Köstliche Aussichten

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Köstliche Aussichten
Überblick
Die Draga di
Lovrana liegt
hoch über
der Küste der
Kvarner Bucht,
während der
Glaskasten des
„Le Mandrac“
im Hafen von
Volosko steht.
Köstliche Aussichten
Schlaraffenland mit Meeresstrand. Die
Kroatische halbinsel istrien und die Kvarner
Bucht gelten als neue Küste der
Feinschmecker. ein kulinarischer
Überblick für die nächste reise in den süden.
text: Robert KRopf
Kochduell in den Bergen. Nikolac und seine Frau Sanja hatten drei Trümpfe in der Hand. Erstens: die Draga
di Lovrana, ein ehemaliges Hotel von Anton Um, eines
der beliebtesten Ausflugsziele der österreichisch-ungarischen Monarchie, das sie aus einer Ruine detailgetreu
nachgebaut haben. Zweitens: den Blick über die Bucht
und die Berge hoch über der Küste von Lovran. Und drittens Chefkoch Zvradko Tomic, den sich Nikolac vom
„Kukuriku“ schnappte – Tomic war es, der das „Kukuriku“ auf Haubenniveau kochte. Seitdem matchen sich Kukurin und Nikolac in der Küche und im Keller. Während
Kukurin auch Extravaganteres wie Weinbergschnecken,
Frösche, Pferdesteaks und Siebenschläfer (nur zur Jagdsaison und auf Vorbestellung) serviert, kommt in der Draga frische Gregada (ein landestypisches Gericht aus Fisch
und Schalentieren) auf den Tisch. Während Kukurin seinen sehenswerten Zisternenweinkeller mit über 200
Weinen ausbaut, wird hoch über Lovran im Freien am
Tischherd aufgekocht. Eines vereint die beiden im Koch32 schaufenster
duell in den Bergen: Sie verwenden Produkte der Region,
sorgfältig nach Tradition zubereitet. Sie kochen mit eher
kurzen Garzeiten und niedrigen Temperaturen, sie überraschen mit Zusammenstellungen und intelligenten Abwandlungen klassischer Rezepte.
Eine Art der Küche, die sich in der gesamten Region der
Kvarner Bucht mittlerweile etabliert hat. Auch bei Denniz Zembo im kleinen, unscheinbaren Ort Volosko bei
Opatija. Hier kocht Zembo in seinem aufwendig gestylten
„Le Mandrac“ junge kreative Küche. Das „Le“, mit dem
er den Anspruch auf das Niveau und die Verwandtschaft
mit der französischen Küche deutlich machen will, wäre
gar nicht nötig. „Mandrac“ heißt so viel wie kleiner Hafen, nämlich der von Volosko. Als er das alte Haus erwarb
und seine Küche und das Restaurant errichten wollte, be- 
Frische Küche
Istriens neue
Küche trieft
nicht mehr
von Fett. Das
Motto: weg von
Fast-Food à la
Cevapcici hin
zu Slow Food
und gesundem
Genuss.
Fotos: Peter Blaha 2, Draga di Lovrana
„Was mein Freund Nenad Kukurin kann, kann ich
auch“, dachte sich Christian Nikolac, als er eines Tages im
Restaurant „Kukuriku“ Scampischwänze in Zitronensaft
und Olivenöl sowie zarte Kalbfleischtortellini mit Bärlauch und Tomaten genoss. Dort oben im Örtchen Kastav, im besten Restaurant der Kvarner Bucht – wo selbst an
heißen Tagen noch ein Lüftchen geht und man den besten Blick auf die Kvarner Inseln und das Gebirge hat – beschloss er, einen Ort mit noch besserer Aussicht und noch
besserem Essen zu bieten. Eine unlösbare Aufgabe?
Messerscharf
Bis vor zwei
Jahren hat Damir Beletic den
Fisch vor den
Augen der Gäste noch selbst
zerlegt, jetzt hat
Tochter Mattea
das Messer in
der Hand.
Köstliche Kvarner-Bucht
Am Gipfel des Genusses
Kukuriku. Jahrelang war das
 schloss er, etwas Modernes in die Traumkulisse zu setzen.
So entstand die Idee der verglasten Veranda. „Man merkt,
dass er lange in London war“, sagt Arthur Berger, der neue
Chefkoch des Adria-Relax-Resort Miramar in Opatija
über seinen Kollegen. „Bitterschokolade auf Rindercarpaccio, Jakobsmuscheln in süßer Kürbissuppe oder einen
Lollipop vom Spargel isst man an der kroatischen Küste
eher selten.“ Berger, selbst Haubenkoch und langjähriger
Küchenchef im Fünf-Sterne-Haus Salzburgerhof, ist neu
an die Kvarner Bucht gewechselt. Seine Aufgabe ist groß,
war das Hotel bisher ja nicht gerade überlaufen von Feinschmeckern. Die Bewährungsprobe hat für ihn gerade
erst begonnen.
Ortswechsel: Weiter westlich, im istrischen Novigrad,
führt Damir Beletic eine so scharfe Klinge, dass er so
manchen Sushi-Schnitzer das Fürchten lehrt. Ohne Reservierung bekommt man in der kulinarischen Kultstätte „Damir e Orniela“, in der es in erster Linie um frischen
Damir führt eine so scharfe Klinge
da sehen Sushi-Schnitzer alt aus.
Fisch geht, keinen Platz. Beletic richtet Seebrassen oder
Meerwölfe, die am Morgen noch im Meer schwammen,
kunstvoll mit nur etwas Salz und Olivenöl an. Ehefrau Ornela hat sich in der kleinen Küche derweilen auf Pasta, Jakobsmuscheln, Seezungen aus der Mirnamündung oder
Seespinnen aus der Bucht von Prementura im Süden der
Halbinsel spezialisiert. Speisekarte gibt es keine in dem
überschaubaren Restaurant mit sechs Tischen. Damir
schlägt den Fisch vor, den er zu servieren gedenkt: „Heute gibt es nur Branzin, Lubin – andere wurden nicht gefangen“, sagt er, „wir servieren frischen, im offenen Meer 
34 schaufenster
Gastronomischer Überblick
Draga di Lovrana. Ex-KukurikuChefkoch zaubert jetzt hoch über
Lovrana. Herrlicher Ausblick, Tischherd, Hotelbetrieb. Lovranske Drage
1, Lovran, Tel: +385/98/32 70 93
www.dragadilovrana.hr
Essen im Glaskasten
Le Mandrac. Glaskobel im Fischerort Volosko bei Opatija von Alma und
Deniz Zembo, der lange Jahre in
London gekocht hat. Experimentell
und aufregend, hervorragende Desserts. Obala f. Supila 10, Volosko,
Tel: +385/51/701 35 77
www.lemandrac.hr
Fisch am Berg
Johnson. Die Qualität des Essens,
vor allem Fisch und Meeeresfrüchte,
beeindruckt mehr als das äußere Erscheinungsbild am Weg ins Bergdorf
Mošcenice. Sv. Petar bb,
Tel: +385/51/73 75 78
Viel Wein in der Villa
Laurus. Das Restaurant ist das
Herzstück der Villa Kapetanovic in
Opatija, mit dem größten Angebot an
Weinen in der Kvarner Bucht. Nova
Cesta 12 a, Tel: +385/51/74 13 55
Österreicher am Herd
Miramar. Noch befindet sich Arthur
Berger in der Bewährungsphase:
Er übernahm die Küche des AdriaRelax-Resort Miramar in Opatija.
Berger war jahrelang Küchenchef
des Fünf-Sterne-Hauses Salzburgerhof in Zell am See. Ive Kaline 11, Tel:
+385/51/28 00 00
www.hotel-miramare.info
Einen Sprung zu Annette
Villa Annette. Wer in der Region
Kvarner ist, sollte auf einen Sprung
nach Istrien, zu Annette in Rabac:
herrliche Terrasse, frischer Oktopus,
dazu ein leichter Malvasier von Demian. Die Fahrt zahlt sich aus. Raska
24, Tel: +385/52/88 42 22
www.villaannette.hr
Ausflug auf die Insel Rab
Arco. Das beste Fischlokal der Insel,
von Darko Dedic, nach seinem 2006
Privatkoch in der Villa
verstorbenen Schwiegervater und
Villa Astra. Vijeko Marinko hat zwei Fischerlegende Arco genannt.
kleine, feine Genussoasen in Opatija
eingerichtet. Das Landhaus Oraj
über der Bucht und die Villa Astra am
Lungomare in Lovran. V. Cara emina
11, Tel: +385/51/29 44 00
Buchtipp
Adria. „Kulinarische Landschaften
von Brindisi bis Dubrovnik“ Martina
Meuth, Bernd Neuner-Duttenhofer,
Collection Rolf Heyne, 51,30 Euro.
www.collection-rolf-heyne.de
Fotos: Meuth/Neuner-Duttenhofer 2
Restaurant von Nenad Kukurin der
kulinarische Leithammel. Nun hat
der Chefkoch gewechselt, das Lokal
muss sich erst daran gewöhnen.
Trotzdem verdiente zwei Hauben.
Kastav 120, Tel: +385/51/69 14 17
Dunkles Salz
Sonja Peric sorgt
im Valsabbion in
Pula immer für
aufregend Neues
auf dem Teller
– etwa Muscheln
in der schwarzen
Salzkruste.
der Sohn Jäger sind. Bracanija 1,
Tel: +385/52/77 45 20
Der Gourmettempel Istriens
Valsabbion. Seit 1995 ein Begriff,
mittlerweile zwei Hauben. Sonja Peric ging bei Ferran Adria in die Kochschule. Pula, Pješcana uvala IX/25,
Tel: +385/52/21 80 33
www.valsabbion.hr
Der Trüffelkönig
Enoteka Zigante. Livade ist der
Pilgerort für Trüffelfans. Zwei Hauben
für die neun Trüffelgattungen aus
der Umgebung, die im Lokal geführt
werden. Livade 7, Tel: +385/52/66
43 02. www.zigantetartufi.com
Kroatische Messer-Meister
Damir & Ornela. Nirgendwo ist
der Fisch frischer und das Messer
schärfer als bei Damir, Ornela und
Tochter Mattea in Novigrad. Altstadtzentrum, Tel: +385/52/75 81 34
Raumlage am Meer
Restaurant Blu. Etwas außerhalb
von Rovinj, der perfekte Meerblick
zum Fischessen. Rovinj, Val del lesso
9, Tel: +385/52/81 12 65
www.blue.hr
Rauchküche statt Haubenlokal
Malo Selo. Man soll sich vom
urigen, rauchigen Ambieten der
Konoba nicht täsuchen lasse. Eine
Haube gibt es für herrliche Pilzgerichte und mürbe Beefsteaks. Fratrija br 1, Tel: +385/52/77 73 32
Wild in den Bergen
Morgan. Versteckt bei Brtonigla
am Ende einer Schotterstraße. Viele
Wildspezialitäten, da der Vater und
36 schaufenster
Essen in der Öhlmühle
Toklaria. Nevio Sirotic serviert
ohne Speisekarte, dafür mehrere
Gänge aus Spargel, Salaten, Wild
und Pršut. Sovinjsko Polje 11, bei
Buzet, Tel: +385/52/66 30 31
Romantik in Rovinj
Monte. Auf dem Altstadthügel von
Rovinj, hübscher Gastgarten, ambitionierte Mittelmeerküche. Eine Haube. Montalbano 75, Tel: + 385/52/
83 02 03 www.monte.hr
Ölivenöl und Lorettas Kuchen
Milan. Neben den Speisen ist das
hausgemachte Olivenöl von feinster
Qualität. Kultstatus genießen auch
die Kuchen von Küchenchefin Loretta. Stoja 4, Pula, Tel:+385/52/30 02
00. www.milan1967.hr
Älteste Ofen der Welt.
Konoba Astarea. Gastgeber Nino
beherrscht die Zubereitung der
Crpnja, das Garen der Speisen in der
Glut unter einer der gusseisernen
Glocke. Brtonigla, Ronkova 9,
Tel: +385/52/77 43 84
Österr.-französische Konoba
Konoba Petra. Wirtin Petra Lenoir stammt aus der Steiermark,
ihr Mann Fabrice aus Frankreich.
Gemeinsam führen sie eine bezaubernde französisch-istrische Konoba.
Kosten: die Wachteln, die Pferdesteaks und das hausgemachten
Nougateis. Kapetovana Stanija 3,
Vrsar, Tel:+385/52/44 23 66
 gefangenen Fisch. Sonst gibt es halt keinen!“ Bis vor zwei
Jahren hat Damir den Fisch vor den Augen der Gäste
noch selbst zerlegt, jetzt darf Mattea, die Tochter, die Arbeit übernehmen.
Mit zunehmender Wertschätzung der regionalen Kost
steht auch eines der ältesten Gerichte Istriens wieder häufiger auf den Speisekarten. „Weil die Bauern bei der Feldarbeit keine Zeit zum Kochen hatten, haben sie die Cripnja erfunden“, erklärt Rolf Moll, ein Schweizer, der das
kleine Landgasthaus „Stanjica 1904“ in Smoljanci führt.
„Peka oder Cripnja, wie wir in Istrien sagen, heißt die
gusseiserne Glocke in der Glut“, sagt er. „Eine herrliche
„du stellst die gusseiserne Glocke
in die glut und fertig ist der Peka.“
Art, Gerichte zuzubereiten. Du legst Lamm oder Fisch
in eine Pfanne, tust Gemüse dazu und einen Schuss Olivenöl. Dann stülpst du die Glocke drüber und bedeckst
das Ganze mit Holzglut. Nach gut einer Stunde ziehst du
sie wieder heraus. Fertig!“ Traditionelle Gerichte wie die
Cripnja stehen heute schon auf den Speisekarten modernern Feinschmeckerrestaurants.
Apropos Feinschmeckerrestaurants: Zwei der besten Istriens liegen nah beinander in Pula. Wer Fisch liebt, stoppt
im „Milan“ der Familie Matic. Delikat schmecken das
hausgemachte Olivenöl und die Kuchen von Küchenchefin Loretta. Aber das Beste hebt man sich für den Schluss
auf: Im „Valsabbion“ von Sonja Peric werden Muscheln in
schwarzer Salzkruste serviert. Die Muschel gibt ihren Saft
erst nach dem Aufschlagen der Salzkruste preis, die mit
Sepia gefärbt ist – eine geschmackliche Offenbarung. u
Fotos: Peter Blaha 2
Kulinarisches Istrien