn
A dicht definiert und abgeschlossen ist, und wenn Konstanten ω ∈ R, M ≥ 1
existieren mit (ω, ∞) ⊂ ρ(A) und kRλn k ≤ M/(λ − ω)n für alle λ > ω, n ∈ N. In
diesem Fall gilt die Abschätzung kTt k ≤ M eωt für alle t ≥ 0.
*
Im Folgenden werden weitere Kriterien an einem Operator betrachtet, welche
ihn als Generator einer Halbgruppe charakterisieren. Im Unterschied zum Satz
von Hille-Yosida, werden die Bedingungen nur von dem Operator selbst und
nicht von dessen Resolvente abhängen.
Definition 4.14 (i) Die Dualitätsabbildung auf einem Banach-Raum X ist
die mengenwertige Abbildung J : X → P(X 0 ) mit
J(x) = {x0 ∈ X 0 : kx0 k = kxk und hx, x0 i = kxk2 }.
4.1. OPERATORHALBGRUPPEN UND INFINITESIMALE GENERATOREN39
(ii) Ein linearer Operator A auf X heißt dissipativ, falls ∀x ∈ dom(A), ∃x0 ∈
J(x) mit RehAx, x0 i ≤ 0.
(iii) Ein linearer Operator A auf X heißt akkretiv, falls −A dissipativ ist.
Bemerkungen: Nach dem Satz von Hahn-Banach gilt immer J(x) 6= ∅. Falls
X = H ein Hilbert-Raum ist (mit der Identifikation H 0 = H) ist J(x) = {x}
und der Operator A ist genau dann dissipativ, wenn Re(Ax, x) ≤ 0 auf dom(A)
gilt.
Beispiele:
• Für X = Lp mit 1 < p < ∞ gilt für f 6= 0: J(f ) = {g} mit g(x) =
kf k2−p
f (x)|f (x)|p−2 ∈ Lq mit 1/p + 1/q = 1. Weiterhin ist J(0) = {0}.
p
• Für X = C[0, 1] ist J(1[0,1] (x)) die Menge aller W’Maße auf [0, 1].
• Sei X = C 0 (R̄d ) und A = ∆ mit dom(∆) = S(Rd ). Dann ist ∆ dissipativ:
Zu φ ∈ S(Rd ) existiert ein x0 mit kφk∞ = |φ(x0 )|. Setze α = φ(x0 ) und
definiere das Funktional x0 = αδx0 . Dann gilt x0 ∈ J(φ) und Reh∆φ, x0 i =
Reα ∆φ(x0 ) ≤ 0, denn die reellwertige Funktion ψ = Reα φ nimmt bei x0
ihr Maximum an und somit müssen bei x0 alle ∂ψ/∂x2j ≤ 0 sein.
Satz 4.15 Ein linearer Operator A ist genau dann dissipativ, wenn
kTλ xk ≥ λkxk ∀λ > 0, x ∈ dom(A).
Satz 4.16 (Lumer-Phillips)
Sei A ein dicht definierter linearer Operator in einem Banach-Raum X. Dann
ist A genau dann der infinitesimale Generator einer Kontraktionshalbgruppe,
wenn A dissipativ ist und Tλ0 = λ0 Id − A für ein λ0 > 0 surjektiv ist.
Beispiel: Sei X = {f ∈ C[0, 1] : f (0) = f (1) = 0} mit der Supremumsnorm
und Af = f 00 mit dom(A) = {f ∈ C 2 [0, 1] ∩ X : f 00 ∈ X}. Dann erzeugt A eine
Kontraktionshalbgruppe (Tt ) auf X und für f0 ∈ dom(A) ist v(t, x) := Tt f0 eine
Lösung des Anfangswertproblems
vt = vxx
für
t ≥ 0, x ∈ (0, 1)
v(0, x) = f0 (x)
v(t, 0) = v(t, 1) = 0
für
für
x ∈ (0, 1)
t ≥ 0.