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OVERBERGSCHULE
Fünf Tage lang Mama sein
25.05.2012 | 16:52 Uhr
Nahmen eine „Babybedenkzeit“: die Overbergschülerinnen (vl.) Julia, Janine, Laura, Rosa und Gizem. Foto: Walter Fischer / WAZ
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Wer will mit 15 oder 16 schon Windeln wechseln oder nachts aufstehen, wenn das Baby schreit? Meist
können die Betroffenen sich das nicht aussuchen. Fünf Mädchen der Overbergschule jedoch durften jetzt
fünf Tage lang testen, was es heißt, Mama zu sein.
Und sie nahmen ihre Aufgabe überaus ernst. So sehr entwickelten sie Muttergefühle, dass
Freitagvormittag beim Abschied von ihren Puppenbabys Tränen flossen. Da musste Astrid Kassette (37)
von Pro Familia, die mit Kollegin Sybilla Aßmann (61) und der Stadt das Projekt „Babybedenkzeit“
anbietet, erst mal Taschentücher verteilen.
Puppen schreien, weinen, husten und machen Bäuerchen
Dann sitzen die Mädchen nebeneinander und werfen noch einmal sehnsüchtige Blicke auf die Säuglinge,
die jetzt in einem Weidenkorb liegen. Julia (16) und Janine (15) kümmerten sich um Luca. Gizem (14)
und Rosa (15) betreuten Kerim. Und Laura sorgte als alleinerziehende Mutter für Melanie. Die Namen
haben die Achtklässlerinnen – wie im richtigen Leben – selbst ausgesucht.
Doch natürlich handelte es sich nicht um echte Kinder, sondern um Puppen. Die können aufgrund
ausgefeilter Computertechnik schreien, weinen, husten oder Bäuerchen machen. Sie wiegen etwa 3000
Gramm – wie ein Neugeborenes – und müssen auch so vorsichtig gehalten werden. Wie das geht, hatte
Hebamme Iris Distelrath (46) vorher erklärt. Mit den Babys bekamen die Mädchen eine (Geburts-)
Urkunde überreicht sowie Windeln und Fläschchen. Für Kleidung, Kinderwagen oder Tragschale mussten
sie selbst sorgen. Dann konnte der 24-Stunden-Job starten.
„Wir wollen erst so mit 22, 23 ein Baby."
„Am Anfang dachten wir, das wäre leicht, aber das war es nicht“, sagt Rosa. Nach dem ersten Tag wollte
die eine oder andere das Kind am liebsten wieder abgeben. Doch schnell schlugen die Gefühle um. „Jetzt
hängt mein Herz dran und ich habe immer noch so das Schreien im Ohr“, sagt Julia. Extra schnell seien
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sie duschen gegangen und nachts aufgestanden, wenn das Baby Hunger oder sonstwas hatte. Für
Notfälle („bevor die Mädels die Puppe aus dem Fenster schmeißen“) hielt Schulsozialarbeiterin Andrea
Möhring-Richter (52) nachts die Stellung. Doch sie erhielt keinen Anruf.
Die Umwelt reagierte unterschiedlich auf die jungen Mütter. Julias Vater brachte Tochter und „Enkel“
jeden Morgen zur Schule. Manche Jungs dort machten sich lustig, manche halfen, die Kinderwagen zu
tragen. Ein altes Ehepaar fand die Idee gut. Und die Mädchen selbst wissen jetzt: „Wir wollen erst so mit
22, 23 ein Baby. Wenn man noch zur Schule geht, geht das auf gar keinen Fall.“
Annette Kreikenbohm
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