Wir amüsieren uns zu Tode Urteikbildung im Zeitalter der

Transcrição

Wir amüsieren uns zu Tode Urteikbildung im Zeitalter der
I
Neil Postman
Wir amüsieren uns zu Tode
Urteikbildung
im Zeitalter
der Unterhaltungsindustrie
Aus dem Amenkanischen
übersetzt von Reinhard Kaiser
Inhalt
Einleitung
.
. .....
.
7
Erster Teil'
1. Kapitel:
2. Kapitel:
3. Kapitel:
4. Kapitel:
5. Kapitel:
Das Mediumist die Metapher . . . . . . . . .
Medien als Epistemologie . . . . . . . . . . .
AmerikaimZeitalterdesBuchd~cks. . . . .
Lesenerstand . . . . . . . . . . . . . . . . .
DieGuckguck-Welt . . . . . . . . . . . . . .
11
26
..
............ .
. .
44
60
83
Zweiter Teil
6. Kapitel: Das ZeitalterdesShowhusiness . . . . . . . 105
7. Kapitel: ~ U n d j e t z t . ..« . . . . . . . . . . . . . . . . 123
8. Kapitel: Im Wiegeschritt nach Bethlehem. . . . . . . . 141
9. Kapitel: Sie haben die freie Wahl . . . . . . . . . . . . 154
10. Kapitel: Unterricht als Unterhaltung . . . . . . . . . . 174
11. Kapitel: Huxleys Warnung . . . . . . . . . . . . . . . 189
.
5. Auflage: 82.-110.Tau~end
D ~ amenkaniwhc
C
Originalausgabe mit dem Titel
,
~ ovnelves~ to ~ ~~ ~PublieDiscourse
t h~ .
ihthe ~ ~g ofeShow~Business'
1985bei Viking-Penguin,Ine.
(~lisabethSiitonBaoks), New York
Coovrieht B Neil Poitman 1985
FÜ; di<dctttsche Ausgabe:
0 1985S. Fischer Verlag GmbH, Franldun amMain
Aik Rechte vorbehalten
umrchlaggertalning: Rambow, Licttemeyer, van dc Sand
satz. ~ o t o s Otto
a ~ Guvlceed, Damstadt
~ n i e kund ~ir,dung:Clausen 8: Bosse, Leck
Pnnted in Gemiany I986
ISBN 3-10-062407-6
,
Anmerkungen .
Bibliographie . .
................., .. .,
......................
199
205
Einleitung
I
In banger Erwartung sahen wir dem Jahr 1984entgegen. Als es
kam und die Prophezeiung nicht eintrat, stimmten nachdenkliche Amerikaner verhaltene Loblieder an-auf sich selbst. Die
Wurzeln der freiheitlichen Demokratie hatten gehalten. Mochte anderswo der Terror ausgebrochen sein - uns zumindest hatten Orwells Alpträume nicht heimgesucht.
Aber wir hatten vergessen, daß es neben Orwells düsterer Vision eine zweite gegeben hatte - ein wenig älter, nicht ganz so
bekannt, ebenso beklemmend: Aldous Huxleys Schöne neue
Welt. Entgegen einer auch unter Gebildeten weit verbreiteten
Ansicht haben Huxley und Onvell keineswegs dasselbe prophezeit. Orwell warnt vor der Unterdnickung durch eine äußere Macht. In Huxleys Vision dagegen bedarf es keines Großen
Bruders, um den Menschen ihre Autonomie, ihre Einsichten
und ihre Geschichte zu rauben. Er rechnete mit der Möglichkeit, daß die Menschen anfangen, ihre Unterdrückung zu lieben und die Technologien anzubeten, die ihre Denkfähigkeit
zunichte machen.
Orwell fürchtete diejenigen, die Bücher verbieten. Huxley befürchtete, daß es eines Tages keinen Gmnd mehr geben könnte, Bücher zu verbieten, weil keiner mehr da ist, der Bücher
lesen will. Orwellfürchtete jene, die unslnformationenvorenthalten. Huxley fürchtete jene, die uns mit Informationen so
sehr überhäufen, daß wir uns vor ihnen nur in Passivität und
Selbstbespiegelung retten können. Orwell befürchtete, daß die
Wahrheit vor uns verheimlicht werden könnte. Huxley befürchtete, daß die Wahrheit in einem Meer von Belanglosigkeiten untergehen könnte. Onvell fürchtete die Entstehung einer
Trivialkultur, in deren Mittelpunkt Fühlfilme, Rutschiputschi.
Zentrifugalbrummhall und dergleichen stehen. Wie Huxley in
Dreipig Jahre danach oder Wiedersehenmir der >Schönenneuen
Welt<(Brave New World Revisited) schreibt, haben die Verfech.
ter der bürgerlichen Freiheiten und die Rationalisten, die stets
auf dem Posten sind, wenn es gilt, sich der Tyrannei zu wider.
setzen, »nicht berücksichtigt, daß das Verlangen des Menschen
nach Zerstreuungen fast grenzenlos ist«. In 1984, so fügt Huxley hinzu, werden die Menschen kontrolliert, indem man ihnen
Schmerz zufügt. In Schöne neue Welt werden sie dadurch kontrolliert, daß man ihnen Vergnügen zufügt. Kurz, Onvell befürchtete, das, was uns verhaßt sei, werde uns zugrunde richten. Huxley befürchtete, das, was wir lieben, werde uns zu.
gmnde richten.
Dieses Buch handelt von der Möglichkeit, daß Huxlev unc
nicht Onvell recht hatte.
I
Erster Teil
;
Aldous Huxley
Schöne neue Welt
Ein Roman der Zukunft
Fischer Taschenbuch Band 26
Die .schöne neue Welt., die Huxley in diesem Roman
beschreibt, ist die Welt einer konsequent verwirklichten
Wohlstandsgesellschaftrim Jahre 632 nach Forda, einer
Wohlstandsgesellschaft,in der alle Menschen am Luxus
teilhaben, in der Unmhe, Elend und Krankheit überwunden, in der aber auch Freiheit, Religion, Kunst und
Humanität auf der Strecke geblieben sind. Eine totale
Herrschaft garantiert ein genormtes Glück. In dieser
vollkommen nformiertenu Gesellschaft erscheint jede
Art von Individualismus als ~asozials, wird als
*Wildere betrachtet, wer - wie einer der rebellischen
Außenseiter dieses Romans - für sich fordert: .Ich
brauche keine Bequemlichkeit. Ich will Gon, ich will
Poesie, ich will wirkliche Gefahren und Freiheit und
Tugend! Ich will Sünde!.
Huxley schrieb dieses Buch Anfang der dreißigerJahre.
In seinem Essayband uDreißig Jahre danach* (,>Brave
New World Revisited.) konnte er seine Anti-Utopien
an der inzwischen veränderten Welt messen. Er kommt
darin zu dem Schluß: sozialer und technischer Fortschritt und verfeinerte Methoden der psychologischen
Manipulation lassen erwarten, daß diese grausige Voraussage sich in einem Bmcbteil der veranschlagten
Zeitspanne verwirklichen werde.
Fischer Taschenbuch Verlag