Pressemitteilungen - Staatliche Museen zu Berlin
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Pressemitteilungen - Staatliche Museen zu Berlin
Berlin, den 6.11.2007 Museen Dahlem Museum für Asiatische Kunst Picturesque Views Moghul-Indien im Spiegel der Fotografie des 19. Jahrhunderts Ausstellung vom 9. November 2007 – 02. März 2008 Eröffnung: Do 8. November 2007, 8.11.2007, 19 Uhr Museum für Asiatische Kunst, Kunstsammlung Süd-, Südost- und Zentralasien, Besucher-Eingang: Lansstr. 8, 14195 Berlin-Dahlem Öffnungszeiten: Di – Fr 10 – 18 h, Sa + So 11 – 18 h; Tel. 030/8301361 Das Museum für Asiatische Kunst eröffnet am Do 8. November 2007 erstmals eine Photo-Ausstellung mit unglaublich originären und seltenen Arbeiten des 19. Jahrhunderts. Präsentiert wird eine exquisite Auswahl von etwa 70 Arbeiten der bedeutendsten Indien-Fotografen jener Epoche. Die ausgestellten Werke stammen überwiegend aus drei europäischen Privatsammlungen. Fotografien aus den eigenen Beständen ergänzen das breite Spektrum. Kurz vor der traditionell im November stattfindenden Messe Paris Photo eröffnet das neu gegründete Museum für Asiatische Kunst die Ausstellung „Picturesque Views – Moghul-Indien im Spiegel der Fotografie des 19. Jahrhunderts“. Damit wird in Berlin erstmalig eine umfangreiche Ausstellung zur frühen Kunstfotografie in Indien gezeigt. Präsentiert wird eine exquisite Auswahl von etwa 70 Arbeiten der bedeutendsten Indien-Fotografen jener Epoche. Die ausgestellten Werke stammen überwiegend aus drei europäischen Privatsammlungen. Fotografien aus den eigenen Beständen ergänzen das breite Spektrum. Die frühesten gezeigten Arbeiten sind zugleich auch große Namen aus der Pionierzeit der Fotografie, wie John Murray, Thomas Biggs und Felice Beato. Sie stammen aus der Sammlung P. & G. Bautze und der Olivier Degeorges Collection. Einen großen Anteil der ausgestellten Arbeiten machen die Fotografien von Samuel Bourne aus, welcher zu den herausragenden FotoKünstlern des 19. Jahrhunderts zählti. Das Museum für Asiatische Kunst verfügt über eine umfangreiche Sammlung seiner Fotografien. Darüber hinaus werden seltene oder besonders qualitätvolle Werke u.a. von James Craddock, John Edward Saché, Lala Din Dayal gezeigt sowie Arbeiten aus den berühmten Studios jener Zeit, wie z.B. Frith und Shepherd & Robertson; aber auch anonyme Repräsentanten der frühen Indien-Fotografie finden Berücksichtigung. Der Titel der Ausstellung „Picturesque Views“ verweist auf ein zentrales Thema der frühen Fotografie und ist gleichsam eine Anspielung auf John Murrays „Picturesque Views in the North Western Province of India“, ein Buch mit Ansichten der berühmtesten Moghul-Monumente in Agra und Umgebung, das bereits 1859 in London bei J. Hogarth erschien. Dr. John Murray lebte und arbeitete von 1833 bis 1871 in Indien und hatte sich zunächst als ein im Auftrag der East India Company tätiger Arzt einen Namen gemacht. In der einstigen Moghul-Hauptstadt Agra stationiert, begann er sich 1849 mit großem Enthusiasmus der Fotografie zu widmen. Murray war der erste, welcher sich auf die monumentalen Bauwerke der Moghuln konzentrierte und diese – im Gegensatz zu Alexis de La Grange - in großem Maßstab, teilweise in kunstvollen Foto-Gemälden, dokumentierte. Agra und die nahe gelegen historischen Orte Sikandra und Fatehpur Sikri boten hierfür ideale Voraussetzungen. Am 18. Juni Seite 1 von 4 Staatliche Museen zu Berlin Generaldirektion Stauffenbergstraße 41 10785 Berlin Dr. Matthias Henkel Leiter Presse – Kommunikation – Sponsoring m.henkel@ smb.spk-berlin.de Dipl.phil.Anne Schäfer-Junker Pressekontakt a.schaefer-junker@ smb.spk-berlin.de Tel +49(0)30-266-2629 Fax +49(0)30-266-2995 www.smb.museum Pressemitteilungen Pressefotos www.smb.museum/presse www.MuseumShop.de 1999 kam der fotografische Nachlass von John Murray bei Sotheby’s in London zum Verkauf.ii Durch diese Versteigerung gelangten Murrays fotohistorisch bedeutsame Arbeiten in eine Reihe öffentlicher und privater, vorwiegend europäischer und amerikanischer Sammlungen. Die Berliner Ausstellung zeigt neben den eindrucksvollen Positiven Murrays, auch seine großformatigen, gewachsten Papiernegative, die aufwändig in Gouache-Technik nachbearbeitet wurden, um den erwünschten künstlerischen Effekt zu erzielen (Abb. 2). Als Besonderheit werden darüber hinaus auch einige Beispiele der im 19. Jahrhundert sehr populären Stereo-Aufnahmen gezeigt. Bereits vor Murray hatte Colonel Thomas Biggs im zentralindischen Dekkhan islamische Bauten der Moghul-Zeit in stimmungsvollen Bildern festgehalten. Die Arbeiten von Thomas Biggs bilden deshalb den Auftakt der Ausstellung, die chronologisch nach Fotografen gegliedert ist. Dass der Indische Subkontinent in der Pionierzeit der Fotografie neben dem klassischen Italien, Griechenland und Ägypten besondere Beachtung fand, ist noch immer wenig bekannt. Kaum bekannt ist auch das außerordentlich hohe Niveau der frühen Indien-Fotografie. Aus diesem Grund versteht sich „Picturesque Views“ als Auftakt einer Reihe von Ausstellungen historischer Fotografie Südasiens in Berlin. Nachdem die Technik der Papiernegative auch in Indien weitgehend die Daguerrotypie abgelöst hatte, erkannte man das gewaltige Potential des neuen Mediums. So veranlasste die britische Kolonialmacht, dass der Subkontinent topo- und ethnografisch geradezu akribisch dokumentiert wurde. Seit den 1850er Jahren trugen europäische Fotografen im Auftrag der East India Company umfangreiches Material zusammen, wobei Biggs und Murray zu den Pionieren gehören. Bemerkenswert ist, dass diese in Indien tätigen Fotografen bereits früh nicht nur eine gänzlich individuelle Handschrift entwickelten, sondern sich durch großes Interesse an den künstlerischen Möglichkeiten des faszinierenden neuen Mediums auszeichneten. Besondere Aufmerksamkeit galt von Beginn an dem orientalischen, d.h. dem islamischen Indien der Moghuln. Fast alle Fotografen erlagen der Faszination der Moghul-Architektur, die nicht nur in ihrer Monumentalität, sondern auch in all ihren Details präzise dokumentiert wurde. Somit spielt die frühe IndienFotografie auch in der Geschichte der Architekturfotografie eine nicht zu unterschätzende Rolle.iii Im Mittelpunkt des Interesses der europäischen Fotografen standen zweifelsohne die Gartenanlagen der Moghuln, wobei der Fokus auf den so genannten Gartengräbern lag. Natürlich war der Taj Mahal, das von Kaiser Shah Jahan für seine früh verstorbene Lieblinsgattin errichtete Mausoleum mit seiner monumentalen Gartenanlage der unbestrittene Protagonist. Vergleichbar mit der Faszination europäischer Fotografen für die Pyramiden von Gizeh, waren die meisten der berühmten in Indien aktiven Fotografen bestrebt, das pittoreske Monument indo-islamischer Baukunst schlechthin in kunstvollen Bildern festzuhalten. Aus diesem Grund ist dem Taj Mahal in der Ausstellung ein eigener Bereich gewidmet. Den besonders ambitionierten Fotografen gelang es, die islamischen Monumente und Gärten in stimmungsvollen, romantischen Bildern wiederzugeben. Eine sehr frühe Ansicht des Taj Mahal von John Murray weist künstlerische Qualitäten auf, die Vergleiche mit Meisterwerken der deutschen Romantik nahe legt. Herausragende Aufnahmen vom Taj und anderer Moghul-Gärten stammen von Felice Beato und Samuel Bourne, aber auch von anonymen bzw. bisher nicht identifizierten Fotografen. Eine besonders wichtige Gruppe in der Ausstellung bilden die Aufnahmen, die Samuel Bourne in der einstigen Sommerfrische der Großmoghuln, im KaschmirTal, „in search of the picturesque“ gemacht hat. Kompositorisch und technisch sind diese hervorragend erhaltenen Aufnahmen unbestritten auf allerhöchstem Niveau und gehören zu den Spitzenwerken in der Ausstellung. Bournes Aufnahmen von den berühmten Pappelalleen Kaschmirs brauchen den Vergleich mit Meisterwerken zeitgenössischer Fotografie nicht zu scheuen. Ansichten des legendären Shalimar-Gartens, der das Vorbild für den von Kaiser Shah Jahan Seite 2 von 4 Staatliche Museen zu Berlin Generaldirektion Stauffenbergstraße 41 10785 Berlin Dr. Matthias Henkel Leiter Presse – Kommunikation – Sponsoring m.henkel@ smb.spk-berlin.de Dipl.phil.Anne Schäfer-Junker Pressekontakt a.schaefer-junker@ smb.spk-berlin.de Tel +49(0)30-266-2629 Fax +49(0)30-266-2995 www.smb.museum Pressemitteilungen Pressefotos www.smb.museum/presse www.MuseumShop.de erbauten gleichnamigen Garten in Lahore war, sind ebenso vertreten wie romantische Panoramen des Lake Dal, dessen Ufer einst von unzähligen Gartenanlagen gesäumt war. Samuel Bourne, der seine Karriere als Bankkaufmann in Nottingham begann, widmete sich als Amateur seit Mitte der 1850er Jahre intensiv der Fotografie, wobei ihn die stillen oder wildromantischen Landschaften von Wales, des Lake Districts und Schottlands besonders faszinierten. 1863 kehrte er seiner englischen Heimat den Rücken und begab sich nach Indien. Schon bald wurde er zu einem der ambitioniertesten Fotografen des Subkontinents. Bourne, ein religiös inspirierter Feingeist, blieb trotz des wirtschaftlichen Erfolgs seinem künstlerischen Anspruch verpflichtet: Das Sublime und das Pittoreske waren die Leitmotive seiner Arbeit. Seine ersten Expeditionen führten ihn in den Himalaya, wo er durch die zutiefst empfundene Schönheit der grandiosen Landschaften mystische Erlebnisse hatte. Die Sensibilität Bournes und sein damit verbundenes künstlerisches Credo lassen sich durchaus mit den Idealen einiger der Pioniere der amerikanischen Kunstfotografie vergleichen. Was Bourne in Asien unternahm, versuchten amerikanische Zeitgenossen, wie zum Beispiel Carleton E. Watkins, im äußersten Westen Amerikas. Watkins’ wegweisende Aufnahmen vom Yosemite-Tal entstanden fast zeitgleich mit Bournes Landschaftsbildern. Dass bei beiden ein bedingungsloses Bekenntnis zur Schönheit und zur Darstellung des Sublimen im Mittelpunkt ihrer Arbeit stand, könnte, abgesehen von der künstlerischen Tradition, der sie sich verpflichtet sahen, auch durch die jeweilige politische Situation begünstigt worden sein – während der Bürgerkrieg in Nordamerika unzählige Opfer gefordert hatte, waren in Indien die grausamen kriegerischen Auseinadersetzungen in Delhi und Lucknow (Lakhnau) noch sehr präsent. Sein erstes Studio eröffnete Bourne bewusst in Simla, der Sommerfrische der indo-britischen Aristokratie. Zentral im nördlichen Indien, im HimalayaVorgebirge gelegen, war Simla die ideale Basis für seine Expeditionen in die Berge, nach Kaschmir und in die Ebenen Hindustans. Madras und das „moderne“ und geschäftige Calcutta interessierten ihn weniger, denn sein Interesse galt dem Pittoresken. Die Bauwerke der Moghuln befriedigten dieses Bedürfnis in besonderer Weise. Die Faszination für das islamische Indien mag zudem etwas mit der Identifikation der Briten mit den Muslimen zu tun gehabt haben, wie Gary D. Sampson vermutet hat, denn auch die Moghuln und vor ihnen bereits andere islamische Dynastien kamen als adlige Kolonialherren nach Indien.iv Neben den Fotografien Kaschmirs werden von Bourne vor allem Ansichten bedeutender Bauten und Gärten der vier Moghul-Hauptstädte Agra, Lahore, Delhi und Fatehpur Sikri gezeigt. Viele der gezeigten Bilder sind Glanzlichter früher Architekturfotografie. Schließlich fand noch eine andere Stadt bei den Fotografen großes Interesse, deren Name heute in Europa kaum noch bekannt ist, obwohl sie seit Mitte des 18. Jahrhunderts eine der blühenden Metropolen der islamischen Welt war und zugleich Schmelztiegel west-östlicher Kultur: Lucknow (Lakhnau). Hier erlebte die indo-persische Kultur noch einmal eine Renaissance und gleichzeitig entstand ein auf dem Subkontinent bis Dato einzigartiger künstlerischer und architektonischer Eklektizismus, der bis heute nichts von seiner Faszination eingebüßt hat. v Beinahe zeitgleich nebeneinander stehen das Ende der MoghulHerrschaft, die endgültige Unterwerfung des Indischen Subkontinents und der Beginn der Kunstfotografie in Indien. Sinnbildhaft für das Ende einer Epoche und den Beginn einer neuen Ära unter britischer Vorherrschaft steht die Zerstörung Lucknows durch die so genannte Mutiny von 1857. Dokumentiert ist jener Höhepunkt tragischer Zerstörung durch Felice Beato, der mit seinen Fotografien als einer der ersten – noch vor dem Amerikaner Mathew Brady und anderen schonungslos die Grausamkeit des Krieges gezeigt hat. Subtiler jedoch sind seine Bilder von den Ruinen Lucknows. Inwieweit diese Ansichten der zerstörten Metropole, der legendären Stadt der Gärten und Paläste, den europäischen Blick auf Indien verändert haben, vermag man angesichts seiner in der Ausstellung Seite 3 von 4 Staatliche Museen zu Berlin Generaldirektion Stauffenbergstraße 41 10785 Berlin Dr. Matthias Henkel Leiter Presse – Kommunikation – Sponsoring m.henkel@ smb.spk-berlin.de Dipl.phil.Anne Schäfer-Junker Pressekontakt a.schaefer-junker@ smb.spk-berlin.de Tel +49(0)30-266-2629 Fax +49(0)30-266-2995 www.smb.museum Pressemitteilungen Pressefotos www.smb.museum/presse www.MuseumShop.de gezeigten Arbeiten zu erahnen - die Melancholie, die viele jener Fotografien ausstrahlen, ist gewiss nicht allein dem Zeitgeist geschuldet. Und doch erkennt man in diesen auch historisch bedeutsamen Fotografien die Liebe Beatos zum Pittoresken. Die europäische Orient-Romantik hatte den Blick der Künstler und später auch den vieler Fotografen vorgeprägt. Dies zeigt sich schließlich auch in den ergänzend in der Ausstellung präsentierten Genre-Szenen und Porträts, die einen lebendigen Kontrast bilden zu den Architektur- und Gartendarstellungen. Autor: Raffael Dedo Gadebusch Katalog Moghul-Indien im Spiegel der Fotografie des 19. Jahrhunderts Picturesque Views präsentiert eine exquisite Auswahl von Meisterwerken der bedeutendsten Indien-Kunstfotografien des 19. Jahrhunderts. Große Namen aus der Pionierzeit der Fotografie, wie Felice Beato, Thomas Biggs, Samuel Bourne und John Murray sind mit umfangreichen Werkgruppen vertreten. Neben den eindrucksvollen Positiven werden großformatige gewachste Papiernegative, die aufwendig in Gouachetechnik nachbearbeitet wurden, sowie Beispiele der im 19. Jahrhundert sehr populären Stereoaufnahmen gezeigt. Die Architektur sowie die Gartenanlagen der Moghuln standen dabei im Mittelpunkt des Interesses der europäischen Fotografen. Hrsg. Raffael Dedo Gadebusch, Text von Joachim K. Bautze, Raffael Dedo Gadebusch u.a., Deutsch, 128 Seiten, 79 Abb., davon 69 farbig, 24,50 € geb. mit Schutzumschlag, Erscheinungstermin: November 2007 ISBN 978-3-7757-2122-6 (Englische Ausgabe ISBN 978-3-7757-2123-3) i Ulrich Pohlmann und Dietmar Siegert (Hgg.): Samuel Bourne. Sieben Jahre Indien. Photographien und Reiseberichte 1863-1870. München 2001 ii Early Photographs of India. The archive of Dr John Murray (Auction Sale L09311) iii Maria Antonella Pelizzari: From Stone to Paper: Photographs of Architecture and the Traces of History. In: dieselbe (Hg.): Traces of India. Photography, Architecture, and the Politics of Representation, 1850-1900, Montréal 2003, S. 20-57 iv Gary D. Sampson: Photographer of the Picturesque: Samuel Bourne. In: Vidya Dehejia (Hg.): India Through the Lens. Washington D.C. 2000, S. 162-197 v Rosie Llewellyn-Jones (Hg.): Lucknow. City of Illusion, München & New York 2006 Service Museum für Asiatische Kunst, Kunstsammlung Süd-, Südost- und Zentralasien Lansstraße 8, 14195 Berlin-Dahlem Internet: www.smb.museum/aku Verkehrsverbindung U 3 Dahlem Dorf; Bus X11, X83 Eintritt Erwchsene 6,- €, erm. 3 €; Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren frei und donnerstags ab 14 Uhr freier Eintritt. Seite 4 von 4 Staatliche Museen zu Berlin Generaldirektion Stauffenbergstraße 41 10785 Berlin Dr. Matthias Henkel Leiter Presse – Kommunikation – Sponsoring m.henkel@ smb.spk-berlin.de Dipl.phil.Anne Schäfer-Junker Pressekontakt a.schaefer-junker@ smb.spk-berlin.de Tel +49(0)30-266-2629 Fax +49(0)30-266-2995 www.smb.museum Pressemitteilungen Pressefotos www.smb.museum/presse www.MuseumShop.de