Tr§tzdem - Justizvollzugsanstalt Oldenburg

Transcrição

Tr§tzdem - Justizvollzugsanstalt Oldenburg
Tr§tzdem
Gefangenenzeitung der JVA Oldenburg
Nr. 37 September 2007
Hockeyturnier
S. 20
S. 9
S. 29
S. 73
S. 24
Top-Thema Neue Vollzugsschwerpunkte
S. 28
S. 19
S. 53
„Woyzeck“
S. 22
Die Meister S. 38
S. 14
S. 14
Gesetze, Urteile
S. 38
Entwurf NJVollzG
S. 33
S. 66
Humor
Inhalt
Inhalt
Seite
JVA intern
In eigener Sache (Redaktionsinfo) 4
Informationen & Veranstaltungen 4
Fragebogen für Beamte
6
Fragebogen für Gefangene
7
Keine Gewalt!
8
Die GIV informiert
8
(Luft-) Matratzen
8
Die Bau– und Hofkolonne
9
Neubau einer Werkstatt
10
Auf Schub
12
Der Pendler
14
Aus für Abteilungen?
16
Ein Wunder
17
Muslime im Knast
17
Ramadan
18
Ein Holländer in der JVA
18
Abpfiff
19
Nachrufe
19
Inhalt
Seite
Der Selbstbedienungseinkauf
Abschiebepraxis
Aus der Rechtsprechung, Urteile
Grundrechte
BGH sucht neue Wege
Hoffnung für Unschuldige
Das Oldenburger Verständnis
Kultur — Ausland — Medien
Literatur & Co. Spezial
42
Der Hörbuch Club
42
- Hörbücher
Literatur & Co.
Recht — Soziales
Zum neuen NJVollzG
Aus den Ausschüssen
Der Vollzugsplan
33
33
35
42
Buchtipps
„Woyzeck“
Autoreninfo John Irving
Neue Literaturgruppe
Ingeborg Drewitz Literaturpreis
Gedichte
Auslandsinfo: Schweden
Buchtipp
Presseschau
- Schlüssel das wichtigste...
- Strengere Haftbedingungen...
- Gefangene betten sich bald...
- Grüne kritisieren harte Linie...
- 600 Sextäter jährlich zurück...
- Klickend in den Knast
- Jugendliche immer…
- Scharfer Streit über neues…
- Langer Weg zum Ziel
- Drinnen läuft für Draußen
Seite
- Härtere Bandagen im Knast
- Häufig verurteilt
- Grüne für offenen Vollzug
- Aus erster Hand
Humor im Knast
64
64
64
65
66
Mixed
Schachrätsel und Sudoku
Das Superquiz
Aus der Bücherei
Preisrätsel
Adressen
Leserbeitrag
Backen hinter Gittern
Vorschau nächste Ausgabe
Impressum
68
69
69
70
71
72
73
74
74
46
Kunst hinter Gittern
- Buchtipps
Bildung — Sport — Gesundheit
Die neuen „Schiris“
20
Hockey-Herausforderung
20
Sportplatzwiedereröffnung
21
Das kleine Fußballturnier
21
Niedersachsenmeister!
22
Top-Thema:
Neue Vollzugsschwerpunkte
24
• Bildungsmaßnahmen
24
• Leitgedanken
24
• Angebote ausgewählter JVAs 26
• Eine Bildergeschichte
27
• Alphabetisierungskurs
28
• Migrationsgruppe
28
• ECDL, Abschlussbericht
29
• Impressionen zum ECDL
30
• Elementarkurs Berufl. Bildung 31
• Sprachkurse in Eigeninitiative 32
36
37
38
40
40
41
41
Inhalt
-
75
46
52
53
54
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60
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60
61
61
61
62
62
63
63
63
Redaktionsschluss für die nächste Ausgabe ist der 22. November 2007
Spenden
Auch wir sind auf Spenden angewiesen, um weiterhin das Erscheinen der “Tr§tzdem” in der
gewohnten Qualität gewährleisten zu können.
Wir bitten daher um Ihre Unterstützung und eine Spende auf das Konto der:
JVA Oldenburg
Verwendungszweck: Tr§tzdem
Bank:
BLZ:
Konto-Nr.:
Norddeutsche Landesbank, Hannover
25050000
106024813
Auf Wunsch wird gerne eine Spendenquittung übersandt.
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
3
JVA intern
In eigener Sache
Infos aus der Redaktion:
Neu dazu gekommen sind Joachim
G. und Stephan M.. Nicht mehr dabei
sind Werner Brauer, der in den offenen
Vollzug gegangen ist sowie Andreas
Junker, der sich um einen Platz in einer
anderen Einrichtung bemüht hat, Wolfgang Frank und Dieter Schacht.
Unterstützung bekam Herr Dannebaum bei der Betreuung der Redaktion
durch Frau Grenz.
Unser Top-Thema in dieser
Ausgabe:
Neue Vollzugsschwerpunkte in Oldenburg.
Ist die JVA Oldenburg bei ihrer
Inbetriebnahme noch als eine reine
Untersuchungshaftanstalt konzipiert
worden, so weist die momentane
Gefangenenstruktur
ein
völlig
verändertes
Bild
auf.
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Fast
die
§
Tr informiert
Hälfte
der
Inhaftierten
der Hauptanstalt sind
aufgrund
des veränderten Sicherheitskonzepts für die
Niedersächsischen Justizvollzugsanstalten Strafgefangene. Dieser veränderten Gefangenenstruktur ist
durch ein umfangreiches Behandlungs– und Bildungskonzept in der
JVA Oldenburg Rechnung getragen
worden. Über die wesentlichen Neuerungen wird nun berichtet.
Nicht realisierte Themen:
Wir hatten gehofft, dass es in
den vergangenen Monaten gelingen
würde, den Film „Der Kick“ von Andreas Veiel, der in einer nur schwer
erträglichen Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse von einem Kriminalfall aus der Uckermark berichtet,
in der JVA aufführen zu lassen. Leider haben organisatorische Gründe
bisher gegen eine Realisierung gestanden.
Wir wollten auch mehr über die
sommerlichen Sportveranstaltungen
berichten. Leider hat der Neubau der
Halle für die Tischlerei dazu geführt,
dass das übliche Sport– und Sommerfest nicht mehr stattgefunden
hat.
4
Schach- und Sudoku- Lösung:
Die Lösungen sind auf Seite 9
zu finden!
Danke:
Unser besonderer Dank gilt den
verschiedenen Autoren unserer Beiträge, den Beamten, die ihre Freizeit
dafür geopfert haben, den externen
Autoren für Ihr Interesse an qualitativ guten Gefangenen-Zeitungen und
den Gefangenen, die eine ungewohnte Tätigkeit auf sich genommen
haben.
An dieser Stelle bedanken wir
uns bei Frau Barkemeyer, die der
Tr§tzdem stets verbunden ist und
jedes Mal viel Arbeit beim Korrektur
lesen hat. Sie wird unterstützt von
unserem externen Redaktionsmitglied D K.
Informationen & Veranstaltungen
Alphabetisierungskurs
Lerngruppe
Herr
Dannebaum
Anmeldung mit
VG 51
Sportlehrer
Dienstags
Freitags
von
16:30
bis
18:15
von
13:15
bis
14:45
Migrationskurs
Gefährdetenhilfe
Für Gefangene mit Migrationshintergrund,
die das Ziel und die Möglichkeit
haben, in Deutschland zu bleiben.
Seelsorgerisches Angebot in ehrenamtlichem Engagement aus christlicher Verantwortung von gläubigen
Christen, die in der Gruppe Bibelarbeit und Gespräche anbieten und
gemeinsam musizieren.
Ziele dieser Maßnahme sind:
Vorbereitung und Motivation für die Teilnahme
an weiterführenden Bildungs– und Ausbildungsmaßnahmen, Verbesserung der Integration in die Gesellschaft der Bundesrepublik
Deutschland und Finden der eigenen Identität
in der neuen gesellschaftlichen Umgebung.
Herr Buß
Frau Danilin
Auf Antrag bei Vorlie-
Dienstags
von
bis
Jeweils für 6 Monate
gen der Voraussetzungen
und max. 10 Teilnehmer
13:30
16:00
Wie schon in der vorhergehenden Ausgabe, sind die von Mitinhaftierten aus Oldenburg und an anderen Orten gezeichneten und gemalten Bilder in eine Galerie aufgenommen worden. Den Künstlern danken
wir für ihre Bereitschaft, ihre Werke
den Lesern der Tr§tzdem vorzustellen. Postkarten soll es wieder in der
Weihnachtsausgabe geben.
Große Unterstützung erhielten
wir von vielen Buchverlagen, die uns
mit vielen wertvollen Rezensionsexemplaren versorgt haben. Die Bücher sind wie immer auch in der Gefangenenbücherei erhältlich.
UM
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Das Angebot richtet sich in erster Linie an
Gefangene, die aus dem russischen Sprachraum kommen.
Durchgeführt wird es von 8 Ehrenamtlichen in
unterschiedlicher Besetzung.
Frau
Barkemeyer
Anmeldung mit
VG 51
Sozialdienst Team 1
Mittwochs
von
bis
18:00
19:30
ZoG
„Zukunft ohne Gewalt“
Kognitiv-behaviorales Behandlungsprogramm, geschlossene Gruppe mit
8 -10 Gefangenen über 15 Monate
Auf Antrag bei
Frau Grenz
Vorliegen der VorHerr
aussetzungen
Schwindeler
Donnerstags
i. d. R. 14-tägig
Bei Bedarf
wöchentlich
von
17:15
bis
19:15
Beginn: 30.8.07
JVA intern
Informationen & Veranstaltungen
Gottesdienst
Anonyme Alkoholiker
Kirchengruppe
„AA“
Gottesdienst in der Kapelle unabhängig von der Konfessionszugehörigkeit
Frau Menz
Herr Kisse
Seelsorge
Sonntags
Anmeldung im
Stationsbüro bis
Donnerstag
von
10:45
bis
Gesprächsgruppe
Herr Korn
Sozialdienst Team 1
Montags
11:15
Gesprächsgruppe
Anmeldung mit
VG 51
von
bis
Frau Menz
Seelsorge
Anmeldung mit
VG 51
17:45
1. und 3.
von
16:30
19:15
Montag
bis
18:00
Musikgruppe
Spielegruppe
Literaturgruppe
Gemeinsames Musizieren
Brett-, Karten-, Gesellschaftsspiele und mehr
Gruppe für Literaturinteressierte
Herr Wojtke
Abteilungshelfer
Team 1
Anmeldung mit
VG 51
Frau
Barkemeyer
Anmeldung mit
VG 51
Herr Kisse
von
1. und 3.
Seelsorge
Anmeldung mit
VG 51
Sozialdienst Team 1
Dienstags
von
17:00
bis
Dienstags
19:00
bis
16:45
18:15
Mittwoch
von
16:30
bis
18:00
AnstaltsleiterSprechstunde
Chor
Orientierungsgruppe für
Drogenabhängige
Einzelgespräch
Gospelchor der JVA
Elf Sitzungen im Gruppenraum des Suchtberatungsdienstes (SBD) bei Station D3
mit Herrn Höpken von der Caritas in Sögel
Herr Zech
Vollzugsleitung
Anmeldung mit
VG 51
Frau Menz
Seelsorge
Anmeldung mit
VG 51
Herr
Höpken
externer Suchtberater
Mittwochs
von
16:00
bis
17:00
Donnerstags
von
16:30
bis
19:00
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Donnerstags
Antrag an den
Suchtberatungsdienst
von
16:30
bis
18:00
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JVA intern
Fragebogen für Beamte
Name:
Michael Schwindeler
Alter:
38
Im Dienst seit: Mai 2007
Team:
2
Frage 1:
Warum wählten Sie den Beruf des Vollzugsbeamten und wie ist Ihr beruflicher Hintergrund?
Ich habe eine Ausbildung zum Industriekaufmann absolviert und war in der Folgezeit in der Buchhandlung meines
Ausbildungsbetriebes beschäftigt. Während meiner Zivildienstzeit habe ich mein Herz für die Arbeit mit Menschen
entdeckt und angefangen, mich für Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Psychologie zu interessieren. Mein Studium
der Sozialpädagogik habe ich dann durch eine Nebentätigkeit bei einem Paketdienst finanziert und habe danach
eine Tätigkeit im Jugendhilfebereich aufgenommen, bis ich vor ca. 5 Jahren in den Fachdienst der JVA Meppen
gewechselt bin. Anfang Mai 2007 bin ich dann in die JVA Oldenburg gewechselt.
Frage 2:
Wie beurteilen Sie den Vollzug in Oldenburg im Gegensatz zu anderen Anstalten?
Um eine abschließende Beurteilung abzugeben, bin ich noch nicht lange genug in der JVA Oldenburg. Außerdem
war ich in der JVA Meppen hauptsächlich in der sozialtherapeutischen Abteilung beschäftigt. Mein Haupttätigkeitsfeld lag somit in der Therapie und Behandlung von Sexual- und Gewalttätern. Vergleiche sind insofern kaum anzustellen. Die höhere Sicherheitsklassifizierung und die Sauberkeit in der JVA Oldenburg sind schon bemerkbar.
Frage 3:
Falls Sie die Frage beantworten möchten: Haben Sie Familie? Was haben Sie für Hobbys, was
machen Sie in Ihrer Freizeit?
Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder, mit denen ich viel Zeit verbringe. Außerdem spiele ich noch Handball,
allerdings ohne regelmäßig zu trainieren. Wenn ich dann noch Zeit habe genieße ich die freie Zeit.
Frage 4:
Können Sie das Private vom Beruf trennen?
Für mich ist es wichtig, authentisch wahrgenommen zu werden. Keinerlei Verflechtungen von Privatem und Beruf
halte ich für utopisch. Ich bin jemand, der sich freuen und ärgern kann, aber auch mutig, wütend oder ängstlich ist.
Diese Facetten habe ich im Privaten und im Beruf. Natürlich besetze ich in der JVA eine Berufsrolle, an die es auch
bestimmte Ansprüche gibt. Das ist auch gut so. Dennoch möchte ich den ganzen Menschen wahrnehmen und mich
nicht im Gespräch mit einer emotionslosen Gefangenrolle unterhalten.
Frage 5:
Wie beurteilt Ihr privates Umfeld (Familie und Freundeskreis) ihre Arbeit in der JVA?
Von flüchtigen Bekannten werde ich, wenn sie von meinem Arbeitsplatz erfahren, immer mal wieder mit den gängigen Vorurteilen und Klischees konfrontiert. Manchmal lasse ich mich auf Diskussionen ein. Häufig blicke ich am
Ende in sehr erstaunte Gesichter, wenn begriffen wurde, was der Entzug der „Freiheit“ alles mit sich bringen kann.
Meine Familie, meine Freunde und mein näheres soziales Umfeld akzeptieren meine Berufswahl.
Frage 6:
Wo sehen Sie Kritikpunkte und/oder auch Lob am Verhalten der Inhaftierten hier in der JVA?
Ich freue mich über Inhaftierte und Bedienstete, die versuchen, die Beweggründe und Sichtweisen der jeweils Anderen zu hinterfragen, nachzuvollziehen und dafür Verständnis aufzubringen. Ein freundlicher Umgangston, eine
nette Geste oder auch nur ein bisschen Zeit zeugen von Respekt und Wertschätzung des Anderen. Entsprechend
ärgere ich mich, wenn ich keine Zeit habe und Inhaftierte nur kurz abwiegeln kann oder Gesprächswünschen nicht
zeitnah nachkommen kann. Bei einigen Gefangenen ärgerte mich ein offensichtliches Zweckverhalten, Unehrlichkeit und „Anschieben“.
Frage 7:
Was würden Sie am Strafvollzug ändern, wenn Sie die Möglichkeiten dazu hätten bzw. welche
Möglichkeiten haben Sie, auf den Vollzug einzuwirken?
Ich glaube, dass es derzeit keine geeignete Alternative zum Strafvollzug gibt. Es gibt in unserer Gesellschaft Regeln, an die jeder sich zu halten hat. Wenn keine Konsequenzen aus einem Regelverstoß zu erwarten wäre, würde
sich niemand an die bestehenden Regeln halten. Aus meiner Sicht hieße das letztlich, dass es eine Rückkehr zu
einem Faustrecht oder ähnlichen Rechtssystemen geben würde, die von den vermeintlich Stärkeren der Gesellschaft willkürlich bestimmt werden könnten. Mein Wunsch ist das nicht. Ich halte die soziale Solidargemeinschaft,
trotz ihrer Fehler, Schwächen und Schieflagen, für ein sehr schützenswertes Gut.
Im Strafvollzug möchte ich für einen wertschätzenden und respektvollen Umgang miteinander werben. Werte und
Wertschätzung lassen sich nicht gesetzlich regeln oder verfügen. Sie sind von allen beteiligten Personen abhängig
und besonders in Krisenzeiten und bei negativen Entscheidungen schwer zu praktizieren.
Allgemein gültig ist: Veränderungswünsche und Veränderungen entstehen immer dann, wenn es den Anschein hat
und/oder vorgelebt wird, dass es anders „besser“ funktionieren kann. Dies gilt selbstverständlich auch für den Strafvollzug, erfordert jedoch Geduld, die häufig nur schwer aushaltbar ist.
6
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
JVA intern
Fragebogen für Gefangene
Name:
Alter:
In Haft seit:
Station:
Joachim G.
44 Jahre
22. Mai 2007
C3
Frage 1:
Wie kommst Du mit Deiner Situation hier in der Haft zurecht?
So gut es möglich ist. Solange ich nicht an draußen denke, geht es inzwischen recht gut.
Frage 2:
Wie findest Du den Vollzug hier, auch im Vergleich mit anderen Anstalten?
Liberal und konsequent. Allerdings mangelt es an genügend Beamten, die dies auf unterster Ebene,
sprich im Kontakt des täglichen Lebens hier, auch so leben können, oder wollen?! Was sehr bedauerlich
ist, da das Konzept nur Früchte tragen wird, wenn es auch so wahrgenommen werden kann. Dafür mangelt es an Personal und Zeit, um dies transparenter zu machen.
Frage 3:
Wie verbringst Du Deine Zeit hier? (Arbeit, Freizeit, Hobbys)
Ich arbeite in U1 und finde es sehr interessant, an oder für Alternativenergieanlagen arbeiten zu können.
Die Freizeit, die dann noch übrig bleibt, nutze ich zum Kochen, Spielen und hauptsächlich für Sport, was
auch mein Hobby ist. Ansonsten lese ich gerne ein Buch aus der gut sortierten Bücherei hier.
Frage 4:
Wie zufrieden bist Du mit Deiner Station?
Oberflächlich betrachtet bin ich zufrieden mit meiner Station. Durch das Kommen und Gehen und vor
allem durch die U-Haft-Situation empfinde ich es als schwierig, Vertrauen aufzubauen und ohne diese
fühlt es sich immer etwas kühl an, hier zu leben auf der Station. Alles andere sind Dinge, Verhaltensweisen, die sich nicht in einem Satz klären lassen und von denen ich mich abzugrenzen versuche.
Frage 5:
Wie ist Dein Verhältnis zu Deinen Mitinhaftierten?
Liberal und konsequent. Auch auf unterster Ebene versuche ich freundlich zu sein, erwarte aber auch
Respekt, wie sie jedem zusteht, um Luft zum Leben zu haben. Was ganz schön anstrengend sein kann.
Ich muss aber nicht jeden mögen und mich braucht auch nicht jeder gut leiden zu können. Ich lebe hier
eigentlich wie in Freiheit auch – alle sind zuerst Menschen und dann evtl. Mitinhaftierte.
Frage 6:
Bist Du mit den Sport- und Freizeitangeboten zufrieden, hast Du Verbesserungsvorschläge?
Für den arbeitenden U-Häftling sind die Angebote ausreichend. So denke und erlebe ich es. Für Nichtarbeiter, die keine Sportler sind, könnte man bestimmt noch Alternativen anbieten. Verbesserungen
würde ich gerne für die Menschen sehen, die kaum oder kein Deutsch sprechen und vor allem keine
Sportler sind; deren Tage sind sicher „länger“! Vielleicht TV-Programme von ausländischen Sendern?
Frage 7:
Hast Du Anregungen und/oder Kritik hier am Haftalltag?
Jede Menge; ich befürchte aber, dass es alleine am Geld scheitern wird und so die bestehende Situation
des Haftalltags an- oder hingenommen werden muss. Von allen Beteiligten. Ansonsten bleibt nur Eigeninitiative für zum Beispiel ein Billard- oder Kickerturnier. Im menschlichen Bereich kann auch jeder für
sich etwas tun, um den Alltag zu verbessern
Frage 8:
Hast Du Kontakt nach draußen, bekommst Du Besuch?
Ja. Alles andere trage ich in mir; das ist mein Schatz.
Frage 9:
Hat Dir die Zeit im Knast bisher etwas gebracht?
Ja. Ich weiß wieder, was ich alles aufs Spiel gesetzt habe! Eigentlich, wie ich das vergessen konnte oder nicht genug wertgeschätzt habe. Das ist sehr viel, finde ich.
Frage 10:
Was wirst Du nach Deiner Haftentlassung machen?
Nach Hause gehen zu meiner Lebensgefährtin, unserem Kind, den Hunden, Katzen und versuchen so
zu leben, dass ich jede Nacht dort mit ruhigem Gewissen einschlafen kann.
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
7
JVA intern
Die GIV informiert
Nichts
ist
schlechter zu ertragen, als eine
Reihe von guten Tagen! An diese Volksweisheit wird man erinnert, wenn man
hört, dass einige Gefangene an den
Pfingstfeiertagen nicht besseres zu tun
hatten, als sich auf ihren Stationen zu
prügeln und Mitgefangene zu drangsalieren.
Anscheinend haben es einige immer
noch nicht begriffen, dass sie sich zu
ändern haben, oder glauben sie vielleicht , wenn sie sich noch in Untersuchungshaft befinden, ihre mitgebrachten
Gewohnheiten in einer JVA weiter pflegen zu können.
Gewaltfreiheit ist ein hohes Gut
jeder zivilisierten Gesellschaft und ist
eine Grundbedingung für ein gedeihliches Miteinander. Dies gilt auch und
gerade in einem Gefängnis.
Nur unter der Voraussetzung der
Gewaltfreiheit (und der Drogenfreiheit)
besteht eine Chance der Zusammenarbeit mit Bediensteten und Gefangenen
und damit der Resozialisierung.
Es ist daher nur richtig, wenn die
Anstaltsleitung streng darauf achtet,
dass Gewaltfreiheit in der Anstalt
herrscht und gegen diejenigen, die sich
nicht daran halten, energisch vorgeht.
Auch im Knast ist Körperverletzung
strafbar und grobe Verstöße gegen die
Disziplin müssen geahndet werden. Die
Anstaltsleitung wird darin von allen
unterstützt, auch und gerade von den
Gefangenen, die ein Interesse daran haben, in die Gesellschaft als guter Nachbar wieder aufgenommen zu werden.
Die Anstaltsleitung täte aber auch
gut daran, die Gründe für tätliche Auseinandersetzungen zu untersuchen, denn
manche Konflikte haben ihre Wurzeln
im zwangsweise engen Zusammenleben
von Menschen mit unterschiedlicher
Kultur oder Religion, die auch in einer
JVA gemildert werden könnten.
UM
8
An die Tr§tzdem
Hiermit stellen wir uns, die neue GIV,
bei euch vor. Unsere Namen sind euch
hoffentlich bereits bekannt; falls nicht,
stellen wir uns hier noch mal vor: Bekir
Candogan, Michael Witte, Christian
Ockenge. Wir setzen uns für die Interessen der Gefangenen ein, soweit dieses
uns möglich ist und sie realistisch sind.
Unsere Aufgabenbereiche schließen sich
aus sehr vielen Bereichen zusammen;
sofern dies nicht die Ordnung und Sicherheit gefährdet oder beinhaltet, versuchen wir zugunsten ALLER Verbesserungsvorschläge für den Alltag, mit den
ALs/SDLs/VALs zu besprechen. Dies
ist nicht immer einfach, aber wir sind
hartnäckig.
Wir möchten niemanden im Unklaren lassen über das, was wir durchsetzen
wollen, aber es ist unklug, vor einem
Gespräch seine Argumente aus der Hand
zu geben. Nähere Informationen seht ihr
den nächsten Aushängen entsprechend.
Ihr könnt uns über Antrag (VG 51) jederzeit zu einem persönlichen Gespräch
einladen. Auf dem Antrag sollte stehen:
„Ich bitte um eine Gespräch mit der
GIV!“ Gründe brauchen nicht drauf zu
stehen! Wenn ihr es wünscht, könnt ihr
auch einen von uns direkt sprechen dies bitte entsprechend auf den Antrag
schreiben. Bitte bedenkt, dass es in der
Regel bis zu einer Woche dauern kann;
sobald wir den Antrag vorliegen haben,
kommen wir zu euch.
Die Sicherheitsstation ist nur bei
Vorlage besonderer Gründe von uns
betretbar, aber mit entsprechender Sonderregelung auch machbar. Sonst dürfen
wir mit Antrag von euch zu euch kommen und im Rahmen unserer Arbeit mit
euch sprechen. Wir wollen einiges
schaffen, welches leider unbearbeitet
blieb von der vorherigen GIV, was nur
zu unserem jetzigen Nachteil ist, aber
wir bleiben am Ball!
Wobei eines ganz klar
und deutlich gesagt
werden muss: Wir
schaffen nur etwas,
wenn alle an einem
Strang ziehen und nicht
so verfahren wird wie
z.B.bei den Themen
Cola/Zigarettenautomaten, Bargeld, (was
alles einmal vorhanden
war) sowie der Preisanstieg beim Kaufmann.
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Denn letzten Endes leiden WIR alle
darunter. Es wurde seit ca. 5 Jahren soviel kaputt gemacht - denken WIR alle
einmal ernsthaft darüber nach!
In diesem Beitrag wollen wir auch
auf das stets aktuelle Thema Gewalt zu
sprechen kommen. Täglich kommt es zu
Gewalt in dieser Anstalt, meist in verbaler Version, aber auch in nonverbaler
Weise. Wo beginnt Gewalt und wo hört
sie auf? Beginnen tut sie schon bei negativem Umgang miteinander, so z.B.: zu
lauter Musik, zu hoher Bass, Sprüche
unter aller Würde oder sonst in dieser
Richtung. Wir sind alle nicht perfekt
und wir sind auch nicht hier, um Freunde zu finden, sondern für jeden hier sollte eines im eigenen Interesse klar sein,
auch wenn es sehr schwierig ist, sind wir
hier, weil wir uns nicht an die Gesetze
dieses Landes gehalten haben und müssen für uns persönlich schauen, dass wir
es schaffen, zukünftig straffrei zu leben!
Auch ist es nicht zu empfehlen,
wegen jeder Bagatelle zum Beamten zu
rennen, denn dies ist sehr nervig und
führt zu zweifelhaftem Glauben der Anliegen, wenn es mal ernst ist! Jeder hier
war stark genug, Straftaten zu begehen,
und hier bekommt man Pipi in den Augen bei der kleinsten Sache? Nun denn,
wir wollen Einiges erreichen, und hoffen, dass nicht zu viele Steine im Wege
liegen, wo auch hier WIR als Gefangene
sehr viel zu beitragen.
Alle Fragen, Anregungen oder
sonstiges, was die GIV betrifft, können
wir gerne in einem persönlichen Gespräch klären.
Bis bald, eure GIV
In
der Presse war zu lesen (siehe
Seite 61 dieser Ausgabe), dass es für die
Gefangenen neue Matratzen geben soll.
Darauf haben nicht nur die Gefangenen
selbst seit Jahren gewartet, sondern auch
die für die Gesundheit der Gefangenen
verantwortlichen Personen, insbesondere
die Anstaltsärzte. Daher haben alle gehofft, dass der schon seit Jahren reklamierte Produkt-Mangel alsbald behoben
wird. Ankündigungen dazu hat man ja
schon oft vernommen. Nun soll es also
soweit sein! Aber anscheinend ist der
Weg von Hannover nach Oldenburg
doch länger, als gemeinhin bekannt,
denn bisher sind in Oldenburg noch keine neuen Matratzen angekommen.
UM
JVA intern
Ein Arbeitsbetrieb stellt sich vor
Mülls kostenneutral entsorgt.
Ein weiterer Bereich ist die Pflege der
Außenanlagen. Dazu gehören im Wesentlichen alle gärtnerischen Arbeiten
und natürlich auch das Schneeräumen
im Winter.
Bau– und Hofkolonne
In loser Reihenfolge möchte die
Tr§tzdem die Arbeitsbetriebe der JVA
vorstellen, in denen Gefangene Beschäftigung finden.
Dazu wurde am 27.06.07 in der
Redaktion ein Gespräch mit Herrn Kurt
Müller, dem Leiter der Bau- und Hofkolonne, geführt.
Was zählt, ist:
• Respekt
• höflicher Umgang
• Teamfähigkeit
Tr§tzdem: Herr Müller, erzählen Sie
uns vorab bitte etwas zu Ihrer Person,
zu Ihrem beruflichen Werdegang und
Ihrer Aufgabe.
Herr Müller: Nach mittlerer Reife,
einer abgeschlossenen Lehre als Elektroinstallateur und nach dem Wehrdienst habe ich eine Tätigkeit bei einem Steinmetzbetrieb aufgenommen.
Dort konnte ich in den 9 Jahren der
Beschäftigung viele Erfahrungen im
Umgang mit Menschen, der Verarbeitung von Granit und Marmor, dem Fas-
saden- und Treppenhausbau und vor
allem darin sammeln, was es heißt, auf
dem Bau schwer körperlich zu arbeiten.
Mit 30 Jahren habe ich mich dann umorientiert und 1998 in der JVA Oldenburg an der Gerichtsstraße die Ausbildung als Justizvollzugsbeamter begonnen. Direkt nach der Ausbildung konnte ich dann zur neuen JVA an der Cloppenburger Straße wechseln, wo mich
Herr Koop für die Übernahme der Verantwortung für die Bau- und Hofkolonne begeisterte.
Tr§tzdem: Welche Aufgaben hat die
Bau- und Hofkolonne?
Herr Müller: Die Aufgaben sind vielfältig.
Eine nicht unwesentliche Aufgabe ist
auch die Vorbereitung von Veranstaltungen.
Es beginnt mit der Bauinstandhaltung,
einem Bereich, worunter kleinere Malerarbeiten, Bauarbeiten, Reparaturen
an baulichen Anlagen sowie Sanitärund Elektroeinrichtungen fallen. Hier
ist viel handwerkliche Geschicklichkeit
gefragt. Heutzutage wird dieser Bereich dem Gebäudemanagement zugerechnet.
Tr§tzdem: Wie sieht es dann mit der
Ausstattung mit Gerätschaften und
Gebäuden aus?
Dazu kommt dann die Wartung
der Kraftfahrzeuge. Es werden
kleinere Reparaturen durchgeführt, die
Fahrzeuge
werden
g e w a schen,
innen gereinigt und
Tr§tzdem: Welche Anforderungen
bestehen dann beim Personal, also auch
bei den Gefangenen?
poliert und es wird eine
Füllmengenkontrolle bei Öl
und Wasser durchgeführt.
Ein großer Bereich ist die Müllsortierung und –entsorgung. Der Müll wird
nach seinen Hauptbestandteilen sortiert: Teile für das „Duale System“,
Papier, Biomüll und Restmüll. Dadurch, dass der Restmüll, für dessen
Entsorgung die JVA dann nur noch zu
zahlen hat, unter 1/3 der Gesamtmenge
fällt, werden für die JVA große Einsparungen erzielt. Wenn man bedenkt,
dass alleine am Montag schon zwischen 70 bis 100 Mülltonnen zu leeren
sind, kann man sich ausrechnen, was
durch die Arbeit der Gefangenen erreicht wird. Denn außer dem Restmüll
werden alle anderen Bestandteile des
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Herr Müller: Bei der Ausstattung sind
keine Wünsche offen. Wir verfügen
über 2 Trecker, Aufsitzmäher und die
nötigen Kleingeräte sowie über 2
Werkstätten, das Müllentsorgungsgebäude und den Kfz-Waschplatz.
Herr Müller: Die ganze Arbeit wird im
Wesentlichen von meinem Kollegen,
Herrn Hinrichs, und mir sowie von bis
zu 8 Gefangenen bewältigt. Grundvor-
Sesam, öffne dich!
aussetzung ist die Lust zur Arbeit.
Auch wenn sich das vielleicht etwas
einfach anhört, aber es ist tatsächlich
die wichtigste Voraussetzung für jeden
Gefangenen, der in der Bau- und HofFortsetzung auf Seite 10
Lösungen der Aufgaben von Seite 69
SUPERSUDOKU
9
JVA intern
Fortsetzung auf Seite 9
Neubau einer Halle
kolonne arbeiten will. Die vollzuglichen Vorbedingungen werden natürlich
durch den Vollzugsdienst festgestellt,
ich habe aber die Möglichkeit, eine
gewisse Auswahl aus den arbeitsbereiten Gefangenen zu treffen. Eine bestimmte Vor-Qualifizierung ist nicht
erforderlich. Wir leiten alle Gefangenen so an, dass sie zu wertvollen Mitar-
beitern werden, die dann in der Regel
zwischen 3 Monaten und bis zu 3 Jahren bei uns bleiben; meist bis zum Ende ihrer Haftzeit.
Tr§tzdem: Haben Sie Wünsche für
die Zukunft?
Herr Müller: Momentan läuft alles
optimal. Die Gefangenen arbeiten sehr
selbstständig oder unter geringer Anleitung, wenn auch unter Aufsicht und
wir erreichen oft für uns ein Optimum
bei der Arbeitseinteilung. Dennoch gilt
immer noch: das Unkrautzupfen ist
nicht beliebt!
Das, was uns in der Bau- und Hofkolonne stark macht, ist: Respekt voreinander, höflicher Umgang miteinander
und die Teamfähigkeit jedes Einzelnen.
Tr§tzdem: Herr Müller, wir danken
Ihnen für das Gespräch.
UM
Humor
„Nun Oma, wie funktioniert denn das
neue Hörgerät?“ – „Sehr gut, ich habe jetzt schon dreimal mein Testament geändert!“
10
In der Tr§tzdem Nr. 35 vom Dezember 2006 haben wir schon in Form einer
Glosse auf ein neues Projekt der JVA
Oldenburg aufmerksam gemacht. Wird
andernorts viel über eine Erfolgsge-
schichte gesprochen, so
geschieht dies in Oldenburg manchmal
ohne viel Aufhebens.
Jetzt aber ist der
Zeitpunkt da, zu dem
darüber berichtet werden muss, denn die
Ergebnisse sind nicht
mehr zu übersehen.
Wir haben dazu
ein Gespräch mit Herrn
Matthias Pape geführt,
dem Leiter des BIT, in
der die Bereiche Bau,
Informationstechnik
und
Technischer
Dienst zusammengeführt sind.
Herr Pape, 39 Jahre alt, ist seit 9 Jahren
im Vollzug tätig, nachdem er vorher Betriebswirtschaftslehre studiert hat, berufliche Erfahrung im Groß- und Einzelhandel mit Schwerpunkt im Personalwesen sammelte und nach seiner
Ausbildung für den Vollzug
vom Anstaltsleiter Herrn
Koop für seine jetzige Aufgabe gewonnen wurde.
Uns interessierte natürlich
alles Wissenswerte zur neuen
Halle, aber auch das wirtschaftliche und organisatorische Umfeld. Hier nun Herr
Pape:
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
„Wie bekannt sein dürfte, laufen bei
BIT die Fäden für die Bereiche Bauund Hofkolonne mit Herrn Müller und
Herrn Hinrichs, der Informationstechnologie mit Herrn Waßerberg
und Herrn Heidemann sowie der
Sicherheits- und Gebäudetechnik
mit Herrn Kaltenhauser,
Herrn
Groß
und
Herrn
Lampe zusammen. Das bedeutet immer
viel Koordinationsarbeit
in
allen
technischen, organisatorischen
und wirtschaftlichen Fragen.
Daher kam mit
dem Neubau
einer Halle für
die Tischlerei
auf alle an der
Realisierung
Beteiligten eine
interessante ,
anspruchsvolle, aber auch
fordernde Aufgabe zu.
Die baulichen Gegebenheiten
der alten Tischlerei waren in den
letzten Jahren immer beengter geworden, nicht zuletzt wegen der sehr
guten Auftragslage und Auslastung.
Auf Initiative von Herrn Koop
kam es 2005 zu Vorüberlegungen.
Die Kosten wurden überschlagen,
und die Ideen nahmen derart konkrete Formen an, dass ab Anfang
2006 die ersten Planungsskizzen auf
den Tisch kamen. Herr Koop hatte
schon sehr früh ganz bestimmte
Vorstellungen und gab den Pla-
JVA intern
Rohmaterial-, Zwischen- und Fertignungsbeteiligten,
insbesondere den
nun hauptamtlich
dafür zuständigen
Damen und Herren des Staatlichen Baumanagements - früher
als „Staatshoch-
schell Gestalt an. Zeitaufwendiger wurde es dann mit dem Ausbau, denn schließlich handelt es sich
um ein hoch installiertes Gebäude
mit den elektrischen Leitungen und
der Druckluftringleitung zur Versorgung der Maschinen mit Energie,
den Anlagen zur Reinigung der
Raumluft und der anstaltsspezifi-
bauamt“ bekannt - viele
Anregungen. Im Juni/
Juli sollte Baubeginn
sein. Aber bevor es soweit war, galt es, den
Ingenieuren und Architekten des Baumanagements die Besonderheiten eines Baus in einer JVA, insbesondere die vollzuglichen Belange,
näher zu bringen. In zig Besprechungen reifte die Planung für das
Bauwerk schließlich heran, sodass
die gemeinsam erarbeiteten Pläne
und Ausschreibungsunterlagen rechzeitig auf den Weg gebracht werden
konnten
Die Kubatur des Gebäudes mit
einer Hallengröße von 560 Quadratmetern, das Raumprogramm mit
Werkstatt, Büros, Teeküche, Sozialraum, Toiletten, Heizungs- und Versorgungsräumen, der Einrichtungsplan für Maschinen, Material- und
Fertigteillager und den Verkehrsflächen und die Planung für die Sicherheitseinrichtungen waren zu einer
abgestimmten Baulösung aus einem
Guss geworden.
Im Juli war es dann tatsächlich
soweit: Baubeginn!
Zuerst galt es, die Baufläche im
Bereich des Sportplatzes zu schaffen und sodann nahm der Rohbau
schen Haus- und Sicherheitstechnik.
Alle mussten mit anpacken, denn ein
hoher Anteil der Ausbauarbeiten
sollte in Eigenleistung erbracht werden.
Zum Frühjahr hin wurde dann
der Außenbereich fertig gestellt.
Auch die Bau-Narben auf dem
Sportplatz wurden zunehmend weniger sichtbar.
Als dann schließlich die ersten
Maschinen und Einrichtungen aus
der alten Werkstatt in die neue Halle
gebracht werden konnten, wurde
sichtbar, dass die Herren Budde,
Wiesner und Hellmer von der Leitung der Tischlerei mit der Planungsgruppe eine sehr gute Einrichtungsplanung erstellt hatten. So ordneten
sich jetzt sehr zweckmäßig das
CNC-gesteuerte Bearbeitungszentrum, die Plattenaufteilsäge, die Fräse, der Abrichter oder die Schleifmaschinen in den Arbeitsfluss ein. Auch
für ein weiteres Bearbeitungszentrum ist schon ein Platz reserviert.
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
teilläger haben
sich
ebenfalls schon gefüllt. Bis zu
15
fachlich gut qualifizierte Gefangene
werden einen hellen und gut ausgestatteten Arbeitsplatz haben.
Die Nutzung der Halle hat im
Juli begonnen und im September
wird es eine offizielle Übergabe
durch die niedersächsische Justizministerin Frau Heister-Neumann geben.
Dass der Platz dringend benötigt
wurde, ist daran zu erkennen, dass
die bisher 8 bis 10 Gefangenen mit
der Werkstattleitung schon bisher
mit dem Herstellen von Büro- und
Haftraummöbeln sowie die Anfertigung von Spezialmöbeln auf Kundenwunsch extrem gut ausgelastet
waren. Über die derzeitigen Lieferzeiten von über 4 Monaten könnte
sich so manch vergleichbarer Betrieb in der Privatwirtschaft nur freuen. Mit dem Neubau der Halle und
mit der Nachnutzung der bisherigen
Werkstatt durch den neu eingerichteten Unternehmerbetrieb 3 gewinnt
das Projekt Hallenneubau für die
JVA eine hohe Bedeutung im Bereich Bereitstellung hoch qualifizierter Arbeitsplätze und der Haftkostenrefinanzierung.
Nun da alles fast fertig ist und
wir uns am gelungenen Neubau erfreuen können, ist auch wieder vergessen, dass die Projektsteuerung
mit den wöchentlichen Projektbesprechungen mit 5 bis 15 Personen
manch schlaflose Nacht gekostet
hat. Am Ende kann gesagt werden,
„es hat alles sehr gut geklappt“. Von
der Zeichnungserstellung mit CAD
bis zur Auslieferung der fertigen Möbel hat es einen deutlichen Sprung
in der Entwicklung gegeben. Es sind
mit dem Bau die Voraussetzungen
geschaffen worden, den sehr guten
Ruf der Möbel aus der JVA Oldenburg weiter zu festigen.“
UM
Humor
Zwei Opas in der Werkstatt:
“Wäre doch klasse, wenn man bei
Menschen den Motor wechseln
könnte.“ „Ach weißt du – ich wäre
schon mit einer neuen Stoßstange
zufrieden!“
11
JVA intern
Auf
„SCHUB“
Eine Reise in den Süden
Erfahrungsbericht von
Heiko Rapp
Persönliches:
Ich bin 35 Jahre alt, in Reutlingen
geboren, mit einer Ungarin verheiratet,
jedoch getrennt lebend, und habe 2 eheliche Kinder und ein Kind aus einer anderen Verbindung.
Über meine Erfahrungen aus meiner
Zeit in Dänemark in den dortigen Haftanstalten habe ich schon in der Ausgabe
Nr. 36 der Tr§tzdem im April 2007 berichtet.
Nachdem ein Verfahren im Februar
2007 zum Abschluss gekommen war, ist
meine Zeit in Oldenburg zu Ende gegangen und ich bin auf die Reise in den
Süden, wohin ich wegen einer heimatnahen Verlegung eigentlich auch gerne
wollte, geschickt worden. Hier nun mein
Bericht in Form von Briefen an die Redaktion der Tr§tzdem über eine Reise in
den Süden:
Brief vom 20.02.2007 aus Ulm
Hallo, bin am „Ziel“ – naja, vorerst
einmal; es kann sein, dass ich nochmals
verlegt werden soll. Die Wege der Justiz
sind unergründlich: Habe verschiedene
Anstalten durch die „Glanzleistung“ der
Justizfahrbereitschaft kennen gelernt. Es
waren „solche“ als auch „solche“ dabei;
kurz gesagt: Unterschiede wie Tag und
Nacht. Hier einige Beispiele:
JVA Hamm: Transportzellen? – Ein
Fremdwort – man wird untergebracht,
wo Platz ist. Ich war in einer 4-MannZelle, 2 Strafer und 1 U-Häftling bilden
den Stamm. Ausgestattet war die Zelle
mit Wasserkocher und TV mit Videotext, dafür war die Toilette per Spanischer Wand abgeteilt. Als Abendessen
gab es 200 gr. Wurst, Brot und 1 Liter
Milch. Eine Einkaufsliste aus Hamm
liegt zum Vergleich bei. Abends war
duschen angesagt! (Und das auf Schub!)
JVA Köln: Transportzelle bzw.
Warteraum für 60 Leute, darunter 4
Nichtraucher, wie ich – Geräuchertes
soll ja länger halten! Hier machten wir
12
Zwischenstation und bekamen die „gute
Kölner Suppe“ vorgesetzt.
JVA Rohrbach: Wenn es ein Alcatraz gibt, dann liegt es hier in Rohrbach!
Alle haben Paranoia. Sämtliche Sachen,
auch das Handgepäck, wurden verwahrt, so konnte
man nicht mal `nen
Kaffee trinken. Der
erste Knast seit
Oldenburg,
wo
gefragt wird, ob
man raucht oder
nicht. Unterbringung in Transportzellen, die so steril sind, dass man meint, in
einem Schlachterbetrieb zu sein – Fliesen bis unter die Decke. Mein Zellenkamerad kam aus Mönchengladbach und
es stellte sich heraus, dass wir dort in
dieselben Kneipen gehen und seine Frau
und meine Freundin zusammen auf dem
„Gym“ waren. (Die Welt ist klein.) Wieder duschen!
JVA Heimsheim: Erste Frage:
„Rauchen Sie?“, zweite Frage: „Waren
Sie duschen auf Schub?“ Antwort zu 1:
„Nein!“, Antwort zu 2: „Nein!“ (So was
muss man doch ausnutzen!) Transportzellen wie in Rohrbach – 2-MannBelegung oder auch 4-Mann. (Hier
schwätze se schwäbisch und keiner sagt
„moin“…!)
JVA Ulm/Frauengraben: Alter Bau,
wird im Juni 07 nach den EU-Normen
komplett saniert – als Nichtraucher bin
ich alleine. Zellen sind alt, aber alle mit
Radio, das in der Ampelanlage eingebaut ist, ausgestattet. Vorerst muss man
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
sich mit dem zufrieden geben, was hier
ist – nach dem Umbau wird „alles“ besser. Das Problem ist nur mal wieder der
Denkmalschutz.
Wir haben noch viele andere Anstalten angefahren, doch waren es nur
kurze Stopps zum Pinkeln oder für Raucherpausen und da kann man nichts dazu
sagen.
Bei mir wird geprüft, ob ich in Ulm
bleibe oder nach Heimsheim bzw. Rottenburg verlegt werde.
Warum die Niedersachsen mich
„Hals über Kopf“ auf Schub gebracht
haben, versteht hier in Ulm keiner. Es ist
schlecht Platz hier und es kommen täglich neue Leute. Das Essen ist nicht
schlecht und reichlich, selbst Dieter hätte seine Freude daran.
Entweder gibt es
Salat oder Obst zum
Mittag, abends meist
schwäbische Hausmannskost.
Ich melde mich, wenn
ich einen „End-Knast“
habe.
Brief vom 28.02.2007 aus Rottenburg
am Neckar
JVA Ulm: Ein Tag mehr oder weniger – je nach Betrachtungsweise: jedenfalls ist das hier ein „Camp“ wie 1939 –
1945 irgendwo in Großdeutschland. Um
7:00, 11:00 und 15:00 Uhr geht die Tür
auf, es gibt „Futter“ in `nem Edelstahltopf; ein Liter angeblich „heißes“ Wasser und dann Türe zu.
Ich schreibe hier nicht von einem
Knast irgendwo in Osteuropa oder Russland, nein, dieser Knast ist im
„Vorzeigeländle“ der Bundesrepublik
Deutschland, in Baden-Württemberg.
Das Fenster dreifach vergittert, doch
richtig schließen tut es nicht. Notdürftig
mit einer alten Decke so gut es geht abgedichtet, die Heizung in der Zelle
scheint auf Minimalbetrieb zu laufen,
von warmem Wasser am Waschbecken
ganz zu schweigen. Wären wir keine
Knackis, sondern Tiere, wäre die Tier-
JVA intern
rettung längst schon vor Ort,
aber so? Meistens im Bett liegend, eingemümmelt in zwei
alte Decken der „Justiz“ von
1978, die nicht mal halb soviel
wärmen wie sie stinken, verbringt man seinen Tag in der
Außenstelle der JVA Ulm.
Hygiene ist ein Wort, das im
Sprachgebrauch nicht vorzukommen scheint. Wo andere
Anstalten Wäschebeutel für
die Privatkleidung oder
Waschmaschinen und Trockner haben, bekommt man
„gute“ Ratschläge: Die Familie soll doch die Wäsche abholen oder man soll Anstaltswäsche tragen. Toll, es soll 90
Kilometer gefahren werden,
um dreckige Wäsche abzuholen? Und die 90 Kilometer
sind einfache Fahrt! Zudem
wäre ja beim Besuch die Möglichkeit, diese mitzunehmen.
Besuchszeiten: alle 14 Tage
`ne halbe Stunde! Na wunderbar, in Niedersachsen ist es
wöchentlich `ne Stunde! Oder
man kann zusammenfassen
lassen. Und dort gibt es
Waschmaschinen auf jeder
Station. Irgendwie können wir
Baden-Württemberger doch nicht alles
außer hochdeutsch; vieles gäbe es anderen „ärmeren“ Bundesländern nachzumachen, was den Strafvollzug angeht.
Vom „Verwahrvollzug“ sollte man endlich abkommen und sich mit den Menschen in den Zellen beschäftigen, denn
es sind Menschen, egal, was sie gemacht
haben. Dafür „darf“ man ja 3-mal die
Woche duschen, in anderen Anstalten
„kann“ man 7-mal die Woche duschen
und dann, wenn man es möchte. Und
man geht nicht in ganzen Horden zum
duschen, sondern hat abgetrennte
Duschkabinen. Hygiene ist etwas Intimes, und die Menschen anderer Religionen werden förmlich vor Anderen
zwangsentblößt. Aber wie schon erwähnt, in Ulm darf man duschen und in
Oldenburg zum Beispiel kann man duschen. Im juristischen Sprachgebrauch
hört sich „darf“ viel besser als „kann“
an. Dann sind noch die Preise für das
Verplomben von Geräten sowie für eine
Dreifachsteckdose. Die Siegel in Niedersachsen schienen nur aus „Altpapier“
zu sein, während die Siegel in BadenWürttemberg aus handgeschöpftem Papier sind. Für die Verplombung eines
Oldenburg +
+ Hamm
+ Köln
+ Rohrbach
Rottenburg +
+ Heimsheim
+ Ulm
TV-Gerätes zahlt man in Oldenburg
7,50 €, für die eines Wasserkocher (der
in Ulm nicht funktioniert, da die Stromleitung diesen nicht aushält) 5,00 €. In
Ulm kostet die Verplombung 23,00 €!
Ein TV über die Oldenburger Anstalt
bezieht man bei Quelle für 82,00 €, in
Ulm über einen „Elektrofachhandel“ für
160,00 €. Ein Kabel mit `ner 3-fach
Steckdose kostet in Hamm 1,70 € und in
Ulm „stolze“ 3,60 € plus Verplombung!
Eine derartige „legalisierte“ Abzockerei
gehört angezeigt, es kann nicht sein,
dass ein Häftling doppelte bzw. 6-fache
Preise zahlen muss als anderswo in einer
anderen Anstalt. Wieso soll man eigentlich für die Verplombung nochmals zahlen, wenn man aus einem anderen Gefängnis verlegt wird und kein Siegelbruch vorliegt? Trauen die Anstalten
sich gegenseitig nicht, oder soll der
„Elektrofachhandel“ vor dem Ruin bewahrt werden? Vielleicht liegt es auch
an der berühmten schwäbischen
„Vetterleswirtschaft“, wo jeder jeden
kennt und auch was dafür tut, damit er
was abbekommt?
Auch wird die Post im „Ländle“
durch die Bediensteten zensiert und die
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Briefe müssen in deutscher
Sprache sein, ansonsten wird
ein Übersetzer beauftragt.
Nein, das ist kein Witz, das ist
die Realität in Ulm.
Telefonieren ist ein Kapitel für
sich; als Strafer: „kann in begründeten Fällen auf Antrag
seitens der Anstaltsleitung
gestattet werden, auf eigene
Kosten und in Anwesenheit
eines Anstaltsbediensteten ein
Telefonat zu führen“. Das Gespräch wird in vollem Wortlaut
mitgehört. Sofern das Telefonat nicht in deutscher Sprache
geführt werden kann, ist von
einem selbst ein beim LG Ulm
zugelassener Dolmetscher beizuziehen. Die Kosten muss
man selber tragen. Jetzt der
Hammer: „Ein begründeter
Ausnahmefall liegt nur dann
vor, wenn die dem Gespräch
zugrunde liegende Angelegenheit nicht auf sonstige Weise,
z.B. schriftlich oder bei Besuchen, erledigt werden kann.“
Und in Oldenburg „schimpft“
man, weil man 5 Gespräche a’
10 Minuten ohne „Lauscher“
hat: verrückte Justizsache in
Deutschland. (Anrufen bei
besonderen Anlässen ist nicht drin, jedenfalls nicht kurzfristig.). Meint man
doch, das Post- und Telekommunikationsgeheimnis ist bindend und kann nur
auf richterliche Anordnung außer Kraft
gesetzt werden, in badenwürttembergischen Ulm gilt dies anscheinend nicht.
Europa – Deutschland als
„Vorzeigeland“ – in Sachen Strafvollzug
jedoch sind wir nicht die Lokomotive,
sondern der Schlusswaggon mit dem
Bremserhäuschen und der roten Laterne.
Jedes Bundesland hat sein angebliches
„Idealsystem“ ge- oder erfunden; in
Wahrheit ist der Süden der Republik auf
den Stand von vor 1950 gefallen, und
wenn die Länder völlige „Strafvollzugsgewalt“ haben, nimmt man uns
im Süden noch das letzte bisschen
„Normalität“.
Man fragt sich, was und wo das
„Strafvollzugsziel“ liegen soll? Vielleicht setzt der Süden ja auch wieder den
Artikel 102 (?) in Kraft, natürlich mit
der Begründung des Landesvollzugsgesetzes.
Heiko Rapp
13
JVA intern
Der Pendler
Erfahrungsbericht von Rainer
Rethmann (JVA Celle)
Besuchsverlegung vom 14. März – 20.
März 2007:
14. März 2007. Es ist wieder so
weit. Etwa alle 2 Monate fahre ich zum
Zwecke der Besuchsverlegung von der
JVA Celle in die JVA Oldenburg. Dort
besuchen mich dann meine Eltern, denen es aus gesundheitlichen Gründen
nicht möglich ist, die Tagesreise nach
Celle zu bewältigen und mich dort zu
besuchen.
Um meine Eltern sehen zu können,
bleibt mir also nur, immer wieder den
Transportweg auf mich zu nehmen. Dieses geschieht seit nunmehr 2 Jahren. Der transporterfahrene Insider weiß, was das bedeutet. Für
den geneigten, transportunerfahrenen Leser folgt nun ein kleiner
Reisebericht:
Gegen 9:30 Uhr melde ich
mich also von meiner Arbeit in
der pädagogischen Abteilung der
JVA Celle ab und gehe zurück
auf meine Station. Der Beamte
wünscht mir einen schönen Besuch. Auf meinem Haftraum angekommen, koche ich mir zunächst
einen Kaffee und packe dann meine
Siebensachen für die Reise. Neben ausreichend Bekleidung und den notwendigen Toilettenartikeln ist für mich vor
allem reichlich Lesestoff und Schreibmaterial wichtig, denn auf dem
Roundtrip gibt es ausreichend (fernseh-)
freie Zeit, die es sinnvoll zu nutzen gilt.
Ebenso wichtig ist reichlich Obst,
denn die Versorgung mit Vitaminen ist
erfahrungsgemäß in den kommenden
Tagen eher dürftig. Ach ja, die Margarine nicht vergessen! Die üblicherweise
von den Küchen der JVA’en Hannover
und Oldenburg angebotenen Aufstriche
taugen doch meistens eher zum Wagenfett. Nach einer Stunde werde ich zur
Kammer gerufen, um mein Gepäck dort
abzugeben. Immer wiederkehrende Routine. Alles wird penibel aufgelistet. Danach geht es wieder zurück auf die Station. Der Reisebus der „HeisterNeumann-Travel-Tours“ kommt erst
gegen 12:30 Uhr, wird mir noch mit auf
den Weg gegeben. Also habe ich noch
ein wenig Zeit.
Zurück auf meinem Haftraum fällt
wie elektrisiert der Blick auf meinen
Wasserkocher. „Ach du Sch…!“ entfährt es mir. Der muss ja nun noch unbe-
dingt mit, denn sonst gibt’s nix Kaffee
oder Tee auf der Reise. Gerade in der
JVA Hannover umfasst der Service solche Notwendigkeiten leider nicht. Das
Teewasser, welches zum Abendbrot
gereicht wird, ist allenfalls lauwarm. Na
ja, Gott sei Dank habe ich es ja noch
rechtzeitig bemerkt. Vorsichtshalber
hake ich im Geiste noch einmal die Gepäckliste ab, schaue noch in Schrank
und Bettkasten. Erleichterung! Ich habe
alles Wichtige eingepackt.
Nach dem Mittagessen wird gegen
12:30 Uhr von der Kammer auf Station
angerufen: Der Bus ist im Anrollen.
Also zurück zur Kammer. Dort angekommen, verstaue ich noch schnell den
Wasserkocher und rauche einen Zigaril-
der aber etwas verunglückt rüber
kommt. Egal. Ich gehe die Treppe hoch
in die 1. Etage. Dort stehen im Flur die
Taschen und ich suche meine plus Jacke
heraus.
„Herr Rethmann, nehmen Sie sich
bitte einen Wäschesack und gehen zu
Haftraum 4205.“ Ich bin schon gespannt, welches Komfort-Appartement
mich dieses Mal erwartet. Es gibt zwar
einige renovierte Zellen im Haus 4, aber
mit einer Ausnahme sind mir diese bisher vorenthalten worden. An der Nummer des Haftraums erkenne ich, dass mir
diese Glück auch heute nicht hold ist.
Ich gehe also zu dem langen Tisch,
wo die Wäschesäcke vorbereitet liegen,
greife mir einen, gehe in die 2. Etage zu
besagtem Haftraum 4205. Ich
muss einen Moment warten, bis
mir geöffnet wird. Auf meine
Frage, wann denn die Freistunde
sei, erhalte ich die leicht bedauernde Antwort: „Tut mir leid, die
hat gerade begonnen.“ Das Angebot, mich dennoch daran teilnehmen zu lassen, wird mir nicht
gemacht. Dafür gibt es wohl keine Verordnung. Allerdings ist es
wahrscheinlicher, dass man einfach keine Lust hat, mich noch
nachträglich nach draußen zu lassen.
Der Haftraum übertrifft nun all meine Erwartungen: Es ist das mit Abstand
dreckigste und übelriechendste Loch,
welches mir im Transporthaus der JVA
Hannover in über 2 Jahren untergekommen ist.
Die Wände sind reichlich besudelt
und beschrieben. Ein Eintrag datiert auf
Oktober 2002, so dass ich mir leicht
ausrechnen kann, wann diese Wände
hier möglicherweise das letzte Mal einen Pinsel mit Farbe gesehen haben.
Obwohl Tisch und Stuhl umgekehrt
auf dem Bett liegen, befindet sich auf
der Oberfläche grober Schmutz. Also
nehme ich mir angefeuchtetes Toilettenpapier und wische beide Möbelstücke
erst einmal ab.
Die Toilette stinkt erbärmlich. Erst
sehr ausdauerndes Spülen schafft leidlich Abhilfe, wohl auch, weil ich natürlich umgehend das Fenster geöffnet hatte. NEIN! Egal, welches Bedürfnis mich
bis morgen früh hier auch ereilen mag,
diese Toilette wird auf jeden Fall auf
jeglichen Körperkontakt mit mir verzichten müssen. Gottlob kann ich ja im
Stehen pinkeln.
Ich betätige den Wasseranschluss
am Waschbecken. Es ist ein verchromtes
HEISTERNEUMANNTRAVEL-TOURS
14
lo.
„Herr Rethmann, der Bus ist
da!“ ruft da der Kammerbeamte. Ich
greife meine Reisetasche. Die auf der
Kammer arbeitenden Mitgefangenen
wünschen mir noch eine gute Reise. Ich
gehe hinunter auf den Hof, wo der grünweiße Bus schon wartet. Einige Pakete
werden noch verladen, die hintere Tür
öffnet sich und ich steige ein. Der Bus
ist heute nicht sehr voll besetzt und so
habe ich das Glück, allein in einer 4Mann-Kabine zu sitzen, wo ich meine
langen Beine ordentlich ausstrecken
kann.
Dann geht es also los. Zunächst
wird noch die JVA Salinenmoor angefahren, bevor der Reiseleiter das heutige
Ziel, die JVA Hannover anvisiert. Weitere Anlaufpunkte gibt es heute nicht.
Das variiert von Mal zu Mal.
In Hannover angekommen, steigen
mit mir drei weitere Reisende aus. Das
Procedere ist mir bestens bekannt. An
der Eingangstür nehmen die Hausarbeiter des Transporthauses meine Reisetasche und Jacke entgegen, um sie zum
Röntgenapparat zu bringen. Ich selbst
werde unten von Beamten durchsucht.
„Sie rauchen, Herr Rethmann?“ bemerkt
der Beamte. „Ich habe gehört, sie leben
sehr gesund.“ Soll wohl ein Scherz sein,
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
JVA intern
Loch und wird über einen Drehknopf neben dem Waschbecken
betätigt. Das Wasser ist zumindest
nicht rostbraun verfärbt, was hier
oft nichts Ungewöhnliches ist.
Ach, und dann ist da ja noch
das durchhängende Eisengestell,
welches als Bett getarnt ist. Darauf liegt ein etwa 200x80x15 cm
großes, grau-weiß gestreiftes,
fleckiges Ding. Als dieser Knast
vor ca. 40/50 Jahren erbaut und
eingerichtet wurde, war das wohl
eine neue Matratze gewesen. Ich
beziehe dieses Relikt flugs mit
dem Bettlaken und vor meinem
geistigen Auge springen mir allerlei Milben, Flöhe und Wanzen
entgegen.
Da ich auf dem Stuhl
schlecht schlafe, wird es mich am
späten Abend doch wohl irgendwann in die Horizontale treiben.
Ich fühle mich dann wie ein
Glücksritter und Abenteurer.
Glück, weil ich hoffentlich die Übernachtung schadensfrei überstanden habe; Abenteurer, weil ich es wieder gewagt habe, entsprechend zu nächtigen,
und es erstaunt mich jedes Mal wieder
aufs Neue, dass mir eben diese Abenteuer bisher keinerlei allergische Reaktionen, Stiche, Furunkel, Mitbewohner
oder sonstige mir noch unbekannte Unbill beschert haben, von mehr oder weniger starken Rückenschmerzen einmal
abgesehen.
Nachdem ich also das „Bett“ bezogen und die beiden Pferdedecken mit
Hilfe von Bett- und Kopfkissenbezug
leidlich in Bettdecke und Kopfkissen
verwandelt habe, inspiziere ich das so
genannte Geschirr: Es handelt sich ausnahmslos (auch das Besteck) um Hartplastikprodukte, die je nach bisheriger
Nutzungsdauer mehr oder weniger unappetitlich ausschauen. Im Inneren des
Trinkbechers befinden sich heute angetrocknete Essensreste. Zum Glück habe
ich ja meine eigene Tasse dabei.
Gegen 17:00 Uhr wird das Abendbrot verteilt, und ich gebe bei dieser
Gelegenheit den Plastikwäschesack heraus. Es gibt Leberwurst. Leider bekomme ich davon immer Sodbrennen. Ich
weise darauf hin und habe Glück: Der
Hausarbeiter ist so nett und gibt mir
Käse. Brot gibt es wie immer reichlich,
aber was helfen mir theoretisch 10
Scheiben Brot, wenn ich maximal für 3
Scheiben Belag bekomme? Auf jeden
Fall ist das Graubrot in Ordnung und ich
habe ja Gott sei Dank meine eigene
Margarine und auch Marmelade dabei.
Nachdem ich mein Abendbrot zu
mir genommen habe, schaue ich mich
weiter in der Zelle um: Der schwarze
Boden ist suddelig und dreckig. Die
staubigen Spuren der Schuhe meines
Vormieters zeichnen sich deutlich auf
dem Fußboden ab, auf dem überall
Staub, Papierschnipsel, Aschenreste
sowie rund um die Toilette vertrocknete
Reiskörner liegen.
Von den Wänden grüßen Florian,
Banscho, Ertan, Bülent, Ruslan, Steve
und der Iron Monkey aus Lehrte in vielen Sprachen: Polnisch, Türkisch, Russisch, Arabisch und schlechtem Deutsch,
besonders von ausgewiesenen Deutschen. „The Warrior’s Prayer“ ist zu
lesen, wer der größte Hurensohn und
Anscheißer ist, dass alle S… vergast
werden sollten; Heil H…, ich ficke alle
R… und welche Hure 100 %ig Nacktfotos verschickt usw. Die polnischen, russischen und türkischen Texte kann ich
mangels Sprachkenntnissen nicht übersetzen.
Ich lese nun lieber „Der alte Mann
und das Meer“ von Hemingway und bin
gespannt, was mich morgen auf dem
Weg von Hannover nach Oldenburg
erwartet.
15. März 2007, 4:30 Uhr. Die Zellentür wird geöffnet, das grelle Licht
geht an. „Aufstehen, gleich gibt es
Frühstück und um kurz nach sechs geht
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
es los!“ ertönt die Stimme des
Beamten. Die Nacht war wieder
zu kurz. Nicht zu ändern. Ich stehe auf, erledige meine Morgentoilette, so gut es in dem bescheidenen Rahmen möglich ist und kleide mich an. Um 4:50 Uhr bringen
die Hausarbeiter das Frühstück.
Dieses ist ausgesprochen opulent:
Wieder gibt es reichlich Brot,
allerdings reicht der Fruchtaufstrich, welcher gereicht wird, mit
viel Wohlwollen für eine halbe
Scheibe Graubrot. Aber, wie ich
schon vorher erwähnte, ich habe
ja vorgesorgt und frühstücke also
in Ruhe, packe meine Sachen
zusammen und warte.
Es wird 6:30 Uhr, als die Tür wieder geöffnet wird. „Los geht’s!“
Ich nehme meine Reisetasche und
das Wäschebündel, welches eine
Etage tiefer die Hausarbeiter wieder in Empfang nehmen. Unten
angekommen, schaue ich mich
um. 17 Mann haben heute die Fahrkarte
nach Langenhagen, Verden, Bremen,
Vechta oder Oldenburg gelöst und warten. Es geht heute relativ ruhig zu, was
mir sehr entgegen kommt. Ich bin ein
rechter Morgenmuffel und es gibt nichts
Schlimmeres als jemanden, der mir frühmorgens ein Gespräch aufzwingen
muss, was leider dann und wann während einer solchen Rundreise vorkommt.
Um 6:50 Uhr öffnet sich eine Tür.
Ein Beamter mit einem Stoß Papieren in
der Hand zeigt sich und ruft nacheinander alle namentlich auf. Fällt der Name,
begibt man sich dann zur Durchsuchung
und anschließend eine Etage tiefer, wo
dann erneut kurz gewartet werden muss,
bis sich die Außentür zum Innenhof
öffnet, der Beamte mit den Papieren
wieder erscheint und nochmals wieder
jeden einzelnen aufruft und zum Reisebus weist. Als Vorletzter bin ich an der
Reihe. Mir wird eine Einzelkabine zugewiesen. Auch diese Mal bleibt mir das
nicht erspart. Es ist schon eine Zumutung, als groß gewachsener Mann in
einem solch engen Verschlag samt Reisetasche eingepfercht zu werden. Irgendein Schlaumeier im Justizministerium hat sicherlich vor Jahrzehnten errechnet, wie viel Platz ein Mensch so
braucht, ohne jemals einen Selbstversuch unternommen zu haben.
Rainer Rethmann
Eine Fortsetzung folgt in der
Ausgabe Nr. 38 Dezember 2007
15
JVA intern
Aus für Abteilungen?
Keine Haftplätze mehr im offenen
Vollzug bei der JVA Oldenburg?
Am 31. Januar 2007 besichtige Niedersachsens Justizministerin HeisterNeumann die ehemalige Vörde-Kaserne,
Gerichtsstraße
onsstruktur ermöglichen. In der
JVA sollen Gefangene mit kurzen Strafen und Reststrafen
untergebracht werden.
Architektonisches Vorbild
ist die noch allein vom Land
Niedersachsen gebaute und
2001 in Betrieb genommene ähnlich
große JVA Oldenburg.
Das ist aber nicht alles, was eine Verbindung zu Oldenburg
herstellt.
Zählt man 1 und 1
zusammen, wird die
J V A
Oldenburg wohl alle
Haftplätze, die
für den offenen
Vollzug eingerichtet sind, an
Bremervörde
abzugeben haben. Das hat
dann aber wei-
für
Abteilungen
in 2012?
auf deren Gelände
eine neue Anstalt
mit 300 Haftplätzen
entstehen soll und
nahm an einer öffentlichen Informationsveranstaltung
der Stadt Bremervörde teil, um über Wilhelmshaven
Planung, Bau, Finanzierung zu berichten und dort der Bevölkerung
Rede und Antwort zu stehen.
Teile des Betriebs der Haftanstalt sollen nämlich im Rahmen eines
Puplic-Private-Partnership (PPP)
einem privaten Investor übertragen
werden; die vollständige Verantwortung für die Sicherheit der Justizvoll- Nordenham
zugsanstalt liegt allerdings weiterhin
tergehende
beim Land. Die Inbetriebnahme soll
Konse2012 erfolgen
quenzen
Die „Tr§tzdem“ berichtete darüber
als nur eiin ihrer letzten Ausgabe Nr. 36 April
nen Orts2007.
wechsel.
Wie man nun in der Presse lesen
Konnkonnte, soll der Neubau mehrere kleineten bisher
re marode Vollzugseinrichtungen, die
die Gefannicht den aktuellen Sicherheitsstandards
genen im
entsprechen, den Inhaftierten zu wenig
Delmenhorst
offenen
Raum bieten und wegen der überalterten
Vollzug bei heimatnaher Unterbringung
Bausubstanz nur unwirtschaftlich zu
in den Betrieben der Region ihre Arbeit
betreiben sind, ersetzen. Die neue große
finden, so wird das in Bremervörde
JVA soll mit entsprechenden Haftplätnicht mehr möglich sein und der offene
zen, besseren Arbeits-, Ausbildungs-,
Vollzug wird weitestgehend eingeBeschäftigungs- und Behandlungsmögschränkt werden, was ja auch politisches
lichkeiten für Gefangene ausgestattet
Ziel der Landesregie- Cuxhaven
sein sowie eine effizientere Organisatirung mit der neuen
16
Aus
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Gesetzgebung zum Justizvollzug ist
(siehe dazu die Pressemitteilung des
Niedersächsischen Justizministeriums
vom 20.02.2007, wiedergegeben auf
Seite 63 dieser Zeitung). Damit verlieren
die geeigneten Gefangenen ein weiteres
S t ü c k a n R e s o z i a l i s i e r u n g smöglichkeiten und der Vorbereitung auf
das Leben in Freiheit.
Auswirkungen wird es aber auch
auf die Vielzahl der Bediensteten geben,
die bisher in den Abteilungen ihren
Dienst verrichtet haben und für die dann
eine Versetzung oder eine Sozialplanregelung ansteht.
Treibende Kraft der Entscheidungen zu dieser Art von Strafvollzug kann
nicht das Diktum des Bundesverfassungsgerichtes gewesen sein, dass „der
Vollzug der Freiheitsstrafe ist nicht nur
Kraft Gesetzesrecht,
sondern von Verfassungs
wegen auf das Ziel der
Resozialisierung verpflichtet“ (siehe Seite 28
dieser Zeitung) ist, sondern eine andere politische Doktrin.
UM
JVA intern
Ein Wunder
Alle meine Entchen
Seit ein paar Jahren geschieht auch in
der JVA Oldenburg immer wieder ein
Wunder.
Pünktlich Anfang März schweben
mit etwas Getöse einige Entenpaare in
den Innenhof zwischen Gebäude A und
B und erkunden das Terrain. Sehr wählerisch scheint man nicht zu sein, den
Platz für ein Nest auszusuchen. Dennoch
hat es in diesem Jahr nur zwei Pärchen
gefallen, sich häuslich einzurichten.
Über Nacht ist eine Brutstätte hergerichtet, eine gut versteckt unter einem Busch
und eine in einer Rabatte mit einem
„Balkon“ nach Süden.
Nur wenige Tage dauert es, dann
sind auch schon 12 Eier in dem nach
Süden gerichteten Nest gelegt. Anscheinend wird es mit dem Brüten noch nicht
zu ernst genommen, zumal immer noch
reger Flugverkehr herrscht. Als ob es
beide nichts anginge, machen Ente und
Erpel ihre Abstecher in die Umgebung,
und selbst wenn Mutter Ente nun schon
öfter alleine zu sehen ist, hat sie es nicht
eilig, das Nest dauerhaft zu besetzen und
lässt sich auch von den Freistundengängern nicht irritieren.
Je wirksamer aber die Sonne den
Winter verscheucht, je ausdauernder
übernimmt Mutter Ente ihre ihr angestammte Rolle. Verlässt sie überhaupt
noch die Brutstätte? Woher bekommt sie
Futter und Wasser? - Viele besorgte
Fragen werden gestellt. Nimmt denn die
Wartezeit kein Ende?
Dann aber ist es soweit, pünktlich
Anfang April stolziert Mutter Ente mit
12 Küken über Gehwege, Rabatten und
Rasen. Manchmal im „Entenschritt“,
manchmal in chaotischer Hast läuft der
Nachwuchs der stolzen Mutter hinterher,
um hier und dort zu naschen und nach
einer Runde zum Nest zurückzukehren
und sich unter das schützende Federkleid zu begeben. Bei diesem Anblick
wird dann mancher „harte Brocken“
ganz weich und besorgt für die „lieben
Kleinen“ eine Schale mit Wasser oder
eine Handvoll Haferflocken.
Das ist dann aber auch der Zeitpunkt, an dem es für die Freistundengänger
heißt,
Abschied
zu
nehmen. In stiller Stunde öffnet
sich dass Tor
des Innenhofes
zum Außenbereich und die Vertreibung
aus dem Paradies hin zu den anderen
Entenpaaren, die draußen geblieben waren, nimmt seinen Lauf und lässt betrübte Männer zurück.
Neue Hoffnung brachte dann die
zweite Mutter Ente mit 10 Küken, die
sich in ihrem Versteck unter einem
Busch zurückgehalten hatte, um den
„Erstgeborenen“ nicht die „Show“ zu
stehlen. Aber auch ihr Auftritt war nur
von kurzer Dauer.
Nun heißt es, wieder auf das nächste Wunder zu warten.
UM
Muslime im Knast
Die JVA Oldenburg ist seit geraumer
Zeit auch Zwischenstation für Gefangene mohammedanischen Glaubens geworden. Auf die Gründe soll hier nicht
eingegangen werden. Sie treffen dabei
auf eine Kultur, die von anderen Traditionen geprägt ist und auf Menschen, die
ihnen nicht immer mit Unvoreingenommenheit begegnen.
Sie sind zumeist in Gesellschaften
aufgewachsen und in Traditionen groß
geworden, die vom Islam stark durchdrungen sind.
Der Islam [arabisch >Hingabe an
Gott<], eine der
großen monotheistischen Weltreligionen, wurde von
Mohammed zwischen 622 und 632
in Medina mit der
ersten Gemeindeordnung gestiftet.
Seinem
Wesen
nach ist der Islam
eine Offenbarungsreligion, gekennzeichnet durch die unbedingte Ergebung
in den Willen Gottes, wie er im Koran
niedergelegt ist. Dieser ist religiöses und
weltliches Gesetzbuch zugleich. Jedem
Muslim sind fünf Hauptpflichten vorgeschrieben: das Glaubensbekenntnis zu
dem einen Gott (Allah) und Mohammed
als seinem Propheten, das tägliche fünfmalige Gebet, das Fasten während des
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Fastenmonats Ramadan, das Almosengeben für soziale, karitative und missionarische Zwecke und die Wallfahrt nach
Mekka einmal im Leben. Der Genuss
von Schweinefleisch und Wein ist verboten, da das Gebet im Zustand der kult.
Reinheit zu verrichten ist. Die enge Verbindung von Staat und Religion wirkt in
der islamischen Welt bis heute fort. Die
beiden Hauptrichtungen des Islam vertreten die Sunniten (rund 90 %) und die
Schiiten (rund 10 %). Die Sunniten verstehen sich als die islamische Orthodoxie. In Deutschland leben gegenwärtig
rund 1,7 Millionen Muslime.
Unter den besonderen Lebensumständen eines Gefängnisses ist es nicht
leicht, den Glaubensregeln nachzukommen. Allein schon das fünfmalige Gebet, das am Morgen, Mittag, Nachmittag, Abend und zur Nacht abzuhalten ist,
stellt die strenggläubigen Muslime, sofern sie im Gefängnis einer Arbeit nachgehen, vor fast unlösbare praktische
Probleme. Sie behelfen sich damit, dass
das erste Gebet vor dem Wecken stattfindet und vier weitere nach der Arbeit
auf der Zelle, in dem Glauben, dass Allah auch damit einverstanden sein wird.
Ihr großer Wunsch ist, wenn ein Imam
(Vorbeter) wenigstens einmal im Monat
zum Freitagsgebet in die Anstalt kommen dürfte.
Besondere Probleme im Umgang
miteinander entstehen auch dadurch,
dass Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften und Kulturen (Deutsche
und andere Ausländer) die hier lebenden
Muslime oft dafür mitverantwortlich
machen, wenn in anderen Teilen der
Welt extremistische
Moslems
politisch und sozial motivierte terroristische Gewalttaten verüben und
dies als nach ihrem Glauben geboten
erklären.
Insbesondere sind
davon pauschal
viele Muslime aus
der
arabischen
Welt betroffen. Die hier lebenden Muslime kommen aus verschiedenen Staaten
mit jeweils eigenen Konflikten und
Problemen und haben auch wenig Kontakte untereinander; nur die Religion ist
ein verbindendes Element. Wenn also z.
B. ein Deutscher oder eine Deutsche im
Fortsetzung auf Seite 18
17
JVA intern
Fortsetzung von Seite 17
Ein Holländer in der JVA
Irak entführt wird, setzt das hier manchmal bei Mitgefangenen, in der Erwartung, für diese Taten mitverantwortlich
gemacht zu werden, Ängste frei, die zu
psychotischen Zuständen führen können.
Sie fühlen sich und ihren Glauben in
hohem Maße missverstanden. Dabei
sind Moslems z. B. nach ihren Glaubensregeln gehalten, auch einem feindlich gesinnten Menschen Gastfreundschaft anzubieten, ihm Speisen und Unterkunft zu gewähren und ihn sogar gegen andere zu verteidigen.
In dieser Situation kommen allerdings auch viel zu wenige Gespräche
zwischen den Gefangenen unterschiedlicher Religionen und Kulturen zustande,
die das Verständnis und den Respekt
füreinander erhöhen würden. So mancher Konflikt könnte vermieden werden.
Dazu gehört auch, dass z. B. eben darauf
zu achten ist, dass die Fettspritzer aus
der Pfanne mit dem Schweinefleisch
nicht in der Pfanne mit dem Rindfleisch
des kochenden muslimischen Nachbarn
landen.
Keiner sollte sich verstecken müssen und die Sorgen und Nöte unserer
muslimischen Mitgefangenen sollten mit
Respekt wahrgenommen werden.
Een Hollander in JVA Oldenburg
van Gerrit Nansink
Alexander Leer/UM
Der Ramadan
Der Ramadan [arab. > der heiße Monat<], der 9. Monat des islamischen
Mondjahres; Fastenmonat, in dem den
Muslimen von Morgengrauen bis zum
Sonnenuntergang jeder
leibliche Genuss untersagt ist. So steht es im
Lexikon! Doch was
bedeutet der Ramadan
für den gläubigen
Muslim?
Vielfach wird gedacht, im Monat Ramadan wird nur zur Tageszeit nicht gegessen oder getrunken - also eine normale
Fastenzeit. Aber so ist es nicht!
Das Ramadan-Fasten gehört zu den von
Gott über den Erzengel Gabriel Mohammed verkündeten und im Koran niedergelegten fünf Hauptpflichten eines Muslims. Es bedeutet nicht nur, dass tagsüber, außer von Kleinkindern, keine
Speisen und Getränke zu sich genommen werden; es geht auch darum, insgesamt sauber zu bleiben. Das schließt z.
B. die sexuelle Enthaltsamkeit ein und
verpflichtet, über Andere nicht schlecht
zu reden, sich nicht gegenseitig zu verletzen, nicht zu betrügen oder eine andere Missetat zu verüben. Natürlich ist es
auch verboten, Alkohol zu trinken.
Stattdessen fühlen sich alle verpflichtet,
über die obligatorischen täglichen fünf
Gebete hinaus zu beten, anderen Menschen zu helfen, Gutes zu tun, friedlich
zu sein, andere Menschen weder mit
Worten noch mit Taten zu verletzen und
Fehler zu verzeihen.
Die Muslime lieben diesen Monat, denn
er muss vorbereitet werden und wird
freudig erwartet, was man sich so ähnlich vorstellen kann, wie es auch beim
christlichen Weihnachtsfest ist. Nachbarn helfen einander - Reiche helfen den
Armen.
Beginnt dann der Ramadan und ohne zu
essen und zu trinken zwischen Morgengrauen und Sonnenuntergang ist man
seinen täglichen Verpflichtungen nachgegangen, trifft man sich dann vor dem
nächtlichen Essen in den Familien und
wartet auf das Gebet des Imam, das anzeigt, dass gegessen werden darf. Nach
dem Essen finden sich
oft Nachbarn oder
Verwandte ein, um
miteinander zu reden
oder in der Geselligkeit etwas Spaß zu
haben. Auch ist es
nicht unüblich, dass
gegen 2:00 Uhr oder
3:00 Uhr in der Früh alle wieder wach
sind, um erneut vor dem Sonnenaufgang
etwas zu sich zu nehmen.
Nach 30 Tagen des Fastens zum Ende
des Ramadan wird dann über drei Tage
das Zuckerfest gefeiert. Diese Tage sind
ausgefüllt mit Friedhofsbesuchen, Koranlesen, Moschee-Besuchen zum Zuckerfestgebet und in festlicher Bekleidung Besuch von Freunden, Nachbarn
und Verwandten zu empfangen. Dabei
werden dann Geschenke ausgetauscht
und in großer Runde wird gefeiert.
Mehr, als
nur fasten!
18
Jalal Scharara/ Ismael Ceylan/UM
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Zo daar zit je dan op A1 het binnenkomst station. Gearresteerd en via de
Politie, en de STA (officier von Justitie).
ben je hier terecht gekomen. Het doet er
even niet toe waarvoor je gearresteerd
bent, de behandeling is op enkele uitzonderingen na voor alle het zelfde.
Op A1 wordt je geobserveerd, de
Sociale raadsman/vrouw komt langs, als
je die nog niet hebt kun je aan die een
lijst met advocaten vragen.
Let op als je een z.g. plichtverdediger nodig hebt, moet je er een uit de lijst
nemen, of indien je geld hebt voor een z.
g. Wahlverdediger neem dan altijd een
z. g. fachanwalt fur strafrecht. Na +/- 10
dagen wordt je verlegt naar een ander
station, als je geluk hebt op een z. g.
Einzelcel, ben je niet roker geef dat dan
door, men zal proberen je dan niet op
een driemanscel te doen. Als je uit de
beperkingen bent en van de rechter z. g.
Lockerungen krijgt, kun je 2 x p. w.
bellen, schrijven is onbeperkt volgens
Artikel 6. von de Europesche wet, wel
wordt er door het Staatsanwaltschaft
meegelezen, en de brieven zijn +/- 4
weken onderweg. Zondags is er mogelijkheid om de Kerk te bezoeken. Naast
het sporten op de stations fittnisruimte
kun je sporten beoefenen zoals vollybal,
badminton, tafeltennis, voetbal
(s’winters zaalvoetbal en basebal), vraag
de station beamte om je daar voor op te
geven by heer Dannebaum of Meyer.
Vrijdags kun je inkopen doen in de
winkel in dien je over geld beschikt.
Geld kan door mensen van buiten
aan je overgemaakt worden, of als je al
zover bent als Untersuchingsgevangen
(Voorarrest), kun je jezelf opgeven voor
arbeid, en zo voor jezelf zorgen; aenvragen bij de station beamte.
Op de A1 beschik je meestal over
een z. g. sociaal TV. Indien je wordt
verhuisd zul jij of je bekende buiten een
TV moeten kopen, waarvan het beeldscherm niet groter is den 40 cm, ook kun
JVA intern
je een speelcomputer binnen brengen/en
of een radio, cassette/dvd speler, hoe dat
precies in zijn werk gaat kan de station
beamte je vertellen. Na +/- 3 maanden
krijg je een z. g. haftprufing, en normaal
wordt je binnen 6 maanden veroordeelt
als er geen byzonderen omstandigheden
zijn, maar bespreek dat met je advokaat.
Je kunt zonder afhoren met je advokaat bellen, en met je familie wordt er
meegeluisterd, als ze er op staan dat er
een z. g. Dolmetscher komt (Vertaler).
Dan moet de Rechtbank dat betalen.
Natuurlijk is je verblijf in een gevangenis geen pretje zeker niet als je niet in je
Moederland/Vaderland bent, maar blijf
relax dat is voor je zelf en je omgeving
beter. Heb je problemen vraag dan een
gesprek met een Soziale beamte aan en/
of een Geestelijke raadsvrouw/man.
Vergeet niet, ondanks de ellende dat
de deur op een dag voor je openzwaait
en je dan verder kon werken aan je leven/toekomst., en deze vervelende periode achter je kan laten.
Bezoek van familie moet je ook
aanvragen, hiervoor en voor vele andere
zaken zijn er op het station bureau z. g.
Antrag formulieren beschik baar, bijna
alles gaat hier via zo’n formulier. Heb je
problemen von Huishoudelijke aard, ga
dan bij de z. g. Hausarbeiter om advies.
Ook voor Dokters bezoek gelt,
aanvragen by de station beamte, de Doktor regelt ook je bijzonder eten bijv: Dia,
Vetarm, zout of visloos, in dien dit nodig is voor je gezondheid.
Gebruik je z. g. Glaubenessen
(Halal, Kosjer enz.) geef dat op aan de
station beamte deze zal zorgen dat het
op de keukenlijst word genoteerd.
Ik wens je een kort verblijf hier,
maar probeer er voor jezelf en je omgeving wat van te maken. Adressen von de
Staatsanwaltschaft de Rechtbank en de
Hollandse Consul kun je bij de sozial
raadsman/vrouw vragen, deze kunnen
ook indien nodig, je familie bellen voor
dringende zaken.
Een medegevangen
Ferry
Beileid
Die Redaktionsgruppe möchte hiermit stellvertretend für alle Gefangenen der JVA
Oldenburg, besonders im Namen der Gefangenen der Station D3, der Familie von
Papa Jo
ihr Beileid aussprechen, der am 19. August
2007 in den städtischen Kliniken verstarb.
.
Es ist schade, dass du so früh gehen
musstest.
„Abpfiff“
„Schikos“ letzter Arbeitstag
Irgendwann
ist
der
Zeitpunkt erreicht,
an dem auch die
längste Berufskarriere zu Ende
geht. Oftmals wird
dieser
Zeitpunkt herbeigesehnt oder befürchtet. Für Jürgen Schikorra, unserem „Schiko“, war dieser Tag am 31.
März 2007 gekommen und es
schien so, als ob er doch noch eine
kleine „Verlängerung“ herausholen
wollte.
So mussten all diejenigen Gefangenen, die unser Sportlehrer Herr
Dannebaum am 31.03. aus dem Mittagseinschluss befreit hatte, um zu
Ehren des letzten Arbeitstages unseres Übungsleiters einen Blumenstrauß zu überreichen, im Vorraum
zur Sporthalle warten, bis „Schiko“
beim Fußballspiel mit seiner SportLeistungsgruppe, das seiner Meinung nach eines der Besten seit geraumer Zeit gewesen war, den letzten „Abpfiff“ vernehmen ließ.
In bester Stimmung und in typischer Sportatmosphäre versammelten sich dann die aktiven und die
weniger aktiven Sportler aus fast
allen Abteilungen - Herr Schikorra in
ihrer Mitte, um bei reichlich Apfelschorle den lobenden Worten von
Herrn Dannebaum zu lauschen, der
die Zusammenarbeit mit seinem Kollegen noch einmal Revue passieren
ließ und den Ausführungen des
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Sprechers
der
SportLeistungsgruppe Torsten S., der von
den vielen gewonnenen Pokalen
unter der Regie von „Schiko“ zu berichten wusste und sich im Namen
aller Gefangenen für die langjährige
hervorragende Betreuung bedankte.
Die kleine Feier fand durch die
Überreichung eines Blumenstraußes, eines von Mitgliedern der Leistungsgruppe signierten Fußballs und
einer Collage mit Bildern aus dem
Sportlerleben von Jürgen Schikorra
ihren Höhepunkt und wurde von ei-
ner Dankesrede unseres sichtlich
gerührten
„Schiko“ gekrönt.
Zum Abschluss
meinte
Herr
Schikorra,
dass die offizielle
Verabschiedung
Ende April durch
d i e
Anstaltsleitung nicht
schöner werden könnte.
UM
Nachruf
Am 13. August 2007 verstarb plötzlich
und unerwartet viel zu früh im Alter von
56 Jahren Herr Jürgen Hülsemeyer,
Amtsinspektor im Justizvollzugsdienst.
Er war langjähriger Dienstleiter in der
Abteilung Delmenhorst der JVA Oldenburg und erfreute sich bei Vorgesetzten,
Kollegen und Inhaftierten großer Wertschätzung.
Diese Hochachtung für einen erfahrenen und überaus honorigen Beamten
kam nicht nur in einer Traueranzeige des
Anstaltsleiters und des Personalrates in
der örtlichen Presse, sondern auch in
einer Insertion der dortigen Inhaftierten,
zum Ausdruck.
UM
19
Sport — Bildung — Gesundheit
Die neuen „Schiris“
Erstmals in der Geschichte der JVA
Oldenburg wurde vor Ort ein
Schiedsrichterlehrgang
des
N
F
V
( N i e d e r s ä c hsischer Fußballverband)
durchgeführt.
An zwei Wochenenden büffelten
anfänglich 18 Gefangene, fünf
„Normale“ und der zuständige Sportpädagoge der JVA die Fußballregeln
des DFB, die ihnen von Schiedsrichterlehrwart Thomas Hein näher gebracht wurden.
Als Schiedsrichterobmann Garen am letzten Lehrgangstag die
Prüfung abnahm, mussten einige
feststellen, dass die Regelkunde für
Schiedsrichter doch nicht so einfach
ist, wie sie sich das vorher vorgestellt haben. Die teilweise kniffligen
Fragen konnten nicht alle Teilnehmer mit der gewünscht niedrigen
Fehlerquote beantworten, sie erhielten in einer Nachprüfung die zweite
Chance. Vier Gefangene, ein
„Auswärtiger“ und der Sportpädagoge bestanden die Prüfung im ersten
Anlauf, in der Nachprüfung dann
noch einige, die sich nochmals auf
den „Hosenboden“ gesetzt hatten,
Die ersten neuen „Schieris“
sodass insgesamt elf Sportler zukünftig in der Kreisklasse als
Schiedsrichter eingesetzt werden
können.
„Vielleicht trägt dieser Lehrgang
ja auch dazu bei, dass manche ihr
Verhalten auf dem Fußballplatz ein
wenig hinterfragen und die Arbeit
des Schiedsrichters mit anderen Augen sehen“, so Wilfried Dannebaum,
20
der Leiter der Sportabteilung
in der JVA.
Insges a m t
eine sehr gelungene Veranstaltung, in
der Gefangene mit Auswärtigen
friedlich nebeneinander und voneinander lernen konnten. Eine Wiederholung im Herbst wäre wünschenswert.
Markus Lanfer
Hockey-Herausforderung
wunderlich war, dass „unsere“
Teams den Platz als deutliche Verlierer verlassen mussten.
Trotz der Niederlage muss hier
aber noch angemerkt werden, dass
auch die Inhaftierten eine wirklich
gute Leistung gebracht haben und
dass es enorme Fortschritte zu sehen gab, wenn im Vergleich dazu
einfach einmal an den Beginn des
„Unternehmens Hockey“ gedacht
wird.
Nach den Spielen des TuS Bloherfelde gegen die JVA Oldenburg
Volles Engagement!
Hockey vom Feinsten
Am 12. April trafen sich einige Inhaftierte der JVA Oldenburg in der
Sporthalle, um sich der ultimativen
Hockey-Herausforderung zu stellen.
Nach etlichen Stunden des Trainings, in denen Grundlagen, wie das
Stoppen und Schießen des Balles,
aber auch das Stellungsspiel und
einige taktische Varianten geübt
wurden, fühlten sich die meisten nun
zu größeren Aufgaben
berufen.
Schön, dass die Sportverantwortlichen zu diesem Zweck den TuS
Bloherfelde, ein Hockeyteam von „draußen“, in
die JVA eingeladen hatte, um mit den Inhaftierten ihre Kräfte messen
zu können. Das Team
brachte sogar einen aktuellen sowie einen ehemaligen Nationalspieler
mit, so dass ziemlich
schnell klar wurde, wer auf dem
Platz das Sagen haben sollte.
Mit blitzschnellen Kombinationen, ausgezeichnetem Stellungsspiel und guter Laufarbeit brachten
die Jungs vom TuS Bloherfelde
„unsere“ beiden Mannschaften doch
etliche Male in große Schwierigkeiten, so dass es am Schluss des jeweiligen Matches nicht weiter verTr§tzdem 2006 Nr. 37
wurden
die
Mannschaften
gemischt
und
jeder von uns
hatte die Möglichkeit, ein wenig mit den Profis in
einer Mannschaft zusammen zu
spielen. Die Teams waren jetzt einigermaßen ausgeglichen und so gab
es noch einige schöne Kombinationen und Tore zu sehen. Nach etwa
zwei Stunden waren alle ziemlich
„platt“ und glücklich darüber, die
Sporthalle auf dem „Zahnfleisch“
wieder verlassen zu dürfen. Die
meisten von uns haben sicherlich
eine Menge dazugelernt und nun
auch eine viel bessere Vorstellung
davon, was in Zukunft mit dem kleinen Ball noch so alles möglich ist.
Vielleicht entscheidet sich der
TuS Bloherfelde in naher Zukunft ja
noch einmal dazu, den Weg in die
Sporthalle anzutreten, um den Inhaftierten eine Revanche zu geben. Bis
dahin sollte dann genügend Zeit
sein, um das eigene Spiel zu
Sport — Bildung — Gesundheit
Die ersten Runden mit der neuen Halle
verbessern und beim nächsten Mal
ein noch besserer Gegner zu sein.
Vielen Dank an den TuS Bloherfelde und die Sportabteilung, die
diese gelungene Veranstaltung ermöglicht haben, aber besonders
auch an die Inhaftierten, die sich
trotz größten Einsatzes immer an
den Gedanken des „Fair Play“
gehalten haben.
Lasse Willms
In alter Frische
Insbesondere, wenn es
sich um ein Gebäude
in einer
J V A
handelt.
Anfang
Juli war
es dann
wieder soweit; auf frisch gemähtem Rasen und in etwas anderer Gestaltung
wurde der Sportplatz wieder mit großer
Spielfreude in Empfang genommen.
UM
Am 15. Juli 2006 hatte es noch das
jährliche Sportu n d
S o m m e r f e s t mit viel Sport,
sehr gutem Wetter und einem Hardrockund Heavy-Metal-Konzert gegeben.
Dann tauchten auf einmal Bauarbeiter,
Schieber und Bagger auf. Aus einem
Teil
des
Sportplatzes wurde
bekam man keine vollzählige Mannschaft zusammen, so dass aus dem üblicherweise „großen“ Spiel ein Kleinfeldturnier mit einer Bedienstetenmannschaft und zwei Gefangenenmannschaften wurde.
Noch nie hatten die Gefangenen das
Spiel gewonnen, doch diesmal war alles
anders. Von den drei Mannschaften belegte die Bedienstetenmannschaft den
dritten Platz mit zwei Niederlagen und
zwei Unentschieden. Vielleicht war das
die gerechte Strafe für einen geschundenen Elfmeter, der im ersten Spiel für
einige Unruhe sorgte und das ansonsten
sehr gute und am Ende dann doch faire
Klima zwischen den Mannschaften anfänglich ein wenig belastete. Ein leichter
Sommerregen zwischendurch sorgte für
das richtige Fußballwetter; nichts ist
schöner, als auf einem nassen Rasen
rum zu rutschen und Fußball zu spielen.
Insgesamt eine gelungene Veranstaltung, die für viel Spaß und Freude sorgte.
Dank an die
Sportabteilung.
Nächstes Jahr wird es
dann hoffentlich wieder ein „richtiges“ Bild: Robert Geipel,
Sommerfest 2006
Spiel geben.
Markus Lanfer
Kleines Fußballturnier am 31.7.2007
Das alljährliche Spiel der „Fußball-Leistungsgruppe“ gegen eine Bedienstetenauswahl stand in diesem Jahr unter keinem günstigen Stern. In der Urlaubszeit
Witz
Endlich wieder an frischer Luft
Fit durch Nordic Walking
eine Baustelle für die neue
Werkstatt der „Holzwürmer“. Mit Beginn des
Herbstes ließ auch das Gefühl der Sportler nach, einen
Verlust hinnehmen zu müssen. Umso mehr wurde mit
Aufkommen des Frühlings die Wiedereröffnung fast täglich herbeigesehnt.
Aber solch ein Bau braucht seine Zeit.
Die neue Grundschullehrerin in Hamburg
stellt sich ihrer Klasse vor:
„Hallo, liebe Kinder, ich bin die Sabine, ich bin Eure neue Klassenlehrerin“,
und, um sich gleich beliebt zu machen,
„ich bin HSV-Fan“! „Wer von Euch ist
denn auch HSV-Fan?“
Alle, bis auf den kleinen Moritz, melden sich. Die Lehrerin fragt: „Moritz, warum bist Du denn kein HSV-Fan?“ Moritz
antwortet: „Mein Vater ist aus Bremen,
arbeitet bei Becks und hat früher bei der
A-Jugend gespielt, meine Mutter ist auch
aus Bremen, arbeitet bei der Bremer
Bank und deshalb bin ich Werder-Fan!“
Darauf die Lehrerin: „Aber Moritz,
Du musst doch nicht alles nachmachen,
was Deine Eltern gemacht haben, Du
musst doch auch eine eigene Meinung
haben! Stell Dir vor, Deine Mutter wäre
Prostituierte und Dein Vater arbeitsloser
Alkoholiker, was wäre dann?“
Moritz: „Dann wär’ ich wohl auch
HSV-Fan!“
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
21
Sport — Bildung — Gesundheit
Fußball
Die Heseper hatten dick
gewonnen, sie waren
vielleicht schon leicht
Niedersachsenmeisterschaften
überheblich. Bei einem
der Gefangenen im Fußball in
Sieg hätte man gegen
Meppen am 16.6.2007
das schwächere Team
aus der zweiten Gruppe
spielen können, ein
kleiner Vorteil. Doch so
weit wollte von den
Spielern aus Oldenburg
keiner denken, das fußballerische Selbstvertrauen war nicht besonders groß. Hauptsache
denburger parieren
Nicht nur einen kräftigen Sonnenbrand
weiterkommen, dann
konnte, wurde als Tor
brachte die Fußballmannschaft der JVA
wäre das Ziel erreicht.
gegeben, obwohl der
Oldenburg von ihrem Ausflug nach
Bereits nach dem ersten
Ball nicht einmal die
Meppen mit. Der Sonnenbrand war äuSpiel traten bei einigen
Torlinie berührt, geßerst verständlich – seit einem Jahr ist
Spielern eklatante Konschweige denn überder Sportplatz in Oldenburg baustellenditionsschwächen auf.
schritten hatte. Jedem
bedingt gesperrt. So sind die Meisten
Das war etwas anderes
fiel ein wenig das
den Kontakt mit Wind und Wetter nicht
Die Trophäe
als Hallenfußball. Das
Herz in die Hose. Das
mehr gewöhnt, schon gar nicht 6-7 StunSpielsystem musste daher ein wenig
ging ja gleich gut los. Eine Ungerechtigden direkte Sonneneinstrahlung.
umgestellt werden, der Libero wurde
keit, die manch einer Mannschaft gleich
Mit den anderen Mitbringseln,
getauscht.
im ersten Spiel das Genick gebrochen
gleich zwei Pokale wurden erobert, hatte
Das Spiel gegen Hesepe fing wieder
hätte.
niemand auch nur im Traum gerechnet.
schlecht an: Nach kurzer Zeit lag OldenHier zeigte sich nun die Stärke,
Im Gegenteil: Man wollte auf keinen
burg bereits mit 1:0 hinten, der Starstürnämlich die moralische Qualität der OlFall das fußballerische Gesicht verliemer der Heseper war schneller gewesen
denburger Mannschaft: Kein Gemecker
ren, Ziel war ein Überstehen der Grupals sein Bewacher, ein wenig Chaos und
und Gemaule, Ball zur Mitte hingelegt,
penphase gewesen. Seit einem Jahr ausUnaufmerksamkeit gepaart mit manweiter ging es. Entsprechend mehr
schließlich Hallenfußball, wie die UmDruck wurde auf das Tor der Vechtaer
stellung auf das große Feld klappen würgelnder Erfahrung, und schon war der
ausgeübt und siehe da: In der einsetzende, war nicht vorhersehbar. Nur vier
Ball im Netz. Doch genau wie im ersten
den Abwehrhektik unterlief einem
Vereinsfußballer waren in der OldenburSpiel ließ sich die Mannschaft davon
Vechtaer Spieler kurz darauf ein Handger Mannschaft.
nicht entmutigen. Anstoß und weiter
spiel im Strafraum – Elfmeter. Souverän
Als sehr gelungene Maßnahme erging es. Und auch hier schafften die
und sicher wurde der verwandelt, es
wiesen sich zu Beginn die kleinen AufOldenburger den Ausgleich und noch
stand 1:1, die Moral stieg in
wärm- und Ballgefühlsübunbesser: Sie gingen sogar mit 2:1 in Fühder Oldenburger Mannschaft.
gen, die das Trainerteam
rung. Jeder Angriff der Heseper wurde
Das Unentschieden wurde bis
Dannebaum/Meyer noch vor
niedergekämpft, der Oldenburger Torzum Schlusspfiff gehalten,
dem ersten Spiel durchführen
wart entschärfte mehrere Einzelgänge
keine Niederlage, das war
ließen. Das tat allen Spielern
und gute Chancen in herausragender
schon mal ein kleiner Erfolg.
nach der langen, quälenden
Manier, einer kam dem anderen zu HilEs wäre auch ein Sieg drin
Busfahrt gut und vermittelte
fe. Und doch gelang den Hesepern kurz
gewesen, etliche Torchancen
ein klein wenig Kontakt zu
vor Schluss noch der Ausgleich. Die
wurden ausgelassen. Alle wadem ungewohnten SpielgeOldenburger Abwehr hatte noch nicht so
ren froh und erleichtert: Ein
rät.
richtig zu ihrem Spiel gefunden, zu viele
Der Trainer
Debakel vermieden, nicht verDas erste Spiel gegen
Stellungsfehler und Lücken, Kampf alloren und in der zweiten Halbdie im Oldenburger Bus mitleine reicht manchmal eben doch nicht
zeit auch gar nicht mehr so schlecht gegereiste Vechtaer Mannschaft war zu
aus.
spielt.
Beginn gekennzeichnet von den UmstelDas Unentschieden sicherte auf
Da Vechta im ersten Spiel verloren
lungsschwierigkeiten der Oldenburger
jeden Fall erstmal das Weiterkommen
hatte, genügte ein Unentschieden, um
auf das große Feld. Laufwege, Abstänins Halbfinale – ein Erfolg, mit dem
das Weiterkommen zu sichern. Allerde, selbst der Umgang mit dem diesmal
niemand gerechnet hatte. Alle waren
dings ging es nun gegen das Team aus
nicht aus Filz ummantelten Ball waren
jetzt schon froh und zufrieden, das TurHesepe, eine Mannschaft, die das ganze
ungewohnt und wurden oft falsch eingenier war gelungen, niemand hatte sich
Jahr draußen trainiert, eingespielt, spielschätzt. Kein Oldenburger Spieler fühlte
blamiert. Es gab nichts mehr zu verliestark, mit einigen auffälligen Einzelkönsich wirklich wohl auf dem großen
ren, nur noch zu gewinnen. Im Halbfinanern. Sie hatten Vechta ohne große MüPlatz, jeder kämpfte zunächst mit seinen
le wartete allerdings die Gastgeberhe mit 3:0 geschlagen. Also würde es
eigenen Orientierungsproblemen.
mannschaft aus Meppen. Eine Manneine Frage des Kampfeswillens werden.
schaft, die am normalen Spielbetrieb in
Und dann gleich
der erste Schreck: Ein
Schuss aufs Tor, den
der hervorragend agierende Keeper der Ol-
Gekämpft und gewonnen:
MEISTER!
22
Tr§tzdem 2006 Nr. 37
Sport — Bildung — Gesundheit
Die Helden
der Liga teilnimmt, jedes Wochenende
um Punkte spielt. Einige sehr gute Spieler, darunter auch ein ehemaliger Oldenburger, der nun gegen seine ehemalige
Mannschaft auf Torjagd ging. Aber egal
– eine Niederlage war nicht weiter
schlimm. Gegen so eine Mannschaft
konnte man ruhig ausscheiden.
Anstoß und nach dem ersten Angriff der Meppener lag Oldenburg mit
1:0 zurück. Ein unglücklicher Abpraller
ließ den Ball direkt vor die Füße eines
Meppener Angriffspielers fallen, der
hatte keine Mühe und konnte sich die
Ecke aussuchen. Diesmal war der Oldenburger Torwart chancenlos.
Wieder zeigte sich die erstaunliche
moralische Qualität in der Oldenburger
Mannschaft. Kein Gemecker, keine Vorwürfe, es wurde einfach weitergespielt
und mehr Gas gegeben, so weit das bei
der nicht vorhandenen Kondition noch
ging. Und so kam es, wie es kommen
sollte: Oldenburg schaffte den Ausgleich
und in der zweiten Halbzeit durch einen
hervorragend getretenen Freistoß sogar
die Führung. Die wurde mit allen noch
zur Verfügung stehenden Kräften verteidigt, jeder ging an die eigenen Grenzen
und darüber hinaus. Auch in diesem
Spiel war die Leistung des Oldenburger
Torhüters Basis für den Sieg über Meppen. Er verhinderte ein ums andere Mal
mit seinen Paraden und kompromisslosem Herauskommen bei Einzelaktionen
Meppener Spieler das Gegentor. Kein
Oldenburger Spieler steckte zurück, ein
unglaublicher Kampfgeist stand der bes-
seren Qualität der Meppener Spieler
entgegen. Zudem hatten die Spieler auf
dem Feld das System in der Abwehr
umgestellt. Nun wurde die äußerst seltene Variante einer Verteidigung mit Doppellibero gespielt. Das machte sich sofort bemerkbar, ab da gab es kaum mehr
Torchancen für den Gegner, die Abwehr
stand sicher und stabil, erstmals im Turnierverlauf. So wurde die Führung bis
zum Spielende verteidigt – Oldenburg
stand im Finale. Eine unglaubliche Leistung für eine Mannschaft, die noch nie
auf einem großen Platz zusammen trainiert oder gespielt hatte. Von Spiel zu
Spiel hatten sich die Spieler gesteigert,
sich mit den ungewohnten Umgebungsbedingungen angefreundet und dazu
gelernt. Das war ausschlaggebend für
den Einzug ins Finale.
Nun war erst einmal Mittagspause,
Grillzeit. Mühsam und humpelnd
schleppten sich die Spieler zu aufgebauten Grillzelten. Kaum einer hatte keine
Blessuren davon getragen. Nach dem
Essen konnte sich keiner vorstellen,
auch nur einen Meter noch laufen zu
können. Aber egal, es ging weiter.
Der Gegner hieß, wie in der Vorrunde, Hesepe. Die Mannschaft kannte
man bereits und man war sich sicher, sie
besiegen zu können. Hatten die Oldenburger im ersten Spiel doch zeitweise
mit 2:1 geführt. Die Abwehr stand mit
dem neuen System nun endlich stabil
und so wogte das Spiel hin und her, keine Mannschaft konnte sich einen Vorteil
erspielen. In der zweiten Habzeit bekam
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Oldenburg dann langsam ein Übergewicht, entscheidend war der größere
Kampfes- und Siegeswille. Alle Spieler
waren völlig fertig, phasenweise wurde
von beiden Mannschaften der Ball nur
noch möglichst weit hinten heraus geschlagen, Hauptsache weg vom eigenen
Tor. Zu konstruktivem Aufbauspiel war
niemand mehr körperlich in der Lage. In
der letzen Spielminute setzte sich dann
ein Oldenburger Stürmer mit letzter
Kraft, aber fest entschlossen, „sein“ Tor
zu machen, gegen drei Verteidiger durch
und schlenzte den Ball unhaltbar für den
Torwart ins Eck. Oldenburg führte 1:0,
nach dem Anstoß folgte der Abpfiff –
Oldenburg war Turniersieger!
Entscheidend für den Turniersieg
waren der Siegeswille und die Mannschaftsleistung – die Leistung des Kollektivs siegte über stellenweise hervorragende Einzelspieler anderer Mannschaften. Wie im richtigen Fußball eben. Bei
der Auswahl der Spieler hatten die beiden Trainer viel Feingefühl und gutes
Gespür bewiesen, eine gute Mischung
hinbekommen mit charakterstarken
Spielern, die sich auch von kleineren
Missgeschicken wie frühen Gegentoren,
Fouls, zu Unrecht gegebenen Toren und
ähnlichem nicht hatten entmutigen lassen. Das gab letztendlich den Ausschlag.
So konnten alle wenigstens einigermaßen gut gelaunt die Torturen der
Heimfahrt überstehen, zwei Stunden
eingesperrt wie Hühner in Käfigen. Aber
diesmal war es egal, es zählte nur der
Sieg!
Markus Lanfer
23
Sport — Bildung — Gesundheit
Das Top-Thema
Der Erfolg der Bildungsmaßnahmen
kann aber nur gesichert werden, wenn
die geeigneten Gefangenen und alle Bediensteten der JVA von der Notwendigkeit der Bildungsanstrengungen überzeugt sind. Eine besondere Last hat dabei Herr Dannebaum als der für Bildung
zuständige Beamte übernommen.
Bildungsmaßnahmen für
Gefangene der JVA Oldenburg
Die JVA Oldenburg war bei ihrer Konzeptionierung und ihrer Inbetriebnahme
im Jahre 2001 als reine Untersuchungshaftanstalt vorgesehen gewesen. Darauf
wurden fast alle Maßnahmenangebote
abgestimmt. Das umfasste im Wesentlichen folgende Gruppenarbeiten:
• Soziales Training
• „Anonyme Alkoholiker“ (AA)
• Suchtberatungsdienst mit ‚Rose 12‘
• Gefangenensport
• Betreute Freizeit mit Spielegruppe
und Kirchengruppe
Mit dem Einzug der ersten Gefangenen
in Strafhaft änderten sich die Anforderungen. Viele neue Maßnahmen wurden
in Planung genommen. Davon wurden
in den Jahren 2002/2003 die
• Lockerungsgruppe (auf Initiative von
Herrn Krügl und der GIV),
• die Gefährdetenhilfegruppe,
• die Musikgruppe und
• der Alphabetisierungskurs
ins Leben gerufen. Seit 2 Jahren besteht
auch ein Gospelchor.
Inzwischen hat die JVA Oldenburg
ein völlig verändertes Bild bekommen,
denn fast die Hälfte der Inhaftierten der
Hauptanstalt sind aufgrund eines veränderten Sicherheitskonzeptes für die Niedersächsischen Justizvollzugsanstalten
Strafgefangene.
Dieser veränderten Gefangenenstruktur wird seit Ende 2006 durch ein
umfangreiches Behandlungs- und Bildungskonzept in der JVA Oldenburg
Rechnung getragen.
Das Bildungskonzept ist gut ausdifferenziert und stellt einen wesentlichen
Reintegrationsbaustein für die Inhaftierten dar.
Es orientiert sich am bestehenden
Strafvollzugsgesetz und stark an den
Grundsätzen und Standards des
„Niedersächsischen Chancenvollzugs“,
die schon die Leitgedanken der neuen
24
UM
Neue Vollzugsschwerpunkte in
der JVA Oldenburg
Gesetzgebung zum Justizvollzug in Niedersachsen bestimmt haben. Alle Bildungsmaßnahmen sind in das Anstaltskonzept der JVA Oldenburg integriert
und sind mit den Maßnahmen der Justizvollzugsanstalten des Regionalverbundes Nord-West (JVAen Lingen, Meppen, Oldenburg) abgestimmt. Die Bildungsmaßnahmen in Oldenburg umfassen sowohl schulische als auch berufliche Bildungsangebote und werden weitgehend mit einem mit der JVA Oldenburg kooperierenden externen Bildungsträger durchgeführt. Der Erfolg der Bildungsmaßnahmen soll durch ein Controlling gesichert werden.
Die Bildungsmaßnahmen für Gefangene berühren fast alle Bereiche des
Vollzugs:
• In der Aufnahme werden schon Bildungsstand, Interessen und Fähigkeiten der Gefangenen erfragt.
• An Bildungsmaßnahmen teilnehmende Gefangene müssen im Vollzugsalltag entsprechend beurteilt,
motiviert und begleitet werden.
• Bildungsmaßnahmen werden wesentlicher Bestandteil der Vollzugspläne.
• Die Betriebe der Anstalt sind
zugleich Bildungsstätten für geeignete Gefangene und auch „Konkurrenten“ im „Wettbewerb“ um geeignete Inhaftierte.
Tr§tzdem 2006 Nr. 37
Die JVA Oldenburg feierte vor kurzem
ihr über 5-jähriges Dasein im neuen
Gebäude in der Cloppenburger Straße,
unter anderem mit dem mittlerweile
legendären Konzert der Hannoveraner
Band „Fury in the Slaughterhouse“. Genau wie sich in den letzen fünf Jahren
„draußen“ viel verändert hat, sind auch
in der JVA Oldenburg viele neue Entwicklungen festzustellen. Dieses Heft
beschäftigt sich im Schwerpunkt mit den
kleinen und großen Veränderungen innerhalb der Anstalt und gibt damit
gleichzeitig einen guten Überblick über
die aktuelle Situation.
Entsprechend ihrer Geschichte wurde die JVA Oldenburg bei der Neukonzeption für den Umzug ins neue Gebäude als reine U-Haftanstalt angelegt. Lediglich etwas mehr als 40 Strafhäftlingsplätze waren als Funktionsstellen vorgesehen. Das Maßnahmen-, Betreuungsund Bildungsangebot war auf das Klientel Gefangene in Untersuchungshaft
abgestellt. Hier wollte und sollte Oldenburg neue Maßstäbe setzen, was auch
gelang. Landesweit gab es kein Gefängnis für U-Inhaftierte, das auch nur annähernd mit dem Niveau sowohl von Sicherheit, aber auch von Betreuung mithalten konnte. Die meisten UHaftanstalten sind mittlerweile dem
Vorbild Oldenburg gefolgt, beziehungsweise auf dem Weg dorthin. Selbst eine
kleine Anstalt wie Osnabrück hat die
Notwendigkeit der körperlichen Bewegung eingesehen und bietet mittlerweile
Sport — Bildung — Gesundheit
ein, wenn auch nur kleines, aber immerhin, Sportangebot. Der gesunde Menschenverstand setzt sich hier langsam
zumindest in kleinen Teilen durch. Es
kann nicht sein, dass man zwei wildfremde, zu dem Zeitpunkt noch als unschuldig geltende Menschen auf 8 -10
qm 23 Stunden in eine Zelle sperrt und
ihnen nur die Aufenthaltsmöglichkeit
Stuhl oder Bett gewährt. Selbst für die
immer als kurz bezeichnete Zeit der UHaft - in der Regel sind es dann doch
sechs bis sieben Monate - ist dies kein
menschenwürdiger Zustand. Hier war
und ist Oldenburg eindeutig ganz weit
vorne. Selbst als U-Gefangener kann
man am breiten Sportangebot teilnehmen, es gibt Arbeit in (fast) ausreichendem Maß, sogar Betreuungsangebote
wie Anonyme Alkoholiker, Christliche
Gefährdetenhilfe, Suchtberatung, Kirchengruppe, Spielegruppe, Band und
Chor stehen einem offen.
Anders sieht es auf dem Gebiet der
Strafgefangenen aus. Hierfür war Oldenburg nicht ausgelegt und man tat sich
verständlicherweise sehr schwer, auf
dieses Klientel einzugehen. Laut dem
bald nicht mehr geltenden Strafvollzugsgesetz, das in einigen Gerichtsurteilen
genauer spezifiziert wurde, sind U- und
Strafgefangene strikt voneinander zu
trennen, um die ordnungsgemäße
Durchführung der U-Haft, das heißt
besonders die Kontrolle der ein- und
ausgehenden Informationen zu einem UHäftling, zu gewährleisten. Der täglich
und unkontrollierbar stattfindende Informationsfluss zwischen U- und Strafgefangenen bereitet in Oldenburg nach wie
vor konzeptionelle Schwierigkeiten. So
ist es das einzige Gefängnis Niedersachsens, in dem die Post von Strafgefangenen geöffnet und gelesen wird, um das
darin mögliche Schmuggeln von Nach-
!
en
ss !
lo uns
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c
rs zu
v e mt
Un o m
K
richten für U-Inhaftierten
zu vermeiden. Sogar
Anwaltspost wird im Einzelfall aus diesem Grund geöffnet und gelesen. Gefangenen aus anderen Haftanstalten ist so
ein Vorgehen völlig fremd und unbekannt, sie empfinden es meist als ausgesprochen unverständlich und entwürdigend, wenn sich die Anstalt derart in ihr
Privatleben einmischt.
Mittlerweile sind ca. 50 % der Oldenburger Gefangenen in Strafhaft. Sie
wohnen und leben hier für einen längeren Zeitraum, versuchen ihr Leben für
diesen längeren Zeitraum hier einzurichten. Das unterscheidet sich deutlich von
der Sichtweise eines U-Häftlings, der
nicht weiß, ob er verurteilt wird, für wie
lange, was nach der U-Haft passiert und
wo er anschließend bleibt. Strafgefangenen müssen so genannte Behandlungsangebote gemacht werden, wie beispielsweise Antiaggressionstraining für
Gewalttäter, Soziales Training und ähnliche Dinge. Bei etlichen Inhaftierten
muss eine begleitende individuelle
Betreuung durch das Psychologenteam
erfolgen. Die Anstalt ist gezwungen,
Bildungsmaßnahmen für Straffällige mit
schlechtem Bildungsstand anzubieten,
um die Chancen der
Wiedereingliederung zu
verbessern. Man kann,
darf und soll die Inhaftierten nicht einfach für
die Zeit ihrer Strafe
wegsperren, zur Beruhigung nur mit Arbeit und
Sport versehen. Es muss
mit ihnen, an ihnen gearTr§tzdem 2007 Nr. 37
beitet werden. Und dies gleichzeitig
unter Beachtung der hohen Sicherheitsstandards eines Gefängnisses mit Sicherheitsstufe 2, was bedeutet, dass auch
„richtige“ Kriminelle hier sitzen und
nicht nur „Handtaschendiebe“. Ein sehr
schwer zu schaffender Spagat.
Als ich, vor einigen Jahren muss ich
leider sagen, hier in Oldenburg ankam,
gab es in Punkto Bildung eine einzige
Maßnahme: Den so genannten Alphabetisierungskurs einer älteren ehemaligen
Grundschullehrerin (siehe den Artikel in
der Tr§tzdem Nr. 33). Hier ist im letzten
Jahr die Wende zum Besseren eingetreten. Es gibt einen Computerkurs, der mit
einem europaweit
geltenden
Zertifikat
a b g e schlossen
w e r d e n k a n n u n d e in e n K u r s
„Berufliche Einstiegsqualifizierung“.
Die Ende letzen Jahres entstandene Literaturgruppe werte ich ebenfalls als Bildungsmaßnahme, sie ist es von der Anlage her sogar im originären Sinn, auch
wenn der Teilnehmerkreis beschränkt
ist. Musikunterricht durch qualifizierte
Lehrer von „draußen“ wäre im Übrigen
ebenfalls ein sehr passendes Bildungsangebot, das jeden Teilnehmer in der Entwicklung seiner Persönlichkeit weiterbringen würde. Denn wer die Ausdauer
und Power hat, ein Instrument zu erlernen oder sich daran weiter zu entwickeln, schmeißt auch sonst nicht so
schnell die Flinte ins Korn …
Geplant und zum Teil schon in der
Umsetzungsphase sind Maßnahmen im
beruflichen Bereich. Die vorhandenen
gut ausgestatteten Werkstätten bieten
sich dafür an und sollen künftig für berufliche Teilqualifizierungen genutzt
werden. Das wäre ein weiterer, großer
Schritt für ein verbessertes Angebot zur
Wiedereingliederung.
Denn eines ist wohl völlig klar: Die
Bildungsvoraussetzungen der meisten
Fortsetzung auf Seite 26
25
Sport — Bildung — Gesundheit
Angebotene Behandlungsmaßnahmen ausgewählter Justizvollzugsanstalten
(Exemplarische Übersicht aus Oldenburger Sicht interessant, da vielfach Verlegungen zwischen diesen Anstalten stattfinden)
rmine
lle Te
Aktue
JVA Oldenburg
Hauptanstalt
Beginn
Ende
Das Programm der Maßnahmen wird ständig neu zusammengestellt
Maßnahme
Schulische Bildung
Elementarkurs
Elementarkurs
Berufliche Ausbildung
Vorbereitung auf den Europäischen Computerführerschein
(ECDL)
Vorbereitung auf den Europäischen Computerführerschein
(ECDL)
verhaltensändernde Maßnahme
Orientierungsgruppe für Drogenabhängige
Soziales Training
Soziales Training
Antigewaltmaßnahme "Meine Zukunft ohne Gewalt"
Integrationskurs für Gefangene mit Migrationshintergrund
und Deutsche mit Immigrationsproblemen
Typ
Kriminalpräventive Behandlung
Fortsetzung von Seite 25
Inhaftierten sind nicht besonders gut,
daran gekoppelt sind die Chancen auf
dem Arbeitsmarkt. Hier muss in der
Kriminalprävention angesetzt werden,
will man langfristig erfolgreiche Arbeit
leisten.
Dabei muss aber auch sicherlich
festgestellt werden, dass für Bildung
jeder, nach seinem mehr oder weniger
vorhandenen Schulabschluss, selbst verantwortlich ist. Aufgewertet, das heißt
besser beworben und ausgenutzt werden, sollte auf jeden Fall die vorhandene
Bibliothek. Hier sind mittlerweile her-
Schulische Bildung
Schulische Bildung
05.03.2007 31.07.2007
03.09.2007 26.01.2008
Berufliche Ausbildung
15.02.2007 20.07.2007
Berufliche Ausbildung
06.09.2007 25.01.2008
Soziales Training
Soziales Training
Soziales Training
Gruppenbehandlung
29.03.2007 08.07.2007
30.03.2007 20.07.2007
01.08.2007 31.07.2008
Gruppenbehandlung
06.03.2007 06.09.2007
Einzelbehandlung
31.10.2006 31.10.2007
JVA Celle
Das Programm der Maßnahmen wird ständig neu zusammengestellt
Typ
Schulische Bildung
Hauptschulkurs (HSK)
Schulische Bildung
Celle
Beginn
Salinenmoor
Ende
Schulische Bildung
Schulische Bildung
Förderkurs
Schulische Bildung
Hauptschulkurs
Schulische Bildung
04.09.2006 10.07.2007
Realschulkurs
Schulische Bildung
01.09.2005 12.07.2007
Berufliche Ausbildung
Berufliche Ausbildung
01.09.2005 06.07.2007
01.09.2006 04.07.2008
Umschulung zum Raumausstatter I
Umschulung zum Raumausstatter II
Berufliche Ausbildung
Berufliche Ausbildung
01.09.2005 05.07.2007
01.09.2006 02.07.2008
Umschulung zum Tischler I
Berufliche Ausbildung
01.09.2005 04.07.2007
Umschulung zum Tischler II
Berufliche Ausbildung
01.09.2006 01.07.2008
Soziales Training
Soziales Training
09.10.2006 09.07.2007
Projekt Alternativen zur Gewalt (PAG)
Soziales Training
02.01.2007 01.07.2007
Soziales Training
Soziales Training
Autogenes Training (AT)
Gruppenbehandlung
10.07.2007 16.10.2007
Behandlungsgruppe zum Thema Spielsucht
Gruppenbehandlung
01.02.2006 21.12.2007
BPS/ Behandlungsprogramm für Sexualtäter
Externe Psychotherapie
Gruppenbehandlung
Einzelbehandlung
01.02.2006 31.12.2007
01.01.2007 31.12.2007
verhaltensändernde Maßnahme
Anti-Aggressions-Training (AAT)
MuT- Motivation und Therapie
26
Ende
18.09.2006 13.07.2007
Deutsch als Zweitsprache (DaZ)
EDV Kurs
Berufliche Ausbildung
Umschulung zum Bäcker
Umschulung zum Metallbauer
Beginn
04.09.2006 29.09.2007
07.05.2007 13.07.2007
01.08.2006 31.07.2007
01.01.2007 31.12.2007
28.03.2007 01.07.2007
Tr§tzdem 2006 Nr. 37
agen!
Abt. Nordenham
Beginn
Ende
AB
C
07.02.2007 31.07.2007
vorragende Bücher für alle Bereiche,
sogar aktuelle Fachbücher zur Berufsausbildung, auszuleihen. Dies wird
meines Erachtens zu wenig propagiert,
gefördert und genutzt. Der zum Herbst
neu erscheinende Bücherkatalog und der
neue Hörbuchclub werden die Situation
vielleicht ein wenig verbessern.
Die mittlerweile ins gesellschaftliche Bewusstsein eingedrungene Notwendigkeit eines selbstverantwortlichen
lebenslangen Lernens ist bei der Klientel
einer JVA noch nicht so richtig angekommen. Allerdings lässt sich, wie einige Umfragen innerhalb der JVA zeigen,
zumindest eine Offenheit bei vielen Ge-
Maßnahme
rfr
bitte e
fangenen in diesem Punkt feststellen.
Meist bedarf es nur eines kleinen Anstoßes und der Versicherung, dass einen
nicht allzu große Misserfolgserlebnisse
erwarten, um Gefangene für Bildungsmaßnahmen innerhalb der JVA zu interessieren.
Ein gutes Beispiel kann die JVA
Geldern geben, die eine Kooperation mit
der örtlichen Volkshochschule eingegangen ist. Für eine Volkshochschule ist
es kein großes Problem, klientenorientierte Maßnahmen auszutüfteln und anzubieten. Auch die Volkshochschule
Oldenburg könnte sich hier als guter
Partner erweisen. Jede Bildungsmaßnahme hilft, stellt eine Verbesserung der
Chancen für Straffällige dar. Nichts ist
schlimmer, als nach einer mehrjährigen
Haftstrafe mit den gleich schlechten
Fortsetzung auf Seite 27
Sport — Bildung — Gesundheit
JVA Meppen
Das Programm der Maßnahmen wird ständig neu zusammengestellt
Maßnahme
Typ
Schulische Bildung
Deutsch für Ausländer - Anfängerkurs (DaF I)
Schulische Bildung
Deutsch für Ausländer - Intensivkurs (DaF II)
Schulische Bildung
Förderkurs
Schulische Bildung
Hauptschulkurs
Schulische Bildung
Integrationskurs für Aussiedler
Schulische Bildung
Realschulkurs
Schulische Bildung
Vorbereitungslehrgang zur individuellen Berufsförderung und Reintegration v. Strafgefangenen i. d. Arbeitsmarkt
Schulische Bildung
Berufliche Ausbildung
Einstiegsqualifizierung Gastronomie
Fördermaßnahme "Kunst-Bildung-Arbeit" (KuBA)
Lehrbetrieb Gartenbau - Fachrichtung Gemüsebau
Lehrwerkstatt Holz - Fachrichtung Möbelbau
Lehrwerkstatt Metall - Fachrichtung Betriebstechnik
verhaltensändernde Maßnahme
Bewältigung von Alltags- und Schlüsselqualifikationen
(BAS)
Fit für Therapie (Sucht)
Fit für Therapie/Interne Suchtberatung
Gruppensitzungen im Rahmen der Motivationsbehandlung für alkoholabhängige gefangene
MUMM (Mut um mehr zu machen) Behandlungsgruppe für durchsetzungsschwache Gefangene
Soziales Training
Soziales Training
Soziales Training für durchsetzungsschwache Gefangene (differenz. Abt. Haus II)
Soziales Training für Lockerungsversager
Interne Behandlungsgruppe für Gewalttäter
Psychotherapie (externer Therapeut)
Meppen
Beginn
Ende
02.01.2007
02.01.2007
02.01.2007
04.09.2006
02.01.2007
04.09.2006
18.07.2007
18.07.2007
18.07.2007
13.07.2007
18.07.2007
13.07.2007
Beginn
A
Ende
BC
Calvin and Hobbes
neu illustriert von Jochen Etzel
„Miss Wormwood, ich möchte, dass
Sie diesen Vertrag unterzeichnen.“
01.01.2007 30.12.2007
Berufliche Ausbildung
Berufliche Ausbildung
Berufliche Ausbildung
Berufliche Ausbildung
Berufliche Ausbildung
02.05.2007
01.01.2007
02.01.2007
02.01.2007
02.01.2007
Soziales Training
Soziales Training
Soziales Training
04.09.2006 13.07.2007
22.03.2007 30.06.2007
Soziales Training
02.01.2007 31.12.2007
Soziales Training
Soziales Training
Soziales Training
02.01.2007 31.12.2007
01.07.2007 01.11.2007
Soziales Training
Soziales Training
gruppenbehandlung
Einzelbehandlung
Abteilung Emden
30.12.2007
30.12.2007
21.12.2007
21.12.2007
21.12.2007
19.03.2007 01.08.2007
„Es ist eine Vereinbarung, wonach
Sie mir einen Ausgleich für jeden
Verdienstausfall bezahlen, den ich
als Erwachsener wegen schlechter
Volksschulbildung erleiden könnte.“
15.07.2007 15.11.2007
02.01.2007 31.12.2007
01.10.2007 01.02.2008
27.04.2007 31.05.2008
11.01.2006 31.12.2007
Aussichten wie vorher vor dem Tor zu
stehen.
Neben den vielen kleinen und großen Verbesserungen, die in letzter Zeit
erreicht wurden, gibt es eine neue gute
Nachricht. Ab November wird es einen
zweiten, diesmal hauptamtlichen Bildungsbeauftragten geben. Dann wird die
JVA Oldenburg ihr Defizit im Bereich
der Strafhäftlingsbetreuung und Bildung
deutlich verbessern können und vielleicht das hohe Niveau der Betreuung
von Gefangenen in Untersuchungshaft
erreichen …
Markus Lanfer
„Wenn Du nichts lernst, liegt es an
Deiner Faulheit, nicht an mir. Geh
zurück auf Deinen Platz!“
JVA Lingen
Lingen
Das Programm der Maßnahmen wird ständig neu zusammengestellt
Maßnahme
Typ
Beginn
Ende
Haus III
Beginn
Ende
Schulische Bildung
Berufsorientierter Deutschkurs
Schulische Bildung
29.01.2007 28.06.2007
Elementarkurs
Schulische Bildung
05.02.2007 04.07.2007
Sprach- und Integrationskurs
Schulische Bildung
02.01.2006 13.12.2007
AB
verhaltensändernde Maßnahme
Ehrenamtliche Gesprächsgruppe für alkoholabhängige
Gefangene Kreuzbundgruppe
Soziales Training
02.01.2007 31.12.2007
Gesprächskreis für Inhaftierte und Angehörige
Soziales Training
23.07.2007 26.11.2007
Kommunikationsgruppe Alkohol - Drogen
Soziales Training
05.10.2006 05.10.2007
Motivationsgruppe/ Fit für Therapie in Koordination mit
der Fachklinik Nettetal
Soziales Training
Orientierungs- Motivations- Abstinenzgruppe für
alkoholauffällige und alkoholabhängige Inhaftierte
Soziales Training
Soziale Trainingsmaßnahme für Aussiedler
Soziales Training
C
„By Golly, irgend jemand muss doch
zahlen, wenn ich nichts lerne!“
24.05.2007 02.07.2007
04.09.2006 04.09.2007
13.03.2007 31.07.2007
Soziales Training
Soziales Training
11.05.2007 30.11.2007
Soziales Training
Soziales Training
07.02.2007 08.10.2007
Soziales Training
Behandlungsprogramm für Sexualtäter (BPS)
Gruppenprogramm Soziale Verantwortung (GSV)
Naikan Seminar
Therapeutische Behandlungsgruppe für alkoholabhängige Inhaftierte
Therapievorbereitungsgruppe für drogenabhängige UGefangene
Soziales Training
Gruppenbehamdlung
Gruppenbehamdlung
Gruppenbehamdlung
01.03.2007
26.06.2006
14.07.2006
12.11.2007
Gruppenbehamdlung
04.09.2006 04.09.2007
Gruppenbehamdlung
02.07.2007 30.06.2008
31.10.2007
30.06.2007
14.07.2007
19.11.2007
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
27
Sport — Bildung — Gesundheit
Alphabetisierungskurs
Alles begann mit einem Gespräch mit
der Vollzugsabteilungsleiterin Frau
Krauthausen Ende 2006.
Ich bin als Spätaussiedler 1999 aus
Kasachstan nach
ABC
Deutsch-
land gekommen
und meine Deutschkenntnisse sind mehr
durch die elterlichen
Einflüsse in der Jugendzeit als durch eigene
Sprachpraxis geprägt.
Besagte
Frau
Krauthausen empfahl
mir nämlich, meine
deutschen Sprachkenntnisse zu verbessern und
an einem Alphabetisierungskurs teilzunehmen.
Das hatte zur Folge, dass ich auf
einen Menschen traf, der mich sehr beeindruckt hat und dem ich neben Frau
Krauthausen sehr dankbar bin.
Ich spreche von Frau Maskallis,
einer Dame Anfang der 80er und eine
außergewöhnliche Pädagogin.
Doch der Reihe nach:
Der Alphabetisierungskurs richtet
sich an Gefangene, deren Heimatschrift
oft das Kyrillische oder das Arabische
ist. Frau Maskallis geht es nicht nur darum, dass sich die Gefangenen mit dem
lateinischen Alphabet vertraut machen,
sondern sie bringt den etwa 10 Teilnehmern neben der deutschen Sprache die
deutsche Kultur, Tradition, Mentalität
und die deutsche Politik näher. Dabei
entwickelt sie einen unkonventionellen
didaktischen Ansatz, der die Teilnehmer
begeistert.
So versteht sie es, allen, die vom
Arabischen her gewohnt sind, von rechts
nach links zu schreiben, mit Haltungsübungen das zu beschreibende Blatt
Papier in die richtige Position zu bringen. Das Wichtigste jedoch: Jeder gesprochene Buchstabe bekommt zu seiner
Unterstützung ein einprägsames Handzeichen mit auf den Weg. Dann wird auf
einmal aus „Anna“ oder „Uta“ ein akustisches und ein optisches Erlebnis. Sie
hat auch einen Blick dafür, wer Deutsch
lernen will oder wer nur eine Pflichtübung absolvieren möchte.
28
Aus ihrer
Hausbibliothek
bringt sie Bücher mit, die
Anlass
sind,
sich mit Goethe,
Schiller
oder Heine zu
beschäftigen
oder sich mit
moderneren
mit den neuesten Nachrichten aus dem
Internet auf dem Laufenden.
Dass Frau Maskallis auch bei mir
Erfolge zu verzeichnen hat, ist nicht
zuletzt daran zu erkennen, dass andere
Gefangene mir sagen, dass mein
Deutsch jetzt schon deutlich besser geworden ist.
Dichtern wie Simon
Dach, Martin Opitz oder
Arno Holz näher zu befassen. Aber auch Einstein, Rainer Maria Rilke,
Theodor Storm, Hermann
Löns, Konfuzius oder
Nietzsche dürfen nicht
fehlen; und zu Ostern
wartete sie mit Schokoladenhasen und selbstgebackenem Kuchen auf, serviert auf einem liebevoll eingedeckten
Tisch. Das ruft unweigerlich Erinnerungen an die Einladungen bei der eigenen
Großmutter wach. Dabei weiß sie dann
zu erzählen, wie es mit dem Brauchtum
angefangen hat und wie es heute in der
deutschen Kultur gehalten wird.
Dies alles geschieht vor dem Hintergrund eines beeindruckenden Lebens
und eigenem Erleben.
Aufgewachsenen in kleinbürgerlichen Verhältnissen und beseelt von dem
frühen Wunsch, einmal Lehrerin zu werden, wurde sie erst einmal Krankenschwester, weil die finanzielle Situation
des Vaters nicht mehr zuließ. Während
des 2. Weltkrieges wurde sie dann als
OP-Schwester verpflichtet, sah zuviel
Blut junger Leute, erlebte Bombenangriffe und verlor nie ihr Ziel aus dem
Auge. So fand sie, bereits Anfang 40, als
verheiratete Mutter von inzwischen 5
Kindern noch den Weg in die Uni, um
Lehrerin zu werden – und nachts wurde
weiterhin als Krankenschwester gearbeitet.
Diese Biographie ist ein leuchtendes Beispiel dafür, dass man immer neu
anfangen kann. Das bringt auch manchen Gefangenen sehr zum Nachdenken,
glaubte er doch, dass sein Leben schon
verpfuscht wäre.
Daher ist für die Teilnehmer die
Freude immer groß, wenn es zum Unterricht zu Frau Maskallis geht. Nebenbei
hat sie für manchen von uns noch einen
guten Rat parat und hält die Gefangenen
Neu im Maßnahmenprogramm der JVA
Oldenburg ist seit März dieses Jahres ein
Kurs, der sich an Gefangene mit Migrationshintergrund richtet, die das Ziel und
die Möglichkeit haben, in Deutschland
zu bleiben. Das Ziel des Kurses ist, die
Teilnahme an weiterführenden Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen zu
wecken, die Verbesserung der Integration in die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland zu bewirken und die
eigene Identität in der neuen
ge-
Tr§tzdem 2006 Nr. 37
Alexander Leer
Migrationsgruppe
Alles ist so fremd!
Wie schaffe ich es?
sellschaftlichen
Umgebung
zu
finden. Die Maßnahme wird von
dem Psychologen Herrn Buß und von
der Sozialpädagogin Frau Danilin geleitet.
Zum ersten Kurs dieser Art haben
sich u. a. deutsche Spätaussiedler aus
den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, aus Albanien oder der Türkei zusammen gefunden. Ein Glücksfall ist, dass
mit Frau Danilin jemand dabei ist, der
aus Kasachstan kommt und aus eigener
Anschauung und Erfahrung glaubhaft
wichtige Impulse geben kann und die
richtige Ansprache findet. So kennt sie
z. B. die Mentalität vieler „DeutschRussen“ und weiß, was sie denken, denn
sie kommt auch aus der gleichen Generation wie viele der zumeist jüngeren
Gefangenen.
Am Anfang berichtete jeder Teilnehmer aus seinem Leben, das recht
Sport — Bildung — Gesundheit
kurz beschrieben werden kann: Kommen nach Deutschland, können kein
Deutsch, kennen keine Freundin - niemanden, wollen schnell zu Geld kommen, nehmen Drogen.
Frau Danilin ist dann lebendes Beispiel dafür, dass es auch anders gehen
kann. So hat sie Eltern, die ihr vorher
erzählt haben, welche Chancen sie in
Deutschland hat. Daraus entwickelte sie
für sich ein Ziel, das erreicht werden
sollte; sie hat hart gearbeitet und studiert. Dass es auch andere schaffen,
zeigten die von Herrn Buß mitgebrachten Filme, und er vermittelte anhand der
Beispiele den Teilnehmern, wie man
ohne die bei den Gefangenen nicht seltenen Konflikte sein Ziel erreichen kann.
Er bringt den Teilnehmern aber auch die
deutsche Kultur näher und erklärt, wie
mit den Unterschieden in der Kultur, der
Religion und der Mentalität umzugehen
ist. All das hilft, sowohl mit den Konflikten hier im Gefängnis als auch nach
der Entlassung umzugehen.
Zu allen Kursteilnehmern, die noch
am Anfang des Kurses verschlossen
waren, hat Herr Buß im Laufe der Sitzungen einen so guten Zugang gefunden, dass zunehmend eine offene Atmosphäre eintrat. Er weckte auch das Verständnis für die Aufgaben der Bediensteten und erklärte ihre Brückenfunktion
nach draußen. Dabei war sicherlich
manches Vorurteil abzubauen, das durch
die schlechten Erfahrungen mancher
Kursteilnehmer mit den „Staatsdienern“
ihrer Heimatländer entstanden ist.
Aber auch die Besonderheiten des
deutschen Humors kamen nicht zu kurz,
und wie kann man mit seinem zukünftigen Nachbarn Kontakt aufnehmen – wie
hilfreich ist ein Gruß oder ein Lächeln?
Nur wer anklopft, wird auch hereingebeten und schafft sich Kontakte! Das hilft
nicht zuletzt beim Umgang mit den Behörden.
Ob man nun Gefangener in Strafhaft oder in U-Haft ist, die Zeit sollte
genutzt werden, um sich auf die Zeit
danach intensiv vorzubereiten. Wenn
man irgendwann einmal gefragt wird,
wie es im Gefängnis war und man dann
einen guten Rat geben kann, dann wird
nie wieder die Gefahr bestehen, straffällig zu werden.
War am Anfang der 6 Monate für
manchen Teilnehmer vieles fremd, so ist
im Laufe der Sitzungen die richtige
Richtung, der richtige Weg deutlich zu
erkennen gewesen. Das Interesse, mehr
für sich zu tun, wurde in hohem Maße
geweckt.
Anmerkung:
Die Statistik gibt uns an, dass 15,3 Millionen der in Deutschland lebenden Menschen aus dem Ausland kommen. Von
diesen 15,3 Millionen ist inzwischen ca.
die Hälfte deutscher Staatsangehörigkeit. Aus der Türkei kommen 14,2 %,
aus Russland 8,2 %, aus Polen 6,9 %,
aus Italien 4,2 % und aus Rumänien,
Serbien und dem Kosovo kommen jeweils 3 %. Statistisch gesehen werden
sich die Ausländeranteile in Deutschland
noch erweitern, denn schon heute
wächst jedes 3. Kind bis 5 Jahren in
Familien auf, bei denen beide Elternteile
unterschiedlicher Nationalität sind. So
haben schon die Großstädte Stuttgart
40,1 %, Frankfurt a. M. 39,5 %, Nürnberg 37,3 %, Augsburg 36,2 %, München 34,4 %, Düsseldorf 32,2 %, Köln
31,9 %, Wuppertal 30,8 % und Berlin in
einigen Stadtteilen über ca. 30 % ausländische Bevölkerungsanteile. Von den
in Deutschland lebenden Ausländern
haben 10 % keinen Grundschulabschluss (1,5 % bei Deutschen) und 51 %
keine abgeschlossene Berufsausbildung
(27 % bei Deutschen). Demzufolge liegt
die Arbeitslosigkeit bei ihnen bei 13 %
(7,5 % bei Deutschen), und die angebotene Arbeit ist meist minderwertig. Die
Möglichkeit, die deutsche Staatbürgerschaft zu bekommen, hat sich in den
letzten Jahren aufgrund gesetzlicher
Änderungen deutlich verschlechtert
(2003: 140,7-tausend, 2005: 117,2tausend). Dafür haben aber die qualitativen Integrationsanstrengungen zugenommen.
PC-Kenntnisse und Anwendungserfahrung zu erwerben.
Der ECDL-Kurs ist in 7 Lernmodule mit unterschiedlichen fachlichen
Schwerpunkten unterteilt. Das Modul 1
„Grundlagen der Informationstechnologie“ soll den Teilnehmern ein grundlegendes Verständnis für den Umgang, die
Auswirkungen und die Anwendung der
IT vermitteln. Es ist das einzige produktunabhängige Modul.
Die Module 2-7 sind produktabhängig und vermitteln den Umgang mit
Anwendungsprogrammen aus den Bereichen Betriebssystem, Textverarbeitung, Tabellenverarbeitung, Datenbank,
Präsentation, Internet und E-Mail.
Die Projektleitung der JVA Oldenburg hat sich, unter anderem auch aufgrund der großen Verbreitung in der
Alexander Leer
Computerführerschein
ECDL:
European Computer Drivers Licence
Am 15.02.2007 startete der Kurs zum
Erwerb des Europäischen Computerführerscheins in der JVA Oldenburg. 10
freiwilligen Teilnehmern aus dem Vollzug ist es seither möglich, in praktischen
und theoretischen Trainingseinheiten
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Wirtschaft, für die Vermittlung des Umgangs mit den Produkten des OfficePaketes™ entschieden, damit die Lehrgangsteilnehmer optimal auf den Arbeitsmarkt vorbereitet werden.
Der bisherige Verlauf der Bildungsmaßnahme ist sehr erfolgreich. Aufgrund ihrer großen Motivation und
Lernbereitschaft haben alle Teilnehmer
des ersten Kurses die hohen Anforderungen (75-Prozent-Hürde) der 7 Modulprüfungen erfüllen können und bestanden.
Innerhalb der Teilnehmergruppe ist
ein lernfördernder Teamgeist entstanFortsetzung auf Seite 30
29
Sport — Bildung — Gesundheit
Fortsetzung von Seite 29
den. Leider haben aufgrund von Vollzugsmaßnahmen 3 Teilnehmer vorzeitig
den Kurs verlassen, dafür konnte aber
ein Teilnehmer nachträglich erfolgreich
integriert werden.
Als Trainer des ECDL-Kurses ist
mir daran gelegen, alle Teilnehmer entsprechend ihres Potentials und ihres
Vorkenntnisstandes zu fördern und zu
fordern. Ein Bestehen des ECDLFührerscheins ist das Minimalziel für
alle.
Computervorkenntnisse sind für das
Bestehen des ECDL-Kurses nicht erforderlich, aber Fleiß und Lernwilligkeit.
Nach einer theoretischen Einführung in den Lernstoff durch den Trainer
erarbeiten sich die Teilnehmer die praktische Bedienung der Programme anhand von Übungsaufgaben selbständig.
Der Trainer gibt Hilfestellungen, setzt
Schwerpunkte, moderiert den Lernprozess und baut Bezüge zur praktischen
Berufswelt auf.
In Abstimmung mit der Projektleitung habe ich das Thema Bewerbung
und Berufswahl in den Kurs integriert.
Bisher wurden die Themen:
• Bewerbungsstrategie („Wie bewerbe
ich mich erfolgreich?“),
• Erstellung eines digitalen Bewerbungsfotos,
• Bewerbungsanschreiben verfassen,
• Erstellen eines Lebenslaufes,
• Bewerbung mittels Serienbrieferstellung,
• Emailbewerbung,
• Selbstpräsentation vor einem Publikum,
behandelt.
Die Teilnehmer sind durch die
Bank sehr arbeitswillig und leistungsmotiviert. Sie wissen den großen Wert
guter Computerkenntnisse für den heutigen Arbeitsmarkt richtig einzuschätzen.
Eine Begeisterung für die technischen
Errungenschaften der Datenverarbeitung
ist allen anzumerken.
30
Meine persönlichen Erwartungen an
den Kurs sind von allen Teilnehmern
bisher positiv überboten worden. Aber
auch die Zusammenarbeit mit den Kollegen der JVA war sehr angenehm, reibungslos und erfolgreich, und dies, obwohl mit dieser Maßnahme Neuland
betreten wurde. Hierfür möchte ich mich
bei allen Beteiligten recht herzlich bedanken.
Wenn es so erfolgreich weitergeht,
haben alle einen Grund, am Ende des
Kurses zu feiern.
Martin Kunik
Impressionen zum ECDL
PC-Kurs und das Drumherum
Von Februar bis Juli dieses Jahres fand
der ECDL-Kurs in der JVA Oldenburg
statt. Begleitend zu diesem Kurs gab es
eine Übungseinheit, die ich anleitete.
Vorweg sei schon
mal erwähnt: Alle
Teilnehmer haben
den Kurs erfolgreich abgeschlossen, was einer
Quote von 100 %
entspricht.
Was haben
nun die Teilnehmer
gelernt
(außer, dass auch
Übungsleiter nicht
alles wissen; aber das war vermutlich
kein sehr großes Geheimnis)? Sie haben
gelernt, mit den gängigsten PCAnwendungen zurecht zu kommen, Dokumente, Tabellen und Präsentationen
zu erstellen und grundlegende Einstellungen an einem PC vorzunehmen. Meiner Einschätzung nach sind die Teilnehmer nun in den gebräuchlichsten Anwendungen besser geschult als 70 – 80
% der PC-Nutzer, ob nun im privaten
oder im beruflichen Umfeld.
Für mich stellt sich nach dem Kurs
aber natürlich auch die Frage, was ich
gelernt habe. Rein inhaltlich war ich
schon alleine durch die Vorbereitung
und die Fragen immer wieder dazu genötigt, mir Themen anzueignen, die mir
bisher nicht selbstverständlich waren.
Aber offen gestanden war es wesentlich interessanter, das ganze Drumherum zu erleben. Angefangen mit den
Sicherheitsanforderungen im Vorfeld
(Anfragen bei der Polizei etc.) über den
Umgang mit dem PSA-Gerät (mit welchem ich, wenn ich mich recht entsinne,
gleich beim zweiten Aufeinandertreffen
Tr§tzdem 2006 Nr. 37
einen Alarm auslöste; zum Glück im
Beisein eines kompetenten Kollegen).
Am Anfang war es auch ein seltsames
Gefühl, über die Flure geführt zu werden, aber das legte sich recht schnell.
Als Fazit bleibt mir festzustellen,
dass letztendlich ein solcher Kurs in
einer JVA nicht viel anders ist als außerhalb. Die Teilnehmer sind mehr oder
weniger motiviert und gehen mit sehr
unterschiedlichen Voraussetzungen in
einen solchen Kurs. Einige tun das Nötige, andere mehr als das und wenige
brauchen einen kleinen Reinfall, um
festzustellen, dass ein solcher Kurs für
niemanden ein Selbstläufer ist.
Denn das bleibt auch als Erkenntnis: In erster Linie besteht man die Prüfungen dadurch, dass man genug dafür
tut. Es kommt eher auf den Fleiß als auf
Vorwissen an, und man muss auch kein
Einstein sein, um den Kurs erfolgreich
zu bestehen (nebenbei
bemerkt: Es wird immer behauptet, dass
Einstein ein schlechter
Schüler war und trotzdem einen Nobelpreis
gewonnen hat. Das
stimmt nicht. Einstein
war ein EinserSchüler. Das Gerücht
haben vermutlich Eltern gestreut, die die
Hoffnung noch nicht
ganz aufgeben wollten angesichts der
dürftigen Leistungen ihrer Kinder).
Im Herbst soll nun der zweite Kurs
starten und ich hoffe, wieder dabei sein
zu können. Und vielleicht bin ich dann
ja auch ein wenig geduldiger beim
„Rauskommen“. Ich erinnere mich noch
an einen Abend, als wir nach dem Kurs
auf Abholung warteten und ich nach
recht kurzer Zeit in der Zentrale anrief,
weil niemand kam. Danach fragte mich
einer der Teilnehmer, warum ich denn
so ungeduldig sei? Ich erwiderte, dass
ich doch nur raus wolle. Darauf ein anderer Teilnehmer: „Wollen wir das nicht
alle?!“
Albert Meyer
Humor
Begegnen sich spätmorgens auf den
Fluren des Bundesgerichtshofes zu
Karlsruhe zwei Richter: „Guten Morgen, Herr Kollege. Na, kennen sie
schon den neuesten Witz?“ „Nein,
leider nicht. Ich habe heute noch keine Urteile gelesen.“
Sport — Bildung — Gesundheit
Elementarkurs Berufliche Bildung
Zu den Bildungsangeboten im Rahmen der neuen Vollzugsschwerpunkte in der JVA Oldenburg gehört
auch der Elementarkurs „Berufliche
Grundbildung“.
Herr Wester, Diplomsozialpädagoge von der Bildungseinrichtung
Fachwerk e. V., wusste der Redaktion der Tr§tzdem als Kursleiter einiges zum ersten inzwischen beendeten Kurs zu berichten. Dabei zeigte
sich, dass er mit seinen 40 Jahren
tenzen, PC-Grundkenntnissen und Praxisübungen sowie Arbeitsproben in den
Werkbetrieben.
Zum Kurs hatten sich 8 Gefangene
im Alter von 25 bis 35 Jahren angemeldet, darunter 2 Deutsche ohne und 3 mit
Migrationshintergrund sowie 3 Ausländer. Wie sich jeder vorstellen kann, stellt
allein schon das Alter nicht den üblichen
Ausgangspunkt für eine schulische
Grundbildung dar – entsprechend mussten die Teilnehmer von Anfang an bereits hoch motiviert sein, wollten sie die
Kursziele erreichen.
Zuerst galt es, die Kompetenzen der
Teilnehmer festzustellen; was ist ihr
schulisches Basiswissen? Dazu wurden
Tests gemacht: Lückentexte waren zu
ergänzen, Rechenaufgaben zu lösen und
technisches Verständnis wurde ermittelt.
Schnell stellte sich heraus, dass sich
die Verbesserung der Deutschkenntnisse
Deutsch zu lernen, war das
Wichtigste!
mit den besonderen Problemen der
beruflichen Bildung aus seiner früheren Tätigkeit als gelernter Energieanlagenelektroniker und dem Softwarevertrieb in der Industrie, wozu
auch EDV-Schulung gehörte, besonders vertraut ist. Seine Zivildienstzeit
als Rettungsassistent beim Rettungsdienst des DRK in Meppen hat
sicherlich auch dazu beigetragen,
seine Sensibilität für soziale Probleme zu stärken. Sein hohes Engagement für das Anliegen des Kurses
war während des Gesprächs lebhaft
zu spüren. Hier nun sein Bericht:
„Die ehrgeizigen Ziele der Bildungsmaßnahme Berufliche Grundbildung
sind im Wesentlichen:
• Schaffung einer Basis für weiterführende schulische Abschlüsse. Gleichzeitig Orientierungshilfe für weitere
berufliche Schwerpunktsetzung.
• Förderung der Integration in die
deutsche Gesellschaft von Inhaftierten mit Migrationshintergrund.
• Stärkung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen einer gesunden
Ich-Identität und sozialer Verantwortung.
Inhaltlich bedeutete das die Vermittlung
von Kulturtechniken, sozialen Kompe-
als Schwerpunkt über alle Teilgebiete
des Kurses erstrecken musste. Dies gelang auch bei der Vermittlung von Themen, wie der grundlegenden Regelungen der Unfallverhütungsvorschriften,
der Arbeitslosenversicherung, der Krankenversicherung oder der Pflegeversicherung als Beispiele für das soziale
Netz in Deutschland. Aber auch bei der
Vermittlung der Grundlagen der Mathematik, insbesondere der Grundrechnungsarten, konnten zur Lösung von
Textaufgaben die 7 Stufen mit der
Sprachvermittlung verbunden werden.
Ähnlich geschah dies in der Physik bei
den Themen Masse, Gewicht, Ohmsches
Gesetz oder bei der Erklärung des Generatorprinzips. Ergänzt werden konnte
das durch die Beschäftigung mit politischen Ereignissen anhand von Artikeln
aus der Tageszeitung.
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Einen hohen Stellenwert nahm die
Auseinandersetzung mit sozialen Konflikten ein. Am Beispiel des Films „Der
Fremde im Spiegel“, in dem es um die
unterschiedlichen Erfahrungen eines
Deutschen und eines Albaners am Arbeitsplatz in ausgetauschten Rollen geht,
wurde das Thema Vorurteile behandelt.
Aber auch das Reizthema Globalisierung wurde mit Blick auf den Automarkt
in China behandelt.
In Gruppenarbeit konnten dann die
sozialen Kompetenzen der Teilnehmer
deutlich gemacht werden, was sich in
den Sportstunden fortsetzen ließ. Etwas
zu kurz gekommen sind diesmal die
Praxisübungen, die allerdings im nachfolgenden Kurs stärker genutzt werden
sollen.
Insgesamt sind die Ziele des Elementarkurses erreicht worden, wenngleich es manchem Teilnehmer auch
schwer fiel, über die Zeit die nötige Motivation zu erhalten. Bei Diktaten ist
zum Beispiel die Fehlerquote deutlich
gesunken. Ein gewisser Höhepunkt ergab sich durch die Arbeit am PC.
Dennoch bleibt für jeden Einzelnen
noch viel zu tun, sich für eine berufliche
Zukunft in Freiheit fit zu machen. Jeder
der Teilnehmer, die durchgehalten haben, erhielt ein Abschlusszertifikat.
Vor der Arbeit der JVA Oldenburg
mit den Gefangenen habe ich in den
Monaten der Zusammenarbeit großen
Respekt bekommen; ich hatte mir den
Umgang schwieriger vorgestellt und
habe nur wenig Aggressivität trotz der
geforderten Disziplin wahrgenommen.
Insgesamt war der Umgang miteinander
positiv. Die Kursteilnehmer haben in der
Zeit vom 5. März bis zum 31. Juli 2007
nicht nur an 28 Wochenstunden den
Kurs besucht, sondern sich in ihrer Freizeit noch mit manchem Thema weiter
beschäftigt. Für die Mehrzahl der Teilnehmer ist eine wichtige Stufe auf der
Leiter in eine bessere Zukunft erklommen worden.“
UM
Humor
Ich komme aus der Kneipe, da fährt mich
ein Fahrradfahrer um. Ich frage ihn: „Bist
Du blind?“ Er antwortet: „Warum, ich habe Dich doch getroffen!“
_______________________________________
Fragt der Arzt den Patienten: „Rauchen
Sie?“ – „Nein.“ – „Trinken Sie?“ – „Nein.“
– Darauf der Arzt: „Grinsen Sie nicht so
blöd, ich find schon noch was!“
31
Sport — Bildung — Gesundheit
Sprachkurse in Eigeninitiative
Schwerpunktthema dieser Ausgabe ist
die Bildung als Maßnahme zur Verbesserung der beruflichen Qualifikation,
doppelt bedeutsam, da sie die gesellschaftliche Integration beachtenswert
erleichtert. Offizielle Angebote und Förderungen von staatlicher Seite sind ausführlich vorgestellt worden. Diese Anmerkungen möchten die Aufmerksamkeit auf Fortbildungsmaßnahmen lenken, denen sich die Insassen in Eigenregie widmen. Nach Auffassung des Verfassers finden sie zu wenig Beachtung
und haben eine Würdigung verdient.
Das landläufige
Vorurteil ist recht präzise: Nachdem gegen
20:00 Uhr alle Türen
geschlossen sind – also
nach einem anstrengenden Tag, geprägt entweder von Arbeit oder
meditativer Besinnung,
die in zen-buddhistischen Trancezuständen
gipfeln kann –, verbunkern sich die Insassen
vor dem, wenn nicht im
Fernseher. Um es klar
und deutlich zu sagen:
Das ist nur teilweise
richtig. Für zahlreiche Insassen beginnt
jetzt erst der Tag kreative und sinnvolle
Gestalt anzunehmen. Ohne ausbildungstechnisch darauf vorbereitet zu sein,
lediglich getragen vom persönlichen
Engagement, formieren sie sich am
Fenster – und schon versprüht die Vielfalt der Nationalitäten eine internationale Atmosphäre. Als ich früher am Picadilly Circus herumlungerte, habe ich
einen solchen multikulturellen Meltingpot beschnuppern können. Nur einmal
wurde er übertroffen, als ich nämlich in
New York in ein Taxi stieg – auf dem
Stadtplan galt es sechs Blocks zurückzulegen –, und ein gastfreundlicher Taxifahrer mich in den folgenden zweieinhalb Stunden durch elf ethnische Zonen
kutschierte. Naja, London, New York,
da sollte man das erwarten dürfen. Aber
in einer nördlichen Trutzhallig mehr
Nationen anzutreffen, als bei olympischen Winterspielen an den Start gehen,
das ist schon mehr als ein Staunen wert.
Meiner Unerfahrenheit habe ich es zu
verdanken, dass ich zunächst darüber
grübelte, wie es möglich sein kann, dass
jedem Insassen, der es möchte, vom
ersten Tag an eine Mikro- und Lautspre32
cheranlage zur Verfügung steht, wo
doch das Warten auf einen Fernseher
nur unwesentlich kürzer ausfällt als das
auf die Verwirklichung so mancher sozialen Utopie. Hierbei handelte es sich um
einen Irrtum. Heute weiß ich, dass eine
JVA so gebaut wird, dass nichts, absolut
nichts in ihr verloren gehen kann, auch
nicht das winzigste Geräusch.
Hand aufs Herz: Wer von uns wusste schon vor seiner Einkehr, dass es
Sprachen wie kameruanisch, aserbaidschanisch, moldawisch oder ivorisch
überhaupt gibt? Nicht genug hervorheben kann ich die Palette des sprachlichen Angebots, wobei osteuropäische
Sprachen schon dominieren. Die Osterweiterung, das Zusammenwachsen Europas, die
Globalisierung – auf
kaum einer gesellschaftlichen Ebene wird das
Bemühen des Einzelnen,
bei diesen heiklen politischen Prozessen mitzuwirken, so deutlich. Wer
glaubt, es bliebe bei der
Annäherung an fremdländische Sprachkompetenz, der irrt gewaltig.
Ehe man sich versieht,
fallen einem lebensnahe
Einblicke in die Charakteristik und
Mentalität der unterschiedlichen Völker
in den Schoß. So referieren beispielsweise polnische Insassen prinzipiell über
das, was sie getan haben; in katholischer
Ehrlichkeit offenbaren sie noch das geringfügigste Detail. Ganz anders russische Gäste. Sie sprechen konsequent
über das, was sie tun werden, wenn sie
diese Lokalität hinter sich gelassen haben werden. Glaubt mir, wer da gut zuhört, lernt eine Menge, schade bloß, dass
es doch recht lange dauert, bis man mitschreiben kann. Ob diese Zukunftsorientiertheit sich aus der jüngsten politischen
Vergangenheit der Planwirtschaft oder
aus der visionären Kraft eines immer
schon großen Volkes schöpft, vermag
der Verfasser nicht zu entscheiden.
Doch nicht nur Charakteristisches
und Typisches wird dem lernwilligen
Zuhörer zuteil, er kann auch komplettes
Neuland betreten. An einem Abend – es
regnete stark, die meisten etablierten
Lehrfensterinhaber schonten sich – lernten sich zwei Insassen kennen, die rasch
feststellten, dass sie nicht über ein einziges gemeinsames Wort verfügten, sie
verstanden nicht einmal einen Bahnhof.
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Trotzdem verbrachten beide einen geselligen, unterhaltsamen, mit Lachen und
urwüchsiger Fröhlichkeit erfüllten Abend. Was für eine Lektion in Temperament, Lebenszuversicht, womöglich
Gottvertrauen. Obwohl es sich bei beiden um recht brachiale konsonantendominierte Kehllaute handelte, die allenfalls wie Wortfetzen anmuteten, hallte
ihre geradezu existentielle Heiterkeit mir
bis ins Mark hinein. Welch ein Vorbild!
In so schwieriger, beklemmender Situation ein solches Zeichen zu setzen, habe
ich als besondere Lehrstunde empfunden. Noch heute wehre ich mich gegen
die Erschütterung, dass der Hausarbeiter, den ich am folgenden Morgen nach
den beiden Nationalitäten fragte, mir
kundtat, die beiden hätten, allgemein
bekannt, bloß um die Wette gerülpst.
Zugegeben, didaktisch gesehen ist
es schwierig, einen systematischen Leitfaden zu finden, Doch gerade die spontane Lockerheit, das Lust- und Launebetonte, die formlose Freiwilligkeit stellen
einen Lernansatz dar, der anerkanntermaßen nachhaltige Ergebnisse erzielt.
Mit diesem Konzept sind die Waldorfund Montessorischulen weltberühmt
geworden. „Learning by doing“ würde
der pragmatische Engländer sagen, und
der muss es schließlich wissen.
Apropos Engländer: Sie und die
Italiener bescherten mir ein großes Rätsel, das mir lange Zeit umzingelnde
Kopfschmerzen bereitet hat. Sprachen,
Sprachen, alle möglichen Sprachen –
doch die englische und italienische
Sprache habe ich so gut wie nie gehört.
Wie ist das möglich? Welcher Grund
steckt dahinter?
Bitte glaubt mir, ich würde euch des
Rätsels Lösung gerne verraten, ist es
doch außerordentlich lehrreich. Doch
wir leben in Deutschland. Und in
Deutschland unterliegt auch das geschriebene Wort dem Gesetz, in diesem
Fall dem redaktionellen, dass besinnliche Gedanken nicht mehr als 183 Spaltenzeilen beanspruchen dürfen.
Selbstredend ist an Schlaf nur in
den seltensten Fällen zu denken. Wozu
auch? Tritt er dennoch ein, lässt er den
Gedankenfaden glücklicherweise nicht
abreißen. Auf Ehrenwort: In den letzten
fünf Wochen habe ich in sieben verschiedenen Sprachen geträumt. Dass ich
kein Wort davon verstanden habe, macht
überhaupt nichts. Auch wenn ich auf
Deutsch träume, verstehe ich meine
Träume nicht.
RM
Recht & Soziales
Neues zur Neuregelung des Justizvollzuges in Niedersachsen
Entwurf der Landesregierung für
ein Niedersächsisches Justizvollzugsgesetz (NJVollzG)
Hierbei werden sich voraussichtlich noch einige Änderungen im Detail ergeben. Mit der Verabschiedung
des Gesetzes im Plenum des Landtages ist nach gegenwärtigem Stand
der Dinge für den Herbst dieses Jahres zu rechnen. Nach den Vorgaben
des Bundesverfassungsgerichts
muss jedenfalls der Jugendstrafvollzug bis zum 31. Dezember 2007
gesetzlich geregelt sein.
§§ 5 und 111 vorgesehen ist, neben dem
Vollzugsziel der Resozialisierung auch
den Schutz der Allgemeinheit mit aufzunehmen. Ich bin der Meinung, dass im
Grunde keine sachliche Rechtfertigung
dafür besteht. Man darf nicht unterschätzen, dass – gleichwohl so etwas für die
Öffentlichkeit verständlich ist und in
gewisser Weise beruhigend wirkt – letz-
UM
NJVollzG
Aus den Ausschüssen
Stand der Gesetzgebung
Mit Schreiben vom 06. Juni 2007 hatte
die Redaktion das Justizministerium
gebeten, uns über den neuesten Stand
und den weiteren geplanten Gang des
Gesetzgebungsverfahrens sowie über die
letzte Fassung des Gesetzentwurfes zu
informieren.
Dazu erhielten wir folgende Antwort mit Schreiben vom 22.Juni.07:
Der Gesetzentwurf für das
NJVollzG wurde am 20. Februar
2007 von der Landesregierung verabschiedet und am 7. März 2007
beim Niedersächsischen Landtag
eingebracht, dort in erster Lesung
beraten und an den federführenden
Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen (Rechtsausschuss) überwiesen.
Die aktuelle Fassung des Gesetzentwurfes finden Sie im Internet
entweder unter der Rubrik
„Justizvollzug“/“Themen“ auf der
Homepage des Niedersächsischen
Justizministeriums (www.mj.niedersachsen.de) oder als Landtagsdrucksache 15/3565 auf der Homepage des Niedersächsischen Landtags (www.landtag-niedersachsen.de).
Der Rechtsausschuss hat am 2.
und 3. Mai 2007 eine öffentliche Anhörung zu dem Gesetzentwurf wie
auch zu den Gesetzentwürfen der
Fraktionen von SPD und Bündnis
90/Die Grünen zum Jugendstrafvollzug durchgeführt. Der Gesetzentwurf wird nunmehr zunächst im
Rechtsausschuss und danach in den
mitberatenden Ausschüssen des
Landtages beraten werden; die erste
Beratung hat bisher noch nicht stattgefunden.
Am 02. Mai 2007 hat der Ausschuss für
Rechts- und Verfassungsfragen – 104.
Sitzung in gemeinsamer Sitzung mit dem
Unterausschusses „Justizvollzug und
Straffälligenhilfe des Ausschusses für
Rechts- und Verfassungsfragen – 53.
Sitzung getagt.
Dort hat der Niedersächsische Anwalt- und Notarverein im Deutschen Anwaltsverein e. . durch Herrn Rechtsanwalt Jürgen L. Herr, Fachanwalt für
Strafrecht, Oldenburg, zur Sache gesprochen und folgendes vorgetragen:
ten Endes eine Tendenz mit aufgenommen wird, dass die bestehenden Vollzugsstrukturen dadurch verhärtet werden. Deswegen sind wir der Auffassung,
dass diese Gleichsetzung nicht in das
Gesetz mit aufgenommen werden soll.
Zum Chancenvollzug. Bedeutet das
die Förderung der Bereitschaft zu Mitarbeit, oder ist es die Absonderung derjenigen, die es am nötigsten haben? – Wir
wissen aus der Praxis, dass gerade dieje-
Keine sachliche
Rechtfertigung für
Paradigmenwechsel!
Herr: Sehr geehrter Herr Vorsitzender!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stelle vorweg, dass sich der
Verband darauf beschränkt, aus der
Sicht des Praktikers, des Strafverteidigers und somit als Advokat für die Wahrung der Rechte der Inhaftierten zu dem
Gesetzesvorhaben Stellung zu nehmen,
sei es im Bereich des Vollzugs, der UHaft oder des Jugendstrafvollzuges.
Ich habe einige Punkte zusammengestellt; vollständig kann das nicht sein.
Ich meine, dass Sie auch nicht erwarten,
dass wir zu jeder einzelnen Formulierung konkrete Änderungsvorschläge im
Sinne von „Hier ist ein Wort zu ersetzen“ vortragen. Ich möchte vielmehr
einige Kerngedanken äußern.
Bedenken aus der Sicht der Anwaltschaft bestehen gegen den Paradigmenwechsel beim Vollzugsziel. Es ist schon
genügend erörtert worden, dass in den
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
nigen Personen mit problematischen
Persönlichkeiten und die deswegen ganz
besonders an die Resozialisierung herangeführt werden müssen, einer besonderen Behandlung bedürfen. In dem Gesetzeswerk ist zu scharf konturiert, dass sie,
wenn sie nicht mitarbeiten, durch das
Sieb zu fallen drohen. Man muss sich
vorstellen, dass wir es hier mit einem
schwierigeren Klientel zu tun haben als
im Bereich der Drogenabhängigen. Bei
dieser Klientel ist die Motivation ohnehin sehr gering. Diese Menschen haben
Probleme, ihr eigenes Leben in den
Griff zu bekommen, und es ist schwierig, sie einzubinden. Durch diesen Chancenvollzug wird verfestigt, dass derjenige, der gut mitarbeitet, die Belohnung
findet. Derjenige, der es nicht tut, fällt
durch das Sieb. Dem wollen wir entgegenwirken.
Fortsetzung auf Seite 34
33
Recht & Soziales
Fortsetzung von Seite 33
Problematisch sind Regelungen, die
hinsichtlich des Telefonverkehrs zwischen den Inhaftierten und dem Verteidiger aufgenommen wurden. Zunächst
ist hier § 145 Abs. 1 Satz 1 zu erwähnen. Danach bedarf es der gerichtlichen
Erlaubnis, um zu telefonieren. Wir
schlagen vor, diese Regelung ersatzlos
zu streichen.
Gleichermaßen problematisch wirkt
sich die Möglichkeit der Versagung von
Telefonaten des Gefangenen mit dem
Verteidiger aus. Nach § 144 kann das
Telefonieren versagt werden, wenn „die
räumlichen, personellen oder organisatorischen Verhältnisse der Anstalt entgegenstehen.“ Wir sind der Auffassung,
dass organisatorische Mängel nicht zulasten des Gefangenen gehen.
Problematisch ist ebenfalls die Regelung in § 145 Abs. 1 Satz 2. Danach
wird es ermöglicht, dass die Verteidiger
vor dem Kontakt zu ihrem Mandanten
durchsucht werden. Das kann im Grunde
so nicht stehen bleiben. Hier muss gefordert werden, dass zumindest eine
richterliche Durchsuchungsanordnung
einzuholen ist; denn es gibt ja Vorgaben
des Bundesverfassungsgerichtes, dass
nur bei dem Vorliegen von Anhaltspunkten, beispielsweise wenn irgendein
Verdachtsmoment gegeben ist, ein derart einschneidender Eingriff zulässig
sein kann. Letzten Endes bedeutet das
die Unterbindung des freien Verkehrs
des Verteidigers zu seinem Mandanten.
Bedenken erheben sich auch – obwohl vielleicht gut gedacht; man denkt
an den Fernseher, der in die Haftzelle
gestellt wird – gegen die Kostenbeteiligung von Gefangenen nach § 50. Wir
haben generell die Befürchtung, dass
dadurch zum einen die Wiedereingliederung von Gefangenen objektiv erschwert
wird. Zum anderen stellt sich die Frage,
wovon er das bezahlen soll. Wir haben
zwar neue Vorschriften, die das Entgelt
betreffen. Aber letzten Endes kommen
wir zu dem Ergebnis, dass ein Eigenverdienst für die Fülle der Möglichkeiten zu
einer Kostenbeteiligung nicht ausreicht.
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht
Tätigkeitsschwerpunkt: Strafrecht
34
rungen der Vorredner angehört habe.
Wir haben zu kritisieren, dass das Jugendstrafvollzugsgesetz in sich nicht
verständlich ist, jedenfalls nicht für den
Außenstehenden, und für den Laien
schon gar nicht. Der Gesetzesentwurf
krankt, so meine ich, daran, dass eine
Fülle von Verweisen vorgesehen ist. Wir
möchten nicht nur ein gutes Gesetzeswerk haben, sondern wir wollen auch,
dass eine Message herüberkommt und
dass es nachvollzogen werden kann. Wir
haben die Befürchtung, dass das Gesetz
dies nicht kann.
Vorsitzender Abg. Dr. Harald Noack (CDU): Ich gebe nun Gelegenheit,
ergänzende Fragen zu stellen. Für mich
war alles nachvollziehbar, – Offensichtlich gibt es keine Fragen. Sie haben völlig überzeugend vorgetragen.
UM
Im Bereich der Untersuchungshaft
ist die in § 131 Abs. 1 vorgesehene Abkehr von der bisherigen Zuständigkeitsverteilung nach § 119 Abs. 6 der Strafprozessordnung zu kritisieren. Gemeint
ist, dass künftig nach § 131 Abs. 3 das
Gericht, soweit es nicht ausschließlich
zuständig ist, seine Zuständigkeit auf die
Vollzugsbehörde übertragen kann, und
das im Übrigen unanfechtbar. Der Richtervorbehalt ist nur noch bei Anordnungen, die der Abwehr der Verdunkelungsgefahr dienen, eingeräumt worden. Dies
widerspricht nach Auffassung der Anwaltschaft den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes, das in einer Entscheidung folgende Prämisse aufgestellt
hat: Grundrechtseingriffe gegenüber
Untersuchungsgefangenen sind nur gerechtfertigt, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Haftzwecks oder eine Störung der Anstaltsordnung vorliegen. – Diese Beurteilung
muss
dem
Gericht vorbehalten
bleiben.
Ich bin froh,
dass
ich
schon früher
gekommen
bin und mir
die AusfühTr§tzdem 2007 Nr. 37
Humor
Welches Geschlecht haben Computer?
In einem Streitgespräch zwischen Computeranwendern wurde
zu klären versucht, ob der Computer
„männlich“ oder „weiblich“ sei,
Die Frauen votierten für
„männlich“, weil:
• Man muss ihn erst anmachen, um
seine Aufmerksamkeit zu erregen.
• Er hat jede Menge Wissen, ist
aber trotzdem planlos.
• Er sollte einem helfen, Probleme
zu lösen, die halbe Zeit aber ist er
selbst das Problem.
• Sobald man sich einen zugelegt
hat, kommt man drauf, dass,
wenn man ein bisschen gewartet
hätte, man einen besseren bekommen hätte.
Die Männer stimmten aus folgenden
Gründen für „weiblich“:
• Nicht einmal der Schöpfer versteht ihre innere Logik.
• Die Sprache, mit der sie sich untereinander verständigen, ist für
niemand sonst verständlich.
• Sogar die kleinsten Fehler werden im Langzeitgedächtnis zur
späteren Verwendung abgespeichert.
• Sobald man einen hat, geht fast
das ganze Geld für Zubehör
drauf.
• Bei den selbstverständlichsten
Aufgaben stellen sie sich manchmal unmöglich zickig an.
Recht & Soziales
Der Vollzugsplan
Mit Beschluss vom 25. September 2006
hat das Bundesverfassungsgericht unter
dem Aktenzeichen 2 BvR 2132/05 einstimmig und unanfechtbar darüber entschieden, wie ein Vollzugsplan für Inhaftierte aussehen muss.
Das Gericht hatte im Fall eines
Strafgefangenen, der zu lebenslanger
Haft mit besonderer Schwere der Schuld
verurteilt wurde und zu Beginn des Verfahrens bereits mehr als 10 Jahre verbüßt hatte, darüber zu entscheiden, welchen Inhalt ein Vollzugsplan haben
muss, wie die Fortschreibung vorzunehmen ist und wie in nachvollziehbarer
Weise die Beiträge und Konferenzen
zum Vollzugsplan überprüfbar niedergeschrieben werden müssen.
Hier sollen die vom konkreten Fall
unabhängigen wesentlichen Teile des
Urteilstextes wiedergegeben werden:
a) Der Vollzug der Freiheitsstrafe ist
nicht nur Kraft einfachen Gesetzesrechts
(§ 2 Satz 1 StVollzG), sondern von Verfassungs wegen auf das Ziel der Resozialisierung verpflichtet (vgl. BverfGE 35,
202 <235 f.>; 45, 187 <238 f.>; 74, 102
<122f.>; 98, 169 <200>; Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Mai 2006 – 2 BvR
1673/04, 2 BvR 2402/04 -, Umdruck, S.
25).
Die Arbeit am Vollzugsziel erfordert
ein konzentriertes Zusammenwirken
aller Beteiligter, also sowohl die Mitwirkung des Gefangenen als auch die der
Vollzugsbehörde. Die erforderlichen
Maßnahmen müssen von Beginn des
Aufenthaltes in der Vollzugsanstalt an
aufeinander abgestimmt und den veränderten Verhältnissen immer wieder an-
gepasst werden. Dies setzt eine gewisse
Planung voraus (Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 1993
– 2 BvR 594/92 -, StV 1994, S. 93 <94>.
Der Vollzugsplan, zu dessen Aufstellung und kontinuierlicher Fortschreibung § 7 Abs. 3 Satz 1 StVollzG die Vollzugsbehörde verpflichtet, ist daher zentrales Element eines am Resozialisierungsziel ausgerichteten Vollzuges (vgl.
Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten
Senats des Bundesverfassungsgerichts
vom 16. Februar 1993 – 2 BvR 406/02 -,
NStZ 2003, S. 620). Er dient der Konkretisierung des Vollzugsziels im Blick auf
den einzelnen Gefangenen und bildet
mit richtungweisenden Grundentscheidungen zum Vollzugs- und Behandlungsablauf einen Orientierungsrahmen
für den Gefangenen wie für die Vollzugsbediensteten (vgl. BVerfG, a.a.O.; Feest/
Joester, in: Feest <Hrsg.>, AK-StVollzG,
5. Auflage 2006, § 7 Rn. 1; Kaiser/
Schöch, Strafvollzug, 5. Auflage 2002, §
7 Rn. 15; Mey/Wischka, in: Schwind/
Böhm/Jehle, StVollzG, 4. Auflage 2005,
§ 7 Rn. 1). Dies setzt voraus, dass der
Plan auf die Entwicklung des Gefangenen und die in Betracht kommenden
Behandlungsansätze in zureichender,
Orientierung ermöglichender Weise ein-
Auswirkungen lang dauernden Freiheitsentzuges als ein wesentliches Teilelement des Resozialisierungsauftrages
(vgl. BverfGE 45, 187 <238 f.>; 98,
<200>) ausgerichtet sein.
Das Strafvollzugsgesetz fordert für
die Aufstellung des Vollzugsplans, dass
der Anstaltsleiter hierzu und zur Überprüfung des Vollzugsplans Konferenzen
mit den an der Behandlung maßgeblichen Beteiligten durchführt (§ 159
StVollzG). Die Vollzugsplankonferenz
bildet den Rahmen für die zur Erstellung
und periodischen Fortschreibung des
Vollzugsplans erforderliche umfassende
Sammlung von Informationen über den
Gefangenen und die Diskussion der auf
dieser Grundlage einzuleitenden Behandlungsschritte. Aus diesem Grunde
kommt der in § 159 StVollzG vorgesehenen gemeinsamen Beratung aller an der
Behandlung des Betroffenen maßgeblich
beteiligten Personen – die nicht durch
ein ausschließlich schriftliches, auf den
Austausch entsprechender Aktenvermerke beschränktes Verfahren ersetzt werden darf (vgl. KG, Beschluss vom 20.
Februar 1995 – 5 Ws 471/94 Vollz -,
NStZ 1995, S. 260; Arloth/Lückemann,
StVollzG, § 159 Rn. 2; Feest/Joester,
a.a.O., § 7 Rn. 2) – große Bedeutung zu.
Wegen seiner zentralen Bedeutung
Der Vollzug der Freiheitsstrafe ist nicht
nur Kraft Gesetzesrecht, sondern von
Verfassung wegen auf das Ziel der Resozialisierung verpflichtet!
geht. Eine Vollzugsplanung, die die diesbezüglichen Mindestanforderungen nicht
erfüllt, genügt auch den grundrechtlichen
Anforderungen nicht (vgl. Beschluss der
2. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts vom 16.
Februar 1993 – 2 BvR 594/92 -, StV
1994, S. 93 <95>; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13. Februar 2004 – 1 Ws
165/03 -, StV 2004, S. 555 <556>; Callies/Müller-Dietz, StVollzG, 10. Auflage
2005, § 7 Rn. 1).
Dies gilt angesichts der Verpflichtung, eine Chance zur Wiedererlangung
seiner Freiheit zu eröffnen (vgl. BverfGE
45, 187 <238 f.>; 64, 261 <271 f.>; 98,
<200>), auch in den Fällen lebenslanger
Freiheitsstrafe (vgl. Beschluss der 2.
Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar
1993 – 2 BvR 494/92 -, StV 1994, S. 93
<95>). In diesen Fällen muss jedenfalls
bei schon länger andauerndem Vollzug
unabhängig davon, ob ein Entlassungszeitpunkt sich bereits konkret abzeichnet, die Vollzugsplanung besonders
auch auf die Vermeidung schädigender
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
für die Realisierung des Vollzugsziels
muss der Vollzugsplan nicht nur für den
Gefangenen verständlich sein und ihm
als Leitlinie für die Ausrichtung seines
künftigen Verhaltens dienen können,
sondern es muss auch eine den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG genügende gerichtliche Kontrolle daraufhin
möglich sein, ob die Rechtsvorschriften
für das Aufstellungsverfahren beachtet
wurden und das inhaltliche Gestaltungsermessen der Behörde rechtsfehlerfrei
ausgeübt worden ist (vgl. Beschlüsse
der 2. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts vom 16.
Februar 1993 – 2 BvR 594/92 -, a.a.O.,
S. 94 und vom 21. Januar 2003 – 2 BvR
406/02 -, a.a.O., S. 620; vgl. auch OLG
Karlsruhe, Beschluss vom 13. Februar
2004, - 1 WS 165/03 -, a.a.O., S. 556).
Dies erfordert Nachvollziehbarkeit der
rechtserheblichen Abläufe und Erwägungen, die durch geeignete Dokumentation
sicherzustellen ist (zu entsprechenden
Vorwirkungen des Art. 19 Abs. 4 GG vgl.
Fortsetzung auf Seite 36
35
Recht & Soziales
Fortsetzung von Seite 35
BverfGE 65, 1 <70>; 103, 142 <160>;
vgl. außerdem Beschluss des Zweiten
Senats des Bundesverfassungsgerichts
vom 6. Juni 1983 – 2 BvR 244/83 -, NJW
1983, S. 2135; Kopp, Verfassungsrecht
und Verwaltungsverfahrensrecht, 1971,
S. 157; Schmidt-Aßmann, in: MaunzFielitz, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Auflage 2004, Art. 19 Abs. 4 Rn. 88). Der
Vollzugsplan muss daher erkennen lassen, dass neben einer Beurteilung des
bisherigen Behandlungsverlaufs auch
eine Auseinandersetzung mit den zukünftig erforderlichen Maßnahmen stattgefunden hat. Hierzu sind wenigstens in
groben Zügen die tragenden Gründe
darzustellen, welche die Anstalt zur Befürwortung oder zur Verwerfung bestimmter Maßnahmen veranlasst haben
(ebenso OLG Karlsruhe, Beschluss vom
13. Februar 2004 – 1 WS 195/03 -,
a.a.O.; § 7 Rn. 3; Feest/Joester, a.a.O.,
§ 7 Rn. 9; zurückhaltender Arloth/
Lückemann, a.a.O., § 7 Rn. 7). Zudem
sind Zeit, Ort und Teilnehmer sowie der
wesentliche Inhalt der Vollzugsplankonferenz aktenkundig zu machen. Dabei
kann dahinstehen, ob es der Anfertigung
eines gesonderten Konferenzprotokolls
bedarf (in diesem Sinne Arloth/
Lückemann, a.a.O., § 159 Rn 2; Feest/
Joester, a.a.O., § 159 Rn. 5); jedenfalls
müssen die für den Gefangenen einsehbaren Unterlagen eine hinreichende
Auseinandersetzung mit der Person des
Betroffenen im Rahmen der seiner Vollzugsplanung gewidmeten Konferenz
erkennen lassen.
auszugsweise aus „Posaune“, Magazin
der JVA Geldern, Ausgabe 1/2007
Der Selbsbedienungseinkauf
Im Entwurf zum Gesetz zur Neuregelung des Justizvollzuges in Niedersachsen ist in § 24 „Einkauf“ in Absatz 1
folgendes vorgesehen:
(1) Die Gefangenen können sich aus
einem von der Vollzugsbehörde vermittelten
Angebot Nahrungs- und Genussmittel sowie
Mittel zur Körperpflege kaufen. Zusätzlich
dürfen die Gefangenen dreimal jährlich in
a n g e m e s s e n em
Umfang
e i n k a uf e n
(Zusatzeinkauf); hierfür kann ein Höchstbetrag festgesetzt werden. Es soll für ein Angebot gesorgt werden, das auf die Wünsche und
Bedürfnisse der Gefangenen Rücksicht
nimmt.
(Eine ähnliche Regelung kennt auch
das derzeit noch für Niedersachsen gültige StVollzG in § 22.)
Die Redaktion der „Tr§tzdem“ hatte
in der Ausgabe Nr. 36 vom April 2007
bei der Vorstellung der Neuregelung
angemerkt:
Der wöchentliche Einkauf ist der Höhepunkt der Gefangenenwoche. Die Unmittelbarkeit des direkten Einkaufs kann durch
36
Gefangenen zum Einkauf oder die Einschränkung der Möglichkeiten, am Einkauf-Freitag Veranstaltungen durchzuführen, dagegen ist aber ins Feld zu führen:
• Will man dem allgemeinen Gestaltungsgrundsatz nach § 3 nachkommen, wo es in Absatz 1 heißt: „Das
Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie
möglich angepasst werden.“, so käme am ehesten eine tägliche, höchstens wöchentliche Einkaufsmöglichkeit in Frage.
Der Selbstbedienungseinkauf muss erhalten bleiben!
nichts ersetzt werden und gehört zu den nicht
verlustig gehen dürfenden sozialen Kompetenzen, insbesondere für alle, die sich auf den
Stationsküchen als Hobbyköche selbst versorgen.
Nun hat aber schon eine Entwicklung eingesetzt, die dazu geführt hat,
dass in verschiedenen Haftanstalten der
Selbstbedienungseinkauf abgeschafft
u n d e i n e 1 4 - t ä g ig e „ V e r s a n d Versorgung“ per Bestellzettel eingeführt
wurde. Die Behördenbürokratie hat sich
davon vor allen Dingen eine Kostenersparnis und eine Organisationserleichterung versprochen. In welcher Weise die
Einkaufsmöglichkeiten tatsächlich organisiert werden, steht im Ermessen des
Anstaltsleiters (OLG Koblenz); er ist
aber verpflichtet zu prüfen, ob sich eine
auch für die Anstalt unter
den Gesichtspunkten des
Verwaltungsaufwandes und
der Sicherheit vertretbare
organisatorische Lösung
finden lässt, die einen wöchentlichen Einkauf verderblicher Frischwaren
ermöglicht (OLG Frankfurt,
siehe Calliess/Müller-Dietz
StvollzG, 10. Auflage, § 22
Rn. 2).
Das Einkaufen gehört zu den fundamentalen Einrichtungen warenproduzierender Gesellschaften (Feest <Hrsg.>,
AK-StVollzG, 5. Auflage 2006, § 22
Rn. 1).
Auf die JVA Oldenburg bezogen ist
bekannt, dass auch hier überlegt wird,
den Selbstbedienungseinkauf aufzugeben.
Aus Sicht der „Trotzdem“ mögen
vielleicht vordergründig ein paar Argumente für eine Abschaffung sprechen,
wie z. B. die Bereitstellungskosten eines
besonderen Raumes, der organisatorische Aufwand bei der Zuführung der
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
• Dies gilt umso mehr, als in Oldenburg ein Großteil der Gefangenen
Untersuchungshäftlinge sind und
diese gemäß § 130 (Stellung der Gefangenen) als unschuldig gelten und
sie sich im Rahmen der Vorschriften
Annehmlichkeiten und Beschäftigungen auf ihre Kosten verschaffen
dürfen, zu denen nach allgemeiner
Beobachtung das Kochen im Rahmen einer teilweisen Selbstversorgung gehört.
• Für ausländische Gefangene, die in
Oldenburg einen bedeutenden Anteil
der Gefangenen stellen, und die der
deutschen Sprache oftmals nicht
mächtig sind und ihre eigenen Ernährungsgewohnheiten pflegen, ist es unerlässlich, die
einzukaufende Ware selbst in
Augenschein nehmen zu können. Die Intentionen des Artikels 3 Abs. 3, wonach niemand u. a. wegen seiner
Sprache, seiner Heimat und
Herkunft, seines Glaubens
benachteiligt werden darf,
und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)
sollten Beachtung finden.
• Die Versorgung mit Frischware würde entscheidend eingeschränkt werden.
• Die vermeintlichen Vorteile haben
sich dem Vernehmen nach in der
Praxis nicht bestätigen lassen; die
anzunehmenden Nachteile sind aber
verstärkt aufgetreten.
Die hiesige Anstaltsleitung sollte sich
nicht verführen lassen, den bewährten
Selbstbedienungseinkauf
aufzugeben
und einer „Organisationsmode“ nachzulaufen, sondern weiterhin für die Beibehaltung eintreten.
UM
Recht & Soziales
Abschiebepraxis
Auf Initiative von Herrn Krügl vom
Sozialdienst der JVA fand am 9. Mai in
der Kapelle eine Informationsveranstaltung mit Herrn Rüscher, dem stellvertretenden Leiter der Ausländerbehörde
in Oldenburg, statt.
Herr Rüscher ist für die JVA Oldenburg zuständig und mit jedem Einzelfall vertraut. Um sich unmittelbar zu
informieren, ist er etwa dreimal pro Monat in der JVA.
In der Veranstaltung hatten einige
Gefangene, die mit der Abschiebeproblematik zu tun haben und auch einige
Bedienstete Gelegenheit, sich über die
gesetzlichen Grundlagen und ihre Handhabung in der Praxis aus erster Hand zu
informieren.
Anhand von konkreten Fällen der
Betroffenen wurde versucht, die komplexe Materie transparent zu machen.
Der Gesetzgeber hat das Absehen
vom weiteren Strafvollzug von Strafgefangenen in § 456a StPO und die Ausweisung im Aufenthaltsgesetz in den §§
53 bis 56 geregelt. Sie dienten einerseits
dazu, die JVAen von der Last der Vollstreckung von Strafen gegen Ausländer
zu befreien und andererseits dem gerecht zu werden, dass die Strafvollsteckung gegen Ausländer, die demnächst
ausgeliefert oder ausgewiesen werden
sollen, unter dem Gesichtspunkt der
Resozialisierung und der Sicherung vor
gefährlichen Straftätern ohnehin wenig
sinnvoll ist.
Von der Vollstreckung einer Strafe
kann ganz oder teilweise abgesehen
werden. Die entsprechenden Feststellungen trifft die Strafvollstreckungsbehörde.
Für die nachgeordnete Tätigkeit der
Ausländerbehörde sind die Bestimmungen aus dem ab 01.01.05 in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetz (Zuwanderungsgesetz; bisher Ausländergesetz)
und das für EU-Bürger geltende Freizügigkeitsgesetz maßgeblich.
Die Oldenburger Behörde ist für
alle Gefangenen der JVA Oldenburg
zuständig, soweit die Gefangenen nicht
familiäre Bindungen in anderen Städten
haben oder der Aufgriff im Grenzgebiet
zu den BENELUX-Ländern stattfand
(dafür ist die Behörde in Bad Bentheim
zuständig).
Grundsätzlich gilt, dass für Ausländer, die nicht zur EU gehören (Drittausländer), bei Freiheitsstrafen ab 3 Jahren
(oder innerhalb von 5 Jahren mehrere
Freiheitsstrafen, die in der Summe mindestens 3 Jahre ergeben) eine zwingende
Ausweisung erfolgt (Ist-Ausweisung;
gilt auch für hier geborene und aufgewachsene Ausländer), es sei denn, es
liegen Gründe für einen Abschiebeschutz vor.
Daneben gibt es die so genannte
Regelausweisung, für die das Gesetz
insgesamt 7 Beispiele vorsieht. Auch
hiervon dürften fast alle ausländischen
Gefangenen betroffen sein, da die in der
Praxis wichtigste Bestimmung von mindestens 2 Jahren ohne Bewährung greift.
Die Ausländerbehörde muss nur prüfen,
ob ein Ausnahmefall vorliegt.
Auf der dritten Stufe gibt es die so
genannte Ermessensausweisung. Hier
hat die Ausländerbehörde den vollen Auf einmal ist
Spielraum.
Ist ein besonderer
Ausweisungsschutz zu prüfen, bestehen erhebliche juristische Einzelabwägungen. Ausweisungsschutz genießen z. B. Asylberechtigte.
Für EU-Bürger gilt zwar nicht das
Aufenthaltsgesetz, sondern das Freizügigkeitsgesetz, so dass es formal keine
Ausweisung gibt, in der Praxis sind aber
ähnliche Anwendungen zu verzeichnen.
Es besteht hierfür eine Widerspruchsmöglichkeit, so dass keine unmittelbare
Ausreisepflicht besteht.
Ähnliche Regelungen bestehen für
die so genannten Schengenstaaten. Für
viele türkische Staatsangehörige gab es
in den letzten Jahren Entscheidungen
des Europäischen Gerichtshofes, die bei
türkischen Arbeitnehmern aufgrund lange bestehender Abkommen zwischen
der Türkei und der EU zu einem europarechtsähnlichen Ausweisungsschutz
führten.
Ist eine Abschiebung erfolgt, so
besteht grundsätzlich keine Wiedereinreiseerlaubnis, auch nicht aus den EULändern. Es kann aber eine nachträgliche Befristung der Ausweisung vom
Heimatland aus beantragt werden. Unter
bestimmten Umständen wird die Befristung je nach Länge der ausgesprochenen
Strafhaft und der Art der Tat auf 4, 8
oder 12 Jahre begrenzt. Bei Verurteilungen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelrecht bestehen keine Chancen, auch nicht in andere EU-Länder,
soweit sie nicht EU-Bürger sind. Die
Befristung kann wiederum auf Antrag
unter bestimmten Umständen um 3 Jahre nachträglich verkürzt werden. Als
EU-Angehöriger darf man allerdings nur
nicht wieder nach Deutschland einreisen. Eine Ausnahme bildet bei gravierenden Gründen die Betretenserlaubnis,
die für max. 14 Tage erteilt werden
kann.
Da die Ausweisung nach § 456 a
StPO in der Regel zur so genannten
Halbstrafe erfolgt und mit einem erneuten Haftbefehl verbunden ist, würde im
Falle der ungenehmigten Wiedereinreise
sofort eine Verhaftung erfolgen, mit der
Folge, dass die Reststrafe zur Verbüßung anzutreten ist.
Wann frühestens abgeschoben werden kann, entscheidet die Staatsanwaltschaft; bei Gefangenen, die zu lebenslanger Haft verurteilt wurden, erfolgt die
Prüfung nach derman wieder zeitiger Praxis erst
nach 10 bis 12
Jahren Verbüßung.
Gegen die Abschiebeentscheidung gibt es in Niedersachsen keine Widerspruchsmöglichkeit;
es ist nur noch eine Klage möglich.
Nach einer Entscheidung erfolgt die
Ausweisung innerhalb von 3 bis 4 Wochen.
Von den Teilnehmern wurde begrüßt, dass eine derartige Veranstaltung
alle 3 bis 4 Monate wiederholt werden
soll. Vermisst wurde allerdings eine
Broschüre, aus der die wesentlichen
Informationen zum Abschieberecht zu
entnehmen gewesen wären, so dass noch
mehr Zeit für spezielle Fragen zur Verfügung gestanden hätte. Einzelnen Gefangenen wurde nach Abschluss der
Veranstaltung noch Gelegenheit gegeben, zu persönlichen Fallkonstellationen
Herrn Rüscher Fragen zu stellen.
Ausländer!
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
UM
37
Recht & Soziales
Aus der Rechtsprechung
Interessante Urteile
Zur Verfügung gestellt von Anwaltskanzlei
Joester pp, Bremen, RA Hübel, Quelle:
„Strafverteidiger“ Nr. 7/2007
Zumutbarkeit einer Passbeschaffung
(+ AufenthG §§ 95 Abs. 1 Nr. 1 u.
5,48 Abs. 2, 3 Abs. 1; AufenthV §
55; AuslG §§ 92 Abs. 1 Nr. 2, 39
Abs. 1, 4 Abs. 1)
1. Es ist einem vollziehbar ausreisepflichtigen iranischen Staatsangehörigen, der nicht freiwillig in den Iran
zurückkehren will, unzumutbar i. S.
d. § 48 Abs. 2 AufenthG, sich einen
Pass bei seiner Auslandsvertretung
zu beschaffen, solange sein Herkunftsstaat eine Passerteilung generell davon abhängig macht, dass er
seinen abgelaufenen iranischen
Pass mit einem darin vermerkten
deutschen Aufenthaltstitel vorlegt
und ihm abverlangt, eine sog. Freiwilligkeitserklärung des Inhalts abzugeben, aus freien Stücken aus
dem Bundesgebiet ausreisen zu
wollen. Letzteres gilt nämlich auch
für solche Antragsteller, die eine derartige Erklärung nur wahrheitswidrig
abgeben können.
2. Die Frage der Zumutbarkeit einer
Passbeschaffung i. S. d. § 48 Abs. 2
AufenthG stellt sich auch dann nicht,
wenn der Herkunftsstaat – wie im
Fall des Iran – nur Passersatzpapiere ausstellt. Es ist deshalb nicht
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 48
Abs. 2, § 3 Abs.1 AufenthG strafbar,
wenn sich ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer (dieser Herkunftsstaaten) im Bundesgebiet aufhält und sich keine Passersatzpapiere beschafft. Es bestehen Bedenken, ob die in Bezug auf Passersatzpapiere gegenüber § 48 Abs. 2 Auf38
enthG weitergehende Vorschrift des
§ 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2. Alt. AufenthV wirksam ist. Sie könnte höherrangiges Recht (§ 95 Abs. 1 Nr. 1
AufenthG) nicht ergänzen, den Umfang des Strafgesetzes nicht erweitern; Gegenteiliges verstieße gegen
das Analogieverbot.
3. Soweit eine eventuelle Strafbarkeit gem. § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG
i. V. m. § 49 Abs. 1 AufenthG wegen
Verstoßes gegen Pflichten eines
ausreisepflichtigen
iranischen
Staatsangehörigen bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten zu
prüfen ist, steht das ausländische
Erfordernis einer Freiwilligkeitserklärung (vgl. Ziffer 1) mit dem deutschen recht i. S. d. § 49 Abs. 1 AufenthG nicht in Einklang
OLG Nürnberg, Urt. v. 16.01.2007 –
2 St OLG Ss 242/06
Fahren mit EU-Fahrerlaubnis
(+ StVG § 21; FeV § 28 Abs. 1, 4;
EGV Art. 234 Abs. 3; Richtlinie
91/439 Art. 1 Abs. 2, 8 Abs. 2 und 4)
Für die Strafbarkeit nach § 21 StVG
trotz Innehabung einer in einem anderen EU-Staat erteilten Fahrerlaubnis kommt es nur darauf an, ob von
der Fahrerlaubnis bereits vor oder
erst nach Ablauf der in der Bundesrepublik
verhängten
Sperrfrist
Gebrauch
gemacht
wurde
(Anschluss an OLG Nürnberg, Urt. v.
16.1.2007 – 2 St OLG Ss 286/06 [=
StV 2007, 194]; OLG München, Urt.
v. 29.1.2007 – 4 StRR 222/06 [= StV
2007, 190]).
ThürOLG, Beschl. V. 6.3.2007 – 1Ss
251/06
Anrechnung von in Mazedonien
erlittener Auslieferungshaft
(StGB § 51)
Weichen die Bedingungen in Mazedonien erlittener Auslieferungshaft
von in Deutschland erlittener Untersuchungshaft ab, kann die in Mazedonien erlittene Haft im Verhältnis
von 1:3 angerechnet werden.
LG Verden, Urt. v. 6.7.2006 – 2-1/06
Gültigkeit des Rahmenbeschlusses des Rates über den Europäischen Haftbefehl
(EU Art. 6 Abs. 2, Art. 34 Abs. 2 b;
Rahmenbeschluss 2002/584/JI)
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses des Rates über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten vom 13.6.2002 (2002/584/JI)
ist, soweit danach die Überprüfung
des Vorliegens der beiderseitigen
Strafbarkeit für die dort aufgeführten
Arten von Straftaten abgeschafft
wird, nicht wegen Verstoßes gegen
Art. 6 Abs. 2 EU und insbesondere
gegen das Legalitätsprinzip sowie
Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskreminierung ungültig.
EuGH, Urt. v. 3.5.2007 – Z-203/05
Aus den Gründen: Die Beschwerde ist gem.
§§ 304, 119 Abs. 3 StPO zulässig, in der
Sache indessen unbegründet.
Aufhebung des Haftbefehls infolge Verletzung des Beschleunigungsgebots
(StPO § 120 Abs. 1)
Finden nach Festnahme und Inhaftierung eines Beschuldigten für einen Zeitraum von 3 Monaten keine
weiteren Ermittlungen oder andere
Maßnahmen zur Durchführung des
Verfahrens statt, ist der Haftbefehl
im Hinblick auf die Verletzung des
Humor
Ein Jäger kommt nach Hause und
erwischt seine Frau mit seinem besten Freund im Bett. Er holt sein Gewehr und erschießt ihn. Darauf seine
Frau: “Wenn du so weitermachst,
hast du bald keine Freunde mehr!“
Recht & Soziales
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes,
insbesondere in Form des Beschleunigungsgebots, aufzuheben.
BrdbgOLG, Beschl. v. 18.1.2007 – 2
Ws 12/07
Aufhebung des Haftbefehls infolge Verletzung des Beschleunigungsgebots
(StPO § 120 Abs. 1)
Kann ein Hauptverhandlungstermin
nicht durchgeführt werden, weil es
seitens der JVA versäumt wurde,
den in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten vorzuführen, und
wird die Hauptverhandlung daraufhin
ausgesetzt, ohne den Versuch zu
unternehmen, sie an den verbleibenden anberaumten Hauptverhandlungsterminen abzuschließen mit der
Folge, dass mit der Hauptverhandlung erst nach weiteren 6 Monaten
begonnen werden kann, führt dies
wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots zur Aufhebung des
Haftbefehls.
zungsanträgen sollte in Haftsachen
entweder bis zur Entscheidung des
Revisionsgerichts
zurückgestellt
werden oder in einem separaten
Kostenheft erfolgen.
SaarlOLG, Beschl. v. 16.02.2007 – 1
Ws 31/07
Aufhebung eines Haftbefehls wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots
(StPO § 120 Abs. 1)
Hat sich ein Beschuldigter anlässlich
seiner Festnahme umfänglich geständig eingelassen und finden für
einen Zeitraum von 3 Monaten keine
weiteren
verfahrensgegenständlichen Ermittlungen statt, ohne dass
das Ermittlungsverfahren durch eine
Anklageerhebung, einen Antrag auf
Durchführung eines beschleunigten
Verfahrens oder auf Erlass eines
Haftbefehls abgeschlossen wird, ist
der Beschleunigungsgrundsatz mit
der Folge verletzt, dass der Haftbefehl aufgehoben werden muss.
OLG Hamm, Beschl. v. 29.3.2007 –
2 Ws 88/07
LG Frankfort/Oder, Beschl.
4.4.2007 – 21 Qs 63/07
Beschleunigungsgebot bei Anordnung und Aufrechterhaltung der
Untersuchungshaft
(StPO § 120 Abs.1; GG Art. 2 Abs.
2; MRK Art. 6 Abs. 2)
Anordnung der Fortdauer der UHaft nach zwischenzeitlicher Haftverschonung
(StPO §§ 12, 122, 116 Abs. 4)
Kommt es auch innerhalb von 3 Monaten des bei der Festnahme des
Beschuldigten abgelegten Geständnisses und vorliegender Aussagen
der Geschädigten der vorgeworfenen Straftaten sowie weiterer Ermittlungen, die eine unverzügliche Anklage ermöglicht hätten, nicht zur
Anklageerhebung, ist das Beschleunigungsgebot in Haftsachen verletzt.
OLG
Naumburg,
Beschl.
19.3.2007 – 1 Ws 132/07
v.
Beschleunigungsgebot nach erstinstanzlichem Urteil
(StPO § 120 Abs. 1)
Das auch nach Erlass eines erstinstanzlichen Urteils Geltung beanspruchende Beschleunigungsgebot
in Haftsachen ist verletzt, wenn die
Verfahrensakten 7 Monate nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist
noch nicht auf den Weg zu dem Revisionsgericht gebracht worden sind.
Die Bearbeitung von Kostenfestset-
v.
Wird ein Beschuldigter im Haftprüfungsverfahren nach §§ 121, 122
StPO von der Untersuchungshaft
verschont, darf der Haftbefehl nur
dann wieder in Vollzug gesetzt werden, wenn wichtige Gründe i. S. v. §
121 Abs. 1 StPO ein Urteil bisher
nicht zugelassen haben. Das ist
nicht der Fall, wenn die Sache nach
Außervollzugsetzung des Haftbefehls anklagereif wurde, die Anklagerhebung indes ohne sachliche
Rechtfertigung um mehr als 4 Monate verzögert wurde, so dass mit der
Hauptverhandlung nicht mehr vor
der erneuerten Inhaftierung des Beschuldigten begonnen werden konnte.
OLG Köln, Beschl. v. 21.12.2006 –
43 HEs 31/06
Nachträgliche Pflichtverteidigerbeiordnung
im
Strafvollstreckungsverfahren
(+ StPO §§ 140, 141, 458 Abs. 2,
455 Abs. 4)
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Eine nachträgliche, rückwirkende
Bestellung für das im Rechtszug
abgeschlossene
Verfahren
ist
schlechthin unzulässig und unwirksam und mithin ausgeschlossen,
und zwar auch dann, wenn der
Wahlverteidiger oder der Rechtsanwalt, den der Angeklagte als den zu
bestellenden Pflichtverteidiger benannt hatte, seine Bestellung beantragt hatte.
KG, Beschl. v. 9.3.2006 – 5 Ws
563/05
Konkludente Beiordnung im Vollstreckungsverfahren
(+ StGB § 57; StPO §§ 140 Abs. 2,
141, 296)
Bescheidet das Gericht den zu Beginn einer Anhörung gestellten Beiordnungsantrag eines Rechtsanwalts nicht ausdrücklich, ist von einer konkludenten Beiordnung auszugehen, wenn das Gericht den
Rechtsanwalt am Verfahren mitwirken lässt und die Notwendigkeit einer Beiordnung zumindest nicht fern
liegt.
ThürOLG, Beschl. v. 26.7.2006 – 1
Ws 257/06
Verteidigerbeiordnung im Verfahren über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung
(StPO §§ 453, 140; StGB § 56 f)
Kommt im Falle eines Widerrufs einer Strafaussetzung zur Bewährung
bezüglich eines Strafrestes von 3
Monaten Dauer auch der Widerruf
der Aussetzung einer Freiheitsstrafe
von 12 Monaten in Betracht, weshalb der Verurteilte im Falle des Widerrufs eine Strafvollstreckung von
insgesamt 15 Monaten Dauer zu
gegenwärtigen hätte, ist die Beiordnung eines Verteidigers geboten.
OLG Celle, Beschl. v. 19.1.2007 – 1
Ws 6/07
Humor
Unterschied zwischen Chemiker und
Hebamme? Chemiker sagt: H²O, Hebamme: O H 2.
...
Sagt die Kerze zur anderen: „Was
machst Du heute Abend?“ „Oh, ich
glaube, ich gehe aus!“.
39
Recht & Soziales
Grundrechte
Beschleunigungsgebot bei U-Haft
und Anspruch auf Verteidigung
durch Vertrauensanwalt
(StPO §§ 121, 122; GG Art. 2 Abs.
2, 20 Abs. 3)
1. Die Vorschriften des § 121 Abs. 1
StPO erfordert eine doppelte Prüfung, wobei zunächst Feststellungen
darüber getroffen werden müssen,
ob die besondere Schwierigkeit oder
der besondere Umfang der Ermittlungen oder andere wichtige Gründe
ein Urteil bislang nicht zugelassen
haben und weiterhin, ob bei Vorliegen derartiger Gründe diese die
Fortdauer der Untersuchungshaft
rechtfertigen.
2. Das Recht eines Angeklagten,
sich von einem Anwalt seiner Wahl
oder seines Vertrauens vertreten zu
lassen, kann durch wichtige Gründe,
zu denen in bestimmten Konstellationen auch das Beschleunigungsgebot in Haftsachen zählt, begrenzt
sein. Das Hinausschieben einer
Hauptverhandlung wegen Terminschwierigkeiten des Verteidigers ist
kein Umstand, der eine Verzögerung
von mehreren Monaten rechtfertigen
könnte, was aber mit dem Recht, in
der Hauptverhandlung von einem
Verteidiger seines Vertrauens vertreten zu werden, sorgsam abgewogen
werden muss.
BVerfG, Beschl. v. 15.2.2007 – 2
BvR 2563/06 (3. Kammer)
40
Beschleunigungsgebot in Haftsachen
(StPO §121 ff)
1. Das Beschleunigungsgebot in
Haftsachen umfasst das gesamte
Strafverfahren. Es verpflichtet nicht
nur die Gerichte, sondern alle für die
Strafverfolgung zuständigen Stellen,
namentlich die Polizeibehörden und
die Staatsanwaltschaft, gleichermaßen. Vor allem sind den Behörden
und den Beamten des Polizeidienstes rechtzeitig konkrete Ermittlungsanweisungen zu erteilen, um baldmöglichst Anklagereife herstellen zu
können.
2. Wird eine Haftfortdauerentscheidung lediglich mit der bloßen Wiedergabe des Gesetzeswortlauts begründet, ohne dass eine Subsumtion
unter die Tatbestandsvoraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO überhaupt erkennbar wird, so hat dies
regelmäßig eine Verletzung des
Grundrechts der persönlichen Freiheit zur Folge.
Die Schwere der Tat und die im
Raum stehende Straferwartung sind
im Zusammenhang mit § 121 StPO
ohne jede Bedeutung.
BVerfG 3. Kammer des 2. Senats,
Beschl. v. 29.3.2007 – 2 BvR 489/07
BGH sucht neue Wege
Völlig neuer Weg bei der Berücksichtigung langer Verfahrensdauer im Urteil?
In der Presse war zu lesen, dass anlässlich eines anhängigen Revisionsverfahrens der zuständige BGH-Senat prüft,
einen völlig neuen Weg bei der Berücksichtigung langer Verfahrensdauer im
Urteil zu gehen.
Danach soll entgegen der bisherigen Rechtsprechung ein zweistufiges
Verfahren angewandt
werden: Zunächst sollen Gerichte die
Schwere der Schuld mit
einem klar formulierten
Strafmaß ahnden, bevor
in einem zweiten
Schritt eine fiktive
Teilverbüßung durch
die Belastung der langen Verfahrensdauer
ausgesprochen wird.
Da dies Verfahren bisher in der deutschen
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Rechsprechung nicht verankert ist,
müsste der Strafsenat zunächst den
„Großen Senat“ des BGH anrufen, damit
dieser ein solches Verfahren billigt. Im
„großen Senat“ wirken Vertreter aller
Strafsenate mit. Mit einer derartigen
Entscheidung wäre nicht vor dem Herbst
zu rechnen.
In der Praxis würde das bedeuten,
dass z. B. die Strafe 5 Jahre beträgt und
bei entsprechend langer Verfahrensdauer aber bereits ein Jahr als verbüßt gilt.
Inwieweit das Auswirkungen auf
die Vollzugspraxis hat, kann noch nicht
angegeben werden. Denkbar wäre, dass
es Konsequenzen für den Einzelnen bei
der Zuordnung zu der für ihn zuständigen Anstalt nach dem Strafvollstreckungsplan hat, wenn die vorgesehene
Vollzugsdauer maßgeblich ist. Auswirkungen dürfte es aber auch auf die Berechnung der Halb- und Zweidrittelstrafe haben.
So wäre nach dem Beispiel die
Haftzeit in einer Anstalt nach bisheriger
Rechtsprechung bei einer Halbstrafe mit
24 Monaten und bei einer Zweidrittelstrafe mit 32 Monaten zu bemessen.
Nach der neuen Rechtsprechung (sollte
sie denn so kommen und keine neuen
Verwaltungs- oder Ausführungsvorschriften dagegen stehen) wären bei der
Halbstrafe 18 bzw. bei 2/3 28 Monate
anzusetzen. Es bliebe noch abzuwarten,
ob oder wie sich die veränderte Rechtsprechung auf die Verbüßungsdauer der
Gefangenen auswirkt, die noch nach
altem Verfahren einsitzen.
UM
Humor
Mein Optiker zeigt mir eine Brille,
seine neueste Erfindung. Wenn ich
die aufsetze, sehe ich alle Menschen
nackend. Es kommt eine junge
Sprechstundenhilfe – ich setze die
Brille auf: Sprechstundenhilfe nackend; ich setze die Brille ab: angezogen! Ich sehe eine Passantin –
Brille auf: nackend; Brille runter: angezogen. Ich komme nach Hause,
meine Frau und mein Freund im
Bett: nackend; ich Brille auf: nackend; Brille runter: auch nackend.
Recht & Soziales
Es darf wieder gehofft werden!
Bundesverfassungsgericht
erleichtert
Wiederaufnahme
Unschuldig Ver- urteilte
können
zukünftig wieder mehr hoffen. Rechtskräftig abgeschlossene Strafverfahren
können leichter wieder aufgerollt werden. Gerichte dürfen Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens nicht so
umstandslos ablehnen, wie bisher in
vielen Fällen üblich.
Ein entsprechender Beschluss wurde am 05.06.07 veröffentlicht (Az.: 2
BvR 93/07).
Wer bislang die Wiederaufnahme
anstrebte, musste feststellen, dass selbst
bei Vorlage neuer Beweismittel, die die
Unschuld belegen, es nur in seltenen
Ausnahmefällen möglich war, zu einem
neuen Verfahren zu kommen. Denn es
erfolgte oft nur eine kursorische Prüfung
der neuen Beweismittel.
Das Bundesverfassungsgericht entschied nun aufgrund eines konkreten
Falles einer Ablehnung eines Prüfungsgerichtes, dass die Prüfung, was die neuen Tatsachen und Beweismittel für den
Tathergang bedeuten, einer neuen
(wieder aufgenommenen) Hauptverhandlung vorbehalten sind, mit entsprechenden Mitwirkungsrechten des Angeklagten. Das Prüfungsgericht könne
nicht im Wiederaufnahmeverfahren einfach aus den neuen Tatsachen und Beweisen Schlussfolgerungen ziehen, ohne
dem Angeklagten seine Mitwirkungsmöglichkeiten einzuräumen.
Damit gelingt es den Gerichten
nicht mehr, die neuen Beweise abzuqualifizieren, um der Justiz ein Wiederaufrollen des Verfahrens zu ersparen. Nicht
Erfolg haben dürften aber die Wiederaufnahmebegehren, bei denen angeblich
neue Tatsachen vorgelegt werden, die
im Hauptverfahren bereits überprüft
worden sind.
Von anwaltlicher Seite ist zu vernehmen, dass es nun eine ganze Reihe
von Wiederaufnahmeverfahren geben
wird, die Erfolg haben werden.
Es darf in diesem Zusammenhang
aber auch gehofft werden, dass die erkennenden Gerichte noch sorgfältiger
den Tatsachen und Beweisen ihre Aufmerksamkeit schenken und eher wieder
„im Zweifel für den Angeklagten“ werten und weniger die Beweislücken durch
Überzeugungen und Auffassungen
schließen und sich dann bei der Urteilsabfassung verstärkt darauf konzentrieren, den Text „revisionsfest“ zu machen.
Mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts wird auch der Tatsache
Rechnung getragen, dass auch der Richterstand der Gauß’schen Verteilung unterliegt, wenn es um Fehlerhäufigkeit
und Qualität geht. Den Verfassungsrichtern ist es hoch anzurechnen, im Wissen
über die menschliche Unzulänglichkeit
einen weisen Beschluss gefasst zu haben.
Vielleicht ist es aber auch nicht
vermessen anzunehmen, dass der Beschluss auch Auswirkungen auf den
Strafvollzug haben wird, wo immer wieder tatsächlich (oder angeblich) unschuldig Verurteilte, die eine Wiederaufnahme anstreben, mit dem Vorwurf der
„Tatuneinsichtigkeit“ konfrontiert werden und denen mit diesem Hinweis Lockerungen des Vollzuges trotz untadeligem Vollzugsverhalten verweigert werden, da sie für eine „Behandlung“ nicht
zugänglich wären.
Es ist ein kleines „Licht im Tunnel“
angegangen.
UM
Das Oldenburger Verständnis
Vor diesem Postulat standen auch
die Gefangenen, die von den ArbeiterStationen zum Arbeitsbereich geführt
wurden und in der Schleuse feststellen
mussten, dass in dem aparten durchsichtigen Plastik-Täschchen und am Körper
nur das transportiert werden durfte, was
ausdrücklich in den anstaltseigenen Vorschriften und dem speziellen Aushang
erlaubt war. Nämlich nur: Kaffee, Tee,
Milch, Zucker und Rauchwaren. Nach
besagtem Aushang sind insbesondere
nicht erlaubt: Obst, Süßigkeiten und alle
anderen Gegenstände.
Der Kontrolle fiel daher so mancher
Apfel zum Opfer, den man mit in den
Arbeitsbereich nehmen wollte (das hat
sicherlich so manchen Diabetiker erfreut)! Auf dem Rückweg musste dann
die Banane dran glauben, die zur Mittagszeit ausgegeben wurde und die man
gerne im Haftraum verzehren wollte.
So dauerte es auch nicht lange, dass
die mitgebrachte Brille nicht die Schleuse passieren durfte. Der Sehbeeinträchtigung könne man ja abhelfen, indem man
eine Brille extra für den Arbeitsbereich
beantragen würde.
Daher war es auch nur noch konsequent, dem Zuckerkranken zu untersagen, sein ärztlich verordnetes Spritzbesteck mitzunehmen.*
UM
* Wie konsequent [lat. consequens =
folgerichtig] und liberal [lat. liberalis =
freiheitlich] sind wir doch in Oldenburg!
Der Apfel und die Brille
(Jegliche Ähnlichkeiten mit einem derzeit lebenden Menschen sind rein zufällig.)
Es gibt Regeln, die gelten als unumstößlich. Wie zum Beispiel, dass das, was
nicht ausdrücklich durch Gesetz oder
Verordnungen verboten ist, erlaubt ist.
Danach richten sich auch wohl weitgehend die Gerichte. So weit, so gut!
Dies glaubt man auch noch, wenn
man als Häftling in die JVA Oldenburg
kommt und sich die Anzahl der Vorschriften ansieht.
Aber irgendwann wird man das
Gefühl nicht los, dass es doch anders
sein muss: Alles was nicht ausdrücklich
erlaubt ist, ist verboten!
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
41
Kultur — Ausland — Medien
Literatur & Co. Spezial
Neues aus der Bücherei:
Der Hörbuch Club
Heureka, es ist vollbracht! Seit einem Jahr haben Herr Dannebaum, Markus Lanfer und Dieter Schacht daran gearbeitet, den
Hörbuch-Club auf die Beine zu stellen. Unzählige Bettelbriefe wurden verschickt, noch mehr Stunden
damit zugebracht, Kassetten auf CDs zu übertragen und Sicherungskopien zu erstellen.
Rund 180 Titel gehen nun an den Start. Alle, die dem Club beitreten wollen, müssen dazu einen Antrag stellen. Mitglied können nur Gefangene werden, die über einen CD-Spieler verfügen. Jedes Mitglied verpflichtet sich, die CDs nicht weiter zu verleihen und erklärt sich damit einverstanden, dass
bei Verlust oder Beschädigung der Sicherungskopie € 1,50 von seinem Konto für den Ersatz abgezogen werden.
Eine Liste mit dem Angebot wird an die Mitglieder des Clubs verteilt. Maximal 3 CDs pro Woche werden im Rahmen der samstäglichen Buchausleihe ausgegeben.
Viel Spaß dabei, es lohnt sich!
DS
Germania 3 Gespenster am Toten Mann,
Mommsens Block (Heiner Müller)
Heiner Müller, der größte deutsche Dramatiker seit Bertolt Brecht, beschreibt in Germania 3 die deutsche Geschichte von Stalingrad bis zum Fall der Mauer, ein Anliegen, das ihm schon
lange auf der Seele lag. Hier liegt es als eine Art Collage
aus dem Textfragment vor, das erst nach Müllers Tod verarbeitet wurde. Schwer zugänglich, aber sehr eindrucksvoll und kreativ erscheint die deutsche Kriegs- und Nachkriegsgeschichte in Musik-, Sound- und Textfetzen, gesprochen von Ulrich Mühe.
Mommsens Block ist Müllers Darstellung der Bemühungen des Historikers Mommsen um eine Geschichte des
römischen Reiches und spekuliert um die Gründe für das
Ausbleiben des letzten Bandes dieser Geschichtsschreibung. Sprecher ist Heiner Müller selber.
DeutschlandRadio/Der Audio Verlag, 1999, 2 CD’s, 103 Minuten, ISBN:
3-89813-006-1
Schloss aus Glas (Jeannette Walls
mit Ulrike Grote)
Jeannette Walls wächst als glückliches Kind
auf. Ihr Vater holt ihr die Sterne vom Himmel, geht mit ihr auf Dämonenjagd und verspricht ihr ein Schloss aus Glas. Da ist es auch gar nicht
so schlimm, mal mit einem leeren Bauch ins Bett zu gehen oder spontan und ohne Ankündigung den Wohnort zu
wechseln. Aber auf einmal ist kein Bett mehr da, nur noch
ein Pappkarton auf der Straße und eine Heimatadresse
gibt es für Jeannette schon lange nicht mehr.
Jeannette erlebt eine ungewöhnliche, seltsame Kindheit,
in einer kaum vorstellbar verrückten unangepassten Familie.
Hoffmann und Campe, 2006, ISBN-10: 3-455-30436-2, ISBN-13: 978-3455-30436-7, € 30,00.
42
Georgia (Doris Gercke)
Die Detektivin Bella Block lebt zwischen
Bücherbergen und ein paar eher skurrilen
Mitbewohnern in der Hamburger Pension
Rosenberg, wie es ihr gefällt. Dann wird sie
von der Rechtsanwältin Susanne Behrendt, Verteidigerin
in einem Prozess, in dem es um Folter geht, um Personenschutz gebeten. Bella Block lehnt den Auftrag ab, weil
sie nicht glaubt, dass die Strafverteidigerin bedroht wird,
weil sie in dem Prozess den Staatsanwalt mit dem makellosen Ruf als Folterer entlarven will. Doch dann entdeckt
sie, dass die Anwältin tot, ermordet ist. Bella Block weiß
nun, was zu tun ist. Mit ihrem beschaulichen Leben ist es
vorbei. Sie hat bei ihrer Arbeit mit Verstrickungen zu tun,
die bis in die Berliner Politik reichen. Auf ein paar Tote
mehr oder weniger kommt es dabei offenbar nicht an. Bella ermittelt in einem Fall, in dem es um Staatsraison geht
und um Liebe. Sie erfährt eine Geschichte, die so phantastisch ist, dass sie wahr sein könnte.
Doris Gercke erzählt virtuos, romantisch und kühl bis ins
Herz.
Hoffmann und Campe, 2006, ISBN 978-3-455-30469-5, € 24,95.
Wie der Soldat das Grammofon repariert
(Saša Stanišić)
Szenen eines heranwachsenden Jugendlichen im ehemaligen Jugoslawien in Zeiten
des politischen Umbruchs zum Ende der
Tito-Ära. Szenen wie: „Opa starb in 9,86 Sekunden, sein
Herz lieferte sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Carl Lewis, das Herz stand still und Carl raste wie ein Wahnsinniger, Opa keuchte und Carl warf die Arme in die Luft und
sich eine amerikanische Fahne über …“. Lohnenswert,
manchmal ein wenig poetisch und schwermütig, ein ergreifendes, sehr persönliches Zeugnis der Zeitgeschichte.
Random House, 2006, 1 CD, 78 Minuten, ISBN: (3) 86604-275-2,
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Kultur — Ausland — Medien
Literatur & Co. Spezial
Die Schachspielerin (Bertina Henrichs)
Den Einstieg eines griechischen Zimmermädchens in die Welt des Schachspiels beschreibt die junge Autorin Bertina Henrichs.
Eine nette, freundliche Geschichte, die ihren
Charme aus der Beschreibung griechischer Lebensweise
und geradezu gegensätzlich dazu der Welt des Schachspiels bezieht. Natürlich hat sich die Autorin mit diesen
Welten vertraut gemacht; Griechenlandkenner und
Schachspieler werden einiges wieder erkennen und vielleicht angenehme Erinnerungen ins Gedächtnis zurückrufen. Leider ist diese charmante Geschichte wieder einmal
„nur“ als gekürzte Lesung zu hören.
Hoffmann und Campe 2006, 2 CD’s, 131 Minuten, ISBN 13: 978-3-45530091-8, € 15,95.
Der Vater eines Mörders (Alfred Andersch)
Die Beschreibung einer unangekündigten
Examination einer Schulstunde an einem
deutschen Gymnasium des Jahres 1928
nutzt Alfred Andersch zu einem Bild des
geistigen und sozialen Terrors im Bildungswesen der damaligen Zeit. Aus der Sicht des „Franz“ werden die handelnden Personen und damit der Geist des Kaiserreichs,
Bildungsbürgertums, Antisemitismus und aufkommenden
Nationalsozialismus messerscharf analysiert. Eine überaus gelungene Studie.
Diogenes, 2006, 2 CD’s, 142 Minuten, ISBN: (13) 978-3-257-80005-0
Brenner Live (Wolf Haas)
„Von der Auferstehung der Toten bis zum
ewigen Leben“, so der Untertitel. Er bezieht
sich auf die bisher sechs erschienen Bücher
um die Hauptfigur des Polizisten Brenner.
Unvergleichlich witzig, süffisant, mit viel trockenem, österreichischem Humor beschreibt er Alltagsszenen dieses
„beschränkten Allwissenden“. Herrlich erzählt, völlige Einigkeit zwischen dem Erzähler und Text, dazu noch die
animierende Live-Stimmung. Eine gelungene, überaus
amüsante Doppel-CD (Gott und dem Produktmanager sei
Dank, ich dachte zuerst, nach der ersten CD wäre
Schluss, was ich kaum ertragen hätte). So ist es eine hundertprozentig gelungene Veröffentlichung. Absolut empfehlenswert, geradezu süchtig machend. Ich werde mir
weitere Titel von Wolfgang Haas anschaffen …
Geliebter Lügner (Jerome Kilty)
Einen Briefwechsel zwischen der Schauspielerin Stella Campbell und dem irischen
Dichter, Vegetarier und Sozialisten George
Bernhard Shaw lesen Iris Berben und Mario
Adorf. Äußerst süffisant und vergnüglich wird ein über 40
Jahre andauernder Briefwechsel wiedergegeben, der an
Ironie und hintergründigem Witz wohl nicht zu übertreffen
ist. Teilweise wird die Situation der Zusammenarbeit der
beiden an einem Theaterstück Shaws ausgearbeitet, was
durch die Schauspielerfahrung der beiden Sprecher sehr
überzeugend gelingt. Jugendsünden ihrer Beziehung überdauert der Briefwechsel ebenso wie Schicksalsschläge
in Folge der Umstände des ersten Weltkriegs und anderer
politischer Ereignisse. Bis ins hohe Alter bleiben die beiden in Kontakt und ermöglichen den Blick auf eine ungewöhnliche Beziehung zwischen zwei ungewöhnlichen
Menschen. Ein Genuss für Freunde des gepflegten Wortes.
Hoffmann und Campe, 2006, 2 CD’s, 123 Minuten, ISBN 13: 978-3-45530427-5, € 18,20.
Hoffmann und Campe, 2006, 2 CD’s, 92 Minuten, ISBN: (13) 978-3-45530476-3, 25,95 €
Bis ich Dich finde (John Irving live in Berlin)
Dies ist der Mitschnitt einer Veranstaltung
mit John Irving in Berlin. Veit Schubert, ein
Schauspieler des Berliner Ensembles, auf
deutsch und John Irving selbst tragen aus dem ersten
Kapitel des Buchs „Bis ich Dich finde“ vor, anschließend
stellt sich John Irving Interviewfragen. Mehr als nur ein
Appetitanreger für das neue, sicherlich ausgesprochen
spannende und kontrovers diskutierte Buch des amerikanischen „Superstars“ der Literaturszene. Denn hier hört
man den Autor in einer seiner seltenen Lesungen den
eigenen Text in seinem Sinn vortragen, zumindest diejenigen, die des Englischen einigermaßen mächtig sind. Die
Story beginnt mit Jack, der als kleiner Junge von älteren
Damen sexuell missbraucht wird und löste eine breite Diskussion über das Thema und den autobiografischen Bezug aus. Am besten macht man sich selbst ein Bild davon.
Dazu ist die CD gut geeignet…
Lust des Beginnens (Manfred Krug liest
Bertolt Brecht)
Ein ganz hervorragendes neues Hörbuch
erschien hier in Kooperation von Deutschlandradio Kultur mit dem Audio Verlag. Man
könnte denken: Wieder eine dieser „Ein Prominenter liest
mehr oder weniger bekannte Gedichte/Geschichten eines
berühmten Autoren“-CDs; noch mal einen schnellen Euro
nebenbei für den Sprecher und den Verlag. Weit gefehlt,
dies ist eine Zusammenstellung, die sich durch die nach
meinem Empfinden sehr gute inhaltliche, das heißt überaus gelungene künstlerische Arbeit aus der Masse der
Veröffentlichungen abhebt. Hier werden Brecht-Texte mit
Herz und Überzeugung „sophisticated“, überaus kompetent und stilvoll ausgesucht, zusammengestellt und vorgetragen. 30 Gedichte in „nur“ knapp 34 Minuten, die aber
nicht zu kurz sind, sondern mehr als genug Stoff zum Zuhören, Nachdenken und Nachempfinden bieten. Das kann
wohl kaum jemand besser als Manfred Krug. Ganz toll,
absolut hörenswert, ich habe sie nach dem ersten Hören
gleich mehrmals hintereinander genossen.
Diogenes Hörbuch/Deutschlandfunk 2006, 68 Minuten, ISBN 13: 978-380011-1
Der Audio Verlag/Deutschlandradio Kultur 2006, 34 Minuten, ISBN: 389813-517-9
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
43
Kultur — Ausland — Medien
Literatur & Co. Spezial
Pater Brown und die Midasmaske (Harry
Rowohlt liest G.K. Chesterton)
Ein besonderes Hörvergnügen sind immer
die Lesungen von Harry Rowohlt, der mittlerweile sogar einen Sonderpreis für das
Gesamtwerk seiner Übersetzungen aus
dem Englischen erhalten hat. Obwohl er diese erst 1988
im Nachlass der Sekretärin des längst verstorbenen Autors gefundene Kriminalgeschichte nicht selbst übersetzt
hat, bietet seine Interpretation, sein lustvoller, geradezu
genießerischer Vortrag eine eigene, zusätzliche Ebene in
diesem nun neuen Klassiker der Kriminalliteratur. Dabei
legt er weniger Wert auf die detaillierte Darstellung des
kriminalistischen Verlaufs, sondern lässt den hintergründigen Humor dieser skurrilen Kriminalposse lebendig werden. Allein die wunderbare Betonung und Aussprache der
englischen Namen ist schon hörenswert, ein einziger Genuss und gleichzeitig jedes Mal ein Anlass zum Schmunzeln. Ob er die Qualität eines Heinz Rühmann, der andere
Fälle des Pater Brown fürs Fernsehen so meisterhaft verkörpert hat, erreicht oder vielleicht überbietet, muss jeder
selbst feststellen. Auf jeden Fall bietet diese CD gute Unterhaltung zur Erbauung und Entspannung auf einem angenehmen Niveau.
Der Hörverlag/Deutschlandfunk 2006, 45 Minuten, ISBN-13: 978-389940-734-1
Bedaure höflichst – Wiener Kaffeehausgeschichten (Konrad Beikircher)
Eine ausgesprochen unterhaltsame Zusammenstellung von lustigen, teilweise hintergründigen Geschichten und österreichischer, besser Wiener Lebensweise bietet
Konrad Beikircher in seiner Geschichtensammlung aus den Abgründen des Wiener Kaffeehauses.
Vertreten sind Kurzgeschichten und Verse von Peter Altenberg, H.C. Artmann, Fritz von Hermanovsky-Orlando,
Karl Kraus, Anton Kuh und Roda Roda. Für Freunde der
österreichischen Mundart und dieses besonderen Humors
ein Genuss. Man kann sie durchaus mehrmals mit großem Vergnügen hören!
Patmos 2000, 1 MC, 64 Minuten, ISBN 3: 491-91045-5
Die Kultur des neuen Kapitalismus
(Richard Sennett)
Das neue Buch des weltbekannten und führenden Soziologen Richard Sennett liegt
hier als Hörbuch vor. Inhaltlich wird versucht, aktuelle Aspekte des Kapitalismus, des so genannten „Neoliberalismus“ zu erkunden. Aus dem Vergleich
und der Übertragung der Theorien von Marx, Weber und
anderen großen Soziologen auf aktuellen Entwicklungen
zeigt uns Sennett, wie immer, wohin die Veränderungen
der Gesellschaften aus soziologischer Sicht gehen werden. Absolut lohnenswert, wenn auch die Form des Hörbuchs für derart theoriegeladene Texte nicht besonders
geeignet scheint. Man muss es eben mehrmals hören.
Das setzt der Text wohl auch voraus.
Radioropa Hörbuch, 2007, 4 CD’s, 269 Minuten, ISBN: (13) 978-386667-451-6, € 18
Am Ufer der Stille (Rabindranath Tagore)
Der Nobelpreisträger Rabindranath Tagore
vermittelt in seinen Texten die spirituelle
Botschaft Indiens. Gedichte, Aphorismen,
religiöse Lyrik, Liedtexte unterlegt mit Originalvertonungen aus Bengalen enthält diese
CD. Eine anfangs fremde, dann aber durchaus interessante CD. Wunderbare Sprachpoesie, die im Gegensatz
zum Bollywoodkino nicht an der Oberfläche der Dinge
stehen bleibt, sondern durchaus „Tiefgang“ hat.
Rabindranath Tagore lebte von 1861 bis 1941 und gehörte zu den führenden Intellektuellen seiner Zeit. Er kannte
Mahatma Ghandi, Jawaharlal Neru und alle Großen seiner Zeit und hat diese beeinflusst. Die Nationalhymnen
Indiens und Bangladeshs stammen von ihm.
Patmos 2002, 40 Minuten, ISBN 3-491-91109-5
Das literarische
Hörerlebnis!
Das unerhörte Leben des Jan Beukels
(Robert Schneider)
Die drei Käfige, in denen die Leichname der
Wiedertäufer im Jahr 1536 an der Lambertikirche in Münster ausgestellt wurden, sind
noch heute zu sehen. Ihre Geschichte, speziell die des
Johann Beukels, erzählt als Hörspiel angenehm aufbereitet dieser historische Roman. Der Autor wurde mit seinem
Erstlingswerk „Schlafes Bruder“ bereits weltweit bekannt.
Auch hier ist ein eindringlicher Roman gelungen, der die
Ereignisse der damaligen Zeit aufzeigt und ein deutliches
Bild der Zeit der Religionswirren gibt. Das Mittelalter wird
wieder lebendig, das Hörspiel ist aufwendig produziert
und absolut hörenswert.
Magermilch und lange Strümpfe (BerndLutz Lange)
Der ostdeutsche Kabarettist Bern-Lutz Lange wird hier in einer Lesung in der Leipziger
Pfeffermühle präsentiert. Er gab Geschichten aus seinen Büchern zum Besten, die allesamt von
süffigem Humor triefen. Zum Beispiel die eines Kartoffelkäfers, der im Auftrag des Ostens im Westen die Kartoffelernte vernichten sollte. Nicht nur für Ossis interessant und
amüsant.
Der Audioverlag/WDR 2005, 3 CD’s, ISBN 3: 89813-463-6
Der Audio Verlag, 2001, 1 CD, 70 Minuten, ISBN: (3) 89813-142-4,
44
Mit Sorgfalt bist Du dabei!
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Kultur — Ausland — Medien
Literatur & Co. Spezial
Ich bin ein Wesen leichter Art (Dagmar
Manzel)
Dagmar Manzel, bis 2002 Mitglied des Ensembles des Deutschen Theaters Berlin,
singt die bezauberndsten Theaterlieder, so
der Untertitel. Die Palette reicht von
Shakespeare über Beethoven, Wagner, Friedrich Holländer bis zu Hanns Eisler. Eine durchaus gelungene, temperamentvolle Aufnahme mit eher klassisch gesungenen
Liedern. Anspieltipp: „Solveigs Lied“ von E. Grieg, zu
„Peer Gynt“ von H. Ibsen!
Patmos Verlag, 2002, 1 CD, 56 Minuten, ISBN: (3) 491-91103-6, € 9,95
Es geht noch ein Zug von der Gare du
Nord (Fred Vargas)
Der neue Star am Krimihimmel ist Fred Vargas, eine in Paris lebende Französin. Ursprünglich war sie Archäologin und schrieb
die Krimis nur nebenbei, nachts und in den Ferien. Mittlerweile gibt es acht davon. „Es geht noch ein Zug von der
Gare du Nord“ ist aus dem Jahr 1999. Ulrich Matthes
spricht in diesem Hörspiel die Hauptrolle wie immer unglaublich intensiv und verleiht dem Hörspiel eine neue
Dimension. Die CD bietet auch eine gute Gelegenheit, die
Autorin kennen zu lernen.
Der Audio Verlag/SWR, 2003, 1 CD, 55 Minuten, ISBN: 3-89813-312-5
Des Sängers Fluch – Schaurig schöne
Balladen (mit Winni Böwe)
Die preisgekrönte Schauspielerin Winnie
Böwe spricht und singt elf klassische Balladen von Goethe, Heine, Brecht, Hebbel bis
Friedrich Holländer. Eine gelungene Auswahl mit Charme,
zwischendurch kommentiert, mit Klavier begleitet und eigenen Überleitungen versehen. Interessant und hörenswert.
Der Audio Verlag/RBB, 2005, 1 CD, 52 Min., ISBN: 978-3-89813-623-5
Gnadenfrist (Arnon Grünberg)
„Gut übers Leben zu schreiben heißt, das
Unangenehme mit dem Lachhaften zu verbinden …“. Dies scheint der rote Faden des
Hörbuchs von Arnon Grünberg, Jahrgang
1971 aus Amsterdam, zu sein. Ein Angestellter der niederländischen Botschaft in Lima verstrickt sich nach einem ruhigen und, wie er meint, glücklichen Leben plötzlich und unerwartet in die Wirrungen der Leidenschaft. Mit
viel süffisantem und hintergründigem Humor spricht Christian Berkel diesen für den Hörer sehr erfreulichen Roman,
der sowohl Vergnügen, als auch Betroffenheit auslöst. Die
Kritik spricht von einer Mischung aus John Irving, Philip
Roth und Woody Allen. Absolut lohnenswert.
Der Audio Verlag/RBB, 2006, 3 CD’s, 177 Min., ISBN: 3-89813-558-6
Einfach unglaublich (Robert Ripley)
Erstaunliche, verrückte und bizarre Fakten
aus aller Welt präsentieren Dirk Bach und
Barbara Schöneberger auf dieser CD. Gekonnt abwechslungsreich und lebendig moderieren die beiden durch das an Zahlen
und Fakten (?) reiche Material. Sehr amüsant.
Hoffmann und Campe, 2006, 1 CD, 75 Minuten, ISBN 13: 978-3-45530479-4 € 15,99.
Die großen Schurken-Monologe
Das Böse ist immer und überall – das war
wohl die Idee zu diesem etwas ungewöhnlichen Hörbuch. Claude Oliver Rudolph und
Sabine Trooger sprechen Texte von Aischylos, aus der Bibel, von Shakespeare, Schiller, Goethe, aus
der Nibelungendichtung, von Dostojewski und Brecht, aus
Werner Herzogs Film „Aguirre – Der Zorn Gottes“ und
einiges mehr. Hier sind sie alle versammelt: Die Bösen
der Weltliteratur, getrieben von Neid, Hass, Gier und anderen überaus menschlichen Eigenschaften. Ein Hörbuch,
das ein wenig zum Nachdenken anregt.
Delta Music, 2006, 2 CD’s, 140 Minuten, ISBN: 3-86538-498-6
Kokolores (Marianne Rosenberg)
Mariannes Lieder sind jedermann bekannt
und ein Bestandteil deutscher Musikkultur
im In- und Ausland. Ihre persönliche Sichtweise der Lieder, die sie in frühester Jugend
aufnahm, die sie bis heute begleiten, ja verfolgen, bietet
sie in dieser Autobiographie an. Und ihre Entwicklung zu
einer „Ikone“ der deutschen Popgeschichte und Kulturlandschaft. Interessant und sehr angenehm von Marianne
selbst vorgelesen, mit vier Bonussongs.
List Verlag Berlin/Delta Music Frechen, 2006, 4 CD’s, 250 Minuten,
ISBN: 3-86538-503-6
Komm an mein zärtlich Herz, du schöne
Katze (Charles Baudelaire)
Eine sehr überzeugende Zusammenstellung
der „schönsten Liebesgedichte“ von Charles
Baudelaire vorgelesen von Christian Redl,
entnommen aus dem Buch „Die Blumen des
Bösen“. Redls Stimme spiegelt den Charakter der Gedichte Baudelaires wunderbar wider. Schönheit und Romantik,
gepaart mit einem rauen, ja beinahe dreckigen Beigeschmack bringt diese wunderbar komponierten Gedichte
zu neuem Leben. Ein stellenweise unglaublicher Sprachrhythmus macht klar, dass die Texte keineswegs veraltet
oder überholt sind. Absolut hörenswert, ein Genuss für
den Lyrikfreund …
Hoffmann und Campe Verlag, 2006, 1 CD, 59 Minuten, ISBN: (13) 9783-455-30094-9
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Der Kalte Krieg (John Lewis Gaddis)
Sachbuch über den kalten Krieg…, na ja! Wurden ja in den vergangenen knapp zwanzig Jahren schon
viele geschrieben – und gelesen. Allerdings muss ich gestehen, meine Vorbehalte waren unsinnig! Was
Gaddis da zuwege brachte, offenbarte sich als „Page-Turner“ erster Kategorie. Fachlich über nahezu jeden Zweifel erhaben, bringt es der Autor fertig, gut vierzig Jahre Geschichte in einer Art und Weise darzustellen, die den Leser in den Bann schlägt – und nicht mehr loslässt, bevor nicht auch die letzte Seite aufgesogen ist. Kurzweilig und frisch kommt das Buch daher, eher wie ein Titel aus dem Bereich Spannungsliteratur. Man freut sich schon auf die nächste Epoche, der er sich J. L. Gaddis annimmt.
Siedler Verlag 2007, ISBN-13: 978-3-88680-864-9, 24,95 € .
Das Geheimnis des Buchhändlers (John Dunning)
Der ehemalige Polizist Cliff Janeway, der sich mittlerweile darauf spezialisiert hat, wertvolle Bücher aufzustöbern, ersteigert ein kostbares Exemplar des historischen Forschers Richard Burton und erlangt dadurch nationale Bekanntheit.
Doch als eine alte Dame auftaucht und Ansprüche auf die bibliophile Kostbarkeit erhebt, verkomplizieren
sich die Dinge. Das Buch, das zu einer Sammlung gehört, war lange verschollen, und sie bittet Cliff noch
auf den Sterbebett, die anderen Bücher ausfindig zu machen.
Cliff, der sich dem Wunsch einer Sterbenden nicht verweigern kann, macht sich auf die Suche und ermittelt auf eigene Faust, und mehr und mehr nimmt der Fall spektakuläre Dimensionen an.
Ein wirklich spannend geschriebenes Buch, das durch seine authentische Atmosphäre und einen ebenso kultivierten
wie zupackenden Cliff Janeway als Hauptfigur brilliert. Sehr empfehlenswert.
Rütten & Loenning 2007, ISBN: 978-3-352-00744-6, € 22,90.
Bunny und Blair (DBC Pierre)
Bunny und Blair sind siamesische Zwillinge, die erst im Alter von 33 Jahren voneinander getrennt wurden.
Jenseits des Pflegeheims wartet eine neue, spannende Welt auf die Brüder:
Während Bunny der neuen Welt mir Skepsis und Furcht begegnet, ist Blair ganz neugierig darauf, endlich
die Freuden der körperlichen Liebe zu erfahren und stürzt sich ins Londoner Nachtleben.
Weit entfernt, in einer Bürgerkriegsregion am Fuße des Kaukasus’ erstickt Ludmilla, eine wilde Schönheit
mit einer „Rasiermesserzunge“, ihren Großvater mit einem Mundschutz, als dieser versucht, sich an ihr zu
vergehen. Ohne die Rente des Familienoberhauptes steht ihre Familie vor dem Aus. Nun soll sie ihr Glück
in der Stadt versuchen, ihr Verlobter stirbt in Gefechten, ihr Foto landet auf der Homepage eines zwielichtigen Heiratsvermittlers.
So verliebt sich Blair in Ludmilla. Aufgeputscht von einer ominösen Droge, die ihm einen Dauerständer verpasst, macht
er sich mit seinem Bruder im Schlepptau auf den Weg in die ehemalige Sowjetunion, um der Liebe seines Lebens zu
begegnen…
Aufbau Verlag 2007, ISBN: 978-3-351-03096-4, € 19,90.
Rettet dem Dativ (Hansgeorg Stengel)
Neulich las ich: „Verkehrstote zu Ostern nehmen ab!“
Zugegeben, ich dachte - ja, ich wusste sogar, was der Verfasser dieser Zeitungsüberschrift meinte, aber
ich konnte nicht umhin, die Formulierung komisch zu finden. Selbstverständlich nehmen Verkehrstote ab.
Alle Toten nehmen ab. Sterben zehrt eben. Ein Verstorbener wiegt nach seiner Beerdigung weniger als zu
Lebzeiten – gar nicht zu reden von einem Eingeäscherten. Warum sollten da ausgerechnet Verkehrstote
ihr Gewicht stabilisieren?
Gönnen wir Journalisten – vor allem denen von der Schlagzeilenpresse – Einsparungen und Verkürzungen. Aber lassen wir Schabernack und den sogenannten Schwarzen Humor nicht ins Kraut schießen. Verkehrstote nehmen zu? So viel Druckerschwärze muss für eine korrekte Überschrift schon vorhanden sein, um Verkehrstote vor dem Ab- und Zunehmen zu schützen.
„Die Anzahl der Verkehrstoten zu Ostern nimmt ab (oder nimmt zu)“.
Zehn Anschläge auf der Schreibmaschine mehr, aber ein Anschlag auf den guten Stil weniger.
Das Buch wendet sich an alle, die nicht sattelfest sind, ob das letzte Jahr wirklich das letzte Jahr war, ob es einen Unterschied zwischen „völlig betrunken“ und „vollkommen betrunken“ gibt, ob es sich bei ihrem Kollegen um einen scheinbar Kranken handelt oder ob er anscheinend krank ist. Es wendet sich also an (fast) alle.
Dieses Buch tut es auf seine Art: Fröhlich, spielerisch, nachdenklich, spitz und mit einer hübsch verpackten aufklärerischen Note.
Eulenspiegel Verlag 2007, ISBN: 978-3-359-01642-7, € 10,00.
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Stadt der Schatten (Daniel Hecht)
Cree Black, ihres Zeichens Parapsychologin und empathische Detektivin, wird von der Familie Beauforte
beauftragt, dem düsteren Treiben im angestammten Wohnsitz der Familie auf die Schliche zu kommen
und somit den Spuk zu beenden.
Cree macht sich auf den Weg nach New Orleans und findet eine dem Wahnsinn nahe Lila Beauforte vor,
deren Nerven von den übernatürlichen Erscheinungen bis aufs Äußerste strapaziert sind.
Gemeinsam versuchen die beiden Frauen den Geistern ihr Geheimnis zu entlocken, doch schon bald wird
klar, dass die Spur in die Welt der Toten wieder zurück zu den Lebenden führt.
Wer Akte X spannend findet, der sollte dieses Buch unbedingt lesen.
Goldmann Verlag 2006, ISBN: 978-3-442-45566-9, € 8,95.
Geschichte machen (Stephen Fry)
Was macht jemand, der die Möglichkeit besitzt, in die Vergangenheit vorzudringen und den Werdegang
der Geschichte zu verändern? Michael Young, der Held in Stephen Freys „Geschichte machen“, tut es. Er
entschließt sich zu dem Versuch, Hitler zu verhindern, die Nazidiktatur, den II. Weltkrieg, den Holocaust,
begierig darauf, dem Zwanzigsten Jahrhundert seinen größten Schrecken zu nehmen.
Dies ist die Idee, die ein skurriler Geschichtsstudent aus Cambridge, ein aufgeweckter Trottel mit aufmüpfiger Klappe und sympathischen Alltagsschwächen, in die Tat umsetzt und am eigenen Leib erlebt, mit
allen üblen Haken, die selbst in Märchen stecken.
Eine nicht allzu häufige Form der Begegnung mit dem schwärzesten Kapitel unserer Geschichte. Am
stärksten, wenn der Protagonist im flapsig hippen Jugendjargon für schmunzelnden Erzählwind sorgt. Am schwächsten,
wenn die Ausgangsidee platt und kugelrund geschrieben wird.
Aufbau Taschenbuch Verlag 2007, ISBN-13: 978-3-7466-2333-7, € 9,95.
Wolfsfährte (Craig Russel)
Die Stadt Hamburg wird von einer Serie mysteriöser Morde heimgesucht. Dem Täter scheint die Welt der
Märchen mehr zu bedeuten als bloße Geschichten, die einst niedergeschrieben worden sind, denn was
die Opfer miteinander verbindet, sind Hinweise darauf, dass er den Opfern Rollen zuweist von Figuren
aus Erzählungen, die die Grimm-Brüder vor fast zweihundert Jahren zusammengetragen haben.
Um die Ermittlungen zu vertiefen und so dem perfiden Serienmörder das Handwerk legen zu können,
muss das Team um Hauptkommissar Jan Fabel in die Welt der Mythen und Märchen abtauchen.
Wolfsfährte ist das zweite Buch von Craig Russel um die Hauptfigur Fabel und verspricht auch diesmal
neben Spannung eine hübsch gestrickte Geschichte, die den Leser bis zuletzt in Atem hält.
Ehrenwirth Verlag 2006, ISBN: 978-3-431-03697-8, € 19,95.
Geheimagent Marlowe (Dieter Kühn)
Der Roman „Geheimagent Marlowe“ spielt im England des 16ten Jahrhunderts. Ein bekannter Dichter und
Stückeschreiber namens Christopher Marlowe wird aus Gründen der Staatsräson zum Geheimagenten
zwangsverpflichtet, um den katholischen Feind Frankreich auszuspionieren. Was als spannende Idee
neugierig macht, leidet unter der besonderen Form der Ausführung. Die Erzählung setzt sich aus Protokollen, Briefen, Mitarbeiterberichten und sonstigen Sachzeugnissen zusammen. Das mag ein Flair von
Authentizität und Echtheit nahe legen, zerhackt die Geschichte jedoch zu einer Aneinanderreihung von
Aktennotizen, deren erzählerischem Charme schwer zu erliegen ist. Eine extreme Raffung der Berichterstattung tut ihr übriges. Ein Buch, bei dem man bis zum Schluss darauf artet, dass es endlich anfängt.
S. Fischer Verlag 2007, ISBN: 978-3-10-041510-3, € 18,90.
Break Point (Richard A. Clarke)
Wir schreiben das Jahr 2012. Eine Serie von Bombenattentaten erschüttern die USA und treffen die Weltmacht an einer verwundbaren Stelle – sie zerstören den Zugang zum Internet. Nicht nur die Wirtschaft
erleidet dadurch Schaden, sondern vielmehr ist die Regierung kaum noch in der Lage, die US-Armee im
Ausland zu befehligen.
Aber wer steckt dahinter? Dieser Frage jagen Susan Connor vom Nachrichtendienst IAC und der Detective Jimmy Foley nach und ermitteln dabei in alle Richtungen, während die politische Situation sich immer
weiter zuspitzt.
Das aufkommende mächtige China gerät ins Fadenkreuz der Fahnder und Susan und Jimmy müssen viel Geschick
beim Drahtseilakt zwischen Ermittlungen und politischen Ambitionen beweisen.
Hoffmann und Campe 2007, ISBN-13: 978-3-455-40031-1, € 19,95.
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Genau besehen; Verse und Anekdoten (Eugen Roth)
Eugen Roth versteht es von je her auch übelsten Situationen mit einem gewissen Schmunzeln zu begegnen.
Nonchalant beschreibt er Begegnungen mit „Unmensch und Mensch“. Allerdings kann er sich in bestimmten Situationen auch eines gewissen Zynismus‘ nicht erwehren. Doch zumeist gewinnt er allen Lebenslagen ein Lächeln ab. Den allzu menschlichen Schwächen begegnet er mit viel Nachsicht. Andererseits
sieht er sich aber dann und wann genötigt, warnend den Zeigefinger zu erheben. Dies aber geschieht
dann nicht in besserwisserischer Form, sondern auch hier mit einer Leichtigkeit, die dem Gescholtenen
die Luft zum Atmen lässt.
Als Fazit lässt sich sagen, Eugen Roth ist ein reines Lesevergnügen – vor allem in dieser Zusammenstellung.
Deutscher Taschenbuch Verlag 2007, ISBN-13: 978-3-423-25262-1, € 9,00.
Die Gedichte (Rainer Maria Rilke)
Das Leben und das gesamte Lebenswerk fassend, stellt diese Herausgabe einen Grundstein der deutschen Literatur dar.
Rainer Maria Rilke, der in seinen Gedichten die einzigartige Entwicklung eines großen Lyrikers darstellt
und miterleben lässt, bedient mit seinen religionskritischen Texten noch immer das Interesse eines wachen, empfindsamen Menschen, gleich welcher Altersstufe.
Ebenso sind die Ausdrucksweise und Formen der von Rilke verfassten Gedanken ein angenehmer Ausflug in eine sprachliche Kulturlandschaft, die so nicht immer begehbar ist.
Der 1875 in Prag geborene R. M. Rilke hat ein eindrucksvolles Werk und einen unvergleichlich poetischen
Beweis seiner Entwicklung zu einem der größten Lyriker der Moderne hinterlassen, der hier chronologisch
geordnet auf seine Neuentdeckung wartet. Eleganter und zugleich treffender Wegbegleiter.
Insel Verlag, 2006, ISBN-10: 3-458-17333-1, ISBN-13: 978-3-458-17333-5, € 15,00
Die neuen Träume des Dschingis Khan (Galsan Tschinag)
Dschingis Khan, der berühmt berüchtigte Mongolenfürst, der mit seinen Reiterscharen einst das größte
Reich der Menschheit erobert hatte, ausgerechnet Dschingis Khan stürzt vom Pferd und stirbt binnen weniger Stunden an den Folgen des Sturzes. Nichts könnte für einen Mongolen erniedrigender sein, kein
Tod ehrloser. Ein pikantes Ende für einen von Sieg zu Sieg eilenden Krieger.
Der Autor erzählt von den letzten Stunden seines Lebens. Aufgeteilt in neun Träume treten markante Stationen als halluzinierte Erinnerungen vor seine Augen. Auch Dschingis Khan, furchterregender Heerführer, rigider Machtpolitiker, eine als Gott verehrte Gestalt der Geschichte, zu Hause, in seinem Zelt ist er
ein Mensch. Gleich nach den Pferden kommen die Frauen. Zum Beispiel.
Erzählt wird in einer opulent expressiven Sprache. Sätze als berittene Nomaden des Ausdrucks. Ein Buch für den, der
gerne Historisches und am liebsten in Stiefeln liest.
Insel Verlag 2007, ISBN: 978-3-458-17336-6, € 17,80.
(aus der Bücherei zu entleihen unter Buchnummer: 310-07)
Vera und der braune Glücksmann (Michael Klein)
Bei dem Buch „Vera und der Braune Glücksmann“ von Michael Klein handelt es sich um einen akribischen journalistischen Tatsachenbericht über ein grausiges Verbrechen im nationalsozialistischen
Deutschland des Jahres 1943. Verstreut über Berlin, das bereits regelmäßiges Ziel alliierter Bomber ist,
werden Leichenteile einer Frau und eines Kindes gefunden. Schnell werden die beiden Opfer identifiziert
und der Täter ermittelt: Ein Arier hatte zwei Jüdinnen getötet. Während der NS-Staat jüdisches Leben
programmatisch millionenfach auslöschte, wird der zweifache Mörder zum Tode verurteilt.
Diese politische Dimension – einmalig im NS-Regime – verleiht einem Kriminalfall seine besondere Bedeutung. Sehr offen und augenscheinlich einzig den Tatsachen verpflichtet, schildert der Autor die Arbeit
der Polizei, der Anklagebehörde, der Gestapo sowie des Gerichtes. Sachlich nüchtern werden die Unwahrheiten und
Manipulationen der staatlichen Behörden geschildert, um zu dem von ihnen gewünschten Ergebnis zu kommen. An der
Schuld des Täters gibt es keinen Zweifel, dazu hätte es nicht einmal seines Geständnisses bedurft. Alles andere jedoch
rückt die Staatsmacht so zurecht, dass diese Tat nicht zum öffentlichen Störfall werden kann.
Eine interessante Lektüre, gerade in den Details. Ein Beispiel sei abschließend genannt: „Dr. Walter Zirpins, …, SSObersturmbannführer und Leiter der Kriminalpolizei in Litzmannstadt/Lodz, leitet nach dem Krieg das Landeskriminalamt Niedersachsen. Bei Reisen ins Ausland mied er seine ehemalige Wirkungsstätte Polen, da er hier als Kriegsverbrecher auf der Fahndungsliste stand.“
Neuer Europa Verlag, 2006, ISBN-13: 978-3-86695-480-9, € 19,90.
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(aus der Bücherei zu entleihen unter Buchnummer: 311-07)
Kultur — Ausland — Medien
Literatur & Co.
Jahrbuch der Lyrik (Herausgegeben von Christoph Buchwald und Silke Scheuermann)
„Du kannst sie erinnern, du kannst sie vergessen – Sie werden an anderen Ellen gemessen.“
Das Jahrbuch der Lyrik mit vielen thematisch modernen Interpretationen ist ein Beweis für emotionale
Entwicklungen und ist gleichzeitig ein Echo auf grimmig-verquere Zeitphänomene.
Immer mehr finden auch junge und als Lyriker unbekannte Poeten Zugang zur Erhebung von Erkenntnissen. Wie alle Literatur, braucht auch die Lyrik eine gewisse Entrückung aus der reinen Gedichtform, wobei
sich das Wesen einer Stimmung, eines Gefühls offenbart.
In diesem Buch findet sich der eindeutige Beweis, dass auch noch unbekannte junge Menschen (C. Teissel, geb. 1979) sehr wohl einen Zugang zur ästhetischen, rhetorischen Raffinesse finden. Besonders freuen darf man
sich über Norm Bossong, die in Berlin auch im „Rampenlicht“-Kleinkunsttheater erfolgreich Rollen spielt.
S. Fischer Verlag 2007, ISBN-13: 978-3-10-009651-7
München Blues (Max Bronski)
Bei dem Buch „München Blues“ handelt es sich in der Tat um eine süffisante Lesesession. Getragen wird
die Geschichte von kriminellen Machenschaften in der Wirtschaft und Politik – zum Genuss wird sie durch
die humorvolle Beobachtungsgabe und witzvoll respektlose Darstellung der Titelhelden. Ein typischer Antiheld, mit dem man mal gerne ein Bier trinken würde, wenn er nicht gerade irgendeinen Blödsinn anstellt.
Er sorgt dafür, dass dieser Krimi zu einer kulinarischen Zwischenmahlzeit wird.
Mit seiner lässig lockeren Haltung gelingt dem Autor immerhin eine sehr ernstzunehmende Feststellung:
So ist das halt in München, in Bayern. Es ist immer schon so gewesen und wird immer so bleiben. Aus
unserem Blickwinkel eine eigentümlich entspannte Sicht krimineller Dinge, bedrückend, weil sie mitten aus der Wirklichkeit kommt.
Verlag Antje Kunstmann 2007, ISBN: 978-3-88897-463-2, € 16,90.
Die Mutanten des Kreml (Elena Tregubova)
Wer aus der westlich geprägten Moskauer Intelligenzija-Schicht kommt und junge politische Journalistin
ist, hat noch nicht das besondere Verständnis für eine spezifisch russische Demokratie aufgenommen,
und so hat es anfangs den Anschein, als ob Elena Tregubova lediglich ihr ganz eigenes Verhältnis zu den
Mächtigen im heutigen Russland, insbesondere zu Wladimir Putin schildert. Von Kapitel zu Kapitel kommt
durch ihr persönliches Erleben aber mosaikartig das Bild eines von Geheimdienststrukturen geprägten
Herrschaftssystems zutage, das vor politischen Morden, Aushebelung demokratischer Institutionen und
manipulierter Wahlen nicht zurückschreckt. Es steht ein neu angestrichenes „Sowjetsystem“ wieder auf,
dessen Charakter von unaufmerksamen und wohlmeinenden westlichen Regierungen noch verkannt wird.
Ein hochbrisantes Buch.
Tropen Verlag 2006, ISBN-10: 3-932170-91-1, ISBN-13: 978-3-932170-91-1, € 19,80.
Die Ökonomie des unschuldigen Betrugs (John Kenneth Galbraith)
John Kenneth Galbraith, Professor, Politiker, Autor vieler wirtschaftswissenschaftlicher Werke hat sich
noch zwei Jahre vor seinem Tode im Jahre 2006 im Alter von 95 Jahren aufgerufen gefühlt, noch ein
Buch über die ökonomischen Erkenntnisse aus seinem facettenreichen Leben als Beobachter und Akteur
des amerikanischen Wirtschaftslebens zu schreiben. Dabei lag ihm wohl mehr daran, seiner journalistischen Begabung gerecht zu werden als seine wissenschaftliche Reputation zu erhöhen. Wenn er die Fälle des „unschuldigen Betrugs“ entlarvt, so beschreibt er doch vielmehr schon mehrfach niedergeschriebene Zeiterscheinungen und Widersprüche in der Nationalökonomie und weniger neue Erkenntnisse. Der
Eindruck bleibt bis zum Ende des kleinen Büchleins bestehen, dass er seiner Rolle als Vize-Kommissar
für Preispolitik im US-Amt für Preiskontrolle während des zweiten Weltkrieges und der damit verbundenen Wirtschaftspolitik noch immer eine große Bedeutung zumisst und daraus Empfehlungen für die Bekämpfung von Fehlentwicklungen in einigen Sektoren der Wirtschaft ableiten möchte.
Daher ist es gut, dass im Vorwort der Leiter des Wirtschaftressorts der ZEIT Uwe Jean Heuser zu Wort kommt, der die
Ansichten und die Bedeutung Galbraiths für die Wissenschaft zurechtrückt.
Pantheon Verlag 2007, ISBN: 978-3-570-55032-8, € 9,95.
Die Bücher der in der
Zeitung enthaltenen
Buchtipps sind wie
immer auch in der Gefangenenbücherei erhältlich.
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
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Kultur — Ausland — Medien
Literatur & Co.
Der Code (Brad Meltzer)
Mit dem Buch verhält es sich, wie mit einem Supertanker – es dauert, bis er in Schwung ist, aber dann
kann ihn nichts mehr bremsen. Selbst das Umherspringen zwischen den Tempi stört dann nicht mehr.
Gut, der Plot erinnert an Amblers „Interkomplott“, ist aber sehr viel temporeicher und die Gewalt tritt offener zu Tage. Vor allem aber beschreibt Brad Meltzer eine Szenerie, die in ihrer Basis durchaus nachvollziehbar ist. Man denke nur an das „Wirrwarr“ um die Geheimdienstberichte im Vorfeld des Irak-Krieges.
Als Fazit bleibt einem nur zu sagen: „Gut gemacht, Mister Meltzer!“
Aufbau Verlag 2007, ISBN: 978-3-7466-2320-7, € 12,95.
(aus der Bücherei zu entleihen unter Buchnummer: 312-07)
Der Sohn des Akkordeonspielers (Bernardo Atxaga)
Als Joseba nach über zwanzig Jahren seinen Jugendfreund David in Kalifornien wieder sieht, müssen die
beiden sich erst an ihre gemeinsame Vergangenheit herantasten – zu viele offene Fragen stehen zwischen ihnen, zuviel Verheimlichtes, Unausgesprochenes. Als ehemaliges Mitglied der baskischen Untergrundorganisation haben sie zwar Abstand gewonnen zu ihren Verstrickungen von damals, doch lasten
quälende Schuldgefühle auf ihnen – Schuldgefühle angesichts eines Verrats, von dem sie beide wissen,
dass er notwendig war. Wie war es dazu gekommen, dass sie, die jugendlichen Freunde und späteren
Studenten, in den Bannkreis der militanten baskischen Idee gerieten? Sie müssen ins Reine kommen mit
ihrer Vergangenheit, die sie auseinander getrieben hat und die erst im Angesicht von Davids nahem Tod
ihre Macht über sie verliert. Es ist eine beklemmende, zunehmend dramatische Geschichte, und Atxaga erzählt sie ebenso eindringlich wie differenziert.
Insel Verlag, 2006, ISBN-10: 3-458-17311-0, ISBN-13: 978-3-458-17311-3, € 24,80.
Der Traum vom Leben (Klaus Brinkbäumer)
Ein poetischer Titel für ein überaus sachliches Buch. Im „Traum vom Leben“ berichtet der Autor Klaus
Brinkbäumer von teilweise verzweifelten Fluchten vor der afrikanischen Realität. Angereichert mit historischen und soziologischen Informationen werden Einzelschicksale vorgestellt. So entsteht ein mit Daten
gespickter Bericht, der beim Leser ein Bündel von Gefühlen auslöst, das nicht leicht zu schultern ist. Europa als die gelobten Länder, Hunger und Armut, Aberglauben und Hexerei, Ausbeutung und politische
Willkür, Menschen, insbesondere junge Menschen als beliebig verfügbare Dispositionsmasse, Traditionen
und Fatalismus, Menschenleben mit der Wertigkeit eines Grashalmes und Volkermorde – der Autor legt
bei aller nüchternen Darstellung ein düsteres Zeugnis ab. Wobei sich bei mir eine Irritation einschleicht.
Die Schilderung Afrikas bewegt sich auf einem Bekanntheitsgrad, der an dem Begriff Klischee nicht vorbeikommt. Das
wird in diesem Fall wohl weniger daran liegen, dass diese Phalanx durch mehr spezifische Erkenntnisse hätte durchbrochen werden können, wie z. B. in Bezug auf den Mythos „reiches Europa“. „Die Mädchen und Frauen sehen ihre
deutschen Freier in Afrika, sie sehen, diese Männer sind nicht besonders clever und können sich trotzdem Weltreisen
leisten – und dann tun sie alles, um dorthin zu gelangen, woher diese dummen, reichen Freier kommen.“ Detailfeinheiten dieser weniger bekannten Art würden noch mehr Aufmerksamkeit auf dieses wichtige Buch fokussieren.
S. Fischer, 2006, ISBN-10: 3-10-005103-3, ISBN-13: 978-3-10-005103-5
Faust – Der Magier (Andreas Gößling)
Faust – mal wieder anders. In dem Roman „Faust – Der Magier“, einer schillernden Mixtur aus Sage, Märchen und Historischem, heftet sich der Autor Andreas Gößling auf die Spuren der wohl klassischsten literarischen Gestalt. Angefangen bei der Zeugung, bei der Satan mehr als nur seine Finger im Spiel hatte,
bis hin zu dem archetypischen Konflikt: Wie viel wert ist das Seelenheil? verfolgt der Leser ein bewegtes
Leben. Die Versuchung ist in der Tat teuflisch groß. Die Gaben des Hellsehens, des Heilens durch bloßes
Handauflegen, der Lenkung und Beherrschung der Menschen und nicht zuletzt der alchimistischen Gewinnung von Gold sind Verlockungen, denen kaum zu widerstehen ist. Doch wie hoch ist der Preis? In
drastischen Bildern rechnet Faust selbst sich den Preis des Verlustes seiner Seele vor. Dabei schreckt
der Autor vor keiner Brutalität und Grausamkeit zurück, auf diese Weise ein Mittelalter zeichnend, das seinen ohnehin
schlechten Ruf noch weit und schaurig übertrifft. Von bigotter Frömmelei bis zum bestialischen Abschlachten von wehrlos unschuldigen Opfern, betrachtet als alltägliche Lappalie, reicht der erzählerische Bogen.
Nicht nur das Thema ist spannend, bei entsprechend modifiziertem Outfit heutzutage ungebrochen gültig. Auch der Erzählstil schürt die Lust am Leben. In einem fast immer gelingenden Balanceakt greift der Autor mittelalterliche Sprachelemente auf, legt dort ein verschüttetes Wort frei, schmiegt sich hier einer tief verstaubten Formulierung an. So erzaubert er auf gleichsam alchimistische Weise einen Reichtum der Geschichte und ihrer Sprache. „Gesundes Gold“ hat
unvermutete Gesichter.
Rütten & Loening 2007, ISBN: 978-3-352-00745-3, € 19,95.
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Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Kultur — Ausland — Medien
Literatur & Co.
Die Löwin (Iny Lorentz)
Eine junge Frau, deutsch-italienischer Abstammung, muss sich im Italien des 14. Jahrhunderts behaupten. Auf der Flucht vor der teutonisch stupiden Aufdringlichkeit eines „Schwiegervaters“ muss die Heldin
erfahren, dass ihr Vater – der Kommandeur einer eigenen Söldnertruppe mit eisernem Ruf – und ihr Bruder ermordet worden sind. Im Stile eines blumigen, aber auch rustikalen historischen Märchens werden
die Abenteuer der tapferen und resoluten Jungfer an der Spitze der Söldner und verwickelt in die Kriegswirren des zersplitterten Italien geschildert.
Herausgekommen ist ein beinahe klassischer Mantel- und Degenroman, mit dem sich die Programmiererin einer Versicherung Iny Lorentz den Alltag verträumt. Immerhin bemüht sie sich, den beschaulichen Erzählkitsch
durch Ruppigkeiten etwas aufzupeppen. Zugeben muss man auch, dass ihr manche Personalie recht sympathisch gelungen ist, auch wenn sie sich einiger Klischees bedient, als gäbe es noch den Sommerschlussverkauf. In einem Wort:
ein Schmachtschinken im Bioanbau.
Knaur, 2006, ISBN-10: 3-426-63248-9, ISBN-13: 978-3-426-63248-2, € 8,95.
Ausgebrannt (Andreas Eschbach)
Stellen sie sich vor, der Liter Superbenzin würde über vier Euro kosten. Ein Alptraum? Ja. Bloß wäre es
erst der Anfang. Denn das Ölzeitalter wird nicht erst mit dem letzten Barrel enden. Es endet, sobald mehr
verbraucht wird, als gefördert werden kann. Und dieser Moment ist näher, als die meisten ahnen. Das
Problem: Niemand hat einen Plan für die Zeit danach.
Auch Markus Westermann weiß von all dem nichts, als er es endlich in die USA geschafft hat und mit seiner Karriere voll durchstarten will. Als er Karl Walter Block kennen lernt, sieht er seine Chance gekommen. Der alte Öltechniker behauptet, dass in den Tiefen der Erde noch genug Öl für die nächsten tausend
Jahre schlummert – und dass nur er die Methode kennt, wie man es findet. Er braucht nur noch einen
kompetenten Geschäftspartner. Jemanden wie Markus.
Nur allzu bereitwillig glaubt die Welt den Versprechungen des Duos. Nach ersten Erfolgen ist gar von einer Renaissance des Ölzeitalters die Rede. Doch der Schein trügt. Als in Saudi-Arabien das größte Ölfeld der Welt versiegt und
die Saudis alles daransetzen, die erschreckende Wahrheit zu vertuschen, kommt es nicht nur im Nahen Osten zu Unruhen. Die Menschheit steht plötzlich vor ihrer größten Herausforderung. Das Ende der Welt, wie wir sie kennen, bahnt
sich an. Einzig Markus ist überzeugt, das Ruder noch einmal herumreißen zu können…
Gustav Lübbe Verlag 2007, ISBN: 978-3-7857-2274-9, € 19,95.
Die Stadt am Ende der Welt (Thomas Mullen)
Eine verheerende Grippeepedemie im Amerika des Kriegsjahres 1918 veranlasst eine Holzfällergemeinde
im Staat Washington, sich hermetisch von der Außenwelt abzuschotten. Gewerkschafter, Entrechtete,
Sozialromantiker haben sich zusammengetan, um in der Abgeschiedenheit unzugänglicher Wälder ihrem
Traum von Gemeinschaft nahe zu kommen. Den wollen sie bewahren. Dazu müssen sie überleben. Nur
in einer vollkommenen Isolation sehen sie eine Chance.
Die aus dieser Isolation erwachsenden Probleme und Konflikte sind das Thema des Buches. Dabei versammelt der junge Debütautor Charaktere und Gewissenskonflikte wie aus einem Bilderbuch für Wachsmalstifte: Schicksalhaftigkeit zum Ausmalen. Peinlich wird es, wenn die Werbeabteilung des Verlages
nicht davor zurückschreckt, diesen Roman in einem Schriftzug mit Camus’ Pest zu nennen. Von einer diesbezüglichen
Ansteckung kann nicht die geringste Rede sein.
Hoffmann und Campe 2006, ISBN-13: 978-3-455-05182-7, € 21,00.
Der schöne Schein der Wahrheit (Wolf von Lojewski)
Wer eine investigative Geschichte über den Journalismus erwartet hat, wird enttäuscht sein. Wolf von
Lojewski schreibt in geschmeidiger Art über den Journalismus im Allgemeinen und seine journalistischen
Lebensstationen im Besonderen. Wo er anfängt, ein Brennglas auf kritische Zeiterscheinungen zu halten,
führt er alsbald den Leser mit versöhnlichen Wendungen und mit großem Wohlwollen für seine Zunft zum
Blick auf das Große und Ganze. Dennoch ein lesenswertes Buch, das auch in nachdenkenswerte Gedankengänge hineinführt.
Lübbe, 2006, ISBN-10: 3-7857-2147-1, ISBN-13: 978-3-7857-2147-6, € 19,95
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
51
Kultur — Ausland — Medien
Buchtipp
Ehrensachen (Lois
Begley)
Drei Collegestudenten, durch Zufall oder
den
gemeinsamen
Außenseiterstatus in
dasselbe Zimmer ihres Wohnheims gewürfelt, sind im Amerika der 50er Jahre die Protagonisten
des Romans „Ehrensachen“. Das
Harvard-College in Cambridge bildet
zunächst den Rahmen der Ereignisse – Elite, wohin man schaut. Henry,
ein geistiger Überflieger, beneidet
intelligent, wird durch sein jüdisches,
nicht reiches Elternhaus am Boden
gehalten. Arnie, Sohn eines hohen
Militärs, ist, Spiegelbild seiner von
einer Versetzung zur nächsten verwehten Eltern, ohne gesellschaftliche Wurzeln, jedoch versehen mit
den Stacheln des Ehrgeizes. Sam,
der Icherzähler und Träger eines
bedeutenden, wenn auch weit verzweigten Familiennamens, rätselt
darüber, wie reich er möglicherweise
ist. Den Weg dieses Kleeblatts begleitet der Roman.
Der Generationenkonflikt – so
alt wie die Menschen selbst, und
doch verliert er weder seine Gültigkeit noch seine Brisanz – ist das erste Sperrfeuer, dem sich die drei
Freunde zu stellen haben. Hierbei
wirken desinteressierte Distanz und
emotionale Gleichgültigkeit nicht
wesentlich anders als eine klammernde Überfürsorglichkeit, so hehr
die Gründe für die Umklammerung
auch sein mögen. Selbstfindung ist
nur auf dem Weg einer vehementen
Selbstbehauptung möglich. Diese
Erkenntnis spitzt sich für die drei
Freunde zu: Entweder die Eltern
töten ihre Kinder, oder die Kinder
töten ihre Eltern, anders ist eine eigene Identität nicht möglich. Diese
herbe Schlussfolgerung wird nicht
nur auf metaphorischer Ebene erlebt.
Freundschaft, Liebe und Karriere sind die Kardinalthemen ihres
Lebens wie des Erzählers. Karriere
scheint das Selbstverständlichste
bei diesen brillianten oder protegierten Zöglingen. Tiefempfundene
Freundschaft ist das Besondere.
Liebe das Schwierigste. Arnie stirbt
jung bei einem Autounfall, ausge52
rechnet in dem Moment, da er in
seiner taumelnden Flucht in rauschhaftes Vergnügen und Anerkennung
einen Halt gefunden zu haben
scheint, sprich im Augenblick seiner
Heirat einer wunderschönen, geliebten Frau. Henry wird in eine atemberaubende Karriere als Anwalt katapultiert – und doch verlässt ihn nie
das Bewusstsein seines Scheiterns;
seine große Liebe, die vom ersten
Collegetag an über Jahrzehnte sein
geduldiges „Langzeitprojekt“ war,
zerrinnt ihm zwischen den Händen
und im Herzen. Beruflich gerät er an
die Grenzen des Erträglichen.
Schließlich verkriecht er sich in einem Nirgendwo, alles abschüttelnd,
was einst sein Leben war, sogar seinen Freund Sam. Dieser wiederum
ist ein erfolgreicher Schriftsteller geworden, überrascht von sich selbst.
Und das Wissen akzeptierend, dass
er ohne psychoanalytische Echtzeitbetreuung (fünfmal die Woche) dem
Leben nicht gewachsen wäre. Lediglich die protokollierende Beobachterposition aus sicherer Entfernung
verleiht ihm langfristig die Fähigkeit,
eine fragile Balance zu halten.
Das Fazit, das der Roman
„Ehrensachen“ zieht, ist denkbar
trist, wenn nicht bitter. Entweder du
entsprichst den Vorgaben der Gesellschaft, im Klartext: du passt dich
an – und gehst als Individuum unter,
oder aber du behauptest deine Individualität, das jedoch nur um den
Preis der Vereinzelung, des Gestrichenwerdens in den Adressbüchern,
die allein zählen.
Im Wesentlichen nichts Neues.
Und doch berührt der Werdegang
und das Ringen der Freunde in einer
Weise, die schwierig zu fassen ist.
Mit ein Grund ist sicherlich die Sprache, die dermaßen zurückhaltend
und nüchtern dahererzählt, dass
einem die Dramatik so manchen
Geschehens nur bei höchster Konzentration bewusst wird. Das macht
das Erzählte so glaubwürdig. Und
lässt ein Buch entstehen, das in seinem stillen Respekt vor dem Traurigsein über die Unzulänglichkeit des
Lebens, insbesondere die Unzulänglichkeit der Menschen, die die Chance haben, es zu leben, dem Leser
ins Herz sickert.
Suhrkamp Verlag 2007, ISBN-13: 978-3-51841870-3, € 19,80.
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Das Echo der Erinnerung (Richard Powers)
Irgendwo in der öden
Weite Nebraskas verunglückt
ein
30jähriger Provinzler mit
seinem Auto. Ein mysteriöser Unfall mit vielen Spuren ins Nichts und eine seltene Hirnschädigung mit abstrusen
Folgen initiieren die Geschichte, eine
Reise in die Vergangenheit, einen
zermürbenden Kampf um Erinnerung. Der Provinzjunge erkennt seine
Schwester, einst sein familiärer Liebling, nicht mehr, glaubt in ihr eine
feindliche Agentin entlarvt zu haben.
Unfallbedingtes Capgras-Syndrom –
eine Bewusstseinsstörung, die dem
Betroffenen nicht zu vermitteln ist.
Die Irrwege der menschlichen
Psyche und das Zurückgewinnen der
brüderlichen Liebe stehen im Mittelpunkt des Erzählens. Dem seltsam
verlorenen Paar versucht ein renommierter Psychologe zu helfen – um
seine eigenen Grenzen zu erfahren
und vor seinen Unzulänglichkeiten in
die Knie zu gehen. Dass die Flusslandschaft des Nebraskakaffs einmal
im Jahr zum spektakulären Schauplatz einer archaischen Kranichversammlung wird, führt zu einem ökoligisch-ökonomischen Nebenkrimi.
Wer einen epischen Atem des
Erzählers mag – und sich von einer
Flut neurologischen Basiswissens
nicht abschrecken lässt - , wen äußere Handlungsdezenz nicht stört,
sich stattdessen insbesondere für
skurrile Geschichten eines jederzeit
gefährdeten Bewusstseins interessiert – für den wird „Das Echo der
Erinnerung“ ein Leseabenteuer werden. Ein Abenteuer, das bis zum
Schluss Überraschungen im Köcher
hat und das den empathischen Leser
– auch dank einer behutsamen, an
poetischem Ausdruck feilenden
Sprache, die nur ab und an ein wenig theatralisch ausbüchst – zur Verletzlichkeit der eigenen Psyche zu
führen vermag.
S. Fischer 2006, ISBN-10: 3-10-059022-8,
ISBN-13: 978-3-10-059022-0, € 19,90.
Kultur — Ausland — Medien
Das Theaterereignis am 13. April
Woyzeck (von Georg Büchner)
Ein Einpersonenstück mit
Ulf Goerges
Woyzeck von Georg Büchner ist ein
Klassiker des Theaters. Das Stück erzählt die Geschichte eines Mannes zu
Beginn des 19ten Jahrhunderts, eines
typischen Verlierers, der sich daran gewöhnt hat, sich beim Leben Tritte abzuholen. Sein einziger Schatz: seine geliebte Marie. Als sie ihn betrügt, vor
seinen flimmernden Augen, bringt er sie
um. Er wird zum Tode verurteilt. Thematisch gesehen ist eine JVA also ein
geradezu klassisch perfekter Ort für eine
Aufführung des Woyzecks.
Der Anblick des Bühnenbildes wird
quasi zum Prolog des Stückes: Ein monochrom graues Quadrat, das aus nichts
als Kargheit besteht, einem inventari-
Die szenische
Anatomie
eines Mörders
schen Existenzminimum im Augenblick
der
Gewissheit,
dass sie beendet ist.
Im Bewusstsein
des Endes rafft
Woyzeck ein letztes Mal seine Erinnerungen zusammen. In einem die
Zuschauer verblüffenden Monolog,
der sich wie eine
horizontale Lawine
durch die Aufmerksamkeit
schiebt, fängt Woyzeck Bilder seines Lebens und Blitzlichter seiner Tat ein. In ineinander fließenden Gesprächen begegnet er den Menschen, die sein Leben flankierten, wobei
seine Phantasie groß genug ist, die Rollen zu tauschen und diese Menschen wie
persönlich auftreten zu lassen. So entsteht ein Reigen aus Erinnerungs- und
Vorstellungssequenzen, die keinen
Zweifel daran erlauben, dass Woyzeck
bereits verurteilt war, noch bevor es
seinem Leben nicht gegeben war zu
beginnen. Er ist ein Nichts, seine Funktionen werden von der Obrigkeit benutzt.
Leben lernt Woyzeck nur in einer Form
kennen: in seiner Marie, in seiner Liebe zu Marie. Was passiert, wenn sich
auch Marie gegen ihn wendet? Das
übersteigt offenkundig die menschliche
Fähigkeit des Abwägens. Die von
Woyzeck auf jeden Fall. Soviel steht
fest: Indem er Marie tötet, tötet er
auch, wenn nicht zuerst sich selbst.
Marie ist sein Leben.
Eine ergreifende Geschichte. Doch
mindestens genauso ergreifend ist es,
dass eine einzige
Person
dieses
Schicksal lebendig
werden lassen kann
– das Taumeln
einer
Existenz
handgreiflich versinnlicht, den Zuschauer in das furi-
ose Gewitter seiner Expressionen saugt,
das reflexhafte Klammern an Hoffnungen und das verschüttete Hegen von
Sehnsüchten als Vagabunden der VerTr§tzdem 2007 Nr. 37
zweiflung präsentiert. All dies mit dem
scheinbaren Alltagsvokabular von mikroskopisch präzisen Wörtern, mit einer
Mimik, die einer Gebärdensprache der
Seele gleichkommt, und einer Gestik,
die in ihrer Choreographie des Strauchelns das seismographische Erfühlen
eines letzten menschlichen Erlebens
abrundet.
Auf der Bühne steht ein Mörder,
einer, der nicht einmal auf die Idee käme, seine Tat zu leugnen. Ein Mörder,
der auch nach seiner Tat die Erinnerungen an seine Marie hingebungsvoll streichelt, solange sie ihn nicht würgen.
Woyzeck zeigt einen Mörder, der zu
keinem Zeitpunkt aufhört, ein Mensch
zu sein. Vielleicht ist das ein Grund dafür, warum Woyzeck seit 200 Jahren
immer noch spannend bleibt.
Apropos spannend. Bei dieser Auf-
führung stand der Schauspieler eines
Mörders
einem
Publikum gegenüber, das mit realen Mördern bestückt war. Auch
für einen Theaterprofi eine bemerkenswerte Seltenheit. Mag sein,
dass dieser Umstand zur Verdichtung der Wirkung des Stückes beigetragen hat. Die Schilderung von Ulf Goerges nach der Aufführung, diese besondere Konstellation habe ihm sehr bewusst
vor Augen gestanden, weist in diese
Richtung. Ebenso wie die allzu menschlichen Betonungskuller der Regisseurin,
die zu Beginn eine informative und
wohltuend unakademische Einführung
darbot, in deren Verlauf die Benennung
des Deliktes sich vergluckste, als kieselten zwei Murmeln in einen Bergbach.
Tatsächliche Kunst im Knast – allen, die dazu beigetragen haben, dies zu
ermöglichen, gilt ein herzlicher Dank.
RM
53
Kultur — Ausland — Medien
Autoreninfo
machen — selbst wenn er es wollte, er
könnte es nicht — sind die Bücher fokussierende Spiegelbilder seines Daund Soseins. Wenn seine Romane vor
lauter Sport buchstäblich ins Schwitzen
geraten, dann deshalb, weil der passionierte Ringer Irving keinen Tag verstreichen lässt, ohne „handgreiflich“ zu werden. Anstatt als literarischer Agent seiner selbst die Kulturszene zu missionieren, nestelt Irving als erklärter Familienmensch und Hausmann im trauten Heim
und brütet über Gedanken und Sorgen,
die allenfalls das Lachen, wenn nicht
Auslachen seiner Kinder vorübergehend
besänftigen können. Er kocht und kümmert und behütet. Er trainiert, als hielte
er sich für Schicksalsschläge fit. Liebe
und Tod kann er nicht voneinander trennen. Sexualität übt einen magischen
Reiz aus, auch wenn er um die Bedrohlichkeiten weiß, die in ihr lauern. Normalität umhegt er mit Zärtlichkeit. Nur
das von der Norm abweichende liebkost
er noch inniger.
Genau
dieser
Fundus, in dem
Irving tief verwurzelt ist, ist
sein
größter
Schatz.
John Irving
„Garp und wie er die Welt sah“, mit
diesem Roman betrat John Irving Ende
der 70er Jahre die literarische Bühne,
spektakulär, wie das Autoren, umgeben
von der Corona eines Weltbestsellers,
nun einmal an sich haben. Das Buch
begeisterte das Lesepublikum in Scharen, die ihm bis heute treu geblieben
sind. Ebenso wie die Kritiker, also die
Fachleute, nicht aufhören, sowohl mit
den Zähnen als auch mit den Gedanken
zu knirschen, wenn der Name Irving
fällt.
Schauen wir uns diesen beharrlich polarisierenden Vogel einmal etwas genauer
an. Eines fällt wohl als erstes auf: John
Irving liebt es mit einer geradezu taumeligen Lust zu erzählen. In ihm rumoren,
spuken, wuchern Geschichten, Schicksale, Typen, die nicht einfach aufgeschrieben werden, sondern denen Irving auf
dem Papier eine unverrückbare Heimat
bereitet. Wären Phantasie und Erzählleidenschaft eine Krankheit, wäre Irving
von Anfang an ein unheilbarer Fall.
Theoretische Überlegungen, formale
Probleme oder analytische Bedenklichkeiten gibt es in seinem Erzähluniversum nicht. Wer denkt schon im Augenblick eines Beischlafs an etwas anderes
als an die Lust selbst? Bleibt man bei
diesem gewiss paradox sachlich gemeinten Bild, schreibt Irving seine Bücher,
ohne intellektuell zu verhüten. Das kann
wundervoll sein. Vorausgesetzt, die
Phantasie bleibt groß genug, das heißt:
übermächtig.
Nun, „Garp“ ist ein solches Meisterwerk
phantasierten Lebens. Außenseiter der
schrägsten Art tummeln sich zusammen,
um ihre besonderen Ansichten dem Leben abzutrotzen. Eine Frau, derart skeptisch in Richtung Mann, derart versessen
auf Autonomie, dass sie ihren einzigen
Lebenswunsch und –inhalt, ein Kind,
nicht eine Sekunde in eine andere Hand
als die eigene legen möchte, zieht die
äußerlich grotesk anmutende Konsequenz und lässt sich von einem todgeweihten Verwundeten, dessen allein
verbleibendes Lebenszeichen sein Penis
ist, besamen. Ein Roman mit einer solchen Ouvertüre kann nur halten, was er
verspricht: Einen verzauberten Blick auf
das Leben, bis tief in jene Ritzen hinein,
wo sich Liebe behauptet, gleichgültig
54
John Irving –
Ein amerikanisches
Schwergewicht
von welchen Katastrophen sie verschüttet wird.
In „Hotel New Hampshire“ führt
Irving das Erzählfeuerwerk fort, um im
Roman „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ eine Menschlichkeit zu chiffrieren,
deren emotionalem Sog man sich kaum
zu entziehen vermag. Ihm gelingt ein
mitreißendes Plädoyer für die Selbstbestimmung nicht nur der Frau, sondern
des Lebens überhaupt. So entrückt und
absonderlich es in seinen Romanen zugehen mag, die Palette seiner Gestalten
und Themen sprengt so manche Vorstellungsbereitschaft, John Irving ist ein
behutsamer Fänger nomadisierend verirrter Gefühle und Sehnsüchte, und seine
Bücher sind deren Zufluchtsburgen.
Die Überzeugungskraft der genannten
Bücher entspringt auch der Wahrhaftigkeit des Schreibenden, sprich der Authentizität des Geschriebenen. Es ist der
Mensch John Irving, der mit seinem
persönlichen Leben hinter allem steckt.
Ohne auch nur einen Hehl daraus zu
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Betrachten wir
einmal
die
Kehrseite. Dass
die „Profis“, insbesondere die Kollegen
ihm wenig Rang zumessen, ist zwar
ärgerlich, aber das ließe sich angesichts
seines vielfältigen Erfolgs verschmerzen. Maßstab sollten allein seine Geschichten sein, ihr Profil gilt es zu tarieren. Und da ist die eine oder andere Tatsache schwierig zu leugnen. Irvings Art
des Erzählens fasziniert nur, wenn seine
Geschichten in einem intuitiven Rausch
der Phantasie schillernde Welten erzeugen. Wehe seine Phantasie verliert ihr
olympisches Feuer. Dann passiert unter
Umständen „Owen Meany“, ein künstlich angehäuftes Konglomerat von stilisierten Unwahrscheinlichkeiten, mit
dem Ergebnis, dass Pathos und Trivialität die Zeilen nässen. Gesammeltes, Recherchiertes, Aktuelles, für manche Erzählkonzepte ein nicht nur legitimer,
sondern fruchtbarer Boden, bestimmen
sie sein Erzählen, sind sie für Irving, den
phantasieverstrickten Balanceur heikler
Welten, ein übles, lähmendes Gift. Sobald er sich Regeln der Literatur nähert,
Kultur — Ausland — Medien
wird sein schütteres Wissen offenbar.
Lässt er sie bewusst außer Acht, wagt
sich ein Geschmack vor, der mitunter
Losigkeit im Schlepptau hat, und hebt
sein fehlendes Gespür für literarische
Unmöglichkeiten an zu randalieren.
John Irving ist erzählerisch ein Gefangener seiner eigenen Maßstäbe.
Tja, und in der Realität schreckt der
Empfindungstäter nicht davor zurück, in
martialischer Wildwestmanier Kopfabargumente in seine Interviews zu streuen. Bezogen auf eine Aggression gegenüber seiner Familie mag ein solch
menschlicher, allzu menschlicher Reflex
noch nachvollziehbar und verzeihlich
sein. Überträgt er ihn jedoch vollmundig
und breitschultrig auf die politische Ebene – beispielsweise den 11. September –
und wird so zum Pressesprecher von
George Bush, dann laufen dem nachdenklichen Zeitgenossen Schauer über
jenen Rücken, den Irving offensichtlich
mit den Berggorillas Ruandas gemeinsam haben möchte. Selten ist das
Sprichwort „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ wahrer gewesen.
Bleibt die Frage, welches Gewicht man
den erzählerischen Schatten zubilligen
darf. An dieser Stelle verheben sich meines Erachtens die werten Kritiker, die
Hohepriester der ernsten, ihrer selbst
stets bewussten Literatur. Zugegeben,
John Irving hat eine Reihe dicker Bücher mit dünner Bedeutung geschrieben.
Mag sein, dass sein Werk der intellektuellen und historischen Gravitation eines
„Ulysses“ von James Joyce wenig Weihevolles entgegenzusetzen hat. Doch
Garp und Freunde leisten etwas, das
mindestens ein ebenbürtig originärer
und wesentlicher Impuls des Schreibens
darstellt: Sie legen Zeugnis ab für eine
Menschlichkeit, die einem Empathie
begabten Leser beim Menschsein hilft.
Sie nehmen die Liebe unter die Obhut
der Worte, die Liebe als einzigartige
Essenz eines lebenswerten Lebens, unabhängig davon, an welche Form sie
sich zu klammern versucht. John Irving
mag womöglich kein genialer Schriftsteller sein. Aber seine Fähigkeit,
Menschlichkeit nicht nur zu empfinden,
sondern sie mit anderen Menschen zu
teilen, indem er ihr gleichsam ansteckenden Ausdruck verleiht, macht ihn
zu einem außergewöhnlichen Menschen.
Und das könnte bedeutsamer sein als ein
souveränes Jonglieren von Semikola.
Biographische Daten:
John Irving wurde am 2. März 1942 in
Exeter (New Hampshire) geboren. Sein
Vater war Lehrer für russische Geschichte und Literatur, verließ die Familie jedoch als John noch ein Kind war.
John Irving hatte früh schon zwei große
Ziele: Er wollte Schriftsteller und Ringer werden. Das ist ihm eindrucksvoll
gelungen, er wurde zum Muskel- und
Phantasiepaket.
Nach einem Studienaufenthalt in
Wien von 1963 bis 1964 lebt und arbeitet er bis 1979 in den Vereinigten Staaten als Lehrer. Nach dem Welterfolg
von „Garp und wie er die Welt sah“ ist
er unabhängig. Heute lebt er in Toronto
und in Vermont mit seiner zweiten Ehefrau. Seine drei Söhne komplettieren die
Familie.
Veröffentlichte Bücher:
• Laßt die Bären los – Roman 1968;
• Die wilde Geschichte vom Wassertrinker – Roman 1972;
• Eine Mittelgewichtsehe –
Roman 1974;
• Garp und wie er die Welt sah –
Roman 1978 (Rowohlt);
• Das Hotel New Hampshire –
Roman 1981;
• Gottes Werk und Teufels Beitrag –
Roman 1985;
• Owen Meany – Roman 1990;
• Rettungsversuch für Piggy Sneed –
6 Erzählungen und ein Essay, 1993;
• Zirkuskind – Roman 1994;
• Witwe für ein Jahr – Roman 1998;
• My Movie Business. Mein Leben,
meine Romane, meine Filme –
Autobiographie 1999;
• Die vierte Hand – Roman 2001;
• Bis ich Dich finde – Roman 2005.
Alle Bücher, bis auf „Garp und wie er
die Welt sah“, wurden im Diogenes Verlag veröffentlicht, der uns für dieses
Autoreninfo einige Bücher und eine
Pressemappe zur Verfügung gestellt hat.
Vielen Dank für
die Unterstützung!
Jens Meggers
RM Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht
Thorsten Diekmeyer
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht
Neue Literaturgruppe
Die Literaturgruppe der JVA Oldenburg
hat eine kurze, indes engagierte Geschichte. Die Idee zu ihrer Gründung
stammt von einem ehemaligen Zeitungsredakteur unserer Gefangenenzeitung
„Tr§tzdem“, der versuchen wollte, Vielleser und literaturbegeisterte Häftlinge
miteinander in Kontakt und zum Austausch über Literatur zu bringen. Da die
Bücherei der JVA über keinerlei Etat zur
Anschaffung von Büchern verfügt, bemühen wir uns, Neuerscheinungen als
Rezensionsexemplare von Verlagen zu
erhalten. Im Gegenzug werden Rezensionen dieser Bücher in der „Tr§tzdem“
abgedruckt. So entstand im Lauf der
Zeit unter Teilen der Gefangenen eine
„literaturfreundliche“ Stimmung, die wir
bemüht sind, am Leben zu halten.
Der ursprünglich zuständige Betreuer der „Tr§tzdem“ benötigte eine
beinahe biblische Zeitspanne für die
organisatorische Vorbereitung der Gruppengründung. Beharrlichkeit und ein
langer Atem waren vonnöten gewesen,
den internen bürokratischen Weg der
Installierung einer neuen Freizeitgruppe
zu meistern. Für den Erfolg mit ausschlaggebend war, dass der katholische
Pastoralreferent Herr Kisse sich bereit
erklärte, die Betreuung zu übernehmen.
So konnte nach 14-monatiger (!) Vorbereitungsphase im November 2006 die
erste Sitzung des Literaturkreises stattfinden.
Wenn man bedenkt, dass in der
JVA Oldenburg von ca. 350 Gefangenen
rund die Hälfte Gefangene in Untersuchungshaft sind, die lediglich mehr oder
weniger kurz hier verweilen, sind die
immerhin durchschnittlich mehr als 10
Gefangenen, die in der Regel alle 14
Tage zusammen kommen, eine Anzahl,
auf die wir recht stolz sind. Besonders
erfreulich ist, dass die den Umständen
geschuldete, unvermeidliche Fluktuation
innerhalb der Gruppe nicht zu ihrer VerFortsetzung auf Seite 56
Thomas Klein
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht
Joë Thérond
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Steuerrecht
Seminarstr. 13/14 49074 Osnabrück Tel.: 0541/27030 Fax 0541/27128
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
55
Kultur — Ausland — Medien
Fortsetzung von Seite 55
kleinerung führt, sondern stetig neue
Mitglieder zu uns stoßen und die Teilnehmerzahl konstant bleibt, tendenziell
eher ansteigt. Es gibt sogar eine Warteliste für die Teilnahme, da der zur Verfügung stehende Platz begrenzt ist.
Gruppenintern setzten wir uns zunächst mit unseren eigenen Zielen auseinander. Die diskutierten Vorschläge
reichten von Text-, Theater- oder Hörbuchproduktionen bis zum Verfassen
eigener Texte.
In medias res gingen wir mit dem
Genre „Science-Fiction“. Aus Anlass
der Jährung des Todestags von Stanislaw Lem begannen wir mit einer Autorenvorstellung. Des Weiteren wurden
Exemplare von „Die Marschroniken“
von Ray Bradburry (u. a. „Fahrenheit
451“) von den Teilnehmern gelesen und
in zwei Sitzungen erörtert.
Um die Möglichkeit einer eigenen
Umsetzung eines kleinen Hörspiels zu
erforschen, schafften wir uns zwei Bücher von Franz Xaver Kroetz und Dario
Fo an. Die Texte stießen allerdings bei
einem Großteil der Teilnehmer auf wenig Begeisterung. In der Folge gingen
wir dazu über, dass jeder Teilnehmer
einen Lieblingsautor bzw. Lieblingsbuch
vorstellt.
Wir begannen mit Simmels „Es
muss nicht immer Kaviar sein“, was zu
einer lebhaften Diskussion über die literarische Qualität von Unterhaltungsliteratur zum einen und der schwierigen
Akzeptanz von „ernster“ Literatur zum
anderen führte – offenkundig ein interessanter Spiegel des gesellschaftlichen
Umgangs mit den unterschiedlichen
Facetten der Literatur.
Im Anschluss erfolgte ein Vergleich
von Hape Kerkelings „Ich bin dann mal
weg“ und Paulo Coelos „Auf dem Jakobsweg“ anhand der jeweiligen Hörbücher, die in unserem Kreis von zwei
Mitgliedern präsentiert wurden.
Die Aufführung des Einpersonenstücks „Woyzeck“ von Georg Büchner
bot eine willkommene Gelegenheit, sich
mit diesem Klassiker intensiv zu beschäftigen. Im Vorfeld des Theaterabends beleuchteten wir in einem Feature ausführlich den zeitgeschichtlichen
und literarischen Hintergrund des
Stücks. Nach dem beeindruckenden Abend besprachen wir mit Hilfe einer
Videoaufzeichnung bemerkenswerte
Passagen.
Elfriede Jelineks „Die Ausgestoßenen“ und Heinz Swobodas „Der Minusmann“ waren die nächsten literarischen
Stationen, die gerade durch ihre unterschiedliche Herangehensweisen an die
Schilderung extremer Biographien einen
interessanten Einblick in literarische
Möglichkeiten vermitteln konnten.
In der oben skizzierten Mixtur aus
unterhaltsamen und anspruchsvollen
Elementen der Literatur hoffen wir, die
Gruppe fortführen zu können.
Dank einer sehr großzügigen Spende der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur erhielten wir ein gesundes und förderliches wirtschaftliches Fundament für die
weitere Arbeit der Gruppe. Mit dem
Geld wurden einige Literaturlexika, Bücher, Hörbücher, ein Zeitschriftenabonnement und ein paar notwendige Kleinigkeiten angeschafft. Wichtiger als die
finanzielle ist jedoch die damit gezeigte
moralische Unterstützung. Wie der Bücherwart es immer sagt:
Lesen lohnt sich! Vielen Dank nochmals
dafür.
Ein der Spende
der Arno-SchmidtStiftung zu verdankendes Gesamtwerkpaket wird in einer der
nächsten Sitzungen
zur Vorstellung eines
seiner Werke und
auch zu hoffentlich
intensiven Gesprächen
über diesen großen
deutschen Dichter
führen.
Die Literaturgruppe tagt vierzehntägig mittwochs, wer interessiert ist, sollte
sich per Antrag an Herrn Kisse wenden.
Markus Lanfer
Literaturpreis
In der Ausgabe Nr. 36 April 2007 war
von der Redaktion der Gefangenenzeitung Tr§tzdem ein Aufruf zur Teilnahme am Ingeborg-Drewitz-Literaturpreises für Gefangene erfolgt.
Einsendeschluss war der 31.Mai 2007.
Wie zu hören war, haben sich auch aus
der JVA Oldenburg einige Gefangene
daran beteiligt und sie haben sich unmittelbar nach dem Erscheinen der Zeitung
Die Teilnahme
ist schon ein
Gewinn!
hingesetzt, Texte verfasst oder auch
noch Bilder angefertigt. Einer zeigte uns
stolz den Antwortbrief von der ausschreibenden Stelle. Nun wird zwar
nicht gleich jemand zum Preisträger —
alleine die Teilnahme dürfte aber für
jeden schon ein Gewinn gewesen sein.
UM
Die Tr§tzdem möchte zukünftig auch denen eine Plattform
bieten, die sich schriftstellerisch betätigen möchten.
Schickt uns eure Kurzgeschichte!
56
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Kultur — Ausland — Medien
Die Wiese schreibt ihr eigenes Tagebuch; die Hälfte wieder voll von der Erhabenheit des Waldes.
Der Wald aber schreibt sein eigenes
Tagebuch, die Hälfte voll von der Erinnerung an die süße Heimat. Die Heimat
aber schreibt in ihr Tagebuch von Anfang bis Ende über die barmherzige Mutter Freiheit, die oft schneller vergeht als
das Blühen der Blumen auf der Wiese.
Gedichte
Er
Wenn der Tag erlischt,
gleich Wellen am Bug,
schäumende Gischt,
des Lichtes müde, genug,
zieht meine Seele leise,
wie der Wind am Segel,
auf die Reise
des Blutes Pegel,
hält nicht länger wacht,
es ist Nacht.
Ich entsteige meinem Sein,
höre den Wind,
nun bin ich allein,
aufgenommen wie ein Kind
in meinen Träumen
die das Lebensmeer umsäumen.
Jetzt erst bin ich erwacht,
durch Ihn an meiner Seite
Er erhellt die Nacht,
auf dass er mich begleite
auf die andere Seite.
Auf dem Weg
in ein neues Leben
ist er der Steg
auf allen unseren Wegen.
Die Nacht – meine Geliebte
Komm, große Göttin,
lege Dich sanft auf meine Seele,
schließe meine Augen, lass mich ruhen.
Des Tages Schwere nimm von mir,
erlöse meiner Gedanken Qual.
Ich erwarte Dich
an den Toren meines Bewusstseins,
Bereit, mit Dir auf die Reise zu gehen.
Umarme meinen Geist,
trage ihn in seine himmlische Heimat,
dorthin, wo alles Geschehene und Zukünftige
von Anfang an geschrieben steht.
Erhöhe meinen Geist,
damit er dieses kleine Leben versteht.
Lass Weisheit reifen
aus den Stunden meiner Tränen.
Nimm mich mit, Geliebte,
auf Deine Reise um die Welt.
Flüstere mir noch einmal jedes Wort ins
Ohr,
was ich im Zorn gesagt, bevor ich sie
verlor.
In ihrem Arm und ihrem Schoß
fand ich Ruhe,
doch nur für kurze Zeit.
Du bist es, geliebte Nacht,
die mich leise zu mir selber führt,
warum bin ich, wer ich bin,
warum habe ich getan, was ich tat?
Nimm mich fort
aus dem Käfig, in dem ich lebe,
geformt aus meinen Taten.
Deine Schwester, die Sehnsüchtige,
lässt mich verbrennen
im Feuer der Reue, ersehnend den Tag,
an dem ein Phönix aus der Asche steigt,
meinem Willen neue Wege zeigt.
Große Göttin, sei mein Gast
in den Stunden, in denen ich meiner
hadere.
Aus den Höhen, aus den Tiefen meines
Seins
Ruft es mir zu:
Oh Mensch, erkenne Dich!
Schon so oft habe ich gewacht,
deiner süßen Stimme lauschend,
Lieder singend in der Nacht,
doch noch nie warst Du so nah,
ich spüre Deine heilende Kraft.
Denke an den Moment, der alles entschieden hat,
mein Schicksal steht auf einem leeren
Blatt.
Du warst es, dunkle Schönheit,
die mir Treue geschworen,
ich habe gelernt, aus Dir zu leben,
habe Dir meine ganze Seele gegeben.
Du Geliebte, meine finstere Nacht,
wohin bringst Du mich?
In anderen Sphären und Dimensionen,
haben wir das Leben,
neu erdacht.
Deine Schönheit ist es,
die mich süchtig macht,
das immer selbe Spiel voran zu treiben,
wenngleich wir auch beide
täglich tausend Tode leiden.
Bleibe bei mir, verlass mich nicht
bis der neue Tag mit seinem Licht,
meinen Geist erhellt,
mit Glauben, an dem es mir gebricht,
und Innigkeit und Demut in meinem Blut
zu Leben vereint.
Wenn eine Blume ihr eigenes Tagebuch
zu schreiben hätte, wäre die Hälfte voll
von dem schönen Anblick der Wiese.
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Könnte der Himmel auch ein Tagebuch
schreiben, wäre die Hälfte voll von den
warmen Sonnenstrahlen des Sommers
und auch des Winters.
Der Winter schriebe in sein Tagebuch von den Flocken, die er zur Erde
schickt, Wiese und Wald bedeckt. Die
Flocken hätten zu schreiben von ihrer
langen Reise von den Sternen bis zu
uns.
Und wir? Was würden wir schreiben?
Würden wir schreiben von der Wiese, dem Wald oder den Blumen?
Würden wir schreiben vom Sonnenschein und den kalten Flocken, von der
Heimat, dem Himmel und der Freiheit?
Oder würden wir nur über uns schreiben?
Jochen Etzel
Nur Du und Ich…!
Abend schnell die Augen schließen,
keine Tränen mehr vergießen,
traurig schlafe ich oft ein,
Du – ich möchte bei Dir sein.
Jede Nacht der gleiche Traum,
nur wir zwei in diesem Raum,
Du küsst zärtlich mein Gesicht
und sagst leise: „Ich liebe Dich!“
Drum schreibe ich hier meine Illusionen,
die in meinem Herzen wohnen,
nun nieder und im Traum von mir,
sind wir zusammen, weit weg von hier!
Wahre Freunde?
Viele wollen sich Deine Freunde nennen,
aber erst in Not und Glück lernst Du sie
kennen,
denn ein wahrer Freund ist – wer mit Dir
leidet
und nicht der, der Dein Glück Dir neidet!
Liebe!
Die Zärtlichkeit eines Kusses,
die Wärme einer Berührung,
das Verlangen in einem Blick,
die Romantik einer Nacht,
die Leidenschaft einer Umarmung,
all das ist Liebe.
Liebe,
die ich für Dich empfinde!
Patrick Schöndorf
57
Kultur — Ausland — Medien
Auslandsinfo: Schweden
Auslandsinfo: Schweden
Schweden ist das größte skandinavische Land. Die dünn besiedelten Regionen im Norden gehören zu den
urwüchsigsten des Kontinents. Im 16.
und 17. Jahrhundert gehörte das Land
zu den stärksten Mächten Europas; im
20. Jahrhundert wurde es eine der
reichsten Nationen der Welt und
konnte sich ein Wohlfahrtssystem
leisten, das Modellcharakter bekam.
In der Landessprache heißt
Schweden Sverige. Der Name entwickelte sich aus Svea-Rike, der Bezeichnung des im 4. Jahrhunderts entstandenen Reiches der germanischen
Svear.
Schweden nimmt den Ost- und
Südteil der Skandinavischen Halbinsel
ein. Die Südspitze der Halbinsel
Schonen ist etwa 1600 km von Treriksröset im äußersten Norden entfernt. Entsprechend der großen NordSüd-Ausdehnung hat das Land Anteil
an den unterschiedlichen Landschaften sowie Klima- und Vegetationszonen
Skandinaviens.
Das Skandengebirge durchzieht die
Skandinavische Halbinsel, und sein
Hauptkamm markiert im Norden und in
der Mitte die Grenze zu Norwegen. Der
höchste Berg ist der Kebnkajse mit 2111 Metern.
Hügeliges Land prägt die
Gebiete östlich des Skandengebirges und geht in
einen flachen Küstensaum
über. Die Mittelschwedische Senke schließt sich im
Süden an das Hügelland an.
Zwischen Göteborg im
Westen und Uppsala sowie
der Hauptstadt Stockholm
im Osten bestimmt ein
Tiefland mit zahlreichen
Seen die Landschaft. Götaland und Småland liegen
südlich der großen Seen.
Vor der Ostküste liegen die
größten schwedischen Ostseeinseln Öland und Gotland und die Halbinsel
Schonen liegt im äußersten
Süden des Landes, von der
Dänemark nur 4 km entfernt liegt. Ausgedehnte
Wälder bedecken rund 60
% der Landesfläche.
Südschweden war bereits in der Steinzeit ab
58
7000 v. Chr. besiedelt. Aus Osteuropa
wanderten zwischen 1800 v. Chr. und
500 v. Chr. germanische Stämme ein
und verdrängten die Urbevölkerung,
möglicherweise Vorfahren der Finnen.
Im 4. Jahrhundert n. Chr. entstanden
Stammeskönigreiche. Um
1000 n. Chr. herrschte die
Ynglingar-Dynastie der
Svaer über Mittel- und Südschweden sowie teile der
dänischen Inseln. Parallel zu
dieser ersten Reichsgründung verlief die Christianisierung.
Schwedische Wikinger
(Waräger) unternahmen ausgedehnte Raubzüge im Ostseeraum und gründeten in
Russland Reiche (unter anderem Nowgorod und
Kiew). Unter der dänischen
Königin Margarete I. war
Schweden mit Norwegen
und Dänemark 1397 in der
„Kalmarer Union“ vereint.
Während der Herrschaft des
Hauses Wasa (1523–1660)
stieg Schweden zur europäischen Großmacht auf, was
mit der Einführung der Reformation 1527 durch Gustav I. einherging. 1630 griff
Gustav II. Adolf (1611–
1632) auf Seiten der ProtesTr§tzdem 2007 Nr. 37
tanten in den
Dreißigjährigen
Krieg ein.
Im großen Nordis c h e n
K r i e g
(1700–
1721) unterlag
Schweden Russland und
verlor, bis auf Vorpommern, seine festländischen Besitzungen an der südlichen
Ostseeküste. Der 1.
Deutsch-Dänische
Krieg (1848-1850) war die
letzte kriegerische Auseinandersetzung, an der sich Schweden – auf Seiten Dänemarks – beteiligte. Seit 1856
ist Neutralität die wichtigste außenpolitische Leitlinie des Landes. 1865
erhielt Schweden eine neue Verfassung mit Zweikammerparlament und
Zensuswahlrecht. 1905 zerbrach die
Union mit Norwegen, und 1909 wurde das allgemeine Wahlrecht eingeführt. Seit 1921 besteht die heutige
Staatsform der parlamentarischen Erbmonarchie. 1995 trat Schweden der Europäischen Union bei.
Über 90 % der 8,9 Mio. Einwohner
sind Schweden, die größte Minderheit
die Finnen; im hohen Norden leben
17.000 Samen mit in halbnomadischer
Lebensweise verbundener Rentierhaltung. Norweger und Dänen stellen die
größte Gruppe der Ausländer. In der
nördlichen Landeshälfte leben nur 10 %
der Bevölkerung.
Schweden verfügt über ausgedehnte
Wälder und Eisenerzvorkommen. Den
natürlichen Ressourcen entsprechend
sind Holz und Metall verarbeitende Industrien stark vertreten. Wichtigster
Handelspartner ist Deutschland, gefolgt
von Großbritannien, Norwegen und den
USA.
Mehr aus seiner Heimat wusste S.
B. aus Stockholm, Mitte 50, vom „Land
im Norden der Wikinger, Polarbären
und Wichtel“ zu berichten, der zur Zeit
in Untersuchungshaft in Oldenburg ist:
Die Wikinger und die Bären gibt es
schon seit langer Zeit nicht mehr, aber
einige Wichtel kannst du noch in den
großen Wäldern im Norden treffen.
Schweden ist ein großes Land, 1600
km lang und 500 km breit mit ca. 9 Millionen Einwohnern.
Halb Schweden – der nördliche Teil
– ist mit großen Wäldern bedeckt, und in
Kultur — Ausland — Medien
den Bergen im Westen gibt es viele Orte, in denen man gut Skifahren kann.
Åre ist einer der größten Orte mit einem
großartigen Nachtleben. Die Pisten entsprechen dem internationalen Standard.
In Åre finden in diesem Jahr auch die
Meisterschaften im Slalom statt.
Weit im Norden liegt die Stadt
Kiruna, bekannt für
seine Minen und
d i e
Ra-
ketenbasis
Esrange, die von
vielen internationalen Weltraumwissenschaftlern genutzt wird,
da der Platz ideal für Raketenstarts in
der Nähe des Polarkreises ist.
In den letzten 40 Jahren sind viele
Bewohner des Nordens in die großen
Städte des Südens gezogen. Die Entfernungen zum Norden sind enorm. Es ist
nicht unüblich, 300 km zu fahren, um
zum „Tanz am Wochenende“ zu kommen und dann wieder die 300 km für
den Rückweg anzutreten.
In Mittelschweden leben die meisten Menschen; hier liegt auch die Hauptstadt Stockholm, oft „Venedig Skandinaviens“ genannt. In Stockholm ist der
Sitz der Regierung, und da Schweden
eine Monarchie ist, lebt auch der Schwedische König Karl-Gustav mit seiner
deutsch-brasilianischen Frau Silvia hier.
Heutzutage besitzt der König keine
Macht mehr, ist aber ein großer Sympathieträger für Schweden und die schwedische Industrie.
In den letzten 15 bis 20 Jahren ist
Stockholm eine sehr internationale Stadt
geworden mit einer großen Bedeutung
für das Bildungswesen, die Kultur und
die Unterhaltungsbranche. Stockholm
hat heute ca. 700 Bars, Restaurants und
Diskotheken, viele mit Außenterrassen ,und einige schließen auch nicht vor
5:00 Uhr in der Früh. Es wird eine internationale Küche geboten. Von den vielen Theatern, Museen und großen Opernhäusern ist eines der meistbekannten das Vasa-Museum, in dem die
„Vasa“, ein 500 Jahre altes Schiff zu
sehen ist, das etwas außerhalb der City
mit all seinen Kanonen unterging.
Auf den vielen Gewässern in der
Umgebung Stockholms fahren viele
Touristikboote, einige mit Restaurants
und Unterhaltung an Bord. Im
Zentrum von Stockholm ist
es sogar möglich, Lachse zu angeln, da
das Wasser hier,
wie auch an den
meisten anderen
Stellen,
nicht
belastet und sogar
trinkbar ist.
Im Zentrum und im
Süden
von Schweden Arbeit
zu bekommen ist viel einfacher als im
Norden. Heute, im Frühjahr 2007, gibt
es eine große Anzahl von offenen Stellen im Konstruktionsbereich, daher findet eine große Zuwanderung von Arbeitskräften statt.
Auf einer vier Stunden dauernden
Fahrt von Stockholm nach Süden
kommt man an landwirtschaftlich genutzten Gebieten mit einigen Städten
vorbei, deren größte Städte SödertäljeScania mit einer Fahrzeugindustrie,
Norrköping-Kolmården mit einem Zoo,
der das größte Delfinarium der Welt,
geleitet von einem internationalen Wissenschaftler, enthält, und Linköping mit
einer Flugzeugindustrie sind.
Am Ende der vier Stunden kommt
man an Schwedens zweitgrößtem See,
den Vättern, der durch einen Kometeneinschlag entstand, vorbei.
Im Süden Schwedens haben viele
Deutsche ihre Sommerhäuser gekauft,
daher hört man in einigen Dörfern auf
dem Lande fast nur noch die deutsche
Sprache.
Ganz im Süden liegt die Großstadt
Malmö mit der Brücke über den Øresund nach Kopenhagen in Dänemark,
die Schweden mit dem Rest von Europa
verbindet.
Heutzutage kommt man von
Deutschland am leichtesten mit einer
Fähre von Puttgarden auf Fehmarn nach
Rødby in Dänemark, fährt in zwei Stunden nach Kopenhagen und dann über die
Brücke nach Schweden.
SB/UM
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Buchtipp
Tür an Tür mit einem
anderen Leben
(Alexander Kluge)
„Wir leben ‚eingerollt’
im AUGENBLICK und
zugleich im ZEITSTROM VON MILLIONEN JAHREN.“ Getreu diesem Motto durchstreift Alexander Kluge in seinen 3501 Geschichten die unterschiedlichsten
und entlegensten Wirklichkeiten des
Menschen. Es ist ein unerschrockener Gang durch die Evolution, die in
Historie mündet, aus menschlicher
Sicht gipfelt. Es ist die Begegnung
mit der unablässigen Bedrohung des
Lebens – mit jeder Geschichte festigt
sich das Bild, das Leben sei zu jeder
Zeit und an allen Orten ein Exponent
zügelloser Barbarei.
Und doch behauptet sich das seltsame Wesen Mensch, diese unerklärliche Mischung aus erbarmungslosem
Täter und ohnmächtigem Opfer. Vor
Jahrhunderten von Millionen Jahren
soll laut Kluge die Erwärmung der
Eiskugel Erde jeden Vorrat an Hoffnung und Glückszuversicht erzeugt
und gespeichert haben, wovon das
Lebewesen Mensch heute noch
zehrt. Das ist Philosophie, Metaphysik mit paläogeologischen Vorzeichen. Real ist das unverzagte Streben des Menschen nach einem guten Leben, seine Glückssuche. Trotz
aller Vernichtung und Zerstörung.
Real sind die Augenblicke, in denen
die Sehnsucht einen erfüllten
Wunsch umarmt.
Ein schwieriges, ungemein sperriges
Buch, mit dem intellektuellen Gewicht eines scharzen Lochs im Kosmos. Wer sich durchkämpft, wird
belohnt. Mit einem Kapitel über die
Liebe, der erklärten Glücksbastion
des Lebens. „Die siamesischen Hände“ – eine erzählerische Hymne für
jeden Gefangenen auf diesem Globus.
Suhrkamp Verlag 2006, ISBN-10: 3-51841864-5, ISBN-13: 978-3-518-41864-2,
€ 22,80.
Humor
„Na, Bernd, woher hast Du denn das
blaue Auge?“ – „Vom Husten“ – „Vom
Husten?“ – „Ja, im Kleiderschrank.“
59
Kultur — Ausland — Medien
Presseschau
© NWZ vom 10.02.07
© NWZ vom 21.02.07
60
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Kultur — Ausland — Medien
Presseschau
© Die Welt vom 25.11.06
© NWZ vom 17.03.07
© NWZ vom 30.03.07
© NWZ vom 03.03.07
© NWZ vom
03.03.07
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
61
Kultur — Ausland — Medien
Presseschau
© Das Parlament vom 27.03.07
© NWZ vom 09.05.07
Humor
© NWZ
vom
09.05.07
© NWZ
vom
13.04.07
62
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Ruft der Rosenverkäufer: „Kaufen Sie
Blumen für die Frau, die Sie lieben“.
– „Typisch“, ärgert sich Frau Lehmann, „an die Ehefrauen denkt mal
wieder keiner.“
Kultur — Ausland — Medien
Presseschau
© NWZ vom 04.05.07
© Das Parlament vom 30.04.07
Witz
Das Kreuzfahrtschiff fährt
in der Südsee an einer
winzigen Insel vorbei, auf
der ein bärtiger, zerlumpter Mann herumspringt
und mit beiden Armen
winkt. Fragt ein Passagier
einen Steward: „Wer ist
denn das?“ – „Keine Ahnung, aber er freut sich
immer so, wenn wir vorbeifahren.“
© NWZ
vom
10.04.07
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
63
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Presseschau
© NWZ vom 11.04.07
© Delmenhorster Kreisblatt vom 05.12.06
Witze
Der Angeklagte fragte seinen
Anwalt, wie lange die ganze Angelegenheit wohl dauern werde.
Anwalt: „ Für mich drei Stunden
und für Sie drei Jahre …“
Oma Pischke gibt einem
Bettler zwei Euro und ermahnt
ihn: „Dass Sie mir aber keinen
Alkohol kaufen!“ – „Ihnen? Wie
käme ich denn dazu…?“
© Die Tageszeitung taz vom
06.10.06
Witz
Er und sie streiten
sich mal wieder. Meint
er: „Ich brauche dich
gar nicht, es gibt auch
noch andere Fische
im Teich!“ Kontert Sie:
„Wie willst du denn
mit diesem mickrigen
Wurm Fische fangen?“
© NWZ
vom
07.04.07
64
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Kultur — Ausland — Medien
Presseschau
Aus erster Hand
Niedersächsisches Justizministerium
- Referat für Presse und Öffentlichkeitsarbeit -
Heister-Neumann:
„Niedersachsen bekommt als erstes Bundesland ein modernes und
schlankes Justizvollzugsgesetz“
HANNOVER. Das Kabinett hat heute auf Vorschlag von Justizministerin
Elisabeth Heister-Neumann beschlossen, den Entwurf des Justizvollzugsgesetzes in den Niedersächsischen Landtag einzubringen. Heister-Neumann: „Ich freue mich sehr
über die heutige KabinettsEntscheidung. Der Gesetzentwurf
unterstützt die Bediensteten des
Justizvollzuges bei ihrer wichtigen
Arbeit und eröffnet sowohl den Justivollzugsanstalten als auch den weiteren in den Justizvollzug involvierten Institutionen Handlungsspielräume für die Zukunft.“
•
•
•
•
beiten sollen, sondern dass diese
Mitarbeitspflicht durch die Bediensteten kontinuierlich zu fördern ist.
Gefangenenarbeit als wirkungsvolle Maßnahme der sozialen Integration rückt stärker
in den Mittelpunkt des Tages
(§§ 35, 38 des Entwurfes)
Gefangene sind grundsätzlich
einzeln unterzubringen. Die
Möglichkeiten der gemeinschaftlichen Unterbringung
von Erwachsenen während der
Ruhezeit werden jedoch erweitert und sind auch dann möglich, wenn es die räumlichen
Verhältnisse der Anstalt erfordern (§ 20 des Entwurfes)
Die Auskunftsansprüche für
Opfer werden erweitert (§ 184
Abs. 4 S. 3 des Entwurfes)
Sie können über eine Opferhilfeeinrichtung von den Justizvollzugsanstalten z. B. erfahren, ab
wann der Vollzug für den
Täter gelockert wird.
• Die
durchgängige
Betreuung der Gefangenen und die Zusammenarbeit von Bediensteten
innerhalb des Vollzuges
mit Stellen außerhalb des Vollzuges wird betont (§ 67 Abs. 2
des Entwurfes)
Die Gewährung von Lockerungen kann vom Nachweis der
Drogenfreiheit abhängig gemacht werden. Verweigern Gefangene die Untersuchung,
kann der Schluss gezogen werden, dass sie nicht drogenfrei
sind (§ 17 des Entwurfes)
Heister-Neumann: „Der
geschlossene Vollzug wird
zur Regelvollzugsform“
Im Zuge der föderalen Kompetenzneuordnung ist die Gesetzgebungszuständigkeit für den Strafvollzug auf die Bundesländer übergegangen. Niedersachsen ist das erste
Land, das die drei Bereiche Erwachsenen-, Jugend- und Untersuchungshaftvollzug in einem Gesetz,
dem Justizvollzugsgesetz, zusammenfasst. Wesentliche Inhalte des
Gesetzentwurfes sind:
• Sicherheit und Resozialisierung werden gleichwertige Ziele des Strafvollzuges (§ 5 des
Entwurfes)
• Der geschlossene Vollzug wird
zur Regelvollzugsform (§ 13
des Entwurfes)
• Direkteinweisungen von Gefangenen in den offenen Vollzug
bleiben aber auch weiterhin möglich (§ 178 I 2 des Entwurfes)
• Der Chancenvollzug wird gesetzlich verankert (z. B. §§ 3, 6,
9 des Entwurfes)
• Damit stellt der Entwurf nicht nur
heraus, dass die Gefangenen an
ihrer sozialen Integration mitar-
•
Ausländische Straftäter
sollen in ihren Heimatstaaten ins Gefängnis
Heister-Neumann: „Endlich hat
die Bundesregierung gehandelt“
HANNOVER. Niedersachsens Justizministerin Elisabeth HeisterNeumann begrüßt nachdrücklich die
Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde zum Zusatzprotokoll des Überstellungsübereinkommens des
Europarates durch die Bundesregierung, mit der es möglich sein wird,
ausländische Straftäter auch gegen
ihren Willen ihre Haftstrafe in der
Heimat verbüßen zu lassen. „Wir
haben die Bundesjustizministerin
mehrfach zum Handeln aufgefordert,
jetzt wurde endlich reagiert. Wenn
Ausländer ihre Haftstrafe künftig in
ihrer Heimat verbüßen, wird in Niedersachsen nicht nur der Landeshaushalt, sondern auch der Justizalltag entlastet werden, z. B. durch
weniger Sprachprobleme mit nicht
deutschsprachigen Häftlingen“, so
Heister-Neumann.
Ein Haftplatz in unseren Gefängnissen kostet im Jahr durchschnittlich 30.000 Euro. In Niedersachsen
sind zurzeit 238 ausländische Gefangene aus den Mitgliedsstaaten
inhaftiert, die das Zusatzprotokoll
bereits ratifiziert haben. Gegen 67
Gefangene liegen bestandskräftige
Ausweisungsverfügungen vor.
Pressemitteilung 33/07 vom 04.04.2007
Weitere Einzelheiten finden Sie unter
www.mj. Niedersachsen.de.
Pressemitteilung 25/07 vom 20.02.2007
Witz
Ein schwäbisches Ehepaar wandert
durch die Alpen und fällt in eine Gletscherspalte.
Am nächsten Tag hören sie eine Stimme von oben rufen:
“Hallo, hier ist das Rote Kreuz!“
Darauf ruft der Schwabe zurück:
“Mir gäbet nix!“
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
65
Kultur — Ausland — Medien
Tr§tzdem
Das große Heiz Erhardt Buch:
Geschichten und Gedichte
Der Einbruch
Durch das angelehnte Fenster
steigt ein jugendlicher Gangsterer will nämlich die Juwelen,
die im Nachttisch liegen, stehlen!
Schon zieht sacht er an der Lade--da erwacht – und jetzt gerade! –
die Frau Gräfin aus dem Schlaf:
„Kommst Du endlich, lieber Graf?“
flüstert sie und schlägt die Decken
ganz zurück …Voller Erschrecken
übern Anblick springt der Gangster
ohne Schmuck schnell aus dem
Fenster --Und er gibt sich das Versprechen
nie wieder bei alten Damen
(auch mit adligem Namen)
einzubrechen!
Trinklied
Wo bleibt heute bloß der Sonnenschein?
Liegt’s an den Isobaren?
Ach, soll’s doch ruhig trübe sein
Wir trinken unseren Klaren
Schön eisgekühlt stürzt er zu Tal,
es wird uns heiß und heißer…
Der trübe Himmel kann uns mal,
und wo er kann, das weiß er.
Das Trübsalblasen ist ein Graus
und schädlich ohne Zweifel!
Kommt, lacht den trüben Himmel
ausAlkohol ihn doch der Teufel!
Eine Rede über die Rede
Unser Dasein wird von Reden begleitet: Bei der Taufe wird der
Mensch mit Reden begrüßt – und
am Grabe mit Reden verabschiedet.
Wie entsteht eigentlich eine Rede?
Zunächst hascht man sich einen
66
Gedanken. Das dauert oft länger, als
einem lieb ist. Hat man ihn dann
endlich, ist er nackt und bloß. Also
muss man ihn kleiden – und zwar in
Worte! Nun beginnt man im Laufe
der Rede Worte zu verlieren.
Dadurch fehlen sie einem bald. Deshalb muss man schleunigst nach
neuen Worten suchen, bis man welche gefunden hat. Hat man endlich
wieder Worte gefunden, gehen sie
aufs Neue verloren, und man muss
wieder nach Worten suchen usw.
usw. Ein ewiges Verlieren, Suchen
und Finden ist so eine Rede, und
leider steht ihre Länge meist in keinem Verhältnis zu der Länge ihrer
Gedanken!
Wird man unerwartet gebeten, eine
Rede zu halten, so erschrecke man
nicht, sondern fasse sich. Aber kurz!
Ritter Fips und der Zweikampf
Es zog ein reicher Kaufmannssohn
mit Spezereien und Munition
Vorbei an Ritter Fipsens Schloss,
Was diesen überaus verdross!
Drum kam Fips, vollgetankt mit Bier,
(doch roch man’s nicht, weil das Visier,
wie stets bei ihm und bei Gefahr,
bis untenhin geschlossen war)
dem Kaufmannssohn auf schnellsten Wegen
nicht freundlich zwar – aber entgegen.
Der Kampf – denn jeder wollte siegen! –
fand statt auf Brechen und auf Biegen,
und nur durch stellen eines Beins
verlor der Kaufmann null zu eins –
und schließlich auch sein Haupt als
solches
durch einen scharfen Schnitt des
Dolches!
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Schlussfolgerung:
Es lohnt sich keinen Hut zu tragen,
endet der Mensch bereits am Kragen.
aus: Das große Heinz Erhardt Buch
Die folgenden Episoden werden Professor
Doktor Sauerbruch, der angeblich auf Frauen
im Medizinstudium nicht allzu gut zu sprechen
war, zugeschrieben.
Eines Tages kam er mit einem Skelett in die Vorlesung und fragte in die
Runde: „Nun, was glauben sie, welche Geschlechtsmerkmale hat dieses Becken zu Lebzeiten beinhaltet?“
Kultur — Ausland — Medien
Obwohl sich einige männliche
Studenten melden, ruft er eine der
wenigen Frauen auf, die daraufhin
im Gesicht rot anläuft und stotternd
hervorbringt: „Herr Professor, ich
glaube, die männlichen.“
Darauf Sauerbruch mit Grinsen:
„Zuweilen, wertes Fräulein, nur zuweilen.“
...
Ein anderes Mal stellt er die Frage
ins Auditorium: „Welches Körperteil
des menschlichen Körpers vergrößert sich im Erregungszustand um
das vier– bis fünffache?“
Eine Studentin kichert, Sauerbruch beachtet sie nicht und ruft einen Studenten auf, der sich gemeldet hat.
„Herr Professor, das ist die Pupille.“
„Richtig,“ erwidert Sauerbruch,
um dann auf die Zuhörerin zu deuten, „und sie Fräulein, gehen sie
nicht mit zu großen Erwartungen in
ihr Eheleben.“
...
Eine sehr schöne Studentin soll in
Berlin in Sauerbruchs Vorlesungen
gewesen sein. Allerdings schaffte es
keiner ihrer Verehrer, bei ihr final zu
landen.
So gingen einige der Abgeblitzten daran, der Schönen einen
Streich zu spielen. Sie holten aus
dem Lager der Anatomie ein in seiner Größe außergewöhnliches
männliches Geschlechtsteil aus dem
Spiritus und steckten es der Studentin in die Manteltasche.
Sie kam aus der Vorlesung,
schlüpfte in ihren Mantel, wollte die
Handschuhe aus der Manteltasche
holen und hatte stattdessen das
Glied in der Hand. Darauf stürmte
sie, den Penis weit von sich gestreckt, mit zornesrotem Kopf auf
Sauerbruch, der lässig, eine Hand in
der Hosentasche, in der anderen
eine Zigarette haltend, mit anderen
Dozenten im Gespräch vertieft dastand, zu und rief: „ Herr Professor,
sehen Sie mal, was die mir in die
Tasche gesteckt haben!“ Darauf griff
sich Sauerbruch mit der Hand in der
Hosentasche mehr in die Mitte und
meinte: „Von der Größe her könnte
es stimmen, aber es gehört mir
nicht.“
Nacherzählt von Dieter Schacht
Du fährst mit dem Auto und hältst
eine konstante Geschwindigkeit. Auf
deiner linken Seite befindet sich ein
Abhang. Auf deiner rechten Seite
fährt ein riesiges Feuerwehrauto und
hält die gleiche Geschwindigkeit wie
du. Vor dir galoppiert ein Schwein,
das eindeutig größer ist als dein Auto, und du kannst nicht vorbei. Hinter
dir verfolgt dich ein Hubschrauber
auf Bodenhöhe. Das Schwein und
der Hubschrauber haben exakt deine Geschwindigkeit!
Was unternimmst du, um dieser
Situation gefahrlos zu entkommen?
… vom Kinderkarussell absteigen und weniger Glühwein saufen!
...
Unterhalten sich zwei Blondinen.
Sagt die eine: „Mensch, ich habe 5
Liter heißes Wasser gekocht, brauche aber nur einen Liter. Was mache ich nun mit dem Rest?“ Sagt die
andere: „Frier es doch ein! Heißes
Wasser kann man immer gebrauchen!“
...
Ein Mann geht am Strand spazieren. Auf einmal findet er im Sand
eine alte, kostbar aussehende Flasche mit einem großen Stopfen aus
Kristall. Neugierig öffnet er die Flasche, und im selben Augenblick erTr§tzdem 2007 Nr. 37
scheint ein riesiger Kerl mit großem
Baum und einem Turban.
„Du hast mich gerufen! Ich bin
der Flaschengeist, und du hast jetzt
einen Wunsch frei.“
Der Mann überlegt: „Ich wollte
immer schon mal nach Amerika. Aber ich habe Flugangst und werde
auch leicht seekrank. Am liebsten
würde ich mit dem Auto fahren. Ich
wünsche mir eine Brücke über den
Atlantik!“
Der Geist: „Bist du verrückt?
Weißt du, wie lang so eine Brücke
ist?
Und wie viele Betonpfeiler man
dafür braucht?
Und wie hoch diese Pfeiler sein
müssen?
Der Ozean ist bis zu 4000 Meter
tief! Und dann die ganze Statik –
denk nur mal an die Stürme, denen
sie standhalten muss.
Wir müssen außerdem alle paar
hundert Kilometer eine Tankstelle
errichten, da kein Auto eine so große Strecke nonstop zurücklegen
kann. Außerdem gibt es Ärger mit
den Behörden und Greenpeace; die
Zeiten, als man als Geist noch jeden
Scheiß machen konnte, sind vorbei.
Denk dir was anderes aus!“
Der Mann: „Also gut, wenn es zu
schwierig ist. Mal überlegen…, weißt
du, wenn Frauen mir etwas erzählen, kann ich nie einen Zusammenhang erkennen, und sie erwarten
Dinge von mir, in denen ich keinen
Sinn sehe. Mein Wunsch ist, die
Frauen endlich verstehen zu können.“
Der Geist. „… um noch einmal
auf die Brücke zurückzukommen,
zweispurig oder vierspurig?“
Aufgeschrieben von Wilfried Dannebaum
Fortsetzung auf Seite 68
67
Mixed
Die Lösungen für
das Schachproblem und
Sudoku stehen auf
Seite 9
Da kommt ein älterer Herr um
die Ecke gehastet, stolpert und fällt
der Länge nach in eine große, tiefe
Pfütze.
Darauf Fritzchen: „Mensch Opa,
im Kraulen schaffst Du den auch
nicht mehr.“
Nacherzählt von Dieter Schacht
Witze
SUPERSUDOKU
Diesmal für die
Sudoku-Experten!
Die Regeln sind sicherlich
nicht mehr
erklärungsbedürftig.
Humor
Fortsetzung von Seite 67
Fritzchen in der
Schule: Die Lehrerin steht vor der
Klasse, die Hände hinter ihrem
Rücken. „Kinder,
ich habe da was
in der Hand, grün,
hat rote Bäckchen, ihr esst das alle gerne. Was ist
das?“
Fritzchen springt auf: „Fräulein,
Fräulein, das ist eine Birne!“
„Nein“, sagt das Fräulein, „es ist
zwar nur ein Apfel, Fritzchen, aber
es freut mich, dass Du so gut mitgemacht hast.“
Tags darauf steht sie wieder vor
der Klasse: „Kinder, ich habe was in
der Hand: Es hat einen kleinen grauen Federbalg, fliegt von Baum zu
Baum und singt lustige Lieder. Was
ist das?“
Wieder springt Fritzchen auf:
„Fräulein, Fräulein, das ist ein Star!“
„Nein“, sagt das Fräulein, „das
ist ein Spatz, Fritzchen, aber es freut
mich, dass Du so gut mitgedacht
hast.
Fritzchen ist sauer. Am nächsten Tag steht er vor der Lehrerein,
beide Hände tief in den Hosentaschen. „Fräulein, ich hab hier was in
der Hand. Lang, weiß, hat `nen roten
Kopf. Was ist das?“
68
Das Fräulein kriegt `nen roten
Kopf, schmiert ihm eine. „Fritzchen,
Du Schwein!“
Darauf Fritzchen: „Fräulein, ist
zwar nur ein Streichholz, aber es
freut mich, dass Sie so gut mitgedacht haben!“
…
Fritzchen in der Schule. Es ist Montag und die Lehrerin steht vor der
Klasse.
„Kinder, ich werde euch jetzt
jeden Morgen eine Frage stellen,
und wer die richtige Antwort weiß,
hat für den Rest der Woche frei. Die
erste Frage lautet: „Wie viele Wassertropfen hat das Mittelmeer?“
Schweigen.
Am Dienstag: „Wie viele Sandkörner sind in der Wüste Sahara?“
Erneutes Schweigen.
Fritzchen schiebt `nen dicken
Hals. Er geht nach Hause, holt zwei
Eier aus dem Kühlschrank und malt
sie schwarz an.
Am Mittwochmorgen legt er sie
der Lehrerein auf den Pult. Sie
kommt rein, sieht die beiden Eier
und fragt: “Wem gehören die beiden
schwarzen Eier?“
Fritzchen springt auf: „Sammy
Davis Junior. Tschüß Frau Lehrerin!“
...
Es schüttet wie aus Eimern. Fritzchen hat unter dem Dach einer Bushaltestelle Zuflucht gefunden. Ein
Bus kommt, die Leute steigen aus,
andere ein, der Bus fährt weiter.
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Der Glasermeister zum Kunden:
„Nehmen Sie die Fensterscheibe so
mit – oder soll ich sie ihnen einschlagen?“
...
Warum legen Hühner Eier?
- Wenn sie die schmeißen würden, gingen sie ja kaputt.
...
„Haben Sie auf dem Weg nach Italien denn auch den Brenner überfahren?“
- „Ja, wir haben einen überfahren –
aber ob der Brenner hieß…?“
...
„Gehen Sie auch zu Figaros Hochzeit?“
- „Nein, wir schicken Blumen.“
...
Treffen sich zwei Hellseher.
Meint der Erste:
- „Dir geht’s gut und wie geht’s mir?“
...
Anzeige in der Zeitung:
- „Lernen Sie schießen und treffen
Sie gute Freunde!“
...
Die Familie sitzt um den Tisch. Der
Papa ist stark erkältet.
Fragt die kleine Susi:
- „Papa, sollen wir Dir einen Promillentee kochen?“
...
Chinesisch für Anfänger:
- Mutter: Zang
- Großmutter: Zang Zang
- Schwiegermutter: Kneif Zang
Mixed
DAS SUPERQUIZ FÜR GANZ HARTE JUNGS
Verstand oder Ausdauer? Was führt zum Ziel?
Quizfrage:
Ich habe zwölf Kugeln, Oberfläche und Größe sind gleich. Eine dieser Kugeln ist
schwerer
oder
leichter
als die anderen elf. Mit einer Balkenwaage und drei Wiegeversuchen ist zu bestimmen, welche der Kugeln
fehlgewichtig ist, und ob sie schwerer oder leichter ist.
Als gelöst gilt die Aufgabe nur, wenn sämtliche der insgesamt 27 Einzellösungen aufgeführt sind. (Bei jedem der drei Wiegegänge
gibt es drei Möglichkeiten: die Waage ist im Gleichgewicht, Schale A senkt sich oder Schale B senkt sich. Da jede dieser Nebenmöglichkeiten wiederum drei Möglichkeiten hat, kommen die 27 Einzellösungen zustande). Es können alle Gefangenen der JVA
Oldenburg mit allen Abteilungen (außer Redaktionsmitglieder) teilnehmen. Die ersten drei Einsender (Eingangsdatum) einer vollständigen Lösung erhalten je eine Torte. Für diejenigen, die Zweifel an der Lösbarkeit haben: Die Lösung erscheint in Ausgabe Nr.
38 Dezember 2007.
Dieter Schacht
Aus der Bücherei
Was lange währt, wird endlich
gut !
Nach viel Nerverei - immer wieder bin
ich allen möglichen Beamten auf den
Geist gegangen (Sorry) -, unendlich viel
Geduld seitens Frau Merta, der es ob
meiner permanenten Quengelei oft
schwer gefallen sein muss, die Ruhe zu
bewahren, und, last but not least, dem
für die Bücherei zuständigen Abteilungsleiter Herrn Siggelkow, der Geld
für die Anschaffung der notwendigen
Materialien aus dem Etat locker gemacht hat, den es gar nicht gibt, sind wir
nun besser in der Lage, beschädigte Bücher zu reparieren.
Um es ganz klar zu sagen: Wir haben keine Buchbinderei, auch nicht ansatzweise! Die Buchdecken bestehen aus
verleimten Zwischenlagen der Margarinekartons, Vorsatzpapier, Pappe und
Elefantenhaut werden mit einem einfachen Papierschneider – und wenn nötig
mit Schleifpapier – auf Maß gebracht,
und als Spindelpresse dient ersatzweise
mein (nicht geringes) Gewicht.
Trotzdem, das Ergebnis kann sich
sehen lassen.
Nach euch gibt es andere, die sich an der
Lektüre des Buches, das euch leihweise
überlassen wurde, erfreuen wollen.
Bücher stellen ein Stück Kultur dar,
und diese sollten wir bewahren.
Dieter Schacht
and
Beh ich
m
le gpfle !
lich
In den vergangenen Monaten habe
ich über hundert Bücher repariert. Und
hier kommt eine große
Bitte an alle, die sich
Bücher ausleihen. Geht
sorgsam mit den Büchern
um, die ihr geliehen bekommt! So verwendet
Lesezeichen, statt das
Buch aufgeschlagen umgedreht hinzulegen! Dadurch bricht der Buchrücken, Seiten werden lose
und gehen verloren.
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
69
Mixed
Rätselecke
Die Gewinner des Preisrätsels der letzten Ausgabe sind:
1. Preis:
2. Preis:
3. Preis:
Erich S.
2, Gerichtsstraße
Arne A.
C4
Mathias P. A 3
Wir bedanken uns für die Teilnahme und wünschen viel Spaß mit den Preisen.
Lesen hilft lösen!
1.
Welche Gefangenen-Mannschaft gewann das Fußball-Turnier am 16.06.2007 in Meppen und
wurde Niedersachsenmeister?
r)
Hesepe
s)
Vechta
t)
Oldenburg
2.
Wohin ging es auf der Reise in den Süden beim „Schub“ eines Gefangenen aus der
JVA Oldenburg?
a)
Rottenburg
b)
Köln
c)
Rohrbach
3.
Was kann man sich zukünftig bei der Gefangenenbücherei der JVA Oldenburg ausleihen?
q)
Computerspiele
r)
Hörbücher
s)
Magazine
4.
Welche neue Bildungsmaßnahme dient der Vorbereitung der Entlassung aus dem
geschlossenen Vollzug der JVA Oldenburg?
k)
Kurs zur Vorbereitung auf den Europäischen Computerführerschein
l)
Elementarkurs Berufliche Bildung
m)
Alphabetisierungskurs
5.
Welches Theaterstück wurde am 13. April 2007 in der JVA Oldenburg in einer beeindruckenden
Darbietung aufgeführt?
s)
Woyzeck
t)
Hänsel und Gretel
u)
Der Kick
Die Buchstaben der richtigen Antworten ergeben, in die richtige Reihenfolge gebracht, das Lösungswort.
Viel Spaß beim Lesen und Sortieren!
Einsendeschluss ist der 22. November 2007
Teilnahmeberechtigt ist jeder Inhaftierte der JVA Oldenburg und der angegliederten Anstalten!
Lösungswort: _ _ _ _ _ Name: _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ Station: _ _
Die nachfolgenden Preise werden von der Firma Knefelkamp aus Herford gestiftet. Dafür vielen Dank!
Das Lösungswort sendet bitte an die Redaktion Tr§tzdem, JVA Oldenburg.
Die genaue Adresse entnehmt bitte dem Impressum.
1. Preis:
2. Preis:
3. Preis:
70
1 x eine Torte (freie Wahl)
1 x Kaffee (freie Wahl)
1 x Tabak + Blättchen (freie Wahl)
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Mixed
Adressen die man brauchen kann
Adresse Anlaufstelle
Diakonie, Anlaufstelle für Straffällige
Kirchdorferstraße 43 a
26603 Aurich
CURA e.V. - Verein für Straffälligenhilfe
Münzstraße 5
38100 Braunschweig
Diakonie, Anlaufstelle für Straffällige
Jägerstraße 25 a
29221 Celle
Gefangenenfürsorgeverein Cuxhaven
Mariestr. 50
27472 Cuxhaven
Diakonie, Anlaufstelle für Straffällige
Düsternortstraße 51
27755 Delmenhorst
Anlaufstelle für Straffällige
Königsallee 254
37073 Göttingen
Anlaufstelle für Straffällige
Ostertorwall 7
31785 Hameln
Diakonie, Beratungsstelle für Straffällige
Hagenstraße 36
30161 Hannover
Telefon
04941
62828
0531
16166
05141
9461620
04721
38483
04221
96200
0551
632977
05151
43820
0511
9904020
Adresse Anlaufstelle
Straffälligenhilfe e. V.
Roonstraße 10
31141 Hildesheim
Anlaufstelle für Straffällige
Rheiner Str. 32
49809 Lingen
Anlaufstelle für Straffällige
Auf dem Meere 3
21335 Lüneburg
Anlaufstelle für Strafffällige
Dobbenstraße 26
26122 Oldenburg
Diakonie, Anlaufstelle für Straffällige
Parkstraße 19
49080 Osnabrück
Diakonie, Anlaufstelle für Straffällige
Am Schwingedeich 4
21680 Stade
Gefangenenfürsorgeverein Vechta
Blumenstr. 8
49377 Vechta
Diakonie, Anlaufstelle für Straffällige
Weserstraße 192
26382 Wilhelmshaven
Telefon
05121
33348
0591
9124722
04131
244470
0441
9709313/
14
0541
83077
04141
3013
04441
2503
04421
926528
Wohnmöglichkeiten
Institution
Adresse
Diakonisches Werk der ev.-luth. Kirchenkreise
Delmenhorst und Ganderkesee
Lutherstraße 4, 27749 Delmenhorst
Übernachtungsstelle für Obdachlose
Kolpingstraße 254, 37079 Göttingen
Göttinger Verein für Sozialberatung Betreutes Wohnen e.V.
Königsallee 254, 37079 Göttingen
Aktiv b+w e.V.
Alte Marktstraße 34, 31785 Hameln
KWABSOS o.V.
Immengarten 49, 31134 Hameln
Kath. Verein für soziale Dienste in Lingen e.V.
Bögenstraße 8, 49808 Lingen
Diakonisches Werk der ev.-luth. Kirche in Oldenburg e.V.
(nur Vermittlung, kein eigenes Wohnangebot)
Dobbenstraße 26, 26122 Oldenburg
Ev.-luth. Gesamtverband Osnabrück
Arndtstraße 19, 49008 Osnabrück
Laurentius - Haus
Berghoffstraße 15, 49090 Osnabrück
Arbeitskreis Schule Rhauderfehn e.V.
Am Heidacker 2, 26817 Rhauderfehn - Burlage
Ev.-luth. Kirchenkreis Stade
Ritterstraße 15, 21459 Stade
Oftmals bieten auch die Anlaufstellen für Straffällige, wie z. B. in Oldenburg und Wilhelmshaven,
Wohnmöglichkeiten. Fragt dort einfach mal nach.
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
71
Mixed
Adressen der Agentur für Arbeit
Agentur für Arbeit
Wilhelmstraße 7
26160 Bad Zwischenahn
Agentur für Arbeit
Weserstr. 2
26919 Brake
Agentur für Arbeit
Konrad-Adenauer-Allee 1
27471 Cuxhaven
Agentur für Arbeit
Pingel-Anton-Platz 5
49661 Cloppenburg
Agentur für Arbeit
Friedrich-Ebert-Allee 11
27749 Delmenhorst
Agentur für Arbeit
Thüler Straße 3
26169 Friesoythe
Leserbeitrag
Die Knödelbrotaffäre
Eine kurzweilige Geschichte aus der
JVA Oldenburg.
Als einer, der selber gerne kocht, und
das seit über 40 Jahren, der zudem lange
Zeit in Bayern gelebt
hat und obendrein lieber aus einfachen
Grundmitteln leckere
Speisen zubereitet,
statt Fertigfutter zu
kaufen, nun, der sammelt eben auch über
Monate hinweg einzelne Weißbrotscheiben,
um sie in einem Stoffbeutel zu trocknen, um
dann Semmelknödel
daraus zu machen.
Seit ich in Haft
bin, egal ob in Bayern
oder seit dem einen
Jahr, das ich hier in
Oldenburg verbrachte,
habe ich nun, wenn ich
mal eine Scheibe
Weißbrot übrig hatte,
diese in eben jenen
Stoffbeutel gepackt,
um dann von Zeit zu
Zeit davon mal Semmelknödel zu machen – bis zum Sonntag, dem 29.04.2007!
Da stand mal wieder eine Zellenkontrolle an und weg war das Knödelbrot.
72
Telefon
04403
9388 0
04401
9387 0
04721
664660
04471
9489 0
04221
9800 0
04491
9241 0
Adressen der Agentur für Arbeit
Agentur für Arbeit
Marktstraße 12c
26954 Nordenham
Agentur für Arbeit
Stau 70
26122 Oldenburg
Agentur für Arbeit
Neuer Markt 30/32
49377 Vechta
Agentur für Arbeit
Mühlendamm 1
27793 Wildeshausen
Agentur für Arbeit
Schillerstr. 43-49
26382 Wilhelmshaven
Nach dem Grund gefragt, wurde
mir gesagt, dies sei ein Verstoß gegen
die Hausordnung Kapitel III, Abschnitt
1 und 2.
Jetzt war ich aber der Meinung,
dass übrig gebliebene Weißbrotscheiben
keine Essensreste darstellen, die weggeschmissen werden müssen, sondern vielmehr ein durchaus noch zu verwendendes Lebensmittel darstellen. Deswegen
sprach ich am nächsten Tag nochmals
unseren Abteilungsleiter an. Ja, sagte er,
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
Telefon
04731
9498 0
0441
228 0
04441
946 0
04431
9371 0
04421
298 0
er habe auch diese Maßnahme des Beamten unterstützt. Auf meine Frage, ob
es mir dann aber gestattet sei, Knödelbrot beim Einkauf zu kaufen, um dann
daraus Semmelknödel zu bereiten, bejahte er mir meine Frage, sah sich dann
allerdings nicht so
recht imstande, mir
den Unterschied zwischen selber gesammelten und damit nicht
weggeworfenem Weißbrot, und gekauftem
Knödelbrot zu erläutern.
Als er, der zuständige
Abteilungsleiter, sah,
dass er in eine argumentative Sackgasse
geriet, nahm das Gespräch eine unschöne,
und damit gar nicht
mehr unverkrampfte
Wendung. Wenn ich
auf meinem Standpunkt beharren würde,
könnte er natürlich
auch argumentieren, es
sei zuviel an Weißbrot,
das ausgeteilt würde,
und er könne die Küche veranlassen, täglich ein Weißbrot weniger an unsere Abteilung zu schicken. Das
Gespräch war beendet.
Als Fazit bliebe nur
der Spruch von Fredl Fesl: „Ja so a
Knödl muas i sogn, der hoat scho moanchn Mo derschloagn!“ – solcherart
Argumente auch!
Dieter Schacht
Mixed
Backen hinter Gittern
Käsesahnetorte
Zutaten:
Wiener Boden hell (Biskuitteig 3-lagig) (bestellen)
2 Becher Schlagsahne
Gelatine gemahlen für 1 Liter Flüssigkeit (bestellen)
500 Gramm Quark
2 Zitronen
3 Dosen Mandarinen
Aprikosenmarmelade
Zucker
Puderzucker (bestellen)
Milch
Zubereitung:
Von dem Wiener Boden werden nur 2 Lagen benötigt (daher besser 2 x Wiener Boden bestellen,
ergibt dann drei Torten)
Die Bodenlage (ist dunkel gebacken) mit zwei Esslöffeln Aprikosenmarmelade bestreichen. Dann
dicht mit Mandarinen belegen. Anschließend dem Boden den „Kragen“ umlegen. (Am besten aus
Pappe anfertigen, nicht niedriger als 12 cm, mit Plastikfolie beziehen).
Die Sahne mit 3 Löffeln Zucker steif schlagen. Keine Fertigsahne benutzen!
Zur Seite stellen.
Die Gelatine nach Angabe mit Milch verarbeiten.
Quark mit 3 Esslöffeln Zucker, dem Saft der 2 Zitronen und ein wenig Milch glatt rühren. Mit der
gelösten Gelatine verrühren, dann die Sahne gut unter die Masse heben und auf den Tortenboden
gießen, glatt streichen. Diese Arbeitsschritte müssen schnell gehen, bevor die Quark-Sahne-Masse
anfängt, fest zu werden. Den zweiten Boden in die benötigte Anzahl an Tortenstücken aufteilen
und auf die Masse legen, vorsichtig andrücken.
1 ½ Esslöffel Puderzucker in ein feines Sieb geben und die Torte bestreuen. Mit Mandarinenstücken dekorieren.
Nach ca. 1 Stunde kann der Kragen entfernt werden.
Guten Appetit.
Dieter Schacht
Tr§tzdem 2007 Nr. 37
73
Tr§tzdem
Themen der nächsten Ausgabe
(voraussichtlich)
Sportturniere
• Berichte, Informationen und
Impressum
Herausgeberin
JVA Oldenburg
Cloppenburger Straße 400
26133 Oldenburg
Tel: 0441-4859 380
Fax:0441-4859 33 380
[email protected]
Fotos
Kontakt
über Wilfried Dannebaum
Redaktionsteam
Udo Müller (UM)
(hauptamtlicher Redakteur)
• Sport– und Sommerfest
Werner Brauer (WB)
(bis Mai 2007)
Kunst hinter Gittern:
Gittern
Gefangene stellen aus
Die künstlerische Kreativität
von Menschen hinter Gittern
braucht ihren Raum.
Dazu hatte die „Tr§tzdem“
alle Gefangenen aufgefordert,
ihre selbst gezeichneten oder
gemalten Bilder, ob farbig
oder schwarz/weiß zur Veröffentlichung einzusenden.
Jochen Etzel (JE)
(bis Juli 2007)
Wolfgang Frank (WF)
(bis August 2007)
Joachim G. (JG)
(ab Juli 2007)
Andreas Junker (AJ)
(bis Juni 2007)
Top-Thema:
Wer kommt rein, wer kommt raus?
DK
Markus Lanfer (ML)
RM
Stephan M. (SM)
(ab Juli 2007)
Dieter Schacht (DS)
(bis August 2007)
Lasse Wilms (LW)
Auflage
750 Exemplare,
3 Ausgaben jährlich
Layout
UM
•
•
•
•
Oldenburger Verhältnisse
Soziologische Studien
Migration
Kriminelle
Karrieren
Druck
Medienhaus Rösemeier
Alte Dorfstr. 42
26160 Bad Zwischenahn-Ofen
Internet
http://www.jva-oldenburg.de
• Ausstiegsszenarien
Veranstaltungen in der JVA
• Oldenburger Filmfest wieder zu
Gast in der JVA
Eine Auswahl zeigen wir jetzt
in unserer Galerie auf den
beiden nächsten Seiten.
Wir möchten aber auch zukünftig in dieser Zeitung weitere Bilder präsentieren, ob
nun in der Galerie oder zwischendurch mal wieder als
Postkarten, und rufen alle
Künstler auf:
Mitmachen!
In unserer Galerie stellen aus:
Jänis Bleiers
(1)
Jochen Etzel
(2)
Christian Harms
(3)
Jan Hollander
(4)
Patrick
(5)
Hinweis
Die “Tr§tzdem” ist vorlagepflichtig.
Wir sind dankbar über jeden
Artikel, jede Geschichte oder
einen Leserbrief. Namentlich
gekennzeichnete Artikel geben
nicht unbedingt die Meinung
der Redaktion wieder.
Die präsentierten Formate entsprechen nicht
den Originalformaten
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