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Laura Maikowski WIDERSTANDSBILDER Repräsentation von antikolonialem und antirassistischem Widerstand im Bild Danke an alle die mich in diesem Suchprozess unterstützt haben. Insbesondere an Christoph, most charming and pragmatic coach ever, Tanja, the argument, fürs lachen, ernst nehmen, »dann schreib das doch auch«, Olaf, the structure, Martin fürs da sein, Kaffee kochen, Basketball spielen, Susi für Feedback und Support, Nadja und Gerlinde fürs Korrekturlesen, Rainer fürs hosting, meiner WG, der Praxis, Prof. Jelena Jamaikina, Prof. Betina Müller, Prof. Gisela Scheidler, Prof. Zaki Omar, Prof. Michael Bette. Impressum Theorieteil der Diplomarbeit Laura Maikowski 2005 Studiengang Kommunikationsdesign Fachbereich Design Fachhochschule Potsdam Gutachter Prof. Jelena Jamaikina Prof. Betina Müller Druck tripple aaa Inhalt I EINLEITUNG 11 II NICHTBILDER Verschüttete Repräsentationen: Widerstand gegen Kolonialismus 21 2.1 Kontext des Widerstandes: Deutscher Kolonialismus 23 2.2 Fotografie und Kolonialismus: Selbstdarstellungen und Fremdzuschreibungen 25 2.2.1 Selbstdarstellung 26 2.2.2 Fremdzuschreibungen im Kontext des Kolonialismus: Fotografie 2.2.3 Fremdzuschreibungen im Kontext des Kolonialismus: Film 29 2.3 Widerstand: Antikoloniale Kämpfe 31 2.4 Repräsentation von Widerstand im Bild: Nichtbilder 34 2.4.1 nicht existente Bilder 34 2.4.2 nicht verbreitete Bilder 35 2.4.3 denunziatorische Bilder 42 2.5 Weiterführende Überlegungen 43 27 III GEGENBILDER Sichtbarkeit: Widerstand gegen Rassismus in den 60ern 45 3.1 Kontext des Widerstandes: Rassismus in den USA 47 3.2 Widerstand: Antirassistische Praxis 49 3.3 Repräsentation von Widerstand im Bild: Gegenbilder 54 3.3.1 Widerstand sichtbar machen 55 3.3.2 Gegenwahrnehmungen stärken und Identifikationsmöglichkeiten aufbauen 58 3.3.3 Dokumentation von Lebensrealitäten 62 3.4 Weiterführende Überlegungen 67 IV AUFLÖSENDE BILDER Verschiebung: Widerstand gegen Rassismus in den 90ern 69 4.1 Kontext des Widerstandes: Rassismus in der BRD 72 4.2 Theoretische Ansätze: Dekonstruktion, Postcolonial Studies und Whiteness 74 4.3 Widerstand: Antirassistische Bewegungen 81 4.4 Repräsentation von Widerstand im Bild: Auflösende Bilder 85 4.4.1 Verschiebung von Grenzen 85 4.4.2 Widerständige Aneignung/Selbstermächtigung 90 4.4.3 Aneignung als Subversion? 94 4.4.4. Irritation und die Konstruktion des Anderen – Warum gut gemeint nicht gut gemacht ist 98 4.5 Weiterführende Überlegungen 101 V SCHLUSSBETRACHTUNGEN VI QUELLEN 111 103 I »Letzten Endes ist die Photographie nicht dann subversiv, wenn sie erschreckt, aufreizt oder gar stigmatisiert, sondern wenn sie nachdenklich macht.« (Barthes 1980) I Einleitung Gegenstand meiner Diplomarbeit ist die Gestaltung des Buches Widerstandsbewegungen. Antirassismus zwischen Alltag und Aktion. Bei dem Buch handelt es sich um eine gegenwartsbezogene Bestandsaufnahme antirassistischer Bewegungen in der BRD mit ausschnitthaften Rückblicken auf die Geschichte antirassistischen Widerstandes. Es werden verschiedene antirassistische Aktionen und Ereignisse thematisiert – das schließt ein unterschiedliches Verständnis davon mit ein, was alles als Widerstand zu gelten hat. AktivistInnen berichten von ihren Protesten in Flüchtlingsheimen sowie von migrantischer Netzwerkarbeit und Kampagnenund Bündnisarbeit. Dieses Buch habe ich zum Anlass genommen, mich im vorliegenden theoretischen Teil meiner Diplomarbeit genauer mit der antirassistischen Bildproduktion auseinander zu setzen sowie über die Rolle der GestalterInnen darin nachzudenken. »Design ist unsichtbar« (Burckhardt 1995, 13). Das scheint zunächst paradox. Denn Gestalter bewegen sich größtenteils auf der Ebene des Visuellen und natürlich kann man sie sehen, die Produkte der Gestaltung. Der Designer Lucius Burckhardt will in seinem Text verdeutlichen, dass die Gestaltung eine unsichtbare Komponente hat, die institutionellorganisatorischen Randbedingungen, die durch die Einteilung der Umwelt in Gegenstände und Produkte im Verborgenen bleiben. Er wirft die Frage auf, wie GestalterInnen diese Bedingungen hinterfragen sollten. Im Rahmen dieser Gedanken steht mein Nachdenken über die Bildproduktion: Begreifen wir Fotografien als Abbild der Wirklichkeit oder als Illustration der Geschichten oder als Bilder, die ein Buch »schöner« machen? Oder begreifen wir sie als ein System von Beziehungen zwischen Menschen? Auch diese Beziehungen sind »entworfen« von Geschichte und Tradition, aber auch von heute lebenden BildproduzentInnen. Bilder sind keine neutralen 1:1-Wiedergaben einer unabhängig existierenden äußeren Realität. Bilder sind vielmehr spezifische Ausschnitte aus einer bestimmten Realität: In jedem Bild kommt der individuelle Blickwinkel 13 | Einleitung der fotografierenden Person zum Tragen. Bilder können deshalb nie objektive Abbilder dieser Realität sein. Vielmehr leisten sie im Sinne des Blickwinkels, aus dem heraus sie gemacht wurden, einen Beitrag dazu, wie der durch sie adressierte Gegenstand wahrgenommen werden kann. Mit anderen Worten: Als symbolischer Kommentar sind Bilder beteiligt an der Hervorbringung spezifischer Wahrnehmungsweisen von bestimmten Gegenständen aus der gesellschaftlichen Realität. In diesem Sinne sind sie selber Teil der Konstitution gesellschaftlicher Realität. Von einer Trennung zwischen Bildern und gesellschaftlicher Realität, die einfach nur abgebildet würde, kann also keine Rede sein. Als Teil der gesellschaftlichen Realität sind Bilder stattdessen am Zustandekommen gesellschaftlicher Machtverhältnisse beteiligt. Auch die geschichtliche Gewordenheit dessen, was wir wissen, wahrnehmen und sehen in Bildern ist konstruiert durch die Geschichtsschreibung und formiert sich immer wieder neu. Bildgeschichte ist nicht neutral, sondern die Geschichte von Dominanz- und Machtverhältnissen. In Bezug auf Widerstand gegen Rassismus unterliegt diese Unsichtbarkeit des Widerstandes einer Doppelung. Das Recht zu betrachten blieb meist ungleich verteilt innerhalb der Mitglieder einer Gesellschaft. Während die einen schauten und dabei selbst unsichtbar blieben, wurden die anderen als Objekte des Blicks fixiert, bestimmt und definiert. Konkret auf Rassismus bezogen sind Bilder immer schon wichtig gewesen für die Definition von Fremdheit und Normalität. Der Schriftsteller Ralph Ellison beschreibt diese Fremddefinition in Der unsichtbare Mann mit folgenden Worten: »Heute werde ich so und morgen wieder anders genannt, aber nie wollte jemand wissen, wie ich selbst mich nannte. Nachdem ich jahrelang versucht hatte, mir die Meinungen anderer zu eigen zu machen, wurde ich schließlich rebellisch. Ich bin ein Unsichtbarer« (Ellison 2003, 152). Es wird deutlich, weshalb es nicht einfach ist, im Rahmen von Antirassismus mit Bildern zu operieren. Die Diskussionen ranken sich um das Bild selbst, um die Auswahl des Bildes sowie um den Kontext, in dem es gezeigt wird. Konkret geht es um folgende drei Fragen, die immer wieder auftauchen: 14 | Einleitung Erstens wird immer wieder die Kritik formuliert, dass Bilder als solche rassistisch seien. Dass dies überhaupt möglich ist (schließlich sind ja eigentlich antirassistische AktivistInnen am Werk), hat damit zu tun, dass Bilder abhängig vom Blickwinkel der fotografierenden Person sind. Die fotografierende Person ist jedoch selbst Teil der gesellschaftlichen Realität, denn die Art zu denken, zu fühlen, zu sehen etc. ist ja von der Gesellschaft geprägt; insofern kann via Blickwinkel auch eine Person rassistische Fotos machen, die eigentlich das Gegenteil beabsichtigt. Wenn zum Bespiel demonstrierende Schwarze Menschen in besonders intensiver Schreipose fotografiert werden, kann dies rassistisch interpretiert werden, da das Bild das Stereotyp bedient, dass Schwarze Menschen insgesamt expressiver, unbändiger, emotionaler etc. seien als Weiße. Nicht präsent sind durch eine solche Motivwahl außerdem schreiende Weiße Menschen oder nicht schreiende Schwarze Menschen, die ebenfalls auf besagter Demonstration anwesend waren. Hier geht es also um den Blickwinkel der FotografInnen, ihre Motivation und Perspektive, die unter Umständen versucht, das Andere, möglichst Fremde einzufangen und davon fasziniert ist. Ein weiteres Beispiel, das eng mit dem eben geschilderten zusammenhängt, bezieht sich auf die Auswahl von Bildern: beispielsweise könnte die Auswahl eines Bildes einer trommelnden, schreienden oder tanzenden Schwarzen Person dahingehend verstanden werden, dass eine rassistische Erwartungshaltung bedient wird, wonach es immer Schwarze sind, die als ›tanzende, lebendige Exoten‹ dargestellt werden. Der Kontext der Bilder kann diesen eine problematische Konnotation geben, wenn z.B. bei einer Aktion, an der Flüchtlinge und Nichtflüchtlinge beteiligt sind, am Ende nur die evtl. spektakulärere Aktion der Nicht-Flüchtlinge gezeigt wird. Die Nicht-Flüchtlinge kletterten beispielsweise auf ein Dach und ließen ein Transparent runter, weil sie es sich juristisch leisten konnten. Die Flüchtlinge hingegen blockieren ›nur‹ ein Tor. Das ist problematisch, weil somit nur die Realität der an der Aktion beteiligten Nicht-Flüchtlinge gezeigt wird, nicht aber die Realität der Flüchtlinge, die ohnehin oft ausblendet wird. Teilweise haben diese Debatten auch dazu geführt, in der antirassistischen Gestaltung ganz auf Bilder zu verzichten – oder nur solche zu verwenden, die als absolut unproblematisch angesehen werden, hauptsächlich dokumen15 | Einleitung tarische Bilder sowie gegenständliche Bilder von Pässen u.ä. oder abstrakte Bilder, die keine Personen zeigen. Im Zuge dieser Überlegungen bin ich auch zu der Frage gekommen, die ich im vorliegenden theoretischen Teil meiner Diplomarbeit bearbeiten möchte: Wie wurde antikolonialer und antirassistischer Widerstand im Bild repräsentiert? Welche Bilder brechen mit hegemonialen Repräsentationen? Welche Widerstandshandlungen wurden dargestellt und in welcher Weise – und welche nicht? Wie hängt die Darstellung bzw. Nicht-Darstellung vom Blick des Betrachters ab? Von einer solchen Rekonstruktion, wie Widerstand (nicht) dargestellt wurde/wird, erhoffe ich mir Anhaltspunkte für meine eigene Arbeit als Gestalterin antirassistischer Bücher, Zeitungen etc. Ich möchte herausfinden, welche Bilder irritierend, aufrüttelnd, subversiv, Gewissheiten in Frage stellend wirken – und welche Bilder problematisch sind. Mein Ziel ist es, Anhaltspunkte für die Strategien der antirassistischen Bildproduktion zu gewinnen. Hierbei hat mich die These, die Roland Barthes in dem der Einleitung vorangestellten Zitat aufstellt, fortwährend begleitet. Diese Frage lässt sich im Rahmen einer Diplomarbeit nicht abschließend klären. Denn antikolonialen und antirassistischen Widerstand gibt es bereits länger, als es die Fotografie gibt, und das weltweit. Wollte man also die aufgeworfene Frage systematisch bearbeiten, müsste mensch weit mehr als 100 Jahre Widerstandsgeschichte im globalen Maßstab aufarbeiten, und zwar hinsichtlich dessen, wie diese Widerstandsgeschichte je nach Blickwinkel bzw. Position der fotografierenden Personen und außerdem in Abhängigkeit vom jeweiligen Foto-Genre (nicht) wiedergegeben wurde. Insofern muss ich es bei einer Suchbewegung belassen und in zweifacher Hinsicht eine exemplarische Auswahl treffen. Bezogen auf die Widerstandshandlungen möchte ich mich drei exemplarischen Ereignissen bzw. Epochen widmen: der Jahrhundertwende mit ihren kolonialen Expansionen, fokussiert auf die deutsche Kolonialherrschaft und die antikolonialen Kämpfe der Nama und Herero, den 60er- Jahren als Phase der Entkolonialisierung und beginnenden Bürgerrechtsbewegung in den USA und den 90er-Jahren aufgrund des erstarkenden Rassismus mit Fokus auf Deutschland. 16 | Einleitung Zum einen decken diese Beispiele in zeitlicher und geografischer Hinsicht eine große Spanne ab, stehen also für relativ unterschiedliche gesellschaftliche Situationen. Zum anderen spiegeln die drei gewählten Beispiele unterschiedliche Phasen des Rassismus wieder: Kolonialismus steht für weitgehende Entrechtung. Die 60er-Jahre stehen für eine Phase des Übergangs, in der auf der formalen Rechtsebene mehr und mehr Gleichheit erkämpft wurde. In den 90er-Jahren gab es (bei aller juristischen Diskriminierung qua Ausländergesetzgebung) formal völlige Rechtsgleichheit, trotzdem jedoch massive Diskriminierung und Verfolgung auf ganz verschiedenen Ebenen. Jeder Epoche werde ich mich aus einem ganz bestimmten Blickwinkel nähern: Die Phase des Kolonialismus werde ich vor allem hinsichtlich der Nichtbilder betrachten. Nichtbilder markieren hier eine Leerstelle, die meine These zum Ausdruck bringen soll, dass die Repräsentation von antikolonialem Widerstand nicht bzw. kaum existent ist in Deutschland. Die Phase der 60er- Jahre möchte ich unter der Kategorie Gegenbilder analysieren. Gegenbilder stehen für eine Strategie, Bilder als eine Gegenmacht bzw. als eine Gegenöffentlichkeit einzusetzen. Die Phase der 90er- Jahre möchte ich vor allem hinsichtlich von Auflösenden Bildern betrachten. Auflösende Bilder versuchen eine symbolische wie auch materielle Infragestellung von Aus- und Begrenzungen. Diese Bildstrategien stehen dabei nur tendenziell für die jeweilige Epoche, denn es gab auch nach Kolonialzeiten Nichtbilder und es wurde bereits vor den 90er-Jahren mit auflösenden Bildern operiert. Hinsichtlich der Widerstandspraxen habe ich keine Einschränkung vorgenommen. Innerhalb der jeweiligen historischen Phasen werden also sämtliche Widerstandspraxen berücksichtigt, auch wenn nicht alle immer zur Sprache kommen. Der Grund hierfür ist schlicht: auch wenn es möglich ist, unterschiedliche Arten von Widerstand zu unterscheiden, so gibt es kein vernünftiges Kriterium, die eine Art von Widerstand gegenüber einer anderen zu privilegieren. Das wäre ein zu starker Eingriff in die Sache selbst – und das ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund formuliert, dass genau diese Frage eine unter AktivistInnen selbst umkämpfte ist. Dennoch will ich das Feld des Widerstandes ein wenig umreißen: 17 | Einleitung Der Kampf gegen Kolonialismus und Rassismus ist ein Kampf für gleiche Rechte und gegen jede Art von rassistischer Diskriminierung, Verfolgung und Ausbeutung. Dieser Kampf kann erstens politisch organisiert stattfinden und sich mit Hilfe klassischer Mittel wie Demonstrationen u.ä. an die Öffentlichkeit richten mit dem Ziel, Druck aufzubauen und so langfristig Veränderungen zu erzielen. Widerstand kann sich des Weiteren künstlerisch äußern, mit Hilfe von Bildern, Filmen etc. Hier wird zwar auch die Öffentlichkeit gesucht, allerdings sind die Formen, mit denen an die Öffentlichkeit getreten wird, andere. Und trotzdem: politischer und künstlerischer Widerstand sind nicht komplett getrennt. Sie überschneiden sich stark, insbesondere bei der Produktion von Plakaten bzw. beim Erstellen für Layouts von Zeitungen, Flugschriften, Büchern, etc. Dieses Zwischenfeld spielt insbesondere in den 90er-Jahren eine Rolle – vor allem bei dem Versuch, Auflösende Bilder zu schaffen. Widerstand kann ebenso individuell bzw. entlang sozialer Vernetzungen organisiert sein. Menschen können etwa mit Hilfe ihrer Community-Netzwerke die Grenzen unerlaubt überwinden und ihr Leben ohne Papiere organisieren. Wer so vorgeht, leistet ebenfalls Widerstand, allerdings ganz anders als politisch organisierte oder künstlerisch agierende Menschen und vor allem nicht öffentlich. Bei der Auswahl der Bilder greife ich sowohl auf dokumentarische, journalistische und künstlerische Fotodokumente zurück sowie auf Standbilder aus Filmen. In dieser weiten Auswahl kommt vor allem zum Ausdruck, dass es mir nicht darum geht, systematisch die Geschichte eines bestimmten Genres oder einer bestimmten Epoche unter dem Blickwinkel der bildlichen Repräsentation von antikolonialem bzw. antirassistischem Widerstand zu rekonstruieren, sondern darum, Anhaltspunkte für den Umgang mit Bildern in der antirassistischen Praxis zu gewinnen. Außen vor gelassen wurden Bilder, die keine Personen abbilden, da die Problematik der antirassistischen Bildproduktion sich zu großen Teilen an der Oberfläche von Personen festmacht. Vor diesem Hintergrund möchte ich einen kurzen Überblick über den Aufbau der vorliegenden Arbeit geben: Im Anschluss an dieses Einleitungskapitel (I) werde ich zunächst im Kapitel Widerstandsbilder (II) die drei 18 | Einleitung Epochen behandeln. Diese sind mit Nichtbilder (II), Gegenbilder (III) und Auflösende Bilder (IV) betitelt und sind jeweils ähnlich aufgebaut: am Anfang erfolgt ein Überblick über die historische Epoche und über den Widerstand, den es gegeben hat, anschließend werden jeweils kurz die Bilderarten vorgestellt, die vor allem untersucht werden sollen, danach erfolgen die Untersuchungen anhand konkreter Beispiele sowie weiterführende Überlegungen zu den jeweiligen Strategien. Im Kapitel V werde ich meine Schlussbetrachtungen vorstellen. Im Anhang VI finden sich die Quellenangaben. Die Schwerpunktsetzungen in den Kapiteln sind jeweils an den mir für diese Zeit wichtig erscheinenden Themen orientiert; so gibt es einen ausführlicheren Ausflug in die Theorie bei den Auflösenden Bildern und auch etwas ausführlichere Bildbeschreibungen, weil ich diese Art der Bilder weiterzudenken für die Bildproduktion als herausfordernd sehe. Die schwerpunktmäßige Betrachtung von Widerstandspraxen in oder bezogen auf Deutschland ergibt sich aus der praktischen Arbeit, welche sich ebenfalls hauptsächlich auf Antirassismus in Deutschland bezieht. In meiner Begriffssetzung beziehen sich »Schwarz«, »Weiß« und »Nicht-Weiße« nicht auf Hautfarbe oder phänotypische Ausprägungen, sondern sind als sozial konstruierte, durch rassistische Machtverhältnisse hervorgebrachte und unterschiedlich positionierte politische Identitäten zu verstehen. In diesem Sinne soll die Großschreibung der Markierung des konstruktivistischen Charakters dienen. 19 | Einleitung II »These solemn images of middle- and working-class black families, crafted according to the styles (in gestures, props and clothing) of Georgian and Victorian portrait painting, portray a class of black people which, according to my education, did not exist at the time they were made!« (Santu Mofokeng in Revue Noire, 1999) II Nichtbilder Verschüttete Repräsentationen: Widerstand gegen Kolonialismus Das Kapitel Nichtbilder beschäftigt sich mit Bildern, die nicht hegemonial sind, die verdrängt wurden, die unsichtbar gemacht wurden. Diese Art von Nichtrepräsentation von Widerstand will ich beispielhaft an der Epoche der kolonialen Expansion um die Jahrhundertwende deutlich machen. Konkret wird es um drei Arten von Nichtbildern gehen: nicht existierende Bilder, nicht verbreitete Bilder und denunziatorische Bilder. 2.1 Kontext des Widerstandes: Deutscher Kolonialismus Um der Frage nachzugehen, wie Widerstand während des Kolonialismus dargestellt wurde, umreiße ich kurz die deutsche Kolonialgeschichte. Hierbei nehme ich nicht nur auf die Hoch-Zeit des deutschen Kolonialismus, sondern insgesamt auf die koloniale Debatte in Deutschland Bezug. Erst nachdem die territoriale Zersplitterung der verschiedenen deutschen Fürstentümer und Verwaltungseinheiten durch die Gründung des deutschen Kaiserreichs 1871 überwunden worden war, gab es die politischen, ideologischen und ökonomischen Voraussetzungen für die Realisierung der kolonialen Bestrebungen. Mit Blick auf die verspätete Nationalstaatenbildung wurde immer wieder auf das Recht auf einen »Platz an der Sonne« gepocht (vgl. Pech 2003, 95). Vorerst wurden von Kaufmännern Koloniale Gesellschaften gegründet, die ohne Reichsauftrag Land ›erwarben‹1. Auf Druck der Handelsgesellschaften, die ein Interesse an der Sicherung ihrer Landerwerbungen und damit ihrer ökonomischen Bestrebungen in Übersee hatten, und um von der gespannten innenpolitischen Lage – dem Wirtschaftsboom war eine Wirtschaftskrise gefolgt – abzulenken, wurden ab April 1884 die ›erworbenen‹ Gebiete von Bismarck unter kaiserliche Schutzherrschaft gestellt (vgl. Canis 2002, 27). 1 Die »Schutzverträge«, mit denen die Erwerbungen meist abgeschlossen wurden, wurden von AfrikanerInnen häufig als Handels- und Bündnisverträge interpretiert, die meistens für sie einen negativen Ausgang hatten (vgl. Gründer 2002, 19), beispielsweise durch gezieltes Operieren mit unterschiedlichen Maßeinheiten wie der geografischen Meile, die fast fünfmal größer ist als die geläufige englische Meile (vgl. Kuß 2004, 26). 23 | Nichtbilder Von November 1884 bis Februar 1885 fand in Berlin die von Bismarck einberufene Kongo-Konferenz statt, auf der 13 europäische Staaten, die USA und das Osmanische Reich ihre kolonialen Ambitionen und Besitzstände in Afrika völkerrechtlich zur gegenseitigen Anerkennung und Sicherung festlegten. Afrika war nicht vertreten, es galt als herrenloses Land (vgl. Gründer 2002, 22f ). Dem deutschen Kolonialreich wurden dort die Gebiete Namibia (Deutsch-Südwestafrika), Tansania, Ruanda, Burundi, Sansibar (Deutsch-Ostafrika), Togo, Kamerun, Papua-Neuginea, Bismarck-Archipel, nördliche Salomonen, Marshallinseln, Nauru, Marianen, Karolinen und Palau (Deutsch-Neuginea), Samoa (Deutsch-Samoa) und Kiatschou (China) zugesprochen (vgl. Lämmermann 2004, 24f ). Insgesamt umfassten diese Gebiete eine Million Quadratmeilen mit einer geschätzten Bevölkerung von 15 Millionen Menschen. Das Deutsche Kaiserreich bestand dagegen aus 208 000 Quadratmeilen mit 63 Millionen Menschen (vgl. Blackshire-Belay 1996, 100f ). Ideologisch wurde die Kolonialisierung als Erziehungsmission ausgegeben – aufgrund der selbst zugeschriebenen »Höherwertigkeit« wurde die Legitimation abgeleitet, »Kulturarbeit über See« (Schnee, Heinrich, ehemaliger Gouverneur in Deutsch-Ostafrika, in: Norris 1993, 120) zu betreiben. Praktisch wurden große Teile der afrikanischen Bevölkerung als Arbeitskräfte ausgebeutet. Blutige Unterdrückungspraxen, Gewalt und Willkür, Verschleppungen, Zwangsarbeit, Zerstörung der regionalen Ökonomie und sozialen Strukturen, Passgesetze, Zwangsumsiedlungen, ein ungleiches Rechtssystem für Weiße und Schwarze und Einschränkungen in den Eigentumsmöglichkeiten für Schwarze, sicherten die deutsche Herrschaft (vgl. Pech 2003, 97). Einer der blutigsten Kolonialkriege der Geschichte wurde gegen die Aufstände der Herero und Nama in Südwestafrika geführt. In diesen Kämpfen starben 80 Prozent der Herero und 50 Prozent der Nama. Ab 1905 begannen die Deutschen, überlebende Herero und Nama in Konzentrationslager zu sperren, wo aufgrund der katastrophalen sanitären, medizinischen und hygienischen Zustände und der mangelnden Verpflegung 45 Prozent der Gefangenen starben (vgl. Rost 1992, 119). Deutschland war Kolonialmacht von 1884 bis zur erzwungenen Abgabe der Kolonien im Versailler Vertrag 1919 nach Ende des 1. Weltkrieges. Das Spezifische an der deutschen Kolonialherrschaft war und ist, dass es keine Auf24 | Nichtbilder lösung durch Unabhängigkeitsbestrebungen der Kolonialisierten gab und kaum eine Auseinandersetzung 2 mit der eigenen Kolonialgeschichte (vgl. Rost 1992, Reed-Anderson 2005). Im Gegensatz zu England etwa, wo sich in den 80er- Jahren durch Stimmen von MigrantInnen 3 eine Infragestellung der weißen Geschichtsschreibung entwickelte (vgl. Steyerl 2003). Die Geschichte der deutschen kolonialen Vergangenheit ist also bislang kaum sichtbar. Sie gehört nicht zum Allgemeinwissen oder zur Schulbildung, und die Spuren finden sich eher in nostalgischen oder gar verherrlichenden Erinnerungen. So sind beispielsweise in Berlin Straßen im Afrikanischen Viertel nach Kolonialherren wie dem Kaufmann Adolf Lüderitz 4 benannt. Die Erinnerung gilt allein den gefallenen deutschen Soldaten, wie auch ein Gedenkstein auf dem Garnisonsfriedhof am Columbiadamm zeigt. Er trägt die Inschrift: »Von 41 Angehörigen des Regiments, die in der Zeit vom Januar 1904 bis zum März 1907 am Feldzuge in Süd-West-Afrika freiwillig teilnahmen, starben den Heldentod (7 Namen). Das Offizierskorps ehrt mit diesem Stein das Andenken der Helden.« Dieser Gedenkstein ist allerdings das einzige erhalten gebliebene Kolonialdenkmal im öffentlichen Raum von Berlin (vgl. Zeller 2002, 168). 2.2 Fotografie und Kolonialismus: Selbstdarstellungen und Fremdzuschreibungen Für die Fragen der Repräsentation, der Fremd- und Selbstbeschreibung sowie Fremdund Selbstbetrachtung ist die Fotografie ein wichtiges Medium. Deswegen will ich als Hintergrundwissen für die antirassistische bzw. widerständige Bildproduktion auf einige zentrale Aspekte in Bezug auf Kolonialismus und Fotografie eingehen, die nicht thematisieren, wie 2 Im Jahr 2004, in dem sowohl der Hereroaufstand als auch die Kongo-Konferenz sich zum 100sten Mal jährten, rückten diese Ereignisse wieder mehr ins Zentrum der Öffentlichkeit. Dennoch gibt es keine offizielle Entschuldigung von der deutschen Regierung und keine Entschädigungszahlungen, wie es RepräsentantInnen der Herero fordern. 3 Der Einfluß kam durch Unabhängigkeitsbewegungen in den Herkunftsländern und die dadurch mit vorangetriebene Einführung von Postcolonial Studies an Universitäten. 4 Lüderitz war ein Bremer Kaufmann, der seit 1882 forderte, seine ›erworbenen‹ Gebiete in Süd-WestAfrika unter den Schutz des Reiches zu stellen (Canis 2002, 27). 25 | Nichtbilder Widerstand im Kolonialismus bildhaft verschwiegen wurde, sondern die Kontrastfolie des Widerstandes (also die Bedingungen der Bildproduktion) aufzeigen. Denn auch die widerständigen BildproduzentInnen sind nicht frei von den phänotypischen, gesellschaftlich etablierten rassistischenWahrnehmungsweisen. Um klar zu machen, welche Rolle die Fotografie für die Frage der Repräsentation spielt(e), gehe ich zunächst auf die gesellschaftliche Rolle der Fotografie in ihren Anfängen ein und thematisiere den Zusammenhang von Kolonialismus und Fotografie als Macht- und Beherrschungsinstrument. Im Anschluss daran werde ich einen kleinen Überblick über die Rolle des Filmes in Bezug auf Fremdzuschreibungen geben. Dies bietet sich an, da in der Filmbranche die Produktionsprozesse besser überliefert sind und mehr Material vorhanden ist, das Einblicke in Widerstände gegen hegemoniale Repräsentationsprozesse ermöglicht. Außerdem besaß und besitzt Film eine besondere Bedeutung für die »Repräsentation ethnokultureller Differenz« (nach Pascal Grosse 2002). 2.2.1 »Selbstdarstellung« In Anlehnung an die Porträtmalerei diente die Fotografie als Medium, um die Darstellung des Individuums zu zelebrieren. Im Gegensatz zur Malerei, wo Technik und Qualität der Bilder den gesellschaftlichen Status der Porträtierten zeigten – so waren Ölbilder teurer als Silhouettenzeichnungen – waren fotografische Porträts relativ billig. Sich porträtieren zu lassen, bedeutete sich selbst wertzuschätzen sowie sich selbst zu inszenieren und damit eine Definitionsmacht über den eigenen Körper zu erlangen. Das fotografische Porträt hatte weniger Symbolcharakter, sondern faszinierte durch lebensnahe Darstellung und die dadurch mögliche Anwesenheit von toten und abwesenden Menschen (vgl. Pultz 1995). Die Visitenkartenfotografie 5 gehörte zu den am besten vermarkteten Konsumgütern dieser Zeit. Durch die veränderten Produktionsmöglichkeiten, die massenhafte und erschwingliche Kopien der Porträts ermöglichten, 5 Patentiert 1854 von André Disdéri, ermöglichte die Visitenkartenfotografie auf einmal bis zu 12 Aufnahmen (vgl. Pultz 1995, 16). 26 | Nichtbilder änderte sich auch der Stellenwert der Körperrepräsentation in der gesellschaftlichen Wertschätzung. Neue Zugänge zu symbolischer Macht (vor allem für die Mittelklasse) entstanden über die Möglichkeit, andere Menschen durch ihre Darstellung zu beeinflussen. So gab es Sammelalben, in denen sowohl Freunde als auch Personen des öffentlichen Lebens gesammelt wurden, z.B. Politiker wie Napoleon oder SchauspielerInnen wie Sarah Bernhardt. Dadurch stellte sich eine gewisse Intimität und scheinbare Gleichheit zwischen BildinhaberIn und Abgebildeten her. Die Alben hatten jedoch klare Grenzen der Repräsentanz, Abbildungen von Armen und Kranken waren z.B. nicht erwünscht (Pultz 1995, 17f). 2.2.2 Fremdzuschreibungen im Kontext des Kolonialismus: Fotografie Auch im Geiste der kolonialen Bestrebungen wurde ›gesammelt‹. Zu Kolonialzeiten wurde die Fotografie ethnographisch 6 eingesetzt. Sie wurde zum Mess- und Kontrollinstrument für die ›Rassenkunde‹. Im Rahmen der europäischen Expansion, d.h. der Eroberung fremden Eigentums und der Vertreibung und Vernichtung anderer Völker gegen Ende des 19. Jahrhunderts, benutzten die EuropäerInnen zur Legitimation der Idee ›höherer‹ und ›niederer Rassen‹ die Kulturen Asiens, Afrikas und Amerikas zur Abgrenzung, um sich selbst als ›höherwertig‹, d.h. ›weiß‹ und ›zivilisiert‹ darzustellen (vgl. Pultz 1995, 20). Als Werkzeug dazu diente unter anderem die Fotografie: Durch koloniale Bildersammlungen in Form von Postkarten, Einzelabzügen und Fotoalben, wurden die ›Anderen‹ kategorisiert und eingeordnet. Als angeblich wirklichkeitsgetreue und unverfälschte Abbildungen von der Welt, gingen die Klischees und Stereotype der europäischen Überlegenheitsfantasien um die Welt. Die Beschreibungen der Kolonialisierten dienten dazu, die Kontrolle und Macht der Kolonisatoren sicherzustellen. Fotografien dienten sowohl als Souvenirs für Touristen als auch als ›wissenschaftliche‹ Dokumente für Anthropologen und Ethnografen, um andere Völker zu vermessen, zu katalogisieren und zu definieren (vgl. Pultz 1995, 24). 6 Die Völkerkunde und Ethnographie (Kulturbeschreibung) wurden um 1770 in Deutschland (Universität Göttingen) geprägt, die Bezeichnung Ethnologie etwa im gleichen Zeitraum im französischen Sprachraum (Meyers Taschenlexikon). 27 | Nichtbilder Im Gegensatz zu den kommerziellen Porträtaufnahmen, bei denen die Leute sich aus eigenem Wunsch heraus fotografieren ließen und die Fotografen dafür bezahlten, wurde Indigene einfach abfotografiert. Mit diesen Fotografien wurde versucht, beispielsweise die Kategorie der ›Indianer‹ zu bestimmen, als Objekte, als Exemplare eines Typus. 1850 gab Louis Agassiz, Naturwissenschaftler der Harvard-Universität, Daguerreotypien7 von Schwarzen Sklaven in den Südstaaten in Auftrag, um die Unterlegenheit der Schwarzen zu beweisen 8 (Pultz 2002, 25). Die Sinneswahrnehmung wurde damals unter einigen SozialwissenschaftlerInnen (den Positivisten) als einzige Grundlage menschlichen Wissens und Denkens angesehen (Pultz 1995, 26). Fotografie galt somit als Wissenschaft, die einen angeblich objektiven Standpunkt vertrat. Der ethnografische Blick auf die ›Rasse‹ wurde damals anhand von phänotypischen Merkmalen konstruiert und hat bis heute Auswirkungen auf unsere Wahrnehmung. Die visuellen Merkmale werden verknüpft mit zugeschriebenen Eigenschaften. Die Fotografie funktioniert hier als unsichtbare Definitionsmacht, da die enorme Realitätswirkung über den Status als Darstellung hinwegtäuschte. Bilder wurden geschaffen und festgeschrieben: So wurde beispielsweise das Bild des ›tanzenden Schwarzen‹ auch dadurch befördert, dass das Showbusiness eine der wenigen Arbeitsmöglichkeiten für Schwarze in Europa war (Nagl 2004, 81). Eine weitere wichtige Funktion der ethnografischen Aufnahmen war es, gesellschaftliche Normen zu etablieren. ›Die Anderen‹ sollten auf den Bildern so fremd und je nach Kontext so exotisch oder bedrohlich wie möglich erscheinen. Die Markierung visueller Differenz wurde mit dem ›wissenschaftlich‹ argumentierenden Rassismus systematisiert und objektiviert. ›Das Fremde‹ wurde – aus dem eigenen Blickwinkel – als fremd sichtbar gemacht, sich zu Eigentum gemacht. Diese Bilder repräsentieren die Macht zu besitzen und zu betrachten. Das Recht zu schauen bleibt meist Ausdruck von Weißen männlichen Privilegien. Die Welt der Blicke und die Erfahrung der Sichtbarkeit ist eines der zentralen Felder, 7 Louis Jacques Mandé Daguerre erfand 1839 die Daguerreotypie, welches das erste weitverbreitete fotografisches Verfahren war, bei dem Bilder durch Quecksilberdämpfe auf Glas gebannt wurden. 8 Diese Untersuchungen fanden nicht nur in fotografischer Form statt: So mussten die Herero-Frauen in den Konzentrationslagern die Schädel der Toten mit Glasscherben säubern, damit sie z.B. zu ethnologischen Zwecken nach Berlin in die Charité geschickt werden konnten. 28 | Nichtbilder auf denen Rassismus im Alltag erlebt und gelebt wird. Bildproduktion und damit Fotografie war und ist ein Mittel zur Strukturierung der Gesellschaft, zur Etablierung und Stützung des Konzeptes des Weißen Raumes. 2.2.3 Fremdzuschreibungen im Kontext des Kolonialismus: Film Weitere Kristallisationspunkte in der Konstruktion von Fremdheit im Bild waren, neben der Fotografie, die Völkerschauen und Kolonialfilme: BewohnerInnen der deutschen Kolonien wurden als ›exotische Exponate‹ nach Deutschland ›exportiert‹ – das bedeutete konkret: Es gab Anwerbungen auf Vertragsbasis, aber auch erzwungene Teilnahme und Verschleppungen (vgl. Thode-Arora 2002, 153). Die Völkerschauen, die meist im Zoo stattfanden, boten den Weißen BesucherInnen die Möglichkeit, sich vom ›Primitiven‹ und ›Tierischen‹ abzugrenzen und die imaginierte eigene kulturelle Überlegenheit zu bestätigen 9. Nach dem Ende der deutschen Kolonialherrschaft wurden die Völkerschauen allmählich durch den Film abgelöst, mit dessen Hilfe sich rassistische Perspektiven und kolonialpolitische Sehnsüchte fortsetzen ließen. Die Rollen für Schwarze Darsteller blieben beschränkt und undifferenziert: ›treue Diener‹, Pagen und Portiers, ›fanatisierte Eingeborene‹, dämonische ›Mohren‹ und später auch Musiker und Boxer (vgl. Nagl). Während zu Beginn des Jahrhunderts in der Filmbranche relativ gesehen ein »Verwöhnklima« (Michael, Theodor, in: Pagen in der Traumfabrik 2004) existierte – der Wunsch nach Exotismus führte zu einer hohen Gage für die DarstellerInnen –, änderte sich dies mit Beginn des 1. Weltkriegs. Der Kampf von Schwarzen Soldaten in den Reihen der Besatzungsmacht Frankreich im Rheinland wurde in Deutschland als »Schwarze-Schmach«Kampagne propagandistisch aufgeladen, auch um die mit Frankreich verbündeten Kriegsgegner zu spalten. Die gesamte Presse unterlag Richtlinien des Kriegspresseamts und einer militärischen Vorzensur. Begründet wurde diese rassistische Kampagne mit den »Gefahren für die weiße 9 Der rassistische und sexistische Charakter der Ausstellungen wurde auch in der Werbung für die Völkerschauen deutlich, wie ein Plakat aus dem Jahre 1913 belegt, das unter der Überschrift »50 wilde Kongoweiber« eine halbnackte, liegende schwarze Frauenfigur zeigt (vgl. van der Heyden 2002, 134). 29 | Nichtbilder Vorherrschaft«. Die Kolonialisierten, so die Argumentation, würden im Angesicht der Verwundbarkeit der Weißen ihren Respekt verlieren und seien weniger leicht zu lenken (vgl. Alonzo/Martin 2004, 106). Es wurde ein Bild vom Schwarzen als Vergewaltiger gezeichnet, der die Weiße Reinheit schände. Das äußerte sich besonders in dem Begriff »Rheinland-Bastard«, der plötzlich für alle afrodeutschen Kinder benutzt wurde: »Ich war ganz erstaunt, weshalb ich aus dem Rheinland kommen sollte…« (Michael, Theodor, in: Pagen für die Traumfabrik). Eine Fülle von Karikaturen in satirischen Zeitschriften wie Simplicissimus unterstützte die rassistische Stoßrichtung, was dazu führte, dass sich die Situation für Schwarze und ihr Bild in der öffentlichen Wahrnehmung enorm änderte. Das Weimarer Kino war von einer ›exotischen‹ Ambivalenz ›Schwarzer‹ Rollen zwischen Faszination und Dämonie geprägt. In den 30er- Jahren gehörten Schwarze SchauspielerInnen zu den wenigen Privilegierten. Ihre Arbeit war mit der Chance zur Selbstinszenierung, Verweigerung und subjektiver Aufwertung verbunden (vgl. Nagl). Im Gegensatz dazu war der Alltag vieler gezeichnet von Diskriminierung und Verfolgung. Das Leben war geprägt von Übergriffen und Anfeindungen. Die Umstände hatten oftmals den Versuch zur Folge sich »unsichtbar« zu machen. Juliane Michael beschreibt diesen Alltag in Pagen in der Traumfabrik folgendermaßen: »Wir haben uns immer so verhalten, dass wir nicht auffielen. Manchmal wäre ich schon explodiert, aber dann dachte ich, das geht nicht.« Diese Realitäten sind verschüttet und somit unsichtbar. Im Nationalsozialismus verschlechterten sich die ohnehin prekären Lebensbedingungen schwarzer Deutscher beträchtlich. Zunächst wurden Bühnen und andere Unterhaltungsetablissements von Schwarzen Darstellern ›gereinigt‹. In der Filmbranche war das nicht der Fall, da man für die Kolonialspielfilme auf die Schwarzen Darsteller angewiesen war. In den Filmen dominierten jetzt jedoch ausschließlich Bilder stets unterwürfiger Dienstboten oder naiver ›Eingeborener‹, die den Herrschaftsanspruch Nazi-Deutschlands zu bestätigen hatten. In dieser Zeit war der Film für Schwarze eine der wenigen Arbeitsmöglichkeiten überhaupt. Werner Egiomue, Komparse, beschreibt die Situation beim Film mit folgenden Worten: »Das ist das Merkwürdige eben gewesen damals, wenn man in Babelsberg drin war, da passierte dir nichts, vor 30 | Nichtbilder der Tür wurde man verhaftet oder beleidigt, da drinnen waren sie alle einer Meinung.« Teilweise wurden die Komparsen später von Schwarzen Kriegsgefangenen abgelöst. Insgesamt wurden ca. 2 000 - 3 000 Schwarze in Konzentrationslagern ermordet 10. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Berufe für Schwarze wie Kellner, Artisten, Musiker und Tänzer meist mit einer Zurschaustellung einhergingen. Die erzwungene Einschränkung auf diese Berufe prägte das Bild des exotischen Fremden. Dieser Blick setzt sich durchaus bis in die Gegenwart fort, denn MigrantInnen sind auch heute in der Differenz gefragt, was Choi und Oulios folgendermaßen beschreiben: »Zu oft wird mittlerweile etwa von Bereicherung gesprochen – hört sich im ersten Moment gut an. Aber was heißt das? Bereicherung von was und für wen? Es gibt darin immer das Subjekt und das Objekt. Objekt bereichert Subjekt. Die weißen Deutschen haben es ganz gern, dass die Kanaken ihre Welt so bunt gestalten – farblich, kulturell, thematisch und die Beiträge in die Rentenkassen nicht zu vergessen. […] Wir waren genervt, dass MigrantInnen seit Jahrzehnten immer nur ihre Exotik präsentieren sollen.« (Choi/Oulios 2005, 223). 2.3 Widerstand: Antikoloniale Kämpfe Vor dem Hintergrund der mangelnden Diskussion um die deutsche Kolonialgeschichte ist es nicht verwunderlich, dass der Widerstand gegen diese unsichtbar blieb, und das, obwohl es durchaus bedeutenden Widerstand gegen die Kolonialmächte gab. Der Widerstand reichte von militärischen Aktivitäten über den alltäglichen Widerstand Einzelner bis hin zu symbolischen Aktionen. Zum militärischen Widerstand zählen beispielsweise 10 Beispielhaft sei hier die Geschichte von Mohammed Husen erwähnt. Er gehörte zu den meistbeschäftigten Komparsen und bekam auch kleine Sprechrollen. 1909 in Deutsch-Ost-Afrika geboren, arbeitete er als Askari - afrikanische Soldaten, die für die Kolonialmacht kämpften. Als ihm sein Kriegssold verweigert wurde, reiste er nach Deutschland, um diesen einzufordern. Doch seine Forderungen wurden abgelehnt. Er blieb in Deutschland und wurde Schauspieler. Seine Rollen stellten den Platz des Schwarzen Mannes als Diener und Unterlegener im Verhältnis zum Weißen Mann klar. 1941 wurde er wegen angeblicher Rassenschande verhaftet ins KZ Sachsenhausen deportiert. Dort starb er 1944 (vgl. Nagl 2004, 89). 31 | Nichtbilder die Kämpfe der Herero und Nama. Am 12. Januar 1904 begann in Deutsch-Südwestafrika (heutiges Namibia) der Aufstand der Herero. An der Spitze des Aufstandes stand Samuel Maharero – der zuerst mit den Deutschen paktiert hatte, um in den Auseinandersetzungen mit anderen Bevölkerungsgruppen einen Vorteil zu gewinnen. Nach Aufforderungen von u.a. Hendrik Witbooi, einem Führer der Nama, änderte er seinen Kurs und rief zum Aufstand gegen die deutschen Kolonisatoren auf. Dieser wurde jedoch blutig niedergeschlagen. Parallel zu den Hereroaufständen erhoben sich auch die Nama unter Hendrik Witbooi und Jakob Morenga im Süden des Landes in Form eines Guerillakrieges. Die 260 Aufständischen konnten sich der am Ende auf 15 000 Personen angewachsenen Schutztruppe mit ihrer geschickten Taktik von 1903 bis 1906 widersetzen. Im Deutschen Reich gab es angesichts des brutalen Vorgehens der deutschen Truppen Proteste – u.a. von August Bebel – gegen die Art der Niederschlagung der Aufstände. Der Einspruch führte dazu, dass General von Trotha, der die Operationen vor Ort leitete, entlassen wurde und die Konzentrationslager aufgelöst wurden (Rost 1992, 119). Die kolonialen Phantasien lebten auch nach der Abgabe der deutschen Kolonien an England und Frankreich fort, was sich insbesondere in den damaligen Filmproduktionen zeigte, wie bereits ausgeführt. Es gab jedoch auch Widerstand gegen die hegemonialen Repräsentationen. So wehrten sich koloniale MigrantInnen gegen die stereotypen Fremdrepräsentationen im Film. Damit traten sie in den Kampf um die Machtverhältnisse, um die Frage, wer darf wen wie definieren? Während der Filmproduktionen kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen um die Gage und die Produktionsbedingungen. Das wird beispielsweise aus den Äußerungen in der Filmpresse zu den Dreharbeiten von Fremdenlegionär Kirsch (1921) deutlich: »Es ist nicht immer leicht, einem Negerhirn begreiflich zu machen, dass ein Kohlentrimmer nicht in Lackstiefeln zur Arbeit antritt. Und barfüssig wollen die Herren Nigger auch nicht gehen, denn der Kohlenstaub, der den Boden stilecht belebte, hätte ihren zarten Füssen geschadet. Nach vielem Hin und Her gelang es endlich die widerspenstigen Herren zu einem Kompromiss zu bewegen.« (Aubinger 1921) Man könnte dies auch als Auseinandersetzung um die Diskrepanz zwi32 | Nichtbilder schen Darstellung und Lebensrealität von Schwarzen interpretieren, als Widerstand, an den Festschreibungen mitzuwirken. Von vielen Frauen wurden in den Kolonialfilmen verlangt, mit nacktem Oberkörper zu spielen, was dazu diente, das Klischee ›der fremden exotischen Schönheit‹ und zugleich ›der primitiven Wilden‹ zu festigen. Eine der wenigen, deren Verweigerung an den stereotypen Darstellungen mitzuwirken bekannt ist, ist Juliette Hiller Cruz, eine afrikanische Filmschauspielerin und Komparsin. Sie bestand darauf, bekleidet in den Kolonialfilmen aufzutreten – beispielsweise in Quax, der Bruchpilot mit Heinz Rühmann. Aufgrund dieser Weigerung wurde sie immer weniger engagiert. Ihr deutscher Ehemann, Adolf Hiller Cruz, unterstützte sie und verlor daraufhin seine Arbeitsstelle. Er gründete die Deutsche-Afrika-Schau in der Afrikaner und Schwarze Deutsche in Eigenregie bis 1939 diverse Vorstellungen durchführten. Ihr Fokus lag auf kulturellen Darbietungen und sie traten auf Jahrmärkten und nicht im Zoo auf (vgl. Pagen in der Traumfabrik). Gegen die schlechten Lebensbedingungen der MigrantInnen in Deutschland und gegen die rassistischen Darstellungen formierte sich auch auf einer alltagspraktischen Ebene Widerstand. So gründete der Schauspieler, Sänger, Musiker und Ringer Louis Brody (Ludwig Mbebe Mpessa 1892-1951) mit Peter Makembe und anderen MigrantInnen 1918 den Afrikanischen Hilfsverein zur Unterstützung kolonialer MigrantInnen bei der Arbeits- und Wohnungssuche. 1921 protestierte der Verein in der Presse gegen die »Schwarze-Schmach«-Kampagne, die auch außerhalb des Rheinlandes einzelne Übergriffe auf Schwarze zur Folge hatte (vgl. Nagl 2004, 85): »Die aus den ehemaligen Kolonien stammenden, jetzt in Deutschland ansässigen Schwarzen haben viel unter den in gewissen Zeitungen über die ›Schwarze Schmach‹ veröffentlichten Schilderungen zu leiden. Die Deutschen scheinen sich absolut nicht Rechnung zu tragen, dass sie selbst auch einmal Kolonien hatten und dass bis heute noch keine Entscheidung über das Schicksal der Eingeborenen der ehemaligen deutschen Kolonien getroffen worden ist; werden sie Angehörige der Entente oder bleiben sie Deutsche?« (Louis Brody in B.Z. am Mittag 24.5.1921, in: Nagl 2004, 85). 33 | Nichtbilder 2.4 Repräsentation von Widerstand im Bild: Nichtbilder Dass weder die deutsche Kolonialgeschichte noch der antikoloniale Widerstand in der Öffentlichkeit Relevanz besitzen, trägt zur Nichtexistenz der Darstellung von antikolonialem Widerstand im Bild bei. Die Bezeichnung Nichtbilder umfasst: 1. Widerstandsbilder, die nicht existent sind, da ein Großteil des Widerstandes nicht dargestellt bzw. festgehalten wurde, 2. Bilder, die nicht verbreitet wurden und 3. Bilder, die Widerstand zeigen, diesen aber denunzieren. Es macht zwar einen großen Unterschied, ob Bilder überhaupt nicht existieren oder ob sie nicht verbreitet wurden, in beiden Fällen handelt es sich jedoch meiner Definition nach um im Bildgedächtnis nicht vorhandene Bilder, also um Nichtbilder. Das bedeutet, der Widerstand existiert kaum im Bildergedächtnis – auch kaum im Textgedächtnis –, er ist nicht gegenwärtig, also unsichtbar. Präsent ist allein der Weiße Blick auf die koloniale Vergangenheit, in dem Stereotype weiter fortgeschrieben werden. An der am Anfang des Kapitels zitierten Aussage von Santu Mofokeng (geb. 1956 in Johannesburg, Fotograf seit 1985) zeigt sich wie weit reichend sich die Weiße Geschichtsschreibung durchgesetzt hat. Auch in der Schwarzen Selbstwahrnehmung haben sich diese Fremdzuschreibungen niedergeschlagen. 2.4.1 Nicht existente Bilder Viele Bilder, die antikolonialen Widerstand zeigen könnten, wurden erst gar nicht gemacht; das hat verschiedene Ursachen. Zum Einen gab es aus hegemonialer Sicht kein Interesse an Gegenperspektiven. Es existieren z.B. kaum Bilder, auf denen Hereros ihre Sicht auf die Weißen zeigen bzw. auf denen Schwarze Weiße fotografiert haben. Dies ist bedingt durch die Machtverhältnisse, da die Technik der Fotografie und die Verbreitungsmöglichkeiten für Bilder Schwarzen (und besonders Kolonialisierten) nur eingeschränkt zur Verfügung standen. Auch über alltäglichen Widerstand ist wenig bekannt. Vermutlich erschien er aus dem damaligen hegemonialen Geschichtsverständnis heraus nicht dokumentationswürdig zu sein. Explizitere Formen des Widerstands dagegen waren schwer zu dokumentieren aufgrund von drohender Repression (Ordnungskräfte, Militär, etc). Auch wenn diese Formen der Doku34 | Nichtbilder mentation aus heutiger journalistischer Perspektive denkbar wären, waren doch die Fotoapparate damals zu groß und behäbig für solcherlei Einsatz. Zwar sind die Widerstandsgeschichten zumindest bei den Überlebenden der Kämpfe und deutschen Massaker wie auch bei deren Nachfahren durch Bilder im persönlichen Gedächtnis präsent. Da die orale Erzähltradition jedoch andere, brüchigere Kontinuitäten schafft als Schrift und Bild und sich auf die Familiennarration oder auf einen bestimmten ethnischen Zusammenhang beschränkt, besitzen diese Bilder nicht die gleichen Durchsetzungsmöglichkeiten wie die Bilder der KolonisatorInnen. »Bilder im Kopf« besitzen keine repräsentative Funktion, auch wenn sie Individuen in ihrem Selbstbild und -verständnis durchaus stärken können. So lange ihnen eine offizielle Anerkennung versagt bleibt, bilden sie jedoch ›nur‹ eine Innenperspektive ab. Statt die sozialen und politischen Realitäten abzubilden, versuchten die FotografInnen der frühen Jahre den rassistischen anthropologischen Klischees etwas anderes entgegenzusetzen: Sie zeigten lokale Umgebungen und Leute mit dem Ziel, die verlorene Würde wiederherzustellen (Willis 1999, 381). Diese Erkenntnis lässt mich den Widerstandsbegriff bei der folgenden Betrachtung von Widerstandsbildern weiter fassen. 2.4.2 Nicht verbreitete Bilder Dieser Abschnitt will den Bildern Rechnung tragen, die keine große Wirkungsreichweite erlangt haben, also nur in bestimmten Szenen und lokalen Kreisen präsent waren und sind. »Nicht verbreitet« bezieht sich insofern sowohl auf die Bilder an sich als auch auf das Wissen um ihre Existenz und Entstehungsgeschichte. So existieren Porträts der Anführer der Aufstände wie Maharero und Witbooi (s. Abb. 1+2). In diesen Repräsentationen werden Stärke und Stolz gezeigt. Die Fotografierten bestimmen über ihre Präsentation mit – sie posieren. Maharero steht dort mit herausgestreckter Brust, in Uniform, in leichter Unterperspektive, was seine Größe hervorhebt. Im Unterschied dazu zeigt sich Witbooi als Guerillakämpfer in einfacher Kleidung mit Gewehr in der Hand und in Gruppenportraits. Dies betont seine Identifikation mit der Gruppe von Widerstandskämpfern, er ist einer unter 35 | Nichtbilder vielen. Gemeinsam ist den Bildbeispielen der Vorbildcharakter: Sie zeigen, dass Widerstand möglich ist und machen ihn so erst vorstellbar für die BetrachterInnen. Diese Bilder sind einerseits Gegenbilder, da sie AfrikanerInnen als Führungskräfte zeigen, die sich gegen die Kolonialmächte auflehnen und somit auch gegen andere Bilder intervenieren. Ich zähle sie allerdings zu den Nichtbildern, da ihr Verbreitungsgrad so marginal ist, dass sie vermutlich kaum Wirkung hatten und haben oder sie denunziatorisch gewendet wurden. Beispielsweise wurde eine Fotografie, die Samuel Maharero von Hendrik Witbooi aufnahm, mit der Bildbeschriftung »der feige Oberhäuptling« versehen als Postkarte verbreitet (vgl. Ausstellung Bilder verkehren). 1 36 | Nichtbilder 2 Zu nicht verbreiteten Widerstandsbildern gehören für mich auch viele Aufnahmen afrikanischer FotografInnen, da sie die gesellschaftlich hegemoniale Wahrnehmung von Schwarzen zu dieser Zeit unterlaufen und in Frage stellen. Schwarze FotografInnen prägten die Fotografie seit ihren Anfängen11 und hatten Teil an ihrer Geschichte als Daguerreotypisten, Journalisten, Künstler, Porträtfotografen, Studio- und DokumentarfotografInnen (vgl. Willis 1999, 380). »The fact that African photography developed simultaneously with photographs elsewhere is perhaps the most important thing to bear in mind«12 (Einleitung Anthology, 7). Im Gegensatz zu den Fremddarstellungen fanden die Selbstdarstellungen afrikanischer und afroamerikanischer FotografInnen zur Kolonialzeit – vor allem damals, aber auch heute – wenig bis keine Verbreitung. Die Intention der Produktion dieser Bilder war nicht an die Öffentlichkeit gerichtet, sondern man wollte das Abbild von Prominenten und Familien für die Nachwelt erhalten (vgl. Willis 1999, 380). Die erste Fotografieausstellung (Daguerrotypien) eines Schwarzen Fotografen – Jules Lion – fand am 15. März 1840 in New Orleans statt, sechs Monate nach der Veröffentlichung der Entwicklungen in Frankreich, Paris (vgl. Willis 1999, 380). Eine Art aufklärerischen Fotojournalismus betrieb James Presley Ball (1825-1905) in Cincinnati, Ohio und Connecticut. Er enthüllte mit seinen Fotos die »Inhumanität« der Sklaverei. Die Fotografie The Hanging of William Biggerstaff (1896) von Ball (s. Abb. 3) zeigt den Körper eines Mannes, der am Morgen des 6. April 1896 den Tod durch den Strick erlitt. Er wurde für schuldig befunden im Streit einen anderen Mann getötet zu haben. Biggerstaffs Schwarzer, toter Körper befindet sich zwischen zwei lebenden Weißen. Dadurch scheint das Bild einen unüberbrückbaren Unterschied zwischen den abgebildeten Körpern anzudeuten, als sei der Unterschied zwischen Schwarz und Weiß so gewaltig wie der zwischen 11 Niepce erfand 1827 in Frankreich die camera obscura und 1839 Louis Jacques Mandé Daguerre die Daguerreotypie. 12 »We do not attempt to define what African photography is, or to present it as homogeneous in any way. On the contrary, the intention is to include all the techniques and forms of artistic expression that have been represented on the continent making no assumptions about an African style or specific African identity.« (Einleitung Anthology, 6). 37 | Nichtbilder 3 Leben und Tod. Dieses Bild steht außerdem symbolisch für die Verurteilung eines Schwarzen ehemaligen Sklaven durch das von Weißen Amerikanern eingesetzte und geleitete Rechtssystem. Die Wechselbeziehung zwischen dem Fotografen und dem Bild beeinflusst auch die Rezeption des Bildes, denn Ball war ein freier Afroamerikaner, der in den Jahren nach dem Bürgerkrieg viele Aufnahmen im Westen der Vereinigten Staaten machte und das Leben Schwarzer Amerikaner dokumentierte (vgl. Pultz 1995, 34f). Das Bild scheint ›wahrheitsgetreu‹ das Geschehen abzubilden, wenn man aber den historischen und kulturellen Kontext mitdenkt, dann entfaltet sich der Bedeutungsspielraum dieses ›rein‹ dokumentarisch erscheinenden Fotos. Indem Fotos eine marginalisierte Lebensrealität sichtbar machen, können also auch dokumentarische Fotos eine widerständige Entstehungsgeschichte beinhalten. Um einen weiteren Aspekt widerständiger Bildproduktion geht es bei der Studio- und Porträtfotografie. Liberia und Sierra Leone waren Anfang des 19. Jhs. Gebiete, die von emanzipierten und weggelaufenen Sklaven aus den Vereinigten Staaten zum Leben bevorzugt wurden. In Sierra Leone begannen in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts ehemalige Sklaven, die sich selbst Kreolen nannten, als Fotografen zu arbeiten. Beispielsweise entwickelte sich in der Republik Freetown die Portätfotografie (vgl. Viditz-Ward 1999, 38). Diese Bilder brechen mit dem vorherrschenden Weißen Blick auf Afrika als ›unterentwickeltem‹ Kontinent. Das Porträt The Baker Family von WS Johnston 13 zeigt eine gut situierte Schwarze Familie um 1870 in Sierra Leone (s. Abb. 4). Im Zentrum steht der Mann, der Einzige, der sich repräsentiert. Zunächst scheint es keinen Anhaltspunkt für ein Widerstandsbild zu geben. Dieses Bild verweist jedoch auf die Existenz einer Schwarzen wohlhabenden Lebensrealität zu dieser Zeit, die fast völlig undokumentiert ist. So berichtet der Fotograf Santu Mofokeng (s. Zitat am Anfang des Kapitels), dass diese Porträts bzw. das Wissen um die Existenz dieser Menschen in seiner Sozialisation nicht vorhanden war (vgl. Viditz-Ward 1999, 270). Diese Form der afrikanischen Studiofotografie könnte man auch als Bilder 13 Johnston’s Fotografien finden sich in Archiven in London sowie in privaten Sammlungen in Freetown (Viditz-Ward 1999, 38). 39 | Nichtbilder 4 gegen die hegemonialen Abwertungen von Schwarzen als »arm, faul und dumm« etc. interpretieren. Was im Kontrast zu den ethnografischen Aufnahmen besonders auffällt, ist, dass in diesen Aufnahmen die Leute ins Bild sehen, also selbst aktiv in den Produktionsprozess des Bildes eingebunden sind. Die Hintergrunddekoration im viktorianischen Stil weist eine starke Orientierung an europäischen Statussymbolen auf, wie sie für die Anfänge der Porträtfotografie charakteristisch ist. Ein anderes Beispiel für Porträtaufnahmen ist die Karte von Meı̈ssa Gaye: Women aus Saint-Louis, Senegal von ca. 1920 (s. Abb. 5). Gaye war der berühmteste Fotograf in Saint-Louis in den 1940ern. 5 41 | Nichtbilder 2.4.3 Denunziatorische Bilder Viele der Bilder, die real existieren, zeigen den Widerstand in einer denunziatorischen Weise. Beispielhaft sind hier die Werbepostkarten für Aecht-Kaffeemühlen (s. Abb. 6), die den kolonialen Diskurs widerspiegeln. Die Herero werden als Barbaren dargestellt, die ›unschuldige‹ Farmer ermorden und plündern, ohne dass der Hintergrund dieser Aktionen – die Wiederaneignung des ›eigenen‹ Landes und Besitzes – thematisiert wird. Hierdurch wird der Weiße Farmer als Opfer konstruiert. Diese Bilder hinterlassen unweigerlich den Eindruck, dass die Gewalt von den Herero ausgeht. Die Postkarten könnte man als inszenierte Bilder ansehen, in denen das denunziatorische Moment im Bild selbst konstruiert wird. Der Kontext wird hier natürlich auch durch die Bildunterschrift hergestellt. Die Diagonale in der Komposition von rechts oben nach links vorne führt den Betrachter zu dem gefesselten Weißen Mann. Dieser steht groß im Vordergrund des Bildes und dient als Identifikationsangebot. 6 Die Postkarte im allgemeinen steht repräsentativ für die koloniale Bildproduktion, mit der große Firmengründungen einhergingen: Fotografien als Postkarten, Einzelabzüge und Fotoalben sowie gezeichnete Karten wurden ab Beginn der 50er Jahre des 19. Jahrhunderts für den europäischen Markt produziert (Offizielle Einführung der Postkarte in Deutschland um 1870, (vgl. Weidmann 1996, 13)), um die koloniale Expansion zu zelebrieren und zu legitimieren (vgl. Pultz 1995, 21). 42 | Nichtbilder 1.5 Weiterführende Überlegungen Widerstand wird unsichtbar gemacht durch die fehlende Verbreitung der Bilder, durch seine denunziatorische Darstellung und durch das Nichtvorhandensein von technischen oder materiellen Möglichkeiten zur Bildproduktion. Nichtbilder sind diejenigen Bilder, die erst noch erstellt bzw. entgegen der Bildhegemonie sichtbar gemacht werden müssen. Nichtbilder sind die Bilder, die nicht abgebildet sind, nicht ausgewählt wurden, nicht existent sind, nicht gesehen werden, verschwiegen werden. Der Begriff Nichtbilder markiert eine Leerstelle. Ein zentrales Moment für die rassistischen Zuschreibungen ist und war der Versuch, die Durchsetzung von Machtinteressen – d.h. territoriale Gewinne und ökonomische Einflusssphären – zu legitimieren. Das bedeutet, dass sich die Zuschreibungspraxen und rassistischen Bilder je nach Bedarf und Kontext ändern. Besonders wichtig erscheint mir, dass MigrantInnen aufgrund ökonomischer und politischer Ausschlussmechanismen immer wieder in bestimmte Berufe »gezwungen« wurden, welche die rassistischen Bilder bestätigen (sollten). Es stellt sich die Frage, ob und wie sich unsere Bilderwelt verändert, wenn die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit in Sprache und Bild kolonialem Denken verhaftet bleibt. Wie kann mit diesen Bildern umgegangen werden und wie können andere Quellen zugänglich gemacht werden? Wie könnte eine kritische Darstellung von Täterbildern, hier also Kolonialherren aussehen? Geschichtsschreibung ist auch eine Frage von Bildpolitik. Wie also können die Leerstellen sichtbar gemacht oder durch neue Bildgeschichten gefüllt werden? Zusammenfassend ergeben sich mehrere Möglichkeiten: Widerstand muss sichtbar gemacht werden, indem vielfältige Perspektiven und Lebensrealitäten in der Bildproduktion und –auswahl berücksichtigt werden. Die verwendeten Quellen müssen überprüft werden, um auf eine gleichberechtigte Repräsentationspolitik in Bezug auf die Abgebildeten und die Abbildenden zu achten. Außerdem besteht die Herausforderung, die nicht abgebildeten Geschichten zu visualisieren. Mit dem vorhandenen Material aus Weißer Perspektive könnte in dekonstruierender Manier durch verschiedene Methoden wie etwa Collagetechniken, Verfremdung u.a. verfahren werden. 43 | Nichtbilder III »Wir müssen unser eigenes Bewußtsein von uns selbst ändern. Wir müssen einander mit neuen Augen sehen. Wir müssen einander mit Wärme begegnen.« (Malcom X, in: Hooks 1999) 3 Gegenbilder Sichtbarkeit: Widerstand gegen Rassismus in den 60ern Gegenbilder setzen an der Leerstelle an, welche durch Nichtbilder hinterlassen wird: Gegenbilder treten den Strategien des Schweigens, Unterdrückens und Denunzierens, d.h. der Praxis der Nichtbilder offensiv entgegen. Ihr Ziel ist es, Widerstand zu benennen und sichtbar zu machen, sie sind Teil des Widerstands. Indem sie widerständige Praxen ins Bild setzen und die Verhältnisse benennen, gegen die sich der Widerstand richtet, bilden sie eine Art Resonanzkörper des Widerstands; sie geben ihm eine weithin sichtbare und verstehbare Stimme und leisten auf diese Weise einen Beitrag zu seiner Ausweitung und Intensivierung. Im antirassistischen bzw. antikolonialen Kontext sind Gegenbilder im großen Maßstab im Zuge der Bürgerrechtsbewegung in den 1950er und 1960er- Jahren in den USA zum Tragen gekommen. Ich möchte deshalb anhand dieser Erfahrungen die Funktionsweise von Gegenbildern erläutern. Dafür werde ich zunächst – wie bereits im vorangegangenen Kapitel – den historischen Kontext skizzieren und im Anschluss daran einige Bilder exemplarisch besprechen. 3.1 Kontext des Widerstandes: Rassismus in den USA Auch wenn Schwarze in den USA formal bereits seit dem 19. Jahrhundert den Weißen rechtlich gleichgestellt waren, so herrschte doch eine tiefe Kluft; dem lag das Urteil des Supreme Court von 1894 zugrunde, wonach die Devise seperate but equal gelten sollte. Konkret drückte sich das nicht nur in weitgehender Segregation zwischen Weißen und Schwarzen aus – diese herrschte in Schulen, Kirchen, öffentlichen Gebäuden, Bussen und Zügen, selbst auf Toiletten –, sondern auch in einer massiven rechtlichen, kulturellen und sozio-ökonomischen Diskriminierung der Schwarzen Bevölkerung. 1958 war die Arbeitslosenquote der Schwarzen mit 10% doppelt so hoch wie die der Weißen. 40% der Schwarzen Erwerbstätigen arbeiteten als ungelernte Arbeiter. Der Verdienst von 75% der Schwarzen betrug weniger als das Jahresdurchschnittseinkommen von Weißen. Berufliche Aufstiegsmög47 | Gegenbilder lichkeiten gab es für Schwarze nur sehr wenige – wenn, dann vor allem im Sport und Show- und Musikgeschäft (vgl. Demny 2001). Auch bei Wahlen existierte eine starke Benachteiligung. Zum einen wurden im Süden Wahlsteuern erhoben, die arme Weiße und Schwarze vom Wählen abhielten, zum anderen gab es ungerecht eingeteilte Wahlkreise 14. Kulturelle und symbolische Diskriminierung war ebenso an der Tagesordnung, so wurden etwa Schwarze Männer jeden Alters von Weißen »boy« gerufen. Die Weiße (symbolische) Ordnung wurde und wird auch durch das Negieren Schwarzer Geschichte aufrechterhalten: »Ich war in dem Glauben aufgewachsen, dass die Sklaven nie Widerstand geleistet hatten. Ich erinnere mich, dass ich mich schämte, als wir die Sklaverei in der Schule durchnahmen. Die Lehrer stellten es so dar, als wenn die Schwarzen mit der »offiziellen« Emanzipation von der Sklaverei rein gar nichts zu tun gehabt hätten. Es waren Weiße, die uns befreit hatten. […] Es ist wichtig zu begreifen, dass der Bürgerkrieg nicht geführt wurde, um die Sklaven zu befreien. Es war ein Krieg zwischen zwei ökonomischen Systemen…« (Shakur 1996, 222). Des Weiteren bestand existentielle Gefahr durch rassistische Polizeigewalt und -diskriminierung: »Der Polizeifunk quäkt den ganzen Tag ›Ein Wagen mit verdächtig aussehenden Farbigen – ein weißes Ford Coupé.‹ – ›Ein verdächtig aussehender Neger in einer blauen Jacke und Turnschuhen. Treibt sich in der Nähe des Krankenhauses rum.‹ Keine verdächtig aussehenden Weißen werden gemeldet.« (Shakur 1996, 21). Auch wurden Schwarze vom Ku-Klux-Klan 15 und anderen terrorisiert. 14 Zwischen 1960 und 1970 stieg im Zuge der erfolgreichen Proteste gegen diese Praxis die Zahl der als WählerInnen registrierten Schwarzen von 20% auf über 60%. 15 Der Ku-Klux-Klan (abgekürzt KKK) ist ein noch heute bestehender, rassistischer Geheimbund in den Südstaaten der USA. Die Mitglieder des Klans tragen weiße Kapuzengewänder, welche die Geister der im Amerikanischen Bürgerkrieg gefallenen Konföderationssoldaten repräsentieren, die vom Tode auferstanden sind,um sich an ihren Feinden zu rächen. Der originale Ku-Klux-Klan wurde am 24. Dezember 1865 in Pulaski, Tennesse aus einer Laune heraus von sechs jungen Kriegsveteranen gegründet. Dieser ursprüngliche Klan hatte keine politische Zielsetzung, die Männer wollten eigentlich nur der tödlichen Langeweile der Nachkriegsära entkommen und spielten der Öffentlichkeit Streiche. Unter anderem tarnte man sich bei nächtlichen Ritten durch die Landschaft mit Weißen Bettlaken. Eine politische Dimension bekam der Klan erst, als man erkannte, dass sich vor allem die abergläubischen ehemaligen Sklaven von den nächtlichen Ausritten einschüchtern ließen. Schon bald erhielt der Klan deshalb Zustrom aus dem ganzen Süden der USA (vgl. Wikipedia). 48 | Gegenbilder 3.2 Widerstand: Antirassistische Praxen Aus diesem gesellschaftlichen Rahmen entwickelte sich seit den 50er- Jahren die Schwarze Bürgerrechtsbewegung. Ihre Ziele bewegten sich zwischen Integration und Separation, Assimilierung und Schwarzem Nationalismus. Die Bürgerrechtsbewegung war in ihren Methoden anfangs vergleichsweise moderat, zum Teil explizit pazifistisch. Dies änderte sich zunehmend, je stärker der Widerstand durch die Weißen wurde. Mit den Black Panthers gründete sich 1966 erstmalig eine Partei, die sich zur bewaffneten Selbstverteidigung bekannte. Hintergrund hiervon war nicht zuletzt, dass bis dahin zahlreiche BürgerrechtsaktivistInnen ermordet worden waren, unter ihnen Malcolm X 16. Die Entstehung der Bürgerrechtsbewegung verdankt sich vor allem zwei prominenten Ereignissen in den 50er-Jahren. 1954 hob das Supreme Court im Fall »Oliver Brown vs. Board of Education of Topeka« die seperate but equalDevise auf und erklärte Rassentrennung an den Schulen für verfassungswidrig. Trotzdem zögerten viele südliche Bundesstaaten die Umsetzung des Gerichtsurteils heraus, noch 1960 war die ›Rassen‹trennung nicht an einer einzigen Schule in South Carolina, Georgia, Alabama, Missisippi oder Louisiana aufgehoben. Als der Gouverneur von Arkansas 1957 Schwarzen SchülerInnen den Zugang zu einer High School in Little Rock verweigerte, schickte Präsident Eisenhower Truppen in den Süden und stellte die Nationalgarde von Arkansas unter Bundesaufsicht. Seitens der Schwarzen Community nahm der Kampf gegen Rassentrennung an den Schulen von Anfang an eine prominente Stellung in ihrem Kampf für gleiche Rechte ein. Das andere einschneidende Ereignis war der Busboykott von Montgomery. Rosa Parks, eine 43 Jahre alte Schwarze Schneiderin, wurde am 1. Dezember 1955 in Montgomery, Alabama dafür verhaftet, dass sie sich geweigert hatte, ihren Sitzplatz im vorderen Teil eines Busses einem Weißen zu überlassen. Sie war damit die fünfte Person, die in diesem Jahr wegen eines Verstoßes gegen lokale ›Rassen‹trennung festgenommen wurde. Dies war 16 Malcom X ersetzte den Nachnamen des früheren Sklavenhalters Malcolm Little durch ein »X« für unbekannt. 49 | Gegenbilder der Start für den Montgomery Bus Boycott, der die Busunternehmen zwei Drittel ihres Umsatzes kostete und 381 Tage dauerte. Dann entschied der Supreme Court auf Grundlage der vorangegangen Fälle der ›Rassen‹trennung in der Schule, dass ›Rassen‹trennung in den Bussen gegen die Verfassung verstößt (vgl. Wikipedia). Der Baptistenprediger Martin Luther King, der den Montgomery-Bus-Boykott maßgeblich mitorganisiert hatte und dafür sehr empfindliche Strafen hatte hinnehmen müssen, galt schnell als Leitfigur der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung. 1957 hatte Martin Luther King die Southern Christian Leadership Conference (SCLC) gegründet, deren erklärtes Ziel es war, mit gewaltlosen Aktionen die rechtliche Gleichstellung von Schwarzen zu erreichen. Bald gründeten sich auch andere Organisationen, etwa das Student Non-violent Coordinating Committee (SNCC). Konkret richtete sich der Protest gegen Segregation – ob in Restaurants und Bars, in Schulen oder öffentlichen Verkehrsmitteln. Dabei bedienten sich die StudentInnen oftmals (damals noch) spektakulärer Aktionsformen wie Sit-ins und »freedom rides« (Busfahrten Schwarzer und Weißer BürgerrechtlerInnen). Darüber hinaus ging es auch um Wahlrechtskampagnen, insbesondere Anfang der 60er- Jahre. Die SNCC konzentrierte sich zudem auf die Communities selbst und versuchte zusammen mit den Menschen längerfristig angelegte, selbstorganisierte Strukturen zu entwickeln (vgl. Demny 2001). King wiederum reiste allein im Jahr 1957 über 1 Million Kilometer und hielt auf Demonstrationen und Kundgebungen über 200 Reden. Am 28. August 1963 kam es zum berühmten Marsch auf Washington, an dem ca. 200 000 Schwarze und Weiße teilnahmen. Hier hielt King auch seine berühmte Rede: »I have a dream«. Ein weiteres wichtiges Ereignis war der Marsch von Selma nach Montgomery 1965. Empört über die Tötung eines Demonstranten durch einen Polizisten, entschlossen sich Schwarze von Marion, Alabama, einen Marsch zu veranstalten, den Martin Luther King nach Montgomery, der Hauptstadt, führen sollte. Ziel des Marsches war es, die Brutalität der Polizei zu stoppen und Aufmerksamkeit auf den Kampf für das Wahlrecht zu lenken. Der Marsch wurde an der Stadtgrenze von der Polizei gewaltsam aufgelöst und Demonstranten in ein Schwarzes Wohnviertel gejagt, wo sie genauso wie unbeteiligte AnwohnerInnen geschlagen wurden. 50 | Gegenbilder Der blutige Sonntag erhielt nationale Aufmerksamkeit und zahlreiche Märsche wurden daraufhin als Antwort organisiert. Präsident Johnson hielt im Kongress eine flammende Rede, und im gleichen Jahr noch (Severin 2000, 106) wurde der Voting Rights Act 17, in dem allen die Wahlrechte zugesichert wurden – gewissermaßen als Ergebnis des blutigen Sonntags – verabschiedet. Konkret hieß das u.a., dass Wahlsteuern und die Schreibprüfung als Bedingung, wählen zu dürfen, verboten wurden (vgl. Demny 2001). Entscheidend war, dass die Praxis der Bürgerrechtsbewegung auf erbitterte Gegenwehr der lokalen Weißen Bevölkerung stieß: So wurden mehr als zehn BürgerrechtlerInnen bis Anfang der 60er- Jahre ermordet, Häuser und Kirchen von Schwarzen wurden durch Bomben oder Brand zerstört – in Missisippi etwa brannten allein zwischen Juni und Oktober 1964 24 Kirchen nieder – und der Ku-Klux-Klan wurde auch wieder aktiv, seine Mitglieder paradierten öffentlich gegen ›Rassen‹gleichheit (vgl. Demny 2001). Nicht zuletzt diese Situation führte zur Radikalisierung von Teilen der Bürgerrechtsbewegung. Das bekannteste Beispiel ist sicherlich die Nation of Islam, eher bekannt als Black Muslim. Ihre Wurzeln lagen in nationalistischen Strömungen unter den Schwarzen, die sich seit 20er- Jahren ausgebreitet hatten: Die Nation of Islam war eine religiöse Sekte mit strengen Regeln: kein Alkohol, kein Rauchen, keine Drogen im Allgemeinen, kein Tanzen, Flirten, Kino, schuldhafter Verlust des Arbeitsplatzes etc. Sie war religiös und sozial aktiv, hatte eigene Restaurants, Schulen und Universitäten sowie eine eigene Selbstverteidigungsgruppe. Sie vertrat eine Ideologie, wonach die Schwarze Rasse die überlegene sei. Angestrebt wurde ein Schwarzer Staat auf dem Boden der USA. Sie hatte bis zu 150 000 Mitglieder in 27 Bundesstaaten. Außerdem predigte sie Schwarzes Selbstbewusstsein – und konnte vor allem unter Ex-Süchtigen und (Ex-)Inhaftierten viele Anhänger rekrutieren. Auch ihr späterer charismatischer Führer Malcolm X wurde im Gefängnis rekrutiert. Er hatte eine Karriere als Kleinkrimineller hinter sich, saß im Gefängnis 17 Ein Jahr vorher am 2. Juli 1964 wurde der Civil Rights Act unterzeichnet, das neue Bürgerrechtsgesetz, das die Diskriminierung von Schwarzen aufhebt. 51 | Gegenbilder und konvertierte zum Islam. Schnell stieg er nach seiner vorzeitigen Entlassung 1952 zum bedeutendsten Führer und Organisator der Organisation auf. Er predigte die ›Rassen‹theorie der Organisation – genauso wie extremen Sexismus und Antisemitismus (vgl. Scharenberg 2005). In Abgrenzung zu Dr. Martin Luther King bekannte sich Malcolm X zum Recht auf Selbstverteidigung, rassistische Unterdrückung müsse »by any means necessary« 18 bekämpft werden, denn »mit Knien und Beten erkämpft man sich kein Recht.« Ab 1963 entfernt sich Malcolm X zunehmend von der Nation of Islam sowie von seinem Dogmatismus und Biologismus und beginnt, viele seiner früheren Konzepte und Ideen zu kritisieren. Am 21.2.1965 wird er mutmaßlich von Nation of Islam- Aktivisten – ob neben der Nation of Islam nicht auch die Bundespolizei FBI in seinen Tod verstrickt war, ist noch immer ungeklärt, Indizien hierfür gibt es jedenfalls einige – während einer Ansprache im Audubon Ballroom in Harlem erschossen (vgl. Scharenberg 2005). Als Reaktion auf die Ermordung vom Malcolm X kommt es zu schweren Unruhen, in deren Verlauf über 300 Schwarze durch Militär und Polizei getötet werden. Je konfrontativer das Klima wurde, desto stärker wurde auch der Ruf nach Black Power. Zwei junge Schwarze in West-Oakland, Kalifornien, Huey Newton und Bobby Seale, gründeten in diesem Sinne Anfang 1966 die Black Panthers Party for Self-Defence, um die Ideen von Malcolm X fortzuführen. Der Zusatz Selbstverteidigung war bewusst als Abgrenzung zu gewaltlosen Gruppierungen gewählt worden, denn im Gegensatz zu diesen übten sich die Black Panthers auch im Waffenumgang zum Selbstschutz, um in ihren Wohngebieten gegen den gewalttätigen Rassismus anzutreten und gleichzeitig die Polizei bei deren Arbeit zu überwachen und gegen gewalttätige und/oder willkürliche Verhaftungen einzuschreiten. Schon im Jahr darauf waren über 100 Mitglieder registriert. Die Gruppe brachte eine eigene Zeitschrift, the black panthers, black community news service in einer Auflage von 5 000 Stück heraus. Dieses Organ wuchs 18 Malcolm X bezog sich auf Beschlüsse der Vereinten Nationen, die besagten, dass jedes Volk das Recht habe, sich bei »any means necessary« vom kolonialen Joch zu befreien (Shakur 1996, 72). 52 | Gegenbilder bis zu einer Auflage von 125 000 Stück an. Es wurden soziale Projekte, wie ein Frühstück für alle Kinder, Gesundheitsstationen, Rechtsberatung sowie in einigen Fällen der Kampf gegen Drogendealer und Zuhälter organisiert. Eines der prominentesten Mitglieder der Black Panther Party wurde Angela Davis. Als 1970 George Jackson wegen seiner Mitgliedschaft in der Black Panthers Party verhaftet wurde, schlug ihm Davis vor, ein Buch über seine Haftbedingungen zu schreiben, was er mit Soledad Brother auch tat. Aufgrund dieser Verbindung wurde sie wenig später verhaftet. Jacksons Bruder Jonathan Jackson hatte in einem Gerichtssaal eine Schießerei mit der Polizei begonnen, und Davis wurde vorgeworfen, die Waffe für diesen Überfall geliefert zu haben. Seit diesem Vorfall saß sie in Untersuchungshaft, ihr drohte wegen des Vorwurfs der »Unterstützung des Terrorismus« die Todesstrafe. Ein enormer Protest in der Öffentlichkeit entstand gegen ihre Verhaftung. Sie wurde nach zwei Jahren in allen Punkten der Anklage freigesprochen. Assata Shakur 19 über Davis: »Ich wußte, wer sie war, ich hatte alle Zeitungsausschnitte über sie in meinem Archiv. Sie war die Schwester, die ihren Job an einem amerikanischen College verloren hatte, weil sie allen erzählt hatte, sie sei Kommunistin und wem das nicht gefalle, der könne sich zu Teufel scheren« (Shakur 1996, 261). Die Black Panther gehörten schon bald zu den am stärksten durch FBI und andere Sicherheitsbehörden überwachten und verfolgten Gruppen. Am Ende des Jahrzehnts waren 28 AktivistInnen getötet worden, viele waren im Exil oder saßen im Gefängnis. Hinzu kamen innere Probleme, so dass die Gruppe bis Mitte der 70er- Jahre mehr und mehr zerfiel. Die Radikalisierung der Schwarzen Bürgerrechtsbewegungen führte in den Sommern 1965 bis 1967 regelmäßig zu massiven Unruhen in den großen Städten – häufig ausgelöst durch Polizeiübergriffe auf Schwarze oder Ähnliches, mit Hunderten von Toten, Tausenden Verletzten, Tausenden geplünder- 19 Shakur genießt seit Mitte der 80er politisches Asyl auf Kuba. Sie war Anfang der 70er Jahre als führendes Mitglied der Black Panther Party und Militante der Black Liberation Army untergetaucht. Sie wurde 1973 angeschossen und verhaftet. 1977 wurde sie zu lebenslanger Haft verurteilt und 1979 nach sechs Jahren Gefängnis von der BLA befreit. 53 | Gegenbilder ten Geschäften und niedergebrannten Gebäuden, Zehntausenden Inhaftierten etc. An den Kämpfen waren stets Polizei und Nationalgarde sowie Militär beteiligt. Zu den mit am heftigsten Kämpfen kam es, nachdem King (der 1964 den Friedensnobelpreis erhalten hatte) am 4. April 1968 ermordet worden war (vgl. Severin 2000, 106). In den späten 60er- Jahren verschmolz die Bürgerrechtsbewegung zunehmend mit der Anti-Kriegsbewegung. Auch die wachsende feministische Bewegung war ein wichtiger Teil der Black Power Bewegung wie auch ein entscheidendes Auseinandersetzungsforum über Verflechtungen von Rassismus und Sexismus sowie in Bezug auf die Infragestellung eurozentristischer Weißer Sichtweisen (siehe auch im Kapitel Auflösende Bilder). Insgesamt erreichte die Bürgerrechtsbewegung in rechtlicher und sozialer Hinsicht viel – zumindest gemessen an den frühen 50er- Jahren. Parallel zur zunehmenden Auflösung der Bewegung bemühten sich seit den frühen 70er- Jahren (nun erst war dies möglich) Schwarze PolitikerInnen in Wahlen um Mandate, Ämter etc., auch und gerade im Süden. Dies ging einher mit der allmählichen Herausbildung einer Schwarzen Mittelklasse. 3.3 Repräsentation von Widerstand im Bild: Gegenbilder Die Aktivitäten der Bürgerrechtsbewegung wurden von Anfang an intensiv von sympathisierenden oder selbst aktiv beteiligten FotografInnen begleitet – etwa durch Moneta Sleet Jr. 20 aus New York/Chicago oder Jack T. Franklin aus Philadelphia. Robert Sengetacke, Howard Bingham, Jeffrey Scales und Brent Jones fotografierten die Aktivitäten der Black Panther Party im Norden und an der Westküste. FotografInnen des SNCC wie Doug Harris, Elaine Tomlin und Bob Fletcher dokumentierten die Wahlregistrierungskampagnen im Süden (vgl. Willis 1999, 382). Möglich wurde dies dadurch, dass Kameras ab den frühen 60er Jahren erschwinglich wurden und sich Fotografieren zunehmend zu einem Massenphäno- 20 Er gewann 1969 als erster Afroamerikaner den Pulitzer Preis für Fotografie für seine Bilder vom Begräbnis von Dr. Martin Luther King jr. und die von Mrs Coretta Scott King und ihrer Tochter (s. links) (vgl. Willis 1999, 382). 54 | Gegenbilder men entwickelte. Begleitet war dies von der Überzeugung, dass eigenhändig fotografierte Bilder ein ideales Medium seien, die eigene Persönlichkeit bzw. den eigenen Lebensstil zu dokumentieren, was sich für viele Schwarze FotografInnen mit den Ideen von Black Power und einem neu erwachenden Selbstbewusstsein der Schwarzen verband. Gegenbilder lassen sich nicht auf einen Nenner bringen, da sie ganz unterschiedliche Funktionen erfüllen: sie machen 1. Widerstand sichtbar, d.h. sie repräsentieren Gegenmacht; sie stärken 2. Gegenwahrnehmungen und fungieren auf diese Weise als Identifikationsangebote; schließlich haben sie 3. auch eine dokumentarische Funktion und machen auf diese Weise die Lebensrealität von Menschen, die von Diskriminierung und Ausbeutung betroffen sind, sichtbar. Ich möchte dies nun anhand einiger Bilder aus der Bürgerrechtsbewegung etwas genauer erläutern. 3.3.1 Widerstand sichtbar machen Wie entscheidend diese Funktion ist, lässt sich vor allem über die Effekte der Nichtbilder im Kolonialismus erschließen: Dort ist Widerstand fast gänzlich verschwiegen, und wenn überhaupt thematisiert, so ist er denunziert worden. Dadurch konnte er kaum Wirksamkeit entfalten, zum Beispiel Solidarität hervorrufen. Vor diesem Hintergrund hatten seit den 50er-Jahren Bildberichte über Proteste durchaus Einfluss. Durch deren Verbreitung wurden auch Menschen in anderen Regionen in ihrem Widerstand inspiriert, unterstützt und motiviert. Umgekehrt wurde auf diese Weise auch Weißen ein klares Gefühl von Gegenmacht vermittelt, mit dem sie fortan konfrontiert sein würden. Wichtig war in diesem Zusammenhang auch, dass Bilder aus empathischer Perspektive aufgenommen worden waren. Die protestierenden Menschen wurden nicht wie zu Kolonialzeiten als fanatisierte Massen aufgenommen und als Gefahr für die westliche Zivilisation und Demokratie dargestellt. Dies ist um so bemerkenswerter, da die Proteste der Bürgerrechtsbewegung klassischer Straßenprotest waren. Das heißt, die Menschen verkörperten ganz buchstäblich den Protest, indem sie mit ihren eigenen Körpern die Demonstration, das Sit-in etc. formierten (vgl. Pultz 1995). Gerade die Verkörperung von Protest läuft aber immer Gefahr, nachteil55 | Gegenbilder hafte Bilder zu produzieren (schreiende, emotional aufgeputschte Menschen etc.), insbesondere wenn es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kommt. Dies war aus zwei Gründen nicht der Fall: Zum einen bemühte sich zu Beginn der Proteste der Flügel um Martin Luther King sehr um einen absolut gewaltfreien Ablauf seitens der DemonstrantInnen. Zum anderen war die Perspektive vieler aktiver FotografInnen eindeutig sympathisierend und nicht denunzierend. Das wird besonders deutlich im Bild von King (s. Abb. 7), als er seine berühmte Rede »I have a dream« hält. Der Blickwinkel des Fotos ist so gewählt, dass neben Obelisk und Kapitol vor allem die große Zahl (200 000) von Menschen, die zum Ende des Marsches auf Washington am Lincoln Memorial versammelt sind, zu sehen ist. Martin Luther King steht auf das Geländer gestützt, mit dem Manuskript seiner Rede in der Hand, im Fokus. Er wirkt wie ein Denkmal, fast so hoch wie der Obelisk. Der Blick auf ihn ist seitlich und lässt so die Sicht auf die in Bann geschlagenen ZuhörerInnen frei, die zu ihm aufblicken. Typisch für die Märsche ist auch ein Bild von Moneta Sleet, während des Marsches von Selma nach Montgomery (s. Abb. 8 & 9). Sleet war Fotograf fürs Ebony Magazin und stand King und seiner Familie sehr nah. King war sich der Wichtigkeit von Fotografien und Öffentlichkeit für die Bewegung sehr bewusst und gewährte Sleet besonderen Zugang, um sich und seine Familie häufig von ihm porträtieren zu lassen. 8 56 | Gegenbilder 9 7 3.3.2 Gegenwahrnehmungen stärken und Identifikationsmöglichkeiten aufbauen Diese Funktion von Gegenbildern war ungeheuer wichtig und drückte sich u.a. in den vielen Porträts von den führenden AktivistInnen der Bewegung aus. Die Porträts geben dem Widerstand Gesichter, individuelle Biografien und immer wieder Stolz, Selbstachtung und Selbstbewusstsein. Was das bedeutet – und inwieweit das eine explizite Gegenwahrnehmung zu dem darstellte, wie Schwarze in den USA eigentlich gesehen wurden (und sich selbst gesehen haben), wird nur verständlich, wenn mensch die 100 -350 Jahre (das negative Selbstbild ist ja v.a. im Kolonialismus entstanden; und Mitte des 17. Jahrhunderts sind die ersten Sklaven in die heutige USA gekommen) davor als Bezugspunkt nimmt: Schwarze waren – in der Wahrnehmung von Weißen – ›dazu geboren‹, Sklaven zu sein, sprich keine richtigen Menschen, sondern Arbeitstiere. Dazu gehörte auch, dass ihnen die Fähigkeit abgesprochen wurde, für sich selbst sprechen können und der Zwang zum Gehorchen. Schwarze sollten den Weißen zu Diensten sein, und sollten und durften auf keinen Fall einen eigenen Willen artikulieren. Das Maß für Mensch-Sein waren die Weißen. Die Mehrheit der Schwarzen hatte diese Bilder in einem bestimmten Ausmaß als Selbstbild übernommen, was sich im viel thematisierten Schwarzen Selbsthass ausdrückte: »Und sie griffen nach der Hässlichkeit, warfen sie sich wie einen Mantel um und gingen so durch die Welt« (Morrison 1994). Bekanntes und immer wieder zitiertes Beispiel dafür war der Wunsch vieler Schwarzer, kein gekräuseltes Haar zu haben und möglichst helle Haut. Nicht nur für Weiße war der Schwarze Widerstand und das Erwachen Schwarzen Selbstbewusstseins eine Veränderung – noch wichtiger war die Veränderung für Schwarze selbst. Indem mehr und mehr Schwarze als starke Persönlichkeiten in der Öffentlichkeit präsent waren, wurden sie für Millionen anderer Schwarzer zu Vorbildern, mit denen mensch sich identifizieren konnte. In diesem Rahmen verdient auch noch eine bestimmte Strategie etwas genauer angesprochen zu werden. In dem Versuch, Gegenwahrnehmungen zu produzieren, spielten nicht zuletzt die Slogans Black is Beautiful and Black Power eine zentrale Rolle, denn sie boten Anknüpfungspunkte und Identifikationsmöglichkeiten für alle. Öffentlich auf einer Bühne stehen und sprechen stand nicht für alle als Option offen, aber einen 58 | Gegenbilder positiven Bezug zum eigenen Schwarz-Sein herzustellen – jenes Schwarz-Sein, was im Rahmen von Rassismus so sehr abgewertet wurde – war eine machtvolle Quelle für Selbst-Anerkennungsprozesse. Das Porträt von Malcolm X (s. Abb. 10), mit dem für das Recht auf Selbstverteidigung geworben wurde, ist wohl seine bekannteste Abbildung. Der Blick fällt zuerst auf das Gewehr. Mit dem Lauf nach oben gerichtet, hält es Malcolm, den Kolben auf die Hüfte gestützt, in der rechten Hand. Das große Magazin zeigt, dass es sich um eine automatische Waffe handelt. Er steht am Fenster, mit der linken Hand schiebt er die Gardine ein wenig zur Seite und lugt vorsichtig, den Kopf leicht nach vorne gebeugt, aus dem Fenster, als ob er einen Angriff erwarte. Dieses Foto entstand unmittelbar vor seiner Ermordung. Zum Zeitpunkt der Aufnahme wusste er bereits, dass sein Leben in Gefahr war. Nur eine Woche vor seinem Tod war das Haus seiner Familie nachts mit Brandbomben angegriffen worden; nur durch Zufall wurde niemand verletzt. Zur Abschreckung ließ sich Malcolm X in militanter Pose ablichten, obwohl er selbst nie eine Waffe benutzte. Doch dieses Bild bringt seine zentrale politische Forderung auf den Punkt.: Ballot or Bullet, gebt uns das Wahlrecht oder wir wehren uns mit Waffengewalt. Heute ist es schwer vorstellbar, welche Wirkung dieses Bild (und die Person Malcolm X) auf die amerikanische Gesellschaft der Nachkriegsjahrzehnte hatte. Es war ein unerhörter Tabubruch, und Malcolm X wurde dafür vom weißen Amerika, das von den eigenen Verbrechen nichts wissen wollte, gehasst. Unter Schwarzen jedoch wurde er dafür respektiert, ja verehrt, dass er die ›Wahrheit‹ über den Rassismus aussprach. Ein klares Nein zur Weißen Vorherrschaft und eine Absage an die zugeordneten Betätigungsfelder für Schwarze drückt das bekannte Olympia-Sieger-Bild (s. Abb. 11) aus: die Athleten Tommie Smith (Mitte) und John Carlos – als 1. und 3. platziert beim 200m -L auf – zeigen während der Olympischen Spiele 1968 in Mexico City auf dem Siegertreppchen die schwarzbehandschuhte Faust, in Solidarität mit der Black Power Bewegung, um die Aufmerksamkeit auf die Anliegen der Bürgerrechtsbewegung und den Rassismus in den USA zu lenken. Zusätzlich tragen sie keine Schuhe sowie Schnüre um den Hals, um gegen Armut und Lynchjustiz 59 | Gegenbilder 10 zu protestieren. Der Silbermedaillengewinner Peter Norman trägt einen Aufnäher der OPHR (Olympic Project for Human Rights, einer Organisation Schwarzer Amateurathleten, die die Olympischen Spiele unter anderem wegen der Apartheid in Südafrika boykottierten) auf der Brust und scheint in Übereinstimmung mit der Aktion gewesen zu sein. Smith und Carlos wurden schließlich 21 von den Spielen ausgeschlossen und mussten das Olympische Dorf verlassen. Der Bericht der Associated Press (und L.A. Times) beschreibt sie »in a Nazi-like salute« und der Kolumnist der Chicago Brent, Musburger, nennt sie »black-skinned storm troopers«. Das Time Magazine verwendet eine Grafik für ihre Geschichte, in der das Olympische Logo statt mit »faster, higher, stronger« mit »angrier, nastier, uglier« beschriftet ist. Viele Weiße AmerikanerInnen empörten sich, sahen die Aktion als unpatriotischen Akt gegen die Nationalhymne, die währenddessen lief, und Angriff auf Amerika, zudem wurde der Gruß missverstanden als Zeichen der militanten Black Panthers. Carlos kommentierte die gemeinsame Aktion nach der Zeremonie mit folgenden Worten: »We’re sort of show horses out there for the white people. They give us peanuts, pat us on the back. And say, ›Boy, you did fine‹.« Black America feierte die beiden als Helden, und für viele diente ihr stiller Widerstand als Vorbild. Doch als sie nach Hause zurückkehrten, wurden die Jobangebote rar, sie bekamen Todesdrohungen und ihre Häuser wurden attackiert. »My (Carlos) first wife is deceased as a result. She took her life. Because she couldn’t deal with the pressure from the results of Mexico.« Das Olympische Team, alle Weiß und alle aus Harvard, positionierten sich folgendermaßen: »We – as individuals – have been concerned about the place of the black man in American society in their struggle for equal rights. As members of the US Olympic team, each of us has come to feel a moral commitment to support our black teammates in their efforts to dramatize the injustices and inequities which permeate our society.« Auch andere SportlerInnen unterstützten die Aktion, so wie Wyomia 21 Zunächst weigerte sich das US-amerikanische Olympische Komitee, der Aufforderung des IOC, die Spieler zu sperren, nachzukommen, doch das IOC setzte es mit der Drohung, das ganze Track- and Field-Team der USA vom Wettkampf auszuschließen, schließlich erfolgreich unter Druck. 61 | Gegenbilder Tyus aus dem US-amerikanischen 4x100-Meter-Lauf-Team, die ihre Goldmedaille 1968 John Carlos und Tommy Smith widmete. Auch in jüngeren Zeiten erklärte beispielsweise Steve Holman, ein Wettkämpfer der 92er Spiele und einer der schnellsten Läufer Amerikas zwischen 1990 und 1995, dass ihn sehr beeinflußt habe, was die beiden 1968 getan haben. Tommy Smith sagte kürzlich über diesen bildlich eingefrorenen Moment: »It’s not something I can lay on my shelf and forget about. My heart and soul are still on that team, and I still believe everything we were trying to fight for in 1968 has not been resolved and will be part of our future.« 3.3.3 Dokumentation von Lebensrealitäten Es ist bei weitem nicht so gewesen, dass die in der Bürgerrechtsbewegung entstandenen Bilder ausschließlich positiv, heroisch, stark und zukunftsweisend gewesen wären, d.h. heißt Bilder, die der grauen Realität der Mehrheit der Schwarzen die beginnende Realität einer neuen und immer machtvolleren Epoche Schwarzer Stärke entgegensetzen wollten. Auch Bilder, deren Funktion es war aufzuklären, die Menschen über rassistische Realitäten in Kenntnis zu setzen und sie auf diese Weise für die Proteste zu interessieren und zu mobilisieren, spielten eine zentrale Rolle in der Bürgerrechtsbewegung. Das waren zum einen Fotos, auf denen rassistische Gewalt, insbesondere rassistische Polizeigewalt – auch im Zuge von Auseinandersetzungen bei Aktionen – abgebildet war. Diese Fotos fungierten als Dokumente dessen, wogegen sich die Proteste im Kern richteten: die alltägliche Demütigung und Diskriminierung, und die umfassende Entrechtung, der Schwarze ausgesetzt waren bzw. sind. Diese Bilder hatten entlarvende Wirkung, wurden doch einerseits die Weißen in ihrem eigenen Wohnzimmer durch Fernsehen 22 und Zeitung mit ihrem eigenen, oft abgestrittenen Rassismus unübersehbar konfrontiert. Andererseits hatten die Bilder für viele Schwarze realitätsbestätigende Bedeutung. Die Wirkmächtigkeit derartiger Bilder geht weit über die Zeit der Bürgerrechtsbewegung hinaus: erinnert sei nur an die schweren Unruhen in Los Angeles 1992, nachdem 22 Ende der 50er Jahre wurde der Fernseher zum Massenmedium, vgl. Wikipedia. 62 | Gegenbilder 11 vier Polizisten zunächst freigesprochen worden waren23, obwohl es ein überall ausgestrahltes Video (s. Abb. 12) – aufgenommen von George Holliday, einem Augenzeugen – ihrer Misshandlung von »Rodney« Glen King24 gab (vgl. Wikipedia). 12 23 Als die Unruhen sich fortsetzten, erklärte Präsident Bush (sen.) am 1. Mai, dass er die Polizisten für Vergehen an Kings Bürgerrechten anklagen würde. King sagte im Prozess am 9. März 1993 aus und zwei Polizisten wurden zu 30 Monaten Gefängnis verurteilt. 24 Der Name Rodney war nicht sein richtiger, doch wurde er durch die Medien so stark verbreitet, dass es nicht mehr zu korrigieren war. 64 | Gegenbilder Zur Zeit der Bürgerrechtsbewegung entstand außerdem eine umfassende dokumentierende Reportage-Fotografie, in welcher die (tatsächlichen) Lebensrealitäten der Schwarzen Community zum Ausdruck gebracht und zum ersten Mal von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. Gezeigt wurde die große Armut der Schwarzen Bevölkerung, aber auch kulturelles Leben wurde dokumentiert, was postive Bezugspunkte und Veränderungen ermöglichte. Die Kulturtheoretikerin bell hooks beschreibt diese Bedeutung im Folgenden: »Die oppositionelle schwarze Kultur, wie sie sich unter den Rahmenbedingungen von Apartheid und ›Rassen‹trennung herauskristallisierte, ist einer der wenigen Bereiche, wo es Raum für Entkolonisierung gibt« (hooks 1994, 19). Eine andere Art der Dokumentarfotografie spürte den Subjektivitäten der von Rassismus betroffenen Menschen nach: Gordon Parks etwa, der als erster Afroamerikaner zur fotografischen Abteilung der FSA (Farm Security Administration, ein Programm der Bundesregierung, das die verheerenden Auswirkungen der Depression auf das ländliche Amerika mildern sollte) gelangt war und später viel für das führende amerikanische Bildmagazin Life arbeitete, fokussierte mit seinen Fotos zugleich die körperlichen und psychologischen Aspekte, die der Rassismus für seine Opfer beinhaltete. Als Beispiel ist das Bild Black Children with White Doll von 1942 (s. Abb. 13) zu nennen. Das Foto zeigt zwei Schwarze Kinder, zwischen denen eine Weiße Puppe sitzt. Das Bild spielt auf Studien des Psychologen Kenneth B. Clark 25 an, in denen afroamerikanische Kinder, die sich die beste Puppe aussuchen sollten, die Weiße wählten mit dem Argument, dass sie ein glücklicheres Leben haben würde. 25 Diese Studie führte auch vor dem obersten Gerichtshof zur Aufhebung der ›Rassen‹trennung an öffentlichen Schulen (Pultz 1995, 95). 65 | Gegenbilder 12 3.4 Weiterführende Überlegungen Es kann keinen Zweifel geben, dass Gegenbilder eine herausragende Rolle für die Schwarze Bürgerrechtsbewegung – und später auch im Vietnam-Krieg für die Anti-Kriegsbewegung – gespielt haben. Und doch: Es gibt auch Kehrseiten, die hier wenigstens kurz erwähnt werden sollen. Indem auf Bilder-Ebene die Black is Beautiful-Strategie verfolgt wurde, wurde der Gefahr einer neuen Essentialisierung Vorschub geleistet. Das eigentlich durch Weiße in die Welt gesetzte Konstrukt, wonach es unterschiedliche Rassen gäbe, wurde affirmiert und mit positiven Vorzeichen fortgeschrieben. Dies verband sich immer wieder auch mit reaktionären Ideen, zum Beispiel mit denen der Nation of Islam, die ja bereits viel länger das Gegenkonzept einer selbstbewussten Schwarzen Identitätspolitik propagiert hatte. Ein anderer Effekt war und ist, dass manche der vor allem auf den Körper bezogenen Zuschreibungen (der Schwarze Körper als besonders sportlich, leidenschaftlich, schön etc.) seitens der Schwarzen Community übernommen und als Realität verkauft wurden – wobei dies zum Teil auch (siehe Sport u.a. eingeschränkte Arbeitsgebiete) tatsächlich Realität war. Hieraus bildete sich insbesondere unter Schwarzen Männern (der Unterschicht) eine hochproblematische Hypermaskulinität heraus (die Kulturtheoretikerin bell hooks spricht von einem »lebensgefährlichen Würgegriff patriarchaler Maskulinität« ). Auch Bilder – etwa von schwarzen Spitzensportlern – haben hierbei eine zentrale Rolle gespielt (vgl. Samsa 2001). Es ist zwar problematisch, nur so knapp auf Schwarze Hypermaskulinität einzugehen, da diese einerseits Fakt ist, aber andererseits auch ein neues Stereotyp darstellt. Ich möchte damit jedoch beispielhaft die Gefahr der Essentialisierung von Gegenbildern anreißen. 67 | Gegenbilder IV »Es geht nicht darum, Grenzen (…) sichtbar zu machen. Es geht darum sie zu verschieben, sobald sie anfangen zu Einschränkungen zu werden. (…) Statt daran zu arbeiten, das vorher Unsichtbare (…) sichtbar zu machen, müsste man mit einem solchen System der Dualitäten brechen und zum Beispiel zeigen, was Unsichtbarkeit überhaupt ist und was über die bloße Sichtbarkeit hinausgeht.« (Trinh T. Minh-ha 1999) 4 Auflösende Bilder Verschiebung: Widerstand gegen Rassismus in den 90ern Auflösende Bilder setzen dort an, wo die Gegenbilder an ihre eigenen Grenzen stoßen, so wie das am Ende des vorausgegangenen Kapitels kurz angerissen wurde. Gegenbilder haben den Anspruch, unter anderem die negativen Wertungen aufzuheben oder umzudrehen, die z.B. mit Schwarzer Hautfarbe im Rahmen rassistischer Zuschreibungen verknüpft sind. Der Abwertung wurde unter anderem selbstbewusst die Parole Black is Beautiful entgegengehalten. Das Problem ist jedoch, dass eine solche Strategie nicht der ›Schwarz‹ - ›Weiß‹ - Dichotomie an sich zu entkommen vermag. Diese Dichotomie ist nichts Natürliches, denn dass die Menschen gewohnt sind, Menschen überhaupt entlang der WeißSchwarz - Einteilung zu klassifizieren und somit auseinander zu dividieren, ist bereits der Effekt rassistischer Diskurse. Dies ist eine der Kernaussagen dekonstruktivistischer TheoretikerInnen, die spätestens seit den späten 80er- Jahren machtvoll die Bühne des linken politischen Diskurses betraten. Konkret hatte das zur Folge, dass antirassistische AktivistInnen seit Anfang/Mitte der 90er- Jahre bis heute nach Möglichkeiten suchen, die dichotomen Trennungen zu überwinden. Dies ist zum einen praktisch erfolgt – durch den Versuch, sich gemischt politisch zu organisieren, jenseits der durch die rassistischen Strukturen aufgezwungenen Identitätspositionen ›Flüchtling‹, ›MigrantIn‹, ›Deutsche/r‹ etc. Es wurde zum anderen aber auch versucht, durch mediale Interventionen (Film, Fotografie etc.) Dichotomien aufzubrechen, um auf diese Weise das Denken und die Wahrnehmungsweisen der Menschen zu hinterfragen. Auflösende Bilder können demnach als Produkte dieser unterschiedlichen Praxen verstanden werden. Es gibt sowohl auflösende Bilder von Aktionen, die sich einem Grenzen überschreitenden und verschiebenden Selbstverständnis verdanken, als auch auflösende Bilder, die nicht eine äußere Realität dokumentieren, sondern eine eigene Realität herstellen und auf diese Weise antirassistisch intervenieren und irritieren. Dass ich anhand der 90er- Jahre (bis heute) auflösende Bildpraxen thematisiere, bedeutet nicht, dass in Deutschland (an dessen Beispiel die auflösenden Bilpraxen schwerpunktmäßig dokumentiert werden) Auflösende Bilder 71 | Auflösende Bilder hegemonial gewesen wären. Hegemonial im quantitativen Sinne sind in der antirassistischen Bildproduktion weiterhin Gegenbilder, so wie sie im vorherigen Kapitel bereits beschrieben wurden. Das ist kein Zufall, denn zwar erschienen in den 90ern erstmals die im rassistischen Denken bereits als Grundlage angelegten Dichotomien gedanklich, ästhetisch und in Ansätzen auch praktisch überwindbar. Gleichzeitig verstärkte sich in den 90er- Jahren gerade in Deutschland extremer Rassismus nicht nur seitens des Staates, sondern auch in der Gesellschaft insgesamt, mit der Konsequenz, dass die Realität alles andere als grenzüberwindend war und somit auch die Bildproduktion nicht primär auf auflösenden Pfaden wandeln konnte. Insgesamt beziehe ich mich auf ein Feld von Bildern, die aus widerständiger Praxis kommen, und lasse somit das weite Feld der Kunstfotografie außen vor, obwohl sich hier natürlich Schnittpunkte ergeben. Um den Hintergrund und die Funktion der Auflösenden Bilder der 90er zu beschreiben (natürlich lassen sich diese auch zu anderen Zeiten finden), umreiße ich kurz den Kontext der Bildproduktion sowie die theoretischen Einflüsse, die für die antirassistischen Gruppierungen teilweise Bedeutung erlangten, beschreibe das Feld der Widerstandspraxen und zeige anschließend einige Beispiele Auflösender Bilder. 4.1 Kontext des Widerstandes: Rassismus in der BRD Anfang der 90er- Jahre kam es in Deutschland zu einer Eskalation rassistischer Gewalt und Verfolgung. Auf der einen Seite standen zahlreiche, vielerorts stillschweigend geduldete oder sogar beklatschte Anschläge bzw. Pogrome gegen Flüchtlinge und MigrantInnen: Hoyerswerda 1991, Mannheim Schönau und Rostock-Lichtenhagen sowie Mölln im Jahr 1992 und Solingen 1993 27. 27 Das Ausländerwohnheim von Hoyerswerda war tagelang Ziel rechtsradikaler Angriffe. Skinheads und Neonazis lieferten sich Strassenschlachten mit der Polizei. Erstmals wurde auch unverhohlene Sympathie der Anwohner für die rechtsextremen Randalierer deutlich. Bei dem Brandanschlag von Rechtsradikalen in Mölln 1992 kamen drei Türkinnen um. In Solingen fand der Brandanschlag auf das Haus der türkischen Familie Genç am 29.05.1993 statt, es kamen fünf Angehörige der Familie ums Leben. 72 | Auflösende Bilder Auf der anderen Seite standen diverse Maßnahmen des Staates: Die faktische Abschaffung des Asylrechts am 26. Mai 1993, zusätzliche Schikanen gegen Flüchtlinge im Zuge der Einführung des Asylbewerberleistungsgesetzes 1993 und schließlich ein explosionsartiger Anstieg von Abschiebungen. Allein zwischen 1988 und 1993 verzehnfachte sich die Zahl von 3 000 auf über 30 000 Abschiebungen. Auch die Wahlerfolge der rechtsextremen Partei Die Republikaner (REP) bei den Landtagswahlen in Hessen und Westberlin Anfang des Jahres 1989 waren Ausdruck der gesamtgesellschaftlichen Situation. So zogen bei Berliner Landtagswahlen am 29. Januar 1989 die REPs mit 7,5 Prozent in den Senat ein, in ihren Westberliner Hochburgen erzielten sie Ergebnisse von bis zu 20 Prozent. Die ›Wiedervereinigung‹ löste in Politik, Medien und der deutschen Bevölkerung einen enormen Schub an Nationalismus aus. Parolen wie »Wir sind ein Volk«, »Wir sind das deutsche Volk« wurden gerufen und geschrieben und viele Deutschlandfahnen in die Höhe gereckt, mit der klaren Botschaft: alle anderen sind nicht erwünscht. Dies traf auf die allgemeine politische Weigerung, anzuerkennen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist (vgl. Pech 2003, 83). Faktisch gibt es einige Millionen MigrantInnen, deren soziale und rechtliche Situation in vielerlei Hinsicht prekär ist, denn in Deutschland wurden verschiedenene Stati von MigrantInnen geschaffen: Sie reichen von den regulären MigrantInnen, denen das Wahlrecht verweigert wird, über Papierlose, die etwa keine offizielle Krankenversorgung nutzen können und sich in permanenter Abschiebegefahr befinden, bis zu Flüchtlingen, die durch entsprechende Gesetze sogar einem Arbeits- und Studierverbot unterliegen und denen untersagt ist, den ihnen zugewiesenen Landkreis zu verlassen. Eine wichtige Funktion im Diskurs über die Einschwörung auf das neue, ›gesamtdeutsche Kollektiv‹ übernahm auch die Presse. Insgesamt waren die 90er von einer rassistischen Bildproduktion geprägt: »Das Boot ist voll«, »Flüchtlingsströme«, »Asylantenflut«, »Asylmissbrauch«... Diese Bilder manifestieren und illustrieren die sprachliche Rhetorik und den politischen Kurs. Flüchtlinge laufen in anonymen Massen medial vermittelt geradewegs ins deutsche Wohnzimmer, ›wissenschaftlich‹ unter73 | Auflösende Bilder mauert durch Grafiken, die die »Ströme« aus aller Welt direkt nach Deutschland führen. Die Werbung hingegen nutzt eher die Strategie der attraktiven Exotik: die exotische Schönheit, der lebenslustige Pizzabäcker ... Zusammenfassend läuft diese rassistische, stereotype Rhetorik und Praxis darauf hinaus, »die Fremden« immer als »die Anderen« und als Objekte der Darstellung zu konstruieren (Ansasunis/Kaltenborn 1999, 203). 4.2 Theoretische Ansätze: Dekonstruktion, Postcolonial Studies und Whiteness »Entkolonisierung (...) heißt, sich auch weiterhin mit dem vorherrschenden Denksystem auseinander zu setzen. Diese bedeutende geschichtliche und kulturelle Befreiung ist daher ein ständiger Prozess. So gesehen bekämpft die Entkolonisierung alle herrschenden Formen und Strukturen, seien sie nun linguistischer, diskursiver oder ideologischer Natur. Darüber hinaus wird die Entkolonisierung mehr und mehr als eine Art Teufelsaustreibung bei Kolonisierten und Kolonisierenden verstanden. Für beide Seiten muss es ein Befreiungsprozess sein: bei den Kolonisierten von Abhängigkeit und bei den Kolonisierenden von imperialistischen, rassistischen Wahrnehmungen, Bildern und Institutionen, die wir bedauerlicherweise bis auf den heutigen Tag erleben.« (Samia Nehrez) Für die politischen Bewegungen der 90er- Jahre sind verschiedene emanzipatorische Diskussionen, v.a. aus der poststrukturalistischen, feministischen Forschung und den postkolonialen Studien bedeutsam geworden, die teilweise Auswirkungen auf die Formen der Organisierung und die politische Praxis hatten. Auch für die Bildproduktion und innerhalb des Kunst- und Popbetriebes sind diese Diskurse relevant geworden. Deshalb möchte ich, bevor ich die Auflösenden Bilder behandele, zunächst einen Überblick über die theoretischen Ansätze geben, die teilweise erst sehr verspätet in der deutschen Debatte ankamen und doch einen entscheidenden Einfluss auf die Diskussionen linker Politik hatten. Das Zitat von Samira Neherz, das bell hooks ihrem 1994 erschienenen Buch Black Looks. Popkultur, Medien, Rassismus vorangestellt hat, beschreibt im Kern das 74 | Auflösende Bilder Spannungsfeld der Postcolonial Studies. In diesem Forschungsfeld, das sich in den 70er- Jahren in England etabliert hat, geht es um die Frage nach dem Einfluss der kolonialen Erziehung und Sprache auf die Kultur und Identität der Kolonisierten. Welche Spuren sind in den postkolonialen Gesellschaften durch die koloniale Erziehung, Wissenschaft und Technologie zurückgeblieben? Und wie hat die westliche Wissenschaft, Technologie und Medizin existierende Wissenssysteme verändert? In diesem Zusammenhang werden die Wahrheitssetzungen der westlichen Welt hinterfragt. Die Kritik der Wahrheitssetzung bezieht sich auf die Wissensproduktion in Westeuropa in Zusammenhang mit dem Kolonialismus. Auf der Basis einer ethnozentristischen Logik wurde ein Wissen über die Welt erzeugt, in welchem sich Europa als »wissendes Subjekt« und die neue Welt als zu »erforschendes Objekt« konstituierten. Um das Eigene als fortschrittlich zu kennzeichnen, wurde Europa »die Wiege der Zivilisation« genannt, während der »Süden« und der »Orient« als das »Wilde« und »Exotische« inszeniert wurden (vgl. Gutiérrez Rodríguez, 1999, 41). Dabei ist das zu Erforschende das ›Andere‹, während sich die europäische Kultur als die Norm durchgesetzt hat. Diese Perspektive ist auch in das Selbstbild der ehemals Kolonisierten eingeflossen. Es geht also auch um die Konstruktionsmechanismen des Orients als exotisch und fremd, um die Wechselwirkung zwischen Fremdzuschreibung und Selbstbestimmung und um die Frage nach den Möglichkeiten und Bedingungen für Widerstand. Es geht also im Kern darum, all die Geschichten und Bilder, die unsichtbar sind, weil sie nie die Macht hatten in die hegemoniale Geschichtsschreibung einzugehen, all diese Nichtbilder sichtbar zu machen und denen, die unterdrückt wurden, eine Stimme zu geben. Gleichzeitig geht es um die Problematik von Unterwerfung und Herrschaft, die auch Samia Nehrez beschreibt – ein wechselseitiger Prozess gegenseitiger Abhängigkeiten, der in die Konstitution der Einzelnen einfließt. Grundlage für die neuen Perspektiven war eine Wende innerhalb der Sozialwissenschaften hin zu konstruktivistischen, poststrukturalistischen Ansätzen. Der Konstruktionsbegriff verweist darauf, dass auch Kategorien, die wir als »natürliche« begreifen, gesellschaftlich hergestellt sind. Mit der 75 | Auflösende Bilder Einsicht in den konstruktivistischen Charakter unseres Wissens, fand eine Abwendung von biologistischen und essentialistischen Theorien statt, die gesellschaftliche Ordnungskategorien als naturgegebene Tatsachen begreifen. Die verschiedenen Kategorien, die eine Identität beschreiben und zugleich festlegen sollen, wurden auf den Prozess der Bedeutungsherstellung hin untersucht. Zugrunde liegt die Einsicht, dass z.B. die verschiedenen Ethnien (oder auch Mädchen und Jungen) nicht einfach »sind«, sondern durch bestimmte geschichtliche und aktuelle gesellschaftliche Diskurse und Normen erst zu dem gemacht werden, als was sie bezeichnet werden, und zugleich selbst aktiv an dem Prozess der Herstellung ihrer Identität und deren alltäglicher Reproduktion beteiligt sind. Damit hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass die Wahrnehmung von sich selbst und anderen ein kulturelles Produkt ist, das im Alltag durch soziale, diskursive und repräsentative Praxen, in den Medien, in den Wissenschaften und in der Kunst kontinuierlich hergestellt wird. So hat sich der Blick für die Mechanismen der Konstruktion gesellschaftlicher Wirklichkeit geöffnet. Den Kerngedanken dieses Ansatzes möchte ich an einem Beispiel, das Michel Foucault für die Einleitung seines Buches Die Ordnung der Dinge gewählt hat, veranschaulichen. Dort schreibt er: »Dieses Buch hat seine Entstehung einem Text von Borges zu verdanken. Dem Lachen, das bei seiner Lektüre alle Vertrautheiten unseres Denkens aufrüttelt, des Denkens unserer Zeit und unseres Raumes, das alle geordneten Oberflächen und alle Pläne erschüttert, die für uns die zahlenmäßige Zunahme der Lebewesen klug erscheinen lassen und unsere tausendjährige Handhabung des Gleichen und des Anderen (du Même et de L ’Autre) schwanken lässt und in Unruhe versetzt« (Foucault 1974, 17). Ich denke, dass die Sicht von Foucault auf den Text von Borges die zentralen dekonstruktivistischen Gedanken zusammenfasst, bei denen es um die geordneten Oberflächen und damit um die kategorisierte Einteilung von Menschen geht, die das »Gleiche« vom »Anderen« scheiden soll und die in unserem Alltagsverständnis so selbstverständlich erscheint. Borges zitiert in seinem Text eine »gewisse chinesische Enzyklopädie«, in der angeführt ist, dass »sich die Tiere wie folgt gruppieren: a) Tiere, die dem Kaiser gehören, b) einbalsamierte Tiere, c) gezähmte, d) Milchschweine, 76 | Auflösende Bilder e) Sirenen, f) Fabeltiere, g) herrenlose Hunde, h) in diese Gruppierung gehörige, i) die sich wie Tolle gebärden, k) die mit einem ganz feinen Pinsel aus Kamelhaar gezeichnet sind, l) und so weiter, m) die den Wasserkrug zerbrochen haben, n) die von weitem wie Fliegen aussehen« (ebenda). Diese Klassifizierung nach einer uns unverständlichen Ordnung, die nur mit speziellem Hintergrundwissen zu erhellen wäre, stellt für Foucault zugleich die »Grenze unseres Denkens« dar: »die schiere Unmöglichkeit, das zu denken« (ebenda). Die Tatsache, dass erst das Wissen um die Bezeichnungen unsere Welt verständlich macht und ihr den berühmten »Sinn« verleiht, dient nicht nur als Erklärung für unser Unverständnis gegenüber anderen Sinngebungen, sondern stellt gleichzeitig unsere Logik in Frage. Im Anspruch der ›Natürlichkeit‹ taucht somit das Element der Willkür auf, das zugleich Sinnbild für die Gewordenheit unserer Welt ist. Auf der Grundlage dieser Erkenntnis basieren einerseits die dekonstruktivistischen Ansätze aus der feministischen Forschung, die die Bipolarität der Zweigeschlechtlichkeit in Frage gestellt haben, d.h. die selbstverständliche Annahme von der Dualität der Geschlechter, sowie auch alle anderen Ansätze, die die Grundlagen des abendländischen Denkens, das dualistische Weltbild und die der Wissenschaft inhärenten Machtmechanismen kritisiert haben. Die Suche nach einem ›wahren Kern‹, einer verdeckten tieferliegenden Essenz als Erklärung für menschliches Handeln, ist der Erkenntnis gewichen, dass Menschen niemals außerhalb von Strukturen existieren, die sie durch ihr tägliches Handeln immer wieder reproduzieren und konstituieren. In der feministischen Analyse wurde die Auseinandersetzung um Rassismus und um die Konstruktion von Identitätskategorien v.a. durch den Einspruch Schwarzer und jüdischer Frauen und MigrantInnen ausgelöst, die sich in der Identitätskategorie ›Frau‹ und in den auf dieser Kategorie beruhenden Politikformen nicht repräsentiert sahen. Da die Definition dieses Begriffs auf den Erfahrungen und den Erkenntnissen Weißer Frauen beruhte und von dort aus verallgemeinert worden war, konnten sie sich mit ihren eigenen Lebenserfahrungen und Interessen darin nicht wiederfinden. Dekonstruktion bezeichnet in diesem Sinne ein Verfahren, das den Prozess der Bedeutungsherstellung innerhalb bestimmter Kategorien sichtbar machen 77 | Auflösende Bilder möchte und nach den in diesen Kategorien inhärenten Machtverhältnissen fragt. Im Rahmen der poststrukturalistischen, feministischen Analyse wurden aufgrund der Kritik an den essentialistischen Identitätskonzepten die Kategorien Geschlecht, Heterosexualität dekonstruiert, d.h. auf den Prozess der Bedeutungsherstellung und Naturalisierung innerhalb des dichotomen Denkens der abendländischen Welt hin untersucht. Resultat der feministischen Diskussion war die Einsicht, dass es notwendig ist, die Verzahntheiten der verschiedenen Machtverhältnisse (sexuelle, ethnische, nationale, religiöse, klassenspezifische – um nur einige zu nennen) in die Analyse zu integrieren (vgl. Gutiérrez Rodríguez 1996, Janjua 2000, Spivak 1989). Bezüglich der politischen Organisierung entstand die Frage, wie den verschiedenen, sich überschneidenden und teilweise widersprechenden Identitätsanteilen und damit verbundenen Interessen Rechnung getragen werden könnte. Aus der Einsicht in die Verzahntheiten der verschiedenen Machtverhältnisse resultierte die Warnung einer identitätsbezogenen Organisierung, da die Verschiebung nur eines dieser Machtverhältnisse einer Abspaltung gleichkommt, die die anderen Identitätsanteile ignoriert. »Ich will Gerechtigkeit gegen Rassismus, aber Gerechtigkeit gibt es nicht in hübschen kleinen Päckchen. Es gibt keine Gerechtigkeit für einen Teil von mir, während der Rest von mir leer ausgeht. Ich kann keine Gerechtigkeit bekommen von Leuten, die sie in ihren engsten Beziehungen verletzen, in ihren intimsten Verbindungen mit anderen, und die Frauen als Freiwild ansehen. Sie können mich nicht verstehen, wenn ich über Gerechtigkeit spreche, weil sie sie nicht praktizieren.« (Janjua 2000, 21). Das Statement einer Schwarzen, irischen Feministin, die lange Zeit die irische republikanische Bewegung unterstützte, verweist auf die Notwendigkeit, die Verschränkung der verschiedenen Machtverhältnisse praktisch anzuerkennen und sie nicht einfach nur per sozialer Übereinkunft als Lippenbekenntnis zu übernehmen. Daraus resultiert die Empfehlung einer kontextgebundenen Organisierung in strategischen Bündnissen und die Hoffnung auf die Überwindung von Identitätskonstruktionen. Die permanente Neudefinition von Identitäten im politischen Szenario sollte demnach die strategische Funktion der politischen Forderungen repräsentieren. Insbesondere von Frauen, die sich innerhalb der postkolonialen Kritik an den »Wahrheitssetzungen« der 78 | Auflösende Bilder westlichen kulturellen Systeme verorten, wurde zu einer Politik der »desidentification« (Entidentifizierung) aufgerufen (vgl. Anzaldúa 1990). Im Rahmen eines Perspektivwechsels hat sich im angloamerikanischen Raum in den 90er- Jahren, zunächst v.a. innerhalb der Literatur- und Filmwissenschaften, eine weitere Ausdifferenzierung der Debatte durchgesetzt. Ausgehend von der Kritik, dass sich die TheoretikerInnen bis dahin v.a. auf sozial konstruierte Kategorien konzentriert haben, die untergeordnet und ausgegrenzt waren (Homosexuelle, Schwarze, etc.) – und diese damit ein Stück weit als Problem markierten –, ist die Kategorie Whiteness ins Blickfeld gerückt. Diese Kategorie schien bis dahin unsichtbar und gleichzeitig unproblematisch zu sein, definierte sie doch die Norm. Wie sich diese Norm auf das Denken und Fühlen, die Sozialisation und die Beziehungen, die Privilegien und Handlungsspielräume von Weißen auswirkte, war bis dahin nicht Gegenstand der Forschung. Insofern deutete Whiteness als Forschungskategorie einen Blickwechsel an, eine selbstbewusste Aneignung der Definitionsmacht und damit eine Verschiebung der Machtverhältnisse. Nur so lange Whiteness nicht ebenfalls als sozial konstruiert identifiziert wurde, konnte sich dieses Konzept weiterhin als ›natürlich‹ gegeben repräsentieren. Weiß ist für Weiße eine Nichtfarbe, die Abwesenheit von Farbe so lange wie sie als Norm definiert ist. Das Allgegenwärtige ist nicht bemerkbar: So wird die Farbe des Lichts, da Licht immer da ist, nicht gesehen. Luft hat keinen Geruch, Wasser keinen Geschmack, weil die Stimulation immer präsent ist. Whiteness wird erst sichtbar, wenn sie mit Blackness kontrastiert wird. Die Norm braucht ›das Andere‹, um sich zu konstruieren und zu repräsentieren. Die Farbe Weiß ist symbolisch aufgeladen: zugrunde liegt der moralische Gegensatz: weiß/gut, schwarz/böse. In der christlich-westlichen Welt ist Weiß mit Reinheit, Unschuld, Neutralität, dem Guten, Güte und moralischer Integrität konnotiert. Zugleich ist Weiß als Hautfarbe variabel und unklar an den Übergängen. Grundsätzlich gilt, Weiße Menschen sind die, welche Weiße als Weiße anerkennen und bezeichnen. Sie haben die Kontrolle darüber, wer Weiß ist. Für die Bildproduktion sind auch die Veränderungen in der Darstellung interessant: Früher galt das Weißmachen des Gesichts als edel. Weiße Männer neben Frauen werden meist etwas dunkler dargestellt, weil 79 | Auflösende Bilder Frauen somit als unschuldig und rein und gut gelten. Je dunkler die Weiße Hautfarbe, desto ›tiefer‹ die Klassenzugehörigkeit. Farbunterschiede/-differenzierungen innerhalb von Weißsein werden in Relation zu Klasse und Geschlecht gemacht. Eine Weiße Frau ist so Weiß wie sie kann, das Konzept der Whiteness ist zugleich immer auch mit den Entwürfen Weißer Weiblichkeiten verknüpft (vgl. Dyer 1997, 45). Nur scheinbar im Gegensatz dazu steht, dass heutzutage eher Bräunen angesagt ist: Es steht jedoch mit Gesundheit, Freizeit, Reisen und insgesamt mit Wohlstand in Verbindung. Auch wenn es wohl einen Wunsch gibt, Schwarz zu werden, um sich – im Sinne eines Positivrassismus – Schwarzen zugeschriebene Eigenschaften wie Schönheit anzueignen, wird vom Bräunen eine Weiße Person niemals Schwarz. Mit dem Braunwerden geht kein Privilegien- oder Statusverlust einher. Andere Dinge wie teure Kleidung können auch den Klassenstatus aufwerten und rassistische Abwertung ›ausgleichen‹. Die Aufhellung der Haut Schwarzer ist allerdings nicht so positiv besetzt. Es wird ihnen unterstellt, sie versuchten ihre Hautfarbe zu wechseln, was nicht gelingen kann und lächerlich gemacht wird (Bsp.: Michael Jackson). Manche Menschen sind manchmal Weiß und manche Weiße sind Weißer als andere. Weiß ist nicht bestimmbar außer im Gegensatz zu Schwarz. »Und für die Schwarzen Leute bist du eben weiß und für die Weißen eben schwarz, und dann stehst du da und fragst dich, ist da jemand, der sich für das, was ich zu sagen habe, interessiert?« (Tate 2003, 171). »Die weiße Ethnizität zu ignorieren heißt, ihre Hegemonie zu verdoppeln, indem sie als natürlich dargestellt wird«, schreibt Coco Fusco (bell hooks 1996, 180). In den kritischen Untersuchungen zu Whiteness wird die ökonomische und politische Geschichte, die in die Konstruktion von Whiteness eingelassen ist, ebenso untersucht wie die kulturellen Praktiken (in der Kunst, der Musik und der Literatur), die dazu beigetragen haben, die Kategorie zu kreieren und zu stabilisieren. »Anti-Racist solidarity is achieved only when basic conditions for self-definition, self-activity, and community organization have been met. … It may be defined as the conscious coordination of anti-racist commitment and action across ethnonational and racial boundaries. Put another way, effectiveness in anti-racist mobilization depends on the ability to make allies. What is living and useful about the rather debased construct of multicultu80 | Auflösende Bilder ralism, what is politically meaningful about it, can be identified with this concept of solidarity«, schreibt Howard Winant (Winant 2001, 284). 4.3 Widerstand: Antirassistische Bewegungen Seit Anfang der 80er- Jahre formieren sich verstärkt soziale und politische Praxen, die aus der heutigen Sicht als antirassistisch bezeichnet werden können, wenn antirassistische Praxen als politische Praxen begriffen werden, die in als rassistisch definierte gesellschaftliche oder soziale Verhältnisse zu intervenieren versuchen. Die Eigenbezeichnung der Agierenden war dabei selten in Begriffsfeldern von Rassismus und Antirassismus verortet. Es wurde mit Begriffen wie Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhass sowie Toleranz, Multikulturalismus und Integration operiert (vgl. Pech, 126, Hess/Lindner 1997, 165). Erst die zugespitzten aggressiven Diskurse Anfang der 90er- Jahre führten dazu, dass antirassistische Arbeit zu einem zentralen Thema verschiedener Gruppierungen wurde. Diese Arbeit variiert in ihren Analysen, Aktionsformen und dementsprechend in ihren politischen Forderungen. Insgesamt hat die antirassistische Öffentlichkeitsarbeit dazu beigetragen, die Gesellschaft für Teile ihrer rassistischen Struktur zu sensibilisieren und Veränderungen herbeizuführen. Auf der einen Seite hat sich als Reaktion auf den biologistischen Rassismus (wer auffiel, dem wurden alle möglichen natürlichen oder kulturellen Eigenschaften unterstellt, die als minderwertig definiert waren) ein Antirassismus herausgebildet, der versuchte darzulegen, das nicht nur Deutsche Menschen seien, sondern alle möglichen Anderen zumindest Auch-Menschen, was erst mal nicht zu einer faktischen Gleichberechtigung führte. Eine andere Strategie war die der sogenannten Betroffenen, sich anhand ihres jeweiligen Hintergrunds zu organisieren – einerseits weil sie nicht einsahen, warum sie irgendwie minderwertig sein sollten, andererseits weil es andere Prioritäten gab, etwa die jeweilige politische Situation in den Herkunftsländern sowie die Schaffung von sozialen Netzwerken zur Bewältigung des rassistischen Alltags. Gesamtgesellschaftlich hatten sie allerdings kaum Erfolg, da MigrantInnen in der Öffentlichkeit nicht vorgesehen waren und schlicht nicht zur Kenntnis genommen wurden. Dennoch erfüllten diese Netz81 | Auflösende Bilder werke andere wichtige Funktionen, wie z.B. Räume jenseits von ständiger Diskriminierung zu etablieren. Nach 1990 kam eine andere Form von Rassismus auf – kultureller oder sekundärer Rassismus –, der Verschiedenheit symbolisch aufwertete: alle haben sich voneinander zu unterscheiden, aber bitte an ihrem Platz. Die Argumentation änderte sich – bzw. wurde ergänzt –, das Ergebnis war jedoch das gleiche. Gegen diese Form des Rassismus formierten sich anti-identitäre Ansätze der Organisierung: Einerseits ein Strang, der sich im Felde der dekonstruktivistischen Theorien bewegte, dessen Debatten aber auch nicht hinreichten gesellschaftliche Gleichberechtigung zu befördern, zumal sie meist federführend von Weißen Männern geführt wurden. Die theoretische Identitätskritik wurde also teilweise dazu verwendet, die Forderungen nach Rechten zurückzuweisen, da ja ohnehin alles konstruiert sei und der Verweis auf Ethnien völlig fehlgeleitet. Auf der Seite der sog. Betroffenen formierte sich hingegen eine anti-identitäre Politik im Sinne der Kritik der fest gefügten Identitäten. Allerdings bewegte sich diese in Form von subversiver Umbesetzung etwa des Begriffs Kanaken stark auf einer symbolischen Ebene. Außerdem stürzten sich die Medien auf die »originellen Ghettoburschen« und verleibten sich die »Freakshowelemente in einen unersättlichen Differenzmarkt« ein (Steyerl 1998). Konkret bildeten sich im Laufe der 90er-Jahre verschiedene antirassistische Szenen heraus: Die bürgerlich-humanistische Strömung, die linksradikalautonome Strömung, die feministische Strömung, verschiedene Formen der Organisierung von MigrantInnen und Flüchtlingen sowie ein theoretisch ausgerichteter Antirasssimus. Diese Strömungen überschneiden und beeinflussen sich gegenseitig, viele Gruppen und Einzelpersonen bewegen sich in mehreren Strömungen. In der bürgerlich-humanistischen Strömung sind vorwiegend liberal-kritische DemokratInnen tätig, deren Tätigkeitsfelder sich in Beratungsfunktionen abspielen als AnwältInnen, MitarbeiterInnen in Wohlfahrtsverbänden u.a. Außerdem bildeten sich zahlreiche Arbeitsgruppen im kirchlichen und humanistischen Rahmen, deren Arbeitsschwerpunkt auf der humanitären und asylrechtlichen Unterstützung von Flüchtlingen lag, wie zum Beispiel die Flüchtlingsräte oder die Bundesarbeitsgemeinschaft Pro Asyl. 82 | Auflösende Bilder Die Forderungen dieser Gruppierungen beziehen sich in erster Linie auf sichere Aufenthalts- und Bürgerrechte für Flüchtlinge – dominierend ist ein universeller Menschenrechtsdiskurs mit reformpolitischen Einstellungen. Praktisch wird versucht, dies durch politische Lobbyarbeit, Öffentlichkeitsarbeit sowie Informationsvermittlung, Beratungsstellen und Organisierung von Veranstaltungen und Kampagnen zu erreichen. Oftmals findet sich hier eine paternalistische Haltung wieder und in der Öffentlichkeitsarbeit wird häufig didaktisch versucht zu erklären, »dass auch Ausländer Menschen« seien (Ansasunis/Kaltenborn 1999, 204). Eine antirassistische Orientierung innerhalb der feministischen Strömung wurde von der im Theorieteil beschriebenen Kritik Schwarzer Frauen und MigrantInnen wie beispielsweise der ISD (Initiative Schwarzer Deutscher) forciert. Die Anerkennung verschiedener miteinander verknüpfter Herrschaftsverhältnisse steht hier im Vordergrund. Der Schwerpunkt der Praxis liegt auf einer theoretisch-diskursiven Ebene wie in der Bildung von Netzwerken und konkreter Unterstützungsarbeit. Die Thematisierung von Rassismus setzte in der linksradikal-autonomen Strömung im großen Maßstab erst Anfang der 90er mit dem rasanten Anstieg rassistischer Gewalt ein. Dementsprechend befand sie sich größtenteils in der Defensive. Mit einem explizit systemkritischen Ansatz versuchten verschiedene Gruppen, einerseits Schutz vor Gewalt und Übergriffen zu ermöglichen durch Einrichten von Notfall-Telefonen und Anlaufstellen sowie den Widerstand von Flüchtlings- und MigrantInnengruppen durch Aktionen gegen Abschiebegefängnisse, Lager und prekäre Lebensbedingungen zu unterstützen. Die Forderungen nach »Bleiberecht für alle«, »offene Grenzen« und »gegen nationalstaatliche Migrationskontrolle« setzte eine Gegenposition zu den herrschenden Abschottungsund Toleranzdiskursen. Mitte der 80er hatte der Schwerpunkt auf staatlichem Rassismus gelegen, Flüchtlinge wurden von den hauptsächlich Weißen AntirassistInnen als neue revolutionäre Subjekte angesehen (ähnlich dem Verhältnis der 68er zur Arbeiterklasse). Anfang der 90er weitete sich die Analyse auf einen Rassismus der Weißen Mehrheitsbevölkerung aus, was zur Folge hatte, dass MigrantInnen und Flüchtlinge zunehmend als hilflose Opfer betrachtet und objektiviert wurden. Es entstand eine Polarisierung zwischen der so genannten Antira-Arbeit, 83 | Auflösende Bilder die als paternalistische und unpolitische Sozialarbeit kritisiert wurde und der Antifa-Politik, die sich hauptsächlich auf Anti-Naziarbeit konzentrierte, sowie einem linksradikalen Aktionismus, der oft auf einer symbolischen Ebene des Verbalradikalismus verblieb. Diese Arbeitsteilung wird seit Ende der 90er versucht auf politischer wie struktureller Ebene in Ansätzen einer gemischten Organisierung aufzubrechen. Der Schwerpunkt von Aktionen liegt auf Anti-Abschiebe- und AntiLager-Kampagnen, neuerdings auch auf der Perspektive »globale Rechte für alle«. In der Bildsprache wird häufig auf dokumentarische Fotos und viel Text gesetzt, da die Schwierigkeiten bei der antirassistischen Bildproduktion den MacherInnen häufig präsent zu sein scheinen. Es finden sich aber auch beispielsweise Plakate, die mit »ausdrucksstarken«, »wilden« MigrantInnen werben, mit einem Schwerpunkt auf den widerständigen Praxen derselben. Dennoch bleibt dies eine Außenperspektive, die spezielle Projektionen ermöglichen soll. Diese Außenperspektive ist ein grundsätzliches Problem der antirassistischen Bildproduktion, denn häufig wird von Weißen Antiras für die sogenannten Betroffenen gestaltet (vgl. Ansasunis/Kaltenborn 1999, 204). Die Organisierung von MigrantInnen und Flüchtlingen findet ihren Ausdruck in verschiedenen Kampagnen, wie z.B. der Bleibrechtskampagne der Roma, diversen Netzwerken und Gruppierungen. Im Fokus der Flüchtlingsselbstorganisierung wie beispielsweise von The Voice und der Brandenburger Flüchtlingsinitiative stehen die Kämpfe gegen Abschiebung, prekäre Lebensbedingungen durch Arbeitsverbote, Unterbringung in Lagern im Wald sowie die Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch die Residenzpflicht. Die Organisierung linker MigrantInnen & FreundInnen wie beispielsweise kanak attak (siehe auch Bildteil) fordern mit Slogans wie »no integration«, »Legalisierung für alle« die Mehrheitsgesellschaft in ihren rassistischen Wahrnehmungen heraus und thematisieren die prekären Lebensverhältnisse von Menschen ohne Papiere. Die Debatten des theoretisch ausgerichteten Antirassismus wurden oben beschrieben und finden ihr Forum in Universitäten, zahlreichen Buchpublikationen, aber auch in linken Zeitschriften von die beute bis jungle world. 84 | Auflösende Bilder Hier zeigt sich die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis innerhalb des Antirassismus in Deutschland. Verschiedene Ansätze versuchen dem Rechnung zu tragen durch das Aufbrechen getrennter Organisierung, der Thematisierung der Weißen privilegierten Position sowie durch eine verwirrende Symbolpolitik, wie z.B. die Umbesetzung rassistisch konnotierter Begriffe. 4.4 Repräsentation von Widerstand im Bild: Auflösende Bilder Als Auflösende Bilder habe ich die Bilder zusammengefasst, die in einem dekonstruktivistischen Sinn feststehende Kategorien, Normen und Wahrnehmungsweisen in Frage stellen. Es geht also um Bilder, die eingefahrene Sehgewohnheiten irritieren und dadurch den Blick öffnen für Unvorhergesehenes und Neues. Die symbolische und materielle Infragestellung bestehender Macht- und Herrschaftsverhältnisse kann dazu beitragen, einen Prozess des Nachdenkens anzuregen und die Kategorien zu verschieben. Auch wenn diese Bilder nur eine begrenzte Verbreitung erfahren, halte ich ihren Gehalt, der gleichermaßen in der Irritation als auch in der Provokation liegen kann, dennoch für subversiv. Sie versuchen einen rassistischen Blick aufzubrechen oder zu dekonstruieren und bilden so Widerstand gegen die herrschende hegemoniale Ordnung ab. Es geht um Bilder, die 1. die Verschiebung von Grenzen thematisieren, also Grenzen übertreten und damit die Durchlässigkeit und Veränderbarkeit von Grenzziehungen aufzeigen, 2. Bilder, die eine widerständige Aneignung von Medien praktizieren, 3. Bilder, die Aneignung als Subversionsstrategie versuchen und 4. Bilder, die etwa durch den Text versuchen eine Irritation hervorzurufen, aber auch eine Gratwanderung darstellen und manchmal an den eingefahrenen Seherwartungen der ProduzentInnen selbst scheitern. 4.4.1 Verschiebung von Grenzen Grenzen trennen das »eine« vom »anderen«, zerschneiden eine Mitte, die es nicht gibt, und separieren Menschen entlang dieser willkürlich errichteten normativ aufgeladenen Trennlinien voneinander. In diesem Sinne sind Grenzen symbolisch für die Reproduktion dualistischer Wahrneh85 | Auflösende Bilder mungsschemata und Bilder, und materiell für die Einschränkung der Bewegungsfreiheit, für Leid, Elend und Schmerz verantwortlich. Grenzen stellen einen Ordnungsfaktor dar, der die Welt in Kategorien wie »Gut« und »Böse«, »Weiß« und »Schwarz«, »Normal« und »Abweichend«, »Innen« und »Außen« einteilt. Grenzen stellen einen Ordnungsfaktor dar, mit dessen Hilfe Menschen, die nicht erwünscht sind, ausgeschlossen oder gefangen gehalten werden. Ich verwende den Begriff der Grenze hier also in einem übertragenen Sinne, als Metapher für Abgrenzung und Begrenzung. Da Grenzen jedoch auch flexibel und veränderbar, nicht nur geschlossen, sondern auch durchlässig sind, da Grenzen geradezu dazu einladen, sie zu übertreten und zu verschieben, da sich an den Rändern der Grenzen das Abweichende konstituiert, fordern sie eine antirassistische Praxis geradezu heraus. Die Grenze ist dementsprechend in den 90er- Jahren, wie kein anderes Symbol, in das Blickfeld des antirassistischen Widerstandes gerückt. Grenzcamps, die in der BRD und in anderen Ländern durchgeführt wurden, um rassistische Gesetzgebungen und Abschiebepraxen sowie die Einschränkung der Bewegungsfreiheit in Flüchtlingslagern zu thematisieren, haben den Charakter der Grenze, der Festung Europa mit ihren Ausschlussmechanismen immer wieder in symbolischen Aktionen thematisiert. Darüber hinaus hat sich im Rahmen der AntiLager-Bewegung ein breites Spektrum von Praxen, die sich gegen die Internierung von Flüchtlingen in Lagern richten, entwickelt, in deren Dokumentation der Angriff auf Grenzzäune sichtbar wird. Diese dokumentarischen Fotos, die das Rütteln an den Zäunen von Abschiebegefängnissen, die Entzaunung von im Bau befindlichen Flüchtlingslagern bis hin zur Befreiung von Flüchtlingen mittels der Zerstörung und Öffnung von Zäunen festhalten, zeigen symbolisch und materiell eine Auflösung an. Die Grenze zwischen »uns« und »denen« wird eingerissen, die Demarkationslinie überschritten bis hin zur Befreiung der Eingeschlossenen. Häufig dienen die Aktionen der Unterstützung von (Massen-)Protesten (Aufständen, Hungerstreiks, etc.) innerhalb der Lager. Allerdings bleibt in der symbolischen Anordnung der Aktionen die Frage: wer verschiebt hier die Grenze?, da die Bilder der Lesart Vorschub leisten, dass die militanten Weißen AntirassistInnen die ›hilflosen‹ Flüchtlinge befreien. Es haben sich diese Anordnungen beispielsweise 86 | Auflösende Bilder im Rahmen der gemischten Organisierungsprozesse der Anti-Lageraction-Tour und der Antirassistischen Grenzcamps auch teilweise verschoben: Wenn früher die Flüchtlinge drinnen waren und die mehrheitlich Weißen AktivistInnen draußen vorm Zaun, so gibt es jetzt gemeinsame Bewegungen in die Lager, um die Isolation zu durchbrechen, sowie aus den Lagern heraus. Ausdruck versucht dies in Praktiken wie Blue & Silver (blaue Overalls, Puschel, afrikanische Trommelrythmen, mehrsprachige Protestslogans und afrikanisch-europäische fighting-songs) zu finden, die die später beschriebene Tutti Bianchi Strategie weiterentwickelt haben. Im Übrigen wurde das gemeinsame Auftreten in blauen Overalls von einem Aktivisten der Flüchtlingsinitiative Brandenburg als öffentlichkeitswirksames Aufbrechen der rassistischen Norm interpretiert, wonach (›Schwarze‹) Flüchtlinge und (›Weiße‹) Nicht-Flüchtlinge prinzipiell unterschiedlichen Personenkreisen angehören würden und deshalb nicht Mitglieder derselben Gruppe sein könnten. Die ersten beiden Bilder zeigen eine großangelegten öffentliche Aktion in Bologna im Januar 2002 (s. Abb. 13 & 14), bei der Teile eines im Bau befindlichen Abschiebe-Internierungslagers CPT (centri di permanenza temporanea, vergleichbar mit den deutschen Abschiebegefängnissen) zerlegt wurden. Über 100 italienische disobedienti, Ungehorsame, wie sie sich selbst nennen, entzaunen zuerst das Gelände und demontieren dann die Anlage. Sie schaffen es, in dem Moment ihres Agierens eine symbolische Aussage und eine militante Aktion zu verbinden. Auch wenn die Aktion weniger auf diesen symbolischen Gehalt angelegt war und vielmehr den Protest gegen den staatlichen Rassismus und das Lagersystem zum Ausdruck bringen sollte, entsteht ein Bild, das ich als Auflösendes Bild bezeichnen würde. Innerhalb des oben beschriebenen Spannungsfeldes findet eine Verschiebung der Grenzen, ein Angriff auf das »Innen« und »Außen«, Dazugehören und Ausgeschlossensein der Flüchtlingspolitik statt (vgl. Sahara 2005). Unter der gleichen Perspektive lese ich die nächsten Bilder. Sie sind bei der Demontage eines Zaunes von einem Lager für minderjährige Flüchtlinge in Deelen in den Niederlanden im Sommer 2003 entstanden (s. Abb. 15). Die Akti87 | Auflösende Bilder vistInnen, die in der Tradition der Tutti Bianchi 28 in weißen Overalls zu sehen sind, haben diese Aktionsform de-fencing genannt, ein Wortspiel, das einen Perspektivwechsel beinhaltet. Das amerikanische Wort »fence« bedeutet Zaun, de-fence Verteidigung. Damit wird zum Aus- 13 14 druck gebracht, dass sich die Aktion für etwas ausspricht: für die Verteidigung der Rechte und Lebensbedingungen minderjähriger MigrantInnen. Die in Weiß gekleideten, die den Unsichtbaren eine Stimme geben wollen, bleiben allerdings auch in der paternalistischen Position: sie geben. Durch das Weiß ihrer Overalls wird der Kontrast zu den Flüchtlingen nur noch deutlicher. Diese sind dennoch aktiv in den Prozess eingebunden. Sie beteiligen sich an der Demontage der Zäune und zeigen, was sie von diesen halten, indem sie strahlend darauf herumspringen. Diese Auflösenden Bilder sind jedoch nicht neu – sie sind so alt wie der Wunsch nach Freiheit. Gefängnismauern einzurennen und Gefangene zu befreien, die Fesseln zu sprengen – das sind alte Bilder, die diesen Wunsch markieren, festgehalten auf Stichen und Ölbildern. Die hier vorgestellten Bil28 Die Tutti Bianchi (ital.: ganz in Weiß) wollen die in der Gesellschaft Unsichtbaren sichtbar machen die Illegalen, Arbeitslosen, Obdachlosen. Es ist ein Aktionskonzept, bei dem die AktivistInnen in Italien einen weißen Ganz-Körper-Overall tragen und bei Aktionen oft mit erhobenen Händen gehen, um zu demonstrieren, dass sie ohne Angriffswaffen auftreten. Tutti Bianchi gibt es mittlerweile in mehreren Ländern, in den USA tragen sie allerdings gelbe Overalls, um Assoziationen mit den Ku-KluxKlan zu vermeiden. 88 | Auflösende Bilder 15 der stehen allerdings in einem neuen Bedeutungskontext, in einem neuen Diskussionszusammenhang, der darauf abzielt, die symbolische Ordnung der Dinge zu zerstören. Auch wenn der symbolische Gehalt nicht intentional war, kann das Bild nicht außerhalb dieser Bedeutungsebene gelesen werden. 89 | Auflösende Bilder 4.4.2 Widerständige Aneignung/Selbstermächtigung Genau an dem Punkt setzt Kanak TV an. Es will die »Opferposition« von Flüchtlingen und MigrantInnen und damit die Angewiesenheit auf die moralische Gutwilligkeit der Weißen Mehrheitsgesellschaft hinter sich lassen. Durch Provokation will dieses Projekt die Maske der Multi-Kulti-Gesellschaft, die die Anderen mit ihrem exotisierenden Blick festschreibt, demontieren. »Wir waren genervt, dass MigrantInnen seit Jahrzehnten immer nur ihre Exotik präsentieren sollen. Dass die weißen Deutschen sie zu Medien-Objekten machen, exotisieren, mit Fragen auf Klischees reduzieren«, schreiben Sun-Ju Choi und Mitiadis Oulis in ihrem Artikel Kanak-TV – der offensive Blick (Choi/Oulios 2005, 222). Dieser Widerstand gegen die vorherrschende Repräsentation funktioniert über die Aneignung der technischen Möglichkeiten, und damit über die Macht der JournalistInnen und der Kamera zu befragen anstatt befragt zu werden, selbst zu repräsentieren anstatt repräsentiert zu werden. »Das Mikro, die Kamera verleiht dir Autorität. Nutze sie!«, lautet die Aufforderung an MitstreiterInnen. Beispiele sind die Standbilder aus dem Clip, der anlässlich einer Festveranstaltung der Stadt Köln zum 40-jährigen Jubiliäum des Anwerbevertrages mit der Türkei gedreht wurde. Die vornehmlich Weißen BesucherInnen dieser Veranstaltung wurden von den Kanak TV-ModeratorInnen nach ihrer Perspektive auf die deutsche Gesellschaft befragt: »Ist Frauen zu schlagen – wie ich hörte, beispielsweise Dieter Bohlen, ein deutscher Sänger – Teil Ihrer Kultur? (Reaktion s. Abb. 16) Der ehemalige Coach der deutschen Fußballmannschaft, Christoph Daum, nahm sehr viel Drogen, ist das Bestandteil Ihrer Kultur?« Hier werden die Pauschalisierungen, die in bezug auf MigrantInnen üblich sind, umgedreht. Bei einer anderen Technik werden die Personen auf Englisch befragt, wodurch die Souveränität der Sprachmächtigkeit umgekehrt wird. Hinweise auf die übliche Arbeitsteilung, MigrantInnen als KellnerInnen während die Weißen die Arbeitsmigration feiern, dekonstruieren das Abfeiern der »Toleranz«. Ein weiteres Beispiel ist der Kanak TV-Clip Weißes Ghetto in dem es darum ging, den Integrationsdiskurs anzugreifen – einen Diskurs, der dazu dient, zentrale Rechte zu verweigern, und der zum Maßstab für die Behandlung von Leuten mit migrantischem Hintergrund in Deutschland geworden 90 | Auflösende Bilder 16 17 18 ist. Die Medien unterstützen diese Sichtweise durch Reportagen, in denen durch bestimmte Ausschnitte aus so genannten »Ausländervierteln« die »Desintegration« besonders deutlich gemacht werden soll. »Denn eigentlich ist es nicht möglich, nicht integriert zu sein. Die Frage ist, welches der vielen Rädchen du im System bist. Die Integrationsdiskussion macht aus Inländern Ausländer, auch um über soziale Ungleichheit zu schweigen«, kritisieren die AutorInnen. Die beiden Standbilder aus dem Film zeigen einmal eine Situation, in der eine Frau gefragt wird, was sie vorschlagen würde, damit sich die Deutschen besser in die Gesamtgesellschaft (die ja »bunt« sei) integrieren können? Das Bild der Irritation (s. Abb. 18 ), die durch diese Frage bewirkt wird, spricht Bände. »Wie bitte, die Deutschen?« stottert sie, auf das »Ja«, antwortet sie mit einem doch etwas verunsicherten »Ich denke, wir sind integriert.« In dem Bild des Kanak TV-Reporters (s. Abb. 17) wird der Reportagestil imitiert, in dem über migrantische Ghettos als Problembezirke berichtet wird, und setzt so einen ganz anderen Fokus: die ausgrenzende deutsche Gesellschaft, das Problem, sind hier die Weißen. Natürlich sind diese Bilder nur dann lesbar, wenn man den Film dazu kennt, sie dienen hier eher zur Illustration. Auflösende Bilder machen von dem Medium Film verstärkt Gebrauch, da sich hier die flüssigen Übergänge und das Irritieren der Blickerwartungen anscheinend leichter umsetzen lassen. »Der Ausgangspunkt war für unsere Gruppe in Köln, eine Methode zu finden, mit der man zeigen kann, dass wir es nicht akzeptieren, wenn über die Köpfe der Eingewanderten hinweggeredet wird. Voraussetzung unserer Arbeit war, dass wir die Vordefinition von bestimmten Begriffen und Diskursen abgewiesen haben«, schreiben die AktivistInnen. Ich habe diese Bilder deshalb zu den Auflösenden Bildern gezählt, weil sie mit dem rassistischen Blick bewusst brechen, indem sie Situationen und Bilder produzieren, die irritieren, lieb gewonnene Selbstverständlichkeiten ins Wanken bringen und provozieren. Alte Sehgewohnheiten lösen sich auf, bestimmte Erwartungen werden enttäuscht, Normen werden dekonstruiert. Die selbstbewusste Aneignung der Technik und der SprecherInnenposition sowie der Macht zur Selbstrepräsentation bricht mit der Tradition der exotisierenden Zuschreibungen und Stereotype. Dennoch nimmt Kanak TV so etwas wie eine Avantgarde93 | Auflösende Bilder position innerhalb der MigrantInnen-Community ein, da viele MigrantInnen nicht (aufgrund von unterschiedlichem Know-how und Sprachkenntnissen) dieselben Möglichkeiten haben, sich eine solche Position anzueignen. 4.4.3 Aneignung als Subversion? Gibt es eine Verbindung zwischen Fummel tragen, Transvestitentum, Transsexualismus (drag) und Subversion? Ist der Versuch Schwarzer als ›Weiß‹ durchzugehen (passing) eine Form von Widerstand? Judith Butler hat in ihrem Buch Körper von Gewicht darauf hingewiesen, dass drag keine sekundäre Imitation ist, die auf eine primäre, ursprüngliche Geschlechtsidentität verweist. Vielmehr sei die hegemoniale Heterosexualität selbst ein andauernder Versuch, die eigenen Idealisierungen zu imitieren. Damit ist der Hinweis darauf umschrieben, dass es nichts ›Ursprüngliches‹, ›Eigentliches‹ gibt, sondern dass auch Kategorien wie Geschlecht im alltäglichen Handeln immer wieder hergestellt und reproduziert werden (vgl. Butler 1995, 178). Körper werden durch ein bestimmtes Wahrnehmungsraster gesehen, Gesten und Bewegungen sind nie frei von Bedeutung. Aus dieser Überlegung resultiert die Frage nach dem subversiven Gehalt von Transgenderpraktiken (drag), der in der Möglichkeit liegt, den Konstruktionscharakter der Geschlechtsidentität aufzuzeigen. In der Imitation wird deutlich, dass der Versuch der hegemonialen Geschlechtervorstellungen, mit den eigenen Idealisierungen übereinzustimmen, niemals vollendet werden kann. Die Konstruktion von Geschlecht und Heterosexualität spielt sich in einem komplexen Gefüge von Normen ab, die in die Einzelnen hineinwirken und von den Einzelnen produziert werden. Und drag parodiert diesen Versuch, zeigt die Unvollkommenheit auf. »In diesem Sinne also ist drag in dem Maße subversiv, in dem es die Imitationsstruktur widerspiegelt, von der das hegemoniale Geschlecht produziert wird, und in dem es den Anspruch von Heterosexualität auf Natürlichkeit bestreitet«, schreibt Butler (ebenda). Passing steht für »passieren« »durchgehen«29 – entweder als ein anderes Geschlecht 29 Auch wenn es Positionen gibt, die passing als das selbstbewusste Einnehmen einer nicht kategorisierbaren, nicht eindeutig identifizierbaren Position beschreiben. 94 | Auflösende Bilder oder als eine andere Hautfarbe. Auch hier soll das Augenmerk durch die Problematisierung auf die sozialen Konventionen gelenkt werden, derer sich gleichermaßen die als Weiß Durchgehenden und die sich als Weiß Ausgebenden bedienen, um als Weiß durchzugehen (vgl. Butler 1995, 235). Passing transportiert die Sehnsucht nach der von Weißsein ausgehenden Freiheit, nach Klassenmobilität und die Macht der Verführung. Es geht auch in diesem Fall um ein idealisiertes Bild von Weißsein, ein Bild, das Geld und Macht, Mobilität und Freiheit mit der Weißen Hautfarbe assoziiert und damit all das ausschließt, was sich an den Rändern dieser Vorstellungen konstituiert. Diesem Ideal hecheln die Einzelnen gleichermaßen hinterher – egal, auf welcher gesellschaftlich zugeordneten Position sie sich befinden. Es geht also auch in diesem Fall um die Imitation und den Herstellungscharakter, die Gesten und die Verhaltensweisen. Und es geht um die Macht der gesellschaftlich anerkannten Position. Bringt die Ära der drag kings nun den Anstoß zum langerwarteten Ende der Zweigeschlechtlichkeit, oder bleibt das subversive Spiel mit der vermeintlichen Männlichkeit und der Hautfarbe auf Bühne und ZuschauerInnenraum beschränkt? Diese Frage könnte man dem Film Paris is burning (1991), der unter der Regie und in der Produktion von Jennie Livingston entstanden ist, voranstellen. Auf drag-Bällen in New York, die von afroamerikanischen und latino-›Männern‹ besucht und organisiert werden, findet ein Wettkampf um die Perfektion der Imitation statt. Die in verschiedenen Häusern (Zusammenschlüssen) organisierten Darstellenden treten gegeneinander an, imitieren verschiedene Weiblichkeiten bzw. verschiedene Weißheiten aus den oberen Gesellschaftsschichten. Die beste Imitation wird ausgezeichnet. Da nicht alle in die Rolle des Showgirls oder -boys passen, wurden Kategorien für alle erfunden: pretty girl, fashionable winterdressing, luscious body, wealth, schoolboy/schoolgirl realness, town & country, executive realness, realness (so hetereosexuell wie möglich, wie ein richtiger Mann/wie eine richtige Frau aussehen) und viele mehr. »Du kannst alles sein, was du willst, jemand anderes sein« – zumindest auf der Oberfläche. Es geht um die Nachstellung von Geschlechtsidealen und rassistischen Normierungen. Es geht um das Parodieren von herrschenden Normen. Durch das Aneignen einer anderen Rolle/Performance, eines anderen Gestus besteht die Möglichkeit, 95 | Auflösende Bilder die damit verbundenen Attribute von Macht und Ansehen auszukosten. Dennoch bleibt die Frage, ob die Normen subversiv genutzt werden oder ob sie nicht lediglich wiedereingesetzt und reproduziert werden. bell hooks kritisiert an diesem Film die Nicht-Thematisierung des Hintergrundes der Filmemacherin Livingston: Weiß und lesbisch – und damit das Verschweigen dessen, dass der Film ihre Perspektive und ihren Standpunkt vertritt und nicht den der an den Bällen Partizipierenden – sowie die auch damit verbundene potentielle wie reale Rezeption der ZuschauerInnen. Livingston nähert sich den Bällen als Außenstehende, in den Filmrezensionen wird sie zur einfühlsamen Regisseurin, »die sich zu einem zeitgenössischen ›dunklen Fleck‹ vorwagt, um Informationen über die ›Eingeborenen‹ zu holen« (Hooks 1996, 186). Die Rituale und Bälle würden in der Weißen Rezeption wie Regiearbeit auf ein lustiges Spektakel reduziert. Weißsein würde nicht in Frage gestellt – bzw. das Darunter-Leiden –, sondern als ideale Schönheitsnorm abgefeiert. Ich habe ein Bild der Balldarstellerin Venus Xtravaganza ausgesucht (s. Abb. 19), um zu verdeutlichen, dass die Möglichkeit des passing zumindest die SchwarzWeiß-Kategorien aufbricht und in Frage stellt. Venus beschreibt ihren Wunsch nach der Welt der Weißen, nach schönen Kleidern und Reichtum, und zeigt in ihrer Performance ihre potentielle Zugehörigkeit – zumindest auf der Oberfläche, wenn auch ihr Lebensalltag eher dem Gegenteil (Armut und Diskriminierung) entspricht. Damit wird die Realität von Menschen ins Spiel gebracht, die sich nicht eindeutig festlegen lassen, was die ganze Dichotomie ins Schwanken bringt. An der Kategorie wealth (Reichtum), aus der das Kapitänsbild (s. Abb. 20) kommt, lässt sich eine Studie der Gesten der Dominanz betreiben. »Alles ist deins! Das ist das weiße Amerika. […] Die Fischer-Price-Kids spielen nicht auf einem Betonplatz. Sie spielen im Garten.« (Begleitstimme aus dem Film). 96 | Auflösende Bilder 19 20 4.4.4 Irritation und die Konstruktion des Anderen – Warum gut gemeint nicht gut gemacht ist Erwartungen irritieren, lieb gewonnene Sehgewohnheiten in Frage stellen – Der schöne Schein 30, eine Kampagne der eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, die im Sommer 1997 mit Plakaten, Inseraten und TV- und KinoSpots lanciert wurde, scheint auf diese Devise zu setzen. Die Plakate und Filmspots zeigen, wie es in der Pressemitteilung heißt, »eindringliche Bilder von Minderheitenangehörigen in der Schweiz: eine jüdische Frau, ein schwarzer Knabe, ein fahrender Scherenschleifer, ein chinesischer Koch, ein Asylbewerber-Paar, ein türkischer Mechaniker, ein schwarzer Disc Jockey…«. Schon an der Aufzählung lässt sich die Serie an Klischees und Stereotypen ablesen, die hier reproduziert werden. Vielleicht überflüssig zu sagen, dass die Jüdin natürlich eine ›schöne Jüdin‹ darstellt, der fahrende Scherenschleifer einen ziemlich gezwirbelten Schnauzbart besitzt, der Discjockey sehr volle Lippen hat, etc. Allein der Text soll hier den gewohnten Sehkontext aufbrechen, irritieren – ein Beispiel dafür, wie es nicht funktioniert. Wie schon eingangs in dem Kapitel zu Nichtbildern erwähnt, ist es häufig der Text, der die Bilder erst in einen bestimmten Kontext einordnet, ihnen Bedeutung verleiht. Indem der Text die Erwartungshaltung der LeserInnen irritiert, schafft er eine Verunsicherung und kann zum Nachdenken anregen. Der Text auf der Plakatserie der Kampagne spielt denn auch mit dieser Möglichkeit. Name, Alter, Beruf der Abgebildeten und die Slogans »Ich gehöre zur Partygemeinde«, »Ich bin einer von Euch« stehen als Überschrift über dem Bild. Erst auf den zweiten Blick fällt die Einschränkung in der Unterzeile ins Auge: »Solang’ ich am Plattenteller stehe«, »Solang’ Eure Autos laufen«... Sicherlich gut gemeint, will diese Kampagne den Rassismus, der sich »hinter der schweizerischen Alltagsoberfläche verbirgt«, thematisieren (Presseerklärung der EKR). Die Kampagne soll laut Pressemitteilung den Alltagsrassismus ins Bewusstsein bringen, ihn beim Namen nennen, das Schweigen brechen und den Diskurs öffnen. 30 Die Kampagne Der schöne Schein wurde in New York mit dem goldenen United Nations Award 1997 ausgezeichnet und gewann 1998 den ersten Preis des Art Directors’ Club ADC Schweiz. 98 | Auflösende Bilder Doch bevor die BetrachterInnen in ihrer Wahrnehmung bei dem aufzubrechenden Diskurs angekommen sind, hat sich schon längst eine Anordnung ins Auge eingeprägt, an der sich nichts verschiebt. Nicht nur dass in der Anordnung des Bildes Stereotype reproduziert werden, indem besondere Gesichtspartien, wie etwa die dunklen Augen der ›schönen Jüdin‹ oder der Schnauzbart oder die vollen Lippen im Zentrum des Bildes platziert sind, da nur ein Ausschnitt des Gesichtes gezeigt wird. Auch der Text macht diese Menschen deutlich als die ›Anderen‹ sichtbar und reklamiert lediglich, dass sie rassistisch behandelt und ausgeschlossen werden. Das Beispiel ist also eher ein Nicht-Beispiel für Auflösende Bilder, da die Fremden als Fremde sichtbar gemacht werden, die – so die 21 22 99 | Auflösende Bilder Skandalisierung – nicht voll dazugehören. Die Kampagne klagt zwar an, dass die Arbeitskraft konsumiert und der Mensch nicht akzeptiert wird, verbleibt aber im Duktus des positiven Rassismus. In der Kombination von Bild und Text werden so genannte positive Stereotype reproduziert, die im Alltagbewusstsein weit verbreitet und gerade deshalb so problematisch sind. Die ›positive‹ Verallgemeinerung (z.B. der Schwarze, der Musik im Blut hat, der Fahrende – Sinto wahrscheinlich –, der natürlich Scherenschleifer ist) ist aufgrund ihrer Festschreibungen und der Möglichkeit, dass enttäuschte Erwartungen in »negativen« Rassismus umschlagen, genauso, wenn auch anders problematisch, wie der normale Alltagsrassismus. Sicherlich haben die InitiatorInnen der Kampagne diese stereotype Verbindung zwischen Text und Bild nicht bewusst gewählt, aber dass sie sie gewählt haben, zeigt den hohen Verbreitungsgrad von Rassismus jedweder Art in der Mehrheitsgesellschaft. Ich habe dieses problematische Beispiel deshalb ausgewählt, weil es zeigt, dass der gute Wille allein nicht ausreicht. Vielmehr besteht die Notwendigkeit nach einer grundlegenden Selbstreflexion, die die Problematik der eigenen Whiteness miteinschließt. Guter Wille reicht nicht aus, um Bilder aufzulösen und zu verschieben. Vielmehr müssen die Konstruktionsmechanismen des ›Anderen‹ als ›fremd‹, genauso in den Blick genommen werden wie die Mechanismen der Konstruktion des ›Eigenen‹ als ›Norm‹, um eingefahrene Sehgewohnheiten wirklich zu irritieren und dekonstruieren. Um auch noch ein gelungenes Beispiel ins Spiel zu bringen: Das Plakat Das Boot ist voll aus von 1998 irritiert – auch wenn es gestalterisch recht »klassisch« daher kommt – mit den damals weit verbreiteten Flüchtlingsbootbildern die Interpretation der BetrachterInnen des Bildes, indem es eine andere Schlussfolgerung aus dem Bild zieht: »deshalb: Grenzen auf!« Somit dekonstruiert es durch eine einfache Umkehrung die rassistische Bildproduktion in den Medien – vom Bedrohungsszenario zum Solidaritätsaufruf (vgl. Ansasunis/ Kaltenborn 1999, 206). 100 | Auflösende Bilder 4.5 Weiterführende Überlegungen Auflösende Bilder sind Bilder, die Grenzen verwischen, Positionen des Dazwischen formulierens, die nicht einzuordnen sind, konstruieren, dekonstruieren und rekonstruieren sowie versuchen, differenzierte und brüchige Bilder zu beschreiben. Hier bietet sich ein weites Feld für GestalterInnen und KünstlerInnen sowie AktivistInnen Bilder umzukehren, in Frage zu stellen und auseinander zu nehmen. Auch wenn diese dekonstruktivistischen Methoden die Gefahr der Beliebigkeit und Entpolitisierung beinhalten – alles ist gleich bzw. hineinlesbar – bringen einige der Beispiele doch provokative Fragestellungen auf. Auch die »Zaunbilder« bergen die Gefahr, sich auf die symbolische Kraft dieser Bilder zu fixieren und damit die sozialen und politischen Praxen, die auf anderen Ebenen Veränderung bringen, aus dem Blick zu verlieren. Insgesamt stehen die Auflösenden Bilder eher für eine Suchbewegung, und zwar danach, welche Richtungen gangbar sind und wie mit Bildern umgegangen werden kann, sie suchen nach Schnittpunkten zwischen Theorie und Praxis, Kunst und Politik. Sie stehen dafür, die Eindeutigkeit, den Essentialismus und manchmal Dogmatismus auch verlassen zu können und Wahrnehmungen zu hinterfragen und zum Nachdenken anzuregen. 101 | Auflösende Bilder V »Design ist unsichtbar« (Lucius Burckhardt 1995) V Schlussbetrachtungen In dieser Arbeit habe ich Beobachtungen dazu angestellt, welche Strategien angewendet werden, um antirassistischen und antikolonialen Widerstand im Bild zu repräsentieren. Ausgangspunkt meiner Überlegungen waren Beobachtungen in meiner eigenen gestalterischen und politischen Praxis sowie Erfahrungen und Produkte von anderen. Da Gestaltung sowohl von bestimmten Wahrnehmungsmustern beeinflusst ist als auch darauf aufbaut, habe ich einen weiten Blick zurück auf die Repräsentationen von antikolonialem und antirassistischem Widerstand geworfen. Dies sollte dazu dienen, auszuloten, welche Wirkung von Widerstandsbildern emanzipatorische Prozesse unterstützt und wo die Grenzen und Schwierigkeiten liegen. Aus meiner Recherche und den darausfolgenden Beobachtungen haben sich drei grobe Bildkategorien ergeben: Nichtbilder, Gegenbilder und Auflösende Bilder. Diese Strategien folgen aufeinander und bestehen nebeneinander. Das Kapitel Nichtbilder gibt Anlass dazu, sich die Frage zu stellen, welcher Widerstand überhaupt gezeigt wird, was als widerständig gewertet und wahrgenommen wird und welche Formen des Widerstandes eine marginalere Repräsentation finden? Bei der Sichtbarmachung von Widerstand gilt es, das Augenmerk auf die Frage zu lenken, wer wen und was sichtbar macht und aus welcher Motivation heraus. Bei der notwendigen Bezugnahme auf Quellen jenseits der eurozentrischen Weißen Sichtweise besteht auch immer die Gefahr der Kulturalisierung, des Benutzens im eigenen Sinne. Andererseits ist es notwendig ohne spektakulären Duktus, jenseits der westlich geprägten Geschichte der Fotografie, andere Geschichten wahrzunehmen und anzuerkennen. Das bedeutet, sich auf andere Geschichtsschreibungen zu beziehen, den Bezug auf Quellen, die schwerer zugänglich sind, selbstverständlicher werden zu lassen, die Vielfältigkeit der Perspektiven einzubeziehen und darin Machtverhältnisse klar zu benennen. Das Kapitel über Gegenbilder versucht aufzuzeigen, welche Wirkung, aber auch welche Schwierigkeiten die Sichtbarmachung in sich trägt. Die Repräsentanz durch individuelle Persönlichkeiten spielt eine große Rolle, birgt jedoch die Gefahr von Führerkult und Eindimensionalität, dem Verkommen zu 105 | Schlussbetrachtungen Propaganda und essentialistischen Zuschreibungen. Auch heute finden sich noch Bildsprachen, die einerseits Mut machen, andererseits ihre Wirkung verlieren können, wenn sie eher eine herbeigewünschte widerständige Realität als eine tatsächliche heraufbeschwören. Bei der Konzentration auf spektakuläre, militante oder symbolische Aktionen werden außerdem die kontinuierlichen Prozesse alltäglicher politischer Arbeit, die Widerstand erst möglich machen, unsichtbar gemacht. Auch die Gratwanderung zwischen kultureller Wertschätzung und kultureller Vereinnahmung (vgl. Hooks 1994, 56) ist in Bezug auf die Gegenbilder eine wichtige Frage. Hauptsächlich kennen wir das Phänomen der Einverleibung anderer Kulturen als ›Würze‹ für die deutsche Gesellschaft aus der Werbung, doch ist es auch Thema in der widerständigen Bildproduktion. Für die Auflösenden Bilder trifft Roland Barthes’ These »Letzten Endes ist die Photographie nicht dann subversiv, wenn sie erschreckt, aufreizt oder gar stigmatisiert, sondern wenn sie nachdenklich macht« (Barthes 1985, 47f), die ich der vorliegenden Arbeit vorangestellt habe, am stärksten zu. Es stellt sich jedoch immer noch die Frage, welche Repräsentationen von Widerstand einen emanzipatorischen Prozess auf der BetrachterInnenseite fördern. Die erfolgreichen Momente der Irritation, die den eigenen Blick und den der anderen ins Wanken bringen, führen zu einem Weg aus den Dichotomien Gut/Böse, etc. Ungelöst bleibt das Problem der Vereinnahmung der Bilder durch Weiße (z.B. AkademikerInnen, die mittels Dekonstruktionsansatz ihre priviligierte Position negieren) und das Problem der unter Umständen eingeschränkten Dekodierbarkeit der Bilder, da im Einzelfall der historische Kontext nicht rekonstruierbar ist. Durch die Untersuchung der verschiedenen Epochen habe ich aufgezeigt: die Fotografie ist kein ahistorisches Produkt. Die Art und Weise der Wahrnehmung von Bildern ist sowohl bedingt durch den jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Standpunkt der RezipientInnen als auch generell kontextgebunden. Ob jemand auf Fotografien als MigrantIn oder NichtmigrantIn identifiziert und wahrgenommen wird, entspricht also einem hegemonialen Wissen. Dieses Wissen basiert auf der kulturellen Hegemonie in einer spezifischen Gesellschaft. Hegemonie bezeichnet die vorherr106 | Schlussbetrachtungen schenden kollektiven Symbole und Interpretationsfolien einer bestimmten Gesellschaftsformation. Diese Hegemonie ist nicht statisch, sondern gesellschaftlich umkämpft. Daraus ergibt sich immer wieder die Frage: Welche Bilder brechen und bekämpfen diese gesellschaftliche Hegemonie? Insgesamt hat sich gezeigt, dass die verschiedenen Bild- und Repräsentationstrategien ihre Stärken, aber auch ihre Schwächen haben. Bei der Repräsentation von Widerstand geht es in dieser Arbeit um Bilder, die Widerstand im Bild dokumentieren (Dokumentarfotografie), Bilder, die in ihrem Entstehungsprozess widerständig sind (Aufklärung oder Aneignung) sowie Bilder, die im Bezug auf die hegemoniale Repräsentation widerständig sind (beispielsweise Porträtfotografie). Insofern würde ich Barthes’ These widersprechen, denn aufklärerische Fotografie, die erschreckt, ist durchaus in der Lage, die Veränderung von Verhältnissen zu bewirken. Letztlich handelte es sich hier aber auch nicht nur um die auf einen Umsturz der bestehenden Ordnung zielenden Tätigkeiten im Verborgenen (Subversion), sondern auch um eben offensive, sichtbare widerständige Praxen. Dennoch würde ich sagen, dass im Sinne einer emanzipatorischen antirassistischen Bildproduktion, die Bilder, die nachdenklich machen, die Leute zum Zweifeln anregen – Bilder also, die einem das Denken nicht abnehmen, die mit dem Üblichen brechen, ohne ein Neues festzuschreiben, ein wichtiges ausbaubares Spielfeld ergeben. Denn es geht nicht darum, die verschiedenen Strategien gegeneinander auszuspielen, sondern zu versuchen das Spielfeld zu erweitern bzw. zu gucken, welche Formen unterrepräsentiert sind. Die Analyse der Leerstellen hängt natürlich sehr vom jeweiligen Kontext, vor allem den anvisierten RezipientInnen ab. Bei der Suche nach Bildern, die mit hegemonialen Repräsentationen brechen, beschreibt der Bruch mit diesen einen bestimmten kontextualisierten Moment, der vergänglich ist, auch weil er – im besten Fall – etwas verändert. Also hat es Sinn, eine bestimmte strategische Position einzunehmen, aber von ihr ebenso wieder lassen zu können, ohne sie als starre Wahrheit zu denken. Mit meinem Rückblick auf die antirassistische Bildproduktion will ich einen Sensibilisierungsprozess für die Konstruktionsprozesse von rassistischen 107 | Schlussbetrachtungen Bildern sowie die Dekonstruktionsprozesse bzw. Strategien dagegen anregen – sprich eine Bewusstwerdung über die unsichtbaren Komponenten der Gestaltung – für die widerständige Bildproduktion wie auch die Gestaltung im Allgemeinen. Ich möchte dazu aufrufen, die eigene Wahrnehmung zu hinterfragen, sich ins Wanken zu bringen bzw. bringen zu lassen. Als zentrale Strategien möchte ich die Notwendigkeit der Thematisierung sowohl der BildproduzentInnen als auch der RezipientInnen und das Infragestellen gewohnter Orientierungsmuster vorschlagen. So stellen auch Kaltenborn und Ansasunis in ihrer Analyse von antirassistischen Plakaten die Überlegung an, dass »wenn die (weißen) GestalterInnen ihre eigene ›Betroffenheit‹ bzw. Perspektive in diesen Verhältnissen formulieren, sich ins Verhältnis setzen würden« (Ansanuis/Kaltenborn 1999, 213) die Bildsprache über das Solidarisieren und blosse Aufzeigen von rassistischen Verhältnissen hinausgehen könnte. Das könnte beispielsweise eine thematische Fokussierung auf Zusammenhänge von Machtverhältnissen, strukturelle Ungleichheiten, prekäre Arbeitsverhältnisse, ökonomischen Ausschluss u.a. bedeuten. Eine wirksame Methode, gewohnte Orientierunsmuster in Frage zu stellen ist, die privilegierte Weiße Position ins Visier zu nehmen, d.h. Whiteness sichtbar zu machen und als Problem zu thematisieren. Bei der Fokussierung von Whiteness muss allerdings berücksichtigt werden, dass jeglicher Bezug auf die dominante Position die Gefahr einer Bestätigung der bestehenden Ordnung enthält. Denn Weiße standen immer im Mittelpunkt der westlichen Forschung und Repräsentation. Das Herauslösen aus der Norm und Unsichtbarkeit muss also mit strukturellen Veränderungen einhergehen. Mit der Verwendung, Konnotation und Wertigkeit von Farbe sollte mensch sich in verschiedenen Bedeutungszusammenhängen beschäftigen, auch in gestalterischen. Die Reflektion von GestalterInnen über die Verwendung der Farben Schwarz und Weiß und etwaige rassistische Konnotationen ist unabdingbar. Als Anregung möchte ich abschließend ein Gedicht von May Ayim31 von 1985 anführen: 31 May Ayim war Diplom-Pädagogin, Logopädin und Lyrikerin. Sie lebte seit 1984 in Berlin. Sie war in der Schwarzen Community und in der Frauenbewegung aktiv und gehörte 1985 zu den GründerInnen der Initiative Schwarze Deutsche. May Ayim faßte 1996 den Entschluss, aus dem Leben zu gehen. 108 | Schlussbetrachtungen Exotik nachdem sie mich erst anschwärzten zogen sie mich durch den kakao um mir schliesslich weiß machen zu wollen es sei vollkommen unangebracht schwarz zu sehen (May Ayim 1993) VI VI Quellen Literatur Ansasunis, Sabeth/Kaltenborn, Sandy: Kein Mensch ist illegal? Antirassistische Plakate, in: HKS 13 (Hg.), Hoch die, Kampf dem. 20 Jahre Plakate autonomer Bewegungen, S. 202, Hamburg/Berlin/Göttingen 1999 Anzaldúa, Gloria: Borderlands – La frontera: the new mestiza, San Francisco 1999 Aubinger, Joseph: Einiges vom Fremdenlegionsfilm, in: Der deutsche Film in Wort und Bild, 01.04.1921 autonome a.f.r.i.k.a.-gruppe: Medienrandale. Die Macht der Medien - Ohnmacht der Linken? Rassismus und Antirassismus, Grafenau 1994 Barthes, Roland: Die helle Kammer. Bemerkung zur Photographie, Frankfurt am Main 1985 Blackshire-Belay, Carol Aisha: Historical Revelations. 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Von unvermeidlichen Kontakten und widerstreitenden Gefühlen, Hatje Cantz 1999 23 HKS 13 (Hg.): Hoch die, Kampf dem. 20 Jahre Plakate autonomer Bewegungen, S. 212, Hamburg/Berlin/Göttingen 1999 119 | Quellen Eidesstattliche Erklärung Ich versichere, die vorliegende Arbeit selbständig und nur unter Verwendung der genannten Hilfsmittel erstellt zu haben. Laura Maikowski, Fachhochschule Potsdam 2005