Die Schlacht von Worringen im Selbstverständnis der Niederländer
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Die Schlacht von Worringen im Selbstverständnis der Niederländer
Die Schlacht von Worringen im Selbstverständnis der Niederländer und Belgier Voll W l M Bl.OCKMANK In den sccli/iger Jahre» veröffentlichte der fran/ösische Verlag Gallimard eine Reihe populär-historischer Bücher unter dem Gesarnttitel: „Trente Journees qui ont l'ait la France". In diesen 30 Momentaufnahmen sollten die Höhe- und/oder Wendepunkte der Staatsbildung Frankreichs dargestellt werden. Solche wichtigen Momente waren 7.. B. die "Faule Chlodwigs, die Krönung Karls des Großen, die Schlacht bei Poitiers, die Schlacht bei Nancy'). Würde die Schlacht von Worringen in einer derartigen Zusammenstellung von 30 Höllepunkten der niederländischen Geschichte zu finden sein? Die Hervorhebung großer Ereignisse, besonders die von Schlachten, bringt es mit sich, daß diesen Ereignissen oder Personen, die sich in ihnen bewährten, eine Bedeutung xuerkannt wird, die mit den modernen Auffassungen der Geschichtsschreibung nicht mehr im Hinklang steht. Dennoch werden Gedenkfeiern von Historikern dankbar zum Anlaß genommen, ihre Forschungsergebnisse -· mit der Unterstützung der Obrigkeit · einem breiteren Publikum bekannt zu machen. So hält das öffentliche Interesse eigentlich eine veraltete Wissenschaftsauffassung, die politische Ereignisse in den Mittelpunkt stellt, am Leben. Versuchen wir unter diesem Vorbehalt das Selbstverständnis der Niederländer und Belgier zu finden, dürfen auch die Unterschiede der nationaigeschichtlichen Auffassungen beider Länder sowie die jeweiligen Veränderungen im Geschichtsbild nicht außer Acht gelassen werden. Zudem müssen wir uns bewußt sein, daß die verschiedenen Ebenen einer Gesellschaft auch im Hinblick auf das historische Bewußtsein divergieren. Ich möchte hier grob zwischen den geschichtswissenschal'tlichen Erkenntnissen, die in der Fachliteratur veröffentlich! werden und dem allgemeinen historischen Bewußtsein unterscheiden. Letzteres soll anhand der Geschiduslchrbücher für die Primär- und Sekundärstute beider Lander betrachtet werden. Bei einem Vergleich fällt sofort a u f , daß die Schlacht von Worringen in den belgischen Lehrbüchern ausführlich behandelt und als historischer Wendepunkt bewertet wird. In den niederländischen Lehrbüchern dagegen bleibt dieses Ereignis meist unerwähnt. Die belgischen Schulbücher präsentieren 1288 als ein wesentliches Moment der belgischen Staalsbildung. Der als klassischer fielt! geschilderte Herzog Johann I. erwarb nicht nur für sechs Jahrhunderte Gebiete östlich dei Maas, sondern sicherte auch die ökonomische Entwicklung der Städte Brabants und Flanderns durch den von ihm garantierten Schutz des ') /,, H. R, l-'oi/, I c u n i n t n n c m c r H impma! de (liaiieniagrK·. Paus l')f>4. 1)1) WlW Bl <)( K M A N S Landweges von Köln nach Brügge. Daß die eroberten limhurgisehen Gebiete /um größten Teil außerhalb des heuligen belgischen Territoriums lagen, wird ebensowenig erwähnt wie die 'Jeilnahme der Kölner und der belgischen H a u e r n ; auch die Niederlage Gelderns wird dem belgischen Schüler nicht vermittelt. Unlcrstüt/t wird dieses Geschichtsbild duich die enlspiechenden Abbildungen, die einem durchschnittlichen Belgier den positiven Beitrag Worringens bei dei Bildung seines Vaterlandes bewußt machen sollen, hs lallt weiterhin auf, daß die Rolle des Graten Heinrich von Luxemburg und seines Bruders Walram von Ligny, beides iinkel in männlicher Linie von Hei/og Walram von Limburg, der 1226 gestorben war, auch unerwähnt bleibt. Kur/ vorder Schlacht von Worringen hatten sie Limburg dem Grälen Rainald von Geldetn abgekauft, so daß eigentlich sie die großen Verlierer waren. Bis heute ist Luxemburg in Belgien eine penphere Provin/. geblieben, der die Nationalhistoriker kaum Aufmerksamkeit schenken. Auch die Aneignung Lirnburgs durch die nationale belgische Geschichtsschreibung verwirrt: die I H J 4 errichtete Provin/ umlaßt ein gan/.lich anderes Territorium als das alte ller/ogtum. Warum Worringen in den niederländischen Schulbüchern vernachlässigt wird, ist leichl /u e r k l ä r e n . 12H8 war für die Staatsbildung in dem Sinne von negativer Bedeutung, daß eine mögliche territoriale Ausdehn u n g nicht stattfand. Zudem war das langfristige Weiterbestehen der Grafschaft Geldern nicht bedroht. Daneben ist das historische Bewußtsein der Niederländer stark hollando/.cntrisch und dem Mittelalter weniger /ugcwandt als dem „Goldenen Jahrhundert". Dieses Schulbuchwissen rellektiert - mit einem erheblichen Zeitabstand, wie im folgenden /u /eigen ist den l-orsehungsstand, dessen Lntwicklung wir uns nun zuwenden wollen. Die Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts stüt/te sich fast ausschließlich auf die sehr ausführliche Reimchronik, in der Jan van lieelu die Schlacht von Worringen um 1290 literarisch verarbeitete. Diese Chronik erschien 1836 im ersten Band der Reihe von Ouelleneditionen, der erst k ü r / vorher gegründeten Commission Royale d'llistoire. Auf ihr beruhten die Biographien Her/og Johanns I.. die von Stallaert aus dem Jahr 1859 und die von Wauters aus dem Jahr 1862-'); let/tere kann als bemerkenswerteste aus einer Reihe von n e u n Biographien, die der/eit den Sieger von Worringen beschreiben, angesehen werden. Wie der Chronist van I f e e l u , behandeln auch diese Autoren in erster f jme die Rolle des Her/ogs und seiner Adelsleute; die Rolle der Adeligen im a l l gemeinen. Die bergischen Bauern werden nur kür/ erwähnt und dabei lacherlich gemacht, die Kölner Burger scheinen f ü r sie nicht /u existieren. Wie schon van Ueelu verherrlichen auch diese Autoren den Her/og j K ( S ι A! ι ι\ι K I , («esijiifdciiis \ a n ! Icdoy Jan den l,ersten \an l i r a b a n t cii /ijn t i j d v a k , Brüssel 18^9 Λ W/u I I K S , 1 c UIIL jcaii Jci et le B i u b a n t sous le. regne de ee pinice i 1267 1 2 9 1 ) Miusst-l lHh> 100 Die Schlacht von Wonnigen im Selb.stverstandms der Niedeilander und Belgier Johann und die Rolle Brahants und lassen die kontextuellen Gegebenheiten unbeachtet, Eindeutig waren sie enthusiastische Verteidiger der großen Bedeutung Worringens. Kinen wichtigen Schritt machte Pirenne im ersten, im Jahr 1900 erschienenen Band seiner „Histoire de Bclgiqiic" 1 ). Auch Tür ihn war Johann I. der bedeutendste Landesiü'rst der Niederlande des späten 13. Jahrhunderts. Kine heroische Ritterfigur nach französischem Zuschnitt; passioniert von Turnieren, Frauen und Dichtung. Er schützte die Kaufleute und förderte die Kommunen; seine Politik unterstützte die Wirtschaftsinteressen der Städte und ihrer Bürger, stritt gegen Raubritter, Falschmünzer und Fürsten, die den Handel durch Zolle behinderten. Pirenne zeigt tue (iegensät/.e /wischen den Kölner Bürgern und ihrem Kr/bischoi, nennt die Landfrieden sowie die Beteiligung der Brabanter Städte, der Kölner und bergischen Bauern. Kr weist hin auf den großen Nachklang, den die Schlacht dank ihrer vielfältigen literarischen Bearbeitungen erfahren h a t : die epische Darstellung von der Niederlage dei Raubritter konnte auch von einem Bürgerpublikum, das sich dem Herzog verbunden fühlte, als positiv empfunden werden. Pirenne betont, daß die Kroberung Limburgs sowohl die Kontrolle über den rheinländischen Handelsweg als auch die zeitweilige Kindämmting des Fürstbistums Lüttich bedeutete. Für ihn war die Schlacht von Worringen, bzw. ihr Ergebnis, der Beginn tler Unabhängigkeit Brabants vom Reich. Pirennes Auffassungen, die die Basis t u t die Schulbuchinierpretationen lieferten, beeinflußten Generationen von Schülern. Ihre Kraft liegt in der Verbindung von dynastischen mit sozialen und wirtschaftlichen Faktoren. Mit ihnen schul er den Rahmen für ein eigenständiges Geschichtsbild, in dem Worringen für ökonomische B l ü t e und politische Abschirmung gegenüber dem Reich, dessen Fürsten und den Raubrittern steht. Ganshof, Pirennes Nachfolger auf dem Genter Lehrstuhl, lieferte 1937 eine neue Interpretation, die auch 1938 in einem Vortrag vor der „Gesellschaft für Rheinische Geschichtskundc" in deutscher Sprache zur Diskussion gestellt wurde 1 ). Für ihn hatte tlas Ergebnis der .Schlacht folgende Auswirkungen: ') I I 1'iKi SNI , i l i s t o u c de Bclgique. I, BiusscM929 (5), S. 247 2 5 i ; i l l Angabe 1948, S. 16(1 I d ) Die B e u i t c i l u n g dei Schlacht war lange 7,cit duirh I I l'nenncs Auflassung bestimmt, der I ag von Wonnigen habe die Unabhängigkeit lir.ibants vom Reiche bestätigt. So spiiu h noch C'h 11 KI INDI N, l e uiie d'Anveis dam ['mute beige, in: Annalc.s cl bullelin de l'Acad d'aichcol. de Belgique, 77, 1930, S 340, von u'ttc viaoin· </ui noit·, <ijf>ümlni t!c ritifliit'iiit· ΧΙΊttninii/i<t; und auch II. Ι , Μ Ι Κ Ι Μ von dei Woningei Schlacht, i/ni ujjimie . . l'f/ulffH'iK/nnci" Je fall </rs <iitc\ n l'fgtirtl tlc ri;tn/>ir<' l in giand comtiicice d'cxpoitalion au nioyen ägr l a diapciu· des I'uys-Bas eil l'ianee et ilans les pavs ineiliteiianecns (Xlle-XVe sieeles), l'ans I'HS, S 129. ') l l . O A N S I I O I , SlaatKundige (leselnedems, in· R. VAN ROOSIIKOI ( k (Hisg.), Gesehiedcms van Vlaanderen, Hd I I , Hnissel 1937, S 5l 35, B i a b a n t , Rheinland und Reich im l.1. , Π um! 14 Iahiluini.lt.·!!, m. Ciescllschall Im Rheinische (ieseluchtskimdc. Vortiage, Bonn 19 iK, S 1.! 14 101 W l M Bl ( K K M A N S 1) Dank der H e r r s c h a f t über Liniburg konnte der rheinische llandelsweg kontrolliert werden analog /u Pirenne 2) Beendigung der gekhischen hxpansion nach Süden - ein neuer Gesichtspunkt 3) Die d a u e r h a f t e Vereinigung von Limbuig mit Brabant von Firetinc weniger hervorgehoben. Ganshof erwähnt die direkte Teilnahme der Städte Brabanls und die systematische Bevorteilung ihrer Burger jedoch nicht. Auch lehnt er Firennes l hese, Brabant sei durch Wonnigen vom Reich unabhängig geworden, kategorisch ab. „Rechtlich hat der Sieg Johanns I. nichts an der Abhängigkeit Brabants vom Reiche geändert. Die Be/iehungen Brabants /u den Fürsten, ' l e r r j t o i i e n und Stachen Westdeutschlands waren nach Woiringen vielleicht noch wichtiger als vor der Schlacht." Wenn auch die Brabanter i ier/oge d o r t eine gewisse Rolle /u spielen begannen, in erster Linie waren sie niederländische, nicht rheinische Fiitslen. Der Forfschult der Gansholschen I n t e r p r e t a t i o n i s l , d a B e i als hrster von einem Dreieeksveihaltnis/wischen dem R h e i n l a n d , Brabaut und Gel<lern ausging und den nationalen Rahme» verließ. Andererseits be/.ieht er (in: B r a b a n t e r Städte mein als einen unabhängigen Machtlaktoi mit m seine Betrachtungen ein. In den Niederlanden r i e f die nationalistische Sieh! Pnennes ebenfalls Reaktionen hervor, l'ietei Geyl betont die hmheii des niederländischen Sprachgebietes, wobei der Achse Koln-Buigge wiederum eine iinttic Bedeutung beigemessen wird. Aus seiner Perspektive heraus macht er als ein/iger die folgerichtige Beobachtung, daß die G r a f s c h a f t l,οοη, die mitten /wischen Brabanf und L i n i b u r g lag, noch bis 1366 ihre Unabhängigkeit bewahren kotinte, wonach der Fürstbischof von LirUich sie seinem ' l e r n t o n u m einverleibte ). War die territoriale Kontrolle über die Handelsroute aus dem Rheinland dann doch nicht so bedeutend? Fiel Boeien v e r ö f f e n t l i c h t e 1942 erneut eine Biographie Johanns I. unter dem Ί itel „June niederländische Wacht am Rhein'"'). F.r b r i n g t eine MiMjhung der personalistischen Auflassungen des 19. Jahihurulerts, gestut/t auf die Keimchronik van lieclus, mit dem großniederlandisehen IJJick Geyls, Nach Boeren stellte Johann lur längere Zeit den L a n d f r i e d e n im Gebiet /wischen Maas und Rhein her, wodurch er das Rheinland „als einen "leii von Niederland" e r h a l t e n konnte. Nicht die Be/iehungen /wischen B r a b a n t und dem Reich, sondern die /wischen den Niederlanden westlich des Rheins und den Gebieten östlich davon seien wirklich wichtig gewesen. Wonnigen war bedeutungsvoll hu den groünieeier ländischen ) P i i i y i , (jrstbiecienis \ a n de Nedi'iLiiHKUic slain, IM I, A m M e r d a m 1'λ?(1, S. ΊΊΊ 88 ') P ( Ü i j i H t ' 1 . , l-cii N c t k i l i i n i K c w.ichi aan de K i j n ),in de tctsU·, hctiog v<in H i a h . i n t , Ai)i',ici<ldiii l'M,?, S IM-i .'ild 102 Die Sthl.ichl von Wouini'.cii im SelbsHeislundnis der Niedcilumiei und Belgier Gedanken, meinlc Boercii, der noch den Terminus „Rheinländische Nietlerlande" e i n f ü h r t e . Dr. Boeren hat 1988 dem Autor dieses Beitrages erklart, daß er hinsichtlich seines Manuskriptes hei der Besat/ungshehörde aul keine Schwierigkeiten gestoßen sei. Seine Gedanken haben keine tiefgehende BewuBtseinsänderung hervorgebracht, da sie xu klar u n t e r dem lünlluß des Zeitgeistes standen. Genau entgegengesetzt, nur quellenmäßig besser abgesichert, meinte Wilhelm Reese in seinem 1941 veröffentlichten Buch „Die Niederlande und das Deutsche Reich", daß das Brabant Johanns I. /ur eigentlich handelnden und bestimmenden M i t t e in den Westgren/landen aulgestiegen sei'). /wischen diesen zwei Interpretationen hat kein wissenschaftlicher Austausch stattgefunden. Andere Historiker wie Frau/ Fetri und W. J. Albert s haben später weniger nationalstaatliche Standpunkte vertreten und von beiden Seiten Interprelationsmuster gefunden, die der historischen Realität dieses Ubergangsgebietes gerechter wurden 1 ·). Xu dem 1952 erschienenen 2. Band der Algetnene (h'schicdcnis der Ni'ilerUinden (rüg der Pirenne-Scluiler Paul Boneiifant ein Kapitel unter dem Titel „Brabant und Geldern vor und nach Worringen" bei1'). Dadurch, daß er diese /.wei Fürstentümer und das Furstbistum l.ütlich betrachtet, da/u noch über einen längeren Zeitiaum hinweg, ist seine Darstellung gründlicher als die bisher besprochen. Boncnfant wies darauf hin, daß es wahrend des gan/en 13. Jahrhunderts bei den Her/eigen von Brabant üblich war, S t ü t / p u n k t e an Maas und Rhein /u erwerben: Maust i i e h l . Sin/ig, Duisburg, Dalhem, Die Ambitionen der i ler/öge waren auf ganx Niederlothringen (/wischen Mosel und Nordsee) gerichtet, dem gegenüber ller/og Heinrich II. seit 1257 eine Beschüt/erposition einn a h m , eine F u n k t i o n , die 1292 auch Johann i. /ufiel. Nach Bonenlaiit wäre eine Peisonalunion /wischen Geldern und l .imburg für die Verhindungen /wischen dem Rheinland und Brabanl katastrophal gewesen. In dem Moment, in dem diese Situation sich xu realisieren drohte, „durfte der ller/og nicht /('»gern" Die Auswirkungen Worringens vvaien immens, so Boncnfant: • Johann beherrschte fortan das Gebiet /.wischen Maas und Rhein, die Hegemonie-Ansprüche der Kolner Hr/bischol'e über Niederlothringen waren d e f i n i t i v überwunden die geldtische l'xpansion nach Süden wai für immer unmöglich geworden, die Wege xum Rhein waren für Brabant weit geöffnet. t s. MI v<> *) l ΙΊ Hü tirul W j Λι »i im, Gemeinsame Ptoblcrne deutsch-iiiedeilandischfr I.andesιιικί Vulk'-.ioisLhunj," (ii()iiini;cil 1V(>2. '') l' HONI M \ \ i , Btab.iiii en t i c l r c vooi en n,ι Woeimpen, in: Algcmene (icschieilciiis der N c d c r l a i n i e n . Hil I I , Unecht I9S2. S. .'.SO- 268 103 Obwohl Bonenianl /wcirnal post f a c t u m argumenticit, nämlich mit .bleibenden ' Auswirkungen der I reigmssc von 1288, hat seine Analyse auf die beidseitig vorhandenen mederlothrmgisthen Ambitionen der Uei/oge und i rzbischofe hingewiesen Johann I beschreibt er kurzerhand als Reichsiursten Doch bleibt auch bei ihm noch ein Rest nationalistischer Sentimentalität wenn t i Johanns Regierung als „das brillanteste /.eitalter der Brabanter Geschichte" quahli/iert und Pirennes A r g u m e n t e betreffs dei Handelsroule als noch stets ausschlaggebend ei achtet l imge Detaiistudien weisen mittlerweile nach, daß die Städte Brabtinls, in gemeinschaftlichen Absprachen, die finan/ielle U n t e r s t ü t z u n g ller/og Johanns 'j von der Veilehmmg emei Reihe neuer und ausluhrhchei Privilegien «ibhangig machten Die neue Machtposition dei Städte /cigt sich besonders, als cler Adel diese bittet ihn gegen erneute Steuerf o r d u u n g e n des Herzogs a b z u s i c h e r n , h,Uten sie doch f ü r Wornngen schon einen großen Beitrag leisten müssen ') In der neuen l assung der Al^cmenc dc\<liu'denis da Nedcilanden, deren zweiter Band 1982 erschien, wurden Geldern und Brabanl separat behandelt lan Kuys betont ebealalls das l nde der Sud l xpansion Gelclcrns stellt aber nicht die Sehlacht von Wonnigen als solche als entscheidend dar, da Lnnburg schon kurze Zeit vorhei vom G i a f e n Remakl verk a u f t worden war Geldern und Biabant hatten viel mehr Reibungspunkte z B die geldrischc Beherrschung von l hissen und Zollen, die Brabant an vielen Orten schaden konnte l her die allgemeine Schwächung Geldcms als den hypothetischen Verlust l unburgs sieht Kuys als den wesentlichen l I f e k t des Wettstreits der beiden l u r s t c n t u r n e i 1 } In seinem Kapitel über Brabanl best!eitel Fiel Avonds die „belgizistischc ' , Drang nach Osten ' I n t e r p r e t a t i o n , die die Stärkung Brabants als Kernucbiet des spateren Staates betont 1 ) Mehr noch als Boneniant weist Avonds auf das starke Band der Hei zöge zum Reich und deren Bestrebungen als i krzoije von Niederlolhrmgen a n e r k a n n t zu werden, hin Das Ausschallen des anderen Herzogs m diesem Gebiet bot den B r a b a n t e i n fortan die Möglichkeit sich als l rager dieser alten Wurde zu profilieren und gab i h n e n immerhin Gelegenheit, sich m alleilei Konflikte im Gebiet zwischen Scheitle und Rhein als höhere Instanz einzumischen Nach Avonds ist Pucnnes ökonomische l r k i a r u n g (Interessen der Kautlcutc j (j Hol i ;l i II SU c U (l l l l j t l H t t t l l t l l U! h.UIIC. S l _ t i B i l l ) Ult l[i MlSU ΙΙ.ΙΙΙια Λ t)( M*-}< f l ov* n l f > 16 Bd Ϊ S 0 M 6 ^ ' DH<S i ^ <k u χ \ c i s j o n s du p κ ί< (! ilh«HKt ck s ulk h; ih t im.omit. tk i ''dl f « 1 m Κι vnt biljn (k Fhiloloj'it <,( « l Ηι,ίοικ Χ Χ Χ Ι Ι 1 1911 S '«l JW ) H v \ l ν ι ν ί · . Sl u x i i n p n v i k j ' t s ι ii I m k n in l i i a b . i n l o i u l t r I tu l ( l "Λ) 12Ή) in k· Mit h i l j ' c HL Ι·ΊιιΙΐ)Ιοί.·ιι et tl Huloiit XI IV IWiii S ΙΠ 116 j I A l KI v- t>( l tiuMii u b j H i u d v < u i ( t t . ! i t c n Z u t p h c n tut Π2ί in Algt-incru. C i f - ü i M tl< i n , <iu N i i k i l a i i d t ! ) Bd II l l . i u l u ι Ι9Κ.' S i 1 } ?4S j i' Λ \ Ο Μ Λ , HI >h ml ι n l i i i i l n n ) ' l 10(1 HIM i t K t i d i S -f>2 I81 101 Die Schlacht von Wonnigen im Selbstverstandnis der Niederländer und Belgier und Städte) — welche übrigens nicht expli/it von Ganshof und nur teilweise von Boneniant übernommen wurde — all/u rational und nicht bewiesen. J288 sei eher als Endpunkt der östlichen Expansion zu sehen. Weitere Argumente kamen von Paul de Ridder, der die Rolle der Brabanter Städte beleuchtet hat"). Seit der dynastischen Krise von 1261—62 bestand ein wirkliches Städtebündnis, das Johann gegen den Erzbischof stüt/.te, sich aber gegen ihn kehrte, als er — nach Worringen — seine immensen Schulden im Ausland nicht zurückbezahlte, und als Folge davon die l landelsgüter der Kaufleute aus Löwen, Zoutleeuw undTienen beschlagnahmt wurden. Zwei zeitgenössische Chronisten erwähnen die hohen Steuererhebungen, denen die Städte unterzogen wurden und für die Johann ihnen im Gegenzug einige Privilegien ausstellen mußte. In eben diesen Zeitraum (1291 —92) fallen auch seine Bemühungen, die Schlacht von Worringen zu heroisieren. Er beauftragte den Dichter Jan van Heelu, die Ereignisse der Schlacht ausführlich und ruhmreich in einer Reimchronik in niederländischer Sprache darzustellen. Ein Heldengedicht im Dienste fürstlicher Propaganda, appellierte es doch an den Stolz der Brabanter und insbesondere an den der Adeligen, die sich, wie schon die Städte, erneut finanziellen Belastungen ausgesetzt sahen. So hatte der Herzog im Gedenken an die Schlacht, ganz im Sinne seiner Propaganda, schon seit 1290 eine jährlich am 5. Juni in der Brüsseler Sankt Gudulakirche stattfindende Almosenvergabe gestiftet. in einer Vorveröfi'entlichung einer weitergehenden Studie untersucht Fiel Avonds die Frage nach einer einseitig ritterlichen Betrachtungsweise von van Heelu h ). Bei einem Vergleich mit der um 1314 entstandenen, zwar kürzeren doch nuancierteren Darstellung dieser Schlacht von Ottokar von Steiermark, der auch u. a. über die Schlacht von Dur.nk.rut (1278) einen zuverlässigen Bericht hinterlassen hat, zeigt sich, daß die Rolle der bergischen Hauern doch größer war und die der Brabanter Ritter relativiert werden muß 1 "). Es scheint Avonds auch möglich, daß van Heelu von den Herren von Wezemaal, die einer angesehenen, doch nicht dem Hochadel angehörenden Familie entstammten, und die bei Wor''') P. DI Kimx.K, Dynastisches und nationales G e f ü h l in Brabanl während der Regierungs/eil I Icr/ogs Jan I. (1267 - 1294), des Siegers der Schlacht von Worringen, in: Jahrbuch des Kolnischen (ieschichtsvcicins, 50, 1979, S. 193 -220. 1-1 ) P. AVONU.S, Van Keulen naai Straatsbuig, Jan van Heelu's Ktjinkronick over de slag bij Woeringen (1288), in: i iteraluur, tijdschr. Nederlamlsc Letterkunde, V, 1488, S. 195-204. In dieser R i c h t u n g auch; Λ. K, COIII-N, Grimbergeu cn Woeronc, in: I). V.. II. OK Βοι-κ und J. W. MARSH ji·. (Hrsg.). De Nederlanden in de late middeleeuwen, Utrecht 1987, S. 24-30. '") Über die militaiiselicn Aspekte der Schlacht, siehe J. F, VUKBKIKXJUN, De krijgskunst in Wcst-Hmopa in de middeleeuwen (IXe tot begin XlVe eeuw), Brüssel 1954, S. 435--456; Di KV, De slag der Guldensporen, Antwerpen 1952, S. 122-151; Dr.ns,, De Slag bij Woeringen (5 j u n i 1288), in: Hei Legci De N a t i e , 5, 1950, S. 249- 254 und 303- 309; J. S M i ' i i i u i i , l .a bataille de Woeiingeii, nr Bulletin Soeiete vervietoise d'Archeologie et d ' l i i s t o i i e , 5l, 1964, S. 164 195, 105 imi/cn R u h m ernteten in der Schlacht hei K o i t n j k ( ! ?()2) jedoch u n t e r lagen mit dem Heldengedicht b e a u l t i a i M w u r d e Avonds e n t f u n l sich ausditiekheh von dei heldisch-nationalistischen Sicht aui Wonnigen i ur ihn ist es keinesfalls nachgewiesen, daß Her/og lohann die w i r t s c h a l t l i t h e n Belange der Städte so d e u t l i c h voi Augen h a t t e und noch weniger, daß diese ihn m seinem Kampf unter st u t / t e n Auch hcstrertet er ehe Bedeutuni? dei l r o h e i u n g l unburgs hu die I l a n delsverhmdung mit dem Rheinland, da diese Route nicht durch das ι roherte (jchiet t u h r l e In all diesen Punkten sehen w i r jedoch noch einer eingehenderen Diskussion entgegen W e n n auch der literarische N a c h k l a n g der Schlacht von Wurmigen, sei es vom Her/og seihst, sei es von einem bestimmten Rifte-rgeschlecht, f o r c i e r t w u r d e , in jedem l a l l ist a u c h in (.las, m den 90er Iahten vom reisenden Sanger i l l u s t r i e r t e M a n u s k r i p t des / u n e h e r R i t t e r s Rudegei Manesse eine M i n i a t u r dei Schlacht a u f g e n o m m e n worden Doit ist die l ahne Johanns schon mit d e n Wappen von B r a h a n t und l i m b u r g versehen Die S c h l a c h t von Womngen mag ein planmäßig geschaffene! l i t e r a r i scher i opos geworden sein, der Generationen von Historikern das Ausmaß des politischen Handelns des Her/ogs sowie der B i a b a n t e r Ritter ü b e r b e w e r t e n ließ Von einer eiuenslandiiitn B e t r a c h t u n g der Belange dei Städte Brabarits m diesem S t r e i t kann eist seit einem lahr/ehnt die Rede sein l ur Köln t r i f f t das nicht /u, da deren B ü r g e r mein gewonnen /u haben scheinen als i h i e B t a b a n t e i Standesgenosscn Dies wai auch dem L'ioßen Sladtlnstorikei Pirenne entgangen Das Seibstversiandriis der Brabanter und Belgier w u r d e demnach, was die Schlacht von W o r i u m e n a n b e t r i f f t , e r s t j a h r h u n d e r t e l a n g von dem her/oghch oder r i t t e r l i c h besoldeten Dichtet v, in l l e e l u der die Kunst nach dem Brot gehen ließ, und n a c h h e r ali/ulange vom belgischen N a t r o n a l h i s t o r i k e r Prrenne m a n i p u l i e r t l ist jel/l weiden elie richtigen f r a g e n gestellt in der N'aehlolge )an van l leelus hat die be-lursehe Geschichtsschreibung die H i f s t e h u n g des B i a b a n t e r N a t i o n a l g e f u h l s spater crwe'itt rt /um belgischen N a t i o n a l g e l u h l einseitig hervorgehoben und damit die ü b e r l i e f e r t e Idealisierung W o r r m g e n s w e i t e t t ' e l u h i t Im allgemeinen Bewußtsem legitimiert diese I n i e i p i e t a t i o n , die immer noch von den Geschichtslehrbuchein propagiert w i r i l , die Lxisten/ des jungen und brnatrorralen Staates Das Königreich der Niederlande war auf die S t i l i s i e r u n g Wornrigens nicht angewiesen, w a r e n der A u f s t a n d gegen Spanien und die Person Wil heim von Oiamens, dem , Vater des V a t e r l a n d s ' doch l egrtimation Daß das traditionelle Bild dieser Schlacht eine beängstigende Simplih /iciunp l i a r s t e i i t , ist ,iuf der Kölner l agung d e u t l i c h gewortlen, die natio nale Geschu h t s s c h r e i b n n g hat sowohl m Belgien als auch in den N i e d e r landen und Deutschland die m u l t i l a t e r a l e Komplexität \ c i e l u n k e l t 106 Die Schlacht von Woiringen im Selbstveisländnis der Niederländer und Belgier Andere Nationen, flämische, fran/ösisehe und luxemburgische Einflüsse, nicht /nlet/t tue Rolle der Brabanter Städte, blieben unberücksichtigt. Jede Seite pickte sich aus einer An/uhl historischer Tatsachen diejenigen heraus, die sich am besten in ihr Geschichtsbild einpassen ließen. 107