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HOTEL-TEST IM HOTEL ALPINE LODGE GSTAAD-SAANEN Drei Sterne auf Viersterne-Niveau? Vorgeschichte Es war in den goldenen siebziger Jahren, als ein gewisser Herr Frick auf einem Landstück zwischen Saanen und Gstaad acht Häuser im Chaletstil baute – mit dem Ziel, die Gebäude als Hotel und gleichzeitig als Ferienwohnungsresort zu betreiben. Das kleine Resort nannte sich «Cabana» und machte in der Folge mehrfach Konkurs. Doch es gab eine Zeit – Ende der siebziger Jahre –, als das Cabana unter Direktor Paul Mattenberger (später unter anderem Direktor im Schweizerhof Bern) als «In-Place» im Saanenland galt, wo selbst Leute wie Roman Polanski oder Gunter Sachs im Hotel verkehrten. Günter (nicht Gunter!) Weilguni hat diese Zeit nicht erlebt, er kam erst in den neunziger Jahren ins Berner Oberland und arbeitete sich im Hotel Steigenberger in Schönried vom Chef de Rezeption zum Direktor des Hauses hinauf. Weilguni, geboren und aufgewachsen in Österreich, und sein ebenfalls in der Hotellerie/Gastronomie tätige Bruder Manfred verfolgten die Geschichte des Cabana aus nächster Nähe – wie es fünf Jahre lang leer stand und am Ende in die Auffanggesellschaft namens Dezenium AG der Kantonalbank von Bern abgeschoben wurde, so wie übrigens auch der Lenkerhof an der Lenk. Auch wenn ihnen alle Kollegen aus der Branche davon abrieten und sie sich bis an die Schmerzgrenze mit Krediten verschulden mussten: Die Brüder Weilguni kauften das Cabana – zusammen mit den Gstaadern Hans Allemann und Bruno Tschanz. Man legte selber Hand an, riss Mauern ein und investierte über 6 Millionen Franken innerhalb von zehn Jahren. 2001 war die Neueröff- 68 nung der «Alpine Lodge», geführt von Manfred Weilguni. Sein Bruder Günter arbeitete derweilen im Steigenberger weiter, bis mit dem Hotel Landhaus ein weiterer Betrieb erworben wurde. Seither führt Manfred das Landhaus und Günter das Hotel Alpine Lodge. Das vorerst letzte Kapitel in der Geschichte des Hauses: Eine Gstaader Privatschule hat das Hauptgebäude der Alpin Lodge den Brüdern Weilguni abgekauft. Die Privatschule will den ehemaligen Seminarbereich des Hotels künftig für schulische Zwecke nutzen. Die beiden Weilgunis könnten sich theoretisch in die Karibik oder mindestens nach Saint-Tropez zurückziehen und dort das Leben an der Sonne geniessen, tun sie aber nicht: «Was soll ich dort? Ich arbeite mit Herzblut für diesen Betrieb, den wir mit Erfolg aufgebaut haben», so Günter Weilguni. Reservation Das ist uns in der Tat noch nie passiert! Dass in einem Hotel auch nach dem zehnten Klingelton das Telefon nicht abgehoben wird. Was ist da los? Ist das Haus etwa geschlossen? Oder hat man die Telefonistin entlassen? Wir warten, bis das Besetztzeichen ertönt, und geben dann die Nummer erneut ein. Ursprünglich wollten wir ja übers Internet buchen, was auf den ersten Blick sehr einfach scheint, bis auf die Beschreibung der Zimmer, die nur in englischer Sprache verfügbar sind. Die Zimmerauswahl. Gross ist sie nicht, denn es gibt nur Nord- oder Südzimmer zum Preis von 230 oder 270 Franken (inklusive Frühstück und Tea Time mit hausgemachten Kuchen). Wir 12I2013 HOTEL-TEST HOTEL ALPINE LODGE GSTAAD-SAANEN Das Hotel Alpine Lodge in Gstaad-Saanen hat eine wechselvolle Geschichte, an der in den letzten 13 Jahren zwei Brüder aus Österreich massgeblich beteiligt sind: Günter und Manfred Weilguni haben den Betrieb nach mehreren Konkursen zusammen mit zwei Gstaader Geschäftsleuten erworben und wieder aufleben lassen. Seither schneidet das Dreisterne-Superior-Ferienhotel in den Hotel-Ratings immer sehr gut bis hervorragend ab. Zu Recht? aber möchten ein Themenzimmer buchen, wie es auf der Homepage auch angeboten wird. Deshalb unser Anruf, der beim zweiten Versuch dann doch noch Gehör findet. Ein freundlicher, deutscher Herr, der Stimme nach eher jung, klickt sich hörbar durch die Angebote und pfeift dabei leise vor sich hin. Und im Hintergrund singt gleichzeitig ein kleines Kind. Uns stört das nicht, denn der Herr kommt äusserst sympathisch und freundlich über die Leitung, unterlässt es aber dennoch, uns nach einer allfälligen Tischreservation für den Abend zu fragen. Den Vierbeiner nimmt er zur Kenntnis, woraus wir schliessen, dass Hunde im Hotel Alpin Lodge kein Grundproblem darstellen. Ein bestimmtes Themenzimmer kann uns der nette Herr leider nicht garantieren. Nochmals zur Homepage: Wir möchten vorab schon mal unseren Gaumen kitzeln, finden aber die Speisekarte nicht unter «Restaurant», sondern unter «Restauration» – und bleiben bei der Lektüre der Weinkarte bei einem Dézaley Medinette Grand Cru für 56 Franken stecken, weil die Aufzählung der Weine hier ganz einfach endet. Der Web-Auftritt ist übersichtlich und informativ, gut sind die Hinweise auf Best-Price-Garantie, und dank dunklem Hintergrund kommen die farbigen Bilder schön zur Geltung. Alles in allem eine attraktive Homepage! Die heute wichtigen Social-Media-Links (Facebook, Twitter, Flickr, YouTube) sind gut ersichtlich, inhaltlich und optisch äusserst attraktiv. Check-in Auch das ist uns noch nie passiert! Wir checken in ein Hotel ein, das 12I2013 wir vor vielen Jahren schon mal Hals über Kopf verlassen haben. Damals war es eben noch das Cabana. Ein schreckliches Haus! Schmutzige Spannteppiche, billiges und defektes Mobiliar, stickige Luft im Zimmer, alles andere als freundliche Mitarbeiter … Wir weilten damals keine 30 Minuten in dem Haus. Und jetzt? Was für ein Unterschied zu damals! Wie der junge Herr an der Rezeption uns begrüsst – überaus freundlich, motiviert, natürlich, echt, zuvorkommend. Er zeigt uns den Garten, das Restaurant, die HotelLounge, die kleine Bibliothek, den Spa … Er erklärt uns die Essenszeiten, sagt, wie wir den Pool am besten erreichen, und bringt uns dann mit dem Gepäck aufs Zimmer in der ersten Etage. Die Nummer 422 geht auf die grüne Wiese hinaus. Es ist ein Zimmer mit Balkon und mit eigenem iMac-Computer. Nach einer kurzen Einführung in die «Zimmerwelt» und einer ausführlichen Erklärung der Internet-WLAN-Geschichte verabschiedet sich der junge Herr mit freundlichen Worten und dem spontanen Hinweis, jederzeit für uns da zu sein. So etwas nennt man Check-in! Der junge Herr hat alles richtig gemacht – ein hervorragender Gastgeber. Fünfsterne-Niveau! Zimmer Wir sind erleichtert: Die Cabana-Zeiten gehören hier endgültig der Vergangenheit an. Es lebe der frische Wind, der durch das Hotel Alpine Lodge weht. Es dominieren jetzt frische Farben und Formen – auch in den Zimmern. Wie gewünscht handelt es sich bei unserem Doppelzimmer mit der Nummer 422 um ein Themenzim- › 69 mer, genauer um ein «Velozimmer». Das schwarzweisse Bild über dem Bett erinnert an die Radfahrerszene, ebenso die beiden Velosättel, die als Kleiderhaken oder Garderobe dienen. Auffallend der Apple-Computer auf dem Schreibtisch, der dem Zimmer etwas Trendiges oder Neuzeitliches vermittelt. Den Karabinerhaken, der als Schlüsselanhänger dient, finden wir originell und passend zum Haus, wo ja auch viele Bergwanderer, Radfahrer, Mountainbiker, Jogger und Alpinisten absteigen. Das Zimmer ist einfach und funktionell eingerichtet, wer besonderen Luxus oder edles Design erwartet, sollte im Gstaad Palace oder im The Alpina buchen. Was wir vermissen: einen Hundenapf. Unser Tipp: Da es sich beim Hotel Alpine Lodge um ein sehr hundefreundliches Hotels handelt, müsste man den Vierbeinern mindestens einen Napf, vielleicht auch eine Decke, ein Körbchen und eine Kleinigkeit zum Spielen bieten. Kommt hinzu, dass Charly, der kleine Haushund hinter der Rezeption, die Stimmung im Hause prägt und zum Markenzeichen des Hotels geworden ist. Was uns gefällt, ist die von Hand geschriebene, persönliche Begrüssungskarte, die beiden grünen Äpfel auf dem Bett und die Mineralwasserflaschen, die dem Gast kostenlos offeriert werden. Gut so! Der Internetzugang (WLAN) ist ebenfalls kostenlos und funktioniert tadellos. Bad Erinnerungen an vergangene Zeiten werden im Badezimmer wach: Die Armaturen und Lavabos haben locker 20 Jahre auf dem «Buckel»! Die Furniere bei der Ablage sind locker, der Chromstahl an den Armaturen blättert ab und der Duschvorhang gehört definitiv in die siebziger Jahre. In diesem Badezimmer (Nummer 422) drängt sich dringend eine Sanierung auf. Wie wir später vom Hotelier erfahren, sollen die Bäder nächstens erneuert werden. Daneben vermissen wir kleine Gesichtstücher aus Frottee. Einen hervorragenden Job machen die Hausdamen. Das Bad wurde perfekt gereinigt. Das berühmte Haar im Lavabo suchen wir vergebens, die Toiletten-Bürste ist weiss und clean. Kompliment dem Housekeeping! Korridor Im Korridor der ersten Etage riecht es wie in einem Fitnesscenter, nach hundert Ausdauersportlern auf Ergometern und Laufbändern, die Kalorien verbrennen und dazu kräftig schwitzen. Ja, es riecht irgendwie nach Schweiss! Unser Tipp: Egal ob Holunder oder Vanille, hier müsste ein wirksames Duftkonzept zur Anwendung kommen. Ein Detail, welches die Direktion des Hauses zweifellos an die Hand nehmen wird, sollte der Duft nach wie vor für «Fitnesscenter-Atmosphäre» sorgen … Die gelben Wandertafeln an den Wänden der Korridore gefallen uns, schaffen sie doch einen direkten Bezug zur Natur- und Wanderwelt des schönen Saanenlandes. Die Tafeln dienen dem Gast übrigens als Orientierungshilfe im Hause. Eine witzige und passende Idee für ein Hotel in einer Bergregion. 70 Terrasse Herrlich, dieser Garten, die hohen Tannen, die bequemen Gartenmöbel auf der Terrasse. Man lässt sich in einer Liege oder in einen Lounge-Sessel nieder, legt sich eine Decke über die Beine und geniesst die warme Sonne. Der Garten wirkt gepflegt, den Kindern steht ein kleiner Spielplatz mit Sandkasten zur Verfügung. Wir geniessen es sichtlich, was der sympathischen, motivierten und aufmerksamen Dame von der Rezeption, die mit dem Hund namens Charly, nicht entgeht. Sie bringt Leckerli für den Hund und Chardonnay für die Zweibeiner. Die Dame von der Rezeption? Sie ist, wie wir später erfahren, die Vizedirektorin des Hauses. Ja, und sie war früher, so wie der Chef des Hauses, auch mal im Steigenberger Hotel tätig. Sie macht einen tollen Job! Sie ist die geborene Gastgeberin. Sie fühlt sich in die unterschiedlichen Gäste ein, versucht herauszufinden, was der Gast vielleicht gerade denkt, wünscht oder fühlt. Und dann wird sie aktiv, gibt Ratschläge, Tipps – oder sie plaudert mit dem Gast einfach ein wenig über Wetter, Urlaub, Hunde und andere Dinge des Lebens … Sie tut dies engagiert, spontan und alles andere als aufgesetzt oder inszeniert. Später stellen wir fest, dass die erwähnte Dame so etwas wie das personifizierte Zentrum des Hauses darstellt. Wer irgendein Anliegen oder eine Frage hat, wendet sich an die Frau Vizedirektorin. Und die ist, wie es scheint, allzeit präsent und gut gelaunt. Solche Persönlichkeiten prägen ein Hotel! DIe beIDen WeIlgunIs könnten sIch theoretIsch In DIe karIbIk zurückzIehen unD DIe sonne genIessen … Restaurant Abendessen kurz nach 19 Uhr. Im Restaurant sitzen derzeit vor allem ältere Leute und zwei Familien mit Kindern. Der überaus freundliche Kellner führt uns an den reservierten Tisch. Die Atmosphäre: Im ersten Moment, so unsere subjektive Wahrnehmung, wirkt das Restaurant wie der Speisesaal einer Schule. Das schlichte Mobiliar, die einfachen Holztische, die geflochtenen Stühle ohne Armlehnen – ja, es könnte eine etwas gehobene Mensa sein. Von Eleganz oder noblem Ambiente keine Spur. Und trotzdem: Nach einigen Minuten hat man sich mit dem Lokal arrangiert. Wer Halbpension bucht – auch das gibt es hier – kriegt vier Gänge. À-la-carte-Angebote werden auf einer Schiefertafel präsentiert. Auffallend: die Wasserkaraffen mit den roten Beeren. Reine Dekoration? Oder haben die Beeren vielleicht eine gesundheitliche Bedeutung? «Vogelbeeren» im Mineralwasser ... In jedem Fall etwas gewöhnungsbedürftig, denn: Soll man die Beeren nun schlucken oder kauen oder gar ausspucken? Service Um es gleich vorwegzunehmen: Das erleben wir selten in Drei- oder Viersterne-Häusern dieser Art – professionell agierende, unheimlich aufmerksame, stets präsente, sympathische und hilfsbereite Kellner, die fast alles richtig machen! Unser «Mann am Tisch» ist in der Tat ein Genie! Ja, ein Service-Talent! Er stammt ursprünglich aus Marokko und arbeitet hier als Serviceleiter. Er 12I2013 HOTEL-TEST HOTEL ALPINE LODGE GSTAAD-SAANEN wirbelt durchs Restaurant und hat, wie es scheint, nur ein Ziel: den Gast glücklich zu machen. Auf die Frage, ob der Hund im Restaurant denn willkommen sei, antwortet er: «Madame, wir sind ein freundliches Haus! Sie können Ihren Hund selbstverständlich zum Essen mitbringen. Willkommen!» So wie die Frau Vizedirektorin, prägt auch der Serviceleiter aus Marokko die Stimmung im Hause. Es sind genau solche Mitarbeitende, die einem Hotel das verleihen, was man Individualität oder individuelle Servicekultur nennt. Sie sind das Kapital des Betriebes! Sie sorgen dafür, dass sich Gäste wohl oder eben wie zu Hause fühlen. Was will man mehr? Gedeck Restaurant. Die Tische sind schlicht aufgedeckt, es brennen kleine Teelichter. Kaum am Tisch serviert man uns Brot. Weisses Brot. Wir wünschen Vollkornbrot. Kein Problem, eine halbe Minute später steht Vollkornbrot auf dem Tisch. Doch wohin mit dem Brot? Warum man auf Brotteller verzichtet, verstehen wir nicht. Wir sitzen am Tisch und beobachten die Szenerie. Und da ist sie wieder, die Frage nach der Atmosphäre: Wie könnte man das Restaurant gestalten, sodass eine etwas wärmere, vielleicht sogar edlere Stimmung aufkommt? Tischtücher? Lange Tischtücher, die bis auf den Boden fallen … Grosse Kerzen auf den Tischen, die abends für ein festliches Ambiente sorgen? Das Essen Doppelzimmer. Hallenbad. 12I2013 Zwischen mariniertem Eisbein mit Meerrettich und Granny Smith, Rauchlachsrose, KnoblauchVanillesuppe mit Preiselbeerrahm und «Spare Ribs Lodge Style» wählen wir zum Einstieg zwei schlichte Salate. Sie sind frisch, vielfältig und gerade richtig, was die Portion betrifft. Die hausgemachte Salatsauce wird separat in einer Glasflasche serviert. Gute Idee. Der Hauptgang: ein Entrecote. Leider ist das Fleisch etwas zu dünn geschnitten. Warum man es auf einem «Gemüseberg» serviert, bleibt uns ein Rätsel. Viele Köche neigen nach wie vor dazu, Fisch oder Fleisch auf Gemüse-, Pasta- oder Salattürmchen zu platzieren. Unsere Meinung: Die Beilagen gehören als Beilagen neben den Fisch oder neben das Fleisch, und nicht obendrauf. Was die Garstufen betrifft, gibt es nichts zu beklagen, doch die braune Bratensauce, welche den Hauptgang begleitet, scheint uns fehl am Platz. Fazit: Die eher bürgerliche, schweizerische Küche im Hotel Alpine Lodge dürfte – so unsere Einschätzung – ohne weiteres etwas trendiger sein. Origineller, innovativer, ohne dabei abzuheben. Gutes, einfaches Essen, basierend auf hervorragenden, lokalen Produkten, leicht, zeitgemäss und originell zubereitet – so müsste das Motto der Gastronomie hier lauten. Wer kulinarische Artistik sucht, fi ndet in Gstaad und Umgebung genügend Lokale, wo auf Punkte- und Sterne-Niveau gezaubert wird. Das Dessert: Wir fordern das «Genie» (sprich den Serviceleiter) bewusst heraus und wünschen eine Nachspeise, die man auf der Karte so nicht fi ndet: Frische Himbeeren, dazu vielleicht etwas Ananas und Erdbeeren, ein Sorbet viel- › 71 leicht, etwas Melone – erfrischend und leicht soll es sein … Der Serviceleiter: «Kein Problem, ich frage mal die Küche, was wir machen können.» Kurze Zeit später: «Himbeeren haben wir derzeit leider nicht, aber wir machen Ihnen gerne was mit Ananas und Nektarinen …» So sollte es sein! Dem Gast stets eine Alternative anbieten. «Nein, haben wir leider nicht» – diese Aussage gehört verboten! Im Hotel Alpine Lodge in Gstaad-Saanen klingt es so: «Ja, machen wir gerne!» Oder: «Kein Problem, Madame, wir tun es gerne für Sie!» rückteren Pisten. Wir fragen uns: Warum schenkt man hier Feldschlösschen aus, eine Biermarke, die zu einem globalen Bierkonzern gehört? Dabei hätten wir im Berner Oberland hervorragende lokale Biere, zum Beispiel Rugenbräu aus Interlaken. Ehre und fördere das Lokale, lautet ja ein Erfolgsmotto. Globale Marken erhält der Gast überall, lokale Produkte hingegen nur in der jeweiligen Region. Der erwähnte Serviceleiter ist auch für die Bar zuständig und will dem Gast einen Grappa offerieren. Oder wie wär’s mit einem Single Malt? Der talentierte Servicemann gibt nicht so schnell auf und schliesslich serviert er uns zwei Gläser Kaffee mit Amaretto und Sahnehäubchen: «Als kleines Dankeschön, dass Sie hier bei uns im Hotel Alpine Lodge sind!» Wein Turndown Hüllen aus Plastik haben Vor- und Nachteile. Für den Hotelier, dem es auch darum geht, die Karte immer sauber zu haben, mögen Plastikmäppchen durchaus Sinn machen. Doch als Gäste lehnen wir sie ab. Plastikhüllen gehören ins Büro und nicht ins Restaurant. Und eine Weinkarte, umhüllt mit Plastikfolien, geht schon gar nicht. Warum? Wein ist ein edles Produkt, der Weinbau ist eine Kultur. Und die verpackt man nicht in billige Plastikmappen. Aber das ist ja bloss die Hülle. Wie präsentiert sich denn der Inhalt der Weinkarte im Hotel Alpine Lodge? Erstens, die Weinpreise sind äusserst fair kalkuliert. Zweitens, die Weine sind sehr gut umschrieben, es macht echt Spass, die Kommentare zu den einzelnen Gewächsen zu lesen. Drittens: Schweizer Weine dominieren und bilden den Schwerpunkt. Gut so! Man findet auf der Karte auch einige Raritäten und Weine, die man sonst in der Gastronomie kaum findet. Wir mögen heute Abend einen schönen Pinot noir oder Spätburgunder. Der Serviceleiter bietet uns einen Pinot aus dem Kanton Schaffhausen an. Ist der Wein trinkbereit? Wie ist seine Charakteristik? Welche Rolle spielt das Holz? Wie hat sich die Säure entfaltet? Fragen, die jeder Sommelier sofort beantworten würde. Doch unser (genialer) Servicemann stösst jetzt an Grenzen. Es fehlt ihm an Wissen, an Know-how. Wein ist eine komplexe Welt. Nicht für Gäste, die ab und zu ein Glas Merlot trinken. Aber was ist mit den Wein-Freaks, die ja nicht nur in Luxushäusern absteigen? Ganz klar, ein ausgebildeter Sommelier wäre die Ideallösung, liegt aber wahrscheinlich aus Kostengründen hier nicht drin. Unser Tipp: Man lässt denjenigen Kellner oder Servicemann (kann auch eine Frau sein!) speziell in Sachen Wein aus- und weiterbilden, der die grösste Affinität dazu hat. So entsteht eine gewisse Weinkompetenz, die auch dazu führt, dass vermehrt teure Weine getrunken werden. Der Serviceleiter kommt zwar punkto Weinwissen rasch an seine Grenzen, aber – und das zeichnet seine Qualität aus – er reagiert völlig professionell, indem er laufend verschiedene Weine zum Kosten offeriert, stets mit der Bemerkung: «Wenn Ihnen der Wein nicht schmeckt, nehme ich die Flasche gerne zurück.» Nach einer letzten Abendrunde mit dem Vierbeiner ziehen wir uns in den ersten Stock zurück. Und ja, wir sind einmal mehr überrascht! Denn es gibt hier einen Turndown-Service, den man sonst ja nur in Luxushäusern antrifft. Die Vorhänge sind gezogen, eine kleine Toblerone liegt auf dem Kissen, das Pyjama ist liebevoll drapiert. Fünfsterne-Niveau im Dreisterne-Haus. Hervorragend! Bar Die mit einer kleinen Bibliothek ausgestattete Bar besticht durch rote Sofas schwarze Ledersessel. Lounge-Feeling auf engstem Raum, im Hintergrund leise Musik und auf dem Flachbildschirm verfolgen sich verrückte Skifahrer auf noch ver- 72 Frühstück Frühsport in den Bergen, das kann oft etwas länger dauern. Das Frühstücksbuffet sollte bereits abgeräumt sein. Wir erkundigen uns an der Rezeption diskret nach einem Kaffee. Und vielleicht etwas Wasser. «Wie bitte», fragt die nette Dame, «Sie haben noch nicht gefrühstückt?» Wir möchten ja erst duschen, denn wir sind verschwitzt. Die Antwort der Rezeptionistin: «Kein Problem, das Buffet bleibt, bis Sie geduscht sind.» Wow! Keine Spur von mürrischen Kellnern, denen es egal ist, ob der Gast das Frühstück verpasst. Der junge Servicemann lächelt und meint: «Ich bin ja sowieso hier und Sie sollen jetzt ein gutes Frühstück haben.» Das Frühstücksbuffet im Hotel Alpine Lodge ist reichhaltig. Alles ist da: Fruchtsäfte (leider nicht frisch gepresst), Reservierung: diverse Teesorten, Wurstwaren, ver- Check-in: schiedene Brote, Fruchtsalat, ein her- Zimmer: vorragendes Birchermüsli, kleine Süs- Bad: sigkeiten. Was will man mehr? Was wir Bar: bemängeln: die ultra-dünnen Papier- Terrasse: servietten, die auch viel zu klein sind. Restaurant: Den Kaffee holt sich der Gast selber an Frühstück: der grossen Maschine, wo es auch Cap- Mitarbeiter/Freundlichkeit: puccino und Latte macchiato gibt. Auf Check-out: dem Tisch liegt die «Morgenpost», wo der Gast Wander- und Weintipps und GESAmTEINDruck: andere Infos erhält. Zum Beispiel Infos für Outdoor-Freaks, Riverrafting-Fans oder Bergsteiger und Kletterer. Und, man staune, solche «Abenteuer» werden dem Gast kostenlos angeboten! Das ist die Philosophie des Hauses: Der Gast soll alles bekommen und möglichst viele Dinge sollen im Preis inbegriffen sein. bEwErTuNG d en t ag orr r gu t v r h He Se Gu ✓ d d en en aft dig gelh enüg e i n r g f Be Ma Un ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ Wellness/Spa Der 614 Quadratmeter grosse Spa wurde grösstenteils erneuert, Sauna und Ruhezonen (Spa-Lounge) erstrahlen in neuem Glanz, doch das Hallenbad müsste nächstens mal erneuert werden. Leider präsentiert sich der Massageraum derzeit nicht gerade vorbildlich, denn überall stehen Kisten, Geräte und andere Dinge herum. Auch der Fitnessraum mit dem braunen Teppich müsste wieder mal «unter die Lupe» genommen werden. Die Fitnessgeräte sind nicht mehr neu, der Boxsack ist defekt, Frotteetücher suchen wir verge12I2013 HOTEL-TEST HOTEL ALPINE LODGE GSTAAD-SAANEN bens, ebenso Desinfektionsmittel und Trinkwasser. Alles in allem: ein gutes Spa-Angebot, doch gewisse Dinge sollten vermehrt kontrolliert und erneuert werden. Was sagt Der hotelier ? Check-out Wir stehen, zusammen mit anderen Gästen, im Bereich der Rezeption. Die Vizedirektorin des Hauses wird von mehreren Gästen belagert. Alle haben ein Anliegen, stellen Fragen, warten auf Informationen. Und wie reagiert die Frau? Sie bleibt gelassen und lenkt die Aufmerksamkeit der Gäste zwischendurch auf ihren Mops Charly. Der kleine Vierbeiner ist stets präsent, er gehört zum Inventar des Hauses. Stammgäste kennen ihn, streicheln ihn. Ja, und der Hund hat spezielle Fähigkeiten. So legt er sich hin und stellt sich «tot» oder er tanzt zwischen den Beinen der Gäste hindurch … Ein USP der besonderen Art! Warum wir das an dieser Stelle erwähnen? Weil es genau solche Dinge und Szenen sind, die den Aufenthalt im Hotel Alpine Lodge einzigartig und damit auch unvergesslich machen. Fast alles in diesem Hotel wirkt echt, authentisch, natürlich, menschlich. Wer spricht da von Individualität und klarer Positionierung? Günter Weilguni und sein Team setzen solche Begriffe im Alltag um. Mit Herzblut und Leidenschaft. Tönt jetzt vielleicht etwas idealisiert, aber wir haben es so registriert. Der Check-in-Prozess läuft übrigens reibungslos und ohne Pannen ab. Der Rechnungsabzug enthält – kein Witz! – neben «Hund ohne Futter», Logement, Restaurant und Kurtaxen auch «Herzlichkeit» und «Freundliches Lächeln». Wobei die beiden letzten Rechnungsposten mit dem Code «0» verbucht worden sind. Gesamteindruck «hervorragend». Gastgeber-Herz – was willst du mehr? Es sei vorweggenommen: Die durchwegs positiven Eindrücke und die entsprechenden Bewertungen Ihres Testbesuchs freuen uns nicht nur, sie machen uns, ganz ehrlich, auch ein wenig stolz. Ein Resultat, das nur dank einem topmotivierten, professionellen, (Gäste-)freundlichen und hilfsbereiten Team möglich ist. Mitarbeitende, die tagein und tagaus mit enorm grossem Einsatz und mit noch viel mehr Herzblut und Leidenschaft dazu beitragen, dass unsere Gäste im wunderschönen Saanenland einen unvergesslichen Aufenthalt verbringen dürfen. Trotz des tollen Testergebnisses wollen und dürfen wir uns aber nicht auf den Lorbeeren ausruhen! Ganz im Gegenteil: Es ist weiterhin unser Bestreben, tagtäglich noch einen Tick zuzulegen. Ohne dabei das Authentische, das Individuelle und das Menschliche aus den Augen zu verlieren. Im Fokus steht dabei selbstverständlich immer der Gast. Seine Wünsche sollen nicht nur erfüllt, sie sollen wenn immer möglich übertroffen werden. Auf diesem Weg nehmen wir uns selbstverständlich auch die im Testbericht erwähnten kritischen Punkte sehr zu Herzen. Da, wo nötig, sind Verbesserungen an der Infrastruktur bereits fix geplant. Aber wir legen den Finger auch auf Details, welche das ihre zum Gesamteindruck beitragen. Der Napf für Charlys vierbeinige Freunde jedenfalls steht schon bereit. Wir bleiben dran! Mit Herzblut und Leidenschaft! h günter Weilguni Direktor Hotel The Alpine Lodge Fazit Bei aller Kritik – diese wie immer im konstruktiven Sinne: Wir haben uns im Hotel Alpine Lodge in Gstaad-Saanen sehr wohl und gut aufgehoben gefühlt. Natürlich, die Badezimmer (vor allem das Bad in der Nummer 422) sollten dringend saniert und modernisiert werden. Ganz klar, das Mobiliar wirkt zum Teil nicht mehr ganz neu, das Hallenbad braucht nächstens eine Renovierung, aber am Ende sind das Details. Und der Gastgeber? Keine Frage: Günter Weilguni ist ein Profi, ein Mann, der weiss, was gute, einzigartige Ferienhotellerie heute ausmacht. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist hervorragend. Kein Wunder erreicht das Hotel im Rating der Sonntagszeitung («Die 125 besten Hotels der Schweiz») in der Kategorie «Nice-Price-Ferienhotels» den 17. Rang. Günter Weilguni und sein Bruder haben damals alles auf eine Karte gesetzt, als sie das marode, konkursgeplagte Cabana übernommen haben. Das Projekt «Alpine Lodge» hätte auch schiefgehen können. Aber dank hoher Professionalität, Emotionalität, Leidenschaft und persönlichem Engagement haben es die Brüder Weilguni geschafft, im «Luxusmekka» Gstaad-Saanen ein einzigartiges, gut positioniertes Dreisterne-Superior-Hotel aufzubauen. Da können wir nur sagen: Respekt! Bravo! Hut ab! Fazit: In der Kategorie «Dreisterne-Ferien-Hotellerie» erreicht das Hotel Alpine Lodge Höchstnoten – ein «hervorragend». Weiter so! h 12I2013 kLASSIfIzIEruNG: 3 Sterne Superior EröffNuNG: 2001 INHAbEr: Alpine Lodge AG DIrEkTION: Günter Weilguni zImmEr: 29 GröSSE zImmEr: 17 m2 bis 31 m2 GröSSE SuITEN: 140 m2 bETTEN: 60 mITArbEITENDE: 17 rESTAurANTS: 1 (72 Sitzplätze) bAr: 38 Plätze TErrASSE/GArTENrESTAurANT: 24 Plätze mINDEST-zImmErPrEIS: 170 Franken (Doppelzimmer Nordseite) mAx. zImmErPrEIS: 450 Franken (Doppelzimmer Südseite) HErkuNfT DEr GäSTE: Schweiz 52 %, Benelux 10,4 %, Deutschland 8,3 %, Frankreich 2,1 % ANTEIL fErIENGäSTE: 82 % SEmINArGäSTE: 18 % bANkETT- uND SEmINArräumE: 3 Konferenzräume mit total 160 m2 Fläche wELLNESS/SPA: 512 m2 (Innenbecken, geheiztes Aussenbecken, Whirlpool, türkisches Dampfbad, Aroma-Sanarium, finnische Sauna, Wellnesslounge, Massage, Fitnessraum) BetrieBszahlen ÜbErNAcHTuNGEN PrO JAHr: 17 820 zImmErAuSLASTuNG: 82 % auf 297 Öffnungstage (7058 Room Nights) ANTEIL f&b Am GESAmTumSATz: 23,7 % öffNuNGSTAGE: 297 bEHErbErGuNGSmOyENNE: CHF 284.– rEVPAr: CHF 211.85 wArENrENDITE: 48,7 % ADrESSE Hotel Alpine Lodge Gstaad-Saanen Wyssmülleriweg 10 3792 Gstaad-Saanen [email protected] www.alpinelodge.ch 73