Filmproduktion und Kinokultur - Nationalatlas

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Filmproduktion und Kinokultur - Nationalatlas
Filmproduktion und Kinokultur
Karin Vorauer und Karin Wiest
Die deutsche Film- und Kinogeschichte
zeigt sich als Spiegel gesellschaftspolitischer Verhältnisse. Nach dem Zweiten
Weltkrieg wurde die Filmproduktion in
Westdeutschland z.T. ohne personellen
und inhaltlichen Bruch im Sinn des
UFA-Kinos der Vorkriegs- und Kriegszeit fortgeführt. Ab 1962 erlebte der
쐃
„junge deutsche Film“ mit Regisseuren
wie Fassbinder, Wenders oder Kluge
eine Phase intensiver Neuorientierung,
die auch international Beachtung erfuhr. Die Novellierung des Filmförderungsgesetzes und mit öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ausgehandelte
Koproduktionsverträge sicherten die Fi-
Multiplexkinos und Programmkinos 1999/2000
Bo.
Dü.
E.
Essl.
Ge.
Lu.
Lubg.
M.
Ma.
Ob.
Off.
Rtl.
Wiesb.
Bochum
Düsseldorf
Essen
Esslingen
Gelsenkirchen
Ludwigshafen
Ludwigsburg
Mülheim
Mannheim
Oberhausen
Offenbach
Reutlingen
Wiesbaden
Flensburg
Kiel
90
Stralsund
Rostock
Neumünster
Lübeck
Bargteheide
Wilhelmshaven
68
Bremerhaven
nanzierung von anspruchsvollen Produktionen. In der DDR wurde gleichzeitig mit der DEFA systematisch eine
neue Filmindustrie aufgebaut, wobei
sich unter dem Einfluss der SED künstlerisch-eigenständige Ausdrucksformen
nur begrenzt realisieren ließen.
Seit den 1980er Jahren ist anhaltend
vom Niedergang des deutschen Films
die Rede. Der Marktanteil am gesamten
Verleihumsatz ist von knapp 50% in
1950er Jahren auf 11% Ende der 1990er
Jahre gesunken. Demgegenüber stieg der
US-amerikanische Anteil bis 1999 auf
knapp 80% �. Die Unternehmen der
Greifswald
쐇
Neubrandenburg
Hamburg
Marktanteile wichtiger Filmländer am Verleihumsatz
1959, 1979 und 1999*
68
er
Bad Oeynhausen
Osnabrück
Ahaus
Bad
Paderborn Driburg
Fu
lda
in
Mo
sel
99
Limburg
Frankfurt a.M.
Zollhaus
Hanau
Wiesb.
Off. Mühlheim
Aschaffenburg
Nauheim
Mainz
Darmstadt
Hemsbach Wertheim
EnkenKaiserslautern bach
Coburg
Bamberg
Würzburg
Gera
Fürth
Bayreuth
Nürnberg
Amberg
Rhei
n
Verdichtungsraum
(violetter Ton)
Oberzentrum
(unterstrichener Ortsname)
Städte, die gemeinsam
ein Oberzentrum bilden
Herrsching
Memmingen
112
Straubing
au
Passau
Landshut
Inn
Rosenheim
Kempten
Multiplexkinos nach
dem Eröffnungsjahr
1999
1998
1997
1996
1994 - 95
1992 - 93
1990 - 91
Programmkino
© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001
Regensburg
n
Do
Ravensburg
Konstanz
1999
München
Riedlingen
Autorinnen: K.Vorauer
K.Wiest
Jena
Do n
Weingarten
Chemnitz
Hof
101
Singen
Dresden
Zwickau
Neckarsulm
Heilbronn Erlen- Schwäbisch
bach
Hall
Karlsruhe
Lubg.
Fellbach/
Schmiden
Pforzheim
Aalen
Ingolstadt
Schwäbisch Gmünd
Stuttgart
Neuburg
Eislingen
Essl.
Tübingen Rtl.
Bad Urach
Rottenburg
Ulm
Augsburg
Alpirsbach
au Neu-Ulm
Freiburg
i. Breisgau
1979
Görlitz
Weiden i.d.O.
Ansbach
95
Bautzen
Erlangen
Ochsenfurt
Viernheim
103
Plauen
Schweinfurt
Ma
in
Lu. Ma.
Heidelberg
Saarbrücken
115 Sa al
Jena
N
Hoyerswerda
El
Leipzig
Naumburg
Weimar
Fulda
Lich
Simmern
Hillesheim
88
Werr
102
Gießen
1600
Kinobesucher in Mio.
Bruttoeinnahmen der
Filmtheater in Mio. DM
Leinwände in Tsd.*
Sitzplätze in Mio.
14
12
1400
1200
10
1000
8
800
6
bis 1991
nur alte Länder
4
2
600
400
200
55
65
75
85 91 95
0
Jahr
* ohne Auto-, Freiluft-, Soldaten-, Uni- und Wanderkinos
© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001
Veränderung der Kinolandschaft
Groß Gagelow
Günthersdorf
Erfurt
Marburg
Neitersen
e
Rh
Koblenz
S
Halle/S.
Witzenhausen
Kassel
Cottbus
Dessau
e
96
Siegen
Bonn
Trier
Herzberg
a
Düren Hürth
119
Halberstadt
Frankfurt/O.
96
Magdeburg
Göttingen
Leverkusen
Köln
Aachen
Salzgitter
56
be
Hagen
Wuppertal
M.
Dü.
Mönchengladbach
Hameln
Wolfenbüttel
BERLIN
Wust Potsdam
eiße
E. Bo.
Hildesheim
Gütersloh
Hamm
Dortmund
Brandenburg
Lehrte Braunschweig
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Ge.
er
Seefeld
e
aal
Duisburg
Krefeld
Ob.
Bielefeld
Münster
Od
98
Hannover
16
deutschen Filmproduktion, die zu 80%
einen Jahresumsatz von unter 5 Mio.
DM aufweisen (vgl. BLM 1997, S.54),
sind der Konkurrenz der großen kapitalstarken amerikanischen Produktionsfirmen nicht gewachsen.
Elb
e
We s
Bramsche
Bocholt
Lüneburg
Bremen
Tsd. Leinwände bzw.
Mio. Kinobesucher
Mio. Sitzplätze
Mio. DM Bruttoeinnahmen
1959
Harburg
Oldenburg
Filmtheater und Kinobesucher 1946 - 1999
0
1945
80
Schwerin
쐋
Einwohner pro Sitzplatz
2000 (alle Kinos)
nach Ländern
56
80
90
100
88
-
Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Bildung und Kultur
25
USA
Großbritannien
sonstige
© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001
- 89
- 99
- 109
> 110
0
Italien
Frankreich
* 1959 und 1979 Westdeutschland
68
88 (genauer Zahlenwert)
nur Mitglieder
der AG Kino e.V.
Deutschland
50
75
Maßstab 1: 5000000
100 km
Auf die Blütezeit des Kinos in den
1950er Jahren mit nahezu flächendekkender Versorgung folgte das große Kinosterben, unter anderem als Konsequenz
des zunehmenden Fernsehkonsums. Mit
dem Interesse am jungen deutschen
Films entwickelten sich in vielen Städten Initiativen einer neuen Kinokultur.
Das sog. Programmkino bot vor allem
jungen Filmemachern und Kleinverleihen die Möglichkeit der Erstaufführung.
Programmkinos stehen bis heute für anspruchsvolles, innovatives und unabhängiges Kino (SCHRÖDER 1995), locken jedoch kein Massenpublikum an.
Die Anzahl der Filmtheater verringerte sich weiter, bis Anfang der 1990er
Jahre eine Trendwende einsetzte. Mit
dem Siegeszug der Multiplexe stiegen
erstmals wieder die Umsätze und die
Zahl der Kinobesuche �. Multiplexkinos sind die Antwort auf die Bedürfnisse der Freizeitgesellschaft der 1990er
Jahre; sie bieten Filmvorführungen in
technischer Perfektion gekoppelt mit
Erlebnisgastronomie und Einkaufsmöglichkeiten (쑺쑺 Beitrag ULBERT, Bd. 10).
Die räumlichen Verteilungsmuster entsprechen der unterschiedlichen Publikumswirkung von Multiplex- und Programmkinos. Während die am Massen-
쐄
Produktions- und Ausbildungsstandorte des Films 2001
Westerland
Flensburg
Kiel
<1
Stralsund
Travenbrück
Hamburg
Wilhelmshaven
Bremerhaven
Westoverledingen
Asendorf
<1
BERLIN
Brandenburg
Prozent
100
90
80
70
Salzkotten
Bad Marienberg
(Westerwald)
Remagen
KönigsBraunfeld
e i n Bendorf
fels
Ne
Kassel
Markkleeberg
lda
Friedewald
Gießen
Fulda
Jena
2,9
Suhl
Gera
Zwickau
le
Saa
Produktion
274
200
Plauen
Schwalbach
Bad Nauheim
Bad Soden Eschborn
Bad Homburg
Hofheim
Niedernhausen
Frankfurt a. M.
Schlangenbad Wiesb.
Großkrotzenburg
Offenbach
Rüdesheim
el
Dreieich
AschaffenEssenheim
os
Rü.
burg
Mainz Büttel- Messel
born Darmstadt
Schönberg
MörfeldenTrier
Walldorf
Zellertal
Kanzem
Birkenau
Mannheim
Ludwigshafen
Schriesheim
KaisersDannstadtlautern Scheuernheim
Saarbrücken
Limburgerhof Brühl Heidelberg
Waldsee
Rodalben
0,1
Pirmasens
100
50
20
10
5
2
1
Hof
Coburg
Schweinfurt
Würzburg
Ma
in
Bayreuth
Bamberg
<1
Mistelbach
1 mm² entspricht 1 Produktionsstandort je Stadt / Gemeinde
Weiden i.d. Oberpfalz
Fürth Erlangen
Ansbach
Nürnberg
Ausbildung
Amberg
Altdorf
Filmhochschule
Schwarzenfeld
Medienhochschule
Schwandorf
Heilbronn
Leingarten
Wald
Obersulm
Pfaffenhofen
Crailsheim
Regensburg
Verdichtungsraum
Beistein
Karlsruhe Markgrö(violetter Ton)
Karlsbad ningen Ludwigsburg
Ettna u
lingen
Gaimersheim
Straubing
Oberzentrum
Stuttgart Kernen
Rastatt Pforzheim
Jena
Schorndorf
Leonberg
Ess(unterstrichener Ortsname)
lingen Göppingen
Ingolstadt
Gechingen
Ostfildern
Sindelfingen
Kehl
Städte, die gemeinsam
LeinfeldenSchlaitdorf
Landshut
Oberkirch
ein Oberzentrum bilden
Tübingen
Echterdingen
Aichach
Petershausen
Holzheim
Reutlingen
Ulm
Horb
Neu-Ulm
München
Augsburg
Inn
Ismaning
Gräfelfing
Ettenheim
Unterföhring BurgPlanegg
St. Georgen
Poing
Gauting
au
n
kirchen
Vaterstetten
Do
Inning
Grasbrunn
Memmingen Landsberg
Ottobrunn
Stranbg.
Freiburg i. Br.
Dießen
PullachGrünwaldRosenheim
Immendingen
Siegsdorf
Tutzing
Weingarten
HolzFeldberg
Berg
Seeshaupt Münsing kirchen
WaaSamer- Bernau
Konstanz Ravensburg
Kempten
kirchen
berg
TegernSulzberg
see
Autorinnen: K. Vorauer
Bodensee
Immenstadt
K. Wiest
Akademie
5,0
Universitätsinstitut
Fachhochschule mit
Filmklasse
Do
Rhei
n
Görlitz
Chemnitz
Saalfeld
Koblenz
M
Bautzen
iße
Weimar
Erfurt
0,6
2,9
Dresden
Fu
Marburg
Hoyerswerda
Leipzig
Halle/Saale
Düsseldf.
Bonn
Wachtberg
Cottbus
Dessau
Göttingen
3,0
Mülheim
Arnsberg
Krefeld
Meerbusch Wetter Hagen Iserlohn
Haan
Wuppertal
Mönchen- Hilden
Solingen
glad- Monheim
Köln Lind- Gummersbach am Rhein
Pulheim Leverkusen lar bach
Bad
Bergheim
Bergisch Gladbach Berleburg
Frechen
Rösrath
Siegen
Hürth
Lohmar
Aachen
Brühl
Wesseling
7,0
Elbe
2,9
Langelsheim
Kleinmachnow Frankfurt/Oder
Königs
Wusterhausen
zer
sit
Lau
Produktionsschwerpunkte
in den vier Medienregionen
1997
Bo. Witten
Potsdam
Barleben
Magdeburg
rra
We
�
Dins- Gelsenlaken kirchen
Alpen
Herne Dortmund
Duisburg
Essen
Detmold
Paderborn
Rh
Bis Ende des Zweiten Weltkriegs war
die Hauptstadt Berlin mit ihren Studios
in Babelsberg das Zentrum des deutschen Films. Nach der Teilung Deutschlands avancierte München mit dem Bavaria Filmgelände in Geiselgasteig zum
Produktionsmittelpunkt des westdeutschen Nachkriegsfilms. Das Aufkommen des Fernsehens ließ viele Kinofilmproduzenten ab den 1960er Jahren auf
risikofreie Auftragsproduktionen für die
öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten
umsatteln. Sie siedelten sich verstärkt
in deren Nähe an, wie in München
(BR), Hamburg (NDR) oder Köln
(WDR). Von der Zulassung und der an-
Haltern
Münster
Braunschweig
Schellerten
Hildesheim
Bielefeld
7,0
Celle
Wennigsen
(Deister)
r
Wese
r
Lindow (Mark)
Neuruppin
de
O
Zentren der deutschen Filmproduktion
Espelkamp
Osnabrück
Neubrandenburg
Elb
e
Lüneburg
Hannover
publikum orientierten Multiplexkinos
oft in Lagen außerhalb der Stadtzentren
errichtet wurden, sind Programmkinos
in den Zentren der Großstädte und insbesondere in Universitätsstädten anzutreffen. Auch in den neuen Ländern
schlossen nach 1990 viele der älteren
Filmtheater, und es entstanden zahlreiche neue Multiplexzentren �.
<1
Schwerin
Ahrensburg
Bremen
Oldenburg
Lola rennt – Film von 1998
Harburg
Buchholz
<1
Lübeck
12,0
Wedel
Greifswald
Rostock
Neumünster
1,4
Passau
Wirtschaftliche Landesfilmförderung 2000
nach Ländern
DM / Einwohner
12,0
5,0 - 7,0
1,0 - 5,0
< 1,0
7,0
Landesfilmförderung
in DM/Einwohner
gemeinsame Landesfilmförderung
in Berlin / Brandenburg sowie Sachsen/
Sachsen Anhalt / Thüringen
60
50
0
40
© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001
30
20
10
0
Berlin
Hamburg
München
technische Dienstleistungen,
sonstige Produktion
Industriefilm
Werbefilm
© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001
Köln
Fernsehen
Kinofilm
schließenden Expansion des privaten
Rundfunks und Fernsehens in den
1980er Jahren profitierten allen voran
die Regionen München mit den neuen
Standorten Unterföhring und Ismaning
(Sitz der Kirch-Gruppe) und Köln (Sitz
von RTL). Berlin-Babelsberg ist nach
der Wende mit dem ehrgeizigen Plan,
wieder Hauptstadt des Films zu werden,
25
50
75
Maßstab 1 : 3750 000
angetreten. Heute sind die vier Regionen Berlin, Hamburg, Köln und München die mit Abstand führenden Filmproduktionszentren der Bundesrepublik.
Rund zwei Drittel aller filmwirtschaftlichen Produktionsunternehmen mit 63%
des Umsatzes haben hier ihren Sitz
(BLM, S. 38) �. Hinsichtlich der Zahl
der Unternehmen haben Berlin und
München als Medienzentren die größte
Bedeutung. Bezogen auf Umsatz und Beschäftigte steht München an der Spitze.
Der Medienstandort Köln ist ein Kind
des Fernsehzeitalters. Der Anteil an
TV-Produzenten ist hier am höchsten.
Berlin weist einen überdurchschnittlichen Anteil an Kinofilm-, Hamburg an
Werbefilmproduzenten auf �.웇
Filmproduktion und Kinokultur
113
100 km