Barrierefreie Zugänge in Brandschutzabschnitten

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Barrierefreie Zugänge in Brandschutzabschnitten
© Feuertrutz GmbH, Verlag für Brandschutzpublikationen, Köln 2013. Jede Vervielfältigung und Verbreitung ohne Zustimmung des Verlags ist unzulässig.
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Barrierefreie Zugänge
in Brandschutzabschnitten
Fotos: DORMA
Foto: ?????
Barrierefreiheit: Türen stellen im Alltag oft eine Barriere für schutzbedürftige Personen wie Kinder, ältere Menschen
oder Menschen mit körperlichen Einschränkungen dar. Auch sie müssen sich in öffentlichen oder privaten Gebäuden
frei bewegen und diese auch ungehindert betreten und verlassen können. Der folgende Beitrag beschreibt,
wie barrierefreies Bauen mit dem Brandschutz in Einklang gebracht werden kann. André Hugendick
Abb. 1: Drehflügeltürantriebe öffnen in der täglichen Nutzung die Türen automatisch
und sichern den kontrollierten Schließablauf.
D
ass Brandschutz in Gebäuden in der
Vergangenheit häufig eine eingeschränkte Barrierefreiheit bedingte, liegt
an den seit langen Jahren gültigen Brandschutzbestimmungen für die zu verwendenden Feuer- und Rauchschutztüren. Für
diese gilt grundsätzlich, dass sie selbstschließend sein müssen, damit im Brandfall
das Eindringen von Rauch und Feuer verhindert wird. Dadurch werden solche Türen
schnell zu Barrieren, weil Kinder, ältere
oder behinderte Menschen häufig nicht
die Kraft haben, schwere Brandschutztüren
ohne fremde Hilfe zu öffnen. Personen, die
Gehhilfen oder einen Rollstuhl brauchen,
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Abb. 2: Türschließer aus der Serie TS 93 mit Easy-Open-Technologie ermöglichen mit ihren stark abfallenden Öffnungsmomenten eine leichte Türbegehung.
sind hierdurch in ihrer Bewegungsfreiheit
zusätzlich eingeschränkt.
Grundlagen des Brandschutzes und
Normenlage
Die Normenreihe DIN 4102 ist in allen
Bundesländern geltendes Baurecht für den
vorbeugenden baulichen Brandschutz. Sie
definiert Brandschutztüren und -tore als
Feuerschutzabschlüsse, d. h. als selbstschließende Abschlüsse, die dazu bestimmt sind,
den Durchtritt eines Feuers durch Öffnungen in Wänden zu verhindern. Üblicherweise werden in diesen Türen nach DIN EN
1154 zugelassene Türschließer eingesetzt.
Oft werden diese Feuerschutzabschlüsse
auch mit Feststellanlagen betrieben. Dies
bedeutet, dass die jeweilige Tür für die
tägliche Nutzung elektromagnetisch offen
gehalten wird. Im Brandfall schließt sie
jedoch selbsttätig über eine zugelassene
Auslösevorrichtung, die von einem eigensicheren Brandmelder angesteuert wird.
Rauchschutztüren müssen gemäß DIN
18095 ebenfalls selbstschließend sein. Als
geeignete Schließmittel, die Türen selbsttätig schließen, gelten i.d.R. Türschließer und
immer häufiger auch Drehflügeltürantriebe
(s. Abbildung 1), die nach folgenden Normen/Richtlinien zertifiziert sind:
FeuerTRUTZ Spezial Feuerschutzabschlüsse 2013
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Gemäß MBO müssen Feuerschutzabschlüsse selbstschließend sein. Dies wird
in den Zulassungsverfahren des DIBt
entsprechend geprüft.
DIN EN 1154 thematisiert Türschließmittel mit kontrolliertem Schließablauf. Die Berechnung des erforderlichen
Schließmoments ist hier definiert. Im
Kern heißt es: Je breiter und schwerer
eine Tür ist, desto höher ist das erforderliche Schließmoment und damit auch
die aufzubringende Öffnungskraft.
DIN EN 14637 behandelt elektrisch
gesteuerte Feststellanlagen für Feuer-/
Rauchschutztüren. Sie ist seit Januar 2009
Bestandteil der Bauregelliste A Teil 1.
DIN 18263-4 behandelt Türschließer mit
hydraulischer Dämpfung, speziell Türschließer mit Öffnungsautomatik (Drehflügeltürantriebe). Drehflügeltürantriebe sichern einerseits den kontrollierten
Schließablauf, andererseits öffnen sie in
der täglichen Nutzung Türen automatisch. Nach Auslösen der Feststellung
wird der Antrieb stromlos und öffnet die
Türen nicht mehr automatisch. Sie sind
dann schwergängiger zu handhaben.
Wie die meisten anderen Normen rund um
den Brandschutz behandelt auch die DIN EN
14637 größtenteils die Funktion einer elektrisch gesteuerten Feststellanlage mit Türschließern und automatischen Türantrieben. Bei Feststellanlagen mit automatischen
Drehflügeltürantrieben müssen bei einem
Feuer oder bei Störungen die Einleitung der
automatischen Öffnung der Tür durch elektrisch wirkende Schutzeinrichtungen oder
automatische Impulsgeber sowie jegliche
Feststell- und Schließverzögerungsfunktionen eines automatischen Türantriebs
abgeschaltet werden (DIN EN 14637 5.5.4).
Antriebssysteme für automatische Feuer-/
Rauchschutztürsysteme (automatische
Türantriebe) dürfen die wesentliche Feuerschutzfunktion und/oder Rauchschutzeigenschaft einer Türanlage nicht beeinträchtigen.
Abb. 3: Großzügige
Barrierefreiheit
bieten Drehflügeltürantriebe an Doppelflügeltüren.
erfasst, sondern werden nach DIN 18040
und DIN SPEC 1104 ab Schließergröße
EN 3 für barrierefreie Türen empfohlen.
Freilauftürschließer, wie z. B. Türschließmittel mit elektrisch betriebener Feststellvorrichtung und Freilaufgestänge, dürfen
dort eingesetzt werden, wo Feuer-/Rauchschutztüren frei beweglich bleiben müssen
– in der Funktion vergleichbar mit Türen
ohne Türschließer. Eine konstante Feststellung der Tür ist also nicht möglich (DIN
EN 14637, A.4.2.5).
Niedrigenergie-Antriebe/kraftunterstützte
Antriebe dürfen, wenn sie nicht als Feststellanlage geplant sind, die kraftunterstützte Öffnungsfunktion dieser Geräte
im Brandfall nicht unterbrechen oder automatisch abschalten, damit der erleichterte
Ausgang für die Gebäudebenutzer so lange wie möglich erhalten bleibt. Aus diesem
Grund werden derartige Geräte nicht als
Komponenten einer Feststellanlage angesehen. Die Funktion muss in der Installationsanleitung deutlich angegeben sein, ❯❯
Barrierefreie Begehung bei vollem
Brandschutz
Mit der DIN EN 14637 kann erstmals aus
einer Norm heraus das Thema barrierefreies Bauen mit Brandschutz in Einklang
gebracht werden.
So sind z. B. Türschließer mit Freilauffunktion nicht nur in der DIN EN 14637
FeuerTRUTZ Spezial Feuerschutzabschlüsse 2013
Ob in schmalen oder breiten Durchgängen: Mit der richtigen Türausrüstung sind Brandschutz und
Barrierefreiheit kein Widerspruch.
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Abb. 6: Für Bereiche, in
denen ein leichtes Begehen
der Tür ermöglicht werden
soll und große Türbreiten
mit hohem Gewicht bewegt
werden müssen, ist der Türschließer ITS 96 FL geeignet.
Seine Freilauffunktion bietet
ab einem Türöffnungswinkel
von >0 Grad ein nahezu widerstandsloses Begehen von
Brandschutztüren.
so dass der Gebrauch jeglicher elektrisch
wirkender Schutzeinrichtungen und/oder
automatischer Impulsgeber ausgeschlossen
ist (DIN EN 14637 5.5.5).
Solche Türen können also manuell geöffnet und leicht begangen werden, wobei der
Niedrigenergieantrieb die Öffnung unterstützt und der eingebaute Türschließer
im Antriebssystem sicherstellt, dass die
Tür nach den Brandschutzbestimmungen
selbstschließend bleibt. Mit Aufnahme der
DIN EN 14637 in die Bauregelliste wird
normenseitig explizit auf ein leichtes Begehen von Brandschutztüren hingewiesen.
Barrierefrei Bauen ist eine gesellschaftliche
Verantwortung für alle. Vorausschauend
geplante Gebäude stehen allen Menschen
offen und sind damit für jedermann nutzbar – ohne fremde Hilfe und Einschränkung. Die festgelegten Normen und
Standards sind für barrierefreies Bauen
eine wichtige Basis. Die Teile 1 (öffentlich
zugängliche Gebäude) und 2 (Wohnungen)
der DIN 18040 beschreiben insbesondere
die Anforderungen für Türen.
Lösungen für die Praxis
Durch frühzeitige Zusammenarbeit der
Planer und Architekten mit Experten und
Herstellern kann der Konflikt zwischen
Brandschutz und Barrierefreiheit für viele
Situationen schon frühzeitig gelöst werden.
Besonders hilfreich sind Produktlösungen, die den kombinierten Anforderungen
an Brandschutz und Barrierefreiheit in
ansprechendem Design begegnen.
Türschließer mit einem stark abfallenden
Öffnungsmoment (z. B. DORMA TS 93 mit
Easy Open Technologie – s. Abbildung 2)
ermöglichen eine leichte Türbegehung nach
DIN 18040 und DIN SPEC1104. Türschließer mit einer Freilauffunktion erlauben
bereits ab 0°-Türöffnungswinkel ein nahezu
widerstandsloses Begehen von Türen.
Wenn die Brandschutzbestimmungen für
Türen bis 1400 mm Türblattbreite nach
den Richtlinien für Feststellanlagen und
Literatur
DIN 4102 „Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen“ (Normenreihe)
DIN 18095 „Türen; Rauchschutztüren“ (Normenreihe)
DIN EN 1154 „Türschließmittel mit kontrolliertem Schließablauf“
DIN EN 14637 „Schlösser und Baubeschläge – Elektrisch gesteuerte Feststellanlagen für Feuer-/
Rauchschutztüren“ – Anforderungen, Prüfverfahren, Anwendung und Wartung“
DIN 18263-4 „Schlösser und Baubeschläge – Türschließer mit hydraulischer Dämpfung –
Teil 4: Türschließer mit Öffnungsautomatik (Drehflügelantrieb)“
DIN 18040 „Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude;
Teil 2: Wohnungen“
DIN SPEC 1104 „Schlösser und Baubeschläge – Türbeschläge zur Nutzung durch Kinder, ältere
und behinderte Personen in privaten und öffentlichen Gebäuden – Ein Leitfaden für Planer“
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DIN 18263-4 erfüllt werden, können auch
Drehflügeltürantriebe (z. B. DORMA ED
100 / ED 250) als zugelassene Feststellanlage an Feuer- und Rauchschutztüren eingesetzt werden. Im Türschließer-Modus sind
diese Drehflügeltürantriebe dann für die
manuelle Bedienung optimiert. Die DORMA Power-Assist-Funktion unterstützt
zusätzlich das Öffnen der Tür von Hand.
Mit dieser Funktion kann die Drehflügeltür in allen vorgesehenen Größen barrierefrei nach DIN 18040 und DIN SPEC 1104
begangen werden. Mittels Taster kann die
Tür im Türschließer-Modus außerdem
vollautomatisch geöffnet werden.
Eine Weiterentwicklung der Servo-Unterstützung für Drehflügeltüren (z. B. bei ED
100 / ED 250) zielt auf die Individualität
der Nutzer hin. Hier wird die aufgewendete Kraft erkannt und die notwendige
Unterstützung entsprechend angepasst.
Jeder Nutzer hat somit das positive Gefühl,
die Tür leicht begehen zu können. Um im
Brandfall diese Funktion weiter nutzen zu
können, werden z. B. die Drehflügeltürantriebe ED 100 / ED 250 nach DIN EN 14637
vorbereitet, so dass sie die kraftunterstützte Öffnungsfunktion im Brandfall nicht
unterbrechen oder automatisch abschalten.
Damit bleibt der erleichterte Ausgang für
die Gebäudebenutzer erhalten.
Wenn Türen nicht automatisiert werden
sollen, können Türschließer mit Freilauffunktion (z. B. DORMA TS 99 FL / TS 99
FLR) oder entsprechende integrierte Türschließer (z. B. DORMA ITS 96 FL) den
barrierefreien Durchgang einer Feuer- und
Rauchschutztür ermöglichen. Schließer
mit Freilauffunktion sind somit gleichzeitig für das Barrierefreie Bauen und für den
vorbeugenden Brandschutz geeignet. ■
Schlagworte für das Online-Archiv
unter www.feuertrutz.de
Barrierefreiheit, Brandschutztüren
Autor
André Hugendick
Product Marketing Manager
bei DORMA Automatic GmbH
+ Co. KG Ennepetal;
Fachgebiete: automatische
Türsysteme, Türlösungen,
Brandschutz sowie barrierefreies Bauen
FeuerTRUTZ Spezial Feuerschutzabschlüsse 2013