Tr§tzdem - Justizvollzugsanstalt Oldenburg
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Tr§tzdem - Justizvollzugsanstalt Oldenburg
Tr§tzdem Gefangenenzeitung der JVA Oldenburg Nr. 37 September 2007 Hockeyturnier S. 20 S. 9 S. 29 S. 73 S. 24 Top-Thema Neue Vollzugsschwerpunkte S. 28 S. 19 S. 53 „Woyzeck“ S. 22 Die Meister S. 38 S. 14 S. 14 Gesetze, Urteile S. 38 Entwurf NJVollzG S. 33 S. 66 Humor Inhalt Inhalt Seite JVA intern In eigener Sache (Redaktionsinfo) 4 Informationen & Veranstaltungen 4 Fragebogen für Beamte 6 Fragebogen für Gefangene 7 Keine Gewalt! 8 Die GIV informiert 8 (Luft-) Matratzen 8 Die Bau– und Hofkolonne 9 Neubau einer Werkstatt 10 Auf Schub 12 Der Pendler 14 Aus für Abteilungen? 16 Ein Wunder 17 Muslime im Knast 17 Ramadan 18 Ein Holländer in der JVA 18 Abpfiff 19 Nachrufe 19 Inhalt Seite Der Selbstbedienungseinkauf Abschiebepraxis Aus der Rechtsprechung, Urteile Grundrechte BGH sucht neue Wege Hoffnung für Unschuldige Das Oldenburger Verständnis Kultur — Ausland — Medien Literatur & Co. Spezial 42 Der Hörbuch Club 42 - Hörbücher Literatur & Co. Recht — Soziales Zum neuen NJVollzG Aus den Ausschüssen Der Vollzugsplan 33 33 35 42 Buchtipps „Woyzeck“ Autoreninfo John Irving Neue Literaturgruppe Ingeborg Drewitz Literaturpreis Gedichte Auslandsinfo: Schweden Buchtipp Presseschau - Schlüssel das wichtigste... - Strengere Haftbedingungen... - Gefangene betten sich bald... - Grüne kritisieren harte Linie... - 600 Sextäter jährlich zurück... - Klickend in den Knast - Jugendliche immer… - Scharfer Streit über neues… - Langer Weg zum Ziel - Drinnen läuft für Draußen Seite - Härtere Bandagen im Knast - Häufig verurteilt - Grüne für offenen Vollzug - Aus erster Hand Humor im Knast 64 64 64 65 66 Mixed Schachrätsel und Sudoku Das Superquiz Aus der Bücherei Preisrätsel Adressen Leserbeitrag Backen hinter Gittern Vorschau nächste Ausgabe Impressum 68 69 69 70 71 72 73 74 74 46 Kunst hinter Gittern - Buchtipps Bildung — Sport — Gesundheit Die neuen „Schiris“ 20 Hockey-Herausforderung 20 Sportplatzwiedereröffnung 21 Das kleine Fußballturnier 21 Niedersachsenmeister! 22 Top-Thema: Neue Vollzugsschwerpunkte 24 • Bildungsmaßnahmen 24 • Leitgedanken 24 • Angebote ausgewählter JVAs 26 • Eine Bildergeschichte 27 • Alphabetisierungskurs 28 • Migrationsgruppe 28 • ECDL, Abschlussbericht 29 • Impressionen zum ECDL 30 • Elementarkurs Berufl. Bildung 31 • Sprachkurse in Eigeninitiative 32 36 37 38 40 40 41 41 Inhalt - 75 46 52 53 54 55 56 57 58 59 60 60 60 61 61 61 62 62 63 63 63 Redaktionsschluss für die nächste Ausgabe ist der 22. November 2007 Spenden Auch wir sind auf Spenden angewiesen, um weiterhin das Erscheinen der “Tr§tzdem” in der gewohnten Qualität gewährleisten zu können. Wir bitten daher um Ihre Unterstützung und eine Spende auf das Konto der: JVA Oldenburg Verwendungszweck: Tr§tzdem Bank: BLZ: Konto-Nr.: Norddeutsche Landesbank, Hannover 25050000 106024813 Auf Wunsch wird gerne eine Spendenquittung übersandt. Tr§tzdem 2007 Nr. 37 3 JVA intern In eigener Sache Infos aus der Redaktion: Neu dazu gekommen sind Joachim G. und Stephan M.. Nicht mehr dabei sind Werner Brauer, der in den offenen Vollzug gegangen ist sowie Andreas Junker, der sich um einen Platz in einer anderen Einrichtung bemüht hat, Wolfgang Frank und Dieter Schacht. Unterstützung bekam Herr Dannebaum bei der Betreuung der Redaktion durch Frau Grenz. Unser Top-Thema in dieser Ausgabe: Neue Vollzugsschwerpunkte in Oldenburg. Ist die JVA Oldenburg bei ihrer Inbetriebnahme noch als eine reine Untersuchungshaftanstalt konzipiert worden, so weist die momentane Gefangenenstruktur ein völlig verändertes Bild auf. em d z t Fast die § Tr informiert Hälfte der Inhaftierten der Hauptanstalt sind aufgrund des veränderten Sicherheitskonzepts für die Niedersächsischen Justizvollzugsanstalten Strafgefangene. Dieser veränderten Gefangenenstruktur ist durch ein umfangreiches Behandlungs– und Bildungskonzept in der JVA Oldenburg Rechnung getragen worden. Über die wesentlichen Neuerungen wird nun berichtet. Nicht realisierte Themen: Wir hatten gehofft, dass es in den vergangenen Monaten gelingen würde, den Film „Der Kick“ von Andreas Veiel, der in einer nur schwer erträglichen Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse von einem Kriminalfall aus der Uckermark berichtet, in der JVA aufführen zu lassen. Leider haben organisatorische Gründe bisher gegen eine Realisierung gestanden. Wir wollten auch mehr über die sommerlichen Sportveranstaltungen berichten. Leider hat der Neubau der Halle für die Tischlerei dazu geführt, dass das übliche Sport– und Sommerfest nicht mehr stattgefunden hat. 4 Schach- und Sudoku- Lösung: Die Lösungen sind auf Seite 9 zu finden! Danke: Unser besonderer Dank gilt den verschiedenen Autoren unserer Beiträge, den Beamten, die ihre Freizeit dafür geopfert haben, den externen Autoren für Ihr Interesse an qualitativ guten Gefangenen-Zeitungen und den Gefangenen, die eine ungewohnte Tätigkeit auf sich genommen haben. An dieser Stelle bedanken wir uns bei Frau Barkemeyer, die der Tr§tzdem stets verbunden ist und jedes Mal viel Arbeit beim Korrektur lesen hat. Sie wird unterstützt von unserem externen Redaktionsmitglied D K. Informationen & Veranstaltungen Alphabetisierungskurs Lerngruppe Herr Dannebaum Anmeldung mit VG 51 Sportlehrer Dienstags Freitags von 16:30 bis 18:15 von 13:15 bis 14:45 Migrationskurs Gefährdetenhilfe Für Gefangene mit Migrationshintergrund, die das Ziel und die Möglichkeit haben, in Deutschland zu bleiben. Seelsorgerisches Angebot in ehrenamtlichem Engagement aus christlicher Verantwortung von gläubigen Christen, die in der Gruppe Bibelarbeit und Gespräche anbieten und gemeinsam musizieren. Ziele dieser Maßnahme sind: Vorbereitung und Motivation für die Teilnahme an weiterführenden Bildungs– und Ausbildungsmaßnahmen, Verbesserung der Integration in die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland und Finden der eigenen Identität in der neuen gesellschaftlichen Umgebung. Herr Buß Frau Danilin Auf Antrag bei Vorlie- Dienstags von bis Jeweils für 6 Monate gen der Voraussetzungen und max. 10 Teilnehmer 13:30 16:00 Wie schon in der vorhergehenden Ausgabe, sind die von Mitinhaftierten aus Oldenburg und an anderen Orten gezeichneten und gemalten Bilder in eine Galerie aufgenommen worden. Den Künstlern danken wir für ihre Bereitschaft, ihre Werke den Lesern der Tr§tzdem vorzustellen. Postkarten soll es wieder in der Weihnachtsausgabe geben. Große Unterstützung erhielten wir von vielen Buchverlagen, die uns mit vielen wertvollen Rezensionsexemplaren versorgt haben. Die Bücher sind wie immer auch in der Gefangenenbücherei erhältlich. UM Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Das Angebot richtet sich in erster Linie an Gefangene, die aus dem russischen Sprachraum kommen. Durchgeführt wird es von 8 Ehrenamtlichen in unterschiedlicher Besetzung. Frau Barkemeyer Anmeldung mit VG 51 Sozialdienst Team 1 Mittwochs von bis 18:00 19:30 ZoG „Zukunft ohne Gewalt“ Kognitiv-behaviorales Behandlungsprogramm, geschlossene Gruppe mit 8 -10 Gefangenen über 15 Monate Auf Antrag bei Frau Grenz Vorliegen der VorHerr aussetzungen Schwindeler Donnerstags i. d. R. 14-tägig Bei Bedarf wöchentlich von 17:15 bis 19:15 Beginn: 30.8.07 JVA intern Informationen & Veranstaltungen Gottesdienst Anonyme Alkoholiker Kirchengruppe „AA“ Gottesdienst in der Kapelle unabhängig von der Konfessionszugehörigkeit Frau Menz Herr Kisse Seelsorge Sonntags Anmeldung im Stationsbüro bis Donnerstag von 10:45 bis Gesprächsgruppe Herr Korn Sozialdienst Team 1 Montags 11:15 Gesprächsgruppe Anmeldung mit VG 51 von bis Frau Menz Seelsorge Anmeldung mit VG 51 17:45 1. und 3. von 16:30 19:15 Montag bis 18:00 Musikgruppe Spielegruppe Literaturgruppe Gemeinsames Musizieren Brett-, Karten-, Gesellschaftsspiele und mehr Gruppe für Literaturinteressierte Herr Wojtke Abteilungshelfer Team 1 Anmeldung mit VG 51 Frau Barkemeyer Anmeldung mit VG 51 Herr Kisse von 1. und 3. Seelsorge Anmeldung mit VG 51 Sozialdienst Team 1 Dienstags von 17:00 bis Dienstags 19:00 bis 16:45 18:15 Mittwoch von 16:30 bis 18:00 AnstaltsleiterSprechstunde Chor Orientierungsgruppe für Drogenabhängige Einzelgespräch Gospelchor der JVA Elf Sitzungen im Gruppenraum des Suchtberatungsdienstes (SBD) bei Station D3 mit Herrn Höpken von der Caritas in Sögel Herr Zech Vollzugsleitung Anmeldung mit VG 51 Frau Menz Seelsorge Anmeldung mit VG 51 Herr Höpken externer Suchtberater Mittwochs von 16:00 bis 17:00 Donnerstags von 16:30 bis 19:00 Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Donnerstags Antrag an den Suchtberatungsdienst von 16:30 bis 18:00 5 JVA intern Fragebogen für Beamte Name: Michael Schwindeler Alter: 38 Im Dienst seit: Mai 2007 Team: 2 Frage 1: Warum wählten Sie den Beruf des Vollzugsbeamten und wie ist Ihr beruflicher Hintergrund? Ich habe eine Ausbildung zum Industriekaufmann absolviert und war in der Folgezeit in der Buchhandlung meines Ausbildungsbetriebes beschäftigt. Während meiner Zivildienstzeit habe ich mein Herz für die Arbeit mit Menschen entdeckt und angefangen, mich für Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Psychologie zu interessieren. Mein Studium der Sozialpädagogik habe ich dann durch eine Nebentätigkeit bei einem Paketdienst finanziert und habe danach eine Tätigkeit im Jugendhilfebereich aufgenommen, bis ich vor ca. 5 Jahren in den Fachdienst der JVA Meppen gewechselt bin. Anfang Mai 2007 bin ich dann in die JVA Oldenburg gewechselt. Frage 2: Wie beurteilen Sie den Vollzug in Oldenburg im Gegensatz zu anderen Anstalten? Um eine abschließende Beurteilung abzugeben, bin ich noch nicht lange genug in der JVA Oldenburg. Außerdem war ich in der JVA Meppen hauptsächlich in der sozialtherapeutischen Abteilung beschäftigt. Mein Haupttätigkeitsfeld lag somit in der Therapie und Behandlung von Sexual- und Gewalttätern. Vergleiche sind insofern kaum anzustellen. Die höhere Sicherheitsklassifizierung und die Sauberkeit in der JVA Oldenburg sind schon bemerkbar. Frage 3: Falls Sie die Frage beantworten möchten: Haben Sie Familie? Was haben Sie für Hobbys, was machen Sie in Ihrer Freizeit? Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder, mit denen ich viel Zeit verbringe. Außerdem spiele ich noch Handball, allerdings ohne regelmäßig zu trainieren. Wenn ich dann noch Zeit habe genieße ich die freie Zeit. Frage 4: Können Sie das Private vom Beruf trennen? Für mich ist es wichtig, authentisch wahrgenommen zu werden. Keinerlei Verflechtungen von Privatem und Beruf halte ich für utopisch. Ich bin jemand, der sich freuen und ärgern kann, aber auch mutig, wütend oder ängstlich ist. Diese Facetten habe ich im Privaten und im Beruf. Natürlich besetze ich in der JVA eine Berufsrolle, an die es auch bestimmte Ansprüche gibt. Das ist auch gut so. Dennoch möchte ich den ganzen Menschen wahrnehmen und mich nicht im Gespräch mit einer emotionslosen Gefangenrolle unterhalten. Frage 5: Wie beurteilt Ihr privates Umfeld (Familie und Freundeskreis) ihre Arbeit in der JVA? Von flüchtigen Bekannten werde ich, wenn sie von meinem Arbeitsplatz erfahren, immer mal wieder mit den gängigen Vorurteilen und Klischees konfrontiert. Manchmal lasse ich mich auf Diskussionen ein. Häufig blicke ich am Ende in sehr erstaunte Gesichter, wenn begriffen wurde, was der Entzug der „Freiheit“ alles mit sich bringen kann. Meine Familie, meine Freunde und mein näheres soziales Umfeld akzeptieren meine Berufswahl. Frage 6: Wo sehen Sie Kritikpunkte und/oder auch Lob am Verhalten der Inhaftierten hier in der JVA? Ich freue mich über Inhaftierte und Bedienstete, die versuchen, die Beweggründe und Sichtweisen der jeweils Anderen zu hinterfragen, nachzuvollziehen und dafür Verständnis aufzubringen. Ein freundlicher Umgangston, eine nette Geste oder auch nur ein bisschen Zeit zeugen von Respekt und Wertschätzung des Anderen. Entsprechend ärgere ich mich, wenn ich keine Zeit habe und Inhaftierte nur kurz abwiegeln kann oder Gesprächswünschen nicht zeitnah nachkommen kann. Bei einigen Gefangenen ärgerte mich ein offensichtliches Zweckverhalten, Unehrlichkeit und „Anschieben“. Frage 7: Was würden Sie am Strafvollzug ändern, wenn Sie die Möglichkeiten dazu hätten bzw. welche Möglichkeiten haben Sie, auf den Vollzug einzuwirken? Ich glaube, dass es derzeit keine geeignete Alternative zum Strafvollzug gibt. Es gibt in unserer Gesellschaft Regeln, an die jeder sich zu halten hat. Wenn keine Konsequenzen aus einem Regelverstoß zu erwarten wäre, würde sich niemand an die bestehenden Regeln halten. Aus meiner Sicht hieße das letztlich, dass es eine Rückkehr zu einem Faustrecht oder ähnlichen Rechtssystemen geben würde, die von den vermeintlich Stärkeren der Gesellschaft willkürlich bestimmt werden könnten. Mein Wunsch ist das nicht. Ich halte die soziale Solidargemeinschaft, trotz ihrer Fehler, Schwächen und Schieflagen, für ein sehr schützenswertes Gut. Im Strafvollzug möchte ich für einen wertschätzenden und respektvollen Umgang miteinander werben. Werte und Wertschätzung lassen sich nicht gesetzlich regeln oder verfügen. Sie sind von allen beteiligten Personen abhängig und besonders in Krisenzeiten und bei negativen Entscheidungen schwer zu praktizieren. Allgemein gültig ist: Veränderungswünsche und Veränderungen entstehen immer dann, wenn es den Anschein hat und/oder vorgelebt wird, dass es anders „besser“ funktionieren kann. Dies gilt selbstverständlich auch für den Strafvollzug, erfordert jedoch Geduld, die häufig nur schwer aushaltbar ist. 6 Tr§tzdem 2007 Nr. 37 JVA intern Fragebogen für Gefangene Name: Alter: In Haft seit: Station: Joachim G. 44 Jahre 22. Mai 2007 C3 Frage 1: Wie kommst Du mit Deiner Situation hier in der Haft zurecht? So gut es möglich ist. Solange ich nicht an draußen denke, geht es inzwischen recht gut. Frage 2: Wie findest Du den Vollzug hier, auch im Vergleich mit anderen Anstalten? Liberal und konsequent. Allerdings mangelt es an genügend Beamten, die dies auf unterster Ebene, sprich im Kontakt des täglichen Lebens hier, auch so leben können, oder wollen?! Was sehr bedauerlich ist, da das Konzept nur Früchte tragen wird, wenn es auch so wahrgenommen werden kann. Dafür mangelt es an Personal und Zeit, um dies transparenter zu machen. Frage 3: Wie verbringst Du Deine Zeit hier? (Arbeit, Freizeit, Hobbys) Ich arbeite in U1 und finde es sehr interessant, an oder für Alternativenergieanlagen arbeiten zu können. Die Freizeit, die dann noch übrig bleibt, nutze ich zum Kochen, Spielen und hauptsächlich für Sport, was auch mein Hobby ist. Ansonsten lese ich gerne ein Buch aus der gut sortierten Bücherei hier. Frage 4: Wie zufrieden bist Du mit Deiner Station? Oberflächlich betrachtet bin ich zufrieden mit meiner Station. Durch das Kommen und Gehen und vor allem durch die U-Haft-Situation empfinde ich es als schwierig, Vertrauen aufzubauen und ohne diese fühlt es sich immer etwas kühl an, hier zu leben auf der Station. Alles andere sind Dinge, Verhaltensweisen, die sich nicht in einem Satz klären lassen und von denen ich mich abzugrenzen versuche. Frage 5: Wie ist Dein Verhältnis zu Deinen Mitinhaftierten? Liberal und konsequent. Auch auf unterster Ebene versuche ich freundlich zu sein, erwarte aber auch Respekt, wie sie jedem zusteht, um Luft zum Leben zu haben. Was ganz schön anstrengend sein kann. Ich muss aber nicht jeden mögen und mich braucht auch nicht jeder gut leiden zu können. Ich lebe hier eigentlich wie in Freiheit auch – alle sind zuerst Menschen und dann evtl. Mitinhaftierte. Frage 6: Bist Du mit den Sport- und Freizeitangeboten zufrieden, hast Du Verbesserungsvorschläge? Für den arbeitenden U-Häftling sind die Angebote ausreichend. So denke und erlebe ich es. Für Nichtarbeiter, die keine Sportler sind, könnte man bestimmt noch Alternativen anbieten. Verbesserungen würde ich gerne für die Menschen sehen, die kaum oder kein Deutsch sprechen und vor allem keine Sportler sind; deren Tage sind sicher „länger“! Vielleicht TV-Programme von ausländischen Sendern? Frage 7: Hast Du Anregungen und/oder Kritik hier am Haftalltag? Jede Menge; ich befürchte aber, dass es alleine am Geld scheitern wird und so die bestehende Situation des Haftalltags an- oder hingenommen werden muss. Von allen Beteiligten. Ansonsten bleibt nur Eigeninitiative für zum Beispiel ein Billard- oder Kickerturnier. Im menschlichen Bereich kann auch jeder für sich etwas tun, um den Alltag zu verbessern Frage 8: Hast Du Kontakt nach draußen, bekommst Du Besuch? Ja. Alles andere trage ich in mir; das ist mein Schatz. Frage 9: Hat Dir die Zeit im Knast bisher etwas gebracht? Ja. Ich weiß wieder, was ich alles aufs Spiel gesetzt habe! Eigentlich, wie ich das vergessen konnte oder nicht genug wertgeschätzt habe. Das ist sehr viel, finde ich. Frage 10: Was wirst Du nach Deiner Haftentlassung machen? Nach Hause gehen zu meiner Lebensgefährtin, unserem Kind, den Hunden, Katzen und versuchen so zu leben, dass ich jede Nacht dort mit ruhigem Gewissen einschlafen kann. Tr§tzdem 2007 Nr. 37 7 JVA intern Die GIV informiert Nichts ist schlechter zu ertragen, als eine Reihe von guten Tagen! An diese Volksweisheit wird man erinnert, wenn man hört, dass einige Gefangene an den Pfingstfeiertagen nicht besseres zu tun hatten, als sich auf ihren Stationen zu prügeln und Mitgefangene zu drangsalieren. Anscheinend haben es einige immer noch nicht begriffen, dass sie sich zu ändern haben, oder glauben sie vielleicht , wenn sie sich noch in Untersuchungshaft befinden, ihre mitgebrachten Gewohnheiten in einer JVA weiter pflegen zu können. Gewaltfreiheit ist ein hohes Gut jeder zivilisierten Gesellschaft und ist eine Grundbedingung für ein gedeihliches Miteinander. Dies gilt auch und gerade in einem Gefängnis. Nur unter der Voraussetzung der Gewaltfreiheit (und der Drogenfreiheit) besteht eine Chance der Zusammenarbeit mit Bediensteten und Gefangenen und damit der Resozialisierung. Es ist daher nur richtig, wenn die Anstaltsleitung streng darauf achtet, dass Gewaltfreiheit in der Anstalt herrscht und gegen diejenigen, die sich nicht daran halten, energisch vorgeht. Auch im Knast ist Körperverletzung strafbar und grobe Verstöße gegen die Disziplin müssen geahndet werden. Die Anstaltsleitung wird darin von allen unterstützt, auch und gerade von den Gefangenen, die ein Interesse daran haben, in die Gesellschaft als guter Nachbar wieder aufgenommen zu werden. Die Anstaltsleitung täte aber auch gut daran, die Gründe für tätliche Auseinandersetzungen zu untersuchen, denn manche Konflikte haben ihre Wurzeln im zwangsweise engen Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlicher Kultur oder Religion, die auch in einer JVA gemildert werden könnten. UM 8 An die Tr§tzdem Hiermit stellen wir uns, die neue GIV, bei euch vor. Unsere Namen sind euch hoffentlich bereits bekannt; falls nicht, stellen wir uns hier noch mal vor: Bekir Candogan, Michael Witte, Christian Ockenge. Wir setzen uns für die Interessen der Gefangenen ein, soweit dieses uns möglich ist und sie realistisch sind. Unsere Aufgabenbereiche schließen sich aus sehr vielen Bereichen zusammen; sofern dies nicht die Ordnung und Sicherheit gefährdet oder beinhaltet, versuchen wir zugunsten ALLER Verbesserungsvorschläge für den Alltag, mit den ALs/SDLs/VALs zu besprechen. Dies ist nicht immer einfach, aber wir sind hartnäckig. Wir möchten niemanden im Unklaren lassen über das, was wir durchsetzen wollen, aber es ist unklug, vor einem Gespräch seine Argumente aus der Hand zu geben. Nähere Informationen seht ihr den nächsten Aushängen entsprechend. Ihr könnt uns über Antrag (VG 51) jederzeit zu einem persönlichen Gespräch einladen. Auf dem Antrag sollte stehen: „Ich bitte um eine Gespräch mit der GIV!“ Gründe brauchen nicht drauf zu stehen! Wenn ihr es wünscht, könnt ihr auch einen von uns direkt sprechen dies bitte entsprechend auf den Antrag schreiben. Bitte bedenkt, dass es in der Regel bis zu einer Woche dauern kann; sobald wir den Antrag vorliegen haben, kommen wir zu euch. Die Sicherheitsstation ist nur bei Vorlage besonderer Gründe von uns betretbar, aber mit entsprechender Sonderregelung auch machbar. Sonst dürfen wir mit Antrag von euch zu euch kommen und im Rahmen unserer Arbeit mit euch sprechen. Wir wollen einiges schaffen, welches leider unbearbeitet blieb von der vorherigen GIV, was nur zu unserem jetzigen Nachteil ist, aber wir bleiben am Ball! Wobei eines ganz klar und deutlich gesagt werden muss: Wir schaffen nur etwas, wenn alle an einem Strang ziehen und nicht so verfahren wird wie z.B.bei den Themen Cola/Zigarettenautomaten, Bargeld, (was alles einmal vorhanden war) sowie der Preisanstieg beim Kaufmann. Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Denn letzten Endes leiden WIR alle darunter. Es wurde seit ca. 5 Jahren soviel kaputt gemacht - denken WIR alle einmal ernsthaft darüber nach! In diesem Beitrag wollen wir auch auf das stets aktuelle Thema Gewalt zu sprechen kommen. Täglich kommt es zu Gewalt in dieser Anstalt, meist in verbaler Version, aber auch in nonverbaler Weise. Wo beginnt Gewalt und wo hört sie auf? Beginnen tut sie schon bei negativem Umgang miteinander, so z.B.: zu lauter Musik, zu hoher Bass, Sprüche unter aller Würde oder sonst in dieser Richtung. Wir sind alle nicht perfekt und wir sind auch nicht hier, um Freunde zu finden, sondern für jeden hier sollte eines im eigenen Interesse klar sein, auch wenn es sehr schwierig ist, sind wir hier, weil wir uns nicht an die Gesetze dieses Landes gehalten haben und müssen für uns persönlich schauen, dass wir es schaffen, zukünftig straffrei zu leben! Auch ist es nicht zu empfehlen, wegen jeder Bagatelle zum Beamten zu rennen, denn dies ist sehr nervig und führt zu zweifelhaftem Glauben der Anliegen, wenn es mal ernst ist! Jeder hier war stark genug, Straftaten zu begehen, und hier bekommt man Pipi in den Augen bei der kleinsten Sache? Nun denn, wir wollen Einiges erreichen, und hoffen, dass nicht zu viele Steine im Wege liegen, wo auch hier WIR als Gefangene sehr viel zu beitragen. Alle Fragen, Anregungen oder sonstiges, was die GIV betrifft, können wir gerne in einem persönlichen Gespräch klären. Bis bald, eure GIV In der Presse war zu lesen (siehe Seite 61 dieser Ausgabe), dass es für die Gefangenen neue Matratzen geben soll. Darauf haben nicht nur die Gefangenen selbst seit Jahren gewartet, sondern auch die für die Gesundheit der Gefangenen verantwortlichen Personen, insbesondere die Anstaltsärzte. Daher haben alle gehofft, dass der schon seit Jahren reklamierte Produkt-Mangel alsbald behoben wird. Ankündigungen dazu hat man ja schon oft vernommen. Nun soll es also soweit sein! Aber anscheinend ist der Weg von Hannover nach Oldenburg doch länger, als gemeinhin bekannt, denn bisher sind in Oldenburg noch keine neuen Matratzen angekommen. UM JVA intern Ein Arbeitsbetrieb stellt sich vor Mülls kostenneutral entsorgt. Ein weiterer Bereich ist die Pflege der Außenanlagen. Dazu gehören im Wesentlichen alle gärtnerischen Arbeiten und natürlich auch das Schneeräumen im Winter. Bau– und Hofkolonne In loser Reihenfolge möchte die Tr§tzdem die Arbeitsbetriebe der JVA vorstellen, in denen Gefangene Beschäftigung finden. Dazu wurde am 27.06.07 in der Redaktion ein Gespräch mit Herrn Kurt Müller, dem Leiter der Bau- und Hofkolonne, geführt. Was zählt, ist: • Respekt • höflicher Umgang • Teamfähigkeit Tr§tzdem: Herr Müller, erzählen Sie uns vorab bitte etwas zu Ihrer Person, zu Ihrem beruflichen Werdegang und Ihrer Aufgabe. Herr Müller: Nach mittlerer Reife, einer abgeschlossenen Lehre als Elektroinstallateur und nach dem Wehrdienst habe ich eine Tätigkeit bei einem Steinmetzbetrieb aufgenommen. Dort konnte ich in den 9 Jahren der Beschäftigung viele Erfahrungen im Umgang mit Menschen, der Verarbeitung von Granit und Marmor, dem Fas- saden- und Treppenhausbau und vor allem darin sammeln, was es heißt, auf dem Bau schwer körperlich zu arbeiten. Mit 30 Jahren habe ich mich dann umorientiert und 1998 in der JVA Oldenburg an der Gerichtsstraße die Ausbildung als Justizvollzugsbeamter begonnen. Direkt nach der Ausbildung konnte ich dann zur neuen JVA an der Cloppenburger Straße wechseln, wo mich Herr Koop für die Übernahme der Verantwortung für die Bau- und Hofkolonne begeisterte. Tr§tzdem: Welche Aufgaben hat die Bau- und Hofkolonne? Herr Müller: Die Aufgaben sind vielfältig. Eine nicht unwesentliche Aufgabe ist auch die Vorbereitung von Veranstaltungen. Es beginnt mit der Bauinstandhaltung, einem Bereich, worunter kleinere Malerarbeiten, Bauarbeiten, Reparaturen an baulichen Anlagen sowie Sanitärund Elektroeinrichtungen fallen. Hier ist viel handwerkliche Geschicklichkeit gefragt. Heutzutage wird dieser Bereich dem Gebäudemanagement zugerechnet. Tr§tzdem: Wie sieht es dann mit der Ausstattung mit Gerätschaften und Gebäuden aus? Dazu kommt dann die Wartung der Kraftfahrzeuge. Es werden kleinere Reparaturen durchgeführt, die Fahrzeuge werden g e w a schen, innen gereinigt und Tr§tzdem: Welche Anforderungen bestehen dann beim Personal, also auch bei den Gefangenen? poliert und es wird eine Füllmengenkontrolle bei Öl und Wasser durchgeführt. Ein großer Bereich ist die Müllsortierung und –entsorgung. Der Müll wird nach seinen Hauptbestandteilen sortiert: Teile für das „Duale System“, Papier, Biomüll und Restmüll. Dadurch, dass der Restmüll, für dessen Entsorgung die JVA dann nur noch zu zahlen hat, unter 1/3 der Gesamtmenge fällt, werden für die JVA große Einsparungen erzielt. Wenn man bedenkt, dass alleine am Montag schon zwischen 70 bis 100 Mülltonnen zu leeren sind, kann man sich ausrechnen, was durch die Arbeit der Gefangenen erreicht wird. Denn außer dem Restmüll werden alle anderen Bestandteile des Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Herr Müller: Bei der Ausstattung sind keine Wünsche offen. Wir verfügen über 2 Trecker, Aufsitzmäher und die nötigen Kleingeräte sowie über 2 Werkstätten, das Müllentsorgungsgebäude und den Kfz-Waschplatz. Herr Müller: Die ganze Arbeit wird im Wesentlichen von meinem Kollegen, Herrn Hinrichs, und mir sowie von bis zu 8 Gefangenen bewältigt. Grundvor- Sesam, öffne dich! aussetzung ist die Lust zur Arbeit. Auch wenn sich das vielleicht etwas einfach anhört, aber es ist tatsächlich die wichtigste Voraussetzung für jeden Gefangenen, der in der Bau- und HofFortsetzung auf Seite 10 Lösungen der Aufgaben von Seite 69 SUPERSUDOKU 9 JVA intern Fortsetzung auf Seite 9 Neubau einer Halle kolonne arbeiten will. Die vollzuglichen Vorbedingungen werden natürlich durch den Vollzugsdienst festgestellt, ich habe aber die Möglichkeit, eine gewisse Auswahl aus den arbeitsbereiten Gefangenen zu treffen. Eine bestimmte Vor-Qualifizierung ist nicht erforderlich. Wir leiten alle Gefangenen so an, dass sie zu wertvollen Mitar- beitern werden, die dann in der Regel zwischen 3 Monaten und bis zu 3 Jahren bei uns bleiben; meist bis zum Ende ihrer Haftzeit. Tr§tzdem: Haben Sie Wünsche für die Zukunft? Herr Müller: Momentan läuft alles optimal. Die Gefangenen arbeiten sehr selbstständig oder unter geringer Anleitung, wenn auch unter Aufsicht und wir erreichen oft für uns ein Optimum bei der Arbeitseinteilung. Dennoch gilt immer noch: das Unkrautzupfen ist nicht beliebt! Das, was uns in der Bau- und Hofkolonne stark macht, ist: Respekt voreinander, höflicher Umgang miteinander und die Teamfähigkeit jedes Einzelnen. Tr§tzdem: Herr Müller, wir danken Ihnen für das Gespräch. UM Humor „Nun Oma, wie funktioniert denn das neue Hörgerät?“ – „Sehr gut, ich habe jetzt schon dreimal mein Testament geändert!“ 10 In der Tr§tzdem Nr. 35 vom Dezember 2006 haben wir schon in Form einer Glosse auf ein neues Projekt der JVA Oldenburg aufmerksam gemacht. Wird andernorts viel über eine Erfolgsge- schichte gesprochen, so geschieht dies in Oldenburg manchmal ohne viel Aufhebens. Jetzt aber ist der Zeitpunkt da, zu dem darüber berichtet werden muss, denn die Ergebnisse sind nicht mehr zu übersehen. Wir haben dazu ein Gespräch mit Herrn Matthias Pape geführt, dem Leiter des BIT, in der die Bereiche Bau, Informationstechnik und Technischer Dienst zusammengeführt sind. Herr Pape, 39 Jahre alt, ist seit 9 Jahren im Vollzug tätig, nachdem er vorher Betriebswirtschaftslehre studiert hat, berufliche Erfahrung im Groß- und Einzelhandel mit Schwerpunkt im Personalwesen sammelte und nach seiner Ausbildung für den Vollzug vom Anstaltsleiter Herrn Koop für seine jetzige Aufgabe gewonnen wurde. Uns interessierte natürlich alles Wissenswerte zur neuen Halle, aber auch das wirtschaftliche und organisatorische Umfeld. Hier nun Herr Pape: Tr§tzdem 2007 Nr. 37 „Wie bekannt sein dürfte, laufen bei BIT die Fäden für die Bereiche Bauund Hofkolonne mit Herrn Müller und Herrn Hinrichs, der Informationstechnologie mit Herrn Waßerberg und Herrn Heidemann sowie der Sicherheits- und Gebäudetechnik mit Herrn Kaltenhauser, Herrn Groß und Herrn Lampe zusammen. Das bedeutet immer viel Koordinationsarbeit in allen technischen, organisatorischen und wirtschaftlichen Fragen. Daher kam mit dem Neubau einer Halle für die Tischlerei auf alle an der Realisierung Beteiligten eine interessante , anspruchsvolle, aber auch fordernde Aufgabe zu. Die baulichen Gegebenheiten der alten Tischlerei waren in den letzten Jahren immer beengter geworden, nicht zuletzt wegen der sehr guten Auftragslage und Auslastung. Auf Initiative von Herrn Koop kam es 2005 zu Vorüberlegungen. Die Kosten wurden überschlagen, und die Ideen nahmen derart konkrete Formen an, dass ab Anfang 2006 die ersten Planungsskizzen auf den Tisch kamen. Herr Koop hatte schon sehr früh ganz bestimmte Vorstellungen und gab den Pla- JVA intern Rohmaterial-, Zwischen- und Fertignungsbeteiligten, insbesondere den nun hauptamtlich dafür zuständigen Damen und Herren des Staatlichen Baumanagements - früher als „Staatshoch- schell Gestalt an. Zeitaufwendiger wurde es dann mit dem Ausbau, denn schließlich handelt es sich um ein hoch installiertes Gebäude mit den elektrischen Leitungen und der Druckluftringleitung zur Versorgung der Maschinen mit Energie, den Anlagen zur Reinigung der Raumluft und der anstaltsspezifi- bauamt“ bekannt - viele Anregungen. Im Juni/ Juli sollte Baubeginn sein. Aber bevor es soweit war, galt es, den Ingenieuren und Architekten des Baumanagements die Besonderheiten eines Baus in einer JVA, insbesondere die vollzuglichen Belange, näher zu bringen. In zig Besprechungen reifte die Planung für das Bauwerk schließlich heran, sodass die gemeinsam erarbeiteten Pläne und Ausschreibungsunterlagen rechzeitig auf den Weg gebracht werden konnten Die Kubatur des Gebäudes mit einer Hallengröße von 560 Quadratmetern, das Raumprogramm mit Werkstatt, Büros, Teeküche, Sozialraum, Toiletten, Heizungs- und Versorgungsräumen, der Einrichtungsplan für Maschinen, Material- und Fertigteillager und den Verkehrsflächen und die Planung für die Sicherheitseinrichtungen waren zu einer abgestimmten Baulösung aus einem Guss geworden. Im Juli war es dann tatsächlich soweit: Baubeginn! Zuerst galt es, die Baufläche im Bereich des Sportplatzes zu schaffen und sodann nahm der Rohbau schen Haus- und Sicherheitstechnik. Alle mussten mit anpacken, denn ein hoher Anteil der Ausbauarbeiten sollte in Eigenleistung erbracht werden. Zum Frühjahr hin wurde dann der Außenbereich fertig gestellt. Auch die Bau-Narben auf dem Sportplatz wurden zunehmend weniger sichtbar. Als dann schließlich die ersten Maschinen und Einrichtungen aus der alten Werkstatt in die neue Halle gebracht werden konnten, wurde sichtbar, dass die Herren Budde, Wiesner und Hellmer von der Leitung der Tischlerei mit der Planungsgruppe eine sehr gute Einrichtungsplanung erstellt hatten. So ordneten sich jetzt sehr zweckmäßig das CNC-gesteuerte Bearbeitungszentrum, die Plattenaufteilsäge, die Fräse, der Abrichter oder die Schleifmaschinen in den Arbeitsfluss ein. Auch für ein weiteres Bearbeitungszentrum ist schon ein Platz reserviert. Tr§tzdem 2007 Nr. 37 teilläger haben sich ebenfalls schon gefüllt. Bis zu 15 fachlich gut qualifizierte Gefangene werden einen hellen und gut ausgestatteten Arbeitsplatz haben. Die Nutzung der Halle hat im Juli begonnen und im September wird es eine offizielle Übergabe durch die niedersächsische Justizministerin Frau Heister-Neumann geben. Dass der Platz dringend benötigt wurde, ist daran zu erkennen, dass die bisher 8 bis 10 Gefangenen mit der Werkstattleitung schon bisher mit dem Herstellen von Büro- und Haftraummöbeln sowie die Anfertigung von Spezialmöbeln auf Kundenwunsch extrem gut ausgelastet waren. Über die derzeitigen Lieferzeiten von über 4 Monaten könnte sich so manch vergleichbarer Betrieb in der Privatwirtschaft nur freuen. Mit dem Neubau der Halle und mit der Nachnutzung der bisherigen Werkstatt durch den neu eingerichteten Unternehmerbetrieb 3 gewinnt das Projekt Hallenneubau für die JVA eine hohe Bedeutung im Bereich Bereitstellung hoch qualifizierter Arbeitsplätze und der Haftkostenrefinanzierung. Nun da alles fast fertig ist und wir uns am gelungenen Neubau erfreuen können, ist auch wieder vergessen, dass die Projektsteuerung mit den wöchentlichen Projektbesprechungen mit 5 bis 15 Personen manch schlaflose Nacht gekostet hat. Am Ende kann gesagt werden, „es hat alles sehr gut geklappt“. Von der Zeichnungserstellung mit CAD bis zur Auslieferung der fertigen Möbel hat es einen deutlichen Sprung in der Entwicklung gegeben. Es sind mit dem Bau die Voraussetzungen geschaffen worden, den sehr guten Ruf der Möbel aus der JVA Oldenburg weiter zu festigen.“ UM Humor Zwei Opas in der Werkstatt: “Wäre doch klasse, wenn man bei Menschen den Motor wechseln könnte.“ „Ach weißt du – ich wäre schon mit einer neuen Stoßstange zufrieden!“ 11 JVA intern Auf „SCHUB“ Eine Reise in den Süden Erfahrungsbericht von Heiko Rapp Persönliches: Ich bin 35 Jahre alt, in Reutlingen geboren, mit einer Ungarin verheiratet, jedoch getrennt lebend, und habe 2 eheliche Kinder und ein Kind aus einer anderen Verbindung. Über meine Erfahrungen aus meiner Zeit in Dänemark in den dortigen Haftanstalten habe ich schon in der Ausgabe Nr. 36 der Tr§tzdem im April 2007 berichtet. Nachdem ein Verfahren im Februar 2007 zum Abschluss gekommen war, ist meine Zeit in Oldenburg zu Ende gegangen und ich bin auf die Reise in den Süden, wohin ich wegen einer heimatnahen Verlegung eigentlich auch gerne wollte, geschickt worden. Hier nun mein Bericht in Form von Briefen an die Redaktion der Tr§tzdem über eine Reise in den Süden: Brief vom 20.02.2007 aus Ulm Hallo, bin am „Ziel“ – naja, vorerst einmal; es kann sein, dass ich nochmals verlegt werden soll. Die Wege der Justiz sind unergründlich: Habe verschiedene Anstalten durch die „Glanzleistung“ der Justizfahrbereitschaft kennen gelernt. Es waren „solche“ als auch „solche“ dabei; kurz gesagt: Unterschiede wie Tag und Nacht. Hier einige Beispiele: JVA Hamm: Transportzellen? – Ein Fremdwort – man wird untergebracht, wo Platz ist. Ich war in einer 4-MannZelle, 2 Strafer und 1 U-Häftling bilden den Stamm. Ausgestattet war die Zelle mit Wasserkocher und TV mit Videotext, dafür war die Toilette per Spanischer Wand abgeteilt. Als Abendessen gab es 200 gr. Wurst, Brot und 1 Liter Milch. Eine Einkaufsliste aus Hamm liegt zum Vergleich bei. Abends war duschen angesagt! (Und das auf Schub!) JVA Köln: Transportzelle bzw. Warteraum für 60 Leute, darunter 4 Nichtraucher, wie ich – Geräuchertes soll ja länger halten! Hier machten wir 12 Zwischenstation und bekamen die „gute Kölner Suppe“ vorgesetzt. JVA Rohrbach: Wenn es ein Alcatraz gibt, dann liegt es hier in Rohrbach! Alle haben Paranoia. Sämtliche Sachen, auch das Handgepäck, wurden verwahrt, so konnte man nicht mal `nen Kaffee trinken. Der erste Knast seit Oldenburg, wo gefragt wird, ob man raucht oder nicht. Unterbringung in Transportzellen, die so steril sind, dass man meint, in einem Schlachterbetrieb zu sein – Fliesen bis unter die Decke. Mein Zellenkamerad kam aus Mönchengladbach und es stellte sich heraus, dass wir dort in dieselben Kneipen gehen und seine Frau und meine Freundin zusammen auf dem „Gym“ waren. (Die Welt ist klein.) Wieder duschen! JVA Heimsheim: Erste Frage: „Rauchen Sie?“, zweite Frage: „Waren Sie duschen auf Schub?“ Antwort zu 1: „Nein!“, Antwort zu 2: „Nein!“ (So was muss man doch ausnutzen!) Transportzellen wie in Rohrbach – 2-MannBelegung oder auch 4-Mann. (Hier schwätze se schwäbisch und keiner sagt „moin“…!) JVA Ulm/Frauengraben: Alter Bau, wird im Juni 07 nach den EU-Normen komplett saniert – als Nichtraucher bin ich alleine. Zellen sind alt, aber alle mit Radio, das in der Ampelanlage eingebaut ist, ausgestattet. Vorerst muss man Tr§tzdem 2007 Nr. 37 sich mit dem zufrieden geben, was hier ist – nach dem Umbau wird „alles“ besser. Das Problem ist nur mal wieder der Denkmalschutz. Wir haben noch viele andere Anstalten angefahren, doch waren es nur kurze Stopps zum Pinkeln oder für Raucherpausen und da kann man nichts dazu sagen. Bei mir wird geprüft, ob ich in Ulm bleibe oder nach Heimsheim bzw. Rottenburg verlegt werde. Warum die Niedersachsen mich „Hals über Kopf“ auf Schub gebracht haben, versteht hier in Ulm keiner. Es ist schlecht Platz hier und es kommen täglich neue Leute. Das Essen ist nicht schlecht und reichlich, selbst Dieter hätte seine Freude daran. Entweder gibt es Salat oder Obst zum Mittag, abends meist schwäbische Hausmannskost. Ich melde mich, wenn ich einen „End-Knast“ habe. Brief vom 28.02.2007 aus Rottenburg am Neckar JVA Ulm: Ein Tag mehr oder weniger – je nach Betrachtungsweise: jedenfalls ist das hier ein „Camp“ wie 1939 – 1945 irgendwo in Großdeutschland. Um 7:00, 11:00 und 15:00 Uhr geht die Tür auf, es gibt „Futter“ in `nem Edelstahltopf; ein Liter angeblich „heißes“ Wasser und dann Türe zu. Ich schreibe hier nicht von einem Knast irgendwo in Osteuropa oder Russland, nein, dieser Knast ist im „Vorzeigeländle“ der Bundesrepublik Deutschland, in Baden-Württemberg. Das Fenster dreifach vergittert, doch richtig schließen tut es nicht. Notdürftig mit einer alten Decke so gut es geht abgedichtet, die Heizung in der Zelle scheint auf Minimalbetrieb zu laufen, von warmem Wasser am Waschbecken ganz zu schweigen. Wären wir keine Knackis, sondern Tiere, wäre die Tier- JVA intern rettung längst schon vor Ort, aber so? Meistens im Bett liegend, eingemümmelt in zwei alte Decken der „Justiz“ von 1978, die nicht mal halb soviel wärmen wie sie stinken, verbringt man seinen Tag in der Außenstelle der JVA Ulm. Hygiene ist ein Wort, das im Sprachgebrauch nicht vorzukommen scheint. Wo andere Anstalten Wäschebeutel für die Privatkleidung oder Waschmaschinen und Trockner haben, bekommt man „gute“ Ratschläge: Die Familie soll doch die Wäsche abholen oder man soll Anstaltswäsche tragen. Toll, es soll 90 Kilometer gefahren werden, um dreckige Wäsche abzuholen? Und die 90 Kilometer sind einfache Fahrt! Zudem wäre ja beim Besuch die Möglichkeit, diese mitzunehmen. Besuchszeiten: alle 14 Tage `ne halbe Stunde! Na wunderbar, in Niedersachsen ist es wöchentlich `ne Stunde! Oder man kann zusammenfassen lassen. Und dort gibt es Waschmaschinen auf jeder Station. Irgendwie können wir Baden-Württemberger doch nicht alles außer hochdeutsch; vieles gäbe es anderen „ärmeren“ Bundesländern nachzumachen, was den Strafvollzug angeht. Vom „Verwahrvollzug“ sollte man endlich abkommen und sich mit den Menschen in den Zellen beschäftigen, denn es sind Menschen, egal, was sie gemacht haben. Dafür „darf“ man ja 3-mal die Woche duschen, in anderen Anstalten „kann“ man 7-mal die Woche duschen und dann, wenn man es möchte. Und man geht nicht in ganzen Horden zum duschen, sondern hat abgetrennte Duschkabinen. Hygiene ist etwas Intimes, und die Menschen anderer Religionen werden förmlich vor Anderen zwangsentblößt. Aber wie schon erwähnt, in Ulm darf man duschen und in Oldenburg zum Beispiel kann man duschen. Im juristischen Sprachgebrauch hört sich „darf“ viel besser als „kann“ an. Dann sind noch die Preise für das Verplomben von Geräten sowie für eine Dreifachsteckdose. Die Siegel in Niedersachsen schienen nur aus „Altpapier“ zu sein, während die Siegel in BadenWürttemberg aus handgeschöpftem Papier sind. Für die Verplombung eines Oldenburg + + Hamm + Köln + Rohrbach Rottenburg + + Heimsheim + Ulm TV-Gerätes zahlt man in Oldenburg 7,50 €, für die eines Wasserkocher (der in Ulm nicht funktioniert, da die Stromleitung diesen nicht aushält) 5,00 €. In Ulm kostet die Verplombung 23,00 €! Ein TV über die Oldenburger Anstalt bezieht man bei Quelle für 82,00 €, in Ulm über einen „Elektrofachhandel“ für 160,00 €. Ein Kabel mit `ner 3-fach Steckdose kostet in Hamm 1,70 € und in Ulm „stolze“ 3,60 € plus Verplombung! Eine derartige „legalisierte“ Abzockerei gehört angezeigt, es kann nicht sein, dass ein Häftling doppelte bzw. 6-fache Preise zahlen muss als anderswo in einer anderen Anstalt. Wieso soll man eigentlich für die Verplombung nochmals zahlen, wenn man aus einem anderen Gefängnis verlegt wird und kein Siegelbruch vorliegt? Trauen die Anstalten sich gegenseitig nicht, oder soll der „Elektrofachhandel“ vor dem Ruin bewahrt werden? Vielleicht liegt es auch an der berühmten schwäbischen „Vetterleswirtschaft“, wo jeder jeden kennt und auch was dafür tut, damit er was abbekommt? Auch wird die Post im „Ländle“ durch die Bediensteten zensiert und die Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Briefe müssen in deutscher Sprache sein, ansonsten wird ein Übersetzer beauftragt. Nein, das ist kein Witz, das ist die Realität in Ulm. Telefonieren ist ein Kapitel für sich; als Strafer: „kann in begründeten Fällen auf Antrag seitens der Anstaltsleitung gestattet werden, auf eigene Kosten und in Anwesenheit eines Anstaltsbediensteten ein Telefonat zu führen“. Das Gespräch wird in vollem Wortlaut mitgehört. Sofern das Telefonat nicht in deutscher Sprache geführt werden kann, ist von einem selbst ein beim LG Ulm zugelassener Dolmetscher beizuziehen. Die Kosten muss man selber tragen. Jetzt der Hammer: „Ein begründeter Ausnahmefall liegt nur dann vor, wenn die dem Gespräch zugrunde liegende Angelegenheit nicht auf sonstige Weise, z.B. schriftlich oder bei Besuchen, erledigt werden kann.“ Und in Oldenburg „schimpft“ man, weil man 5 Gespräche a’ 10 Minuten ohne „Lauscher“ hat: verrückte Justizsache in Deutschland. (Anrufen bei besonderen Anlässen ist nicht drin, jedenfalls nicht kurzfristig.). Meint man doch, das Post- und Telekommunikationsgeheimnis ist bindend und kann nur auf richterliche Anordnung außer Kraft gesetzt werden, in badenwürttembergischen Ulm gilt dies anscheinend nicht. Europa – Deutschland als „Vorzeigeland“ – in Sachen Strafvollzug jedoch sind wir nicht die Lokomotive, sondern der Schlusswaggon mit dem Bremserhäuschen und der roten Laterne. Jedes Bundesland hat sein angebliches „Idealsystem“ ge- oder erfunden; in Wahrheit ist der Süden der Republik auf den Stand von vor 1950 gefallen, und wenn die Länder völlige „Strafvollzugsgewalt“ haben, nimmt man uns im Süden noch das letzte bisschen „Normalität“. Man fragt sich, was und wo das „Strafvollzugsziel“ liegen soll? Vielleicht setzt der Süden ja auch wieder den Artikel 102 (?) in Kraft, natürlich mit der Begründung des Landesvollzugsgesetzes. Heiko Rapp 13 JVA intern Der Pendler Erfahrungsbericht von Rainer Rethmann (JVA Celle) Besuchsverlegung vom 14. März – 20. März 2007: 14. März 2007. Es ist wieder so weit. Etwa alle 2 Monate fahre ich zum Zwecke der Besuchsverlegung von der JVA Celle in die JVA Oldenburg. Dort besuchen mich dann meine Eltern, denen es aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist, die Tagesreise nach Celle zu bewältigen und mich dort zu besuchen. Um meine Eltern sehen zu können, bleibt mir also nur, immer wieder den Transportweg auf mich zu nehmen. Dieses geschieht seit nunmehr 2 Jahren. Der transporterfahrene Insider weiß, was das bedeutet. Für den geneigten, transportunerfahrenen Leser folgt nun ein kleiner Reisebericht: Gegen 9:30 Uhr melde ich mich also von meiner Arbeit in der pädagogischen Abteilung der JVA Celle ab und gehe zurück auf meine Station. Der Beamte wünscht mir einen schönen Besuch. Auf meinem Haftraum angekommen, koche ich mir zunächst einen Kaffee und packe dann meine Siebensachen für die Reise. Neben ausreichend Bekleidung und den notwendigen Toilettenartikeln ist für mich vor allem reichlich Lesestoff und Schreibmaterial wichtig, denn auf dem Roundtrip gibt es ausreichend (fernseh-) freie Zeit, die es sinnvoll zu nutzen gilt. Ebenso wichtig ist reichlich Obst, denn die Versorgung mit Vitaminen ist erfahrungsgemäß in den kommenden Tagen eher dürftig. Ach ja, die Margarine nicht vergessen! Die üblicherweise von den Küchen der JVA’en Hannover und Oldenburg angebotenen Aufstriche taugen doch meistens eher zum Wagenfett. Nach einer Stunde werde ich zur Kammer gerufen, um mein Gepäck dort abzugeben. Immer wiederkehrende Routine. Alles wird penibel aufgelistet. Danach geht es wieder zurück auf die Station. Der Reisebus der „HeisterNeumann-Travel-Tours“ kommt erst gegen 12:30 Uhr, wird mir noch mit auf den Weg gegeben. Also habe ich noch ein wenig Zeit. Zurück auf meinem Haftraum fällt wie elektrisiert der Blick auf meinen Wasserkocher. „Ach du Sch…!“ entfährt es mir. Der muss ja nun noch unbe- dingt mit, denn sonst gibt’s nix Kaffee oder Tee auf der Reise. Gerade in der JVA Hannover umfasst der Service solche Notwendigkeiten leider nicht. Das Teewasser, welches zum Abendbrot gereicht wird, ist allenfalls lauwarm. Na ja, Gott sei Dank habe ich es ja noch rechtzeitig bemerkt. Vorsichtshalber hake ich im Geiste noch einmal die Gepäckliste ab, schaue noch in Schrank und Bettkasten. Erleichterung! Ich habe alles Wichtige eingepackt. Nach dem Mittagessen wird gegen 12:30 Uhr von der Kammer auf Station angerufen: Der Bus ist im Anrollen. Also zurück zur Kammer. Dort angekommen, verstaue ich noch schnell den Wasserkocher und rauche einen Zigaril- der aber etwas verunglückt rüber kommt. Egal. Ich gehe die Treppe hoch in die 1. Etage. Dort stehen im Flur die Taschen und ich suche meine plus Jacke heraus. „Herr Rethmann, nehmen Sie sich bitte einen Wäschesack und gehen zu Haftraum 4205.“ Ich bin schon gespannt, welches Komfort-Appartement mich dieses Mal erwartet. Es gibt zwar einige renovierte Zellen im Haus 4, aber mit einer Ausnahme sind mir diese bisher vorenthalten worden. An der Nummer des Haftraums erkenne ich, dass mir diese Glück auch heute nicht hold ist. Ich gehe also zu dem langen Tisch, wo die Wäschesäcke vorbereitet liegen, greife mir einen, gehe in die 2. Etage zu besagtem Haftraum 4205. Ich muss einen Moment warten, bis mir geöffnet wird. Auf meine Frage, wann denn die Freistunde sei, erhalte ich die leicht bedauernde Antwort: „Tut mir leid, die hat gerade begonnen.“ Das Angebot, mich dennoch daran teilnehmen zu lassen, wird mir nicht gemacht. Dafür gibt es wohl keine Verordnung. Allerdings ist es wahrscheinlicher, dass man einfach keine Lust hat, mich noch nachträglich nach draußen zu lassen. Der Haftraum übertrifft nun all meine Erwartungen: Es ist das mit Abstand dreckigste und übelriechendste Loch, welches mir im Transporthaus der JVA Hannover in über 2 Jahren untergekommen ist. Die Wände sind reichlich besudelt und beschrieben. Ein Eintrag datiert auf Oktober 2002, so dass ich mir leicht ausrechnen kann, wann diese Wände hier möglicherweise das letzte Mal einen Pinsel mit Farbe gesehen haben. Obwohl Tisch und Stuhl umgekehrt auf dem Bett liegen, befindet sich auf der Oberfläche grober Schmutz. Also nehme ich mir angefeuchtetes Toilettenpapier und wische beide Möbelstücke erst einmal ab. Die Toilette stinkt erbärmlich. Erst sehr ausdauerndes Spülen schafft leidlich Abhilfe, wohl auch, weil ich natürlich umgehend das Fenster geöffnet hatte. NEIN! Egal, welches Bedürfnis mich bis morgen früh hier auch ereilen mag, diese Toilette wird auf jeden Fall auf jeglichen Körperkontakt mit mir verzichten müssen. Gottlob kann ich ja im Stehen pinkeln. Ich betätige den Wasseranschluss am Waschbecken. Es ist ein verchromtes HEISTERNEUMANNTRAVEL-TOURS 14 lo. „Herr Rethmann, der Bus ist da!“ ruft da der Kammerbeamte. Ich greife meine Reisetasche. Die auf der Kammer arbeitenden Mitgefangenen wünschen mir noch eine gute Reise. Ich gehe hinunter auf den Hof, wo der grünweiße Bus schon wartet. Einige Pakete werden noch verladen, die hintere Tür öffnet sich und ich steige ein. Der Bus ist heute nicht sehr voll besetzt und so habe ich das Glück, allein in einer 4Mann-Kabine zu sitzen, wo ich meine langen Beine ordentlich ausstrecken kann. Dann geht es also los. Zunächst wird noch die JVA Salinenmoor angefahren, bevor der Reiseleiter das heutige Ziel, die JVA Hannover anvisiert. Weitere Anlaufpunkte gibt es heute nicht. Das variiert von Mal zu Mal. In Hannover angekommen, steigen mit mir drei weitere Reisende aus. Das Procedere ist mir bestens bekannt. An der Eingangstür nehmen die Hausarbeiter des Transporthauses meine Reisetasche und Jacke entgegen, um sie zum Röntgenapparat zu bringen. Ich selbst werde unten von Beamten durchsucht. „Sie rauchen, Herr Rethmann?“ bemerkt der Beamte. „Ich habe gehört, sie leben sehr gesund.“ Soll wohl ein Scherz sein, Tr§tzdem 2007 Nr. 37 JVA intern Loch und wird über einen Drehknopf neben dem Waschbecken betätigt. Das Wasser ist zumindest nicht rostbraun verfärbt, was hier oft nichts Ungewöhnliches ist. Ach, und dann ist da ja noch das durchhängende Eisengestell, welches als Bett getarnt ist. Darauf liegt ein etwa 200x80x15 cm großes, grau-weiß gestreiftes, fleckiges Ding. Als dieser Knast vor ca. 40/50 Jahren erbaut und eingerichtet wurde, war das wohl eine neue Matratze gewesen. Ich beziehe dieses Relikt flugs mit dem Bettlaken und vor meinem geistigen Auge springen mir allerlei Milben, Flöhe und Wanzen entgegen. Da ich auf dem Stuhl schlecht schlafe, wird es mich am späten Abend doch wohl irgendwann in die Horizontale treiben. Ich fühle mich dann wie ein Glücksritter und Abenteurer. Glück, weil ich hoffentlich die Übernachtung schadensfrei überstanden habe; Abenteurer, weil ich es wieder gewagt habe, entsprechend zu nächtigen, und es erstaunt mich jedes Mal wieder aufs Neue, dass mir eben diese Abenteuer bisher keinerlei allergische Reaktionen, Stiche, Furunkel, Mitbewohner oder sonstige mir noch unbekannte Unbill beschert haben, von mehr oder weniger starken Rückenschmerzen einmal abgesehen. Nachdem ich also das „Bett“ bezogen und die beiden Pferdedecken mit Hilfe von Bett- und Kopfkissenbezug leidlich in Bettdecke und Kopfkissen verwandelt habe, inspiziere ich das so genannte Geschirr: Es handelt sich ausnahmslos (auch das Besteck) um Hartplastikprodukte, die je nach bisheriger Nutzungsdauer mehr oder weniger unappetitlich ausschauen. Im Inneren des Trinkbechers befinden sich heute angetrocknete Essensreste. Zum Glück habe ich ja meine eigene Tasse dabei. Gegen 17:00 Uhr wird das Abendbrot verteilt, und ich gebe bei dieser Gelegenheit den Plastikwäschesack heraus. Es gibt Leberwurst. Leider bekomme ich davon immer Sodbrennen. Ich weise darauf hin und habe Glück: Der Hausarbeiter ist so nett und gibt mir Käse. Brot gibt es wie immer reichlich, aber was helfen mir theoretisch 10 Scheiben Brot, wenn ich maximal für 3 Scheiben Belag bekomme? Auf jeden Fall ist das Graubrot in Ordnung und ich habe ja Gott sei Dank meine eigene Margarine und auch Marmelade dabei. Nachdem ich mein Abendbrot zu mir genommen habe, schaue ich mich weiter in der Zelle um: Der schwarze Boden ist suddelig und dreckig. Die staubigen Spuren der Schuhe meines Vormieters zeichnen sich deutlich auf dem Fußboden ab, auf dem überall Staub, Papierschnipsel, Aschenreste sowie rund um die Toilette vertrocknete Reiskörner liegen. Von den Wänden grüßen Florian, Banscho, Ertan, Bülent, Ruslan, Steve und der Iron Monkey aus Lehrte in vielen Sprachen: Polnisch, Türkisch, Russisch, Arabisch und schlechtem Deutsch, besonders von ausgewiesenen Deutschen. „The Warrior’s Prayer“ ist zu lesen, wer der größte Hurensohn und Anscheißer ist, dass alle S… vergast werden sollten; Heil H…, ich ficke alle R… und welche Hure 100 %ig Nacktfotos verschickt usw. Die polnischen, russischen und türkischen Texte kann ich mangels Sprachkenntnissen nicht übersetzen. Ich lese nun lieber „Der alte Mann und das Meer“ von Hemingway und bin gespannt, was mich morgen auf dem Weg von Hannover nach Oldenburg erwartet. 15. März 2007, 4:30 Uhr. Die Zellentür wird geöffnet, das grelle Licht geht an. „Aufstehen, gleich gibt es Frühstück und um kurz nach sechs geht Tr§tzdem 2007 Nr. 37 es los!“ ertönt die Stimme des Beamten. Die Nacht war wieder zu kurz. Nicht zu ändern. Ich stehe auf, erledige meine Morgentoilette, so gut es in dem bescheidenen Rahmen möglich ist und kleide mich an. Um 4:50 Uhr bringen die Hausarbeiter das Frühstück. Dieses ist ausgesprochen opulent: Wieder gibt es reichlich Brot, allerdings reicht der Fruchtaufstrich, welcher gereicht wird, mit viel Wohlwollen für eine halbe Scheibe Graubrot. Aber, wie ich schon vorher erwähnte, ich habe ja vorgesorgt und frühstücke also in Ruhe, packe meine Sachen zusammen und warte. Es wird 6:30 Uhr, als die Tür wieder geöffnet wird. „Los geht’s!“ Ich nehme meine Reisetasche und das Wäschebündel, welches eine Etage tiefer die Hausarbeiter wieder in Empfang nehmen. Unten angekommen, schaue ich mich um. 17 Mann haben heute die Fahrkarte nach Langenhagen, Verden, Bremen, Vechta oder Oldenburg gelöst und warten. Es geht heute relativ ruhig zu, was mir sehr entgegen kommt. Ich bin ein rechter Morgenmuffel und es gibt nichts Schlimmeres als jemanden, der mir frühmorgens ein Gespräch aufzwingen muss, was leider dann und wann während einer solchen Rundreise vorkommt. Um 6:50 Uhr öffnet sich eine Tür. Ein Beamter mit einem Stoß Papieren in der Hand zeigt sich und ruft nacheinander alle namentlich auf. Fällt der Name, begibt man sich dann zur Durchsuchung und anschließend eine Etage tiefer, wo dann erneut kurz gewartet werden muss, bis sich die Außentür zum Innenhof öffnet, der Beamte mit den Papieren wieder erscheint und nochmals wieder jeden einzelnen aufruft und zum Reisebus weist. Als Vorletzter bin ich an der Reihe. Mir wird eine Einzelkabine zugewiesen. Auch diese Mal bleibt mir das nicht erspart. Es ist schon eine Zumutung, als groß gewachsener Mann in einem solch engen Verschlag samt Reisetasche eingepfercht zu werden. Irgendein Schlaumeier im Justizministerium hat sicherlich vor Jahrzehnten errechnet, wie viel Platz ein Mensch so braucht, ohne jemals einen Selbstversuch unternommen zu haben. Rainer Rethmann Eine Fortsetzung folgt in der Ausgabe Nr. 38 Dezember 2007 15 JVA intern Aus für Abteilungen? Keine Haftplätze mehr im offenen Vollzug bei der JVA Oldenburg? Am 31. Januar 2007 besichtige Niedersachsens Justizministerin HeisterNeumann die ehemalige Vörde-Kaserne, Gerichtsstraße onsstruktur ermöglichen. In der JVA sollen Gefangene mit kurzen Strafen und Reststrafen untergebracht werden. Architektonisches Vorbild ist die noch allein vom Land Niedersachsen gebaute und 2001 in Betrieb genommene ähnlich große JVA Oldenburg. Das ist aber nicht alles, was eine Verbindung zu Oldenburg herstellt. Zählt man 1 und 1 zusammen, wird die J V A Oldenburg wohl alle Haftplätze, die für den offenen Vollzug eingerichtet sind, an Bremervörde abzugeben haben. Das hat dann aber wei- für Abteilungen in 2012? auf deren Gelände eine neue Anstalt mit 300 Haftplätzen entstehen soll und nahm an einer öffentlichen Informationsveranstaltung der Stadt Bremervörde teil, um über Wilhelmshaven Planung, Bau, Finanzierung zu berichten und dort der Bevölkerung Rede und Antwort zu stehen. Teile des Betriebs der Haftanstalt sollen nämlich im Rahmen eines Puplic-Private-Partnership (PPP) einem privaten Investor übertragen werden; die vollständige Verantwortung für die Sicherheit der Justizvoll- Nordenham zugsanstalt liegt allerdings weiterhin tergehende beim Land. Die Inbetriebnahme soll Konse2012 erfolgen quenzen Die „Tr§tzdem“ berichtete darüber als nur eiin ihrer letzten Ausgabe Nr. 36 April nen Orts2007. wechsel. Wie man nun in der Presse lesen Konnkonnte, soll der Neubau mehrere kleineten bisher re marode Vollzugseinrichtungen, die die Gefannicht den aktuellen Sicherheitsstandards genen im entsprechen, den Inhaftierten zu wenig Delmenhorst offenen Raum bieten und wegen der überalterten Vollzug bei heimatnaher Unterbringung Bausubstanz nur unwirtschaftlich zu in den Betrieben der Region ihre Arbeit betreiben sind, ersetzen. Die neue große finden, so wird das in Bremervörde JVA soll mit entsprechenden Haftplätnicht mehr möglich sein und der offene zen, besseren Arbeits-, Ausbildungs-, Vollzug wird weitestgehend eingeBeschäftigungs- und Behandlungsmögschränkt werden, was ja auch politisches lichkeiten für Gefangene ausgestattet Ziel der Landesregie- Cuxhaven sein sowie eine effizientere Organisatirung mit der neuen 16 Aus Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Gesetzgebung zum Justizvollzug ist (siehe dazu die Pressemitteilung des Niedersächsischen Justizministeriums vom 20.02.2007, wiedergegeben auf Seite 63 dieser Zeitung). Damit verlieren die geeigneten Gefangenen ein weiteres S t ü c k a n R e s o z i a l i s i e r u n g smöglichkeiten und der Vorbereitung auf das Leben in Freiheit. Auswirkungen wird es aber auch auf die Vielzahl der Bediensteten geben, die bisher in den Abteilungen ihren Dienst verrichtet haben und für die dann eine Versetzung oder eine Sozialplanregelung ansteht. Treibende Kraft der Entscheidungen zu dieser Art von Strafvollzug kann nicht das Diktum des Bundesverfassungsgerichtes gewesen sein, dass „der Vollzug der Freiheitsstrafe ist nicht nur Kraft Gesetzesrecht, sondern von Verfassungs wegen auf das Ziel der Resozialisierung verpflichtet“ (siehe Seite 28 dieser Zeitung) ist, sondern eine andere politische Doktrin. UM JVA intern Ein Wunder Alle meine Entchen Seit ein paar Jahren geschieht auch in der JVA Oldenburg immer wieder ein Wunder. Pünktlich Anfang März schweben mit etwas Getöse einige Entenpaare in den Innenhof zwischen Gebäude A und B und erkunden das Terrain. Sehr wählerisch scheint man nicht zu sein, den Platz für ein Nest auszusuchen. Dennoch hat es in diesem Jahr nur zwei Pärchen gefallen, sich häuslich einzurichten. Über Nacht ist eine Brutstätte hergerichtet, eine gut versteckt unter einem Busch und eine in einer Rabatte mit einem „Balkon“ nach Süden. Nur wenige Tage dauert es, dann sind auch schon 12 Eier in dem nach Süden gerichteten Nest gelegt. Anscheinend wird es mit dem Brüten noch nicht zu ernst genommen, zumal immer noch reger Flugverkehr herrscht. Als ob es beide nichts anginge, machen Ente und Erpel ihre Abstecher in die Umgebung, und selbst wenn Mutter Ente nun schon öfter alleine zu sehen ist, hat sie es nicht eilig, das Nest dauerhaft zu besetzen und lässt sich auch von den Freistundengängern nicht irritieren. Je wirksamer aber die Sonne den Winter verscheucht, je ausdauernder übernimmt Mutter Ente ihre ihr angestammte Rolle. Verlässt sie überhaupt noch die Brutstätte? Woher bekommt sie Futter und Wasser? - Viele besorgte Fragen werden gestellt. Nimmt denn die Wartezeit kein Ende? Dann aber ist es soweit, pünktlich Anfang April stolziert Mutter Ente mit 12 Küken über Gehwege, Rabatten und Rasen. Manchmal im „Entenschritt“, manchmal in chaotischer Hast läuft der Nachwuchs der stolzen Mutter hinterher, um hier und dort zu naschen und nach einer Runde zum Nest zurückzukehren und sich unter das schützende Federkleid zu begeben. Bei diesem Anblick wird dann mancher „harte Brocken“ ganz weich und besorgt für die „lieben Kleinen“ eine Schale mit Wasser oder eine Handvoll Haferflocken. Das ist dann aber auch der Zeitpunkt, an dem es für die Freistundengänger heißt, Abschied zu nehmen. In stiller Stunde öffnet sich dass Tor des Innenhofes zum Außenbereich und die Vertreibung aus dem Paradies hin zu den anderen Entenpaaren, die draußen geblieben waren, nimmt seinen Lauf und lässt betrübte Männer zurück. Neue Hoffnung brachte dann die zweite Mutter Ente mit 10 Küken, die sich in ihrem Versteck unter einem Busch zurückgehalten hatte, um den „Erstgeborenen“ nicht die „Show“ zu stehlen. Aber auch ihr Auftritt war nur von kurzer Dauer. Nun heißt es, wieder auf das nächste Wunder zu warten. UM Muslime im Knast Die JVA Oldenburg ist seit geraumer Zeit auch Zwischenstation für Gefangene mohammedanischen Glaubens geworden. Auf die Gründe soll hier nicht eingegangen werden. Sie treffen dabei auf eine Kultur, die von anderen Traditionen geprägt ist und auf Menschen, die ihnen nicht immer mit Unvoreingenommenheit begegnen. Sie sind zumeist in Gesellschaften aufgewachsen und in Traditionen groß geworden, die vom Islam stark durchdrungen sind. Der Islam [arabisch >Hingabe an Gott<], eine der großen monotheistischen Weltreligionen, wurde von Mohammed zwischen 622 und 632 in Medina mit der ersten Gemeindeordnung gestiftet. Seinem Wesen nach ist der Islam eine Offenbarungsreligion, gekennzeichnet durch die unbedingte Ergebung in den Willen Gottes, wie er im Koran niedergelegt ist. Dieser ist religiöses und weltliches Gesetzbuch zugleich. Jedem Muslim sind fünf Hauptpflichten vorgeschrieben: das Glaubensbekenntnis zu dem einen Gott (Allah) und Mohammed als seinem Propheten, das tägliche fünfmalige Gebet, das Fasten während des Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Fastenmonats Ramadan, das Almosengeben für soziale, karitative und missionarische Zwecke und die Wallfahrt nach Mekka einmal im Leben. Der Genuss von Schweinefleisch und Wein ist verboten, da das Gebet im Zustand der kult. Reinheit zu verrichten ist. Die enge Verbindung von Staat und Religion wirkt in der islamischen Welt bis heute fort. Die beiden Hauptrichtungen des Islam vertreten die Sunniten (rund 90 %) und die Schiiten (rund 10 %). Die Sunniten verstehen sich als die islamische Orthodoxie. In Deutschland leben gegenwärtig rund 1,7 Millionen Muslime. Unter den besonderen Lebensumständen eines Gefängnisses ist es nicht leicht, den Glaubensregeln nachzukommen. Allein schon das fünfmalige Gebet, das am Morgen, Mittag, Nachmittag, Abend und zur Nacht abzuhalten ist, stellt die strenggläubigen Muslime, sofern sie im Gefängnis einer Arbeit nachgehen, vor fast unlösbare praktische Probleme. Sie behelfen sich damit, dass das erste Gebet vor dem Wecken stattfindet und vier weitere nach der Arbeit auf der Zelle, in dem Glauben, dass Allah auch damit einverstanden sein wird. Ihr großer Wunsch ist, wenn ein Imam (Vorbeter) wenigstens einmal im Monat zum Freitagsgebet in die Anstalt kommen dürfte. Besondere Probleme im Umgang miteinander entstehen auch dadurch, dass Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften und Kulturen (Deutsche und andere Ausländer) die hier lebenden Muslime oft dafür mitverantwortlich machen, wenn in anderen Teilen der Welt extremistische Moslems politisch und sozial motivierte terroristische Gewalttaten verüben und dies als nach ihrem Glauben geboten erklären. Insbesondere sind davon pauschal viele Muslime aus der arabischen Welt betroffen. Die hier lebenden Muslime kommen aus verschiedenen Staaten mit jeweils eigenen Konflikten und Problemen und haben auch wenig Kontakte untereinander; nur die Religion ist ein verbindendes Element. Wenn also z. B. ein Deutscher oder eine Deutsche im Fortsetzung auf Seite 18 17 JVA intern Fortsetzung von Seite 17 Ein Holländer in der JVA Irak entführt wird, setzt das hier manchmal bei Mitgefangenen, in der Erwartung, für diese Taten mitverantwortlich gemacht zu werden, Ängste frei, die zu psychotischen Zuständen führen können. Sie fühlen sich und ihren Glauben in hohem Maße missverstanden. Dabei sind Moslems z. B. nach ihren Glaubensregeln gehalten, auch einem feindlich gesinnten Menschen Gastfreundschaft anzubieten, ihm Speisen und Unterkunft zu gewähren und ihn sogar gegen andere zu verteidigen. In dieser Situation kommen allerdings auch viel zu wenige Gespräche zwischen den Gefangenen unterschiedlicher Religionen und Kulturen zustande, die das Verständnis und den Respekt füreinander erhöhen würden. So mancher Konflikt könnte vermieden werden. Dazu gehört auch, dass z. B. eben darauf zu achten ist, dass die Fettspritzer aus der Pfanne mit dem Schweinefleisch nicht in der Pfanne mit dem Rindfleisch des kochenden muslimischen Nachbarn landen. Keiner sollte sich verstecken müssen und die Sorgen und Nöte unserer muslimischen Mitgefangenen sollten mit Respekt wahrgenommen werden. Een Hollander in JVA Oldenburg van Gerrit Nansink Alexander Leer/UM Der Ramadan Der Ramadan [arab. > der heiße Monat<], der 9. Monat des islamischen Mondjahres; Fastenmonat, in dem den Muslimen von Morgengrauen bis zum Sonnenuntergang jeder leibliche Genuss untersagt ist. So steht es im Lexikon! Doch was bedeutet der Ramadan für den gläubigen Muslim? Vielfach wird gedacht, im Monat Ramadan wird nur zur Tageszeit nicht gegessen oder getrunken - also eine normale Fastenzeit. Aber so ist es nicht! Das Ramadan-Fasten gehört zu den von Gott über den Erzengel Gabriel Mohammed verkündeten und im Koran niedergelegten fünf Hauptpflichten eines Muslims. Es bedeutet nicht nur, dass tagsüber, außer von Kleinkindern, keine Speisen und Getränke zu sich genommen werden; es geht auch darum, insgesamt sauber zu bleiben. Das schließt z. B. die sexuelle Enthaltsamkeit ein und verpflichtet, über Andere nicht schlecht zu reden, sich nicht gegenseitig zu verletzen, nicht zu betrügen oder eine andere Missetat zu verüben. Natürlich ist es auch verboten, Alkohol zu trinken. Stattdessen fühlen sich alle verpflichtet, über die obligatorischen täglichen fünf Gebete hinaus zu beten, anderen Menschen zu helfen, Gutes zu tun, friedlich zu sein, andere Menschen weder mit Worten noch mit Taten zu verletzen und Fehler zu verzeihen. Die Muslime lieben diesen Monat, denn er muss vorbereitet werden und wird freudig erwartet, was man sich so ähnlich vorstellen kann, wie es auch beim christlichen Weihnachtsfest ist. Nachbarn helfen einander - Reiche helfen den Armen. Beginnt dann der Ramadan und ohne zu essen und zu trinken zwischen Morgengrauen und Sonnenuntergang ist man seinen täglichen Verpflichtungen nachgegangen, trifft man sich dann vor dem nächtlichen Essen in den Familien und wartet auf das Gebet des Imam, das anzeigt, dass gegessen werden darf. Nach dem Essen finden sich oft Nachbarn oder Verwandte ein, um miteinander zu reden oder in der Geselligkeit etwas Spaß zu haben. Auch ist es nicht unüblich, dass gegen 2:00 Uhr oder 3:00 Uhr in der Früh alle wieder wach sind, um erneut vor dem Sonnenaufgang etwas zu sich zu nehmen. Nach 30 Tagen des Fastens zum Ende des Ramadan wird dann über drei Tage das Zuckerfest gefeiert. Diese Tage sind ausgefüllt mit Friedhofsbesuchen, Koranlesen, Moschee-Besuchen zum Zuckerfestgebet und in festlicher Bekleidung Besuch von Freunden, Nachbarn und Verwandten zu empfangen. Dabei werden dann Geschenke ausgetauscht und in großer Runde wird gefeiert. Mehr, als nur fasten! 18 Jalal Scharara/ Ismael Ceylan/UM Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Zo daar zit je dan op A1 het binnenkomst station. Gearresteerd en via de Politie, en de STA (officier von Justitie). ben je hier terecht gekomen. Het doet er even niet toe waarvoor je gearresteerd bent, de behandeling is op enkele uitzonderingen na voor alle het zelfde. Op A1 wordt je geobserveerd, de Sociale raadsman/vrouw komt langs, als je die nog niet hebt kun je aan die een lijst met advocaten vragen. Let op als je een z.g. plichtverdediger nodig hebt, moet je er een uit de lijst nemen, of indien je geld hebt voor een z. g. Wahlverdediger neem dan altijd een z. g. fachanwalt fur strafrecht. Na +/- 10 dagen wordt je verlegt naar een ander station, als je geluk hebt op een z. g. Einzelcel, ben je niet roker geef dat dan door, men zal proberen je dan niet op een driemanscel te doen. Als je uit de beperkingen bent en van de rechter z. g. Lockerungen krijgt, kun je 2 x p. w. bellen, schrijven is onbeperkt volgens Artikel 6. von de Europesche wet, wel wordt er door het Staatsanwaltschaft meegelezen, en de brieven zijn +/- 4 weken onderweg. Zondags is er mogelijkheid om de Kerk te bezoeken. Naast het sporten op de stations fittnisruimte kun je sporten beoefenen zoals vollybal, badminton, tafeltennis, voetbal (s’winters zaalvoetbal en basebal), vraag de station beamte om je daar voor op te geven by heer Dannebaum of Meyer. Vrijdags kun je inkopen doen in de winkel in dien je over geld beschikt. Geld kan door mensen van buiten aan je overgemaakt worden, of als je al zover bent als Untersuchingsgevangen (Voorarrest), kun je jezelf opgeven voor arbeid, en zo voor jezelf zorgen; aenvragen bij de station beamte. Op de A1 beschik je meestal over een z. g. sociaal TV. Indien je wordt verhuisd zul jij of je bekende buiten een TV moeten kopen, waarvan het beeldscherm niet groter is den 40 cm, ook kun JVA intern je een speelcomputer binnen brengen/en of een radio, cassette/dvd speler, hoe dat precies in zijn werk gaat kan de station beamte je vertellen. Na +/- 3 maanden krijg je een z. g. haftprufing, en normaal wordt je binnen 6 maanden veroordeelt als er geen byzonderen omstandigheden zijn, maar bespreek dat met je advokaat. Je kunt zonder afhoren met je advokaat bellen, en met je familie wordt er meegeluisterd, als ze er op staan dat er een z. g. Dolmetscher komt (Vertaler). Dan moet de Rechtbank dat betalen. Natuurlijk is je verblijf in een gevangenis geen pretje zeker niet als je niet in je Moederland/Vaderland bent, maar blijf relax dat is voor je zelf en je omgeving beter. Heb je problemen vraag dan een gesprek met een Soziale beamte aan en/ of een Geestelijke raadsvrouw/man. Vergeet niet, ondanks de ellende dat de deur op een dag voor je openzwaait en je dan verder kon werken aan je leven/toekomst., en deze vervelende periode achter je kan laten. Bezoek van familie moet je ook aanvragen, hiervoor en voor vele andere zaken zijn er op het station bureau z. g. Antrag formulieren beschik baar, bijna alles gaat hier via zo’n formulier. Heb je problemen von Huishoudelijke aard, ga dan bij de z. g. Hausarbeiter om advies. Ook voor Dokters bezoek gelt, aanvragen by de station beamte, de Doktor regelt ook je bijzonder eten bijv: Dia, Vetarm, zout of visloos, in dien dit nodig is voor je gezondheid. Gebruik je z. g. Glaubenessen (Halal, Kosjer enz.) geef dat op aan de station beamte deze zal zorgen dat het op de keukenlijst word genoteerd. Ik wens je een kort verblijf hier, maar probeer er voor jezelf en je omgeving wat van te maken. Adressen von de Staatsanwaltschaft de Rechtbank en de Hollandse Consul kun je bij de sozial raadsman/vrouw vragen, deze kunnen ook indien nodig, je familie bellen voor dringende zaken. Een medegevangen Ferry Beileid Die Redaktionsgruppe möchte hiermit stellvertretend für alle Gefangenen der JVA Oldenburg, besonders im Namen der Gefangenen der Station D3, der Familie von Papa Jo ihr Beileid aussprechen, der am 19. August 2007 in den städtischen Kliniken verstarb. . Es ist schade, dass du so früh gehen musstest. „Abpfiff“ „Schikos“ letzter Arbeitstag Irgendwann ist der Zeitpunkt erreicht, an dem auch die längste Berufskarriere zu Ende geht. Oftmals wird dieser Zeitpunkt herbeigesehnt oder befürchtet. Für Jürgen Schikorra, unserem „Schiko“, war dieser Tag am 31. März 2007 gekommen und es schien so, als ob er doch noch eine kleine „Verlängerung“ herausholen wollte. So mussten all diejenigen Gefangenen, die unser Sportlehrer Herr Dannebaum am 31.03. aus dem Mittagseinschluss befreit hatte, um zu Ehren des letzten Arbeitstages unseres Übungsleiters einen Blumenstrauß zu überreichen, im Vorraum zur Sporthalle warten, bis „Schiko“ beim Fußballspiel mit seiner SportLeistungsgruppe, das seiner Meinung nach eines der Besten seit geraumer Zeit gewesen war, den letzten „Abpfiff“ vernehmen ließ. In bester Stimmung und in typischer Sportatmosphäre versammelten sich dann die aktiven und die weniger aktiven Sportler aus fast allen Abteilungen - Herr Schikorra in ihrer Mitte, um bei reichlich Apfelschorle den lobenden Worten von Herrn Dannebaum zu lauschen, der die Zusammenarbeit mit seinem Kollegen noch einmal Revue passieren ließ und den Ausführungen des Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Sprechers der SportLeistungsgruppe Torsten S., der von den vielen gewonnenen Pokalen unter der Regie von „Schiko“ zu berichten wusste und sich im Namen aller Gefangenen für die langjährige hervorragende Betreuung bedankte. Die kleine Feier fand durch die Überreichung eines Blumenstraußes, eines von Mitgliedern der Leistungsgruppe signierten Fußballs und einer Collage mit Bildern aus dem Sportlerleben von Jürgen Schikorra ihren Höhepunkt und wurde von ei- ner Dankesrede unseres sichtlich gerührten „Schiko“ gekrönt. Zum Abschluss meinte Herr Schikorra, dass die offizielle Verabschiedung Ende April durch d i e Anstaltsleitung nicht schöner werden könnte. UM Nachruf Am 13. August 2007 verstarb plötzlich und unerwartet viel zu früh im Alter von 56 Jahren Herr Jürgen Hülsemeyer, Amtsinspektor im Justizvollzugsdienst. Er war langjähriger Dienstleiter in der Abteilung Delmenhorst der JVA Oldenburg und erfreute sich bei Vorgesetzten, Kollegen und Inhaftierten großer Wertschätzung. Diese Hochachtung für einen erfahrenen und überaus honorigen Beamten kam nicht nur in einer Traueranzeige des Anstaltsleiters und des Personalrates in der örtlichen Presse, sondern auch in einer Insertion der dortigen Inhaftierten, zum Ausdruck. UM 19 Sport — Bildung — Gesundheit Die neuen „Schiris“ Erstmals in der Geschichte der JVA Oldenburg wurde vor Ort ein Schiedsrichterlehrgang des N F V ( N i e d e r s ä c hsischer Fußballverband) durchgeführt. An zwei Wochenenden büffelten anfänglich 18 Gefangene, fünf „Normale“ und der zuständige Sportpädagoge der JVA die Fußballregeln des DFB, die ihnen von Schiedsrichterlehrwart Thomas Hein näher gebracht wurden. Als Schiedsrichterobmann Garen am letzten Lehrgangstag die Prüfung abnahm, mussten einige feststellen, dass die Regelkunde für Schiedsrichter doch nicht so einfach ist, wie sie sich das vorher vorgestellt haben. Die teilweise kniffligen Fragen konnten nicht alle Teilnehmer mit der gewünscht niedrigen Fehlerquote beantworten, sie erhielten in einer Nachprüfung die zweite Chance. Vier Gefangene, ein „Auswärtiger“ und der Sportpädagoge bestanden die Prüfung im ersten Anlauf, in der Nachprüfung dann noch einige, die sich nochmals auf den „Hosenboden“ gesetzt hatten, Die ersten neuen „Schieris“ sodass insgesamt elf Sportler zukünftig in der Kreisklasse als Schiedsrichter eingesetzt werden können. „Vielleicht trägt dieser Lehrgang ja auch dazu bei, dass manche ihr Verhalten auf dem Fußballplatz ein wenig hinterfragen und die Arbeit des Schiedsrichters mit anderen Augen sehen“, so Wilfried Dannebaum, 20 der Leiter der Sportabteilung in der JVA. Insges a m t eine sehr gelungene Veranstaltung, in der Gefangene mit Auswärtigen friedlich nebeneinander und voneinander lernen konnten. Eine Wiederholung im Herbst wäre wünschenswert. Markus Lanfer Hockey-Herausforderung wunderlich war, dass „unsere“ Teams den Platz als deutliche Verlierer verlassen mussten. Trotz der Niederlage muss hier aber noch angemerkt werden, dass auch die Inhaftierten eine wirklich gute Leistung gebracht haben und dass es enorme Fortschritte zu sehen gab, wenn im Vergleich dazu einfach einmal an den Beginn des „Unternehmens Hockey“ gedacht wird. Nach den Spielen des TuS Bloherfelde gegen die JVA Oldenburg Volles Engagement! Hockey vom Feinsten Am 12. April trafen sich einige Inhaftierte der JVA Oldenburg in der Sporthalle, um sich der ultimativen Hockey-Herausforderung zu stellen. Nach etlichen Stunden des Trainings, in denen Grundlagen, wie das Stoppen und Schießen des Balles, aber auch das Stellungsspiel und einige taktische Varianten geübt wurden, fühlten sich die meisten nun zu größeren Aufgaben berufen. Schön, dass die Sportverantwortlichen zu diesem Zweck den TuS Bloherfelde, ein Hockeyteam von „draußen“, in die JVA eingeladen hatte, um mit den Inhaftierten ihre Kräfte messen zu können. Das Team brachte sogar einen aktuellen sowie einen ehemaligen Nationalspieler mit, so dass ziemlich schnell klar wurde, wer auf dem Platz das Sagen haben sollte. Mit blitzschnellen Kombinationen, ausgezeichnetem Stellungsspiel und guter Laufarbeit brachten die Jungs vom TuS Bloherfelde „unsere“ beiden Mannschaften doch etliche Male in große Schwierigkeiten, so dass es am Schluss des jeweiligen Matches nicht weiter verTr§tzdem 2006 Nr. 37 wurden die Mannschaften gemischt und jeder von uns hatte die Möglichkeit, ein wenig mit den Profis in einer Mannschaft zusammen zu spielen. Die Teams waren jetzt einigermaßen ausgeglichen und so gab es noch einige schöne Kombinationen und Tore zu sehen. Nach etwa zwei Stunden waren alle ziemlich „platt“ und glücklich darüber, die Sporthalle auf dem „Zahnfleisch“ wieder verlassen zu dürfen. Die meisten von uns haben sicherlich eine Menge dazugelernt und nun auch eine viel bessere Vorstellung davon, was in Zukunft mit dem kleinen Ball noch so alles möglich ist. Vielleicht entscheidet sich der TuS Bloherfelde in naher Zukunft ja noch einmal dazu, den Weg in die Sporthalle anzutreten, um den Inhaftierten eine Revanche zu geben. Bis dahin sollte dann genügend Zeit sein, um das eigene Spiel zu Sport — Bildung — Gesundheit Die ersten Runden mit der neuen Halle verbessern und beim nächsten Mal ein noch besserer Gegner zu sein. Vielen Dank an den TuS Bloherfelde und die Sportabteilung, die diese gelungene Veranstaltung ermöglicht haben, aber besonders auch an die Inhaftierten, die sich trotz größten Einsatzes immer an den Gedanken des „Fair Play“ gehalten haben. Lasse Willms In alter Frische Insbesondere, wenn es sich um ein Gebäude in einer J V A handelt. Anfang Juli war es dann wieder soweit; auf frisch gemähtem Rasen und in etwas anderer Gestaltung wurde der Sportplatz wieder mit großer Spielfreude in Empfang genommen. UM Am 15. Juli 2006 hatte es noch das jährliche Sportu n d S o m m e r f e s t mit viel Sport, sehr gutem Wetter und einem Hardrockund Heavy-Metal-Konzert gegeben. Dann tauchten auf einmal Bauarbeiter, Schieber und Bagger auf. Aus einem Teil des Sportplatzes wurde bekam man keine vollzählige Mannschaft zusammen, so dass aus dem üblicherweise „großen“ Spiel ein Kleinfeldturnier mit einer Bedienstetenmannschaft und zwei Gefangenenmannschaften wurde. Noch nie hatten die Gefangenen das Spiel gewonnen, doch diesmal war alles anders. Von den drei Mannschaften belegte die Bedienstetenmannschaft den dritten Platz mit zwei Niederlagen und zwei Unentschieden. Vielleicht war das die gerechte Strafe für einen geschundenen Elfmeter, der im ersten Spiel für einige Unruhe sorgte und das ansonsten sehr gute und am Ende dann doch faire Klima zwischen den Mannschaften anfänglich ein wenig belastete. Ein leichter Sommerregen zwischendurch sorgte für das richtige Fußballwetter; nichts ist schöner, als auf einem nassen Rasen rum zu rutschen und Fußball zu spielen. Insgesamt eine gelungene Veranstaltung, die für viel Spaß und Freude sorgte. Dank an die Sportabteilung. Nächstes Jahr wird es dann hoffentlich wieder ein „richtiges“ Bild: Robert Geipel, Sommerfest 2006 Spiel geben. Markus Lanfer Kleines Fußballturnier am 31.7.2007 Das alljährliche Spiel der „Fußball-Leistungsgruppe“ gegen eine Bedienstetenauswahl stand in diesem Jahr unter keinem günstigen Stern. In der Urlaubszeit Witz Endlich wieder an frischer Luft Fit durch Nordic Walking eine Baustelle für die neue Werkstatt der „Holzwürmer“. Mit Beginn des Herbstes ließ auch das Gefühl der Sportler nach, einen Verlust hinnehmen zu müssen. Umso mehr wurde mit Aufkommen des Frühlings die Wiedereröffnung fast täglich herbeigesehnt. Aber solch ein Bau braucht seine Zeit. Die neue Grundschullehrerin in Hamburg stellt sich ihrer Klasse vor: „Hallo, liebe Kinder, ich bin die Sabine, ich bin Eure neue Klassenlehrerin“, und, um sich gleich beliebt zu machen, „ich bin HSV-Fan“! „Wer von Euch ist denn auch HSV-Fan?“ Alle, bis auf den kleinen Moritz, melden sich. Die Lehrerin fragt: „Moritz, warum bist Du denn kein HSV-Fan?“ Moritz antwortet: „Mein Vater ist aus Bremen, arbeitet bei Becks und hat früher bei der A-Jugend gespielt, meine Mutter ist auch aus Bremen, arbeitet bei der Bremer Bank und deshalb bin ich Werder-Fan!“ Darauf die Lehrerin: „Aber Moritz, Du musst doch nicht alles nachmachen, was Deine Eltern gemacht haben, Du musst doch auch eine eigene Meinung haben! Stell Dir vor, Deine Mutter wäre Prostituierte und Dein Vater arbeitsloser Alkoholiker, was wäre dann?“ Moritz: „Dann wär’ ich wohl auch HSV-Fan!“ Tr§tzdem 2007 Nr. 37 21 Sport — Bildung — Gesundheit Fußball Die Heseper hatten dick gewonnen, sie waren vielleicht schon leicht Niedersachsenmeisterschaften überheblich. Bei einem der Gefangenen im Fußball in Sieg hätte man gegen Meppen am 16.6.2007 das schwächere Team aus der zweiten Gruppe spielen können, ein kleiner Vorteil. Doch so weit wollte von den Spielern aus Oldenburg keiner denken, das fußballerische Selbstvertrauen war nicht besonders groß. Hauptsache denburger parieren Nicht nur einen kräftigen Sonnenbrand weiterkommen, dann konnte, wurde als Tor brachte die Fußballmannschaft der JVA wäre das Ziel erreicht. gegeben, obwohl der Oldenburg von ihrem Ausflug nach Bereits nach dem ersten Ball nicht einmal die Meppen mit. Der Sonnenbrand war äuSpiel traten bei einigen Torlinie berührt, geßerst verständlich – seit einem Jahr ist Spielern eklatante Konschweige denn überder Sportplatz in Oldenburg baustellenditionsschwächen auf. schritten hatte. Jedem bedingt gesperrt. So sind die Meisten Das war etwas anderes fiel ein wenig das den Kontakt mit Wind und Wetter nicht Die Trophäe als Hallenfußball. Das Herz in die Hose. Das mehr gewöhnt, schon gar nicht 6-7 StunSpielsystem musste daher ein wenig ging ja gleich gut los. Eine Ungerechtigden direkte Sonneneinstrahlung. umgestellt werden, der Libero wurde keit, die manch einer Mannschaft gleich Mit den anderen Mitbringseln, getauscht. im ersten Spiel das Genick gebrochen gleich zwei Pokale wurden erobert, hatte Das Spiel gegen Hesepe fing wieder hätte. niemand auch nur im Traum gerechnet. schlecht an: Nach kurzer Zeit lag OldenHier zeigte sich nun die Stärke, Im Gegenteil: Man wollte auf keinen burg bereits mit 1:0 hinten, der Starstürnämlich die moralische Qualität der OlFall das fußballerische Gesicht verliemer der Heseper war schneller gewesen denburger Mannschaft: Kein Gemecker ren, Ziel war ein Überstehen der Grupals sein Bewacher, ein wenig Chaos und und Gemaule, Ball zur Mitte hingelegt, penphase gewesen. Seit einem Jahr ausUnaufmerksamkeit gepaart mit manweiter ging es. Entsprechend mehr schließlich Hallenfußball, wie die UmDruck wurde auf das Tor der Vechtaer stellung auf das große Feld klappen würgelnder Erfahrung, und schon war der ausgeübt und siehe da: In der einsetzende, war nicht vorhersehbar. Nur vier Ball im Netz. Doch genau wie im ersten den Abwehrhektik unterlief einem Vereinsfußballer waren in der OldenburSpiel ließ sich die Mannschaft davon Vechtaer Spieler kurz darauf ein Handger Mannschaft. nicht entmutigen. Anstoß und weiter spiel im Strafraum – Elfmeter. Souverän Als sehr gelungene Maßnahme erging es. Und auch hier schafften die und sicher wurde der verwandelt, es wiesen sich zu Beginn die kleinen AufOldenburger den Ausgleich und noch stand 1:1, die Moral stieg in wärm- und Ballgefühlsübunbesser: Sie gingen sogar mit 2:1 in Fühder Oldenburger Mannschaft. gen, die das Trainerteam rung. Jeder Angriff der Heseper wurde Das Unentschieden wurde bis Dannebaum/Meyer noch vor niedergekämpft, der Oldenburger Torzum Schlusspfiff gehalten, dem ersten Spiel durchführen wart entschärfte mehrere Einzelgänge keine Niederlage, das war ließen. Das tat allen Spielern und gute Chancen in herausragender schon mal ein kleiner Erfolg. nach der langen, quälenden Manier, einer kam dem anderen zu HilEs wäre auch ein Sieg drin Busfahrt gut und vermittelte fe. Und doch gelang den Hesepern kurz gewesen, etliche Torchancen ein klein wenig Kontakt zu vor Schluss noch der Ausgleich. Die wurden ausgelassen. Alle wadem ungewohnten SpielgeOldenburger Abwehr hatte noch nicht so ren froh und erleichtert: Ein rät. richtig zu ihrem Spiel gefunden, zu viele Der Trainer Debakel vermieden, nicht verDas erste Spiel gegen Stellungsfehler und Lücken, Kampf alloren und in der zweiten Halbdie im Oldenburger Bus mitleine reicht manchmal eben doch nicht zeit auch gar nicht mehr so schlecht gegereiste Vechtaer Mannschaft war zu aus. spielt. Beginn gekennzeichnet von den UmstelDas Unentschieden sicherte auf Da Vechta im ersten Spiel verloren lungsschwierigkeiten der Oldenburger jeden Fall erstmal das Weiterkommen hatte, genügte ein Unentschieden, um auf das große Feld. Laufwege, Abstänins Halbfinale – ein Erfolg, mit dem das Weiterkommen zu sichern. Allerde, selbst der Umgang mit dem diesmal niemand gerechnet hatte. Alle waren dings ging es nun gegen das Team aus nicht aus Filz ummantelten Ball waren jetzt schon froh und zufrieden, das TurHesepe, eine Mannschaft, die das ganze ungewohnt und wurden oft falsch eingenier war gelungen, niemand hatte sich Jahr draußen trainiert, eingespielt, spielschätzt. Kein Oldenburger Spieler fühlte blamiert. Es gab nichts mehr zu verliestark, mit einigen auffälligen Einzelkönsich wirklich wohl auf dem großen ren, nur noch zu gewinnen. Im Halbfinanern. Sie hatten Vechta ohne große MüPlatz, jeder kämpfte zunächst mit seinen le wartete allerdings die Gastgeberhe mit 3:0 geschlagen. Also würde es eigenen Orientierungsproblemen. mannschaft aus Meppen. Eine Manneine Frage des Kampfeswillens werden. schaft, die am normalen Spielbetrieb in Und dann gleich der erste Schreck: Ein Schuss aufs Tor, den der hervorragend agierende Keeper der Ol- Gekämpft und gewonnen: MEISTER! 22 Tr§tzdem 2006 Nr. 37 Sport — Bildung — Gesundheit Die Helden der Liga teilnimmt, jedes Wochenende um Punkte spielt. Einige sehr gute Spieler, darunter auch ein ehemaliger Oldenburger, der nun gegen seine ehemalige Mannschaft auf Torjagd ging. Aber egal – eine Niederlage war nicht weiter schlimm. Gegen so eine Mannschaft konnte man ruhig ausscheiden. Anstoß und nach dem ersten Angriff der Meppener lag Oldenburg mit 1:0 zurück. Ein unglücklicher Abpraller ließ den Ball direkt vor die Füße eines Meppener Angriffspielers fallen, der hatte keine Mühe und konnte sich die Ecke aussuchen. Diesmal war der Oldenburger Torwart chancenlos. Wieder zeigte sich die erstaunliche moralische Qualität in der Oldenburger Mannschaft. Kein Gemecker, keine Vorwürfe, es wurde einfach weitergespielt und mehr Gas gegeben, so weit das bei der nicht vorhandenen Kondition noch ging. Und so kam es, wie es kommen sollte: Oldenburg schaffte den Ausgleich und in der zweiten Halbzeit durch einen hervorragend getretenen Freistoß sogar die Führung. Die wurde mit allen noch zur Verfügung stehenden Kräften verteidigt, jeder ging an die eigenen Grenzen und darüber hinaus. Auch in diesem Spiel war die Leistung des Oldenburger Torhüters Basis für den Sieg über Meppen. Er verhinderte ein ums andere Mal mit seinen Paraden und kompromisslosem Herauskommen bei Einzelaktionen Meppener Spieler das Gegentor. Kein Oldenburger Spieler steckte zurück, ein unglaublicher Kampfgeist stand der bes- seren Qualität der Meppener Spieler entgegen. Zudem hatten die Spieler auf dem Feld das System in der Abwehr umgestellt. Nun wurde die äußerst seltene Variante einer Verteidigung mit Doppellibero gespielt. Das machte sich sofort bemerkbar, ab da gab es kaum mehr Torchancen für den Gegner, die Abwehr stand sicher und stabil, erstmals im Turnierverlauf. So wurde die Führung bis zum Spielende verteidigt – Oldenburg stand im Finale. Eine unglaubliche Leistung für eine Mannschaft, die noch nie auf einem großen Platz zusammen trainiert oder gespielt hatte. Von Spiel zu Spiel hatten sich die Spieler gesteigert, sich mit den ungewohnten Umgebungsbedingungen angefreundet und dazu gelernt. Das war ausschlaggebend für den Einzug ins Finale. Nun war erst einmal Mittagspause, Grillzeit. Mühsam und humpelnd schleppten sich die Spieler zu aufgebauten Grillzelten. Kaum einer hatte keine Blessuren davon getragen. Nach dem Essen konnte sich keiner vorstellen, auch nur einen Meter noch laufen zu können. Aber egal, es ging weiter. Der Gegner hieß, wie in der Vorrunde, Hesepe. Die Mannschaft kannte man bereits und man war sich sicher, sie besiegen zu können. Hatten die Oldenburger im ersten Spiel doch zeitweise mit 2:1 geführt. Die Abwehr stand mit dem neuen System nun endlich stabil und so wogte das Spiel hin und her, keine Mannschaft konnte sich einen Vorteil erspielen. In der zweiten Habzeit bekam Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Oldenburg dann langsam ein Übergewicht, entscheidend war der größere Kampfes- und Siegeswille. Alle Spieler waren völlig fertig, phasenweise wurde von beiden Mannschaften der Ball nur noch möglichst weit hinten heraus geschlagen, Hauptsache weg vom eigenen Tor. Zu konstruktivem Aufbauspiel war niemand mehr körperlich in der Lage. In der letzen Spielminute setzte sich dann ein Oldenburger Stürmer mit letzter Kraft, aber fest entschlossen, „sein“ Tor zu machen, gegen drei Verteidiger durch und schlenzte den Ball unhaltbar für den Torwart ins Eck. Oldenburg führte 1:0, nach dem Anstoß folgte der Abpfiff – Oldenburg war Turniersieger! Entscheidend für den Turniersieg waren der Siegeswille und die Mannschaftsleistung – die Leistung des Kollektivs siegte über stellenweise hervorragende Einzelspieler anderer Mannschaften. Wie im richtigen Fußball eben. Bei der Auswahl der Spieler hatten die beiden Trainer viel Feingefühl und gutes Gespür bewiesen, eine gute Mischung hinbekommen mit charakterstarken Spielern, die sich auch von kleineren Missgeschicken wie frühen Gegentoren, Fouls, zu Unrecht gegebenen Toren und ähnlichem nicht hatten entmutigen lassen. Das gab letztendlich den Ausschlag. So konnten alle wenigstens einigermaßen gut gelaunt die Torturen der Heimfahrt überstehen, zwei Stunden eingesperrt wie Hühner in Käfigen. Aber diesmal war es egal, es zählte nur der Sieg! Markus Lanfer 23 Sport — Bildung — Gesundheit Das Top-Thema Der Erfolg der Bildungsmaßnahmen kann aber nur gesichert werden, wenn die geeigneten Gefangenen und alle Bediensteten der JVA von der Notwendigkeit der Bildungsanstrengungen überzeugt sind. Eine besondere Last hat dabei Herr Dannebaum als der für Bildung zuständige Beamte übernommen. Bildungsmaßnahmen für Gefangene der JVA Oldenburg Die JVA Oldenburg war bei ihrer Konzeptionierung und ihrer Inbetriebnahme im Jahre 2001 als reine Untersuchungshaftanstalt vorgesehen gewesen. Darauf wurden fast alle Maßnahmenangebote abgestimmt. Das umfasste im Wesentlichen folgende Gruppenarbeiten: • Soziales Training • „Anonyme Alkoholiker“ (AA) • Suchtberatungsdienst mit ‚Rose 12‘ • Gefangenensport • Betreute Freizeit mit Spielegruppe und Kirchengruppe Mit dem Einzug der ersten Gefangenen in Strafhaft änderten sich die Anforderungen. Viele neue Maßnahmen wurden in Planung genommen. Davon wurden in den Jahren 2002/2003 die • Lockerungsgruppe (auf Initiative von Herrn Krügl und der GIV), • die Gefährdetenhilfegruppe, • die Musikgruppe und • der Alphabetisierungskurs ins Leben gerufen. Seit 2 Jahren besteht auch ein Gospelchor. Inzwischen hat die JVA Oldenburg ein völlig verändertes Bild bekommen, denn fast die Hälfte der Inhaftierten der Hauptanstalt sind aufgrund eines veränderten Sicherheitskonzeptes für die Niedersächsischen Justizvollzugsanstalten Strafgefangene. Dieser veränderten Gefangenenstruktur wird seit Ende 2006 durch ein umfangreiches Behandlungs- und Bildungskonzept in der JVA Oldenburg Rechnung getragen. Das Bildungskonzept ist gut ausdifferenziert und stellt einen wesentlichen Reintegrationsbaustein für die Inhaftierten dar. Es orientiert sich am bestehenden Strafvollzugsgesetz und stark an den Grundsätzen und Standards des „Niedersächsischen Chancenvollzugs“, die schon die Leitgedanken der neuen 24 UM Neue Vollzugsschwerpunkte in der JVA Oldenburg Gesetzgebung zum Justizvollzug in Niedersachsen bestimmt haben. Alle Bildungsmaßnahmen sind in das Anstaltskonzept der JVA Oldenburg integriert und sind mit den Maßnahmen der Justizvollzugsanstalten des Regionalverbundes Nord-West (JVAen Lingen, Meppen, Oldenburg) abgestimmt. Die Bildungsmaßnahmen in Oldenburg umfassen sowohl schulische als auch berufliche Bildungsangebote und werden weitgehend mit einem mit der JVA Oldenburg kooperierenden externen Bildungsträger durchgeführt. Der Erfolg der Bildungsmaßnahmen soll durch ein Controlling gesichert werden. Die Bildungsmaßnahmen für Gefangene berühren fast alle Bereiche des Vollzugs: • In der Aufnahme werden schon Bildungsstand, Interessen und Fähigkeiten der Gefangenen erfragt. • An Bildungsmaßnahmen teilnehmende Gefangene müssen im Vollzugsalltag entsprechend beurteilt, motiviert und begleitet werden. • Bildungsmaßnahmen werden wesentlicher Bestandteil der Vollzugspläne. • Die Betriebe der Anstalt sind zugleich Bildungsstätten für geeignete Gefangene und auch „Konkurrenten“ im „Wettbewerb“ um geeignete Inhaftierte. Tr§tzdem 2006 Nr. 37 Die JVA Oldenburg feierte vor kurzem ihr über 5-jähriges Dasein im neuen Gebäude in der Cloppenburger Straße, unter anderem mit dem mittlerweile legendären Konzert der Hannoveraner Band „Fury in the Slaughterhouse“. Genau wie sich in den letzen fünf Jahren „draußen“ viel verändert hat, sind auch in der JVA Oldenburg viele neue Entwicklungen festzustellen. Dieses Heft beschäftigt sich im Schwerpunkt mit den kleinen und großen Veränderungen innerhalb der Anstalt und gibt damit gleichzeitig einen guten Überblick über die aktuelle Situation. Entsprechend ihrer Geschichte wurde die JVA Oldenburg bei der Neukonzeption für den Umzug ins neue Gebäude als reine U-Haftanstalt angelegt. Lediglich etwas mehr als 40 Strafhäftlingsplätze waren als Funktionsstellen vorgesehen. Das Maßnahmen-, Betreuungsund Bildungsangebot war auf das Klientel Gefangene in Untersuchungshaft abgestellt. Hier wollte und sollte Oldenburg neue Maßstäbe setzen, was auch gelang. Landesweit gab es kein Gefängnis für U-Inhaftierte, das auch nur annähernd mit dem Niveau sowohl von Sicherheit, aber auch von Betreuung mithalten konnte. Die meisten UHaftanstalten sind mittlerweile dem Vorbild Oldenburg gefolgt, beziehungsweise auf dem Weg dorthin. Selbst eine kleine Anstalt wie Osnabrück hat die Notwendigkeit der körperlichen Bewegung eingesehen und bietet mittlerweile Sport — Bildung — Gesundheit ein, wenn auch nur kleines, aber immerhin, Sportangebot. Der gesunde Menschenverstand setzt sich hier langsam zumindest in kleinen Teilen durch. Es kann nicht sein, dass man zwei wildfremde, zu dem Zeitpunkt noch als unschuldig geltende Menschen auf 8 -10 qm 23 Stunden in eine Zelle sperrt und ihnen nur die Aufenthaltsmöglichkeit Stuhl oder Bett gewährt. Selbst für die immer als kurz bezeichnete Zeit der UHaft - in der Regel sind es dann doch sechs bis sieben Monate - ist dies kein menschenwürdiger Zustand. Hier war und ist Oldenburg eindeutig ganz weit vorne. Selbst als U-Gefangener kann man am breiten Sportangebot teilnehmen, es gibt Arbeit in (fast) ausreichendem Maß, sogar Betreuungsangebote wie Anonyme Alkoholiker, Christliche Gefährdetenhilfe, Suchtberatung, Kirchengruppe, Spielegruppe, Band und Chor stehen einem offen. Anders sieht es auf dem Gebiet der Strafgefangenen aus. Hierfür war Oldenburg nicht ausgelegt und man tat sich verständlicherweise sehr schwer, auf dieses Klientel einzugehen. Laut dem bald nicht mehr geltenden Strafvollzugsgesetz, das in einigen Gerichtsurteilen genauer spezifiziert wurde, sind U- und Strafgefangene strikt voneinander zu trennen, um die ordnungsgemäße Durchführung der U-Haft, das heißt besonders die Kontrolle der ein- und ausgehenden Informationen zu einem UHäftling, zu gewährleisten. Der täglich und unkontrollierbar stattfindende Informationsfluss zwischen U- und Strafgefangenen bereitet in Oldenburg nach wie vor konzeptionelle Schwierigkeiten. So ist es das einzige Gefängnis Niedersachsens, in dem die Post von Strafgefangenen geöffnet und gelesen wird, um das darin mögliche Schmuggeln von Nach- ! en ss ! lo uns h c rs zu v e mt Un o m K richten für U-Inhaftierten zu vermeiden. Sogar Anwaltspost wird im Einzelfall aus diesem Grund geöffnet und gelesen. Gefangenen aus anderen Haftanstalten ist so ein Vorgehen völlig fremd und unbekannt, sie empfinden es meist als ausgesprochen unverständlich und entwürdigend, wenn sich die Anstalt derart in ihr Privatleben einmischt. Mittlerweile sind ca. 50 % der Oldenburger Gefangenen in Strafhaft. Sie wohnen und leben hier für einen längeren Zeitraum, versuchen ihr Leben für diesen längeren Zeitraum hier einzurichten. Das unterscheidet sich deutlich von der Sichtweise eines U-Häftlings, der nicht weiß, ob er verurteilt wird, für wie lange, was nach der U-Haft passiert und wo er anschließend bleibt. Strafgefangenen müssen so genannte Behandlungsangebote gemacht werden, wie beispielsweise Antiaggressionstraining für Gewalttäter, Soziales Training und ähnliche Dinge. Bei etlichen Inhaftierten muss eine begleitende individuelle Betreuung durch das Psychologenteam erfolgen. Die Anstalt ist gezwungen, Bildungsmaßnahmen für Straffällige mit schlechtem Bildungsstand anzubieten, um die Chancen der Wiedereingliederung zu verbessern. Man kann, darf und soll die Inhaftierten nicht einfach für die Zeit ihrer Strafe wegsperren, zur Beruhigung nur mit Arbeit und Sport versehen. Es muss mit ihnen, an ihnen gearTr§tzdem 2007 Nr. 37 beitet werden. Und dies gleichzeitig unter Beachtung der hohen Sicherheitsstandards eines Gefängnisses mit Sicherheitsstufe 2, was bedeutet, dass auch „richtige“ Kriminelle hier sitzen und nicht nur „Handtaschendiebe“. Ein sehr schwer zu schaffender Spagat. Als ich, vor einigen Jahren muss ich leider sagen, hier in Oldenburg ankam, gab es in Punkto Bildung eine einzige Maßnahme: Den so genannten Alphabetisierungskurs einer älteren ehemaligen Grundschullehrerin (siehe den Artikel in der Tr§tzdem Nr. 33). Hier ist im letzten Jahr die Wende zum Besseren eingetreten. Es gibt einen Computerkurs, der mit einem europaweit geltenden Zertifikat a b g e schlossen w e r d e n k a n n u n d e in e n K u r s „Berufliche Einstiegsqualifizierung“. Die Ende letzen Jahres entstandene Literaturgruppe werte ich ebenfalls als Bildungsmaßnahme, sie ist es von der Anlage her sogar im originären Sinn, auch wenn der Teilnehmerkreis beschränkt ist. Musikunterricht durch qualifizierte Lehrer von „draußen“ wäre im Übrigen ebenfalls ein sehr passendes Bildungsangebot, das jeden Teilnehmer in der Entwicklung seiner Persönlichkeit weiterbringen würde. Denn wer die Ausdauer und Power hat, ein Instrument zu erlernen oder sich daran weiter zu entwickeln, schmeißt auch sonst nicht so schnell die Flinte ins Korn … Geplant und zum Teil schon in der Umsetzungsphase sind Maßnahmen im beruflichen Bereich. Die vorhandenen gut ausgestatteten Werkstätten bieten sich dafür an und sollen künftig für berufliche Teilqualifizierungen genutzt werden. Das wäre ein weiterer, großer Schritt für ein verbessertes Angebot zur Wiedereingliederung. Denn eines ist wohl völlig klar: Die Bildungsvoraussetzungen der meisten Fortsetzung auf Seite 26 25 Sport — Bildung — Gesundheit Angebotene Behandlungsmaßnahmen ausgewählter Justizvollzugsanstalten (Exemplarische Übersicht aus Oldenburger Sicht interessant, da vielfach Verlegungen zwischen diesen Anstalten stattfinden) rmine lle Te Aktue JVA Oldenburg Hauptanstalt Beginn Ende Das Programm der Maßnahmen wird ständig neu zusammengestellt Maßnahme Schulische Bildung Elementarkurs Elementarkurs Berufliche Ausbildung Vorbereitung auf den Europäischen Computerführerschein (ECDL) Vorbereitung auf den Europäischen Computerführerschein (ECDL) verhaltensändernde Maßnahme Orientierungsgruppe für Drogenabhängige Soziales Training Soziales Training Antigewaltmaßnahme "Meine Zukunft ohne Gewalt" Integrationskurs für Gefangene mit Migrationshintergrund und Deutsche mit Immigrationsproblemen Typ Kriminalpräventive Behandlung Fortsetzung von Seite 25 Inhaftierten sind nicht besonders gut, daran gekoppelt sind die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Hier muss in der Kriminalprävention angesetzt werden, will man langfristig erfolgreiche Arbeit leisten. Dabei muss aber auch sicherlich festgestellt werden, dass für Bildung jeder, nach seinem mehr oder weniger vorhandenen Schulabschluss, selbst verantwortlich ist. Aufgewertet, das heißt besser beworben und ausgenutzt werden, sollte auf jeden Fall die vorhandene Bibliothek. Hier sind mittlerweile her- Schulische Bildung Schulische Bildung 05.03.2007 31.07.2007 03.09.2007 26.01.2008 Berufliche Ausbildung 15.02.2007 20.07.2007 Berufliche Ausbildung 06.09.2007 25.01.2008 Soziales Training Soziales Training Soziales Training Gruppenbehandlung 29.03.2007 08.07.2007 30.03.2007 20.07.2007 01.08.2007 31.07.2008 Gruppenbehandlung 06.03.2007 06.09.2007 Einzelbehandlung 31.10.2006 31.10.2007 JVA Celle Das Programm der Maßnahmen wird ständig neu zusammengestellt Typ Schulische Bildung Hauptschulkurs (HSK) Schulische Bildung Celle Beginn Salinenmoor Ende Schulische Bildung Schulische Bildung Förderkurs Schulische Bildung Hauptschulkurs Schulische Bildung 04.09.2006 10.07.2007 Realschulkurs Schulische Bildung 01.09.2005 12.07.2007 Berufliche Ausbildung Berufliche Ausbildung 01.09.2005 06.07.2007 01.09.2006 04.07.2008 Umschulung zum Raumausstatter I Umschulung zum Raumausstatter II Berufliche Ausbildung Berufliche Ausbildung 01.09.2005 05.07.2007 01.09.2006 02.07.2008 Umschulung zum Tischler I Berufliche Ausbildung 01.09.2005 04.07.2007 Umschulung zum Tischler II Berufliche Ausbildung 01.09.2006 01.07.2008 Soziales Training Soziales Training 09.10.2006 09.07.2007 Projekt Alternativen zur Gewalt (PAG) Soziales Training 02.01.2007 01.07.2007 Soziales Training Soziales Training Autogenes Training (AT) Gruppenbehandlung 10.07.2007 16.10.2007 Behandlungsgruppe zum Thema Spielsucht Gruppenbehandlung 01.02.2006 21.12.2007 BPS/ Behandlungsprogramm für Sexualtäter Externe Psychotherapie Gruppenbehandlung Einzelbehandlung 01.02.2006 31.12.2007 01.01.2007 31.12.2007 verhaltensändernde Maßnahme Anti-Aggressions-Training (AAT) MuT- Motivation und Therapie 26 Ende 18.09.2006 13.07.2007 Deutsch als Zweitsprache (DaZ) EDV Kurs Berufliche Ausbildung Umschulung zum Bäcker Umschulung zum Metallbauer Beginn 04.09.2006 29.09.2007 07.05.2007 13.07.2007 01.08.2006 31.07.2007 01.01.2007 31.12.2007 28.03.2007 01.07.2007 Tr§tzdem 2006 Nr. 37 agen! Abt. Nordenham Beginn Ende AB C 07.02.2007 31.07.2007 vorragende Bücher für alle Bereiche, sogar aktuelle Fachbücher zur Berufsausbildung, auszuleihen. Dies wird meines Erachtens zu wenig propagiert, gefördert und genutzt. Der zum Herbst neu erscheinende Bücherkatalog und der neue Hörbuchclub werden die Situation vielleicht ein wenig verbessern. Die mittlerweile ins gesellschaftliche Bewusstsein eingedrungene Notwendigkeit eines selbstverantwortlichen lebenslangen Lernens ist bei der Klientel einer JVA noch nicht so richtig angekommen. Allerdings lässt sich, wie einige Umfragen innerhalb der JVA zeigen, zumindest eine Offenheit bei vielen Ge- Maßnahme rfr bitte e fangenen in diesem Punkt feststellen. Meist bedarf es nur eines kleinen Anstoßes und der Versicherung, dass einen nicht allzu große Misserfolgserlebnisse erwarten, um Gefangene für Bildungsmaßnahmen innerhalb der JVA zu interessieren. Ein gutes Beispiel kann die JVA Geldern geben, die eine Kooperation mit der örtlichen Volkshochschule eingegangen ist. Für eine Volkshochschule ist es kein großes Problem, klientenorientierte Maßnahmen auszutüfteln und anzubieten. Auch die Volkshochschule Oldenburg könnte sich hier als guter Partner erweisen. Jede Bildungsmaßnahme hilft, stellt eine Verbesserung der Chancen für Straffällige dar. Nichts ist schlimmer, als nach einer mehrjährigen Haftstrafe mit den gleich schlechten Fortsetzung auf Seite 27 Sport — Bildung — Gesundheit JVA Meppen Das Programm der Maßnahmen wird ständig neu zusammengestellt Maßnahme Typ Schulische Bildung Deutsch für Ausländer - Anfängerkurs (DaF I) Schulische Bildung Deutsch für Ausländer - Intensivkurs (DaF II) Schulische Bildung Förderkurs Schulische Bildung Hauptschulkurs Schulische Bildung Integrationskurs für Aussiedler Schulische Bildung Realschulkurs Schulische Bildung Vorbereitungslehrgang zur individuellen Berufsförderung und Reintegration v. Strafgefangenen i. d. Arbeitsmarkt Schulische Bildung Berufliche Ausbildung Einstiegsqualifizierung Gastronomie Fördermaßnahme "Kunst-Bildung-Arbeit" (KuBA) Lehrbetrieb Gartenbau - Fachrichtung Gemüsebau Lehrwerkstatt Holz - Fachrichtung Möbelbau Lehrwerkstatt Metall - Fachrichtung Betriebstechnik verhaltensändernde Maßnahme Bewältigung von Alltags- und Schlüsselqualifikationen (BAS) Fit für Therapie (Sucht) Fit für Therapie/Interne Suchtberatung Gruppensitzungen im Rahmen der Motivationsbehandlung für alkoholabhängige gefangene MUMM (Mut um mehr zu machen) Behandlungsgruppe für durchsetzungsschwache Gefangene Soziales Training Soziales Training Soziales Training für durchsetzungsschwache Gefangene (differenz. Abt. Haus II) Soziales Training für Lockerungsversager Interne Behandlungsgruppe für Gewalttäter Psychotherapie (externer Therapeut) Meppen Beginn Ende 02.01.2007 02.01.2007 02.01.2007 04.09.2006 02.01.2007 04.09.2006 18.07.2007 18.07.2007 18.07.2007 13.07.2007 18.07.2007 13.07.2007 Beginn A Ende BC Calvin and Hobbes neu illustriert von Jochen Etzel „Miss Wormwood, ich möchte, dass Sie diesen Vertrag unterzeichnen.“ 01.01.2007 30.12.2007 Berufliche Ausbildung Berufliche Ausbildung Berufliche Ausbildung Berufliche Ausbildung Berufliche Ausbildung 02.05.2007 01.01.2007 02.01.2007 02.01.2007 02.01.2007 Soziales Training Soziales Training Soziales Training 04.09.2006 13.07.2007 22.03.2007 30.06.2007 Soziales Training 02.01.2007 31.12.2007 Soziales Training Soziales Training Soziales Training 02.01.2007 31.12.2007 01.07.2007 01.11.2007 Soziales Training Soziales Training gruppenbehandlung Einzelbehandlung Abteilung Emden 30.12.2007 30.12.2007 21.12.2007 21.12.2007 21.12.2007 19.03.2007 01.08.2007 „Es ist eine Vereinbarung, wonach Sie mir einen Ausgleich für jeden Verdienstausfall bezahlen, den ich als Erwachsener wegen schlechter Volksschulbildung erleiden könnte.“ 15.07.2007 15.11.2007 02.01.2007 31.12.2007 01.10.2007 01.02.2008 27.04.2007 31.05.2008 11.01.2006 31.12.2007 Aussichten wie vorher vor dem Tor zu stehen. Neben den vielen kleinen und großen Verbesserungen, die in letzter Zeit erreicht wurden, gibt es eine neue gute Nachricht. Ab November wird es einen zweiten, diesmal hauptamtlichen Bildungsbeauftragten geben. Dann wird die JVA Oldenburg ihr Defizit im Bereich der Strafhäftlingsbetreuung und Bildung deutlich verbessern können und vielleicht das hohe Niveau der Betreuung von Gefangenen in Untersuchungshaft erreichen … Markus Lanfer „Wenn Du nichts lernst, liegt es an Deiner Faulheit, nicht an mir. Geh zurück auf Deinen Platz!“ JVA Lingen Lingen Das Programm der Maßnahmen wird ständig neu zusammengestellt Maßnahme Typ Beginn Ende Haus III Beginn Ende Schulische Bildung Berufsorientierter Deutschkurs Schulische Bildung 29.01.2007 28.06.2007 Elementarkurs Schulische Bildung 05.02.2007 04.07.2007 Sprach- und Integrationskurs Schulische Bildung 02.01.2006 13.12.2007 AB verhaltensändernde Maßnahme Ehrenamtliche Gesprächsgruppe für alkoholabhängige Gefangene Kreuzbundgruppe Soziales Training 02.01.2007 31.12.2007 Gesprächskreis für Inhaftierte und Angehörige Soziales Training 23.07.2007 26.11.2007 Kommunikationsgruppe Alkohol - Drogen Soziales Training 05.10.2006 05.10.2007 Motivationsgruppe/ Fit für Therapie in Koordination mit der Fachklinik Nettetal Soziales Training Orientierungs- Motivations- Abstinenzgruppe für alkoholauffällige und alkoholabhängige Inhaftierte Soziales Training Soziale Trainingsmaßnahme für Aussiedler Soziales Training C „By Golly, irgend jemand muss doch zahlen, wenn ich nichts lerne!“ 24.05.2007 02.07.2007 04.09.2006 04.09.2007 13.03.2007 31.07.2007 Soziales Training Soziales Training 11.05.2007 30.11.2007 Soziales Training Soziales Training 07.02.2007 08.10.2007 Soziales Training Behandlungsprogramm für Sexualtäter (BPS) Gruppenprogramm Soziale Verantwortung (GSV) Naikan Seminar Therapeutische Behandlungsgruppe für alkoholabhängige Inhaftierte Therapievorbereitungsgruppe für drogenabhängige UGefangene Soziales Training Gruppenbehamdlung Gruppenbehamdlung Gruppenbehamdlung 01.03.2007 26.06.2006 14.07.2006 12.11.2007 Gruppenbehamdlung 04.09.2006 04.09.2007 Gruppenbehamdlung 02.07.2007 30.06.2008 31.10.2007 30.06.2007 14.07.2007 19.11.2007 Tr§tzdem 2007 Nr. 37 27 Sport — Bildung — Gesundheit Alphabetisierungskurs Alles begann mit einem Gespräch mit der Vollzugsabteilungsleiterin Frau Krauthausen Ende 2006. Ich bin als Spätaussiedler 1999 aus Kasachstan nach ABC Deutsch- land gekommen und meine Deutschkenntnisse sind mehr durch die elterlichen Einflüsse in der Jugendzeit als durch eigene Sprachpraxis geprägt. Besagte Frau Krauthausen empfahl mir nämlich, meine deutschen Sprachkenntnisse zu verbessern und an einem Alphabetisierungskurs teilzunehmen. Das hatte zur Folge, dass ich auf einen Menschen traf, der mich sehr beeindruckt hat und dem ich neben Frau Krauthausen sehr dankbar bin. Ich spreche von Frau Maskallis, einer Dame Anfang der 80er und eine außergewöhnliche Pädagogin. Doch der Reihe nach: Der Alphabetisierungskurs richtet sich an Gefangene, deren Heimatschrift oft das Kyrillische oder das Arabische ist. Frau Maskallis geht es nicht nur darum, dass sich die Gefangenen mit dem lateinischen Alphabet vertraut machen, sondern sie bringt den etwa 10 Teilnehmern neben der deutschen Sprache die deutsche Kultur, Tradition, Mentalität und die deutsche Politik näher. Dabei entwickelt sie einen unkonventionellen didaktischen Ansatz, der die Teilnehmer begeistert. So versteht sie es, allen, die vom Arabischen her gewohnt sind, von rechts nach links zu schreiben, mit Haltungsübungen das zu beschreibende Blatt Papier in die richtige Position zu bringen. Das Wichtigste jedoch: Jeder gesprochene Buchstabe bekommt zu seiner Unterstützung ein einprägsames Handzeichen mit auf den Weg. Dann wird auf einmal aus „Anna“ oder „Uta“ ein akustisches und ein optisches Erlebnis. Sie hat auch einen Blick dafür, wer Deutsch lernen will oder wer nur eine Pflichtübung absolvieren möchte. 28 Aus ihrer Hausbibliothek bringt sie Bücher mit, die Anlass sind, sich mit Goethe, Schiller oder Heine zu beschäftigen oder sich mit moderneren mit den neuesten Nachrichten aus dem Internet auf dem Laufenden. Dass Frau Maskallis auch bei mir Erfolge zu verzeichnen hat, ist nicht zuletzt daran zu erkennen, dass andere Gefangene mir sagen, dass mein Deutsch jetzt schon deutlich besser geworden ist. Dichtern wie Simon Dach, Martin Opitz oder Arno Holz näher zu befassen. Aber auch Einstein, Rainer Maria Rilke, Theodor Storm, Hermann Löns, Konfuzius oder Nietzsche dürfen nicht fehlen; und zu Ostern wartete sie mit Schokoladenhasen und selbstgebackenem Kuchen auf, serviert auf einem liebevoll eingedeckten Tisch. Das ruft unweigerlich Erinnerungen an die Einladungen bei der eigenen Großmutter wach. Dabei weiß sie dann zu erzählen, wie es mit dem Brauchtum angefangen hat und wie es heute in der deutschen Kultur gehalten wird. Dies alles geschieht vor dem Hintergrund eines beeindruckenden Lebens und eigenem Erleben. Aufgewachsenen in kleinbürgerlichen Verhältnissen und beseelt von dem frühen Wunsch, einmal Lehrerin zu werden, wurde sie erst einmal Krankenschwester, weil die finanzielle Situation des Vaters nicht mehr zuließ. Während des 2. Weltkrieges wurde sie dann als OP-Schwester verpflichtet, sah zuviel Blut junger Leute, erlebte Bombenangriffe und verlor nie ihr Ziel aus dem Auge. So fand sie, bereits Anfang 40, als verheiratete Mutter von inzwischen 5 Kindern noch den Weg in die Uni, um Lehrerin zu werden – und nachts wurde weiterhin als Krankenschwester gearbeitet. Diese Biographie ist ein leuchtendes Beispiel dafür, dass man immer neu anfangen kann. Das bringt auch manchen Gefangenen sehr zum Nachdenken, glaubte er doch, dass sein Leben schon verpfuscht wäre. Daher ist für die Teilnehmer die Freude immer groß, wenn es zum Unterricht zu Frau Maskallis geht. Nebenbei hat sie für manchen von uns noch einen guten Rat parat und hält die Gefangenen Neu im Maßnahmenprogramm der JVA Oldenburg ist seit März dieses Jahres ein Kurs, der sich an Gefangene mit Migrationshintergrund richtet, die das Ziel und die Möglichkeit haben, in Deutschland zu bleiben. Das Ziel des Kurses ist, die Teilnahme an weiterführenden Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen zu wecken, die Verbesserung der Integration in die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland zu bewirken und die eigene Identität in der neuen ge- Tr§tzdem 2006 Nr. 37 Alexander Leer Migrationsgruppe Alles ist so fremd! Wie schaffe ich es? sellschaftlichen Umgebung zu finden. Die Maßnahme wird von dem Psychologen Herrn Buß und von der Sozialpädagogin Frau Danilin geleitet. Zum ersten Kurs dieser Art haben sich u. a. deutsche Spätaussiedler aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, aus Albanien oder der Türkei zusammen gefunden. Ein Glücksfall ist, dass mit Frau Danilin jemand dabei ist, der aus Kasachstan kommt und aus eigener Anschauung und Erfahrung glaubhaft wichtige Impulse geben kann und die richtige Ansprache findet. So kennt sie z. B. die Mentalität vieler „DeutschRussen“ und weiß, was sie denken, denn sie kommt auch aus der gleichen Generation wie viele der zumeist jüngeren Gefangenen. Am Anfang berichtete jeder Teilnehmer aus seinem Leben, das recht Sport — Bildung — Gesundheit kurz beschrieben werden kann: Kommen nach Deutschland, können kein Deutsch, kennen keine Freundin - niemanden, wollen schnell zu Geld kommen, nehmen Drogen. Frau Danilin ist dann lebendes Beispiel dafür, dass es auch anders gehen kann. So hat sie Eltern, die ihr vorher erzählt haben, welche Chancen sie in Deutschland hat. Daraus entwickelte sie für sich ein Ziel, das erreicht werden sollte; sie hat hart gearbeitet und studiert. Dass es auch andere schaffen, zeigten die von Herrn Buß mitgebrachten Filme, und er vermittelte anhand der Beispiele den Teilnehmern, wie man ohne die bei den Gefangenen nicht seltenen Konflikte sein Ziel erreichen kann. Er bringt den Teilnehmern aber auch die deutsche Kultur näher und erklärt, wie mit den Unterschieden in der Kultur, der Religion und der Mentalität umzugehen ist. All das hilft, sowohl mit den Konflikten hier im Gefängnis als auch nach der Entlassung umzugehen. Zu allen Kursteilnehmern, die noch am Anfang des Kurses verschlossen waren, hat Herr Buß im Laufe der Sitzungen einen so guten Zugang gefunden, dass zunehmend eine offene Atmosphäre eintrat. Er weckte auch das Verständnis für die Aufgaben der Bediensteten und erklärte ihre Brückenfunktion nach draußen. Dabei war sicherlich manches Vorurteil abzubauen, das durch die schlechten Erfahrungen mancher Kursteilnehmer mit den „Staatsdienern“ ihrer Heimatländer entstanden ist. Aber auch die Besonderheiten des deutschen Humors kamen nicht zu kurz, und wie kann man mit seinem zukünftigen Nachbarn Kontakt aufnehmen – wie hilfreich ist ein Gruß oder ein Lächeln? Nur wer anklopft, wird auch hereingebeten und schafft sich Kontakte! Das hilft nicht zuletzt beim Umgang mit den Behörden. Ob man nun Gefangener in Strafhaft oder in U-Haft ist, die Zeit sollte genutzt werden, um sich auf die Zeit danach intensiv vorzubereiten. Wenn man irgendwann einmal gefragt wird, wie es im Gefängnis war und man dann einen guten Rat geben kann, dann wird nie wieder die Gefahr bestehen, straffällig zu werden. War am Anfang der 6 Monate für manchen Teilnehmer vieles fremd, so ist im Laufe der Sitzungen die richtige Richtung, der richtige Weg deutlich zu erkennen gewesen. Das Interesse, mehr für sich zu tun, wurde in hohem Maße geweckt. Anmerkung: Die Statistik gibt uns an, dass 15,3 Millionen der in Deutschland lebenden Menschen aus dem Ausland kommen. Von diesen 15,3 Millionen ist inzwischen ca. die Hälfte deutscher Staatsangehörigkeit. Aus der Türkei kommen 14,2 %, aus Russland 8,2 %, aus Polen 6,9 %, aus Italien 4,2 % und aus Rumänien, Serbien und dem Kosovo kommen jeweils 3 %. Statistisch gesehen werden sich die Ausländeranteile in Deutschland noch erweitern, denn schon heute wächst jedes 3. Kind bis 5 Jahren in Familien auf, bei denen beide Elternteile unterschiedlicher Nationalität sind. So haben schon die Großstädte Stuttgart 40,1 %, Frankfurt a. M. 39,5 %, Nürnberg 37,3 %, Augsburg 36,2 %, München 34,4 %, Düsseldorf 32,2 %, Köln 31,9 %, Wuppertal 30,8 % und Berlin in einigen Stadtteilen über ca. 30 % ausländische Bevölkerungsanteile. Von den in Deutschland lebenden Ausländern haben 10 % keinen Grundschulabschluss (1,5 % bei Deutschen) und 51 % keine abgeschlossene Berufsausbildung (27 % bei Deutschen). Demzufolge liegt die Arbeitslosigkeit bei ihnen bei 13 % (7,5 % bei Deutschen), und die angebotene Arbeit ist meist minderwertig. Die Möglichkeit, die deutsche Staatbürgerschaft zu bekommen, hat sich in den letzten Jahren aufgrund gesetzlicher Änderungen deutlich verschlechtert (2003: 140,7-tausend, 2005: 117,2tausend). Dafür haben aber die qualitativen Integrationsanstrengungen zugenommen. PC-Kenntnisse und Anwendungserfahrung zu erwerben. Der ECDL-Kurs ist in 7 Lernmodule mit unterschiedlichen fachlichen Schwerpunkten unterteilt. Das Modul 1 „Grundlagen der Informationstechnologie“ soll den Teilnehmern ein grundlegendes Verständnis für den Umgang, die Auswirkungen und die Anwendung der IT vermitteln. Es ist das einzige produktunabhängige Modul. Die Module 2-7 sind produktabhängig und vermitteln den Umgang mit Anwendungsprogrammen aus den Bereichen Betriebssystem, Textverarbeitung, Tabellenverarbeitung, Datenbank, Präsentation, Internet und E-Mail. Die Projektleitung der JVA Oldenburg hat sich, unter anderem auch aufgrund der großen Verbreitung in der Alexander Leer Computerführerschein ECDL: European Computer Drivers Licence Am 15.02.2007 startete der Kurs zum Erwerb des Europäischen Computerführerscheins in der JVA Oldenburg. 10 freiwilligen Teilnehmern aus dem Vollzug ist es seither möglich, in praktischen und theoretischen Trainingseinheiten Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Wirtschaft, für die Vermittlung des Umgangs mit den Produkten des OfficePaketes™ entschieden, damit die Lehrgangsteilnehmer optimal auf den Arbeitsmarkt vorbereitet werden. Der bisherige Verlauf der Bildungsmaßnahme ist sehr erfolgreich. Aufgrund ihrer großen Motivation und Lernbereitschaft haben alle Teilnehmer des ersten Kurses die hohen Anforderungen (75-Prozent-Hürde) der 7 Modulprüfungen erfüllen können und bestanden. Innerhalb der Teilnehmergruppe ist ein lernfördernder Teamgeist entstanFortsetzung auf Seite 30 29 Sport — Bildung — Gesundheit Fortsetzung von Seite 29 den. Leider haben aufgrund von Vollzugsmaßnahmen 3 Teilnehmer vorzeitig den Kurs verlassen, dafür konnte aber ein Teilnehmer nachträglich erfolgreich integriert werden. Als Trainer des ECDL-Kurses ist mir daran gelegen, alle Teilnehmer entsprechend ihres Potentials und ihres Vorkenntnisstandes zu fördern und zu fordern. Ein Bestehen des ECDLFührerscheins ist das Minimalziel für alle. Computervorkenntnisse sind für das Bestehen des ECDL-Kurses nicht erforderlich, aber Fleiß und Lernwilligkeit. Nach einer theoretischen Einführung in den Lernstoff durch den Trainer erarbeiten sich die Teilnehmer die praktische Bedienung der Programme anhand von Übungsaufgaben selbständig. Der Trainer gibt Hilfestellungen, setzt Schwerpunkte, moderiert den Lernprozess und baut Bezüge zur praktischen Berufswelt auf. In Abstimmung mit der Projektleitung habe ich das Thema Bewerbung und Berufswahl in den Kurs integriert. Bisher wurden die Themen: • Bewerbungsstrategie („Wie bewerbe ich mich erfolgreich?“), • Erstellung eines digitalen Bewerbungsfotos, • Bewerbungsanschreiben verfassen, • Erstellen eines Lebenslaufes, • Bewerbung mittels Serienbrieferstellung, • Emailbewerbung, • Selbstpräsentation vor einem Publikum, behandelt. Die Teilnehmer sind durch die Bank sehr arbeitswillig und leistungsmotiviert. Sie wissen den großen Wert guter Computerkenntnisse für den heutigen Arbeitsmarkt richtig einzuschätzen. Eine Begeisterung für die technischen Errungenschaften der Datenverarbeitung ist allen anzumerken. 30 Meine persönlichen Erwartungen an den Kurs sind von allen Teilnehmern bisher positiv überboten worden. Aber auch die Zusammenarbeit mit den Kollegen der JVA war sehr angenehm, reibungslos und erfolgreich, und dies, obwohl mit dieser Maßnahme Neuland betreten wurde. Hierfür möchte ich mich bei allen Beteiligten recht herzlich bedanken. Wenn es so erfolgreich weitergeht, haben alle einen Grund, am Ende des Kurses zu feiern. Martin Kunik Impressionen zum ECDL PC-Kurs und das Drumherum Von Februar bis Juli dieses Jahres fand der ECDL-Kurs in der JVA Oldenburg statt. Begleitend zu diesem Kurs gab es eine Übungseinheit, die ich anleitete. Vorweg sei schon mal erwähnt: Alle Teilnehmer haben den Kurs erfolgreich abgeschlossen, was einer Quote von 100 % entspricht. Was haben nun die Teilnehmer gelernt (außer, dass auch Übungsleiter nicht alles wissen; aber das war vermutlich kein sehr großes Geheimnis)? Sie haben gelernt, mit den gängigsten PCAnwendungen zurecht zu kommen, Dokumente, Tabellen und Präsentationen zu erstellen und grundlegende Einstellungen an einem PC vorzunehmen. Meiner Einschätzung nach sind die Teilnehmer nun in den gebräuchlichsten Anwendungen besser geschult als 70 – 80 % der PC-Nutzer, ob nun im privaten oder im beruflichen Umfeld. Für mich stellt sich nach dem Kurs aber natürlich auch die Frage, was ich gelernt habe. Rein inhaltlich war ich schon alleine durch die Vorbereitung und die Fragen immer wieder dazu genötigt, mir Themen anzueignen, die mir bisher nicht selbstverständlich waren. Aber offen gestanden war es wesentlich interessanter, das ganze Drumherum zu erleben. Angefangen mit den Sicherheitsanforderungen im Vorfeld (Anfragen bei der Polizei etc.) über den Umgang mit dem PSA-Gerät (mit welchem ich, wenn ich mich recht entsinne, gleich beim zweiten Aufeinandertreffen Tr§tzdem 2006 Nr. 37 einen Alarm auslöste; zum Glück im Beisein eines kompetenten Kollegen). Am Anfang war es auch ein seltsames Gefühl, über die Flure geführt zu werden, aber das legte sich recht schnell. Als Fazit bleibt mir festzustellen, dass letztendlich ein solcher Kurs in einer JVA nicht viel anders ist als außerhalb. Die Teilnehmer sind mehr oder weniger motiviert und gehen mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen in einen solchen Kurs. Einige tun das Nötige, andere mehr als das und wenige brauchen einen kleinen Reinfall, um festzustellen, dass ein solcher Kurs für niemanden ein Selbstläufer ist. Denn das bleibt auch als Erkenntnis: In erster Linie besteht man die Prüfungen dadurch, dass man genug dafür tut. Es kommt eher auf den Fleiß als auf Vorwissen an, und man muss auch kein Einstein sein, um den Kurs erfolgreich zu bestehen (nebenbei bemerkt: Es wird immer behauptet, dass Einstein ein schlechter Schüler war und trotzdem einen Nobelpreis gewonnen hat. Das stimmt nicht. Einstein war ein EinserSchüler. Das Gerücht haben vermutlich Eltern gestreut, die die Hoffnung noch nicht ganz aufgeben wollten angesichts der dürftigen Leistungen ihrer Kinder). Im Herbst soll nun der zweite Kurs starten und ich hoffe, wieder dabei sein zu können. Und vielleicht bin ich dann ja auch ein wenig geduldiger beim „Rauskommen“. Ich erinnere mich noch an einen Abend, als wir nach dem Kurs auf Abholung warteten und ich nach recht kurzer Zeit in der Zentrale anrief, weil niemand kam. Danach fragte mich einer der Teilnehmer, warum ich denn so ungeduldig sei? Ich erwiderte, dass ich doch nur raus wolle. Darauf ein anderer Teilnehmer: „Wollen wir das nicht alle?!“ Albert Meyer Humor Begegnen sich spätmorgens auf den Fluren des Bundesgerichtshofes zu Karlsruhe zwei Richter: „Guten Morgen, Herr Kollege. Na, kennen sie schon den neuesten Witz?“ „Nein, leider nicht. Ich habe heute noch keine Urteile gelesen.“ Sport — Bildung — Gesundheit Elementarkurs Berufliche Bildung Zu den Bildungsangeboten im Rahmen der neuen Vollzugsschwerpunkte in der JVA Oldenburg gehört auch der Elementarkurs „Berufliche Grundbildung“. Herr Wester, Diplomsozialpädagoge von der Bildungseinrichtung Fachwerk e. V., wusste der Redaktion der Tr§tzdem als Kursleiter einiges zum ersten inzwischen beendeten Kurs zu berichten. Dabei zeigte sich, dass er mit seinen 40 Jahren tenzen, PC-Grundkenntnissen und Praxisübungen sowie Arbeitsproben in den Werkbetrieben. Zum Kurs hatten sich 8 Gefangene im Alter von 25 bis 35 Jahren angemeldet, darunter 2 Deutsche ohne und 3 mit Migrationshintergrund sowie 3 Ausländer. Wie sich jeder vorstellen kann, stellt allein schon das Alter nicht den üblichen Ausgangspunkt für eine schulische Grundbildung dar – entsprechend mussten die Teilnehmer von Anfang an bereits hoch motiviert sein, wollten sie die Kursziele erreichen. Zuerst galt es, die Kompetenzen der Teilnehmer festzustellen; was ist ihr schulisches Basiswissen? Dazu wurden Tests gemacht: Lückentexte waren zu ergänzen, Rechenaufgaben zu lösen und technisches Verständnis wurde ermittelt. Schnell stellte sich heraus, dass sich die Verbesserung der Deutschkenntnisse Deutsch zu lernen, war das Wichtigste! mit den besonderen Problemen der beruflichen Bildung aus seiner früheren Tätigkeit als gelernter Energieanlagenelektroniker und dem Softwarevertrieb in der Industrie, wozu auch EDV-Schulung gehörte, besonders vertraut ist. Seine Zivildienstzeit als Rettungsassistent beim Rettungsdienst des DRK in Meppen hat sicherlich auch dazu beigetragen, seine Sensibilität für soziale Probleme zu stärken. Sein hohes Engagement für das Anliegen des Kurses war während des Gesprächs lebhaft zu spüren. Hier nun sein Bericht: „Die ehrgeizigen Ziele der Bildungsmaßnahme Berufliche Grundbildung sind im Wesentlichen: • Schaffung einer Basis für weiterführende schulische Abschlüsse. Gleichzeitig Orientierungshilfe für weitere berufliche Schwerpunktsetzung. • Förderung der Integration in die deutsche Gesellschaft von Inhaftierten mit Migrationshintergrund. • Stärkung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen einer gesunden Ich-Identität und sozialer Verantwortung. Inhaltlich bedeutete das die Vermittlung von Kulturtechniken, sozialen Kompe- als Schwerpunkt über alle Teilgebiete des Kurses erstrecken musste. Dies gelang auch bei der Vermittlung von Themen, wie der grundlegenden Regelungen der Unfallverhütungsvorschriften, der Arbeitslosenversicherung, der Krankenversicherung oder der Pflegeversicherung als Beispiele für das soziale Netz in Deutschland. Aber auch bei der Vermittlung der Grundlagen der Mathematik, insbesondere der Grundrechnungsarten, konnten zur Lösung von Textaufgaben die 7 Stufen mit der Sprachvermittlung verbunden werden. Ähnlich geschah dies in der Physik bei den Themen Masse, Gewicht, Ohmsches Gesetz oder bei der Erklärung des Generatorprinzips. Ergänzt werden konnte das durch die Beschäftigung mit politischen Ereignissen anhand von Artikeln aus der Tageszeitung. Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Einen hohen Stellenwert nahm die Auseinandersetzung mit sozialen Konflikten ein. Am Beispiel des Films „Der Fremde im Spiegel“, in dem es um die unterschiedlichen Erfahrungen eines Deutschen und eines Albaners am Arbeitsplatz in ausgetauschten Rollen geht, wurde das Thema Vorurteile behandelt. Aber auch das Reizthema Globalisierung wurde mit Blick auf den Automarkt in China behandelt. In Gruppenarbeit konnten dann die sozialen Kompetenzen der Teilnehmer deutlich gemacht werden, was sich in den Sportstunden fortsetzen ließ. Etwas zu kurz gekommen sind diesmal die Praxisübungen, die allerdings im nachfolgenden Kurs stärker genutzt werden sollen. Insgesamt sind die Ziele des Elementarkurses erreicht worden, wenngleich es manchem Teilnehmer auch schwer fiel, über die Zeit die nötige Motivation zu erhalten. Bei Diktaten ist zum Beispiel die Fehlerquote deutlich gesunken. Ein gewisser Höhepunkt ergab sich durch die Arbeit am PC. Dennoch bleibt für jeden Einzelnen noch viel zu tun, sich für eine berufliche Zukunft in Freiheit fit zu machen. Jeder der Teilnehmer, die durchgehalten haben, erhielt ein Abschlusszertifikat. Vor der Arbeit der JVA Oldenburg mit den Gefangenen habe ich in den Monaten der Zusammenarbeit großen Respekt bekommen; ich hatte mir den Umgang schwieriger vorgestellt und habe nur wenig Aggressivität trotz der geforderten Disziplin wahrgenommen. Insgesamt war der Umgang miteinander positiv. Die Kursteilnehmer haben in der Zeit vom 5. März bis zum 31. Juli 2007 nicht nur an 28 Wochenstunden den Kurs besucht, sondern sich in ihrer Freizeit noch mit manchem Thema weiter beschäftigt. Für die Mehrzahl der Teilnehmer ist eine wichtige Stufe auf der Leiter in eine bessere Zukunft erklommen worden.“ UM Humor Ich komme aus der Kneipe, da fährt mich ein Fahrradfahrer um. Ich frage ihn: „Bist Du blind?“ Er antwortet: „Warum, ich habe Dich doch getroffen!“ _______________________________________ Fragt der Arzt den Patienten: „Rauchen Sie?“ – „Nein.“ – „Trinken Sie?“ – „Nein.“ – Darauf der Arzt: „Grinsen Sie nicht so blöd, ich find schon noch was!“ 31 Sport — Bildung — Gesundheit Sprachkurse in Eigeninitiative Schwerpunktthema dieser Ausgabe ist die Bildung als Maßnahme zur Verbesserung der beruflichen Qualifikation, doppelt bedeutsam, da sie die gesellschaftliche Integration beachtenswert erleichtert. Offizielle Angebote und Förderungen von staatlicher Seite sind ausführlich vorgestellt worden. Diese Anmerkungen möchten die Aufmerksamkeit auf Fortbildungsmaßnahmen lenken, denen sich die Insassen in Eigenregie widmen. Nach Auffassung des Verfassers finden sie zu wenig Beachtung und haben eine Würdigung verdient. Das landläufige Vorurteil ist recht präzise: Nachdem gegen 20:00 Uhr alle Türen geschlossen sind – also nach einem anstrengenden Tag, geprägt entweder von Arbeit oder meditativer Besinnung, die in zen-buddhistischen Trancezuständen gipfeln kann –, verbunkern sich die Insassen vor dem, wenn nicht im Fernseher. Um es klar und deutlich zu sagen: Das ist nur teilweise richtig. Für zahlreiche Insassen beginnt jetzt erst der Tag kreative und sinnvolle Gestalt anzunehmen. Ohne ausbildungstechnisch darauf vorbereitet zu sein, lediglich getragen vom persönlichen Engagement, formieren sie sich am Fenster – und schon versprüht die Vielfalt der Nationalitäten eine internationale Atmosphäre. Als ich früher am Picadilly Circus herumlungerte, habe ich einen solchen multikulturellen Meltingpot beschnuppern können. Nur einmal wurde er übertroffen, als ich nämlich in New York in ein Taxi stieg – auf dem Stadtplan galt es sechs Blocks zurückzulegen –, und ein gastfreundlicher Taxifahrer mich in den folgenden zweieinhalb Stunden durch elf ethnische Zonen kutschierte. Naja, London, New York, da sollte man das erwarten dürfen. Aber in einer nördlichen Trutzhallig mehr Nationen anzutreffen, als bei olympischen Winterspielen an den Start gehen, das ist schon mehr als ein Staunen wert. Meiner Unerfahrenheit habe ich es zu verdanken, dass ich zunächst darüber grübelte, wie es möglich sein kann, dass jedem Insassen, der es möchte, vom ersten Tag an eine Mikro- und Lautspre32 cheranlage zur Verfügung steht, wo doch das Warten auf einen Fernseher nur unwesentlich kürzer ausfällt als das auf die Verwirklichung so mancher sozialen Utopie. Hierbei handelte es sich um einen Irrtum. Heute weiß ich, dass eine JVA so gebaut wird, dass nichts, absolut nichts in ihr verloren gehen kann, auch nicht das winzigste Geräusch. Hand aufs Herz: Wer von uns wusste schon vor seiner Einkehr, dass es Sprachen wie kameruanisch, aserbaidschanisch, moldawisch oder ivorisch überhaupt gibt? Nicht genug hervorheben kann ich die Palette des sprachlichen Angebots, wobei osteuropäische Sprachen schon dominieren. Die Osterweiterung, das Zusammenwachsen Europas, die Globalisierung – auf kaum einer gesellschaftlichen Ebene wird das Bemühen des Einzelnen, bei diesen heiklen politischen Prozessen mitzuwirken, so deutlich. Wer glaubt, es bliebe bei der Annäherung an fremdländische Sprachkompetenz, der irrt gewaltig. Ehe man sich versieht, fallen einem lebensnahe Einblicke in die Charakteristik und Mentalität der unterschiedlichen Völker in den Schoß. So referieren beispielsweise polnische Insassen prinzipiell über das, was sie getan haben; in katholischer Ehrlichkeit offenbaren sie noch das geringfügigste Detail. Ganz anders russische Gäste. Sie sprechen konsequent über das, was sie tun werden, wenn sie diese Lokalität hinter sich gelassen haben werden. Glaubt mir, wer da gut zuhört, lernt eine Menge, schade bloß, dass es doch recht lange dauert, bis man mitschreiben kann. Ob diese Zukunftsorientiertheit sich aus der jüngsten politischen Vergangenheit der Planwirtschaft oder aus der visionären Kraft eines immer schon großen Volkes schöpft, vermag der Verfasser nicht zu entscheiden. Doch nicht nur Charakteristisches und Typisches wird dem lernwilligen Zuhörer zuteil, er kann auch komplettes Neuland betreten. An einem Abend – es regnete stark, die meisten etablierten Lehrfensterinhaber schonten sich – lernten sich zwei Insassen kennen, die rasch feststellten, dass sie nicht über ein einziges gemeinsames Wort verfügten, sie verstanden nicht einmal einen Bahnhof. Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Trotzdem verbrachten beide einen geselligen, unterhaltsamen, mit Lachen und urwüchsiger Fröhlichkeit erfüllten Abend. Was für eine Lektion in Temperament, Lebenszuversicht, womöglich Gottvertrauen. Obwohl es sich bei beiden um recht brachiale konsonantendominierte Kehllaute handelte, die allenfalls wie Wortfetzen anmuteten, hallte ihre geradezu existentielle Heiterkeit mir bis ins Mark hinein. Welch ein Vorbild! In so schwieriger, beklemmender Situation ein solches Zeichen zu setzen, habe ich als besondere Lehrstunde empfunden. Noch heute wehre ich mich gegen die Erschütterung, dass der Hausarbeiter, den ich am folgenden Morgen nach den beiden Nationalitäten fragte, mir kundtat, die beiden hätten, allgemein bekannt, bloß um die Wette gerülpst. Zugegeben, didaktisch gesehen ist es schwierig, einen systematischen Leitfaden zu finden, Doch gerade die spontane Lockerheit, das Lust- und Launebetonte, die formlose Freiwilligkeit stellen einen Lernansatz dar, der anerkanntermaßen nachhaltige Ergebnisse erzielt. Mit diesem Konzept sind die Waldorfund Montessorischulen weltberühmt geworden. „Learning by doing“ würde der pragmatische Engländer sagen, und der muss es schließlich wissen. Apropos Engländer: Sie und die Italiener bescherten mir ein großes Rätsel, das mir lange Zeit umzingelnde Kopfschmerzen bereitet hat. Sprachen, Sprachen, alle möglichen Sprachen – doch die englische und italienische Sprache habe ich so gut wie nie gehört. Wie ist das möglich? Welcher Grund steckt dahinter? Bitte glaubt mir, ich würde euch des Rätsels Lösung gerne verraten, ist es doch außerordentlich lehrreich. Doch wir leben in Deutschland. Und in Deutschland unterliegt auch das geschriebene Wort dem Gesetz, in diesem Fall dem redaktionellen, dass besinnliche Gedanken nicht mehr als 183 Spaltenzeilen beanspruchen dürfen. Selbstredend ist an Schlaf nur in den seltensten Fällen zu denken. Wozu auch? Tritt er dennoch ein, lässt er den Gedankenfaden glücklicherweise nicht abreißen. Auf Ehrenwort: In den letzten fünf Wochen habe ich in sieben verschiedenen Sprachen geträumt. Dass ich kein Wort davon verstanden habe, macht überhaupt nichts. Auch wenn ich auf Deutsch träume, verstehe ich meine Träume nicht. RM Recht & Soziales Neues zur Neuregelung des Justizvollzuges in Niedersachsen Entwurf der Landesregierung für ein Niedersächsisches Justizvollzugsgesetz (NJVollzG) Hierbei werden sich voraussichtlich noch einige Änderungen im Detail ergeben. Mit der Verabschiedung des Gesetzes im Plenum des Landtages ist nach gegenwärtigem Stand der Dinge für den Herbst dieses Jahres zu rechnen. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts muss jedenfalls der Jugendstrafvollzug bis zum 31. Dezember 2007 gesetzlich geregelt sein. §§ 5 und 111 vorgesehen ist, neben dem Vollzugsziel der Resozialisierung auch den Schutz der Allgemeinheit mit aufzunehmen. Ich bin der Meinung, dass im Grunde keine sachliche Rechtfertigung dafür besteht. Man darf nicht unterschätzen, dass – gleichwohl so etwas für die Öffentlichkeit verständlich ist und in gewisser Weise beruhigend wirkt – letz- UM NJVollzG Aus den Ausschüssen Stand der Gesetzgebung Mit Schreiben vom 06. Juni 2007 hatte die Redaktion das Justizministerium gebeten, uns über den neuesten Stand und den weiteren geplanten Gang des Gesetzgebungsverfahrens sowie über die letzte Fassung des Gesetzentwurfes zu informieren. Dazu erhielten wir folgende Antwort mit Schreiben vom 22.Juni.07: Der Gesetzentwurf für das NJVollzG wurde am 20. Februar 2007 von der Landesregierung verabschiedet und am 7. März 2007 beim Niedersächsischen Landtag eingebracht, dort in erster Lesung beraten und an den federführenden Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen (Rechtsausschuss) überwiesen. Die aktuelle Fassung des Gesetzentwurfes finden Sie im Internet entweder unter der Rubrik „Justizvollzug“/“Themen“ auf der Homepage des Niedersächsischen Justizministeriums (www.mj.niedersachsen.de) oder als Landtagsdrucksache 15/3565 auf der Homepage des Niedersächsischen Landtags (www.landtag-niedersachsen.de). Der Rechtsausschuss hat am 2. und 3. Mai 2007 eine öffentliche Anhörung zu dem Gesetzentwurf wie auch zu den Gesetzentwürfen der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zum Jugendstrafvollzug durchgeführt. Der Gesetzentwurf wird nunmehr zunächst im Rechtsausschuss und danach in den mitberatenden Ausschüssen des Landtages beraten werden; die erste Beratung hat bisher noch nicht stattgefunden. Am 02. Mai 2007 hat der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen – 104. Sitzung in gemeinsamer Sitzung mit dem Unterausschusses „Justizvollzug und Straffälligenhilfe des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen – 53. Sitzung getagt. Dort hat der Niedersächsische Anwalt- und Notarverein im Deutschen Anwaltsverein e. . durch Herrn Rechtsanwalt Jürgen L. Herr, Fachanwalt für Strafrecht, Oldenburg, zur Sache gesprochen und folgendes vorgetragen: ten Endes eine Tendenz mit aufgenommen wird, dass die bestehenden Vollzugsstrukturen dadurch verhärtet werden. Deswegen sind wir der Auffassung, dass diese Gleichsetzung nicht in das Gesetz mit aufgenommen werden soll. Zum Chancenvollzug. Bedeutet das die Förderung der Bereitschaft zu Mitarbeit, oder ist es die Absonderung derjenigen, die es am nötigsten haben? – Wir wissen aus der Praxis, dass gerade dieje- Keine sachliche Rechtfertigung für Paradigmenwechsel! Herr: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stelle vorweg, dass sich der Verband darauf beschränkt, aus der Sicht des Praktikers, des Strafverteidigers und somit als Advokat für die Wahrung der Rechte der Inhaftierten zu dem Gesetzesvorhaben Stellung zu nehmen, sei es im Bereich des Vollzugs, der UHaft oder des Jugendstrafvollzuges. Ich habe einige Punkte zusammengestellt; vollständig kann das nicht sein. Ich meine, dass Sie auch nicht erwarten, dass wir zu jeder einzelnen Formulierung konkrete Änderungsvorschläge im Sinne von „Hier ist ein Wort zu ersetzen“ vortragen. Ich möchte vielmehr einige Kerngedanken äußern. Bedenken aus der Sicht der Anwaltschaft bestehen gegen den Paradigmenwechsel beim Vollzugsziel. Es ist schon genügend erörtert worden, dass in den Tr§tzdem 2007 Nr. 37 nigen Personen mit problematischen Persönlichkeiten und die deswegen ganz besonders an die Resozialisierung herangeführt werden müssen, einer besonderen Behandlung bedürfen. In dem Gesetzeswerk ist zu scharf konturiert, dass sie, wenn sie nicht mitarbeiten, durch das Sieb zu fallen drohen. Man muss sich vorstellen, dass wir es hier mit einem schwierigeren Klientel zu tun haben als im Bereich der Drogenabhängigen. Bei dieser Klientel ist die Motivation ohnehin sehr gering. Diese Menschen haben Probleme, ihr eigenes Leben in den Griff zu bekommen, und es ist schwierig, sie einzubinden. Durch diesen Chancenvollzug wird verfestigt, dass derjenige, der gut mitarbeitet, die Belohnung findet. Derjenige, der es nicht tut, fällt durch das Sieb. Dem wollen wir entgegenwirken. Fortsetzung auf Seite 34 33 Recht & Soziales Fortsetzung von Seite 33 Problematisch sind Regelungen, die hinsichtlich des Telefonverkehrs zwischen den Inhaftierten und dem Verteidiger aufgenommen wurden. Zunächst ist hier § 145 Abs. 1 Satz 1 zu erwähnen. Danach bedarf es der gerichtlichen Erlaubnis, um zu telefonieren. Wir schlagen vor, diese Regelung ersatzlos zu streichen. Gleichermaßen problematisch wirkt sich die Möglichkeit der Versagung von Telefonaten des Gefangenen mit dem Verteidiger aus. Nach § 144 kann das Telefonieren versagt werden, wenn „die räumlichen, personellen oder organisatorischen Verhältnisse der Anstalt entgegenstehen.“ Wir sind der Auffassung, dass organisatorische Mängel nicht zulasten des Gefangenen gehen. Problematisch ist ebenfalls die Regelung in § 145 Abs. 1 Satz 2. Danach wird es ermöglicht, dass die Verteidiger vor dem Kontakt zu ihrem Mandanten durchsucht werden. Das kann im Grunde so nicht stehen bleiben. Hier muss gefordert werden, dass zumindest eine richterliche Durchsuchungsanordnung einzuholen ist; denn es gibt ja Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes, dass nur bei dem Vorliegen von Anhaltspunkten, beispielsweise wenn irgendein Verdachtsmoment gegeben ist, ein derart einschneidender Eingriff zulässig sein kann. Letzten Endes bedeutet das die Unterbindung des freien Verkehrs des Verteidigers zu seinem Mandanten. Bedenken erheben sich auch – obwohl vielleicht gut gedacht; man denkt an den Fernseher, der in die Haftzelle gestellt wird – gegen die Kostenbeteiligung von Gefangenen nach § 50. Wir haben generell die Befürchtung, dass dadurch zum einen die Wiedereingliederung von Gefangenen objektiv erschwert wird. Zum anderen stellt sich die Frage, wovon er das bezahlen soll. Wir haben zwar neue Vorschriften, die das Entgelt betreffen. Aber letzten Endes kommen wir zu dem Ergebnis, dass ein Eigenverdienst für die Fülle der Möglichkeiten zu einer Kostenbeteiligung nicht ausreicht. Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht Tätigkeitsschwerpunkt: Strafrecht 34 rungen der Vorredner angehört habe. Wir haben zu kritisieren, dass das Jugendstrafvollzugsgesetz in sich nicht verständlich ist, jedenfalls nicht für den Außenstehenden, und für den Laien schon gar nicht. Der Gesetzesentwurf krankt, so meine ich, daran, dass eine Fülle von Verweisen vorgesehen ist. Wir möchten nicht nur ein gutes Gesetzeswerk haben, sondern wir wollen auch, dass eine Message herüberkommt und dass es nachvollzogen werden kann. Wir haben die Befürchtung, dass das Gesetz dies nicht kann. Vorsitzender Abg. Dr. Harald Noack (CDU): Ich gebe nun Gelegenheit, ergänzende Fragen zu stellen. Für mich war alles nachvollziehbar, – Offensichtlich gibt es keine Fragen. Sie haben völlig überzeugend vorgetragen. UM Im Bereich der Untersuchungshaft ist die in § 131 Abs. 1 vorgesehene Abkehr von der bisherigen Zuständigkeitsverteilung nach § 119 Abs. 6 der Strafprozessordnung zu kritisieren. Gemeint ist, dass künftig nach § 131 Abs. 3 das Gericht, soweit es nicht ausschließlich zuständig ist, seine Zuständigkeit auf die Vollzugsbehörde übertragen kann, und das im Übrigen unanfechtbar. Der Richtervorbehalt ist nur noch bei Anordnungen, die der Abwehr der Verdunkelungsgefahr dienen, eingeräumt worden. Dies widerspricht nach Auffassung der Anwaltschaft den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes, das in einer Entscheidung folgende Prämisse aufgestellt hat: Grundrechtseingriffe gegenüber Untersuchungsgefangenen sind nur gerechtfertigt, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Haftzwecks oder eine Störung der Anstaltsordnung vorliegen. – Diese Beurteilung muss dem Gericht vorbehalten bleiben. Ich bin froh, dass ich schon früher gekommen bin und mir die AusfühTr§tzdem 2007 Nr. 37 Humor Welches Geschlecht haben Computer? In einem Streitgespräch zwischen Computeranwendern wurde zu klären versucht, ob der Computer „männlich“ oder „weiblich“ sei, Die Frauen votierten für „männlich“, weil: • Man muss ihn erst anmachen, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. • Er hat jede Menge Wissen, ist aber trotzdem planlos. • Er sollte einem helfen, Probleme zu lösen, die halbe Zeit aber ist er selbst das Problem. • Sobald man sich einen zugelegt hat, kommt man drauf, dass, wenn man ein bisschen gewartet hätte, man einen besseren bekommen hätte. Die Männer stimmten aus folgenden Gründen für „weiblich“: • Nicht einmal der Schöpfer versteht ihre innere Logik. • Die Sprache, mit der sie sich untereinander verständigen, ist für niemand sonst verständlich. • Sogar die kleinsten Fehler werden im Langzeitgedächtnis zur späteren Verwendung abgespeichert. • Sobald man einen hat, geht fast das ganze Geld für Zubehör drauf. • Bei den selbstverständlichsten Aufgaben stellen sie sich manchmal unmöglich zickig an. Recht & Soziales Der Vollzugsplan Mit Beschluss vom 25. September 2006 hat das Bundesverfassungsgericht unter dem Aktenzeichen 2 BvR 2132/05 einstimmig und unanfechtbar darüber entschieden, wie ein Vollzugsplan für Inhaftierte aussehen muss. Das Gericht hatte im Fall eines Strafgefangenen, der zu lebenslanger Haft mit besonderer Schwere der Schuld verurteilt wurde und zu Beginn des Verfahrens bereits mehr als 10 Jahre verbüßt hatte, darüber zu entscheiden, welchen Inhalt ein Vollzugsplan haben muss, wie die Fortschreibung vorzunehmen ist und wie in nachvollziehbarer Weise die Beiträge und Konferenzen zum Vollzugsplan überprüfbar niedergeschrieben werden müssen. Hier sollen die vom konkreten Fall unabhängigen wesentlichen Teile des Urteilstextes wiedergegeben werden: a) Der Vollzug der Freiheitsstrafe ist nicht nur Kraft einfachen Gesetzesrechts (§ 2 Satz 1 StVollzG), sondern von Verfassungs wegen auf das Ziel der Resozialisierung verpflichtet (vgl. BverfGE 35, 202 <235 f.>; 45, 187 <238 f.>; 74, 102 <122f.>; 98, 169 <200>; Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Mai 2006 – 2 BvR 1673/04, 2 BvR 2402/04 -, Umdruck, S. 25). Die Arbeit am Vollzugsziel erfordert ein konzentriertes Zusammenwirken aller Beteiligter, also sowohl die Mitwirkung des Gefangenen als auch die der Vollzugsbehörde. Die erforderlichen Maßnahmen müssen von Beginn des Aufenthaltes in der Vollzugsanstalt an aufeinander abgestimmt und den veränderten Verhältnissen immer wieder an- gepasst werden. Dies setzt eine gewisse Planung voraus (Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 1993 – 2 BvR 594/92 -, StV 1994, S. 93 <94>. Der Vollzugsplan, zu dessen Aufstellung und kontinuierlicher Fortschreibung § 7 Abs. 3 Satz 1 StVollzG die Vollzugsbehörde verpflichtet, ist daher zentrales Element eines am Resozialisierungsziel ausgerichteten Vollzuges (vgl. Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 1993 – 2 BvR 406/02 -, NStZ 2003, S. 620). Er dient der Konkretisierung des Vollzugsziels im Blick auf den einzelnen Gefangenen und bildet mit richtungweisenden Grundentscheidungen zum Vollzugs- und Behandlungsablauf einen Orientierungsrahmen für den Gefangenen wie für die Vollzugsbediensteten (vgl. BVerfG, a.a.O.; Feest/ Joester, in: Feest <Hrsg.>, AK-StVollzG, 5. Auflage 2006, § 7 Rn. 1; Kaiser/ Schöch, Strafvollzug, 5. Auflage 2002, § 7 Rn. 15; Mey/Wischka, in: Schwind/ Böhm/Jehle, StVollzG, 4. Auflage 2005, § 7 Rn. 1). Dies setzt voraus, dass der Plan auf die Entwicklung des Gefangenen und die in Betracht kommenden Behandlungsansätze in zureichender, Orientierung ermöglichender Weise ein- Auswirkungen lang dauernden Freiheitsentzuges als ein wesentliches Teilelement des Resozialisierungsauftrages (vgl. BverfGE 45, 187 <238 f.>; 98, <200>) ausgerichtet sein. Das Strafvollzugsgesetz fordert für die Aufstellung des Vollzugsplans, dass der Anstaltsleiter hierzu und zur Überprüfung des Vollzugsplans Konferenzen mit den an der Behandlung maßgeblichen Beteiligten durchführt (§ 159 StVollzG). Die Vollzugsplankonferenz bildet den Rahmen für die zur Erstellung und periodischen Fortschreibung des Vollzugsplans erforderliche umfassende Sammlung von Informationen über den Gefangenen und die Diskussion der auf dieser Grundlage einzuleitenden Behandlungsschritte. Aus diesem Grunde kommt der in § 159 StVollzG vorgesehenen gemeinsamen Beratung aller an der Behandlung des Betroffenen maßgeblich beteiligten Personen – die nicht durch ein ausschließlich schriftliches, auf den Austausch entsprechender Aktenvermerke beschränktes Verfahren ersetzt werden darf (vgl. KG, Beschluss vom 20. Februar 1995 – 5 Ws 471/94 Vollz -, NStZ 1995, S. 260; Arloth/Lückemann, StVollzG, § 159 Rn. 2; Feest/Joester, a.a.O., § 7 Rn. 2) – große Bedeutung zu. Wegen seiner zentralen Bedeutung Der Vollzug der Freiheitsstrafe ist nicht nur Kraft Gesetzesrecht, sondern von Verfassung wegen auf das Ziel der Resozialisierung verpflichtet! geht. Eine Vollzugsplanung, die die diesbezüglichen Mindestanforderungen nicht erfüllt, genügt auch den grundrechtlichen Anforderungen nicht (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 1993 – 2 BvR 594/92 -, StV 1994, S. 93 <95>; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13. Februar 2004 – 1 Ws 165/03 -, StV 2004, S. 555 <556>; Callies/Müller-Dietz, StVollzG, 10. Auflage 2005, § 7 Rn. 1). Dies gilt angesichts der Verpflichtung, eine Chance zur Wiedererlangung seiner Freiheit zu eröffnen (vgl. BverfGE 45, 187 <238 f.>; 64, 261 <271 f.>; 98, <200>), auch in den Fällen lebenslanger Freiheitsstrafe (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 1993 – 2 BvR 494/92 -, StV 1994, S. 93 <95>). In diesen Fällen muss jedenfalls bei schon länger andauerndem Vollzug unabhängig davon, ob ein Entlassungszeitpunkt sich bereits konkret abzeichnet, die Vollzugsplanung besonders auch auf die Vermeidung schädigender Tr§tzdem 2007 Nr. 37 für die Realisierung des Vollzugsziels muss der Vollzugsplan nicht nur für den Gefangenen verständlich sein und ihm als Leitlinie für die Ausrichtung seines künftigen Verhaltens dienen können, sondern es muss auch eine den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG genügende gerichtliche Kontrolle daraufhin möglich sein, ob die Rechtsvorschriften für das Aufstellungsverfahren beachtet wurden und das inhaltliche Gestaltungsermessen der Behörde rechtsfehlerfrei ausgeübt worden ist (vgl. Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 1993 – 2 BvR 594/92 -, a.a.O., S. 94 und vom 21. Januar 2003 – 2 BvR 406/02 -, a.a.O., S. 620; vgl. auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13. Februar 2004, - 1 WS 165/03 -, a.a.O., S. 556). Dies erfordert Nachvollziehbarkeit der rechtserheblichen Abläufe und Erwägungen, die durch geeignete Dokumentation sicherzustellen ist (zu entsprechenden Vorwirkungen des Art. 19 Abs. 4 GG vgl. Fortsetzung auf Seite 36 35 Recht & Soziales Fortsetzung von Seite 35 BverfGE 65, 1 <70>; 103, 142 <160>; vgl. außerdem Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 1983 – 2 BvR 244/83 -, NJW 1983, S. 2135; Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, 1971, S. 157; Schmidt-Aßmann, in: MaunzFielitz, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Auflage 2004, Art. 19 Abs. 4 Rn. 88). Der Vollzugsplan muss daher erkennen lassen, dass neben einer Beurteilung des bisherigen Behandlungsverlaufs auch eine Auseinandersetzung mit den zukünftig erforderlichen Maßnahmen stattgefunden hat. Hierzu sind wenigstens in groben Zügen die tragenden Gründe darzustellen, welche die Anstalt zur Befürwortung oder zur Verwerfung bestimmter Maßnahmen veranlasst haben (ebenso OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13. Februar 2004 – 1 WS 195/03 -, a.a.O.; § 7 Rn. 3; Feest/Joester, a.a.O., § 7 Rn. 9; zurückhaltender Arloth/ Lückemann, a.a.O., § 7 Rn. 7). Zudem sind Zeit, Ort und Teilnehmer sowie der wesentliche Inhalt der Vollzugsplankonferenz aktenkundig zu machen. Dabei kann dahinstehen, ob es der Anfertigung eines gesonderten Konferenzprotokolls bedarf (in diesem Sinne Arloth/ Lückemann, a.a.O., § 159 Rn 2; Feest/ Joester, a.a.O., § 159 Rn. 5); jedenfalls müssen die für den Gefangenen einsehbaren Unterlagen eine hinreichende Auseinandersetzung mit der Person des Betroffenen im Rahmen der seiner Vollzugsplanung gewidmeten Konferenz erkennen lassen. auszugsweise aus „Posaune“, Magazin der JVA Geldern, Ausgabe 1/2007 Der Selbsbedienungseinkauf Im Entwurf zum Gesetz zur Neuregelung des Justizvollzuges in Niedersachsen ist in § 24 „Einkauf“ in Absatz 1 folgendes vorgesehen: (1) Die Gefangenen können sich aus einem von der Vollzugsbehörde vermittelten Angebot Nahrungs- und Genussmittel sowie Mittel zur Körperpflege kaufen. Zusätzlich dürfen die Gefangenen dreimal jährlich in a n g e m e s s e n em Umfang e i n k a uf e n (Zusatzeinkauf); hierfür kann ein Höchstbetrag festgesetzt werden. Es soll für ein Angebot gesorgt werden, das auf die Wünsche und Bedürfnisse der Gefangenen Rücksicht nimmt. (Eine ähnliche Regelung kennt auch das derzeit noch für Niedersachsen gültige StVollzG in § 22.) Die Redaktion der „Tr§tzdem“ hatte in der Ausgabe Nr. 36 vom April 2007 bei der Vorstellung der Neuregelung angemerkt: Der wöchentliche Einkauf ist der Höhepunkt der Gefangenenwoche. Die Unmittelbarkeit des direkten Einkaufs kann durch 36 Gefangenen zum Einkauf oder die Einschränkung der Möglichkeiten, am Einkauf-Freitag Veranstaltungen durchzuführen, dagegen ist aber ins Feld zu führen: • Will man dem allgemeinen Gestaltungsgrundsatz nach § 3 nachkommen, wo es in Absatz 1 heißt: „Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich angepasst werden.“, so käme am ehesten eine tägliche, höchstens wöchentliche Einkaufsmöglichkeit in Frage. Der Selbstbedienungseinkauf muss erhalten bleiben! nichts ersetzt werden und gehört zu den nicht verlustig gehen dürfenden sozialen Kompetenzen, insbesondere für alle, die sich auf den Stationsküchen als Hobbyköche selbst versorgen. Nun hat aber schon eine Entwicklung eingesetzt, die dazu geführt hat, dass in verschiedenen Haftanstalten der Selbstbedienungseinkauf abgeschafft u n d e i n e 1 4 - t ä g ig e „ V e r s a n d Versorgung“ per Bestellzettel eingeführt wurde. Die Behördenbürokratie hat sich davon vor allen Dingen eine Kostenersparnis und eine Organisationserleichterung versprochen. In welcher Weise die Einkaufsmöglichkeiten tatsächlich organisiert werden, steht im Ermessen des Anstaltsleiters (OLG Koblenz); er ist aber verpflichtet zu prüfen, ob sich eine auch für die Anstalt unter den Gesichtspunkten des Verwaltungsaufwandes und der Sicherheit vertretbare organisatorische Lösung finden lässt, die einen wöchentlichen Einkauf verderblicher Frischwaren ermöglicht (OLG Frankfurt, siehe Calliess/Müller-Dietz StvollzG, 10. Auflage, § 22 Rn. 2). Das Einkaufen gehört zu den fundamentalen Einrichtungen warenproduzierender Gesellschaften (Feest <Hrsg.>, AK-StVollzG, 5. Auflage 2006, § 22 Rn. 1). Auf die JVA Oldenburg bezogen ist bekannt, dass auch hier überlegt wird, den Selbstbedienungseinkauf aufzugeben. Aus Sicht der „Trotzdem“ mögen vielleicht vordergründig ein paar Argumente für eine Abschaffung sprechen, wie z. B. die Bereitstellungskosten eines besonderen Raumes, der organisatorische Aufwand bei der Zuführung der Tr§tzdem 2007 Nr. 37 • Dies gilt umso mehr, als in Oldenburg ein Großteil der Gefangenen Untersuchungshäftlinge sind und diese gemäß § 130 (Stellung der Gefangenen) als unschuldig gelten und sie sich im Rahmen der Vorschriften Annehmlichkeiten und Beschäftigungen auf ihre Kosten verschaffen dürfen, zu denen nach allgemeiner Beobachtung das Kochen im Rahmen einer teilweisen Selbstversorgung gehört. • Für ausländische Gefangene, die in Oldenburg einen bedeutenden Anteil der Gefangenen stellen, und die der deutschen Sprache oftmals nicht mächtig sind und ihre eigenen Ernährungsgewohnheiten pflegen, ist es unerlässlich, die einzukaufende Ware selbst in Augenschein nehmen zu können. Die Intentionen des Artikels 3 Abs. 3, wonach niemand u. a. wegen seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens benachteiligt werden darf, und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sollten Beachtung finden. • Die Versorgung mit Frischware würde entscheidend eingeschränkt werden. • Die vermeintlichen Vorteile haben sich dem Vernehmen nach in der Praxis nicht bestätigen lassen; die anzunehmenden Nachteile sind aber verstärkt aufgetreten. Die hiesige Anstaltsleitung sollte sich nicht verführen lassen, den bewährten Selbstbedienungseinkauf aufzugeben und einer „Organisationsmode“ nachzulaufen, sondern weiterhin für die Beibehaltung eintreten. UM Recht & Soziales Abschiebepraxis Auf Initiative von Herrn Krügl vom Sozialdienst der JVA fand am 9. Mai in der Kapelle eine Informationsveranstaltung mit Herrn Rüscher, dem stellvertretenden Leiter der Ausländerbehörde in Oldenburg, statt. Herr Rüscher ist für die JVA Oldenburg zuständig und mit jedem Einzelfall vertraut. Um sich unmittelbar zu informieren, ist er etwa dreimal pro Monat in der JVA. In der Veranstaltung hatten einige Gefangene, die mit der Abschiebeproblematik zu tun haben und auch einige Bedienstete Gelegenheit, sich über die gesetzlichen Grundlagen und ihre Handhabung in der Praxis aus erster Hand zu informieren. Anhand von konkreten Fällen der Betroffenen wurde versucht, die komplexe Materie transparent zu machen. Der Gesetzgeber hat das Absehen vom weiteren Strafvollzug von Strafgefangenen in § 456a StPO und die Ausweisung im Aufenthaltsgesetz in den §§ 53 bis 56 geregelt. Sie dienten einerseits dazu, die JVAen von der Last der Vollstreckung von Strafen gegen Ausländer zu befreien und andererseits dem gerecht zu werden, dass die Strafvollsteckung gegen Ausländer, die demnächst ausgeliefert oder ausgewiesen werden sollen, unter dem Gesichtspunkt der Resozialisierung und der Sicherung vor gefährlichen Straftätern ohnehin wenig sinnvoll ist. Von der Vollstreckung einer Strafe kann ganz oder teilweise abgesehen werden. Die entsprechenden Feststellungen trifft die Strafvollstreckungsbehörde. Für die nachgeordnete Tätigkeit der Ausländerbehörde sind die Bestimmungen aus dem ab 01.01.05 in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetz (Zuwanderungsgesetz; bisher Ausländergesetz) und das für EU-Bürger geltende Freizügigkeitsgesetz maßgeblich. Die Oldenburger Behörde ist für alle Gefangenen der JVA Oldenburg zuständig, soweit die Gefangenen nicht familiäre Bindungen in anderen Städten haben oder der Aufgriff im Grenzgebiet zu den BENELUX-Ländern stattfand (dafür ist die Behörde in Bad Bentheim zuständig). Grundsätzlich gilt, dass für Ausländer, die nicht zur EU gehören (Drittausländer), bei Freiheitsstrafen ab 3 Jahren (oder innerhalb von 5 Jahren mehrere Freiheitsstrafen, die in der Summe mindestens 3 Jahre ergeben) eine zwingende Ausweisung erfolgt (Ist-Ausweisung; gilt auch für hier geborene und aufgewachsene Ausländer), es sei denn, es liegen Gründe für einen Abschiebeschutz vor. Daneben gibt es die so genannte Regelausweisung, für die das Gesetz insgesamt 7 Beispiele vorsieht. Auch hiervon dürften fast alle ausländischen Gefangenen betroffen sein, da die in der Praxis wichtigste Bestimmung von mindestens 2 Jahren ohne Bewährung greift. Die Ausländerbehörde muss nur prüfen, ob ein Ausnahmefall vorliegt. Auf der dritten Stufe gibt es die so genannte Ermessensausweisung. Hier hat die Ausländerbehörde den vollen Auf einmal ist Spielraum. Ist ein besonderer Ausweisungsschutz zu prüfen, bestehen erhebliche juristische Einzelabwägungen. Ausweisungsschutz genießen z. B. Asylberechtigte. Für EU-Bürger gilt zwar nicht das Aufenthaltsgesetz, sondern das Freizügigkeitsgesetz, so dass es formal keine Ausweisung gibt, in der Praxis sind aber ähnliche Anwendungen zu verzeichnen. Es besteht hierfür eine Widerspruchsmöglichkeit, so dass keine unmittelbare Ausreisepflicht besteht. Ähnliche Regelungen bestehen für die so genannten Schengenstaaten. Für viele türkische Staatsangehörige gab es in den letzten Jahren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes, die bei türkischen Arbeitnehmern aufgrund lange bestehender Abkommen zwischen der Türkei und der EU zu einem europarechtsähnlichen Ausweisungsschutz führten. Ist eine Abschiebung erfolgt, so besteht grundsätzlich keine Wiedereinreiseerlaubnis, auch nicht aus den EULändern. Es kann aber eine nachträgliche Befristung der Ausweisung vom Heimatland aus beantragt werden. Unter bestimmten Umständen wird die Befristung je nach Länge der ausgesprochenen Strafhaft und der Art der Tat auf 4, 8 oder 12 Jahre begrenzt. Bei Verurteilungen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelrecht bestehen keine Chancen, auch nicht in andere EU-Länder, soweit sie nicht EU-Bürger sind. Die Befristung kann wiederum auf Antrag unter bestimmten Umständen um 3 Jahre nachträglich verkürzt werden. Als EU-Angehöriger darf man allerdings nur nicht wieder nach Deutschland einreisen. Eine Ausnahme bildet bei gravierenden Gründen die Betretenserlaubnis, die für max. 14 Tage erteilt werden kann. Da die Ausweisung nach § 456 a StPO in der Regel zur so genannten Halbstrafe erfolgt und mit einem erneuten Haftbefehl verbunden ist, würde im Falle der ungenehmigten Wiedereinreise sofort eine Verhaftung erfolgen, mit der Folge, dass die Reststrafe zur Verbüßung anzutreten ist. Wann frühestens abgeschoben werden kann, entscheidet die Staatsanwaltschaft; bei Gefangenen, die zu lebenslanger Haft verurteilt wurden, erfolgt die Prüfung nach derman wieder zeitiger Praxis erst nach 10 bis 12 Jahren Verbüßung. Gegen die Abschiebeentscheidung gibt es in Niedersachsen keine Widerspruchsmöglichkeit; es ist nur noch eine Klage möglich. Nach einer Entscheidung erfolgt die Ausweisung innerhalb von 3 bis 4 Wochen. Von den Teilnehmern wurde begrüßt, dass eine derartige Veranstaltung alle 3 bis 4 Monate wiederholt werden soll. Vermisst wurde allerdings eine Broschüre, aus der die wesentlichen Informationen zum Abschieberecht zu entnehmen gewesen wären, so dass noch mehr Zeit für spezielle Fragen zur Verfügung gestanden hätte. Einzelnen Gefangenen wurde nach Abschluss der Veranstaltung noch Gelegenheit gegeben, zu persönlichen Fallkonstellationen Herrn Rüscher Fragen zu stellen. Ausländer! Tr§tzdem 2007 Nr. 37 UM 37 Recht & Soziales Aus der Rechtsprechung Interessante Urteile Zur Verfügung gestellt von Anwaltskanzlei Joester pp, Bremen, RA Hübel, Quelle: „Strafverteidiger“ Nr. 7/2007 Zumutbarkeit einer Passbeschaffung (+ AufenthG §§ 95 Abs. 1 Nr. 1 u. 5,48 Abs. 2, 3 Abs. 1; AufenthV § 55; AuslG §§ 92 Abs. 1 Nr. 2, 39 Abs. 1, 4 Abs. 1) 1. Es ist einem vollziehbar ausreisepflichtigen iranischen Staatsangehörigen, der nicht freiwillig in den Iran zurückkehren will, unzumutbar i. S. d. § 48 Abs. 2 AufenthG, sich einen Pass bei seiner Auslandsvertretung zu beschaffen, solange sein Herkunftsstaat eine Passerteilung generell davon abhängig macht, dass er seinen abgelaufenen iranischen Pass mit einem darin vermerkten deutschen Aufenthaltstitel vorlegt und ihm abverlangt, eine sog. Freiwilligkeitserklärung des Inhalts abzugeben, aus freien Stücken aus dem Bundesgebiet ausreisen zu wollen. Letzteres gilt nämlich auch für solche Antragsteller, die eine derartige Erklärung nur wahrheitswidrig abgeben können. 2. Die Frage der Zumutbarkeit einer Passbeschaffung i. S. d. § 48 Abs. 2 AufenthG stellt sich auch dann nicht, wenn der Herkunftsstaat – wie im Fall des Iran – nur Passersatzpapiere ausstellt. Es ist deshalb nicht nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 48 Abs. 2, § 3 Abs.1 AufenthG strafbar, wenn sich ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer (dieser Herkunftsstaaten) im Bundesgebiet aufhält und sich keine Passersatzpapiere beschafft. Es bestehen Bedenken, ob die in Bezug auf Passersatzpapiere gegenüber § 48 Abs. 2 Auf38 enthG weitergehende Vorschrift des § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2. Alt. AufenthV wirksam ist. Sie könnte höherrangiges Recht (§ 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) nicht ergänzen, den Umfang des Strafgesetzes nicht erweitern; Gegenteiliges verstieße gegen das Analogieverbot. 3. Soweit eine eventuelle Strafbarkeit gem. § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG i. V. m. § 49 Abs. 1 AufenthG wegen Verstoßes gegen Pflichten eines ausreisepflichtigen iranischen Staatsangehörigen bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten zu prüfen ist, steht das ausländische Erfordernis einer Freiwilligkeitserklärung (vgl. Ziffer 1) mit dem deutschen recht i. S. d. § 49 Abs. 1 AufenthG nicht in Einklang OLG Nürnberg, Urt. v. 16.01.2007 – 2 St OLG Ss 242/06 Fahren mit EU-Fahrerlaubnis (+ StVG § 21; FeV § 28 Abs. 1, 4; EGV Art. 234 Abs. 3; Richtlinie 91/439 Art. 1 Abs. 2, 8 Abs. 2 und 4) Für die Strafbarkeit nach § 21 StVG trotz Innehabung einer in einem anderen EU-Staat erteilten Fahrerlaubnis kommt es nur darauf an, ob von der Fahrerlaubnis bereits vor oder erst nach Ablauf der in der Bundesrepublik verhängten Sperrfrist Gebrauch gemacht wurde (Anschluss an OLG Nürnberg, Urt. v. 16.1.2007 – 2 St OLG Ss 286/06 [= StV 2007, 194]; OLG München, Urt. v. 29.1.2007 – 4 StRR 222/06 [= StV 2007, 190]). ThürOLG, Beschl. V. 6.3.2007 – 1Ss 251/06 Anrechnung von in Mazedonien erlittener Auslieferungshaft (StGB § 51) Weichen die Bedingungen in Mazedonien erlittener Auslieferungshaft von in Deutschland erlittener Untersuchungshaft ab, kann die in Mazedonien erlittene Haft im Verhältnis von 1:3 angerechnet werden. LG Verden, Urt. v. 6.7.2006 – 2-1/06 Gültigkeit des Rahmenbeschlusses des Rates über den Europäischen Haftbefehl (EU Art. 6 Abs. 2, Art. 34 Abs. 2 b; Rahmenbeschluss 2002/584/JI) Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses des Rates über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten vom 13.6.2002 (2002/584/JI) ist, soweit danach die Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit für die dort aufgeführten Arten von Straftaten abgeschafft wird, nicht wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 2 EU und insbesondere gegen das Legalitätsprinzip sowie Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskreminierung ungültig. EuGH, Urt. v. 3.5.2007 – Z-203/05 Aus den Gründen: Die Beschwerde ist gem. §§ 304, 119 Abs. 3 StPO zulässig, in der Sache indessen unbegründet. Aufhebung des Haftbefehls infolge Verletzung des Beschleunigungsgebots (StPO § 120 Abs. 1) Finden nach Festnahme und Inhaftierung eines Beschuldigten für einen Zeitraum von 3 Monaten keine weiteren Ermittlungen oder andere Maßnahmen zur Durchführung des Verfahrens statt, ist der Haftbefehl im Hinblick auf die Verletzung des Humor Ein Jäger kommt nach Hause und erwischt seine Frau mit seinem besten Freund im Bett. Er holt sein Gewehr und erschießt ihn. Darauf seine Frau: “Wenn du so weitermachst, hast du bald keine Freunde mehr!“ Recht & Soziales Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, insbesondere in Form des Beschleunigungsgebots, aufzuheben. BrdbgOLG, Beschl. v. 18.1.2007 – 2 Ws 12/07 Aufhebung des Haftbefehls infolge Verletzung des Beschleunigungsgebots (StPO § 120 Abs. 1) Kann ein Hauptverhandlungstermin nicht durchgeführt werden, weil es seitens der JVA versäumt wurde, den in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten vorzuführen, und wird die Hauptverhandlung daraufhin ausgesetzt, ohne den Versuch zu unternehmen, sie an den verbleibenden anberaumten Hauptverhandlungsterminen abzuschließen mit der Folge, dass mit der Hauptverhandlung erst nach weiteren 6 Monaten begonnen werden kann, führt dies wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots zur Aufhebung des Haftbefehls. zungsanträgen sollte in Haftsachen entweder bis zur Entscheidung des Revisionsgerichts zurückgestellt werden oder in einem separaten Kostenheft erfolgen. SaarlOLG, Beschl. v. 16.02.2007 – 1 Ws 31/07 Aufhebung eines Haftbefehls wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots (StPO § 120 Abs. 1) Hat sich ein Beschuldigter anlässlich seiner Festnahme umfänglich geständig eingelassen und finden für einen Zeitraum von 3 Monaten keine weiteren verfahrensgegenständlichen Ermittlungen statt, ohne dass das Ermittlungsverfahren durch eine Anklageerhebung, einen Antrag auf Durchführung eines beschleunigten Verfahrens oder auf Erlass eines Haftbefehls abgeschlossen wird, ist der Beschleunigungsgrundsatz mit der Folge verletzt, dass der Haftbefehl aufgehoben werden muss. OLG Hamm, Beschl. v. 29.3.2007 – 2 Ws 88/07 LG Frankfort/Oder, Beschl. 4.4.2007 – 21 Qs 63/07 Beschleunigungsgebot bei Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft (StPO § 120 Abs.1; GG Art. 2 Abs. 2; MRK Art. 6 Abs. 2) Anordnung der Fortdauer der UHaft nach zwischenzeitlicher Haftverschonung (StPO §§ 12, 122, 116 Abs. 4) Kommt es auch innerhalb von 3 Monaten des bei der Festnahme des Beschuldigten abgelegten Geständnisses und vorliegender Aussagen der Geschädigten der vorgeworfenen Straftaten sowie weiterer Ermittlungen, die eine unverzügliche Anklage ermöglicht hätten, nicht zur Anklageerhebung, ist das Beschleunigungsgebot in Haftsachen verletzt. OLG Naumburg, Beschl. 19.3.2007 – 1 Ws 132/07 v. Beschleunigungsgebot nach erstinstanzlichem Urteil (StPO § 120 Abs. 1) Das auch nach Erlass eines erstinstanzlichen Urteils Geltung beanspruchende Beschleunigungsgebot in Haftsachen ist verletzt, wenn die Verfahrensakten 7 Monate nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist noch nicht auf den Weg zu dem Revisionsgericht gebracht worden sind. Die Bearbeitung von Kostenfestset- v. Wird ein Beschuldigter im Haftprüfungsverfahren nach §§ 121, 122 StPO von der Untersuchungshaft verschont, darf der Haftbefehl nur dann wieder in Vollzug gesetzt werden, wenn wichtige Gründe i. S. v. § 121 Abs. 1 StPO ein Urteil bisher nicht zugelassen haben. Das ist nicht der Fall, wenn die Sache nach Außervollzugsetzung des Haftbefehls anklagereif wurde, die Anklagerhebung indes ohne sachliche Rechtfertigung um mehr als 4 Monate verzögert wurde, so dass mit der Hauptverhandlung nicht mehr vor der erneuerten Inhaftierung des Beschuldigten begonnen werden konnte. OLG Köln, Beschl. v. 21.12.2006 – 43 HEs 31/06 Nachträgliche Pflichtverteidigerbeiordnung im Strafvollstreckungsverfahren (+ StPO §§ 140, 141, 458 Abs. 2, 455 Abs. 4) Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Eine nachträgliche, rückwirkende Bestellung für das im Rechtszug abgeschlossene Verfahren ist schlechthin unzulässig und unwirksam und mithin ausgeschlossen, und zwar auch dann, wenn der Wahlverteidiger oder der Rechtsanwalt, den der Angeklagte als den zu bestellenden Pflichtverteidiger benannt hatte, seine Bestellung beantragt hatte. KG, Beschl. v. 9.3.2006 – 5 Ws 563/05 Konkludente Beiordnung im Vollstreckungsverfahren (+ StGB § 57; StPO §§ 140 Abs. 2, 141, 296) Bescheidet das Gericht den zu Beginn einer Anhörung gestellten Beiordnungsantrag eines Rechtsanwalts nicht ausdrücklich, ist von einer konkludenten Beiordnung auszugehen, wenn das Gericht den Rechtsanwalt am Verfahren mitwirken lässt und die Notwendigkeit einer Beiordnung zumindest nicht fern liegt. ThürOLG, Beschl. v. 26.7.2006 – 1 Ws 257/06 Verteidigerbeiordnung im Verfahren über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung (StPO §§ 453, 140; StGB § 56 f) Kommt im Falle eines Widerrufs einer Strafaussetzung zur Bewährung bezüglich eines Strafrestes von 3 Monaten Dauer auch der Widerruf der Aussetzung einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten in Betracht, weshalb der Verurteilte im Falle des Widerrufs eine Strafvollstreckung von insgesamt 15 Monaten Dauer zu gegenwärtigen hätte, ist die Beiordnung eines Verteidigers geboten. OLG Celle, Beschl. v. 19.1.2007 – 1 Ws 6/07 Humor Unterschied zwischen Chemiker und Hebamme? Chemiker sagt: H²O, Hebamme: O H 2. ... Sagt die Kerze zur anderen: „Was machst Du heute Abend?“ „Oh, ich glaube, ich gehe aus!“. 39 Recht & Soziales Grundrechte Beschleunigungsgebot bei U-Haft und Anspruch auf Verteidigung durch Vertrauensanwalt (StPO §§ 121, 122; GG Art. 2 Abs. 2, 20 Abs. 3) 1. Die Vorschriften des § 121 Abs. 1 StPO erfordert eine doppelte Prüfung, wobei zunächst Feststellungen darüber getroffen werden müssen, ob die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder andere wichtige Gründe ein Urteil bislang nicht zugelassen haben und weiterhin, ob bei Vorliegen derartiger Gründe diese die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigen. 2. Das Recht eines Angeklagten, sich von einem Anwalt seiner Wahl oder seines Vertrauens vertreten zu lassen, kann durch wichtige Gründe, zu denen in bestimmten Konstellationen auch das Beschleunigungsgebot in Haftsachen zählt, begrenzt sein. Das Hinausschieben einer Hauptverhandlung wegen Terminschwierigkeiten des Verteidigers ist kein Umstand, der eine Verzögerung von mehreren Monaten rechtfertigen könnte, was aber mit dem Recht, in der Hauptverhandlung von einem Verteidiger seines Vertrauens vertreten zu werden, sorgsam abgewogen werden muss. BVerfG, Beschl. v. 15.2.2007 – 2 BvR 2563/06 (3. Kammer) 40 Beschleunigungsgebot in Haftsachen (StPO §121 ff) 1. Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen umfasst das gesamte Strafverfahren. Es verpflichtet nicht nur die Gerichte, sondern alle für die Strafverfolgung zuständigen Stellen, namentlich die Polizeibehörden und die Staatsanwaltschaft, gleichermaßen. Vor allem sind den Behörden und den Beamten des Polizeidienstes rechtzeitig konkrete Ermittlungsanweisungen zu erteilen, um baldmöglichst Anklagereife herstellen zu können. 2. Wird eine Haftfortdauerentscheidung lediglich mit der bloßen Wiedergabe des Gesetzeswortlauts begründet, ohne dass eine Subsumtion unter die Tatbestandsvoraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO überhaupt erkennbar wird, so hat dies regelmäßig eine Verletzung des Grundrechts der persönlichen Freiheit zur Folge. Die Schwere der Tat und die im Raum stehende Straferwartung sind im Zusammenhang mit § 121 StPO ohne jede Bedeutung. BVerfG 3. Kammer des 2. Senats, Beschl. v. 29.3.2007 – 2 BvR 489/07 BGH sucht neue Wege Völlig neuer Weg bei der Berücksichtigung langer Verfahrensdauer im Urteil? In der Presse war zu lesen, dass anlässlich eines anhängigen Revisionsverfahrens der zuständige BGH-Senat prüft, einen völlig neuen Weg bei der Berücksichtigung langer Verfahrensdauer im Urteil zu gehen. Danach soll entgegen der bisherigen Rechtsprechung ein zweistufiges Verfahren angewandt werden: Zunächst sollen Gerichte die Schwere der Schuld mit einem klar formulierten Strafmaß ahnden, bevor in einem zweiten Schritt eine fiktive Teilverbüßung durch die Belastung der langen Verfahrensdauer ausgesprochen wird. Da dies Verfahren bisher in der deutschen Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Rechsprechung nicht verankert ist, müsste der Strafsenat zunächst den „Großen Senat“ des BGH anrufen, damit dieser ein solches Verfahren billigt. Im „großen Senat“ wirken Vertreter aller Strafsenate mit. Mit einer derartigen Entscheidung wäre nicht vor dem Herbst zu rechnen. In der Praxis würde das bedeuten, dass z. B. die Strafe 5 Jahre beträgt und bei entsprechend langer Verfahrensdauer aber bereits ein Jahr als verbüßt gilt. Inwieweit das Auswirkungen auf die Vollzugspraxis hat, kann noch nicht angegeben werden. Denkbar wäre, dass es Konsequenzen für den Einzelnen bei der Zuordnung zu der für ihn zuständigen Anstalt nach dem Strafvollstreckungsplan hat, wenn die vorgesehene Vollzugsdauer maßgeblich ist. Auswirkungen dürfte es aber auch auf die Berechnung der Halb- und Zweidrittelstrafe haben. So wäre nach dem Beispiel die Haftzeit in einer Anstalt nach bisheriger Rechtsprechung bei einer Halbstrafe mit 24 Monaten und bei einer Zweidrittelstrafe mit 32 Monaten zu bemessen. Nach der neuen Rechtsprechung (sollte sie denn so kommen und keine neuen Verwaltungs- oder Ausführungsvorschriften dagegen stehen) wären bei der Halbstrafe 18 bzw. bei 2/3 28 Monate anzusetzen. Es bliebe noch abzuwarten, ob oder wie sich die veränderte Rechtsprechung auf die Verbüßungsdauer der Gefangenen auswirkt, die noch nach altem Verfahren einsitzen. UM Humor Mein Optiker zeigt mir eine Brille, seine neueste Erfindung. Wenn ich die aufsetze, sehe ich alle Menschen nackend. Es kommt eine junge Sprechstundenhilfe – ich setze die Brille auf: Sprechstundenhilfe nackend; ich setze die Brille ab: angezogen! Ich sehe eine Passantin – Brille auf: nackend; Brille runter: angezogen. Ich komme nach Hause, meine Frau und mein Freund im Bett: nackend; ich Brille auf: nackend; Brille runter: auch nackend. Recht & Soziales Es darf wieder gehofft werden! Bundesverfassungsgericht erleichtert Wiederaufnahme Unschuldig Ver- urteilte können zukünftig wieder mehr hoffen. Rechtskräftig abgeschlossene Strafverfahren können leichter wieder aufgerollt werden. Gerichte dürfen Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens nicht so umstandslos ablehnen, wie bisher in vielen Fällen üblich. Ein entsprechender Beschluss wurde am 05.06.07 veröffentlicht (Az.: 2 BvR 93/07). Wer bislang die Wiederaufnahme anstrebte, musste feststellen, dass selbst bei Vorlage neuer Beweismittel, die die Unschuld belegen, es nur in seltenen Ausnahmefällen möglich war, zu einem neuen Verfahren zu kommen. Denn es erfolgte oft nur eine kursorische Prüfung der neuen Beweismittel. Das Bundesverfassungsgericht entschied nun aufgrund eines konkreten Falles einer Ablehnung eines Prüfungsgerichtes, dass die Prüfung, was die neuen Tatsachen und Beweismittel für den Tathergang bedeuten, einer neuen (wieder aufgenommenen) Hauptverhandlung vorbehalten sind, mit entsprechenden Mitwirkungsrechten des Angeklagten. Das Prüfungsgericht könne nicht im Wiederaufnahmeverfahren einfach aus den neuen Tatsachen und Beweisen Schlussfolgerungen ziehen, ohne dem Angeklagten seine Mitwirkungsmöglichkeiten einzuräumen. Damit gelingt es den Gerichten nicht mehr, die neuen Beweise abzuqualifizieren, um der Justiz ein Wiederaufrollen des Verfahrens zu ersparen. Nicht Erfolg haben dürften aber die Wiederaufnahmebegehren, bei denen angeblich neue Tatsachen vorgelegt werden, die im Hauptverfahren bereits überprüft worden sind. Von anwaltlicher Seite ist zu vernehmen, dass es nun eine ganze Reihe von Wiederaufnahmeverfahren geben wird, die Erfolg haben werden. Es darf in diesem Zusammenhang aber auch gehofft werden, dass die erkennenden Gerichte noch sorgfältiger den Tatsachen und Beweisen ihre Aufmerksamkeit schenken und eher wieder „im Zweifel für den Angeklagten“ werten und weniger die Beweislücken durch Überzeugungen und Auffassungen schließen und sich dann bei der Urteilsabfassung verstärkt darauf konzentrieren, den Text „revisionsfest“ zu machen. Mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts wird auch der Tatsache Rechnung getragen, dass auch der Richterstand der Gauß’schen Verteilung unterliegt, wenn es um Fehlerhäufigkeit und Qualität geht. Den Verfassungsrichtern ist es hoch anzurechnen, im Wissen über die menschliche Unzulänglichkeit einen weisen Beschluss gefasst zu haben. Vielleicht ist es aber auch nicht vermessen anzunehmen, dass der Beschluss auch Auswirkungen auf den Strafvollzug haben wird, wo immer wieder tatsächlich (oder angeblich) unschuldig Verurteilte, die eine Wiederaufnahme anstreben, mit dem Vorwurf der „Tatuneinsichtigkeit“ konfrontiert werden und denen mit diesem Hinweis Lockerungen des Vollzuges trotz untadeligem Vollzugsverhalten verweigert werden, da sie für eine „Behandlung“ nicht zugänglich wären. Es ist ein kleines „Licht im Tunnel“ angegangen. UM Das Oldenburger Verständnis Vor diesem Postulat standen auch die Gefangenen, die von den ArbeiterStationen zum Arbeitsbereich geführt wurden und in der Schleuse feststellen mussten, dass in dem aparten durchsichtigen Plastik-Täschchen und am Körper nur das transportiert werden durfte, was ausdrücklich in den anstaltseigenen Vorschriften und dem speziellen Aushang erlaubt war. Nämlich nur: Kaffee, Tee, Milch, Zucker und Rauchwaren. Nach besagtem Aushang sind insbesondere nicht erlaubt: Obst, Süßigkeiten und alle anderen Gegenstände. Der Kontrolle fiel daher so mancher Apfel zum Opfer, den man mit in den Arbeitsbereich nehmen wollte (das hat sicherlich so manchen Diabetiker erfreut)! Auf dem Rückweg musste dann die Banane dran glauben, die zur Mittagszeit ausgegeben wurde und die man gerne im Haftraum verzehren wollte. So dauerte es auch nicht lange, dass die mitgebrachte Brille nicht die Schleuse passieren durfte. Der Sehbeeinträchtigung könne man ja abhelfen, indem man eine Brille extra für den Arbeitsbereich beantragen würde. Daher war es auch nur noch konsequent, dem Zuckerkranken zu untersagen, sein ärztlich verordnetes Spritzbesteck mitzunehmen.* UM * Wie konsequent [lat. consequens = folgerichtig] und liberal [lat. liberalis = freiheitlich] sind wir doch in Oldenburg! Der Apfel und die Brille (Jegliche Ähnlichkeiten mit einem derzeit lebenden Menschen sind rein zufällig.) Es gibt Regeln, die gelten als unumstößlich. Wie zum Beispiel, dass das, was nicht ausdrücklich durch Gesetz oder Verordnungen verboten ist, erlaubt ist. Danach richten sich auch wohl weitgehend die Gerichte. So weit, so gut! Dies glaubt man auch noch, wenn man als Häftling in die JVA Oldenburg kommt und sich die Anzahl der Vorschriften ansieht. Aber irgendwann wird man das Gefühl nicht los, dass es doch anders sein muss: Alles was nicht ausdrücklich erlaubt ist, ist verboten! Tr§tzdem 2007 Nr. 37 41 Kultur — Ausland — Medien Literatur & Co. Spezial Neues aus der Bücherei: Der Hörbuch Club Heureka, es ist vollbracht! Seit einem Jahr haben Herr Dannebaum, Markus Lanfer und Dieter Schacht daran gearbeitet, den Hörbuch-Club auf die Beine zu stellen. Unzählige Bettelbriefe wurden verschickt, noch mehr Stunden damit zugebracht, Kassetten auf CDs zu übertragen und Sicherungskopien zu erstellen. Rund 180 Titel gehen nun an den Start. Alle, die dem Club beitreten wollen, müssen dazu einen Antrag stellen. Mitglied können nur Gefangene werden, die über einen CD-Spieler verfügen. Jedes Mitglied verpflichtet sich, die CDs nicht weiter zu verleihen und erklärt sich damit einverstanden, dass bei Verlust oder Beschädigung der Sicherungskopie € 1,50 von seinem Konto für den Ersatz abgezogen werden. Eine Liste mit dem Angebot wird an die Mitglieder des Clubs verteilt. Maximal 3 CDs pro Woche werden im Rahmen der samstäglichen Buchausleihe ausgegeben. Viel Spaß dabei, es lohnt sich! DS Germania 3 Gespenster am Toten Mann, Mommsens Block (Heiner Müller) Heiner Müller, der größte deutsche Dramatiker seit Bertolt Brecht, beschreibt in Germania 3 die deutsche Geschichte von Stalingrad bis zum Fall der Mauer, ein Anliegen, das ihm schon lange auf der Seele lag. Hier liegt es als eine Art Collage aus dem Textfragment vor, das erst nach Müllers Tod verarbeitet wurde. Schwer zugänglich, aber sehr eindrucksvoll und kreativ erscheint die deutsche Kriegs- und Nachkriegsgeschichte in Musik-, Sound- und Textfetzen, gesprochen von Ulrich Mühe. Mommsens Block ist Müllers Darstellung der Bemühungen des Historikers Mommsen um eine Geschichte des römischen Reiches und spekuliert um die Gründe für das Ausbleiben des letzten Bandes dieser Geschichtsschreibung. Sprecher ist Heiner Müller selber. DeutschlandRadio/Der Audio Verlag, 1999, 2 CD’s, 103 Minuten, ISBN: 3-89813-006-1 Schloss aus Glas (Jeannette Walls mit Ulrike Grote) Jeannette Walls wächst als glückliches Kind auf. Ihr Vater holt ihr die Sterne vom Himmel, geht mit ihr auf Dämonenjagd und verspricht ihr ein Schloss aus Glas. Da ist es auch gar nicht so schlimm, mal mit einem leeren Bauch ins Bett zu gehen oder spontan und ohne Ankündigung den Wohnort zu wechseln. Aber auf einmal ist kein Bett mehr da, nur noch ein Pappkarton auf der Straße und eine Heimatadresse gibt es für Jeannette schon lange nicht mehr. Jeannette erlebt eine ungewöhnliche, seltsame Kindheit, in einer kaum vorstellbar verrückten unangepassten Familie. Hoffmann und Campe, 2006, ISBN-10: 3-455-30436-2, ISBN-13: 978-3455-30436-7, € 30,00. 42 Georgia (Doris Gercke) Die Detektivin Bella Block lebt zwischen Bücherbergen und ein paar eher skurrilen Mitbewohnern in der Hamburger Pension Rosenberg, wie es ihr gefällt. Dann wird sie von der Rechtsanwältin Susanne Behrendt, Verteidigerin in einem Prozess, in dem es um Folter geht, um Personenschutz gebeten. Bella Block lehnt den Auftrag ab, weil sie nicht glaubt, dass die Strafverteidigerin bedroht wird, weil sie in dem Prozess den Staatsanwalt mit dem makellosen Ruf als Folterer entlarven will. Doch dann entdeckt sie, dass die Anwältin tot, ermordet ist. Bella Block weiß nun, was zu tun ist. Mit ihrem beschaulichen Leben ist es vorbei. Sie hat bei ihrer Arbeit mit Verstrickungen zu tun, die bis in die Berliner Politik reichen. Auf ein paar Tote mehr oder weniger kommt es dabei offenbar nicht an. Bella ermittelt in einem Fall, in dem es um Staatsraison geht und um Liebe. Sie erfährt eine Geschichte, die so phantastisch ist, dass sie wahr sein könnte. Doris Gercke erzählt virtuos, romantisch und kühl bis ins Herz. Hoffmann und Campe, 2006, ISBN 978-3-455-30469-5, € 24,95. Wie der Soldat das Grammofon repariert (Saša Stanišić) Szenen eines heranwachsenden Jugendlichen im ehemaligen Jugoslawien in Zeiten des politischen Umbruchs zum Ende der Tito-Ära. Szenen wie: „Opa starb in 9,86 Sekunden, sein Herz lieferte sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Carl Lewis, das Herz stand still und Carl raste wie ein Wahnsinniger, Opa keuchte und Carl warf die Arme in die Luft und sich eine amerikanische Fahne über …“. Lohnenswert, manchmal ein wenig poetisch und schwermütig, ein ergreifendes, sehr persönliches Zeugnis der Zeitgeschichte. Random House, 2006, 1 CD, 78 Minuten, ISBN: (3) 86604-275-2, Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Kultur — Ausland — Medien Literatur & Co. Spezial Die Schachspielerin (Bertina Henrichs) Den Einstieg eines griechischen Zimmermädchens in die Welt des Schachspiels beschreibt die junge Autorin Bertina Henrichs. Eine nette, freundliche Geschichte, die ihren Charme aus der Beschreibung griechischer Lebensweise und geradezu gegensätzlich dazu der Welt des Schachspiels bezieht. Natürlich hat sich die Autorin mit diesen Welten vertraut gemacht; Griechenlandkenner und Schachspieler werden einiges wieder erkennen und vielleicht angenehme Erinnerungen ins Gedächtnis zurückrufen. Leider ist diese charmante Geschichte wieder einmal „nur“ als gekürzte Lesung zu hören. Hoffmann und Campe 2006, 2 CD’s, 131 Minuten, ISBN 13: 978-3-45530091-8, € 15,95. Der Vater eines Mörders (Alfred Andersch) Die Beschreibung einer unangekündigten Examination einer Schulstunde an einem deutschen Gymnasium des Jahres 1928 nutzt Alfred Andersch zu einem Bild des geistigen und sozialen Terrors im Bildungswesen der damaligen Zeit. Aus der Sicht des „Franz“ werden die handelnden Personen und damit der Geist des Kaiserreichs, Bildungsbürgertums, Antisemitismus und aufkommenden Nationalsozialismus messerscharf analysiert. Eine überaus gelungene Studie. Diogenes, 2006, 2 CD’s, 142 Minuten, ISBN: (13) 978-3-257-80005-0 Brenner Live (Wolf Haas) „Von der Auferstehung der Toten bis zum ewigen Leben“, so der Untertitel. Er bezieht sich auf die bisher sechs erschienen Bücher um die Hauptfigur des Polizisten Brenner. Unvergleichlich witzig, süffisant, mit viel trockenem, österreichischem Humor beschreibt er Alltagsszenen dieses „beschränkten Allwissenden“. Herrlich erzählt, völlige Einigkeit zwischen dem Erzähler und Text, dazu noch die animierende Live-Stimmung. Eine gelungene, überaus amüsante Doppel-CD (Gott und dem Produktmanager sei Dank, ich dachte zuerst, nach der ersten CD wäre Schluss, was ich kaum ertragen hätte). So ist es eine hundertprozentig gelungene Veröffentlichung. Absolut empfehlenswert, geradezu süchtig machend. Ich werde mir weitere Titel von Wolfgang Haas anschaffen … Geliebter Lügner (Jerome Kilty) Einen Briefwechsel zwischen der Schauspielerin Stella Campbell und dem irischen Dichter, Vegetarier und Sozialisten George Bernhard Shaw lesen Iris Berben und Mario Adorf. Äußerst süffisant und vergnüglich wird ein über 40 Jahre andauernder Briefwechsel wiedergegeben, der an Ironie und hintergründigem Witz wohl nicht zu übertreffen ist. Teilweise wird die Situation der Zusammenarbeit der beiden an einem Theaterstück Shaws ausgearbeitet, was durch die Schauspielerfahrung der beiden Sprecher sehr überzeugend gelingt. Jugendsünden ihrer Beziehung überdauert der Briefwechsel ebenso wie Schicksalsschläge in Folge der Umstände des ersten Weltkriegs und anderer politischer Ereignisse. Bis ins hohe Alter bleiben die beiden in Kontakt und ermöglichen den Blick auf eine ungewöhnliche Beziehung zwischen zwei ungewöhnlichen Menschen. Ein Genuss für Freunde des gepflegten Wortes. Hoffmann und Campe, 2006, 2 CD’s, 123 Minuten, ISBN 13: 978-3-45530427-5, € 18,20. Hoffmann und Campe, 2006, 2 CD’s, 92 Minuten, ISBN: (13) 978-3-45530476-3, 25,95 € Bis ich Dich finde (John Irving live in Berlin) Dies ist der Mitschnitt einer Veranstaltung mit John Irving in Berlin. Veit Schubert, ein Schauspieler des Berliner Ensembles, auf deutsch und John Irving selbst tragen aus dem ersten Kapitel des Buchs „Bis ich Dich finde“ vor, anschließend stellt sich John Irving Interviewfragen. Mehr als nur ein Appetitanreger für das neue, sicherlich ausgesprochen spannende und kontrovers diskutierte Buch des amerikanischen „Superstars“ der Literaturszene. Denn hier hört man den Autor in einer seiner seltenen Lesungen den eigenen Text in seinem Sinn vortragen, zumindest diejenigen, die des Englischen einigermaßen mächtig sind. Die Story beginnt mit Jack, der als kleiner Junge von älteren Damen sexuell missbraucht wird und löste eine breite Diskussion über das Thema und den autobiografischen Bezug aus. Am besten macht man sich selbst ein Bild davon. Dazu ist die CD gut geeignet… Lust des Beginnens (Manfred Krug liest Bertolt Brecht) Ein ganz hervorragendes neues Hörbuch erschien hier in Kooperation von Deutschlandradio Kultur mit dem Audio Verlag. Man könnte denken: Wieder eine dieser „Ein Prominenter liest mehr oder weniger bekannte Gedichte/Geschichten eines berühmten Autoren“-CDs; noch mal einen schnellen Euro nebenbei für den Sprecher und den Verlag. Weit gefehlt, dies ist eine Zusammenstellung, die sich durch die nach meinem Empfinden sehr gute inhaltliche, das heißt überaus gelungene künstlerische Arbeit aus der Masse der Veröffentlichungen abhebt. Hier werden Brecht-Texte mit Herz und Überzeugung „sophisticated“, überaus kompetent und stilvoll ausgesucht, zusammengestellt und vorgetragen. 30 Gedichte in „nur“ knapp 34 Minuten, die aber nicht zu kurz sind, sondern mehr als genug Stoff zum Zuhören, Nachdenken und Nachempfinden bieten. Das kann wohl kaum jemand besser als Manfred Krug. Ganz toll, absolut hörenswert, ich habe sie nach dem ersten Hören gleich mehrmals hintereinander genossen. Diogenes Hörbuch/Deutschlandfunk 2006, 68 Minuten, ISBN 13: 978-380011-1 Der Audio Verlag/Deutschlandradio Kultur 2006, 34 Minuten, ISBN: 389813-517-9 Tr§tzdem 2007 Nr. 37 43 Kultur — Ausland — Medien Literatur & Co. Spezial Pater Brown und die Midasmaske (Harry Rowohlt liest G.K. Chesterton) Ein besonderes Hörvergnügen sind immer die Lesungen von Harry Rowohlt, der mittlerweile sogar einen Sonderpreis für das Gesamtwerk seiner Übersetzungen aus dem Englischen erhalten hat. Obwohl er diese erst 1988 im Nachlass der Sekretärin des längst verstorbenen Autors gefundene Kriminalgeschichte nicht selbst übersetzt hat, bietet seine Interpretation, sein lustvoller, geradezu genießerischer Vortrag eine eigene, zusätzliche Ebene in diesem nun neuen Klassiker der Kriminalliteratur. Dabei legt er weniger Wert auf die detaillierte Darstellung des kriminalistischen Verlaufs, sondern lässt den hintergründigen Humor dieser skurrilen Kriminalposse lebendig werden. Allein die wunderbare Betonung und Aussprache der englischen Namen ist schon hörenswert, ein einziger Genuss und gleichzeitig jedes Mal ein Anlass zum Schmunzeln. Ob er die Qualität eines Heinz Rühmann, der andere Fälle des Pater Brown fürs Fernsehen so meisterhaft verkörpert hat, erreicht oder vielleicht überbietet, muss jeder selbst feststellen. Auf jeden Fall bietet diese CD gute Unterhaltung zur Erbauung und Entspannung auf einem angenehmen Niveau. Der Hörverlag/Deutschlandfunk 2006, 45 Minuten, ISBN-13: 978-389940-734-1 Bedaure höflichst – Wiener Kaffeehausgeschichten (Konrad Beikircher) Eine ausgesprochen unterhaltsame Zusammenstellung von lustigen, teilweise hintergründigen Geschichten und österreichischer, besser Wiener Lebensweise bietet Konrad Beikircher in seiner Geschichtensammlung aus den Abgründen des Wiener Kaffeehauses. Vertreten sind Kurzgeschichten und Verse von Peter Altenberg, H.C. Artmann, Fritz von Hermanovsky-Orlando, Karl Kraus, Anton Kuh und Roda Roda. Für Freunde der österreichischen Mundart und dieses besonderen Humors ein Genuss. Man kann sie durchaus mehrmals mit großem Vergnügen hören! Patmos 2000, 1 MC, 64 Minuten, ISBN 3: 491-91045-5 Die Kultur des neuen Kapitalismus (Richard Sennett) Das neue Buch des weltbekannten und führenden Soziologen Richard Sennett liegt hier als Hörbuch vor. Inhaltlich wird versucht, aktuelle Aspekte des Kapitalismus, des so genannten „Neoliberalismus“ zu erkunden. Aus dem Vergleich und der Übertragung der Theorien von Marx, Weber und anderen großen Soziologen auf aktuellen Entwicklungen zeigt uns Sennett, wie immer, wohin die Veränderungen der Gesellschaften aus soziologischer Sicht gehen werden. Absolut lohnenswert, wenn auch die Form des Hörbuchs für derart theoriegeladene Texte nicht besonders geeignet scheint. Man muss es eben mehrmals hören. Das setzt der Text wohl auch voraus. Radioropa Hörbuch, 2007, 4 CD’s, 269 Minuten, ISBN: (13) 978-386667-451-6, € 18 Am Ufer der Stille (Rabindranath Tagore) Der Nobelpreisträger Rabindranath Tagore vermittelt in seinen Texten die spirituelle Botschaft Indiens. Gedichte, Aphorismen, religiöse Lyrik, Liedtexte unterlegt mit Originalvertonungen aus Bengalen enthält diese CD. Eine anfangs fremde, dann aber durchaus interessante CD. Wunderbare Sprachpoesie, die im Gegensatz zum Bollywoodkino nicht an der Oberfläche der Dinge stehen bleibt, sondern durchaus „Tiefgang“ hat. Rabindranath Tagore lebte von 1861 bis 1941 und gehörte zu den führenden Intellektuellen seiner Zeit. Er kannte Mahatma Ghandi, Jawaharlal Neru und alle Großen seiner Zeit und hat diese beeinflusst. Die Nationalhymnen Indiens und Bangladeshs stammen von ihm. Patmos 2002, 40 Minuten, ISBN 3-491-91109-5 Das literarische Hörerlebnis! Das unerhörte Leben des Jan Beukels (Robert Schneider) Die drei Käfige, in denen die Leichname der Wiedertäufer im Jahr 1536 an der Lambertikirche in Münster ausgestellt wurden, sind noch heute zu sehen. Ihre Geschichte, speziell die des Johann Beukels, erzählt als Hörspiel angenehm aufbereitet dieser historische Roman. Der Autor wurde mit seinem Erstlingswerk „Schlafes Bruder“ bereits weltweit bekannt. Auch hier ist ein eindringlicher Roman gelungen, der die Ereignisse der damaligen Zeit aufzeigt und ein deutliches Bild der Zeit der Religionswirren gibt. Das Mittelalter wird wieder lebendig, das Hörspiel ist aufwendig produziert und absolut hörenswert. Magermilch und lange Strümpfe (BerndLutz Lange) Der ostdeutsche Kabarettist Bern-Lutz Lange wird hier in einer Lesung in der Leipziger Pfeffermühle präsentiert. Er gab Geschichten aus seinen Büchern zum Besten, die allesamt von süffigem Humor triefen. Zum Beispiel die eines Kartoffelkäfers, der im Auftrag des Ostens im Westen die Kartoffelernte vernichten sollte. Nicht nur für Ossis interessant und amüsant. Der Audioverlag/WDR 2005, 3 CD’s, ISBN 3: 89813-463-6 Der Audio Verlag, 2001, 1 CD, 70 Minuten, ISBN: (3) 89813-142-4, 44 Mit Sorgfalt bist Du dabei! Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Kultur — Ausland — Medien Literatur & Co. Spezial Ich bin ein Wesen leichter Art (Dagmar Manzel) Dagmar Manzel, bis 2002 Mitglied des Ensembles des Deutschen Theaters Berlin, singt die bezauberndsten Theaterlieder, so der Untertitel. Die Palette reicht von Shakespeare über Beethoven, Wagner, Friedrich Holländer bis zu Hanns Eisler. Eine durchaus gelungene, temperamentvolle Aufnahme mit eher klassisch gesungenen Liedern. Anspieltipp: „Solveigs Lied“ von E. Grieg, zu „Peer Gynt“ von H. Ibsen! Patmos Verlag, 2002, 1 CD, 56 Minuten, ISBN: (3) 491-91103-6, € 9,95 Es geht noch ein Zug von der Gare du Nord (Fred Vargas) Der neue Star am Krimihimmel ist Fred Vargas, eine in Paris lebende Französin. Ursprünglich war sie Archäologin und schrieb die Krimis nur nebenbei, nachts und in den Ferien. Mittlerweile gibt es acht davon. „Es geht noch ein Zug von der Gare du Nord“ ist aus dem Jahr 1999. Ulrich Matthes spricht in diesem Hörspiel die Hauptrolle wie immer unglaublich intensiv und verleiht dem Hörspiel eine neue Dimension. Die CD bietet auch eine gute Gelegenheit, die Autorin kennen zu lernen. Der Audio Verlag/SWR, 2003, 1 CD, 55 Minuten, ISBN: 3-89813-312-5 Des Sängers Fluch – Schaurig schöne Balladen (mit Winni Böwe) Die preisgekrönte Schauspielerin Winnie Böwe spricht und singt elf klassische Balladen von Goethe, Heine, Brecht, Hebbel bis Friedrich Holländer. Eine gelungene Auswahl mit Charme, zwischendurch kommentiert, mit Klavier begleitet und eigenen Überleitungen versehen. Interessant und hörenswert. Der Audio Verlag/RBB, 2005, 1 CD, 52 Min., ISBN: 978-3-89813-623-5 Gnadenfrist (Arnon Grünberg) „Gut übers Leben zu schreiben heißt, das Unangenehme mit dem Lachhaften zu verbinden …“. Dies scheint der rote Faden des Hörbuchs von Arnon Grünberg, Jahrgang 1971 aus Amsterdam, zu sein. Ein Angestellter der niederländischen Botschaft in Lima verstrickt sich nach einem ruhigen und, wie er meint, glücklichen Leben plötzlich und unerwartet in die Wirrungen der Leidenschaft. Mit viel süffisantem und hintergründigem Humor spricht Christian Berkel diesen für den Hörer sehr erfreulichen Roman, der sowohl Vergnügen, als auch Betroffenheit auslöst. Die Kritik spricht von einer Mischung aus John Irving, Philip Roth und Woody Allen. Absolut lohnenswert. Der Audio Verlag/RBB, 2006, 3 CD’s, 177 Min., ISBN: 3-89813-558-6 Einfach unglaublich (Robert Ripley) Erstaunliche, verrückte und bizarre Fakten aus aller Welt präsentieren Dirk Bach und Barbara Schöneberger auf dieser CD. Gekonnt abwechslungsreich und lebendig moderieren die beiden durch das an Zahlen und Fakten (?) reiche Material. Sehr amüsant. Hoffmann und Campe, 2006, 1 CD, 75 Minuten, ISBN 13: 978-3-45530479-4 € 15,99. Die großen Schurken-Monologe Das Böse ist immer und überall – das war wohl die Idee zu diesem etwas ungewöhnlichen Hörbuch. Claude Oliver Rudolph und Sabine Trooger sprechen Texte von Aischylos, aus der Bibel, von Shakespeare, Schiller, Goethe, aus der Nibelungendichtung, von Dostojewski und Brecht, aus Werner Herzogs Film „Aguirre – Der Zorn Gottes“ und einiges mehr. Hier sind sie alle versammelt: Die Bösen der Weltliteratur, getrieben von Neid, Hass, Gier und anderen überaus menschlichen Eigenschaften. Ein Hörbuch, das ein wenig zum Nachdenken anregt. Delta Music, 2006, 2 CD’s, 140 Minuten, ISBN: 3-86538-498-6 Kokolores (Marianne Rosenberg) Mariannes Lieder sind jedermann bekannt und ein Bestandteil deutscher Musikkultur im In- und Ausland. Ihre persönliche Sichtweise der Lieder, die sie in frühester Jugend aufnahm, die sie bis heute begleiten, ja verfolgen, bietet sie in dieser Autobiographie an. Und ihre Entwicklung zu einer „Ikone“ der deutschen Popgeschichte und Kulturlandschaft. Interessant und sehr angenehm von Marianne selbst vorgelesen, mit vier Bonussongs. List Verlag Berlin/Delta Music Frechen, 2006, 4 CD’s, 250 Minuten, ISBN: 3-86538-503-6 Komm an mein zärtlich Herz, du schöne Katze (Charles Baudelaire) Eine sehr überzeugende Zusammenstellung der „schönsten Liebesgedichte“ von Charles Baudelaire vorgelesen von Christian Redl, entnommen aus dem Buch „Die Blumen des Bösen“. Redls Stimme spiegelt den Charakter der Gedichte Baudelaires wunderbar wider. Schönheit und Romantik, gepaart mit einem rauen, ja beinahe dreckigen Beigeschmack bringt diese wunderbar komponierten Gedichte zu neuem Leben. Ein stellenweise unglaublicher Sprachrhythmus macht klar, dass die Texte keineswegs veraltet oder überholt sind. Absolut hörenswert, ein Genuss für den Lyrikfreund … Hoffmann und Campe Verlag, 2006, 1 CD, 59 Minuten, ISBN: (13) 9783-455-30094-9 Tr§tzdem 2007 Nr. 37 45 Kultur — Ausland — Medien Literatur & Co. Der Kalte Krieg (John Lewis Gaddis) Sachbuch über den kalten Krieg…, na ja! Wurden ja in den vergangenen knapp zwanzig Jahren schon viele geschrieben – und gelesen. Allerdings muss ich gestehen, meine Vorbehalte waren unsinnig! Was Gaddis da zuwege brachte, offenbarte sich als „Page-Turner“ erster Kategorie. Fachlich über nahezu jeden Zweifel erhaben, bringt es der Autor fertig, gut vierzig Jahre Geschichte in einer Art und Weise darzustellen, die den Leser in den Bann schlägt – und nicht mehr loslässt, bevor nicht auch die letzte Seite aufgesogen ist. Kurzweilig und frisch kommt das Buch daher, eher wie ein Titel aus dem Bereich Spannungsliteratur. Man freut sich schon auf die nächste Epoche, der er sich J. L. Gaddis annimmt. Siedler Verlag 2007, ISBN-13: 978-3-88680-864-9, 24,95 € . Das Geheimnis des Buchhändlers (John Dunning) Der ehemalige Polizist Cliff Janeway, der sich mittlerweile darauf spezialisiert hat, wertvolle Bücher aufzustöbern, ersteigert ein kostbares Exemplar des historischen Forschers Richard Burton und erlangt dadurch nationale Bekanntheit. Doch als eine alte Dame auftaucht und Ansprüche auf die bibliophile Kostbarkeit erhebt, verkomplizieren sich die Dinge. Das Buch, das zu einer Sammlung gehört, war lange verschollen, und sie bittet Cliff noch auf den Sterbebett, die anderen Bücher ausfindig zu machen. Cliff, der sich dem Wunsch einer Sterbenden nicht verweigern kann, macht sich auf die Suche und ermittelt auf eigene Faust, und mehr und mehr nimmt der Fall spektakuläre Dimensionen an. Ein wirklich spannend geschriebenes Buch, das durch seine authentische Atmosphäre und einen ebenso kultivierten wie zupackenden Cliff Janeway als Hauptfigur brilliert. Sehr empfehlenswert. Rütten & Loenning 2007, ISBN: 978-3-352-00744-6, € 22,90. Bunny und Blair (DBC Pierre) Bunny und Blair sind siamesische Zwillinge, die erst im Alter von 33 Jahren voneinander getrennt wurden. Jenseits des Pflegeheims wartet eine neue, spannende Welt auf die Brüder: Während Bunny der neuen Welt mir Skepsis und Furcht begegnet, ist Blair ganz neugierig darauf, endlich die Freuden der körperlichen Liebe zu erfahren und stürzt sich ins Londoner Nachtleben. Weit entfernt, in einer Bürgerkriegsregion am Fuße des Kaukasus’ erstickt Ludmilla, eine wilde Schönheit mit einer „Rasiermesserzunge“, ihren Großvater mit einem Mundschutz, als dieser versucht, sich an ihr zu vergehen. Ohne die Rente des Familienoberhauptes steht ihre Familie vor dem Aus. Nun soll sie ihr Glück in der Stadt versuchen, ihr Verlobter stirbt in Gefechten, ihr Foto landet auf der Homepage eines zwielichtigen Heiratsvermittlers. So verliebt sich Blair in Ludmilla. Aufgeputscht von einer ominösen Droge, die ihm einen Dauerständer verpasst, macht er sich mit seinem Bruder im Schlepptau auf den Weg in die ehemalige Sowjetunion, um der Liebe seines Lebens zu begegnen… Aufbau Verlag 2007, ISBN: 978-3-351-03096-4, € 19,90. Rettet dem Dativ (Hansgeorg Stengel) Neulich las ich: „Verkehrstote zu Ostern nehmen ab!“ Zugegeben, ich dachte - ja, ich wusste sogar, was der Verfasser dieser Zeitungsüberschrift meinte, aber ich konnte nicht umhin, die Formulierung komisch zu finden. Selbstverständlich nehmen Verkehrstote ab. Alle Toten nehmen ab. Sterben zehrt eben. Ein Verstorbener wiegt nach seiner Beerdigung weniger als zu Lebzeiten – gar nicht zu reden von einem Eingeäscherten. Warum sollten da ausgerechnet Verkehrstote ihr Gewicht stabilisieren? Gönnen wir Journalisten – vor allem denen von der Schlagzeilenpresse – Einsparungen und Verkürzungen. Aber lassen wir Schabernack und den sogenannten Schwarzen Humor nicht ins Kraut schießen. Verkehrstote nehmen zu? So viel Druckerschwärze muss für eine korrekte Überschrift schon vorhanden sein, um Verkehrstote vor dem Ab- und Zunehmen zu schützen. „Die Anzahl der Verkehrstoten zu Ostern nimmt ab (oder nimmt zu)“. Zehn Anschläge auf der Schreibmaschine mehr, aber ein Anschlag auf den guten Stil weniger. Das Buch wendet sich an alle, die nicht sattelfest sind, ob das letzte Jahr wirklich das letzte Jahr war, ob es einen Unterschied zwischen „völlig betrunken“ und „vollkommen betrunken“ gibt, ob es sich bei ihrem Kollegen um einen scheinbar Kranken handelt oder ob er anscheinend krank ist. Es wendet sich also an (fast) alle. Dieses Buch tut es auf seine Art: Fröhlich, spielerisch, nachdenklich, spitz und mit einer hübsch verpackten aufklärerischen Note. Eulenspiegel Verlag 2007, ISBN: 978-3-359-01642-7, € 10,00. 46 Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Kultur — Ausland — Medien Literatur & Co. Stadt der Schatten (Daniel Hecht) Cree Black, ihres Zeichens Parapsychologin und empathische Detektivin, wird von der Familie Beauforte beauftragt, dem düsteren Treiben im angestammten Wohnsitz der Familie auf die Schliche zu kommen und somit den Spuk zu beenden. Cree macht sich auf den Weg nach New Orleans und findet eine dem Wahnsinn nahe Lila Beauforte vor, deren Nerven von den übernatürlichen Erscheinungen bis aufs Äußerste strapaziert sind. Gemeinsam versuchen die beiden Frauen den Geistern ihr Geheimnis zu entlocken, doch schon bald wird klar, dass die Spur in die Welt der Toten wieder zurück zu den Lebenden führt. Wer Akte X spannend findet, der sollte dieses Buch unbedingt lesen. Goldmann Verlag 2006, ISBN: 978-3-442-45566-9, € 8,95. Geschichte machen (Stephen Fry) Was macht jemand, der die Möglichkeit besitzt, in die Vergangenheit vorzudringen und den Werdegang der Geschichte zu verändern? Michael Young, der Held in Stephen Freys „Geschichte machen“, tut es. Er entschließt sich zu dem Versuch, Hitler zu verhindern, die Nazidiktatur, den II. Weltkrieg, den Holocaust, begierig darauf, dem Zwanzigsten Jahrhundert seinen größten Schrecken zu nehmen. Dies ist die Idee, die ein skurriler Geschichtsstudent aus Cambridge, ein aufgeweckter Trottel mit aufmüpfiger Klappe und sympathischen Alltagsschwächen, in die Tat umsetzt und am eigenen Leib erlebt, mit allen üblen Haken, die selbst in Märchen stecken. Eine nicht allzu häufige Form der Begegnung mit dem schwärzesten Kapitel unserer Geschichte. Am stärksten, wenn der Protagonist im flapsig hippen Jugendjargon für schmunzelnden Erzählwind sorgt. Am schwächsten, wenn die Ausgangsidee platt und kugelrund geschrieben wird. Aufbau Taschenbuch Verlag 2007, ISBN-13: 978-3-7466-2333-7, € 9,95. Wolfsfährte (Craig Russel) Die Stadt Hamburg wird von einer Serie mysteriöser Morde heimgesucht. Dem Täter scheint die Welt der Märchen mehr zu bedeuten als bloße Geschichten, die einst niedergeschrieben worden sind, denn was die Opfer miteinander verbindet, sind Hinweise darauf, dass er den Opfern Rollen zuweist von Figuren aus Erzählungen, die die Grimm-Brüder vor fast zweihundert Jahren zusammengetragen haben. Um die Ermittlungen zu vertiefen und so dem perfiden Serienmörder das Handwerk legen zu können, muss das Team um Hauptkommissar Jan Fabel in die Welt der Mythen und Märchen abtauchen. Wolfsfährte ist das zweite Buch von Craig Russel um die Hauptfigur Fabel und verspricht auch diesmal neben Spannung eine hübsch gestrickte Geschichte, die den Leser bis zuletzt in Atem hält. Ehrenwirth Verlag 2006, ISBN: 978-3-431-03697-8, € 19,95. Geheimagent Marlowe (Dieter Kühn) Der Roman „Geheimagent Marlowe“ spielt im England des 16ten Jahrhunderts. Ein bekannter Dichter und Stückeschreiber namens Christopher Marlowe wird aus Gründen der Staatsräson zum Geheimagenten zwangsverpflichtet, um den katholischen Feind Frankreich auszuspionieren. Was als spannende Idee neugierig macht, leidet unter der besonderen Form der Ausführung. Die Erzählung setzt sich aus Protokollen, Briefen, Mitarbeiterberichten und sonstigen Sachzeugnissen zusammen. Das mag ein Flair von Authentizität und Echtheit nahe legen, zerhackt die Geschichte jedoch zu einer Aneinanderreihung von Aktennotizen, deren erzählerischem Charme schwer zu erliegen ist. Eine extreme Raffung der Berichterstattung tut ihr übriges. Ein Buch, bei dem man bis zum Schluss darauf artet, dass es endlich anfängt. S. Fischer Verlag 2007, ISBN: 978-3-10-041510-3, € 18,90. Break Point (Richard A. Clarke) Wir schreiben das Jahr 2012. Eine Serie von Bombenattentaten erschüttern die USA und treffen die Weltmacht an einer verwundbaren Stelle – sie zerstören den Zugang zum Internet. Nicht nur die Wirtschaft erleidet dadurch Schaden, sondern vielmehr ist die Regierung kaum noch in der Lage, die US-Armee im Ausland zu befehligen. Aber wer steckt dahinter? Dieser Frage jagen Susan Connor vom Nachrichtendienst IAC und der Detective Jimmy Foley nach und ermitteln dabei in alle Richtungen, während die politische Situation sich immer weiter zuspitzt. Das aufkommende mächtige China gerät ins Fadenkreuz der Fahnder und Susan und Jimmy müssen viel Geschick beim Drahtseilakt zwischen Ermittlungen und politischen Ambitionen beweisen. Hoffmann und Campe 2007, ISBN-13: 978-3-455-40031-1, € 19,95. Tr§tzdem 2007 Nr. 37 47 Kultur — Ausland — Medien Literatur & Co. Genau besehen; Verse und Anekdoten (Eugen Roth) Eugen Roth versteht es von je her auch übelsten Situationen mit einem gewissen Schmunzeln zu begegnen. Nonchalant beschreibt er Begegnungen mit „Unmensch und Mensch“. Allerdings kann er sich in bestimmten Situationen auch eines gewissen Zynismus‘ nicht erwehren. Doch zumeist gewinnt er allen Lebenslagen ein Lächeln ab. Den allzu menschlichen Schwächen begegnet er mit viel Nachsicht. Andererseits sieht er sich aber dann und wann genötigt, warnend den Zeigefinger zu erheben. Dies aber geschieht dann nicht in besserwisserischer Form, sondern auch hier mit einer Leichtigkeit, die dem Gescholtenen die Luft zum Atmen lässt. Als Fazit lässt sich sagen, Eugen Roth ist ein reines Lesevergnügen – vor allem in dieser Zusammenstellung. Deutscher Taschenbuch Verlag 2007, ISBN-13: 978-3-423-25262-1, € 9,00. Die Gedichte (Rainer Maria Rilke) Das Leben und das gesamte Lebenswerk fassend, stellt diese Herausgabe einen Grundstein der deutschen Literatur dar. Rainer Maria Rilke, der in seinen Gedichten die einzigartige Entwicklung eines großen Lyrikers darstellt und miterleben lässt, bedient mit seinen religionskritischen Texten noch immer das Interesse eines wachen, empfindsamen Menschen, gleich welcher Altersstufe. Ebenso sind die Ausdrucksweise und Formen der von Rilke verfassten Gedanken ein angenehmer Ausflug in eine sprachliche Kulturlandschaft, die so nicht immer begehbar ist. Der 1875 in Prag geborene R. M. Rilke hat ein eindrucksvolles Werk und einen unvergleichlich poetischen Beweis seiner Entwicklung zu einem der größten Lyriker der Moderne hinterlassen, der hier chronologisch geordnet auf seine Neuentdeckung wartet. Eleganter und zugleich treffender Wegbegleiter. Insel Verlag, 2006, ISBN-10: 3-458-17333-1, ISBN-13: 978-3-458-17333-5, € 15,00 Die neuen Träume des Dschingis Khan (Galsan Tschinag) Dschingis Khan, der berühmt berüchtigte Mongolenfürst, der mit seinen Reiterscharen einst das größte Reich der Menschheit erobert hatte, ausgerechnet Dschingis Khan stürzt vom Pferd und stirbt binnen weniger Stunden an den Folgen des Sturzes. Nichts könnte für einen Mongolen erniedrigender sein, kein Tod ehrloser. Ein pikantes Ende für einen von Sieg zu Sieg eilenden Krieger. Der Autor erzählt von den letzten Stunden seines Lebens. Aufgeteilt in neun Träume treten markante Stationen als halluzinierte Erinnerungen vor seine Augen. Auch Dschingis Khan, furchterregender Heerführer, rigider Machtpolitiker, eine als Gott verehrte Gestalt der Geschichte, zu Hause, in seinem Zelt ist er ein Mensch. Gleich nach den Pferden kommen die Frauen. Zum Beispiel. Erzählt wird in einer opulent expressiven Sprache. Sätze als berittene Nomaden des Ausdrucks. Ein Buch für den, der gerne Historisches und am liebsten in Stiefeln liest. Insel Verlag 2007, ISBN: 978-3-458-17336-6, € 17,80. (aus der Bücherei zu entleihen unter Buchnummer: 310-07) Vera und der braune Glücksmann (Michael Klein) Bei dem Buch „Vera und der Braune Glücksmann“ von Michael Klein handelt es sich um einen akribischen journalistischen Tatsachenbericht über ein grausiges Verbrechen im nationalsozialistischen Deutschland des Jahres 1943. Verstreut über Berlin, das bereits regelmäßiges Ziel alliierter Bomber ist, werden Leichenteile einer Frau und eines Kindes gefunden. Schnell werden die beiden Opfer identifiziert und der Täter ermittelt: Ein Arier hatte zwei Jüdinnen getötet. Während der NS-Staat jüdisches Leben programmatisch millionenfach auslöschte, wird der zweifache Mörder zum Tode verurteilt. Diese politische Dimension – einmalig im NS-Regime – verleiht einem Kriminalfall seine besondere Bedeutung. Sehr offen und augenscheinlich einzig den Tatsachen verpflichtet, schildert der Autor die Arbeit der Polizei, der Anklagebehörde, der Gestapo sowie des Gerichtes. Sachlich nüchtern werden die Unwahrheiten und Manipulationen der staatlichen Behörden geschildert, um zu dem von ihnen gewünschten Ergebnis zu kommen. An der Schuld des Täters gibt es keinen Zweifel, dazu hätte es nicht einmal seines Geständnisses bedurft. Alles andere jedoch rückt die Staatsmacht so zurecht, dass diese Tat nicht zum öffentlichen Störfall werden kann. Eine interessante Lektüre, gerade in den Details. Ein Beispiel sei abschließend genannt: „Dr. Walter Zirpins, …, SSObersturmbannführer und Leiter der Kriminalpolizei in Litzmannstadt/Lodz, leitet nach dem Krieg das Landeskriminalamt Niedersachsen. Bei Reisen ins Ausland mied er seine ehemalige Wirkungsstätte Polen, da er hier als Kriegsverbrecher auf der Fahndungsliste stand.“ Neuer Europa Verlag, 2006, ISBN-13: 978-3-86695-480-9, € 19,90. 48 Tr§tzdem 2007 Nr. 37 (aus der Bücherei zu entleihen unter Buchnummer: 311-07) Kultur — Ausland — Medien Literatur & Co. Jahrbuch der Lyrik (Herausgegeben von Christoph Buchwald und Silke Scheuermann) „Du kannst sie erinnern, du kannst sie vergessen – Sie werden an anderen Ellen gemessen.“ Das Jahrbuch der Lyrik mit vielen thematisch modernen Interpretationen ist ein Beweis für emotionale Entwicklungen und ist gleichzeitig ein Echo auf grimmig-verquere Zeitphänomene. Immer mehr finden auch junge und als Lyriker unbekannte Poeten Zugang zur Erhebung von Erkenntnissen. Wie alle Literatur, braucht auch die Lyrik eine gewisse Entrückung aus der reinen Gedichtform, wobei sich das Wesen einer Stimmung, eines Gefühls offenbart. In diesem Buch findet sich der eindeutige Beweis, dass auch noch unbekannte junge Menschen (C. Teissel, geb. 1979) sehr wohl einen Zugang zur ästhetischen, rhetorischen Raffinesse finden. Besonders freuen darf man sich über Norm Bossong, die in Berlin auch im „Rampenlicht“-Kleinkunsttheater erfolgreich Rollen spielt. S. Fischer Verlag 2007, ISBN-13: 978-3-10-009651-7 München Blues (Max Bronski) Bei dem Buch „München Blues“ handelt es sich in der Tat um eine süffisante Lesesession. Getragen wird die Geschichte von kriminellen Machenschaften in der Wirtschaft und Politik – zum Genuss wird sie durch die humorvolle Beobachtungsgabe und witzvoll respektlose Darstellung der Titelhelden. Ein typischer Antiheld, mit dem man mal gerne ein Bier trinken würde, wenn er nicht gerade irgendeinen Blödsinn anstellt. Er sorgt dafür, dass dieser Krimi zu einer kulinarischen Zwischenmahlzeit wird. Mit seiner lässig lockeren Haltung gelingt dem Autor immerhin eine sehr ernstzunehmende Feststellung: So ist das halt in München, in Bayern. Es ist immer schon so gewesen und wird immer so bleiben. Aus unserem Blickwinkel eine eigentümlich entspannte Sicht krimineller Dinge, bedrückend, weil sie mitten aus der Wirklichkeit kommt. Verlag Antje Kunstmann 2007, ISBN: 978-3-88897-463-2, € 16,90. Die Mutanten des Kreml (Elena Tregubova) Wer aus der westlich geprägten Moskauer Intelligenzija-Schicht kommt und junge politische Journalistin ist, hat noch nicht das besondere Verständnis für eine spezifisch russische Demokratie aufgenommen, und so hat es anfangs den Anschein, als ob Elena Tregubova lediglich ihr ganz eigenes Verhältnis zu den Mächtigen im heutigen Russland, insbesondere zu Wladimir Putin schildert. Von Kapitel zu Kapitel kommt durch ihr persönliches Erleben aber mosaikartig das Bild eines von Geheimdienststrukturen geprägten Herrschaftssystems zutage, das vor politischen Morden, Aushebelung demokratischer Institutionen und manipulierter Wahlen nicht zurückschreckt. Es steht ein neu angestrichenes „Sowjetsystem“ wieder auf, dessen Charakter von unaufmerksamen und wohlmeinenden westlichen Regierungen noch verkannt wird. Ein hochbrisantes Buch. Tropen Verlag 2006, ISBN-10: 3-932170-91-1, ISBN-13: 978-3-932170-91-1, € 19,80. Die Ökonomie des unschuldigen Betrugs (John Kenneth Galbraith) John Kenneth Galbraith, Professor, Politiker, Autor vieler wirtschaftswissenschaftlicher Werke hat sich noch zwei Jahre vor seinem Tode im Jahre 2006 im Alter von 95 Jahren aufgerufen gefühlt, noch ein Buch über die ökonomischen Erkenntnisse aus seinem facettenreichen Leben als Beobachter und Akteur des amerikanischen Wirtschaftslebens zu schreiben. Dabei lag ihm wohl mehr daran, seiner journalistischen Begabung gerecht zu werden als seine wissenschaftliche Reputation zu erhöhen. Wenn er die Fälle des „unschuldigen Betrugs“ entlarvt, so beschreibt er doch vielmehr schon mehrfach niedergeschriebene Zeiterscheinungen und Widersprüche in der Nationalökonomie und weniger neue Erkenntnisse. Der Eindruck bleibt bis zum Ende des kleinen Büchleins bestehen, dass er seiner Rolle als Vize-Kommissar für Preispolitik im US-Amt für Preiskontrolle während des zweiten Weltkrieges und der damit verbundenen Wirtschaftspolitik noch immer eine große Bedeutung zumisst und daraus Empfehlungen für die Bekämpfung von Fehlentwicklungen in einigen Sektoren der Wirtschaft ableiten möchte. Daher ist es gut, dass im Vorwort der Leiter des Wirtschaftressorts der ZEIT Uwe Jean Heuser zu Wort kommt, der die Ansichten und die Bedeutung Galbraiths für die Wissenschaft zurechtrückt. Pantheon Verlag 2007, ISBN: 978-3-570-55032-8, € 9,95. Die Bücher der in der Zeitung enthaltenen Buchtipps sind wie immer auch in der Gefangenenbücherei erhältlich. Tr§tzdem 2007 Nr. 37 49 Kultur — Ausland — Medien Literatur & Co. Der Code (Brad Meltzer) Mit dem Buch verhält es sich, wie mit einem Supertanker – es dauert, bis er in Schwung ist, aber dann kann ihn nichts mehr bremsen. Selbst das Umherspringen zwischen den Tempi stört dann nicht mehr. Gut, der Plot erinnert an Amblers „Interkomplott“, ist aber sehr viel temporeicher und die Gewalt tritt offener zu Tage. Vor allem aber beschreibt Brad Meltzer eine Szenerie, die in ihrer Basis durchaus nachvollziehbar ist. Man denke nur an das „Wirrwarr“ um die Geheimdienstberichte im Vorfeld des Irak-Krieges. Als Fazit bleibt einem nur zu sagen: „Gut gemacht, Mister Meltzer!“ Aufbau Verlag 2007, ISBN: 978-3-7466-2320-7, € 12,95. (aus der Bücherei zu entleihen unter Buchnummer: 312-07) Der Sohn des Akkordeonspielers (Bernardo Atxaga) Als Joseba nach über zwanzig Jahren seinen Jugendfreund David in Kalifornien wieder sieht, müssen die beiden sich erst an ihre gemeinsame Vergangenheit herantasten – zu viele offene Fragen stehen zwischen ihnen, zuviel Verheimlichtes, Unausgesprochenes. Als ehemaliges Mitglied der baskischen Untergrundorganisation haben sie zwar Abstand gewonnen zu ihren Verstrickungen von damals, doch lasten quälende Schuldgefühle auf ihnen – Schuldgefühle angesichts eines Verrats, von dem sie beide wissen, dass er notwendig war. Wie war es dazu gekommen, dass sie, die jugendlichen Freunde und späteren Studenten, in den Bannkreis der militanten baskischen Idee gerieten? Sie müssen ins Reine kommen mit ihrer Vergangenheit, die sie auseinander getrieben hat und die erst im Angesicht von Davids nahem Tod ihre Macht über sie verliert. Es ist eine beklemmende, zunehmend dramatische Geschichte, und Atxaga erzählt sie ebenso eindringlich wie differenziert. Insel Verlag, 2006, ISBN-10: 3-458-17311-0, ISBN-13: 978-3-458-17311-3, € 24,80. Der Traum vom Leben (Klaus Brinkbäumer) Ein poetischer Titel für ein überaus sachliches Buch. Im „Traum vom Leben“ berichtet der Autor Klaus Brinkbäumer von teilweise verzweifelten Fluchten vor der afrikanischen Realität. Angereichert mit historischen und soziologischen Informationen werden Einzelschicksale vorgestellt. So entsteht ein mit Daten gespickter Bericht, der beim Leser ein Bündel von Gefühlen auslöst, das nicht leicht zu schultern ist. Europa als die gelobten Länder, Hunger und Armut, Aberglauben und Hexerei, Ausbeutung und politische Willkür, Menschen, insbesondere junge Menschen als beliebig verfügbare Dispositionsmasse, Traditionen und Fatalismus, Menschenleben mit der Wertigkeit eines Grashalmes und Volkermorde – der Autor legt bei aller nüchternen Darstellung ein düsteres Zeugnis ab. Wobei sich bei mir eine Irritation einschleicht. Die Schilderung Afrikas bewegt sich auf einem Bekanntheitsgrad, der an dem Begriff Klischee nicht vorbeikommt. Das wird in diesem Fall wohl weniger daran liegen, dass diese Phalanx durch mehr spezifische Erkenntnisse hätte durchbrochen werden können, wie z. B. in Bezug auf den Mythos „reiches Europa“. „Die Mädchen und Frauen sehen ihre deutschen Freier in Afrika, sie sehen, diese Männer sind nicht besonders clever und können sich trotzdem Weltreisen leisten – und dann tun sie alles, um dorthin zu gelangen, woher diese dummen, reichen Freier kommen.“ Detailfeinheiten dieser weniger bekannten Art würden noch mehr Aufmerksamkeit auf dieses wichtige Buch fokussieren. S. Fischer, 2006, ISBN-10: 3-10-005103-3, ISBN-13: 978-3-10-005103-5 Faust – Der Magier (Andreas Gößling) Faust – mal wieder anders. In dem Roman „Faust – Der Magier“, einer schillernden Mixtur aus Sage, Märchen und Historischem, heftet sich der Autor Andreas Gößling auf die Spuren der wohl klassischsten literarischen Gestalt. Angefangen bei der Zeugung, bei der Satan mehr als nur seine Finger im Spiel hatte, bis hin zu dem archetypischen Konflikt: Wie viel wert ist das Seelenheil? verfolgt der Leser ein bewegtes Leben. Die Versuchung ist in der Tat teuflisch groß. Die Gaben des Hellsehens, des Heilens durch bloßes Handauflegen, der Lenkung und Beherrschung der Menschen und nicht zuletzt der alchimistischen Gewinnung von Gold sind Verlockungen, denen kaum zu widerstehen ist. Doch wie hoch ist der Preis? In drastischen Bildern rechnet Faust selbst sich den Preis des Verlustes seiner Seele vor. Dabei schreckt der Autor vor keiner Brutalität und Grausamkeit zurück, auf diese Weise ein Mittelalter zeichnend, das seinen ohnehin schlechten Ruf noch weit und schaurig übertrifft. Von bigotter Frömmelei bis zum bestialischen Abschlachten von wehrlos unschuldigen Opfern, betrachtet als alltägliche Lappalie, reicht der erzählerische Bogen. Nicht nur das Thema ist spannend, bei entsprechend modifiziertem Outfit heutzutage ungebrochen gültig. Auch der Erzählstil schürt die Lust am Leben. In einem fast immer gelingenden Balanceakt greift der Autor mittelalterliche Sprachelemente auf, legt dort ein verschüttetes Wort frei, schmiegt sich hier einer tief verstaubten Formulierung an. So erzaubert er auf gleichsam alchimistische Weise einen Reichtum der Geschichte und ihrer Sprache. „Gesundes Gold“ hat unvermutete Gesichter. Rütten & Loening 2007, ISBN: 978-3-352-00745-3, € 19,95. 50 Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Kultur — Ausland — Medien Literatur & Co. Die Löwin (Iny Lorentz) Eine junge Frau, deutsch-italienischer Abstammung, muss sich im Italien des 14. Jahrhunderts behaupten. Auf der Flucht vor der teutonisch stupiden Aufdringlichkeit eines „Schwiegervaters“ muss die Heldin erfahren, dass ihr Vater – der Kommandeur einer eigenen Söldnertruppe mit eisernem Ruf – und ihr Bruder ermordet worden sind. Im Stile eines blumigen, aber auch rustikalen historischen Märchens werden die Abenteuer der tapferen und resoluten Jungfer an der Spitze der Söldner und verwickelt in die Kriegswirren des zersplitterten Italien geschildert. Herausgekommen ist ein beinahe klassischer Mantel- und Degenroman, mit dem sich die Programmiererin einer Versicherung Iny Lorentz den Alltag verträumt. Immerhin bemüht sie sich, den beschaulichen Erzählkitsch durch Ruppigkeiten etwas aufzupeppen. Zugeben muss man auch, dass ihr manche Personalie recht sympathisch gelungen ist, auch wenn sie sich einiger Klischees bedient, als gäbe es noch den Sommerschlussverkauf. In einem Wort: ein Schmachtschinken im Bioanbau. Knaur, 2006, ISBN-10: 3-426-63248-9, ISBN-13: 978-3-426-63248-2, € 8,95. Ausgebrannt (Andreas Eschbach) Stellen sie sich vor, der Liter Superbenzin würde über vier Euro kosten. Ein Alptraum? Ja. Bloß wäre es erst der Anfang. Denn das Ölzeitalter wird nicht erst mit dem letzten Barrel enden. Es endet, sobald mehr verbraucht wird, als gefördert werden kann. Und dieser Moment ist näher, als die meisten ahnen. Das Problem: Niemand hat einen Plan für die Zeit danach. Auch Markus Westermann weiß von all dem nichts, als er es endlich in die USA geschafft hat und mit seiner Karriere voll durchstarten will. Als er Karl Walter Block kennen lernt, sieht er seine Chance gekommen. Der alte Öltechniker behauptet, dass in den Tiefen der Erde noch genug Öl für die nächsten tausend Jahre schlummert – und dass nur er die Methode kennt, wie man es findet. Er braucht nur noch einen kompetenten Geschäftspartner. Jemanden wie Markus. Nur allzu bereitwillig glaubt die Welt den Versprechungen des Duos. Nach ersten Erfolgen ist gar von einer Renaissance des Ölzeitalters die Rede. Doch der Schein trügt. Als in Saudi-Arabien das größte Ölfeld der Welt versiegt und die Saudis alles daransetzen, die erschreckende Wahrheit zu vertuschen, kommt es nicht nur im Nahen Osten zu Unruhen. Die Menschheit steht plötzlich vor ihrer größten Herausforderung. Das Ende der Welt, wie wir sie kennen, bahnt sich an. Einzig Markus ist überzeugt, das Ruder noch einmal herumreißen zu können… Gustav Lübbe Verlag 2007, ISBN: 978-3-7857-2274-9, € 19,95. Die Stadt am Ende der Welt (Thomas Mullen) Eine verheerende Grippeepedemie im Amerika des Kriegsjahres 1918 veranlasst eine Holzfällergemeinde im Staat Washington, sich hermetisch von der Außenwelt abzuschotten. Gewerkschafter, Entrechtete, Sozialromantiker haben sich zusammengetan, um in der Abgeschiedenheit unzugänglicher Wälder ihrem Traum von Gemeinschaft nahe zu kommen. Den wollen sie bewahren. Dazu müssen sie überleben. Nur in einer vollkommenen Isolation sehen sie eine Chance. Die aus dieser Isolation erwachsenden Probleme und Konflikte sind das Thema des Buches. Dabei versammelt der junge Debütautor Charaktere und Gewissenskonflikte wie aus einem Bilderbuch für Wachsmalstifte: Schicksalhaftigkeit zum Ausmalen. Peinlich wird es, wenn die Werbeabteilung des Verlages nicht davor zurückschreckt, diesen Roman in einem Schriftzug mit Camus’ Pest zu nennen. Von einer diesbezüglichen Ansteckung kann nicht die geringste Rede sein. Hoffmann und Campe 2006, ISBN-13: 978-3-455-05182-7, € 21,00. Der schöne Schein der Wahrheit (Wolf von Lojewski) Wer eine investigative Geschichte über den Journalismus erwartet hat, wird enttäuscht sein. Wolf von Lojewski schreibt in geschmeidiger Art über den Journalismus im Allgemeinen und seine journalistischen Lebensstationen im Besonderen. Wo er anfängt, ein Brennglas auf kritische Zeiterscheinungen zu halten, führt er alsbald den Leser mit versöhnlichen Wendungen und mit großem Wohlwollen für seine Zunft zum Blick auf das Große und Ganze. Dennoch ein lesenswertes Buch, das auch in nachdenkenswerte Gedankengänge hineinführt. Lübbe, 2006, ISBN-10: 3-7857-2147-1, ISBN-13: 978-3-7857-2147-6, € 19,95 Tr§tzdem 2007 Nr. 37 51 Kultur — Ausland — Medien Buchtipp Ehrensachen (Lois Begley) Drei Collegestudenten, durch Zufall oder den gemeinsamen Außenseiterstatus in dasselbe Zimmer ihres Wohnheims gewürfelt, sind im Amerika der 50er Jahre die Protagonisten des Romans „Ehrensachen“. Das Harvard-College in Cambridge bildet zunächst den Rahmen der Ereignisse – Elite, wohin man schaut. Henry, ein geistiger Überflieger, beneidet intelligent, wird durch sein jüdisches, nicht reiches Elternhaus am Boden gehalten. Arnie, Sohn eines hohen Militärs, ist, Spiegelbild seiner von einer Versetzung zur nächsten verwehten Eltern, ohne gesellschaftliche Wurzeln, jedoch versehen mit den Stacheln des Ehrgeizes. Sam, der Icherzähler und Träger eines bedeutenden, wenn auch weit verzweigten Familiennamens, rätselt darüber, wie reich er möglicherweise ist. Den Weg dieses Kleeblatts begleitet der Roman. Der Generationenkonflikt – so alt wie die Menschen selbst, und doch verliert er weder seine Gültigkeit noch seine Brisanz – ist das erste Sperrfeuer, dem sich die drei Freunde zu stellen haben. Hierbei wirken desinteressierte Distanz und emotionale Gleichgültigkeit nicht wesentlich anders als eine klammernde Überfürsorglichkeit, so hehr die Gründe für die Umklammerung auch sein mögen. Selbstfindung ist nur auf dem Weg einer vehementen Selbstbehauptung möglich. Diese Erkenntnis spitzt sich für die drei Freunde zu: Entweder die Eltern töten ihre Kinder, oder die Kinder töten ihre Eltern, anders ist eine eigene Identität nicht möglich. Diese herbe Schlussfolgerung wird nicht nur auf metaphorischer Ebene erlebt. Freundschaft, Liebe und Karriere sind die Kardinalthemen ihres Lebens wie des Erzählers. Karriere scheint das Selbstverständlichste bei diesen brillianten oder protegierten Zöglingen. Tiefempfundene Freundschaft ist das Besondere. Liebe das Schwierigste. Arnie stirbt jung bei einem Autounfall, ausge52 rechnet in dem Moment, da er in seiner taumelnden Flucht in rauschhaftes Vergnügen und Anerkennung einen Halt gefunden zu haben scheint, sprich im Augenblick seiner Heirat einer wunderschönen, geliebten Frau. Henry wird in eine atemberaubende Karriere als Anwalt katapultiert – und doch verlässt ihn nie das Bewusstsein seines Scheiterns; seine große Liebe, die vom ersten Collegetag an über Jahrzehnte sein geduldiges „Langzeitprojekt“ war, zerrinnt ihm zwischen den Händen und im Herzen. Beruflich gerät er an die Grenzen des Erträglichen. Schließlich verkriecht er sich in einem Nirgendwo, alles abschüttelnd, was einst sein Leben war, sogar seinen Freund Sam. Dieser wiederum ist ein erfolgreicher Schriftsteller geworden, überrascht von sich selbst. Und das Wissen akzeptierend, dass er ohne psychoanalytische Echtzeitbetreuung (fünfmal die Woche) dem Leben nicht gewachsen wäre. Lediglich die protokollierende Beobachterposition aus sicherer Entfernung verleiht ihm langfristig die Fähigkeit, eine fragile Balance zu halten. Das Fazit, das der Roman „Ehrensachen“ zieht, ist denkbar trist, wenn nicht bitter. Entweder du entsprichst den Vorgaben der Gesellschaft, im Klartext: du passt dich an – und gehst als Individuum unter, oder aber du behauptest deine Individualität, das jedoch nur um den Preis der Vereinzelung, des Gestrichenwerdens in den Adressbüchern, die allein zählen. Im Wesentlichen nichts Neues. Und doch berührt der Werdegang und das Ringen der Freunde in einer Weise, die schwierig zu fassen ist. Mit ein Grund ist sicherlich die Sprache, die dermaßen zurückhaltend und nüchtern dahererzählt, dass einem die Dramatik so manchen Geschehens nur bei höchster Konzentration bewusst wird. Das macht das Erzählte so glaubwürdig. Und lässt ein Buch entstehen, das in seinem stillen Respekt vor dem Traurigsein über die Unzulänglichkeit des Lebens, insbesondere die Unzulänglichkeit der Menschen, die die Chance haben, es zu leben, dem Leser ins Herz sickert. Suhrkamp Verlag 2007, ISBN-13: 978-3-51841870-3, € 19,80. Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Das Echo der Erinnerung (Richard Powers) Irgendwo in der öden Weite Nebraskas verunglückt ein 30jähriger Provinzler mit seinem Auto. Ein mysteriöser Unfall mit vielen Spuren ins Nichts und eine seltene Hirnschädigung mit abstrusen Folgen initiieren die Geschichte, eine Reise in die Vergangenheit, einen zermürbenden Kampf um Erinnerung. Der Provinzjunge erkennt seine Schwester, einst sein familiärer Liebling, nicht mehr, glaubt in ihr eine feindliche Agentin entlarvt zu haben. Unfallbedingtes Capgras-Syndrom – eine Bewusstseinsstörung, die dem Betroffenen nicht zu vermitteln ist. Die Irrwege der menschlichen Psyche und das Zurückgewinnen der brüderlichen Liebe stehen im Mittelpunkt des Erzählens. Dem seltsam verlorenen Paar versucht ein renommierter Psychologe zu helfen – um seine eigenen Grenzen zu erfahren und vor seinen Unzulänglichkeiten in die Knie zu gehen. Dass die Flusslandschaft des Nebraskakaffs einmal im Jahr zum spektakulären Schauplatz einer archaischen Kranichversammlung wird, führt zu einem ökoligisch-ökonomischen Nebenkrimi. Wer einen epischen Atem des Erzählers mag – und sich von einer Flut neurologischen Basiswissens nicht abschrecken lässt - , wen äußere Handlungsdezenz nicht stört, sich stattdessen insbesondere für skurrile Geschichten eines jederzeit gefährdeten Bewusstseins interessiert – für den wird „Das Echo der Erinnerung“ ein Leseabenteuer werden. Ein Abenteuer, das bis zum Schluss Überraschungen im Köcher hat und das den empathischen Leser – auch dank einer behutsamen, an poetischem Ausdruck feilenden Sprache, die nur ab und an ein wenig theatralisch ausbüchst – zur Verletzlichkeit der eigenen Psyche zu führen vermag. S. Fischer 2006, ISBN-10: 3-10-059022-8, ISBN-13: 978-3-10-059022-0, € 19,90. Kultur — Ausland — Medien Das Theaterereignis am 13. April Woyzeck (von Georg Büchner) Ein Einpersonenstück mit Ulf Goerges Woyzeck von Georg Büchner ist ein Klassiker des Theaters. Das Stück erzählt die Geschichte eines Mannes zu Beginn des 19ten Jahrhunderts, eines typischen Verlierers, der sich daran gewöhnt hat, sich beim Leben Tritte abzuholen. Sein einziger Schatz: seine geliebte Marie. Als sie ihn betrügt, vor seinen flimmernden Augen, bringt er sie um. Er wird zum Tode verurteilt. Thematisch gesehen ist eine JVA also ein geradezu klassisch perfekter Ort für eine Aufführung des Woyzecks. Der Anblick des Bühnenbildes wird quasi zum Prolog des Stückes: Ein monochrom graues Quadrat, das aus nichts als Kargheit besteht, einem inventari- Die szenische Anatomie eines Mörders schen Existenzminimum im Augenblick der Gewissheit, dass sie beendet ist. Im Bewusstsein des Endes rafft Woyzeck ein letztes Mal seine Erinnerungen zusammen. In einem die Zuschauer verblüffenden Monolog, der sich wie eine horizontale Lawine durch die Aufmerksamkeit schiebt, fängt Woyzeck Bilder seines Lebens und Blitzlichter seiner Tat ein. In ineinander fließenden Gesprächen begegnet er den Menschen, die sein Leben flankierten, wobei seine Phantasie groß genug ist, die Rollen zu tauschen und diese Menschen wie persönlich auftreten zu lassen. So entsteht ein Reigen aus Erinnerungs- und Vorstellungssequenzen, die keinen Zweifel daran erlauben, dass Woyzeck bereits verurteilt war, noch bevor es seinem Leben nicht gegeben war zu beginnen. Er ist ein Nichts, seine Funktionen werden von der Obrigkeit benutzt. Leben lernt Woyzeck nur in einer Form kennen: in seiner Marie, in seiner Liebe zu Marie. Was passiert, wenn sich auch Marie gegen ihn wendet? Das übersteigt offenkundig die menschliche Fähigkeit des Abwägens. Die von Woyzeck auf jeden Fall. Soviel steht fest: Indem er Marie tötet, tötet er auch, wenn nicht zuerst sich selbst. Marie ist sein Leben. Eine ergreifende Geschichte. Doch mindestens genauso ergreifend ist es, dass eine einzige Person dieses Schicksal lebendig werden lassen kann – das Taumeln einer Existenz handgreiflich versinnlicht, den Zuschauer in das furi- ose Gewitter seiner Expressionen saugt, das reflexhafte Klammern an Hoffnungen und das verschüttete Hegen von Sehnsüchten als Vagabunden der VerTr§tzdem 2007 Nr. 37 zweiflung präsentiert. All dies mit dem scheinbaren Alltagsvokabular von mikroskopisch präzisen Wörtern, mit einer Mimik, die einer Gebärdensprache der Seele gleichkommt, und einer Gestik, die in ihrer Choreographie des Strauchelns das seismographische Erfühlen eines letzten menschlichen Erlebens abrundet. Auf der Bühne steht ein Mörder, einer, der nicht einmal auf die Idee käme, seine Tat zu leugnen. Ein Mörder, der auch nach seiner Tat die Erinnerungen an seine Marie hingebungsvoll streichelt, solange sie ihn nicht würgen. Woyzeck zeigt einen Mörder, der zu keinem Zeitpunkt aufhört, ein Mensch zu sein. Vielleicht ist das ein Grund dafür, warum Woyzeck seit 200 Jahren immer noch spannend bleibt. Apropos spannend. Bei dieser Auf- führung stand der Schauspieler eines Mörders einem Publikum gegenüber, das mit realen Mördern bestückt war. Auch für einen Theaterprofi eine bemerkenswerte Seltenheit. Mag sein, dass dieser Umstand zur Verdichtung der Wirkung des Stückes beigetragen hat. Die Schilderung von Ulf Goerges nach der Aufführung, diese besondere Konstellation habe ihm sehr bewusst vor Augen gestanden, weist in diese Richtung. Ebenso wie die allzu menschlichen Betonungskuller der Regisseurin, die zu Beginn eine informative und wohltuend unakademische Einführung darbot, in deren Verlauf die Benennung des Deliktes sich vergluckste, als kieselten zwei Murmeln in einen Bergbach. Tatsächliche Kunst im Knast – allen, die dazu beigetragen haben, dies zu ermöglichen, gilt ein herzlicher Dank. RM 53 Kultur — Ausland — Medien Autoreninfo machen — selbst wenn er es wollte, er könnte es nicht — sind die Bücher fokussierende Spiegelbilder seines Daund Soseins. Wenn seine Romane vor lauter Sport buchstäblich ins Schwitzen geraten, dann deshalb, weil der passionierte Ringer Irving keinen Tag verstreichen lässt, ohne „handgreiflich“ zu werden. Anstatt als literarischer Agent seiner selbst die Kulturszene zu missionieren, nestelt Irving als erklärter Familienmensch und Hausmann im trauten Heim und brütet über Gedanken und Sorgen, die allenfalls das Lachen, wenn nicht Auslachen seiner Kinder vorübergehend besänftigen können. Er kocht und kümmert und behütet. Er trainiert, als hielte er sich für Schicksalsschläge fit. Liebe und Tod kann er nicht voneinander trennen. Sexualität übt einen magischen Reiz aus, auch wenn er um die Bedrohlichkeiten weiß, die in ihr lauern. Normalität umhegt er mit Zärtlichkeit. Nur das von der Norm abweichende liebkost er noch inniger. Genau dieser Fundus, in dem Irving tief verwurzelt ist, ist sein größter Schatz. John Irving „Garp und wie er die Welt sah“, mit diesem Roman betrat John Irving Ende der 70er Jahre die literarische Bühne, spektakulär, wie das Autoren, umgeben von der Corona eines Weltbestsellers, nun einmal an sich haben. Das Buch begeisterte das Lesepublikum in Scharen, die ihm bis heute treu geblieben sind. Ebenso wie die Kritiker, also die Fachleute, nicht aufhören, sowohl mit den Zähnen als auch mit den Gedanken zu knirschen, wenn der Name Irving fällt. Schauen wir uns diesen beharrlich polarisierenden Vogel einmal etwas genauer an. Eines fällt wohl als erstes auf: John Irving liebt es mit einer geradezu taumeligen Lust zu erzählen. In ihm rumoren, spuken, wuchern Geschichten, Schicksale, Typen, die nicht einfach aufgeschrieben werden, sondern denen Irving auf dem Papier eine unverrückbare Heimat bereitet. Wären Phantasie und Erzählleidenschaft eine Krankheit, wäre Irving von Anfang an ein unheilbarer Fall. Theoretische Überlegungen, formale Probleme oder analytische Bedenklichkeiten gibt es in seinem Erzähluniversum nicht. Wer denkt schon im Augenblick eines Beischlafs an etwas anderes als an die Lust selbst? Bleibt man bei diesem gewiss paradox sachlich gemeinten Bild, schreibt Irving seine Bücher, ohne intellektuell zu verhüten. Das kann wundervoll sein. Vorausgesetzt, die Phantasie bleibt groß genug, das heißt: übermächtig. Nun, „Garp“ ist ein solches Meisterwerk phantasierten Lebens. Außenseiter der schrägsten Art tummeln sich zusammen, um ihre besonderen Ansichten dem Leben abzutrotzen. Eine Frau, derart skeptisch in Richtung Mann, derart versessen auf Autonomie, dass sie ihren einzigen Lebenswunsch und –inhalt, ein Kind, nicht eine Sekunde in eine andere Hand als die eigene legen möchte, zieht die äußerlich grotesk anmutende Konsequenz und lässt sich von einem todgeweihten Verwundeten, dessen allein verbleibendes Lebenszeichen sein Penis ist, besamen. Ein Roman mit einer solchen Ouvertüre kann nur halten, was er verspricht: Einen verzauberten Blick auf das Leben, bis tief in jene Ritzen hinein, wo sich Liebe behauptet, gleichgültig 54 John Irving – Ein amerikanisches Schwergewicht von welchen Katastrophen sie verschüttet wird. In „Hotel New Hampshire“ führt Irving das Erzählfeuerwerk fort, um im Roman „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ eine Menschlichkeit zu chiffrieren, deren emotionalem Sog man sich kaum zu entziehen vermag. Ihm gelingt ein mitreißendes Plädoyer für die Selbstbestimmung nicht nur der Frau, sondern des Lebens überhaupt. So entrückt und absonderlich es in seinen Romanen zugehen mag, die Palette seiner Gestalten und Themen sprengt so manche Vorstellungsbereitschaft, John Irving ist ein behutsamer Fänger nomadisierend verirrter Gefühle und Sehnsüchte, und seine Bücher sind deren Zufluchtsburgen. Die Überzeugungskraft der genannten Bücher entspringt auch der Wahrhaftigkeit des Schreibenden, sprich der Authentizität des Geschriebenen. Es ist der Mensch John Irving, der mit seinem persönlichen Leben hinter allem steckt. Ohne auch nur einen Hehl daraus zu Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Betrachten wir einmal die Kehrseite. Dass die „Profis“, insbesondere die Kollegen ihm wenig Rang zumessen, ist zwar ärgerlich, aber das ließe sich angesichts seines vielfältigen Erfolgs verschmerzen. Maßstab sollten allein seine Geschichten sein, ihr Profil gilt es zu tarieren. Und da ist die eine oder andere Tatsache schwierig zu leugnen. Irvings Art des Erzählens fasziniert nur, wenn seine Geschichten in einem intuitiven Rausch der Phantasie schillernde Welten erzeugen. Wehe seine Phantasie verliert ihr olympisches Feuer. Dann passiert unter Umständen „Owen Meany“, ein künstlich angehäuftes Konglomerat von stilisierten Unwahrscheinlichkeiten, mit dem Ergebnis, dass Pathos und Trivialität die Zeilen nässen. Gesammeltes, Recherchiertes, Aktuelles, für manche Erzählkonzepte ein nicht nur legitimer, sondern fruchtbarer Boden, bestimmen sie sein Erzählen, sind sie für Irving, den phantasieverstrickten Balanceur heikler Welten, ein übles, lähmendes Gift. Sobald er sich Regeln der Literatur nähert, Kultur — Ausland — Medien wird sein schütteres Wissen offenbar. Lässt er sie bewusst außer Acht, wagt sich ein Geschmack vor, der mitunter Losigkeit im Schlepptau hat, und hebt sein fehlendes Gespür für literarische Unmöglichkeiten an zu randalieren. John Irving ist erzählerisch ein Gefangener seiner eigenen Maßstäbe. Tja, und in der Realität schreckt der Empfindungstäter nicht davor zurück, in martialischer Wildwestmanier Kopfabargumente in seine Interviews zu streuen. Bezogen auf eine Aggression gegenüber seiner Familie mag ein solch menschlicher, allzu menschlicher Reflex noch nachvollziehbar und verzeihlich sein. Überträgt er ihn jedoch vollmundig und breitschultrig auf die politische Ebene – beispielsweise den 11. September – und wird so zum Pressesprecher von George Bush, dann laufen dem nachdenklichen Zeitgenossen Schauer über jenen Rücken, den Irving offensichtlich mit den Berggorillas Ruandas gemeinsam haben möchte. Selten ist das Sprichwort „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ wahrer gewesen. Bleibt die Frage, welches Gewicht man den erzählerischen Schatten zubilligen darf. An dieser Stelle verheben sich meines Erachtens die werten Kritiker, die Hohepriester der ernsten, ihrer selbst stets bewussten Literatur. Zugegeben, John Irving hat eine Reihe dicker Bücher mit dünner Bedeutung geschrieben. Mag sein, dass sein Werk der intellektuellen und historischen Gravitation eines „Ulysses“ von James Joyce wenig Weihevolles entgegenzusetzen hat. Doch Garp und Freunde leisten etwas, das mindestens ein ebenbürtig originärer und wesentlicher Impuls des Schreibens darstellt: Sie legen Zeugnis ab für eine Menschlichkeit, die einem Empathie begabten Leser beim Menschsein hilft. Sie nehmen die Liebe unter die Obhut der Worte, die Liebe als einzigartige Essenz eines lebenswerten Lebens, unabhängig davon, an welche Form sie sich zu klammern versucht. John Irving mag womöglich kein genialer Schriftsteller sein. Aber seine Fähigkeit, Menschlichkeit nicht nur zu empfinden, sondern sie mit anderen Menschen zu teilen, indem er ihr gleichsam ansteckenden Ausdruck verleiht, macht ihn zu einem außergewöhnlichen Menschen. Und das könnte bedeutsamer sein als ein souveränes Jonglieren von Semikola. Biographische Daten: John Irving wurde am 2. März 1942 in Exeter (New Hampshire) geboren. Sein Vater war Lehrer für russische Geschichte und Literatur, verließ die Familie jedoch als John noch ein Kind war. John Irving hatte früh schon zwei große Ziele: Er wollte Schriftsteller und Ringer werden. Das ist ihm eindrucksvoll gelungen, er wurde zum Muskel- und Phantasiepaket. Nach einem Studienaufenthalt in Wien von 1963 bis 1964 lebt und arbeitet er bis 1979 in den Vereinigten Staaten als Lehrer. Nach dem Welterfolg von „Garp und wie er die Welt sah“ ist er unabhängig. Heute lebt er in Toronto und in Vermont mit seiner zweiten Ehefrau. Seine drei Söhne komplettieren die Familie. Veröffentlichte Bücher: • Laßt die Bären los – Roman 1968; • Die wilde Geschichte vom Wassertrinker – Roman 1972; • Eine Mittelgewichtsehe – Roman 1974; • Garp und wie er die Welt sah – Roman 1978 (Rowohlt); • Das Hotel New Hampshire – Roman 1981; • Gottes Werk und Teufels Beitrag – Roman 1985; • Owen Meany – Roman 1990; • Rettungsversuch für Piggy Sneed – 6 Erzählungen und ein Essay, 1993; • Zirkuskind – Roman 1994; • Witwe für ein Jahr – Roman 1998; • My Movie Business. Mein Leben, meine Romane, meine Filme – Autobiographie 1999; • Die vierte Hand – Roman 2001; • Bis ich Dich finde – Roman 2005. Alle Bücher, bis auf „Garp und wie er die Welt sah“, wurden im Diogenes Verlag veröffentlicht, der uns für dieses Autoreninfo einige Bücher und eine Pressemappe zur Verfügung gestellt hat. Vielen Dank für die Unterstützung! Jens Meggers RM Rechtsanwalt Fachanwalt für Strafrecht Thorsten Diekmeyer Rechtsanwalt Fachanwalt für Strafrecht Neue Literaturgruppe Die Literaturgruppe der JVA Oldenburg hat eine kurze, indes engagierte Geschichte. Die Idee zu ihrer Gründung stammt von einem ehemaligen Zeitungsredakteur unserer Gefangenenzeitung „Tr§tzdem“, der versuchen wollte, Vielleser und literaturbegeisterte Häftlinge miteinander in Kontakt und zum Austausch über Literatur zu bringen. Da die Bücherei der JVA über keinerlei Etat zur Anschaffung von Büchern verfügt, bemühen wir uns, Neuerscheinungen als Rezensionsexemplare von Verlagen zu erhalten. Im Gegenzug werden Rezensionen dieser Bücher in der „Tr§tzdem“ abgedruckt. So entstand im Lauf der Zeit unter Teilen der Gefangenen eine „literaturfreundliche“ Stimmung, die wir bemüht sind, am Leben zu halten. Der ursprünglich zuständige Betreuer der „Tr§tzdem“ benötigte eine beinahe biblische Zeitspanne für die organisatorische Vorbereitung der Gruppengründung. Beharrlichkeit und ein langer Atem waren vonnöten gewesen, den internen bürokratischen Weg der Installierung einer neuen Freizeitgruppe zu meistern. Für den Erfolg mit ausschlaggebend war, dass der katholische Pastoralreferent Herr Kisse sich bereit erklärte, die Betreuung zu übernehmen. So konnte nach 14-monatiger (!) Vorbereitungsphase im November 2006 die erste Sitzung des Literaturkreises stattfinden. Wenn man bedenkt, dass in der JVA Oldenburg von ca. 350 Gefangenen rund die Hälfte Gefangene in Untersuchungshaft sind, die lediglich mehr oder weniger kurz hier verweilen, sind die immerhin durchschnittlich mehr als 10 Gefangenen, die in der Regel alle 14 Tage zusammen kommen, eine Anzahl, auf die wir recht stolz sind. Besonders erfreulich ist, dass die den Umständen geschuldete, unvermeidliche Fluktuation innerhalb der Gruppe nicht zu ihrer VerFortsetzung auf Seite 56 Thomas Klein Rechtsanwalt Fachanwalt für Strafrecht Joë Thérond Rechtsanwalt Fachanwalt für Strafrecht Fachanwalt für Steuerrecht Seminarstr. 13/14 49074 Osnabrück Tel.: 0541/27030 Fax 0541/27128 Tr§tzdem 2007 Nr. 37 55 Kultur — Ausland — Medien Fortsetzung von Seite 55 kleinerung führt, sondern stetig neue Mitglieder zu uns stoßen und die Teilnehmerzahl konstant bleibt, tendenziell eher ansteigt. Es gibt sogar eine Warteliste für die Teilnahme, da der zur Verfügung stehende Platz begrenzt ist. Gruppenintern setzten wir uns zunächst mit unseren eigenen Zielen auseinander. Die diskutierten Vorschläge reichten von Text-, Theater- oder Hörbuchproduktionen bis zum Verfassen eigener Texte. In medias res gingen wir mit dem Genre „Science-Fiction“. Aus Anlass der Jährung des Todestags von Stanislaw Lem begannen wir mit einer Autorenvorstellung. Des Weiteren wurden Exemplare von „Die Marschroniken“ von Ray Bradburry (u. a. „Fahrenheit 451“) von den Teilnehmern gelesen und in zwei Sitzungen erörtert. Um die Möglichkeit einer eigenen Umsetzung eines kleinen Hörspiels zu erforschen, schafften wir uns zwei Bücher von Franz Xaver Kroetz und Dario Fo an. Die Texte stießen allerdings bei einem Großteil der Teilnehmer auf wenig Begeisterung. In der Folge gingen wir dazu über, dass jeder Teilnehmer einen Lieblingsautor bzw. Lieblingsbuch vorstellt. Wir begannen mit Simmels „Es muss nicht immer Kaviar sein“, was zu einer lebhaften Diskussion über die literarische Qualität von Unterhaltungsliteratur zum einen und der schwierigen Akzeptanz von „ernster“ Literatur zum anderen führte – offenkundig ein interessanter Spiegel des gesellschaftlichen Umgangs mit den unterschiedlichen Facetten der Literatur. Im Anschluss erfolgte ein Vergleich von Hape Kerkelings „Ich bin dann mal weg“ und Paulo Coelos „Auf dem Jakobsweg“ anhand der jeweiligen Hörbücher, die in unserem Kreis von zwei Mitgliedern präsentiert wurden. Die Aufführung des Einpersonenstücks „Woyzeck“ von Georg Büchner bot eine willkommene Gelegenheit, sich mit diesem Klassiker intensiv zu beschäftigen. Im Vorfeld des Theaterabends beleuchteten wir in einem Feature ausführlich den zeitgeschichtlichen und literarischen Hintergrund des Stücks. Nach dem beeindruckenden Abend besprachen wir mit Hilfe einer Videoaufzeichnung bemerkenswerte Passagen. Elfriede Jelineks „Die Ausgestoßenen“ und Heinz Swobodas „Der Minusmann“ waren die nächsten literarischen Stationen, die gerade durch ihre unterschiedliche Herangehensweisen an die Schilderung extremer Biographien einen interessanten Einblick in literarische Möglichkeiten vermitteln konnten. In der oben skizzierten Mixtur aus unterhaltsamen und anspruchsvollen Elementen der Literatur hoffen wir, die Gruppe fortführen zu können. Dank einer sehr großzügigen Spende der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur erhielten wir ein gesundes und förderliches wirtschaftliches Fundament für die weitere Arbeit der Gruppe. Mit dem Geld wurden einige Literaturlexika, Bücher, Hörbücher, ein Zeitschriftenabonnement und ein paar notwendige Kleinigkeiten angeschafft. Wichtiger als die finanzielle ist jedoch die damit gezeigte moralische Unterstützung. Wie der Bücherwart es immer sagt: Lesen lohnt sich! Vielen Dank nochmals dafür. Ein der Spende der Arno-SchmidtStiftung zu verdankendes Gesamtwerkpaket wird in einer der nächsten Sitzungen zur Vorstellung eines seiner Werke und auch zu hoffentlich intensiven Gesprächen über diesen großen deutschen Dichter führen. Die Literaturgruppe tagt vierzehntägig mittwochs, wer interessiert ist, sollte sich per Antrag an Herrn Kisse wenden. Markus Lanfer Literaturpreis In der Ausgabe Nr. 36 April 2007 war von der Redaktion der Gefangenenzeitung Tr§tzdem ein Aufruf zur Teilnahme am Ingeborg-Drewitz-Literaturpreises für Gefangene erfolgt. Einsendeschluss war der 31.Mai 2007. Wie zu hören war, haben sich auch aus der JVA Oldenburg einige Gefangene daran beteiligt und sie haben sich unmittelbar nach dem Erscheinen der Zeitung Die Teilnahme ist schon ein Gewinn! hingesetzt, Texte verfasst oder auch noch Bilder angefertigt. Einer zeigte uns stolz den Antwortbrief von der ausschreibenden Stelle. Nun wird zwar nicht gleich jemand zum Preisträger — alleine die Teilnahme dürfte aber für jeden schon ein Gewinn gewesen sein. UM Die Tr§tzdem möchte zukünftig auch denen eine Plattform bieten, die sich schriftstellerisch betätigen möchten. Schickt uns eure Kurzgeschichte! 56 Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Kultur — Ausland — Medien Die Wiese schreibt ihr eigenes Tagebuch; die Hälfte wieder voll von der Erhabenheit des Waldes. Der Wald aber schreibt sein eigenes Tagebuch, die Hälfte voll von der Erinnerung an die süße Heimat. Die Heimat aber schreibt in ihr Tagebuch von Anfang bis Ende über die barmherzige Mutter Freiheit, die oft schneller vergeht als das Blühen der Blumen auf der Wiese. Gedichte Er Wenn der Tag erlischt, gleich Wellen am Bug, schäumende Gischt, des Lichtes müde, genug, zieht meine Seele leise, wie der Wind am Segel, auf die Reise des Blutes Pegel, hält nicht länger wacht, es ist Nacht. Ich entsteige meinem Sein, höre den Wind, nun bin ich allein, aufgenommen wie ein Kind in meinen Träumen die das Lebensmeer umsäumen. Jetzt erst bin ich erwacht, durch Ihn an meiner Seite Er erhellt die Nacht, auf dass er mich begleite auf die andere Seite. Auf dem Weg in ein neues Leben ist er der Steg auf allen unseren Wegen. Die Nacht – meine Geliebte Komm, große Göttin, lege Dich sanft auf meine Seele, schließe meine Augen, lass mich ruhen. Des Tages Schwere nimm von mir, erlöse meiner Gedanken Qual. Ich erwarte Dich an den Toren meines Bewusstseins, Bereit, mit Dir auf die Reise zu gehen. Umarme meinen Geist, trage ihn in seine himmlische Heimat, dorthin, wo alles Geschehene und Zukünftige von Anfang an geschrieben steht. Erhöhe meinen Geist, damit er dieses kleine Leben versteht. Lass Weisheit reifen aus den Stunden meiner Tränen. Nimm mich mit, Geliebte, auf Deine Reise um die Welt. Flüstere mir noch einmal jedes Wort ins Ohr, was ich im Zorn gesagt, bevor ich sie verlor. In ihrem Arm und ihrem Schoß fand ich Ruhe, doch nur für kurze Zeit. Du bist es, geliebte Nacht, die mich leise zu mir selber führt, warum bin ich, wer ich bin, warum habe ich getan, was ich tat? Nimm mich fort aus dem Käfig, in dem ich lebe, geformt aus meinen Taten. Deine Schwester, die Sehnsüchtige, lässt mich verbrennen im Feuer der Reue, ersehnend den Tag, an dem ein Phönix aus der Asche steigt, meinem Willen neue Wege zeigt. Große Göttin, sei mein Gast in den Stunden, in denen ich meiner hadere. Aus den Höhen, aus den Tiefen meines Seins Ruft es mir zu: Oh Mensch, erkenne Dich! Schon so oft habe ich gewacht, deiner süßen Stimme lauschend, Lieder singend in der Nacht, doch noch nie warst Du so nah, ich spüre Deine heilende Kraft. Denke an den Moment, der alles entschieden hat, mein Schicksal steht auf einem leeren Blatt. Du warst es, dunkle Schönheit, die mir Treue geschworen, ich habe gelernt, aus Dir zu leben, habe Dir meine ganze Seele gegeben. Du Geliebte, meine finstere Nacht, wohin bringst Du mich? In anderen Sphären und Dimensionen, haben wir das Leben, neu erdacht. Deine Schönheit ist es, die mich süchtig macht, das immer selbe Spiel voran zu treiben, wenngleich wir auch beide täglich tausend Tode leiden. Bleibe bei mir, verlass mich nicht bis der neue Tag mit seinem Licht, meinen Geist erhellt, mit Glauben, an dem es mir gebricht, und Innigkeit und Demut in meinem Blut zu Leben vereint. Wenn eine Blume ihr eigenes Tagebuch zu schreiben hätte, wäre die Hälfte voll von dem schönen Anblick der Wiese. Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Könnte der Himmel auch ein Tagebuch schreiben, wäre die Hälfte voll von den warmen Sonnenstrahlen des Sommers und auch des Winters. Der Winter schriebe in sein Tagebuch von den Flocken, die er zur Erde schickt, Wiese und Wald bedeckt. Die Flocken hätten zu schreiben von ihrer langen Reise von den Sternen bis zu uns. Und wir? Was würden wir schreiben? Würden wir schreiben von der Wiese, dem Wald oder den Blumen? Würden wir schreiben vom Sonnenschein und den kalten Flocken, von der Heimat, dem Himmel und der Freiheit? Oder würden wir nur über uns schreiben? Jochen Etzel Nur Du und Ich…! Abend schnell die Augen schließen, keine Tränen mehr vergießen, traurig schlafe ich oft ein, Du – ich möchte bei Dir sein. Jede Nacht der gleiche Traum, nur wir zwei in diesem Raum, Du küsst zärtlich mein Gesicht und sagst leise: „Ich liebe Dich!“ Drum schreibe ich hier meine Illusionen, die in meinem Herzen wohnen, nun nieder und im Traum von mir, sind wir zusammen, weit weg von hier! Wahre Freunde? Viele wollen sich Deine Freunde nennen, aber erst in Not und Glück lernst Du sie kennen, denn ein wahrer Freund ist – wer mit Dir leidet und nicht der, der Dein Glück Dir neidet! Liebe! Die Zärtlichkeit eines Kusses, die Wärme einer Berührung, das Verlangen in einem Blick, die Romantik einer Nacht, die Leidenschaft einer Umarmung, all das ist Liebe. Liebe, die ich für Dich empfinde! Patrick Schöndorf 57 Kultur — Ausland — Medien Auslandsinfo: Schweden Auslandsinfo: Schweden Schweden ist das größte skandinavische Land. Die dünn besiedelten Regionen im Norden gehören zu den urwüchsigsten des Kontinents. Im 16. und 17. Jahrhundert gehörte das Land zu den stärksten Mächten Europas; im 20. Jahrhundert wurde es eine der reichsten Nationen der Welt und konnte sich ein Wohlfahrtssystem leisten, das Modellcharakter bekam. In der Landessprache heißt Schweden Sverige. Der Name entwickelte sich aus Svea-Rike, der Bezeichnung des im 4. Jahrhunderts entstandenen Reiches der germanischen Svear. Schweden nimmt den Ost- und Südteil der Skandinavischen Halbinsel ein. Die Südspitze der Halbinsel Schonen ist etwa 1600 km von Treriksröset im äußersten Norden entfernt. Entsprechend der großen NordSüd-Ausdehnung hat das Land Anteil an den unterschiedlichen Landschaften sowie Klima- und Vegetationszonen Skandinaviens. Das Skandengebirge durchzieht die Skandinavische Halbinsel, und sein Hauptkamm markiert im Norden und in der Mitte die Grenze zu Norwegen. Der höchste Berg ist der Kebnkajse mit 2111 Metern. Hügeliges Land prägt die Gebiete östlich des Skandengebirges und geht in einen flachen Küstensaum über. Die Mittelschwedische Senke schließt sich im Süden an das Hügelland an. Zwischen Göteborg im Westen und Uppsala sowie der Hauptstadt Stockholm im Osten bestimmt ein Tiefland mit zahlreichen Seen die Landschaft. Götaland und Småland liegen südlich der großen Seen. Vor der Ostküste liegen die größten schwedischen Ostseeinseln Öland und Gotland und die Halbinsel Schonen liegt im äußersten Süden des Landes, von der Dänemark nur 4 km entfernt liegt. Ausgedehnte Wälder bedecken rund 60 % der Landesfläche. Südschweden war bereits in der Steinzeit ab 58 7000 v. Chr. besiedelt. Aus Osteuropa wanderten zwischen 1800 v. Chr. und 500 v. Chr. germanische Stämme ein und verdrängten die Urbevölkerung, möglicherweise Vorfahren der Finnen. Im 4. Jahrhundert n. Chr. entstanden Stammeskönigreiche. Um 1000 n. Chr. herrschte die Ynglingar-Dynastie der Svaer über Mittel- und Südschweden sowie teile der dänischen Inseln. Parallel zu dieser ersten Reichsgründung verlief die Christianisierung. Schwedische Wikinger (Waräger) unternahmen ausgedehnte Raubzüge im Ostseeraum und gründeten in Russland Reiche (unter anderem Nowgorod und Kiew). Unter der dänischen Königin Margarete I. war Schweden mit Norwegen und Dänemark 1397 in der „Kalmarer Union“ vereint. Während der Herrschaft des Hauses Wasa (1523–1660) stieg Schweden zur europäischen Großmacht auf, was mit der Einführung der Reformation 1527 durch Gustav I. einherging. 1630 griff Gustav II. Adolf (1611– 1632) auf Seiten der ProtesTr§tzdem 2007 Nr. 37 tanten in den Dreißigjährigen Krieg ein. Im großen Nordis c h e n K r i e g (1700– 1721) unterlag Schweden Russland und verlor, bis auf Vorpommern, seine festländischen Besitzungen an der südlichen Ostseeküste. Der 1. Deutsch-Dänische Krieg (1848-1850) war die letzte kriegerische Auseinandersetzung, an der sich Schweden – auf Seiten Dänemarks – beteiligte. Seit 1856 ist Neutralität die wichtigste außenpolitische Leitlinie des Landes. 1865 erhielt Schweden eine neue Verfassung mit Zweikammerparlament und Zensuswahlrecht. 1905 zerbrach die Union mit Norwegen, und 1909 wurde das allgemeine Wahlrecht eingeführt. Seit 1921 besteht die heutige Staatsform der parlamentarischen Erbmonarchie. 1995 trat Schweden der Europäischen Union bei. Über 90 % der 8,9 Mio. Einwohner sind Schweden, die größte Minderheit die Finnen; im hohen Norden leben 17.000 Samen mit in halbnomadischer Lebensweise verbundener Rentierhaltung. Norweger und Dänen stellen die größte Gruppe der Ausländer. In der nördlichen Landeshälfte leben nur 10 % der Bevölkerung. Schweden verfügt über ausgedehnte Wälder und Eisenerzvorkommen. Den natürlichen Ressourcen entsprechend sind Holz und Metall verarbeitende Industrien stark vertreten. Wichtigster Handelspartner ist Deutschland, gefolgt von Großbritannien, Norwegen und den USA. Mehr aus seiner Heimat wusste S. B. aus Stockholm, Mitte 50, vom „Land im Norden der Wikinger, Polarbären und Wichtel“ zu berichten, der zur Zeit in Untersuchungshaft in Oldenburg ist: Die Wikinger und die Bären gibt es schon seit langer Zeit nicht mehr, aber einige Wichtel kannst du noch in den großen Wäldern im Norden treffen. Schweden ist ein großes Land, 1600 km lang und 500 km breit mit ca. 9 Millionen Einwohnern. Halb Schweden – der nördliche Teil – ist mit großen Wäldern bedeckt, und in Kultur — Ausland — Medien den Bergen im Westen gibt es viele Orte, in denen man gut Skifahren kann. Åre ist einer der größten Orte mit einem großartigen Nachtleben. Die Pisten entsprechen dem internationalen Standard. In Åre finden in diesem Jahr auch die Meisterschaften im Slalom statt. Weit im Norden liegt die Stadt Kiruna, bekannt für seine Minen und d i e Ra- ketenbasis Esrange, die von vielen internationalen Weltraumwissenschaftlern genutzt wird, da der Platz ideal für Raketenstarts in der Nähe des Polarkreises ist. In den letzten 40 Jahren sind viele Bewohner des Nordens in die großen Städte des Südens gezogen. Die Entfernungen zum Norden sind enorm. Es ist nicht unüblich, 300 km zu fahren, um zum „Tanz am Wochenende“ zu kommen und dann wieder die 300 km für den Rückweg anzutreten. In Mittelschweden leben die meisten Menschen; hier liegt auch die Hauptstadt Stockholm, oft „Venedig Skandinaviens“ genannt. In Stockholm ist der Sitz der Regierung, und da Schweden eine Monarchie ist, lebt auch der Schwedische König Karl-Gustav mit seiner deutsch-brasilianischen Frau Silvia hier. Heutzutage besitzt der König keine Macht mehr, ist aber ein großer Sympathieträger für Schweden und die schwedische Industrie. In den letzten 15 bis 20 Jahren ist Stockholm eine sehr internationale Stadt geworden mit einer großen Bedeutung für das Bildungswesen, die Kultur und die Unterhaltungsbranche. Stockholm hat heute ca. 700 Bars, Restaurants und Diskotheken, viele mit Außenterrassen ,und einige schließen auch nicht vor 5:00 Uhr in der Früh. Es wird eine internationale Küche geboten. Von den vielen Theatern, Museen und großen Opernhäusern ist eines der meistbekannten das Vasa-Museum, in dem die „Vasa“, ein 500 Jahre altes Schiff zu sehen ist, das etwas außerhalb der City mit all seinen Kanonen unterging. Auf den vielen Gewässern in der Umgebung Stockholms fahren viele Touristikboote, einige mit Restaurants und Unterhaltung an Bord. Im Zentrum von Stockholm ist es sogar möglich, Lachse zu angeln, da das Wasser hier, wie auch an den meisten anderen Stellen, nicht belastet und sogar trinkbar ist. Im Zentrum und im Süden von Schweden Arbeit zu bekommen ist viel einfacher als im Norden. Heute, im Frühjahr 2007, gibt es eine große Anzahl von offenen Stellen im Konstruktionsbereich, daher findet eine große Zuwanderung von Arbeitskräften statt. Auf einer vier Stunden dauernden Fahrt von Stockholm nach Süden kommt man an landwirtschaftlich genutzten Gebieten mit einigen Städten vorbei, deren größte Städte SödertäljeScania mit einer Fahrzeugindustrie, Norrköping-Kolmården mit einem Zoo, der das größte Delfinarium der Welt, geleitet von einem internationalen Wissenschaftler, enthält, und Linköping mit einer Flugzeugindustrie sind. Am Ende der vier Stunden kommt man an Schwedens zweitgrößtem See, den Vättern, der durch einen Kometeneinschlag entstand, vorbei. Im Süden Schwedens haben viele Deutsche ihre Sommerhäuser gekauft, daher hört man in einigen Dörfern auf dem Lande fast nur noch die deutsche Sprache. Ganz im Süden liegt die Großstadt Malmö mit der Brücke über den Øresund nach Kopenhagen in Dänemark, die Schweden mit dem Rest von Europa verbindet. Heutzutage kommt man von Deutschland am leichtesten mit einer Fähre von Puttgarden auf Fehmarn nach Rødby in Dänemark, fährt in zwei Stunden nach Kopenhagen und dann über die Brücke nach Schweden. SB/UM Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Buchtipp Tür an Tür mit einem anderen Leben (Alexander Kluge) „Wir leben ‚eingerollt’ im AUGENBLICK und zugleich im ZEITSTROM VON MILLIONEN JAHREN.“ Getreu diesem Motto durchstreift Alexander Kluge in seinen 3501 Geschichten die unterschiedlichsten und entlegensten Wirklichkeiten des Menschen. Es ist ein unerschrockener Gang durch die Evolution, die in Historie mündet, aus menschlicher Sicht gipfelt. Es ist die Begegnung mit der unablässigen Bedrohung des Lebens – mit jeder Geschichte festigt sich das Bild, das Leben sei zu jeder Zeit und an allen Orten ein Exponent zügelloser Barbarei. Und doch behauptet sich das seltsame Wesen Mensch, diese unerklärliche Mischung aus erbarmungslosem Täter und ohnmächtigem Opfer. Vor Jahrhunderten von Millionen Jahren soll laut Kluge die Erwärmung der Eiskugel Erde jeden Vorrat an Hoffnung und Glückszuversicht erzeugt und gespeichert haben, wovon das Lebewesen Mensch heute noch zehrt. Das ist Philosophie, Metaphysik mit paläogeologischen Vorzeichen. Real ist das unverzagte Streben des Menschen nach einem guten Leben, seine Glückssuche. Trotz aller Vernichtung und Zerstörung. Real sind die Augenblicke, in denen die Sehnsucht einen erfüllten Wunsch umarmt. Ein schwieriges, ungemein sperriges Buch, mit dem intellektuellen Gewicht eines scharzen Lochs im Kosmos. Wer sich durchkämpft, wird belohnt. Mit einem Kapitel über die Liebe, der erklärten Glücksbastion des Lebens. „Die siamesischen Hände“ – eine erzählerische Hymne für jeden Gefangenen auf diesem Globus. Suhrkamp Verlag 2006, ISBN-10: 3-51841864-5, ISBN-13: 978-3-518-41864-2, € 22,80. Humor „Na, Bernd, woher hast Du denn das blaue Auge?“ – „Vom Husten“ – „Vom Husten?“ – „Ja, im Kleiderschrank.“ 59 Kultur — Ausland — Medien Presseschau © NWZ vom 10.02.07 © NWZ vom 21.02.07 60 Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Kultur — Ausland — Medien Presseschau © Die Welt vom 25.11.06 © NWZ vom 17.03.07 © NWZ vom 30.03.07 © NWZ vom 03.03.07 © NWZ vom 03.03.07 Tr§tzdem 2007 Nr. 37 61 Kultur — Ausland — Medien Presseschau © Das Parlament vom 27.03.07 © NWZ vom 09.05.07 Humor © NWZ vom 09.05.07 © NWZ vom 13.04.07 62 Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Ruft der Rosenverkäufer: „Kaufen Sie Blumen für die Frau, die Sie lieben“. – „Typisch“, ärgert sich Frau Lehmann, „an die Ehefrauen denkt mal wieder keiner.“ Kultur — Ausland — Medien Presseschau © NWZ vom 04.05.07 © Das Parlament vom 30.04.07 Witz Das Kreuzfahrtschiff fährt in der Südsee an einer winzigen Insel vorbei, auf der ein bärtiger, zerlumpter Mann herumspringt und mit beiden Armen winkt. Fragt ein Passagier einen Steward: „Wer ist denn das?“ – „Keine Ahnung, aber er freut sich immer so, wenn wir vorbeifahren.“ © NWZ vom 10.04.07 Tr§tzdem 2007 Nr. 37 63 Kultur — Ausland — Medien Presseschau © NWZ vom 11.04.07 © Delmenhorster Kreisblatt vom 05.12.06 Witze Der Angeklagte fragte seinen Anwalt, wie lange die ganze Angelegenheit wohl dauern werde. Anwalt: „ Für mich drei Stunden und für Sie drei Jahre …“ Oma Pischke gibt einem Bettler zwei Euro und ermahnt ihn: „Dass Sie mir aber keinen Alkohol kaufen!“ – „Ihnen? Wie käme ich denn dazu…?“ © Die Tageszeitung taz vom 06.10.06 Witz Er und sie streiten sich mal wieder. Meint er: „Ich brauche dich gar nicht, es gibt auch noch andere Fische im Teich!“ Kontert Sie: „Wie willst du denn mit diesem mickrigen Wurm Fische fangen?“ © NWZ vom 07.04.07 64 Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Kultur — Ausland — Medien Presseschau Aus erster Hand Niedersächsisches Justizministerium - Referat für Presse und Öffentlichkeitsarbeit - Heister-Neumann: „Niedersachsen bekommt als erstes Bundesland ein modernes und schlankes Justizvollzugsgesetz“ HANNOVER. Das Kabinett hat heute auf Vorschlag von Justizministerin Elisabeth Heister-Neumann beschlossen, den Entwurf des Justizvollzugsgesetzes in den Niedersächsischen Landtag einzubringen. Heister-Neumann: „Ich freue mich sehr über die heutige KabinettsEntscheidung. Der Gesetzentwurf unterstützt die Bediensteten des Justizvollzuges bei ihrer wichtigen Arbeit und eröffnet sowohl den Justivollzugsanstalten als auch den weiteren in den Justizvollzug involvierten Institutionen Handlungsspielräume für die Zukunft.“ • • • • beiten sollen, sondern dass diese Mitarbeitspflicht durch die Bediensteten kontinuierlich zu fördern ist. Gefangenenarbeit als wirkungsvolle Maßnahme der sozialen Integration rückt stärker in den Mittelpunkt des Tages (§§ 35, 38 des Entwurfes) Gefangene sind grundsätzlich einzeln unterzubringen. Die Möglichkeiten der gemeinschaftlichen Unterbringung von Erwachsenen während der Ruhezeit werden jedoch erweitert und sind auch dann möglich, wenn es die räumlichen Verhältnisse der Anstalt erfordern (§ 20 des Entwurfes) Die Auskunftsansprüche für Opfer werden erweitert (§ 184 Abs. 4 S. 3 des Entwurfes) Sie können über eine Opferhilfeeinrichtung von den Justizvollzugsanstalten z. B. erfahren, ab wann der Vollzug für den Täter gelockert wird. • Die durchgängige Betreuung der Gefangenen und die Zusammenarbeit von Bediensteten innerhalb des Vollzuges mit Stellen außerhalb des Vollzuges wird betont (§ 67 Abs. 2 des Entwurfes) Die Gewährung von Lockerungen kann vom Nachweis der Drogenfreiheit abhängig gemacht werden. Verweigern Gefangene die Untersuchung, kann der Schluss gezogen werden, dass sie nicht drogenfrei sind (§ 17 des Entwurfes) Heister-Neumann: „Der geschlossene Vollzug wird zur Regelvollzugsform“ Im Zuge der föderalen Kompetenzneuordnung ist die Gesetzgebungszuständigkeit für den Strafvollzug auf die Bundesländer übergegangen. Niedersachsen ist das erste Land, das die drei Bereiche Erwachsenen-, Jugend- und Untersuchungshaftvollzug in einem Gesetz, dem Justizvollzugsgesetz, zusammenfasst. Wesentliche Inhalte des Gesetzentwurfes sind: • Sicherheit und Resozialisierung werden gleichwertige Ziele des Strafvollzuges (§ 5 des Entwurfes) • Der geschlossene Vollzug wird zur Regelvollzugsform (§ 13 des Entwurfes) • Direkteinweisungen von Gefangenen in den offenen Vollzug bleiben aber auch weiterhin möglich (§ 178 I 2 des Entwurfes) • Der Chancenvollzug wird gesetzlich verankert (z. B. §§ 3, 6, 9 des Entwurfes) • Damit stellt der Entwurf nicht nur heraus, dass die Gefangenen an ihrer sozialen Integration mitar- • Ausländische Straftäter sollen in ihren Heimatstaaten ins Gefängnis Heister-Neumann: „Endlich hat die Bundesregierung gehandelt“ HANNOVER. Niedersachsens Justizministerin Elisabeth HeisterNeumann begrüßt nachdrücklich die Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde zum Zusatzprotokoll des Überstellungsübereinkommens des Europarates durch die Bundesregierung, mit der es möglich sein wird, ausländische Straftäter auch gegen ihren Willen ihre Haftstrafe in der Heimat verbüßen zu lassen. „Wir haben die Bundesjustizministerin mehrfach zum Handeln aufgefordert, jetzt wurde endlich reagiert. Wenn Ausländer ihre Haftstrafe künftig in ihrer Heimat verbüßen, wird in Niedersachsen nicht nur der Landeshaushalt, sondern auch der Justizalltag entlastet werden, z. B. durch weniger Sprachprobleme mit nicht deutschsprachigen Häftlingen“, so Heister-Neumann. Ein Haftplatz in unseren Gefängnissen kostet im Jahr durchschnittlich 30.000 Euro. In Niedersachsen sind zurzeit 238 ausländische Gefangene aus den Mitgliedsstaaten inhaftiert, die das Zusatzprotokoll bereits ratifiziert haben. Gegen 67 Gefangene liegen bestandskräftige Ausweisungsverfügungen vor. Pressemitteilung 33/07 vom 04.04.2007 Weitere Einzelheiten finden Sie unter www.mj. Niedersachsen.de. Pressemitteilung 25/07 vom 20.02.2007 Witz Ein schwäbisches Ehepaar wandert durch die Alpen und fällt in eine Gletscherspalte. Am nächsten Tag hören sie eine Stimme von oben rufen: “Hallo, hier ist das Rote Kreuz!“ Darauf ruft der Schwabe zurück: “Mir gäbet nix!“ Tr§tzdem 2007 Nr. 37 65 Kultur — Ausland — Medien Tr§tzdem Das große Heiz Erhardt Buch: Geschichten und Gedichte Der Einbruch Durch das angelehnte Fenster steigt ein jugendlicher Gangsterer will nämlich die Juwelen, die im Nachttisch liegen, stehlen! Schon zieht sacht er an der Lade--da erwacht – und jetzt gerade! – die Frau Gräfin aus dem Schlaf: „Kommst Du endlich, lieber Graf?“ flüstert sie und schlägt die Decken ganz zurück …Voller Erschrecken übern Anblick springt der Gangster ohne Schmuck schnell aus dem Fenster --Und er gibt sich das Versprechen nie wieder bei alten Damen (auch mit adligem Namen) einzubrechen! Trinklied Wo bleibt heute bloß der Sonnenschein? Liegt’s an den Isobaren? Ach, soll’s doch ruhig trübe sein Wir trinken unseren Klaren Schön eisgekühlt stürzt er zu Tal, es wird uns heiß und heißer… Der trübe Himmel kann uns mal, und wo er kann, das weiß er. Das Trübsalblasen ist ein Graus und schädlich ohne Zweifel! Kommt, lacht den trüben Himmel ausAlkohol ihn doch der Teufel! Eine Rede über die Rede Unser Dasein wird von Reden begleitet: Bei der Taufe wird der Mensch mit Reden begrüßt – und am Grabe mit Reden verabschiedet. Wie entsteht eigentlich eine Rede? Zunächst hascht man sich einen 66 Gedanken. Das dauert oft länger, als einem lieb ist. Hat man ihn dann endlich, ist er nackt und bloß. Also muss man ihn kleiden – und zwar in Worte! Nun beginnt man im Laufe der Rede Worte zu verlieren. Dadurch fehlen sie einem bald. Deshalb muss man schleunigst nach neuen Worten suchen, bis man welche gefunden hat. Hat man endlich wieder Worte gefunden, gehen sie aufs Neue verloren, und man muss wieder nach Worten suchen usw. usw. Ein ewiges Verlieren, Suchen und Finden ist so eine Rede, und leider steht ihre Länge meist in keinem Verhältnis zu der Länge ihrer Gedanken! Wird man unerwartet gebeten, eine Rede zu halten, so erschrecke man nicht, sondern fasse sich. Aber kurz! Ritter Fips und der Zweikampf Es zog ein reicher Kaufmannssohn mit Spezereien und Munition Vorbei an Ritter Fipsens Schloss, Was diesen überaus verdross! Drum kam Fips, vollgetankt mit Bier, (doch roch man’s nicht, weil das Visier, wie stets bei ihm und bei Gefahr, bis untenhin geschlossen war) dem Kaufmannssohn auf schnellsten Wegen nicht freundlich zwar – aber entgegen. Der Kampf – denn jeder wollte siegen! – fand statt auf Brechen und auf Biegen, und nur durch stellen eines Beins verlor der Kaufmann null zu eins – und schließlich auch sein Haupt als solches durch einen scharfen Schnitt des Dolches! Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Schlussfolgerung: Es lohnt sich keinen Hut zu tragen, endet der Mensch bereits am Kragen. aus: Das große Heinz Erhardt Buch Die folgenden Episoden werden Professor Doktor Sauerbruch, der angeblich auf Frauen im Medizinstudium nicht allzu gut zu sprechen war, zugeschrieben. Eines Tages kam er mit einem Skelett in die Vorlesung und fragte in die Runde: „Nun, was glauben sie, welche Geschlechtsmerkmale hat dieses Becken zu Lebzeiten beinhaltet?“ Kultur — Ausland — Medien Obwohl sich einige männliche Studenten melden, ruft er eine der wenigen Frauen auf, die daraufhin im Gesicht rot anläuft und stotternd hervorbringt: „Herr Professor, ich glaube, die männlichen.“ Darauf Sauerbruch mit Grinsen: „Zuweilen, wertes Fräulein, nur zuweilen.“ ... Ein anderes Mal stellt er die Frage ins Auditorium: „Welches Körperteil des menschlichen Körpers vergrößert sich im Erregungszustand um das vier– bis fünffache?“ Eine Studentin kichert, Sauerbruch beachtet sie nicht und ruft einen Studenten auf, der sich gemeldet hat. „Herr Professor, das ist die Pupille.“ „Richtig,“ erwidert Sauerbruch, um dann auf die Zuhörerin zu deuten, „und sie Fräulein, gehen sie nicht mit zu großen Erwartungen in ihr Eheleben.“ ... Eine sehr schöne Studentin soll in Berlin in Sauerbruchs Vorlesungen gewesen sein. Allerdings schaffte es keiner ihrer Verehrer, bei ihr final zu landen. So gingen einige der Abgeblitzten daran, der Schönen einen Streich zu spielen. Sie holten aus dem Lager der Anatomie ein in seiner Größe außergewöhnliches männliches Geschlechtsteil aus dem Spiritus und steckten es der Studentin in die Manteltasche. Sie kam aus der Vorlesung, schlüpfte in ihren Mantel, wollte die Handschuhe aus der Manteltasche holen und hatte stattdessen das Glied in der Hand. Darauf stürmte sie, den Penis weit von sich gestreckt, mit zornesrotem Kopf auf Sauerbruch, der lässig, eine Hand in der Hosentasche, in der anderen eine Zigarette haltend, mit anderen Dozenten im Gespräch vertieft dastand, zu und rief: „ Herr Professor, sehen Sie mal, was die mir in die Tasche gesteckt haben!“ Darauf griff sich Sauerbruch mit der Hand in der Hosentasche mehr in die Mitte und meinte: „Von der Größe her könnte es stimmen, aber es gehört mir nicht.“ Nacherzählt von Dieter Schacht Du fährst mit dem Auto und hältst eine konstante Geschwindigkeit. Auf deiner linken Seite befindet sich ein Abhang. Auf deiner rechten Seite fährt ein riesiges Feuerwehrauto und hält die gleiche Geschwindigkeit wie du. Vor dir galoppiert ein Schwein, das eindeutig größer ist als dein Auto, und du kannst nicht vorbei. Hinter dir verfolgt dich ein Hubschrauber auf Bodenhöhe. Das Schwein und der Hubschrauber haben exakt deine Geschwindigkeit! Was unternimmst du, um dieser Situation gefahrlos zu entkommen? … vom Kinderkarussell absteigen und weniger Glühwein saufen! ... Unterhalten sich zwei Blondinen. Sagt die eine: „Mensch, ich habe 5 Liter heißes Wasser gekocht, brauche aber nur einen Liter. Was mache ich nun mit dem Rest?“ Sagt die andere: „Frier es doch ein! Heißes Wasser kann man immer gebrauchen!“ ... Ein Mann geht am Strand spazieren. Auf einmal findet er im Sand eine alte, kostbar aussehende Flasche mit einem großen Stopfen aus Kristall. Neugierig öffnet er die Flasche, und im selben Augenblick erTr§tzdem 2007 Nr. 37 scheint ein riesiger Kerl mit großem Baum und einem Turban. „Du hast mich gerufen! Ich bin der Flaschengeist, und du hast jetzt einen Wunsch frei.“ Der Mann überlegt: „Ich wollte immer schon mal nach Amerika. Aber ich habe Flugangst und werde auch leicht seekrank. Am liebsten würde ich mit dem Auto fahren. Ich wünsche mir eine Brücke über den Atlantik!“ Der Geist: „Bist du verrückt? Weißt du, wie lang so eine Brücke ist? Und wie viele Betonpfeiler man dafür braucht? Und wie hoch diese Pfeiler sein müssen? Der Ozean ist bis zu 4000 Meter tief! Und dann die ganze Statik – denk nur mal an die Stürme, denen sie standhalten muss. Wir müssen außerdem alle paar hundert Kilometer eine Tankstelle errichten, da kein Auto eine so große Strecke nonstop zurücklegen kann. Außerdem gibt es Ärger mit den Behörden und Greenpeace; die Zeiten, als man als Geist noch jeden Scheiß machen konnte, sind vorbei. Denk dir was anderes aus!“ Der Mann: „Also gut, wenn es zu schwierig ist. Mal überlegen…, weißt du, wenn Frauen mir etwas erzählen, kann ich nie einen Zusammenhang erkennen, und sie erwarten Dinge von mir, in denen ich keinen Sinn sehe. Mein Wunsch ist, die Frauen endlich verstehen zu können.“ Der Geist. „… um noch einmal auf die Brücke zurückzukommen, zweispurig oder vierspurig?“ Aufgeschrieben von Wilfried Dannebaum Fortsetzung auf Seite 68 67 Mixed Die Lösungen für das Schachproblem und Sudoku stehen auf Seite 9 Da kommt ein älterer Herr um die Ecke gehastet, stolpert und fällt der Länge nach in eine große, tiefe Pfütze. Darauf Fritzchen: „Mensch Opa, im Kraulen schaffst Du den auch nicht mehr.“ Nacherzählt von Dieter Schacht Witze SUPERSUDOKU Diesmal für die Sudoku-Experten! Die Regeln sind sicherlich nicht mehr erklärungsbedürftig. Humor Fortsetzung von Seite 67 Fritzchen in der Schule: Die Lehrerin steht vor der Klasse, die Hände hinter ihrem Rücken. „Kinder, ich habe da was in der Hand, grün, hat rote Bäckchen, ihr esst das alle gerne. Was ist das?“ Fritzchen springt auf: „Fräulein, Fräulein, das ist eine Birne!“ „Nein“, sagt das Fräulein, „es ist zwar nur ein Apfel, Fritzchen, aber es freut mich, dass Du so gut mitgemacht hast.“ Tags darauf steht sie wieder vor der Klasse: „Kinder, ich habe was in der Hand: Es hat einen kleinen grauen Federbalg, fliegt von Baum zu Baum und singt lustige Lieder. Was ist das?“ Wieder springt Fritzchen auf: „Fräulein, Fräulein, das ist ein Star!“ „Nein“, sagt das Fräulein, „das ist ein Spatz, Fritzchen, aber es freut mich, dass Du so gut mitgedacht hast. Fritzchen ist sauer. Am nächsten Tag steht er vor der Lehrerein, beide Hände tief in den Hosentaschen. „Fräulein, ich hab hier was in der Hand. Lang, weiß, hat `nen roten Kopf. Was ist das?“ 68 Das Fräulein kriegt `nen roten Kopf, schmiert ihm eine. „Fritzchen, Du Schwein!“ Darauf Fritzchen: „Fräulein, ist zwar nur ein Streichholz, aber es freut mich, dass Sie so gut mitgedacht haben!“ … Fritzchen in der Schule. Es ist Montag und die Lehrerin steht vor der Klasse. „Kinder, ich werde euch jetzt jeden Morgen eine Frage stellen, und wer die richtige Antwort weiß, hat für den Rest der Woche frei. Die erste Frage lautet: „Wie viele Wassertropfen hat das Mittelmeer?“ Schweigen. Am Dienstag: „Wie viele Sandkörner sind in der Wüste Sahara?“ Erneutes Schweigen. Fritzchen schiebt `nen dicken Hals. Er geht nach Hause, holt zwei Eier aus dem Kühlschrank und malt sie schwarz an. Am Mittwochmorgen legt er sie der Lehrerein auf den Pult. Sie kommt rein, sieht die beiden Eier und fragt: “Wem gehören die beiden schwarzen Eier?“ Fritzchen springt auf: „Sammy Davis Junior. Tschüß Frau Lehrerin!“ ... Es schüttet wie aus Eimern. Fritzchen hat unter dem Dach einer Bushaltestelle Zuflucht gefunden. Ein Bus kommt, die Leute steigen aus, andere ein, der Bus fährt weiter. Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Der Glasermeister zum Kunden: „Nehmen Sie die Fensterscheibe so mit – oder soll ich sie ihnen einschlagen?“ ... Warum legen Hühner Eier? - Wenn sie die schmeißen würden, gingen sie ja kaputt. ... „Haben Sie auf dem Weg nach Italien denn auch den Brenner überfahren?“ - „Ja, wir haben einen überfahren – aber ob der Brenner hieß…?“ ... „Gehen Sie auch zu Figaros Hochzeit?“ - „Nein, wir schicken Blumen.“ ... Treffen sich zwei Hellseher. Meint der Erste: - „Dir geht’s gut und wie geht’s mir?“ ... Anzeige in der Zeitung: - „Lernen Sie schießen und treffen Sie gute Freunde!“ ... Die Familie sitzt um den Tisch. Der Papa ist stark erkältet. Fragt die kleine Susi: - „Papa, sollen wir Dir einen Promillentee kochen?“ ... Chinesisch für Anfänger: - Mutter: Zang - Großmutter: Zang Zang - Schwiegermutter: Kneif Zang Mixed DAS SUPERQUIZ FÜR GANZ HARTE JUNGS Verstand oder Ausdauer? Was führt zum Ziel? Quizfrage: Ich habe zwölf Kugeln, Oberfläche und Größe sind gleich. Eine dieser Kugeln ist schwerer oder leichter als die anderen elf. Mit einer Balkenwaage und drei Wiegeversuchen ist zu bestimmen, welche der Kugeln fehlgewichtig ist, und ob sie schwerer oder leichter ist. Als gelöst gilt die Aufgabe nur, wenn sämtliche der insgesamt 27 Einzellösungen aufgeführt sind. (Bei jedem der drei Wiegegänge gibt es drei Möglichkeiten: die Waage ist im Gleichgewicht, Schale A senkt sich oder Schale B senkt sich. Da jede dieser Nebenmöglichkeiten wiederum drei Möglichkeiten hat, kommen die 27 Einzellösungen zustande). Es können alle Gefangenen der JVA Oldenburg mit allen Abteilungen (außer Redaktionsmitglieder) teilnehmen. Die ersten drei Einsender (Eingangsdatum) einer vollständigen Lösung erhalten je eine Torte. Für diejenigen, die Zweifel an der Lösbarkeit haben: Die Lösung erscheint in Ausgabe Nr. 38 Dezember 2007. Dieter Schacht Aus der Bücherei Was lange währt, wird endlich gut ! Nach viel Nerverei - immer wieder bin ich allen möglichen Beamten auf den Geist gegangen (Sorry) -, unendlich viel Geduld seitens Frau Merta, der es ob meiner permanenten Quengelei oft schwer gefallen sein muss, die Ruhe zu bewahren, und, last but not least, dem für die Bücherei zuständigen Abteilungsleiter Herrn Siggelkow, der Geld für die Anschaffung der notwendigen Materialien aus dem Etat locker gemacht hat, den es gar nicht gibt, sind wir nun besser in der Lage, beschädigte Bücher zu reparieren. Um es ganz klar zu sagen: Wir haben keine Buchbinderei, auch nicht ansatzweise! Die Buchdecken bestehen aus verleimten Zwischenlagen der Margarinekartons, Vorsatzpapier, Pappe und Elefantenhaut werden mit einem einfachen Papierschneider – und wenn nötig mit Schleifpapier – auf Maß gebracht, und als Spindelpresse dient ersatzweise mein (nicht geringes) Gewicht. Trotzdem, das Ergebnis kann sich sehen lassen. Nach euch gibt es andere, die sich an der Lektüre des Buches, das euch leihweise überlassen wurde, erfreuen wollen. Bücher stellen ein Stück Kultur dar, und diese sollten wir bewahren. Dieter Schacht and Beh ich m le gpfle ! lich In den vergangenen Monaten habe ich über hundert Bücher repariert. Und hier kommt eine große Bitte an alle, die sich Bücher ausleihen. Geht sorgsam mit den Büchern um, die ihr geliehen bekommt! So verwendet Lesezeichen, statt das Buch aufgeschlagen umgedreht hinzulegen! Dadurch bricht der Buchrücken, Seiten werden lose und gehen verloren. Tr§tzdem 2007 Nr. 37 69 Mixed Rätselecke Die Gewinner des Preisrätsels der letzten Ausgabe sind: 1. Preis: 2. Preis: 3. Preis: Erich S. 2, Gerichtsstraße Arne A. C4 Mathias P. A 3 Wir bedanken uns für die Teilnahme und wünschen viel Spaß mit den Preisen. Lesen hilft lösen! 1. Welche Gefangenen-Mannschaft gewann das Fußball-Turnier am 16.06.2007 in Meppen und wurde Niedersachsenmeister? r) Hesepe s) Vechta t) Oldenburg 2. Wohin ging es auf der Reise in den Süden beim „Schub“ eines Gefangenen aus der JVA Oldenburg? a) Rottenburg b) Köln c) Rohrbach 3. Was kann man sich zukünftig bei der Gefangenenbücherei der JVA Oldenburg ausleihen? q) Computerspiele r) Hörbücher s) Magazine 4. Welche neue Bildungsmaßnahme dient der Vorbereitung der Entlassung aus dem geschlossenen Vollzug der JVA Oldenburg? k) Kurs zur Vorbereitung auf den Europäischen Computerführerschein l) Elementarkurs Berufliche Bildung m) Alphabetisierungskurs 5. Welches Theaterstück wurde am 13. April 2007 in der JVA Oldenburg in einer beeindruckenden Darbietung aufgeführt? s) Woyzeck t) Hänsel und Gretel u) Der Kick Die Buchstaben der richtigen Antworten ergeben, in die richtige Reihenfolge gebracht, das Lösungswort. Viel Spaß beim Lesen und Sortieren! Einsendeschluss ist der 22. November 2007 Teilnahmeberechtigt ist jeder Inhaftierte der JVA Oldenburg und der angegliederten Anstalten! Lösungswort: _ _ _ _ _ Name: _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ Station: _ _ Die nachfolgenden Preise werden von der Firma Knefelkamp aus Herford gestiftet. Dafür vielen Dank! Das Lösungswort sendet bitte an die Redaktion Tr§tzdem, JVA Oldenburg. Die genaue Adresse entnehmt bitte dem Impressum. 1. Preis: 2. Preis: 3. Preis: 70 1 x eine Torte (freie Wahl) 1 x Kaffee (freie Wahl) 1 x Tabak + Blättchen (freie Wahl) Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Mixed Adressen die man brauchen kann Adresse Anlaufstelle Diakonie, Anlaufstelle für Straffällige Kirchdorferstraße 43 a 26603 Aurich CURA e.V. - Verein für Straffälligenhilfe Münzstraße 5 38100 Braunschweig Diakonie, Anlaufstelle für Straffällige Jägerstraße 25 a 29221 Celle Gefangenenfürsorgeverein Cuxhaven Mariestr. 50 27472 Cuxhaven Diakonie, Anlaufstelle für Straffällige Düsternortstraße 51 27755 Delmenhorst Anlaufstelle für Straffällige Königsallee 254 37073 Göttingen Anlaufstelle für Straffällige Ostertorwall 7 31785 Hameln Diakonie, Beratungsstelle für Straffällige Hagenstraße 36 30161 Hannover Telefon 04941 62828 0531 16166 05141 9461620 04721 38483 04221 96200 0551 632977 05151 43820 0511 9904020 Adresse Anlaufstelle Straffälligenhilfe e. V. Roonstraße 10 31141 Hildesheim Anlaufstelle für Straffällige Rheiner Str. 32 49809 Lingen Anlaufstelle für Straffällige Auf dem Meere 3 21335 Lüneburg Anlaufstelle für Strafffällige Dobbenstraße 26 26122 Oldenburg Diakonie, Anlaufstelle für Straffällige Parkstraße 19 49080 Osnabrück Diakonie, Anlaufstelle für Straffällige Am Schwingedeich 4 21680 Stade Gefangenenfürsorgeverein Vechta Blumenstr. 8 49377 Vechta Diakonie, Anlaufstelle für Straffällige Weserstraße 192 26382 Wilhelmshaven Telefon 05121 33348 0591 9124722 04131 244470 0441 9709313/ 14 0541 83077 04141 3013 04441 2503 04421 926528 Wohnmöglichkeiten Institution Adresse Diakonisches Werk der ev.-luth. Kirchenkreise Delmenhorst und Ganderkesee Lutherstraße 4, 27749 Delmenhorst Übernachtungsstelle für Obdachlose Kolpingstraße 254, 37079 Göttingen Göttinger Verein für Sozialberatung Betreutes Wohnen e.V. Königsallee 254, 37079 Göttingen Aktiv b+w e.V. Alte Marktstraße 34, 31785 Hameln KWABSOS o.V. Immengarten 49, 31134 Hameln Kath. Verein für soziale Dienste in Lingen e.V. Bögenstraße 8, 49808 Lingen Diakonisches Werk der ev.-luth. Kirche in Oldenburg e.V. (nur Vermittlung, kein eigenes Wohnangebot) Dobbenstraße 26, 26122 Oldenburg Ev.-luth. Gesamtverband Osnabrück Arndtstraße 19, 49008 Osnabrück Laurentius - Haus Berghoffstraße 15, 49090 Osnabrück Arbeitskreis Schule Rhauderfehn e.V. Am Heidacker 2, 26817 Rhauderfehn - Burlage Ev.-luth. Kirchenkreis Stade Ritterstraße 15, 21459 Stade Oftmals bieten auch die Anlaufstellen für Straffällige, wie z. B. in Oldenburg und Wilhelmshaven, Wohnmöglichkeiten. Fragt dort einfach mal nach. Tr§tzdem 2007 Nr. 37 71 Mixed Adressen der Agentur für Arbeit Agentur für Arbeit Wilhelmstraße 7 26160 Bad Zwischenahn Agentur für Arbeit Weserstr. 2 26919 Brake Agentur für Arbeit Konrad-Adenauer-Allee 1 27471 Cuxhaven Agentur für Arbeit Pingel-Anton-Platz 5 49661 Cloppenburg Agentur für Arbeit Friedrich-Ebert-Allee 11 27749 Delmenhorst Agentur für Arbeit Thüler Straße 3 26169 Friesoythe Leserbeitrag Die Knödelbrotaffäre Eine kurzweilige Geschichte aus der JVA Oldenburg. Als einer, der selber gerne kocht, und das seit über 40 Jahren, der zudem lange Zeit in Bayern gelebt hat und obendrein lieber aus einfachen Grundmitteln leckere Speisen zubereitet, statt Fertigfutter zu kaufen, nun, der sammelt eben auch über Monate hinweg einzelne Weißbrotscheiben, um sie in einem Stoffbeutel zu trocknen, um dann Semmelknödel daraus zu machen. Seit ich in Haft bin, egal ob in Bayern oder seit dem einen Jahr, das ich hier in Oldenburg verbrachte, habe ich nun, wenn ich mal eine Scheibe Weißbrot übrig hatte, diese in eben jenen Stoffbeutel gepackt, um dann von Zeit zu Zeit davon mal Semmelknödel zu machen – bis zum Sonntag, dem 29.04.2007! Da stand mal wieder eine Zellenkontrolle an und weg war das Knödelbrot. 72 Telefon 04403 9388 0 04401 9387 0 04721 664660 04471 9489 0 04221 9800 0 04491 9241 0 Adressen der Agentur für Arbeit Agentur für Arbeit Marktstraße 12c 26954 Nordenham Agentur für Arbeit Stau 70 26122 Oldenburg Agentur für Arbeit Neuer Markt 30/32 49377 Vechta Agentur für Arbeit Mühlendamm 1 27793 Wildeshausen Agentur für Arbeit Schillerstr. 43-49 26382 Wilhelmshaven Nach dem Grund gefragt, wurde mir gesagt, dies sei ein Verstoß gegen die Hausordnung Kapitel III, Abschnitt 1 und 2. Jetzt war ich aber der Meinung, dass übrig gebliebene Weißbrotscheiben keine Essensreste darstellen, die weggeschmissen werden müssen, sondern vielmehr ein durchaus noch zu verwendendes Lebensmittel darstellen. Deswegen sprach ich am nächsten Tag nochmals unseren Abteilungsleiter an. Ja, sagte er, Tr§tzdem 2007 Nr. 37 Telefon 04731 9498 0 0441 228 0 04441 946 0 04431 9371 0 04421 298 0 er habe auch diese Maßnahme des Beamten unterstützt. Auf meine Frage, ob es mir dann aber gestattet sei, Knödelbrot beim Einkauf zu kaufen, um dann daraus Semmelknödel zu bereiten, bejahte er mir meine Frage, sah sich dann allerdings nicht so recht imstande, mir den Unterschied zwischen selber gesammelten und damit nicht weggeworfenem Weißbrot, und gekauftem Knödelbrot zu erläutern. Als er, der zuständige Abteilungsleiter, sah, dass er in eine argumentative Sackgasse geriet, nahm das Gespräch eine unschöne, und damit gar nicht mehr unverkrampfte Wendung. Wenn ich auf meinem Standpunkt beharren würde, könnte er natürlich auch argumentieren, es sei zuviel an Weißbrot, das ausgeteilt würde, und er könne die Küche veranlassen, täglich ein Weißbrot weniger an unsere Abteilung zu schicken. Das Gespräch war beendet. Als Fazit bliebe nur der Spruch von Fredl Fesl: „Ja so a Knödl muas i sogn, der hoat scho moanchn Mo derschloagn!“ – solcherart Argumente auch! Dieter Schacht Mixed Backen hinter Gittern Käsesahnetorte Zutaten: Wiener Boden hell (Biskuitteig 3-lagig) (bestellen) 2 Becher Schlagsahne Gelatine gemahlen für 1 Liter Flüssigkeit (bestellen) 500 Gramm Quark 2 Zitronen 3 Dosen Mandarinen Aprikosenmarmelade Zucker Puderzucker (bestellen) Milch Zubereitung: Von dem Wiener Boden werden nur 2 Lagen benötigt (daher besser 2 x Wiener Boden bestellen, ergibt dann drei Torten) Die Bodenlage (ist dunkel gebacken) mit zwei Esslöffeln Aprikosenmarmelade bestreichen. Dann dicht mit Mandarinen belegen. Anschließend dem Boden den „Kragen“ umlegen. (Am besten aus Pappe anfertigen, nicht niedriger als 12 cm, mit Plastikfolie beziehen). Die Sahne mit 3 Löffeln Zucker steif schlagen. Keine Fertigsahne benutzen! Zur Seite stellen. Die Gelatine nach Angabe mit Milch verarbeiten. Quark mit 3 Esslöffeln Zucker, dem Saft der 2 Zitronen und ein wenig Milch glatt rühren. Mit der gelösten Gelatine verrühren, dann die Sahne gut unter die Masse heben und auf den Tortenboden gießen, glatt streichen. Diese Arbeitsschritte müssen schnell gehen, bevor die Quark-Sahne-Masse anfängt, fest zu werden. Den zweiten Boden in die benötigte Anzahl an Tortenstücken aufteilen und auf die Masse legen, vorsichtig andrücken. 1 ½ Esslöffel Puderzucker in ein feines Sieb geben und die Torte bestreuen. Mit Mandarinenstücken dekorieren. Nach ca. 1 Stunde kann der Kragen entfernt werden. Guten Appetit. Dieter Schacht Tr§tzdem 2007 Nr. 37 73 Tr§tzdem Themen der nächsten Ausgabe (voraussichtlich) Sportturniere • Berichte, Informationen und Impressum Herausgeberin JVA Oldenburg Cloppenburger Straße 400 26133 Oldenburg Tel: 0441-4859 380 Fax:0441-4859 33 380 [email protected] Fotos Kontakt über Wilfried Dannebaum Redaktionsteam Udo Müller (UM) (hauptamtlicher Redakteur) • Sport– und Sommerfest Werner Brauer (WB) (bis Mai 2007) Kunst hinter Gittern: Gittern Gefangene stellen aus Die künstlerische Kreativität von Menschen hinter Gittern braucht ihren Raum. Dazu hatte die „Tr§tzdem“ alle Gefangenen aufgefordert, ihre selbst gezeichneten oder gemalten Bilder, ob farbig oder schwarz/weiß zur Veröffentlichung einzusenden. Jochen Etzel (JE) (bis Juli 2007) Wolfgang Frank (WF) (bis August 2007) Joachim G. (JG) (ab Juli 2007) Andreas Junker (AJ) (bis Juni 2007) Top-Thema: Wer kommt rein, wer kommt raus? DK Markus Lanfer (ML) RM Stephan M. (SM) (ab Juli 2007) Dieter Schacht (DS) (bis August 2007) Lasse Wilms (LW) Auflage 750 Exemplare, 3 Ausgaben jährlich Layout UM • • • • Oldenburger Verhältnisse Soziologische Studien Migration Kriminelle Karrieren Druck Medienhaus Rösemeier Alte Dorfstr. 42 26160 Bad Zwischenahn-Ofen Internet http://www.jva-oldenburg.de • Ausstiegsszenarien Veranstaltungen in der JVA • Oldenburger Filmfest wieder zu Gast in der JVA Eine Auswahl zeigen wir jetzt in unserer Galerie auf den beiden nächsten Seiten. Wir möchten aber auch zukünftig in dieser Zeitung weitere Bilder präsentieren, ob nun in der Galerie oder zwischendurch mal wieder als Postkarten, und rufen alle Künstler auf: Mitmachen! In unserer Galerie stellen aus: Jänis Bleiers (1) Jochen Etzel (2) Christian Harms (3) Jan Hollander (4) Patrick (5) Hinweis Die “Tr§tzdem” ist vorlagepflichtig. Wir sind dankbar über jeden Artikel, jede Geschichte oder einen Leserbrief. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die präsentierten Formate entsprechen nicht den Originalformaten 74 Tr§tzdem 2007 Nr. 37 (1) (1) (2) (1) (4) (5) (2) (4) (5) (1) (4) (4) (3) (3)