Wohin mit den Gladiatoren - Friedrich-Schiller
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Wohin mit den Gladiatoren - Friedrich-Schiller
Friedrich-Schiller-Universität Jena Biologisch-Pharmazeutische Fakultät Institut für Allgemeine Zoologie und Tierphysiologie Wohin mit den Gladiatoren ? Erkenntnisse zur Phylogenie der Mantophasmatodea durch Analyse der Neuropeptidsequenzen AG PD Dr. Reinhard Predel Massenspektrometrie Was sind Gladiatoren? Ihren Anfang nahm die spektakuläre Entdeckungsgeschichte der Mantophasmatodea (Gladiatoren) in der Bernsteinsammlung des GeologischPaläontologischen Instituts der Universität Hamburg. Im Jahr 2000 stieß Oliver Zompro im Rahmen seiner Forschung über Gespenstschrecken (Phasmatodea) auf einige fossile Exemplare einer bislang unbekannten Insektengruppe in baltischem Bernstein (Eozän: 39–50 Millionen Jahre alt). Die Fossilien ließen sich in keine der bisher bekannten Insektenordnungen einordnen. In den Sammlungen des Natural History Museums in London und des Naturkundemuseums Berlin wurden zwei „verdächtige“ Exemplare entdeckt, welche die eindeutigen Merkmale der Bernsteinfossilien aufwiesen. Die Tiere wurden 1909 in Namibia und 1950 in Tansania gesammelt und befanden sich versteckt in einem Kasten inmitten unbestimmter Gespenstschrecken. Bei einer gezielten Exkursion zum BrandbergMassiv in Namibia im Jahr 2002 wurden lebende Vertreter dieser Insektengruppe entdeckt. Kurz darauf veröffentlichten Klaus-Dieter Klass, Oliver Zompro, Niels P. Kristensen und Joachim Adis im Fachblatt Science die Beschreibung von drei neuen Arten: Raptophasma kerneggeri aus baltischem Bernstein, Mantophasma subsolana aus Tansania und Mantophasma zephyra aus Namibia. Aufgrund der Besonderheiten im Bau der Tiere wurde eine neue Insektenordnung geschaffen: die Mantophasmatodea. Der Name erinnert an die Ähnlichkeit der erwachsenen Tiere mit Larven von Gottesanbeterinnen (Mantodea) und Gespenstschrecken (Phasmatodea). Die Entdeckung einer neuen Ordnung im Tierreich gilt in der Fachwelt als sensationell. Man hatte lange geglaubt, dass bereits alle Insektenordnungen bekannt seien. Inzwischen sind 13 Arten wissenschaftlich beschrieben, viele weitere werden voraussichtlich in den nächsten Jahren folgen. Kennzeichen Ausgewachsen sind die Gladiatoren 15–35 mm groß und flügellos, wobei die Männchen kleiner und schlanker als die Weibchen bleiben. Die Antennen sind lang, vielgliedrig und sehr beweglich. Das krallentragende Glied der Füße besitzt einen großen Haftlappen (Arolium), welcher allerdings beim normalen Laufen oder bei der Paarung nicht eingesetzt wird. Die Tiere laufen auf den „Fersen“, was ihnen ihren englischen Namen „Heelwalker“ („Fersenläufer“) einbrachte. Viele Arten der Mantophasmatodea sind farblich gut an ihre Umgebung angepasst und können unterschiedlich gefärbt sein, z.B. braun und grün. Die Tiere leben räuberisch; sie nähern sie sich langsam ihrer Beute und überwältigen sie mit einem Überraschungsangriff. Die Opfer werden mit den kräftigen Mundwerkzeugen festgehalten. Wenn die Beute groß ist, wird sie von den Gladiatoren mit den Vorder- und Mittelbeinen umklammert. Die Entwicklung moderner Massenspektrometer war ein Meilenstein für die Strukturaufklärung biologischer Moleküle und wurde 2002 mit der Vergabe des Nobelpreises für Chemie gewürdigt. Inzwischen ist es möglich, auch Neuropeptide aus einzelnen Nervenellen nachzuweisen, ohne auf genetische Untersuchungen angewiesen zu sein. Wir nutzen Periplaneta americana verschiedene massenspektrometrische Beispiel für Auschüttungsorte von Peptidhormonen Techniken, um das gesamte bei Insekten, welche nach dem Präparieren Neuropeptidinventar der gesammelten massenspektrometrisch untersucht werden Gladiatoren zu identifizieren; dabei werden aus einzelnen Tieren bis zu 30 unterschiedliche Neuropeptide sequenziert. Eine solch umfangreiche Datenaquirierung mit ausschließlich massenspektrometrischen Methoden ist bislang einmalig und hinreichend schnell, um diese Methode für die Bearbeitung von phylogenetischen Fragestellungen zu nutzen. 1.8E+4 1168.7 Hemilobophasma montaguensis 5 1479.7 1 2 4 872.4 1064.5 1318.6 800 1240 6 7 1783.8 2046.9 1680 2120 Mass/Charge 8 2682.2 2560 3000 1182.8 100 Forschung in der Arbeitsgruppe 90 Signal Intensity 80 Mantophasma sp. Periplaneta americana Locusta migratoria Mantophasma Brandberg Mantophasma Otavi 0.31 Mantophasma Waterberg 0.21 Mantophasma Tsumeb 0.81 0.51 Mantophasma kudubergense Ero 0.51 Mantophasma C36C28 1.00 Mantophasma Witwater1250 0.49 Mantophasma GamsbergPass 0.79 0.67 0.55 Mantophasma WitwaterN 0.33 Mantophasma Otjipatera 0.23 Mantophasma Spitskop Namibia Mantophasma Paresis 0.35 Mantophasma Outjo Praedatophasma maraisi Sen 1.0 0 Tyrannophasma gladiator Bra 0.99 Mantophasma GamsbergStreifen 0.75 Mantophasma Naukluft 0.91 Mantophasma Tsaris Mantophasma Nauchos 0.40 0.52 Mantophasma Reemhoogte Hemilobophasma montaguensis Gar Hemilobophasma montaguensis Oud 0.09 0.63 0.98 0.02 Hemilobophasma montaguensis Mon Hemilobophasma montaguensis Van 0.10 Hemilobophasma montaguensis Cal 0.10 Lobatophasma redelinghuysense Red 0.13 1.00 Karoophasma spec4 Lor 1.00 Karoophasma botterkloofense Bot 0.34 Karoophasma biedouwense Dri Karoophasma spec3 Van Südafrika Hemilobophasma spec3 Robertston 0.44 1.00 Hemilobophasma spec4 Worcester 0.58 Austrophasma gansbaaiense Gan 0.66 Hemilobophasma spec2 deRust 0.93 Namaquaphasma okiepensis Sta 1.00 Namaquaphaphasma okiepensis Kar 0.94 Namaquaphaphasma okiepensis Kam Verbreitung 3 Die AG Predel beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Strukturaufklärung von Peptidhormonen bei Insekten. Um diese Botenstoffe in den einzelnen Nervenzellen der Tiere nachzuweisen, werden hochempfindliche Methoden verwendet (Massenspektrometrie). Seit der Entdeckung der Gladiatoren im Jahre 2002 werden in der Arbeitsgruppe die Peptidhormone dieser Insekten untersucht. Neuropeptide bieten eine Möglichkeit, äußerlich sehr ähnliche Arten sicher zu unterscheiden. Sie bestehen aus einer Kette von Aminosäuren, die in charakteristischer Weise zusammengesetzt ist. Mit Hilfe dieser Sequenzen können die Verwandtschaftsbeziehungen der Gladiatoren untereinander und zu anderen Insekten untersucht werden. Alle Untersuchungen, vom Sammeln in Afrika bis zur Analyse der Neuropeptide, werden von der Arbeitsgruppe selbst durchgeführt. Die Arbeitsschritte sind: 1. Sammeln der Tiere 2. Transport lebender Tiere nach Jena 3. Aufzucht und Haltung 4. Präparation der Neurohämalorgane 5. Erstellen von Massenfingerprints zur Unterscheidung der Populationen 6. de-novo Sequenzierung der artspezifischen Neuropeptide 7. Phylogenetische Analyse der Aminosäuresequenzen 8. Erstellen der Stammbäume Um der Stammesgeschichte der verschiedenen Mantophasmatodea Populationen sowie den Verwandtschaftsbeziehungen zu anderen Insektengruppen auf die Schliche zu kommen, werden die ermittelten Peptidsequenzen mit Hilfe von Computerprogrammen verglichen, d.h. aligniert. Anschließend wird eine Hypothese über die Verwandtschaft der Tiere mittels mathematischer Algorithmen errechnet und auf ihre Beständigkeit geprüft. Das bisherige Ergebnis ist ein Stammbaum, der die verwandtschaftliche Nähe der Mantophasmatodea untereinander im Vergleich mit den „Außengruppen“, wie z.B. Schaben oder Heuschrecken, aufzeigt. Man kann erkennen, dass einige Populationen aus Namibia näher mit südafrikanischen Tieren verwandt sind als mit den übrigen namibischen Gruppen. 3 Signal Intensity Entdeckungsgeschichte Phylogenie 70 5 60 Austrophasma gansbaaiensis 1493.8 50 Als die ersten Arten der Gladiatoren im Jahr 2002 beschrieben wurden, waren lebende Tiere nur vom Brandberg, einem isolierten Bergmassiv am Rande der Namibwüste, bekannt. Inzwischen weiß man jedoch, dass die Gladiatoren viel weiter verbreitet sind und in unterschiedlichen Regionen Namibias und Südafrikas vorkommen. Im Verlauf von sechs Exkursionen konnten wir zahlreiche neue Fundpunkte und Arten entdecken. Der bisher einzige Fund eines Tieres aus Tansania (1950) ist ein Indiz dafür, dass Gladiatoren auch weit bis ins östliche Afrika verbreitet sind – allerdings fehlt bisher ein aktueller Nachweis. Die Funde im baltischen Bernstein zeigen, dass die Mantophasmatodea vor 39 bis 50 Millionen Jahren (Eozän) auch im Gebiet des heutigen Europas vorkamen. Dass die Gladiatoren bis vor kurzem übersehen wurden, ist eigentlich erstaunlich. Gerade die Kapprovinz Südafrikas ist relativ gut erforscht und seit langem als ein „Hotspot“ der Biodiversität bekannt. Gladiatoren sind aber den klassischen Fangmethoden der Insektenforscher, wie Licht- und Bodenfallen, entgangen. Zudem sind sie schwer aufzufinden, da sie sich gut tarnen und versteckt leben. Vielleicht haben manche Insektenkundler die Tiere auch für Nymphen anderer Insektengruppen gehalten. Mantophasmatodea kommen in offenen, strauchbestandenen Habitaten vor. Nach dem Schlüpfen aus dem Ei wandern und verteilen sich die Nymphen, die sich gerne in dichten, flachliegenden Büschen aufhalten. Die erwachsenen Tiere findet man in Südafrika fast ausschließlich in einzelnen, im Inneren noch grünen Grasbüscheln, und zwar nur im Winter! In Namibia dagegen findet man die dort vorkommenden Arten ausschließlich im Sommer nach ergiebigen Regenfällen. 40 6 30 1 20 872.4 2 4 1064.5 1318.6 10 1783.8 7 8 2046.8 2682.0 1, 2 3 0 800 1240 1680 2120 Mass/Charge 2560 3000 4 Die dargestellten Massenspektren wurden von abdominalen Perisympathischen Organen zweier südafrikanischer Arten aufgenommen und zeigen Massenunterschiede in den Peptiden 3 und 5. Ihre unterschiedlichen Sequenzen kann man nach der Fragmentierung der einzelnen Peptide ermitteln. Fundorte der Mantophasmatodea der Exkursion R. Predels (2003-2008). Sie decken sich mit der Gesamtverbreitung mit Ausnahme eines zusätzlichen Fundes in Tansania. Sommerregen-Arten, südafrikanische Winterregenarten. 1: Tyrannophasma gladiator (Brandberg), 2: Mantophasma sp. nov. 1 (Brandberg), 3: Mantophasma zephyra (Erongo Mountains), 4: Mantophasma sp. nov. 2 (Naukluft Mountains) Tyrannophasma gladiator