Randi Terjung: Das Mädchen im Matrosenanzug (Kees van Dongen
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Randi Terjung: Das Mädchen im Matrosenanzug (Kees van Dongen
Randi Terjung: Das Mädchen im Matrosenanzug (Kees van Dongen) 1912 Es war Sonntag, ein ganz normaler Sonntag, wie immer. Dachten sie jedenfalls, doch dass dieser Tag kein normaler Tag war, wusste ich von Anfang an. Als mich mein Vater morgens weckte, war ich schon längst wach, doch ich tat so als wäre ich im Tiefschlaf. Sonntags gingen wir wie immer in die Kirche. Auch heute sollten wir gehen, doch ich wusste, dass es nicht dazukommen würde -heute nicht. Doch ich ließ mir nichts, rein gar nichts anmerken. Sowieso wusste meine Familie nicht wie es mir in Wirklichkeit geht. Aber das wusste keiner. Also machte ich mich fertig für die Messe. Ich wusste, wie ich auszusehen und mich zu verhalten hatte. Ich trug einen Matrosenanzug, wie jedes andere Kind an einem Sonntag. Doch es verging kaum ein Tag, an dem ich keine Mühe hatte aufzustehen und das Lächeln einer Fremden aufzusetzen. Ich war nicht mehr ich, sondern eine Person, wie andere mich haben wollen, wie meine Familie mich gerne hätte. Ich hatte vergessen, wie es sich anfühlt, echt zu sein und es gab niemanden mit dem ich hätte reden können. Meinen Eltern war stets wichtig, wie wir auf andere wirken und für sie war es ein Muss, das alles, wirklich alles, perfekt war. Sobald sie aus der Tür gingen setzten sie ein maskenhaftes Gesicht auf und verhielten sich äußerst merkwürdig, irgendwie unecht. Es war so furchtbar, dass man nicht mehr sein konnte, wer man ist, sondern sich verstellt, um anderen zu gefallen. Ich fing an, mich vor meinen Eltern zu fürchten, weil sie nicht mehr das für mich waren, was sie früher einmal waren, nein sie waren mir vollkommen fremd geworden und ich mir selber auch, weil ich gezwungen war, das gleich wie sie zu tun. Doch heute, heute wird sich etwas ändern! Wir werden nicht mehr die Familie sein, die sie gerne wären, nein ich werde ihnen zeigen, wozu sie mich gebracht haben. An eine Waffe zu kommen war nicht schwer. Mein Vater ging oft auf die Jagd und einmal hatte er mich sogar mitgenommen. Ich ging also mit Matrosenanzug, fertig gemacht für die Messe in den Keller und holte aus dem Schrank im Vorratsraum einen Schlüssel zum Schrank, wo sich ungefähr fünf Flinten befinden. Ich schloss ihn auf und holte eine M417 Combat langsam hervor und steckte sie unter meinen Arm. Jetzt ging alles ganz schnell. Ich rannte hinaus in den Garten und brauchte nicht mal eine Minute und schon drückte ich ab. Ich hörte den Schuss und wusste, dass jetzt alles vorbei ist. Ich drückte noch einmal und als ich das Blut auf dem Boden sah und unser Hund sich nicht mehr bewegen konnte, wusste ich, dass unsere Familie nicht mehr die Familie war, die sie einmal gewesen ist bzw. für die sie alle gehalten haben. Alles sollte vor meinen Augen verschwimmen und vergessen werden. Ich wollte es nicht mehr sehen. Mein Atem wurde immer lauter bis ich meinen Vater sah, ich stoppte und hielt die Luft an. Und das einzige was mir einfiel das einzige was ich sagen konnte war: ''Schau mich an'' siehst du mich? Oder nur das, was du sehen willst: das Mädchen im Matrosenanzug?