Riskanter Schweißkiller? - Guten Pillen, schlechte Pillen

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Riskanter Schweißkiller? - Guten Pillen, schlechte Pillen
www.gp-sp.de GPSP 4/2014
Aluminium in Deos
Riskanter Schweißkiller?
Brustkrebs durch Deos? Diese Frage hat in den letzten Monaten viele Menschen bewegt. Eine
Fernsehreportage unter dem Titel „Die Akte Aluminium“ machte das Metall nicht nur als
Verursacher von Brustkrebs, sondern auch für die Entstehung von Demenz verantwortlich.1
Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (Bf R) hat geprüft, was an diesen Behaup­tun­gen dran ist.2 Auch wenn kein Anlass zur Panik besteht – zurück bleibt nach wie vor ­Unsicherheit.
Aluminiumhaltige Salze finden
sich in vielen Deos – egal ob Roller, Spray oder Stift. Aluminium
drosselt die Schweißbildung, indem es die Schweißporen enger
macht oder vorübergehend ganz
verschließt. Inhaltsstoffe mit
Namen wie Aluminiumhydroxychlorid3 ziehen die Haut zusammen (sie adstringieren), zudem
verbinden sie sich mit Eiweißpartikeln zu winzigen Klümpchen, die dann Schweißporen
verstopfen.
Die Vorwürfe
Kann das Aluminium im Deo
Krebs auslösen? Der Journalist
Bert Ehgartner stellt in seiner
Reportage eine Frau vor, die an
Brustkrebs erkrankt ist. Im Raum
steht die Aussage, das Deo sei
schuld am Krebs. Als Beleg wird
auf Untersuchungen verwiesen,
die zeigen: Im Brustgewebe von
Frauen mit Brustkrebs findet sich
häufig ein erhöhter Aluminiumgehalt, und zwar in der äußeren
Brustregion, die der Achsel am
nächsten ist. Ob das aber ein
Zeichen ist, dass Aluminium in
Deos der Auslöser für den Krebs
ist, darüber sind sich die Wissenschaftler seit langem uneins. Es
könnte ebenso gut umgekehrt
sein, dass Krebs selbst der Grund
für die Ansammlung von Aluminium im Gewebe ist.2
Anlass für diesen Verdacht ist die
Tatsache, dass Wissenschaftler
bei manchen Demenz-Patienten
in bestimmten Bereichen des
Gehirns einen erhöhten Aluminiumgehalt gefunden haben.
Dieselbe Frage wie beim Brustkrebs: Löst also Aluminium die
Demenz aus, oder ist nicht umgekehrt die Aluminiumansammlung Folge der Krankheit? Die
These vom Aluminium als Auslöser konnte in umfangreichen
Untersuchungen nicht bestätigt
werden.2
gen sein. Entwarnung kann allerdings auch nicht gegeben werden.
Es ist unbestritten, dass größere
Mengen Aluminium das Nervensystem, das Knochenmark
und die Knochen schädigen können. Das weiß man aus früheren
Zeiten von Dialyse-Patienten,
die mit einer stark aluminiumhaltigen Lösung dialysiert wurden und bei denen sich Aluminium im Körper anreicherte. Diese
Aluminiumvergiftung kann man
heute vermeiden– aber sie zeigt
die mögliche Gefahr durch zu
viel Aluminium.
Aber doch nicht ganz
Genauso unbewiesen ist die Be- unschuldig
Schwierige Grenzwerte
hauptung, Aluminium würde Die Darstellungen in „Die Akte Auch mit der Nahrung nehmen
die Alzheimer-Demenz auslösen. Aluminium“ dürften also überzo- wir Aluminium auf. Es ist von
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denn bislang fehlt eine wesentliche Information: Wie viel Aluminium nimmt der Körper auf,
wenn man ein Deo benutzt? Die
bisherigen Untersuchungen, vor
Deo – Was ist drin?
allem Tierversuche und nur eine
Deos sollen die Bildung von Schweißgeruch verhineinzige Studie mit Menschen,
dern. Der Geruch entsteht, wenn Bakterien auf der
liefern hierzu keine klaren AussaHaut den Schweiß zersetzen. Man riecht also nicht
den Schweiß, sondern die Zersetzungsprodukte. Deos gen. Das ist auch nicht verwunkönnen auf unterschiedliche Weise die Geruchsbildung derlich: Je dicker man ein Deo
aufträgt, desto mehr Aluminium
bremsen:
gelangt auf die Haut. Die Menge
• Antitranspirantien vermindern das Schwitzen.
Wirkstoffe sind aluminiumhaltige Substanzen, die hängt auch vom einzelnen Produkt ab. Und selbst durch kleivorübergehend die Schweißporen verstopfen.
• Deodorantien bremsen die Geruchsentwicklung, in- ne Verletzungen der Haut, etwa
dem Parfümstoffe und ätherische Öle den Schweiß- direkt nach der Rasur, gelangt
mehr Aluminium in den Körper.
geruch überlagern.
Natur aus im Boden vorhanden
und findet sich deshalb in Pflanzen und im Trinkwasser. Damit
es uns nicht schaden kann, gibt
es gesetzliche Grenzwerte für
die Nahrung. Die europäische
Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA hat festgelegt, dass
wöchentlich ein Milligramm
Aluminium pro Kilogramm
Körpergewicht tolerierbar ist.
Womöglich sind auch zwei Milligramm pro Kilo Körpergewicht
pro Woche kein Problem, stellt
eine Kommission der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
fest. Dass Grenzwerte zum Teil
auseinanderklaffen, ist nicht ungewöhnlich, da sie auf Tierversuchen basieren und ihre Übertragbarkeit auf Menschen unsicher
ist. Prinzipiell wird bei solchen
Angaben ein Sicherheitsfaktor
von 100 zu Grunde gelegt: Man
bestimmt im Tierversuch die
Dosis, bei der gerade noch eine
(unerwünschte) Wirkung beobachtet wird, und teilt diese dann
durch 100.
Unklare Folgen
Aluminium aus der Nahrung und
aus Deos summieren sich. Die
Experten des BfR gehen davon
aus, dass der ursprünglich nur auf
Nahrung bezogene Grenzwert
somit überschritten wird. Ob
das langfristig unsere Gesundheit
schädigen könnte, ist aber nach
heutigem Wissensstand unklar.
Messungen der Stiftung Warentest4 haben kürzlich ergeben, dass
die Aluminiummenge in den geprüften Deosprays deutlich niedriger ist als es das BfR in seiner
Bewertung zugrunde gelegt hat.5
Was können Verbraucherinnen
und Verbraucher tun? Auch
wenn ein Risiko durch die bisher
vorliegenden Daten nicht belegt
ist, kann man auf Nummer sicher
gehen und die aufgenommene
Aluminiummenge begrenzen.
Unsere Tipps:
Was das nun für ein Deo be- l Deo nicht unmittelbar nach
deutet, ist
schwer zu einer Rasur auftragen – denn
s a g e n , über die gereizte Haut gelangt
vermutlich mehr Aluminium in
den Körper.
l Aluminiumfreie Deos verwenden. Hier hilft eine genaue
Lektüre der Inhaltsstoffe. Solche
Deos wirken desodorierend, also
geruchshemmend, aber reduzieren nicht die Schweißproduktion. Achtung: Auch als „natürlich“ deklarierte Deos können
Aluminium enthalten.
Und – ehrlich gesagt – brauchen
wir wirklich Deos, die angeblich
48 Stunden oder gar 72 Stunden
wirken sollen?
Schlussendlich sind aber auch
die deutschen und europäischen
Behörden gefordert. Vorbeugender Verbraucherschutz sollte
ein Grundprinzip sein. Deshalb
ist es sinnvoll, generell den Aluminiumgehalt in Kosmetik zu
begrenzen. Bisher gibt es Obergrenzen nur für bestimmte Aluminiumverbindungen. Für den
aktuell häufigsten Wirkstoff in
Antitranspirantien, das Aluminiumchlorohydrat, fehlt eine
Regulierung. Und die Risiken
müssen geklärt werden: Wenn
wie im vorliegenden Fall die
Forschungsergebnisse nicht eindeutig sind, bedarf es weiterer
Studien – und zwar unabhängig
von den Kosmetikherstellern, die
bekanntlich ein starkes Verkaufs­
interesse haben.
1 Bert Ehgartner „Die Akte Aluminium“ (Buch 2012, Film 2013) www.
dieaktealuminium.com
2 Bf R (2014) Aluminiumhaltige Antitranspirantien tragen zur Aufnahme
von Aluminium bei. Stellungnahme Nr. 007/2014 des Bf R vom 26.
Februar 2014 www.bfr.bund.de/
cm/343/aluminiumhaltige-antitranspirantien-tragen-zur-aufnahmevon-aluminium-bei.pdf
3 Andere Bezeichnungen:
Aluminiumchlorohydrat,
Aluminiumchlorhydrat
4 Stiftung Warentest (2014) Risiko
aus der Dose? Heft 6/2014
5 Das Bf R geht von 20% Aluminiumchlorohydrat in Deos aus. Stiftung
Warentest ermittelte einen Höchstwert von 7,4%.

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