Schräger als Fiktion
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Schräger als Fiktion
Schräger als Fiktion Die Grundidee ist fantastisch und verspricht viel: Harold Crick (Will Ferrell) ist ein einsamer, pedantischer, wenn auch liebenswürdig-naiver Steuerbeamter, der sein Leben in perfekten Abläufen und in numerischer, wiederkehrender Monotonie führt, genauso wie es die weibliche Off-Erzählerin einfühlsam schildert – bis er eines Tages anfängt, genau diese zu hören! Der perfekte Arbeiter, der noch keinen Arbeitstag verpasst hat, geht seiner alltäglich minutiös geplanten Routine immer mehr verlustig, als die Stimme in seinem Kopf nicht aufhört, Dinge über sich und sein Leben zu erzählen, die nur er wissen kann – was er noch nicht ahnen kann: Er selbst ist die Romanfigur im neuen Werk der Schriftstellerin Karen Eifel (Emma Thompson)! Und sein Leben wird noch mehr aus den Fugen gerissen, als er sich nicht nur in eine anarchistische, Steuerhinterziehende Bäckerin (Maggie Gyllenhaal) verliebt, sondern die Schriftstellerin auch noch verkündet, dass er bald sterben wird. Dem verzweifelten Harold Crick bleibt nichts anders übrig, als den Literaturprofessor und Kaffee-Junkie Jules Hilbert (Dustin Hoffmann) aufzusuchen, um alles über die Wirkungsweisen fiktionaler Werke zu erfahren, und um letztendlich seinen drohenden tragischen Tod zu verhindern... Marc Forster ist einer der wenigen Schweizer Regisseure, die den Sprung nach Hollywood geschafft haben, und hat mit Erfolgsfilmen wie „Monster’s Ball“ und „Wenn Träume fliegen lernen“ eindrucksvoll bewiesen, dass er das Drama tadellos beherrscht. Unter der Feder von Zach Helm will er die Spannbreite seines künstlerischen Schaffens nun mit einer romantischen Komödie erweitern, was ihm streckenweise auch sehr gut gelingt – der Film aber insgesamt doch nicht all das einhalten kann, was er verspricht. Seine besten Momente erhält der Streifen durch den originellen Ansatz der Geschichte, durch den vielerorts sehr cleveren Wortwitz, vor allem aber durch das Spiel seiner ausgezeichneten Darsteller, die es besonders durch die präzise Inszenierung zwischen Komik und Tragik vermögen, den Figuren mehr Leben einzuhauchen, als das Drehbuch ihnen bietet: Emma Thompson, Queen Latifah (als Eifels Krisen-Assistentin), Dustin Hoffmann und die oft unterschätzte Maggie Gyllenhaal machen ihre Figuren mit Liebe und Leidenschaft erst zu plastischen Menschen. Will Ferrell wurde für seine Leistung gar mit dem Golden Globe nominiert und beweist damit, ähnlich wie Jim Carrey seinerzeit mit „The Truman Show“, dass er mehr als nur ein grimassierender Comedien ist – im Vergleich zu Carry aber, liegt Ferrell deutlich zurück; dies liegt aber am in Amerika zwar vielfach ausgezeichneten, aber überbewerteten Drehbuch von Zach Helm, das die Rolle von Harold Crick nur allzu sehr zu einem, wenn auch anrührenden, Holzschnitt macht, den Ferell nur in den wenigsten Momenten überwinden kann. Dann nämlich – auch das die besten Momente des Films –, wenn die Formalismen und Plattitüden der romantic comedy aussetzen, und der Film von einer tragikkomischen Melancholie geführt wird, in der so etwas wie ehrliche und authentische Momente entstehen, z.B. als Crick bei Hilbert wegen seines unumgänglichen Schicksals in Tränen ausbricht. Zu den großen Schwächen des Films gehört leider auch das Ende, da im Film sogar angekündigt wird, dass der Tod von Harold so großartig sei, dass er selbst schließlich sein fatales Schicksal akzeptiert – dabei ist es ein Ende, wie es banaler und unglaubwürdiger nicht sein kann. Aber man darf dabei ja nicht vergessen, dass dies eine romantische Komödie ist, in der so manche hanebüchenen erzählerischen Kniffe legitimer sind, als in anderen Genres: Eines nämlich vermögen sie dennoch, und das legitimiert sie voll und ganz – sie berühren. Sogar die Szene, in der Will Ferrell ein Lied auf der Gitarre singt, bekommt eine merkwürdige, rührende Intensität, die sich deutlich abhebt von anderen Songs aus aktuellen Komödien, wie „Mitten ins Herz“. „Schräger als Fiktion“ ist im Grunde das romantische Gegenstück zu Charlie Kaufmans Meisterwerk „Adaption“; ein Film, der die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit sehr witzig, berührend und bis zum Schluss unterhaltend erforscht.