Rum-a-bum-bum,bum-Rick-a-tschik
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Rum-a-bum-bum,bum-Rick-a-tschik
Aachen Seite 9 · Nummer 162 · Montag, 14. Juli 2008 Guten Morgen TOLLES GASTSPIEL FRAUENNOTRUF Alemannia gratuliert Westwacht 08 Scheck hilft beim Kampf gegen Gewalt l 11 l 11 Rum-a-bum-bum, bum-Rick-a-tschik Am Hof wird so lange getrommelt, bis alle da sind – und Aachen hat jetzt einen Kultursommer, der seinen Namen verdient stellten nennen würde, sondern eher ein Künstler. Ein Künstler im Veranstaltungsmanagement. Takvorian stand mit seiner Kollegin Ute Pennartz etwas abseits und sah sich alles an, er lächelte, als würde er einem Kind beim Spielen zusehen, seinem Kind. Und ein bisschen sind die Veranstaltungen im Hof ja auch sein Kind. Takvorian sagte, es sei motivierend zu sehen, wie die Veranstaltungen angenommen würden, wie viele Leute kämen, obwohl man mittlerweile wesentlich darauf verzichtet, große Namen in die Stadt zu holen. Takvorian glaubt, auch im laufenden Sommer ein Kulturprogramm organisiert zu haben, das anspruchsvoll ist, aber trotzdem eine breite Masse anspricht. Und genau so ist es. VON MARLON GEGO Fluppi ist bestürzt: Die Alemannia-Saison ist noch so jung, und doch gibt es schon das erste Opfer. Es ist auch gleich ein ausgesprochen prominentes. Vielleicht sogar das prominenteste. Beim ersten Testspiel am Freitag in Walheim hat es nämlich Fluppis Kollegen Martin Ratajczak erwischt, der an diesem Verein seit Jahrzehnten schon hängt. Eigentlich hat ihn Pekka Lagerblom erwischt. Unser Fotograf und der Profi hatten eine kleine Begegnung außerhalb des Spielfeldes. Resultat: Vereinsarzt Christian Schmidt musste eine Platzwunde behandeln, und „der Martin“ schleppt nun ein dickes Veilchen mit durch die Vorbereitung. Aber Sportler sind hart im Nehmen. Als Lagerblom nach dem Spiel den Hausfotografen suchte, war Fluppis Freund Martin schon weg. Beim nächsten Termin . . . Mullefluppet W [email protected] KURZ NOTIERT Unfallflucht: Jülicher Straße gesperrt Aachen. Es war kurz vor 1 Uhr morgens, als in der Nacht zum Sonntag auf der Jülicher Straße auf Höhe der Joseph-vonGörres-Straße ein Unfall passiert ist. Ein 18-jähriger Aachener fuhr auf der Jülicher Straße stadtauswärts Richtung Haaren. Als er sich vor der Einmündung Joseph-von-Görres-Straße befand, bog unter Missachtung der Vorfahrt ein Autofahrer, der vom Europaplatz kam, in die Jülicher Straße ein. Der 18-Jährige schleuderte über die Verkehrsinsel und prallte gegen ein geparktes Auto. Er wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht. Der andere Fahrer flüchtete Richtung Haaren. Zeugen werden gebeten, sich bei der Polizei zu melden. Aachen. Einen gab es immerhin, der hatte keinen schönen Abend, und das war Patrick Gerhard, 21, BWL-Student aus Eschweiler. Patrick Gerhard trug auf einem Tablett Bier von einer Seite des Hofs zur anderen, was deswegen ein Problem war, weil der Hof am Samstagabend ziemlich voll gewesen ist. Und wenn der Kellner vor der Bühne der Taiko-Trommler entlang ging, musste er das Tablett mit beiden Händen festhalten, weil die Schwingungen des Trommeldonners ihm das Tablett sonst sicher aus der Hand gefegt hätten. „Das nervt“, sagte Patrick, aber er lächelte trotzdem. Er wollte sein Bier ja irgendwie loswerden, was mit einem Lächeln immer noch am besten geht. Nicht bloß Event Drachen, Pferde und Wellen Der Rest der 1200 Menschen, die Samstagabend am Hof waren, haben mehr Spaß gehabt als Patrick Gerhard, auch wenn zunächst nicht alle lächelten. Viele wussten gar nicht, auf was sie sich da einlassen würden, aber mittlerweile ist es ja so, dass die Veranstaltungen des Kulturbetriebes der Stadt Aachen einen gewissen Vertrauensvorschuss genießen, insbesondere die Veranstaltungen am Hof. Im Rahmen des drei Monate dauernden Kulturfestivals „Across the borders“ („Über die Grenzen“) gab es am Samstag am Hof die TaikoGruppe Tentekko zu sehen. Und man kommt nicht umhin festzustellen: Es war ein Spektakel. Taiko klingt wie Schlachtgetrommel in „Herr der Ringe“ und sieht aus wie eine Mischung aus asiatischem Kampfsport und Tanz. Also Rum-a-bum-bum, bum-Rik-atschik. Bumm! Die Stücke heißen „Aufsteigender Drache“, „Galop- Martialisch, spirituell, kommunikativ: Taiko-Trommler(innen) lockten enorm energisch in den Hof. pierendes Pferd“ oder „Brechende Welle“, und genau so hören sie sich auch an. Die in rot-schwarze Mäntel gekleideten Trommler tanzen während des Spielens in fester Formation um ihre fassartigen Trommeln herum und stoßen Schreie aus. Huh-hah, bumbum! Was sich ein bisschen abstrus anhören mag und manchen am Hof zunächst befremdet haben könnte, basiert auf ritueller Göt- terbeschwörung in Korea und China ab etwa 300 nach Christus. Später wurde das Taiko-Trommeln auch zum Kommunikationsmittel wie bei uns die Kirchenglocken. Anhand des getrommelten Rhythmus’ wussten dann die Menschen auf dem Land, welche Zeremonie gerade stattfand: Hochzeit, Taufe oder was auch immer. Und irgendwann hat sich auch das Militär für diese Art des Trommelns interes- siert, kein Wunder, es klingt ziemlich martialisch. Einer, der auch einen schönen Abend hatte, war Rick Takvorian vom Veranstaltungsmanagement der Stadt. Der Begriff Veranstaltungsmanagement passt zu Rick Takvorian in etwa so gut wie Fellklopper zu den Taiko-Trommlern, nämlich gar nicht. Takvorian ist nicht eben das, was man einen prototypischen Verwaltungsange- Zuletzt hatte sich die Stadt damit begnügt, einstmals erfolgreiche Bands auf dem Katschhof spielen zu lassen, Joe Cocker, Status Quo, diese Bands, am Ende kamen dann nur noch die Gypsy Kings. Das war vielleicht publikumswirksam, nicht aber einfallsreich und progressiv und schloss überdies viele junge Menschen aus. Doch dann kamen Rick Takvorian und einige andere. Man gab dem Aachener Kultursommer ein anderes Gesicht. Eines, das jetzt so aussieht wie am Samstag im Hof und wunderbar zu Aachen passt, das Kultur ist, und nicht bloß Event. Als die Trommler den letzten Schlag getan hatten, gab es eine Menge Beifall, die meisten waren begeistert, und die, die nicht begeistert waren, hatten wenigstens etwas Neues gesehen. Patrick Gerhard verkaufte die letzten Biere und sagte dann, so schlimm sei der Abend auch wieder nicht. Jetzt, da das Getrommel vorbei sei. Vandalen demolieren reihenweise Autos Aachen. Am Sonntagmorgen gegen 4 Uhr hat die Polizei dutzende Fälle von Zerstörungswut an geparkten Autos registriert. Zunächst wurden auf der Trierer Straße im Bereich Schönforststraße 15 zerkratzte Pkw entdeckt, auf der Jülicher Straße die zehn. Die Polizei sucht nun Zeugen: Sie werden gebeten, sich unter " 9577-31301 zu melden. Aquaplaning: Ferrari auf A 44 verunglückt Aachen. Aufgrund starken Regens und überhöhter Geschwindigkeit ist am Samstag gegen 14 Uhr ein Ferrari auf der A 44 kurz hinter der belgischen Grenze auf deutscher Seite verunglückt. Der Fahrer blieb unverletzt, das Auto wurde erheblich beschädigt. Massenandrang: Etwa 1200 Menschen haben am Samstagabend die Taiko-Gruppe Tentekko aus Meerbusch bei Neuss gesehen. Der lackierte Luftschutzbunker am Ponttor Graffiti-Künstler gestalten die graue Betonfassade völlig neu – und suchen nach weiteren Flächen VON MARTINA RIPPHOLZ Aachen. Ganz nah hält Robin Brune die Dose an die Wand. Schwarze Farbe verteilt sich in winzigen Tropfen auf der rauen Betonoberfläche. Mit flinken, fließenden Bewegungen zieht er den Pigmentstrahl von rechts nach links. Schon färbt sich die Fläche dunkel. Nach wenigen Sekunden ist die Falte eines Hosenbeins fertig. Robin Brune ist Sprayer. Oder Graffiti-Künstler, wie er sagt. Mit 14 hat er angefangen, seit fünf Jahren besprüht er die Wände seiner Heimatstadt im Auftrag. Das bedeutet: Die Stadt gibt Gebäudeflächen frei. So kann auf den Flächen Kunst entstehen, Graffiti-Kunst. Völlig legal. Brune hat über diesen Weg schon oft Werke an die Wand gebracht. Im Augenblick ist der 22-Jährige an einem neuen Projekt beteiligt: Die Außenfassade des „Aixcentric“-Bunkers direkt neben dem Ponttor wird von ihm und neun Graffiti-Kollegen neu gestaltet. „Wenn mehrere Leute zusammen arbeiten, kommt immer was Neues, was anderes dabei raus. Lei- KONTAKT AACHENER ZEITUNG Lokalredaktion: Postfach 500 110, 52085 Aachen Dresdener Straße 3, 52068 Aachen, Tel. 02 41 / 51 01 - 3 11, Fax 02 41 / 51 01 - 3 60. (montags bis freitags, 10 bis 18 Uhr) e-Mail: [email protected] Albrecht Peltzer (verantwortlich). Leserservice: 0180 1001 400 Anzeigen Geschäftskunden: K.-H. Mollers 02 41 / 51 01 -2 83; U. Karrasch -2 85 Verlagszweigstellen in Aachen: Dresdener Straße 3, Mo.–Fr.: 7.30–18 Uhr. AZ Service & Ticketshop: Buchkremerstr. 1–7, (Mayersche Buchhandlung), Mo. bis Sa.: 9.30 bis 20 Uhr. Postanschrift: Postfach 500 110, 52085 Aachen. Wollen mehr Graffiti-Flächen (v.l.): Lars Kesseler, Martin Conrad, Dennis Heltzel, Clemens Delheid, Felix Labenz und Robin Brune. Foto: A. Steindl der gibt es zu wenige in Aachen“, insgesamt elf Bands aus der Regisagt Brune. Der Meinung war auch on Proberäume. Figuren aus MuBunker-Eigentümer Walter Jans- sik, Kunst und Kultur lagen für die sens, und das bereits vor vier Jah- Bebilderung also nahe. Dann machten sich die Sprayer ren. Seine Frau Bhairavi hatte damals über die Zeitung von ähnli- ans Werk, trugen die Grundierung chen Projekten in der Umgebung auf, sprühten orange Schriftzüge erfahren. Da kam Janssens die Idee, die Kreativität der Straßenkünst„Es gibt so viele hässliche ler-Szene zu fördern. Betonflächen, da gibt es Sein Bunker ist dafür wie geschaffen. Doch noch viele Möglichkeiten.“ noch fehlten ihm die BUNKERBESITZER WALTER JANSSENS richtigen Leute, um das Ganze zu realisieren. Mit dem Diplom-Designer und Sprayer Lars Kesseler – im Szenejargon auch Styles gehat er vor ein paar Wochen end- nannt –, brachten Jimi Hendrix lich seinen Mann gefunden. und Salvador Dali auf den rauen Prompt machte sich das neue Beton. Janssens ist begeistert: „Das Team an die Arbeit. Genehmigun- ist die Kunst der heutigen Generagen von Ordnungsamt und auch tion. Eine kreative Jugend ist unvom Denkmalschutz mussten ein- geheuer wichtig für unsere Gesellgeholt werden. Der Grund: Für schaft. Und das will ich fördern.“ Teile des Bunkers, Dachpfannen, Darum lässt er den Künstlern, Treppenhaus und Stahltüren, gibt die sich sich an seinen Wänden es Auflagen, die Veränderungen auslassen, freie Hand. Und die verbieten. Den unteren Teil der wollen mit dieser Aktion Zeichen Außenfassade aber gaben die Be- setzen. So hätte Robin Brune gerhörden rasch zum Verzieren frei. ne mehr Offenheit: „Wir hoffen, Zehn Graffiti-Sprüher zwischen dass das hier von Privatleuten ge17 und 43 Jahren brachte Kesseler sehen wird. Wenn es ihnen gefür das Projekt zusammen, wählte fällt, können sie sich bei der Stadt Bilder und Schriftarten aus, plante melden. Es gibt so viele hässliche Farbumsetzung und Themenspek- Betonflächen in Aachen.“ trum. Letzteres war schnell gefunDrei Tage lang sprühten die den. Denn schon lange bietet Künstler Hand in Hand. Das GrafJanssens sechsstöckiges Gebäude fiti-Werk aus der Dose kann nun Fotos: Andreas Steindl ZWEI FRAGEN AN l LARS KESSELER Diplomdesigner und Graffiti-Sprüher Graffiti mit klarem Ziel Wie haben Sie die Gruppe der Künstler organisiert? Kesseler: Ich bewege mich selbst schon lange in der Graffiti-Szene. Daher kenne ich viele Leute privat. So war es einfach für mich, die Jugendlichen und jungen Leute anzusprechen und für diese Aktion zu motivieren. Welches Ziel steckt hinter der Bunker-Gestaltung mit der Spraydose? Kesseler: Wir wollen Werbung für mehr legale Flächen machen. Denn wenn es solche Flächen gibt, werden diese auch genutzt. Je mehr also für die Jugendlichen zur Verfügung steht, desto weniger Probleme gibt es mit illegalem Sprayen. in voller Größe und Farbe bewundert werden, am „Aixcentric“-Bunker neben dem Ponttor. Und vielleicht gibt es in Zukunft auf Aachens grauen Wänden noch mehr Straßenkunst zu bestaunen. Wenn es nach Janssens, Brune und Kesseler geht, auf jeden Fall.