5. Fastensonntag

Transcrição

5. Fastensonntag
5. Fastensonntag C 2016
Wohnstift Rathsberg
Erste Lesung: ................. Jes 43: Seht, ich schaffe Neues
Evangelium: ................... Joh 8: Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein
12.3.2016
Predigt:
MOTIVATION
Liebe Schwestern und Brüder,
ganz zweifellos gibt es auf der einen Seite Menschen, die besser und auf der anderen Seite
Menschen, die schlechter mit ihrem Leben zurecht kommen. Die einen, die scheinen von der
Kindheit bis zum hohen Alter eigentlich wenige Krisen durchzumachen, für die verläuft das
Leben ohne große Brüche, haben nie große materielle Sorgen, und irgendwie geht ihnen das
Leben leicht von der Hand.
Die anderen, die scheinen das Unglück so richtig wie ein Magnet anzuziehen. Tun sich schon
in Schule uns Ausbildung schwer, entwickeln frühzeitig irgendwelche Marotten, verlieren
Arbeit, Partner, Heimat, aber auch irgendwie den Halt, die Perspektive. Manche KrisenKarriere zeichnet sich frühzeitig ab, bei manchem späterem Kriminellen kann man so etwas
wie den roten Faden hin zur Knast-Karriere ohne große Mühe finden.
Manche Menschen, die haben es leicht mit dem Glück im Leben.
Und andere, für die ist das Leben hart, denen ist’s mit dem Glücklichsein nicht so in die
Wiege gelegt, deren Knicke und Brüche sind Teil von ihnen.
PROBLEMABGRENZUNG:
Irgendwie kann man das heutige Evangelium auch unter dieser Hinsicht lesen:
Da ist auf der einen Seite die Frau. Das Evangelium beschönigt ihre Schuld nicht. Beim
Ehebruch auf frischer Tat ertappt. Nach dem Gesetz des Mose gibt es dafür nur die
Konsequenz: Steinigung, Hinrichtung. Die Schriftgelehrten und Pharisäer, die sie vorführen,
sind eigentlich fein raus. Als Gesetzeslehrer wissen sie, wie die Welt wieder in Ordnung
gebracht werden kann: Die Sünde muss zusammen mit der Sünderin ausgemerzt, beseitigt
werden.
Und sie stehen so schön auf der anderen Seite. Sie führen die Frau vor, als Exempel, um
Jesus wegen seiner Gesetzestreue oder Barmherzigkeit auf die Probe zu stellen. Eigentlich
schauen sie nicht nur auf die Frau von oben herab. Sondern sie schauen auch auf Jesus mit
ganz prüfendem Blick. Nur selbst betroffen, das sind sie nicht. Gibt gar keinen Grund dafür,
weil mit der menschlichen Geschichte von Schuld, Sünde, Scheitern oder Barmherzigkeit, da
haben sie nichts zu tun. Für sie ist nur wichtig: alles muss anständig, äußerlich sauber und
nach Recht und Ordnung zugehen. Da stören erstens die Ehebrecherin und zweitens Jesus.
und beiden soll ja diese Geschichte zum Verhängnis werden.
LÖSUNGSMÖGLICHKEITEN:
Irgendwie stimmt dann wieder alles in der Welt der Schriftgelehrten und Pharisäer. Alles
geht glatt. Die Schuld, die Sünde, der gebrochene Mensch, die Menschlichkeit auch jenseits
des bloßen Gesetzes, das scheint nichts zu gelten, das macht alles nur allzu kompliziert. Das
stört, das kann doch kein Mensch mehr begreifen und durchhalten.
Aber genau hier setzt Jesus an.
Die Lösung ist raffiniert, und menschlich zugleich. Jesus nimmt Abschied von einem bloßen
Schwarz-Weiß-Denken. Er lässt eben die gerechte Sündlosigkeit der Pharisäer nicht gelten. Er
erinnert zuerst seine Gegenspieler daran: ihr mögt vielleicht keine Ehebrecher sein, mit
denen ihr kurzen Prozess machen müsstet. Ihr mögt vielleicht wirklich ein nach außen
gesehen glatteres, saubereres, vielleicht auch gläubigeres Leben haben. Das sieht alles ganz
gut aus. Aber das lässt es doch nicht zu, dass ihr euch so heraushaltet. Auch ihr seid Sünder.
Ihr seid Teil einer aus Sündern bestehenden Gemeinschaft, Gesellschaft, Religion,
Geschichte. Ihr seid froh darüber, heute nicht in der Situation der Frau seid, die ihr hier vor
mich gezerrt habt. Aber diese Schadenfreude macht euch hart, blind für die eigene
Verstrickung in die Vorgänge dieser Welt. Jesus verurteilt die Pharisäer und Schriftgelehrten
gar nicht. Er hält ihnen den Spiegel vor. Und darin erkennen diese, dass sie eben keine
Heiligen, keine Richter sind, dass sie nicht an Gottes Statt als Richter über Leben und Tod,
über Unschuld und Schuld, über Gottes Gerechtigkeit und Sühne entscheiden können.
So macht es Jesus am Schluss auch mit der Frau. Er verharmlost nicht ihre zweifellos mit
Schuld verbundene Tat. Aber er entlässt sie ohne Urteil, zurück in eine Welt, in der es eben
Schuld und Versagen gibt, in der nicht alles heil ist und sie selbst natürlich auch Korrekturen
ihres Lebens vornehmen muss. Nur richten – darauf verzichtet auch Jesus ganz und gar.
LÖSUNGSANGEBOT:
In der Geschichte Jesu und der Ehebrecherin ist die ganze Tragik menschlichen Lebens – des
scheinbar heilen und erfolgreichen, aber auch des gebrochenen und schuldigen Lebens
aufgezeichnet: Wir sind hineingeworfen in dieses Gewirr von Schuld und Unschuld, von
Versagen und Heil, keiner kann sich ganz heraushalten, wer ehrlich in den Spiegel sieht, wird
in sich selbst niemals ganz und gar den Unschuldigen, den Strahlemann, den Halbgott ohne
Makel erkennen.
Und genau das kann auch eine neue Gemeinschaft begründen. Wo einer dem anderen
zugesteht: Du bist mit mir auch in der Beschränktheit, der Mangelhaftigkeit verbunden, da
kann eine neue Solidarität wachsen. Im Ringen um Gerechtigkeit aus den Schatten des
Lebens heraus, in der Auseinandersetzung um eine Gesellschaft, die nie ganz heil und nie
hundertprozentig sein wird, da wächst ein behutsamerer Umgang miteinander, ohne mit
den Steinen der Polemik, der Scheinheiligkeit und Selbstgerechtigkeit aufeinander zu
werfen.
Diese Haltung täte der gut. Es nähme den enormen Druck heraus, Fassaden der Perfektion
aufbauen zu müssen. Es würde den Weg öffnen zu mehr Barmherzigkeit, mehr echter
Vergebung, für neue Perspektiven und Hoffnungen. Ein bisschen bescheidener zwar als
zuvor. Aber auf jeden Fall menschlicher, und der Tragik menschlicher Geschichte
angemessener. Mit seinen eigenen und den fremden Grenzen leben zu lernen, wird daraus
möglich und sogar der beste aller mittelmäßigen menschlichen Wege.
LÖSUNGSVERSTÄRKUNG:
Fassaden ohne Hintergrund stürzen irgendwann ein. Sie haben keinen Halt. Die größten
Strahlemänner sind manchmal ganz arme Hunde – hinter dem Strahlen. Die ungebrochene
heile Welt gibt es nur in der Selbsttäuschung oder vielleicht in der Hoffnung auf die
Vollendung des Himmels.
Das „Herr, erbarme Dich unser!“, die Bitte „Herr, sei mir Sünder gnädig!“ in der Fastenzeit,
sie müssen für jeden Menschen echt sein. Alles andere geht an der Realität menschlichen
Lebens vorbei. Und macht hart gegen jede menschliche und göttliche Barmherzigkeit.
Amen.