Der Herr der Dirndln
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Der Herr der Dirndln
Mit einer Mission zieht Gerhard Gössl durchs Land: Er will der „Landhausmode“ den Garaus machen. Und seine Trachtenmode vom Anlass in den Alltag zurückholen. Ein Spagat zwischen Tradition und Moderne. Der Herr der Dirndln Text von Doris Rasshofer Anna Plochl. Auch beim Hochzeitsgewand von Gössl werden alte historische Vorbilder aufgegriffen. 12 GÖSSL (3) Kulturverein. Gelassen, aber bestimmt spaziert er durch sein Reich, heute in Hanflederhose mit Stutzen, morgen im Steireranzug, aber immer in Tracht, schüttelt Hände von Gästen, berät beim Dirndlkauf, plaudert. Er redet bedächtig und gewählt, nie zu viel. Und wenn es sein muss, rät er einer Dame auch durchaus einmal ab vom auserwählten Stück. „Sie sind der Herr Gössl, gell?“, erkennen ihn die Kunden auf Anhieb, ohne ihn zu kennen. Gerhard Gössl ist der Hausherr, die Gallionsfigur der Marke Gössl, der Chef vom „Gwandhaus“ in Salzburg – normalerweise würde man sagen, dem Headquarter, doch hier passt besser: dem Herzstück von Gössl. Ein barockes Refugium ähnlich einer Residenz in bester Lage gleich hinter Schloss Hellbrunn mit atemberaubendem Blick auf Watzmann & Co. Das ist kein Zufall. Das ist innovatives Marketing für ein traditionell verhaftetes Produkt: Trachtenmode. Und da fängt die Innovation schon an, denn Gössl verkauft keine Allerwelts-Landhausmode, keine biederen Lodenmäntel, kein quietschiges Oktoberfest-Outfit. Ein Gössl-Gwand ist etwas Besonderes. Viele, auch die Städter – oder sollte man lieber sagen, vor allem sie – haben ein solches im Kasten hängen und wenn man sie danach fragt, ist ein gewisser Stolz über das fesche Teil nicht zu überhören, sei es, weil es für besondere Anlässe extra gekauft wurde oder weil es eine durchaus schmerzhafte Investition war. „Wir liegen preislich manchmal an der Schmerzgrenze unserer Kunden“, gibt der Chef zu, „aber auch in dieser Preisführerschaft liegt ein gewisser Wert, wie man sieht.“ Neben dem gehobenen Preis- Bestseller 9|10 2009 BRANDING Das „Gwandhaus“ in Salzburg – nicht nur das Headquarter von Gössl, sondern auch das Herzstück: Atelier, Schneiderei, Markenmuseum, Hochzeitsabteilung, Veranstaltungssaal, Gössl-Geschäft und Restaurant im Schlossgarten. Eine Pilgerstätte für jährlich rund 100.000 Trachtenfans. niveau – „schließlich wollen wir auch den Bürgermeister einkleiden“ – sind die Trachten mit Omas grünem MarmeladenglasEtikett im Rücken aber vor allem bekannt für ihre hohe Qualität, gekoppelt mit modisch-eleganten, urbanen Akzenten. Dabei spielt die Handarbeit eine entscheidende Rolle, die via vieler kleiner Details wie eine eigene Handschrift in die Produkte eingeschleust wird. Der Gössl-Chef nennt sie „magische Symbole“, die in ihrer Summe den typischen Gössl-Stil ausmachen, und von Kennern geschätzt werden: „Unsere Kundschaft ist mittlerweile eine hochemotionalisierte Community, die die Gössl-Zeichen erkennt und stolz darauf ist, zu diesen Insidern zu gehören.“ Das kann zum Beispiel die „Hahnenfuß“Technik sein, mit der die Knöpfe an den Hemden angenäht sind – der Hahnenfuß gilt als Zeichen der Fruchtbarkeit – das kann das typisch edle Gössl-Tannengrün sein, und das kann die gestickte Kreuzstichborte sein, die vom Kragenoberrand wie eine Landebahn zum Gössl-Pickerl im Rücken führt. Vor einiger Zeit kamen die Lampassen dazu – Streifen, einst bekannt an den Seiten von Militäruniformen, bei Gössl an üblichen und unüblichen Orten verwendet. Zwischen Goldhaube und City-Chic Der Gössl-Chef klaubt in seinen Produkten bewusst Elemente der alpenländischen Kultur zusammen und will hier durchaus auch als Identitätsstifter agieren – aber eben ohne dem botscherten Mottenmief der Goldhaubenfraktion. Bestseller 9|10 2009 13 Luxus. Mit einer Luxus-Edition soll vor allem die gehobene urbane Klientel an gesprochen werden. Brand-Monostores. Sehr geräumig mit überschaubarem Angebot und reduziertem Interieur, das aber authentisch, erdig. Eine Oase in jeder überladenen Fußgängerzone, grundsätzlich in bester Lage, sei es in der prominenten Vorderstadt in Kitzbühel, in der Fußgängerzone in Graz oder gegenüber vom Cafe Zauner in Bad Ischl. „Allein die Präsenzen in dieser Lage haben eine starke Aussage über den Unterschied von Gössl zur Landhausmode“, ist der Gössl-Chef überzeugt. Einen großen Beitrag dazu leisten auch die Verkäuferinnen. Sie werden konsequent in Sachen Storytelling ausgebildet. Schließlich müssen die Geschichten über Kultur, Handwerk und Erbe, über Lampassen, Blaudruck oder die ursprüngliche Bedeutung der Trachtenfarben – nämlich Tarnfarben – erzählt werden. Mittels „virtuellem Kleiderschrank“, einer Kundendatenbank, werden monatlich Ergänzungsangebote zum gekauften Stück gemacht – „das ist unser Weg, um die längere modische Halbwertszeit von Trachtenmode generell und die qualitative von Gössl-Produkten zu kompensieren – neben dem Preis“, so Gössl. Gwandhaus für alle Sinne Branding-Hilfe leistet ein hochwertiges Kundenmagazin mit dem Titel Gwandhaus, das, wie Gerhard Gössl augenzwinkernd erklärt, „sich allen Regeln der Zeitungskunst widersetzt und mit anspruchsvollen Artikeln aufwartet“. Unter anderem vertreten: trend/profil-Edelfeder Helmut A. Gansterer über den „Wendekreis der Selbstsicherheit“, oder wie die Geschäftswelt allmählich die Würde der Individualität, auch in der Kleidung, entdeckt. Passend. Der Gössl-Chef selbst, oft auch als Trachtenpapst bezeichnet, warf erst kürzlich bei einem Branding-Kongress den in dunkle Einheitsanzüge gekleideten Teilnehmern vor, nur Kopien von Mailand, Paris und New York zu sein, und gipfelte in der Pointe: „Wer eine Marke sein will, muss eine Tracht tragen.“ So wie er. Auf die Frage, ob in seinem Kleiderschrank etwas anderes als Gössl hänge, meinte er: „Zumindest nichts, was nicht dazu passt. Es wäre eine fatale Botschaft für meine Marke, wenn das anders wäre. Stellen Sie sich vor, Herr Piëch fährt BMW.“ Gerhard Gössl IST Gössl, in zweiter Generation, das 2005 eröffnete „Gwandhaus“ das Zuhause der Marke. Ein stilvolles, stimmiges Brandland mit offenem Atelier und Schneiderei, mit Markenmuseum und Hochzeitsabteilung, Veranstaltungssaal, Gössl-Geschäft, einer Greißlerei und einem Restaurant im Schlossgarten. Gössl für alle Sinne: hören, fühlen, sehen, schmecken, riechen. Über 100.000 Besucher aus Österreich und Deutschland pilgern jährlich hierher, um die Marke persönlich zu besuchen, von der Zeit auch schon als „Vatikan der Trachtenmode“ bezeichnet, mit 30 Bistümern, den Monostores, und zahlreichen Pfarren, den Händlern. Zuletzt eine der meistgestellten Fragen: Was hat die Marke Gössl mit dem Ort Gössl am Grundlsee zu tun? Antwort: Gar nichts. gössl Vielmehr folgt er den Idealen von Erzherzog Johann: Getreu dem guten Alten, aber nicht minder offen für das (bessere) Neue. „Wir haben uns konsequent dem Spagat zwischen Tradition und Innovation verschrieben“, erklärt Gössl – nämlich mit hochqualitativer Trachtenkleidung, inklusive Accessoires, aber ohne Lederhosen und Schuhe. Eine Ausnahme bildet dabei die eingangs schon erwähnte „Lederhose“ aus Hanf für den Sommer. Ein Beispiel für eine Innovation von Gössl. Mittlerweile gibt es ein Accessoire dazu: das Segelboot zur Hose, den Gössl-Lateiner – in Anlehnung an das jahrhundertealte Original in unseren Voralpenseen. Oder nehmen wir das Gössl-Elektrorad, ein edles Designstück, damals gelauncht, als von Elektrorad noch nirgends die Rede war – das gab in der Community einen dicken Bonus in Sachen „First Mover“. „Veränderung ist unsere zukünftige Lebensgrundlage“, so der Gössl-Chef, deshalb hat er auch Großes vor mit der Trachtenkleidung, die bisher ein wenig verstaubt im Eck der „Anlasskleidung“ gelegen ist. „Tracht wurde in letzter Zeit immer mehr aus dem Alltag verdrängt hin zum Festtags-Gwand“, das gelte für die ländliche Gegend, wo Bauern heute statt einem Janker einen Blaumann-Overall mit Baumwoll-Hütchen tragen, genauso wie für Städter, die ihre Tracht nur zu Hochzeiten oder zu den Festspielen auspacken würden. Deshalb hat er seine Marketingaktivitäten zur Mission umfunktioniert: Schöne Tracht muss wieder sichtbarer im Alltag werden, sei es in Freizeit und Sport, aber auch im Business. Für jeden dieser Bereiche gibt es eine eigene Gössl-Linie plus einer neuen Luxus-Edition – für jeden Anlass und Geldbeutel. Sein größter ideologischer Gegner dabei: die Landhausmode, in Analogie zur volkstümlichen Musik. Seine beste Waffe dagegen: die Gössl- 14 Bestseller 9|10 2009