Rolf Däßler

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Rolf Däßler
Rolf Däßler
Visuelle Kommunikation mit Karten
1. Das Paradigma Karte
Karten besitzen eine herausragende Bedeutung in der visuellen Kommunikation. Karten
begegnen uns in allen Bereichen des Lebens, wo es darum geht zu informieren, sich zu
orientieren, zu navigieren oder um relevante Informationen zu finden, ob in der alltäglichen
Kommunikation oder in Wissenschaft und Technik. Im Alltag benutzen wir sehr häufig
Karten im traditionellen Sinn, d.h. im geografischen Kontext in Form von Landkarten,
Stadtplänen, Straßenkarten oder zur Veranschaulichung von statistischen Daten. Im
wissenschaftlichen Bereich, vor allem in den Geowissenschaften, ist die Karte eines der
wichtigsten Instrumente zur Darstellung und Interpretation von Daten aus Messungen,
Experimenten oder Computersimulationen. Die Aufgabe einer Karte besteht prinzipiell darin,
Informationen jeglicher Art in eine Form zu transformieren, die eine verständliche, visuelle
Kommunikation ermöglicht. Dabei macht die Metapher Karte von unseren Wahrnehmungsund Kognitionsfähigkeiten Gebrauch, komplexe Zusammenhänge und große Datenmengen
grafisch-visuell schneller und exakter erfassen zu können, als es verbal oder mit Hilfe von
Zahlenwerten möglich ist.
Das Zeitalter der grafikfähigen Rechner und die Digitalisierung von Daten eröffneten in den
letzten Jahren völlig neue Möglichkeiten im Umgang mit Karten. Die neuen Paradigmen
heißen Dynamik und Interaktivität. Karten sind nicht länger statische Grafiken sondern
Informationen, die in einer Karte dargestellt werden können sich dynamisch ändern. Darüber
hinaus kann der Benutzer, der früher lediglich der Betrachter einer Karte war, den Zustand
und die dargestellten Informationen interaktiv beeinflussen oder sogar verändern. Moderne
Formen traditioneller Karten begegnen uns im digitalen Zeitalter in Form von mobilen
Navigationssystemen in Fahrzeugen, die beispielsweise automatisch eine Routenplanung
durchführen können oder in den Naturwissenschaften in Form komplexer
Geoinformationssysteme, die verschiedenste Informationen aus weltweit verteilten
Informationsquellen aufsammeln und als interaktive Grafik darstellen können. Ein neues,
wichtiges Anwendungsgebiet ergibt sich zunehmend mit der Nutzung weltweit verteilter
Informationenressourcen und virtueller Dienstleistungen im Internet: die Karte als
Nutzerschnittstelle in der Mensch-Maschine-Kommunikation. Wichtig ist in diesem
Zusammenhang auch die Aufhebung einer strikten Bindung des Paradigmas Karte an einen
geografischen Kontext. Wissenskarten werden beispielsweise im Gegensatz zu Landkarten
eingesetzt, um grafisch-visuell Ideen und Konzepten zu vermitteln oder Orientierungs- und
Navigationshilfen beim Auffinden von Informationen zu geben.
Was ist eine Karte?
Die Vielfalt der Anwendungsgebiete von Karten macht es zunehmend schwieriger, eine
allgemeingültige Definition der Metapher Karte zu geben. Während frühere Beschreibungen
(im Vorcomputerzeitalter) eine Karte als zwei-dimensionale grafische Abstraktion bzw.
Projektion eines Weltausschnittes definierten, d.h. Karten ausschließlich im geografischen
Kontext betrachteten, verweisen neuere Arbeiten mehr auf den Aspekt der Karte als
Instrument der visuellen Kommunikation und fassen den Rahmen dessen, was man als Karte
bezeichnen kann wesentlich weiter. Dadurch entfällt beispielsweise der strikte geografische
Bezug einer Karte, d.h. eine Karte kann auch Informationsobjekte verbinden, die nicht in
einer unmittelbaren räumlichen Beziehung stehen. Darüber hinaus entfällt auch die Bindung
an die physische Welt. Wir benutzen beispielsweise heute Karten, um uns in virtuellen Welten
(Cyberspace) zu orientieren oder im Internet zu navigieren. Betrachten wir nun zwei
Definitionen für Karten, die aus unterschiedlichen Anwendungsbereichen kommen. Das erste
Zitat stammt aus dem Buch MAPPING WEB SITES von PAUL KAHN [1] und definiert die Karte
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mehr aus der Sicht der Informationsvisualisierung: Maps are a special form of visual
communication, a representation of the three-dimensional world in a coded two-dimensional
form…The map is a form of code, a geometry to feed the visual imagination (Kahn and Lenk,
2001). Eine andere Definition beschreibt dagegen Karten mehr als Hilfsmittel der
wissenschaftlichen Visualisierung [2]: Maps are integral parts of how we understand and
explain the world… A method to visualize a world, that is too large and too complex to see
directly (McEachren, 1995). Zusammenfassend kann man das Paradigma Karte
folgendermaßen beschreiben: Eine Karte ist eine Form der visuellen Kommunikation. Eine
Karte repräsentiert einen Ausschnitt der realen Welt (wozu auch künstliche Welten zählen)
der in einer vereinfachten, grafischen Darstellung zur Ausgabe auf einem zweidimensionalen
Ausgabemedium (Bildschirm, Papier) transformiert wird. Karten können dynamisch
(Änderung der in einer Karte enthaltenen Informationen) und interaktiv (nutzerabhängige
Manipulation der in einer Karte enthaltenen Informationen) sein. Verallgemeinert kann man
feststellen, dass jeder Karte eine spezifische Struktur zugrunde liegt, die entweder physischräumlicher Natur (z.B. Koordinatensystem) oder abstrakter Natur (z.B. Organisationsschema
oder Vernetzungsschema) sein kann. Auf der Grundlage dieser Struktur (Kontext) werden
Informationsobjekte in Form von Symbolen, Farben, Formen, Texten oder Bildern in eine
Karte projiziert (Mapping). Eine Karte zeigt dann komplexe Objekte und Objektbeziehungen
in einer vereinfachten und abstrakten Form. Ein Betrachter kann aus der Art der visuellen
Darstellung sehr viel schneller als bei der Verwendung von Text ein Verständnis (assoziativer
Charakter) über die zugrundeliegende Information erlangen. Zu den fundamentalen Methoden
der Kartografie gehört es, Zustände und Prozesse der Realwelt zu abstrahieren und zu
verallgemeinern. Das beinhaltet die Selektion, Klassifikation, Vereinfachung und symbolhafte
Darstellung von Daten und Informationen. Darüber hinaus kombinieren moderne Karten
Elemente traditioneller Landkarten mit Elementen der Informationsgrafik [3] und der
Diagrammtechnik [4].
Mapping
Ein nicht zuletzt durch die wissenschaftliche Visualisierung weit verbreiteter Begriff ist der
des Mappings, den man traditionell mit kartografieren, aus heutiger Sicht jedoch eher mit
projizieren übersetzen könnte. Im allgemeinen kann man mit dem Begriff des Mappings alle
Methoden zusammenfassen, die Daten und Informationen in eine vorgegebene räumliche oder
semantische Struktur abbilden, also beispielsweise um Städte oder Flüsse oder Höhenprofile
im Koordinatensystem einer Landkarte darzustellen, Dokumente in einer Dokumentkarte
anzuordnen oder Webseiten einer Sitemap zuzuordnen. Dazu gehören geometrische
Transformationen für Landkarten genauso wie textanalytische Methoden für thematische
Karten. In der wissenschaftlichen Visualisierung wird unter Mapping das Aufbringen von
Textur auf die Oberflächenelemente (Polygone) eines Drahtgittermodels oder das Einbringen
von Volumenelementen (Voxels) in eine räumliche Darstellung bezeichnet.
2D oder 3D
In unserem alltäglichen Gebrauch verbindet sich der Begriff Karte in der Regel mit einer
statischen, zweidimensionalen, grafischen Darstellung. Trotzdem besteht keine
Notwendigkeit den Begriff der Karte auf eine ebene Darstellung zu beschränken. Im
Gegenteil seit den Anfängen der Kartografie versuchen die Kartografen dem Flachland, wie
es EDWARD TUFTE in seinem Buch ENVISIONING INFORMATION [5] beschreibt, zu entfliehen.
Mit grafischen Mitteln, wie Verdeckung, Schattierung, Textur oder Perspektive wird versucht
einen räumlichen Eindruck von Objekten oder Strukturen zu vermitteln. Serien von
Querschnittskarten ermöglichen dagegen Einblicke in räumliche Zustände und
Prozessabläufe. Die neuen Möglichkeiten die interaktive Medien bieten legen es nahe das
Paradigma Karte auch in die dritte Dimension zu erweitern. Moderne
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Geoinformationssysteme oder Visualisierungswerkzeuge bieten schon seit langem
Möglichkeiten zur räumlichen Exploration von Daten in sogenannten Datenräumen an. Die
Projektion einer räumlichen Kartierung von Erdbebenepizentren in Abbildung 3 unterscheidet
sich prinzipiell nicht von der Projektion der 3D-Darstellung in eine Ebene. Im Gegenteil
durch die Projektion geht sogar ein Teil der Tiefeninformation durch die Überlagerung von
Daten verloren. Natürlich ist man geneigt, eine räumliche Darstellung eher als Modell oder
Datenraum anstatt als Karte zu bezeichnen. Vom Prinzip her handelt es sich aber um nichts
anderes, als dass der Prozess des Kartografierens um eine zusätzliche Dimension der
zugrundeliegenden Informationsstruktur erweitert wird. Das gleiche trifft natürlich auch auf
eine weitere Dimension, die Zeit zu. Durch Dynamik, z.B. Animation oder Interaktion kann
eine Karte grundsätzlich auch um diese Dimension erweitert werden.
2. Von der Landkarte zur thematischen Karte
Kartendarstellungen sind sehr eng mit der Entwicklungsgeschichte der Menschen von den
Anfängen bis zur Gegenwart verbunden. In allen Epochen der Menschheitsgeschichte
vermittelten Karten ein visuelles und vereinfachtes Abbild dessen, was Menschen zu ihrer
Zeit über die Realwelt dachten und wie sie bestimmte Ereignisse und Objekte wahrnahmen.
Die ältesten landkartenähnlichen Darstellungen von Siedlungen in Form von Wandmalereien
kann man um ca. 8000 Jahre zurückdatieren. Auch in den vorantiken Hochkulturen (z.B.
Babylonien) nutze man bereits in Tontafeln geritzte Stadtpläne. Aus der Zeit zum Beginn
unserer Zeitrechnung sind aber auch Karten bekannt, die als Ergebnis von Vermessungen und
Datensammlungen entstanden. Bereits in der Antike begann man damit, Karten zu erstellen,
die eine Vorstellung über die Beschaffenheit der Welt vermitteln sollten und vor allem auf
philosophischen Betrachtungen basierten. Die Ideen des PTOLOMÄUS beherrschten bis ins
Mittelalter das Weltbild. Sein Buch GEOGRAPHIA enthält bereits Kartendarstellungen in denen
Koordinatensystem, Symbole, Text und Grafik in einer gemischten Form auftreten, wie wir
sie auch von heutigen Karten kennen (Abbildung 1).
Abbildung 1 Detail einer Karte der deutschen Ausgabe von Ptolomäus Geographia, herausgegeben in Ulm
1482, ca. 1200 Jahre nach dem Erscheinen des Buches. Obwohl Küstenverläufe und geografische Details aus
heutiger Sicht falsch dargestellt sind zeigt die Abbildung bereits wesentliche Elemente moderner geografischer
Karten: eine Mischung von Koordination, Symbolik, Text und Informationsgrafik.
3
Um 1300 entstanden dann die ersten Seekarten des Mittelmeergebietes mit einer äußerst
präzisen Darstellung der Küstenlinien.
Der Beginn der kartografischen Neuzeit geht zurück in das 15.Jahrhundert, als zunehmend
religiöse Darstellungen der Welt durch Karten ersetzt werden, denen Daten aus
Vermessungen oder wissenschaftlichen Bebachtungen zugrunde liegen. Im 18. und 19.
Jahrhundert wurden im Zuge der industriellen Entwicklung grafische Methoden für die
Darstellung ökonomisch-statistischer Daten entwickelt, die in der Kombination mit
geografischen Daten die Vorraussetzung für ganz neue Typen von Karten, beispielsweise die
thematischen Karten, schufen. EDWARD PLAYFAIR entwickelte bereits im 18. Jahrhundert in
seinem Buch COMMERCIAL AND POLITICAL ATLAS (LONDON, 1786) viele der noch heute
üblichen Diagrammformen (z.B. das Kreisdiagramm). Ein anderer Pionier der
Informationsgrafik war JOSEPH MINARD, ein französischer Baumeister, der im 19.Jahrhundert
eindrucksvolle Beispiele für eine hochentwickelte Kunst der Kartografie lieferte. Die wohl
bekannteste Darstellung ist der Russlandfeldzug der Napoleonischen Armee im Jahr 1812/13
(Abbildung 2), ein Musterbeispiel für eine informelle Karte. Weitere exzellente Beispiele
finden sich in dem Buch THE VISUAL DISPLAY OF QUANTITATIVE INFORMATION von EDWARD
TUFTE [6].
Abbildung 2 Karte des Russlandfeldzuges 1812-1813 von Charles Joseph Minard (1781-1870), gezeichnet
1869. Minard zeigt, wie man durch die Auswahl einfacher grafischer Mittel eine Vielzahl von Informationen
ohne den Eindruck der informellen Überladung in einer Karte darstellen kann. Insgesamt fünf verschiedene
Parameter sind dargestellt: die Größe und der Aufenthaltsort der Truppen zu einem bestimmten Zeitpunkt, die
Bewegungsrichtung der Armee und die Temperatur auf dem Rückzug von Moskau.
In die Zeit von MINARD fällt auch die Entwicklung topografischer Karten, die detaillierte
geografische Daten über Geländebeschaffenheit, Vegetation und die geografische
Infrastruktur wie Straßen, Städte, Eisenbahnlinien, Gebäude usw. enthielten. Auf der anderen
Seite wurden auch zunehmend thematische Karten populär, die meist in einem geografischen
Kontext Informationen zu einem bestimmten Thema enthielten, beispielsweise zum
Bevölkerungswachstum, Wahlverhalten, Bodennutzung etc.
Im 20. Jahrhundert entwickelte sich die Kartografie zu einer eigenständigen Wissenschaft, auf
deren Grundlage bis heute gültige Standards für Landkarten erarbeitet wurden. Auf der
anderen Seite entwickelte sich die Karte zunehmend zu einem visuellen
Kommunikationsmittel. Dazu gehört vor allem die Entwicklung der Informationsgrafik, die
damals wie heute vorrangig in den Druckmedien Verwendung findet. Eine neue Epoche in der
Verwendung von Karten begann mit dem Computerzeitalter. Datendigitalisierung und
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weltweite Computervernetzung schaffen die Vorraussetzung für dynamische und interaktive
Karten. Insbesondere grafische Benutzeroberflächen bedienen sich der visuelle Metapher
Karte als Kommunikationsschnittstelle für Informationssysteme und virtuelle
Dienstleistungen. Besonders bevorzugt sind natürlich Dienste mit geografischem Bezug, wie
Wetterinformationsdienste, Städteinformationen, Routenplaner oder Tourismusdienste. Aber
auch im wissenschaftlichen Bereich wurden leistungsfähige Visualisierung- und
Geoinformationssysteme (GIS) entwickelt, die auf der Grundlage von dynamischen Karten
den Austausch, die Auswertung und die Interpretation von wissenschaftlichen Daten in noch
nie zuvor gekannter Quantität und Qualität ermöglichen.
Die nachfolgenden Beispiele zeigen Karten aus den Bereichen Datenvisualisierung, Statistik
und Topografie. Abbildung 3 zeigt als ein Beispiel aus dem Bereich Datenvisualisierung eine
räumliche Projektion der globalen Verteilung von Erdbebenepizentren (ca. 40.000 Punkte),
die über den Zeitraum von mehreren Jahr registriert worden sind. Durch diese Art der
Darstellung erhalten Geowissenschaftler Erkenntnisse über die Plattentektonik der Erde und
die Tiefe aufgetretener Erdbeben. Aus der grafischen Darstellung lassen sich anschaulich die
plattentektonischen Prozesse im Erdmantel rekonstruieren, was ohne Visualisierung nur sehr
schlecht oder gar nicht möglich wäre.
Abbildung 3 Karte der globalen Verteilung von etwa 40.000 Erdbebenepizentren unterschiedlicher Stärke
(dargestellt in unterschiedlicher Farbkodierung), erstellt mit dem Visualisierungssystem IRIS Explorer. Die
Erdbeben sind über einen Zeitraum von mehreren Jahren über die Erde verteilt seismisch registriert worden. An
Hand der Konzentration der Erdbebenaktivitäten kann man sehr genau die Ränder der Kontinentalplatten
erkennen. In 3D kann man zudem erkennen, dass Erdbeben bis zu einer Tiefe von 1000 km auftreten können.
Dadurch lassen sich Struktur und Ausdehnung sogenannter abtauchender Platten ermitteln, die eine große
Bedeutung für die Erddynamik besitzen.
Abbildung 4 zeigt eine topografische Karte eines Teils der Erdoberfläche mit einer Auflösung
von 10 Kilometern. Durch spezifische grafische Methoden der Reliefdarstellung und
Falschfarbencodierung werden dabei die Höhenunterschiede besonders plastisch
hervorgehoben. Die Karte kann beispielsweise interaktiv mit der Qicktime-VR-Software
exploriert werden. Man kann so in die Karte hineinzoomen, d.h. einen Kartenausschnitt
stufenlos vergrößern oder verkleinern, und dabei die Karte verschieben, um gleichzeitig die
Beobachtungsposition zu verändern.
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Abbildung 4 Topografische Karte eines Ausschnitts der Erdoberfläche, erstellt mit dem Visualisierungssystem
IRIS Explorer. Der Visualisierung wurde der ETOPO5-Datensatz zugrundegelegt, der eine örtliche Auflösung
von 10 km besitzt. Mit Hilfe von bildtechnischen Schattierungseffekten und Falschfarbentechnik sind auch in der
zweidimensionalen Darstellung die Höhenprofile der Erde und des Meeresgrundes besonders gut zu sehen.
Ein typisches Beispiel einer interaktiven, thematischen Karte ist der MapVisualizer der DataMining-Software MineSet der Firma SGI. Abbildung 5 zeigt die Bevölkerungsentwicklung
der einzelnen Staaten der USA. Die Karte zeigt statistische Daten in einem geografischen
Kontext, in diesem Fall Bevölkerungsdaten für die einzelnen Bundesstaaten. Die
dreidimensionale Darstellung wurde hier gewählt, um die Relationen des
Bevölkerungswachstum zwischen den einzelnen Staaten besser sichtbar zu machen. Durch die
individuelle Einstellung des Betrachtungswinkels und der Möglichkeit des Zoomens wird eine
effiziente, visuelle Datenanalyse erreicht. Interessant ist auch die interaktive Einbeziehung
einer zeitlichen Dimension. Die zeitabhängige Entwicklung der Bevölkerungsdaten kann mit
Hilfe einer Animation, d.h. durch die dynamische Änderung der dargestellten Daten in der
Karte, entweder durch manuelle Steuerung oder automatisch als Animation verfolgt werden.
Abbildung 5 Statistische Karte der USA (ohne Hawai) generiert mit dem Data-Mining System Mineset von
SGI. Die Karte zeigt die Bevölkerungsdichte in jedem Bundesstaat. Sie kann interaktiv verändert werden. Über
eine Zeitachse ist es automatisch oder manuell möglich, die Veränderung des Bevölkerungswachstums über
einen bestimmten Zeitraum zu beobachten.
6
3. Typologie
Die Anwendung des Begriffs der Karte auf die Beschreibung von Objekten und
Objektbeziehungen in virtuellen Welten, d.h. ohne einen räumlichen Bezug in der physischen
Welt (Cyberspace) erfordert auch eine Erweiterung des traditionellen Klassifikationsschemas
für Karten. Die traditionelle Einteilung von Karten in Landkarten und thematische Karten hat
einen Aspekt gemeinsam, die dargestellten Informationen haben einen räumlichgeografischen Bezug zu unserer physischen Realwelt. Auch in der virtuellen Welt der
Computernetzwerke (Cyberspace) finden wir natürlich digitalisierte Abbilder dieser
traditionellen Karten, die in der Regel durch dynamische und interaktive Funktionen erweitert
wurden. Aber es gibt auch ganz neue Kategorien von Karten, die Zustände und Prozesse in
der virtuellen Welt selbst beschreiben. Dabei sollten wir die virtuelle Welt als einen Teil
unserer Realwelt begreifen, der außerhalb unserer physischen Welt, d.h. außerhalb der
materialisierten bzw. vergegenständlichten Welt existiert. Martin Dodge beschreibt 1997 die
erste Typologie zur Kartografierung des Cyberspace. Er unterteilt die Metaphern der visuellen
Kommunikation in Karten mit geografischen Bezug, in Konzeptkarten, topologische Karten,
Landkarten, virtuelle Stadtpläne und Navigationshilfsmittel. Ein gravierendes Problem dieser
Typologie ergab sich aber durch die unzureichende Trennung des Typs der
zugrundeliegenden Daten und der Art der visuellen Repräsentation. In seinem Buch MAPPING
CYBERSPACE (2001) beschreibt MARTIN DODGE [7] ein neues, allgemeineres Schema zur
Klassifikation von Karten über virtuelle Welten. Er postuliert Kategorien für Karten als
Funktion ihrer geografischen Referenz, ihres räumlichen Bezuges und der materiellen
Ausprägung der dargestellten Datenobjekte. Dodge schlägt ein Klassifikationsschema vor, das
eine Einteilung entlang dreier Achsen durchführt (Abbildung 6): (1) geografischer Bezug oder
Bezug zur virtuellen Welt (geografisch/virtuell), (2) Vergegenständlichung der Information
(materialisiert/immateriell), (3) räumlicher Bezug der dargestellten Information
(räumlich/nicht räumlich). Die erste Achse charakterisiert, ob die Struktur der Karte (z.B. das
Koordinatensystem) entweder einen Bezug zur physischen (räumlich-geografischen) oder zur
virtuellen Welt hat. Die zweite Achse charakterisiert Eigenschaften der dargestellten
Datenobjekte. Diese können in materialisierter Form in der uns umgebenden physischen Welt
existieren oder aber virtueller, nichtmaterieller Natur sein. Zur materiellen Welt zählen auch
alle Materialeigenschaften, die mit physikalischen Methoden gemessen werden können, z.B.
die Temperatur oder die Bitrate in einem Rechnernetzwerk. Beispiele für immaterielle Daten
sind dagegen statistische Daten wie die Bevölkerungsdichte oder das Wahlverhalten von
Menschen in einer Region. Die dritte Achse bezieht sich mehr auf die Art und Weise der
Beziehung der dargestellten Datenobjekte zueinander. Der räumliche Bezug charakterisiert,
ob der Anordnung der Datenobjekte in einer Karte ein räumliches oder ein abstraktes
Kriterium zugrunde liegt. Beispielsweise basiert die Anordnung von Gebäuden in einer
virtuellen Stadt auch auf der Annahme eines räumlichen Koordinatensystems, während die
Anordnung von Dokumenten in einer Dokumentkarte von abstrakten Kriterien, wie z.B. von
der Dokumentähnlichkeit, abhängt. Die postulierte Klassifikation schließt allerdings zwei
mögliche Kombinationen aus. Zum einen haben Objekte in einer Karte mit einem
geografischem Bezug immer auch einen räumlichen Bezug. Zum anderen hatten wir bereits
festgestellt, dass Objekte der virtuellen Welt stets in einer nicht materialisierten Form
existieren. Damit ergeben sich insgesamt vier Kategorien für die Einteilung von Karten:
(1) geografisch/materialisiert/räumlich (z.B. Landkarte, NSFNET-Backbone, Abbildung 7)
(2) geografisch/immateriell/räumlich (z.B. thematische Karte, MapVisualizer, Abbildung 5)
(3) virtuell/immateriell/räumlich (z.B. Landkarte einer virtuellen Welt, Alphaworld,
Abbildung 8)
(4) virtuell/immateriell/nicht-räumlich (z.B. Konzeptkarte, NewsMap, Abbildung 9)
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Abbildung 6 Klassifikationsschema für Karten über die Realwelt (nach Dodge und Kitchin , 2001)
Abbildung 5 sowie Abbildung 7-9 zeigen typische Beispiele für jede der vier möglichen
Kategorien. Abbildung 7 zeigt in schematischer Form die Datenrate des NSFDatennetzwerkes in den USA. Der geografisch-räumliche Bezug ist vorhanden ebenso die
Daten mit einer Entsprechung in der physischen Welt (Datennetz, gemessene Datenrate). Eine
Zuordnung erfolgt hier zur Kategorie (1).
Abbildung 7 Karte des Datenverkehrs des T1-NSFNET-Backboones für den Zeitraum September 1991.
Entnommen aus der Visualisierungsstudie (Video) von Donna Cox und Robert Patterson, NCSA. Das
Datenvolumen variiert von 0 (violett) bis 100 Milliarden Bytes (weiß). Die Datenerfassung erfolgte durch Merit
Network.
Die Karte in Abbildung 5 stellt dagegen abstrakte, d.h. immaterielle, statistische Daten, hier
die Bevölkerungsdichte in einem geografischen Kontext dar. Auch die politische Einteilung
der USA in Staaten ist in diesem Fall eine immaterielle Struktur. Diese Karte kann der
Kategorie (2) zugeordnet werden. Die Besiedlungskarte der virtuellen Alphaworld in
Abbildung 8 hat keine Entsprechung in der physischen Welt, die räumliche Anordnung der
Objekte in der virtuellen Welt basiert aber auch auf der Grundlage eines räumlichen
Koordinatensystems. Diese Karte gehört daher in die Kategorie (3).
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Abbildung 8 Satellitenkarte der Stadt im Zentrum von AlphaWorld, erstellt von Roland Vilett im August 1999.
Alphaworld ist eine virtuelle Welt mit einer Ausdehnung von 429.038 Quadratmetern. Sie wurde für die
Besiedlung 1995 zugänglich gemacht. In der virtuellen Welt kann man sich mittels Avataren bewegen und
natürlich auch neue Gebiete (in der Karte grün) besiedeln.
In der Newsmap (Abbildung 9), d.h. einer Karte zum Auffinden von relevanten Nachrichten,
sind dagegen im Vergleich zur Alphawelt Objekte nicht auf der Basis räumlicher Kriterien
angeordnet. Grundlage des Mappings sind hier semantische Kriterien, wie die Bestimmung
von Objektähnlichkeiten. Dieser Kartentyp kann daher in die Kategorie (4) eingeordnet
werden.
Abbildung 9 Dokumentkarte der Nachrichtsuchmaschine Newsmap. Die topografische Karte ist hier als
Metapher für die Darstellung abstrakter Datenobjekte benutzt worden, um von unseren Erfahrungen mit
geografischen Karten zu profitieren. Berge und Täler repräsentieren Themengebiete mit unterschiedlicher
Konzentration von Nachrichten (Punkte). Wichtige Themen einer Nachrichtenkollektion erschließen sich
dadurch sofort dem Betrachter.
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4. Nutzerschnittstelle Karte
Dynamische und interaktive Karten eignen sich in besonders gut als visuelle
Kommunikationsschnittstellen für Informationssysteme, da sie wie keine andere visuelle
Metapher eine Reihe von grundlegenden Anforderungen an die Gestaltung von grafischen
Nutzerschnittstellen erfüllen. Wichtige Designkriterien für grafische Nutzerschnittstellen
(Graphical User Interface oder GUI) wurden von BEN SHNEIDERMAN in seinem Buch
DESIGNING USER INTERFACE [8] beschrieben. Diese Kriterien werden heute vor allem zur
Qualitätsprüfung (Usability) von Kommunikationsoberflächen benutzt. Gute visuelle
Benutzerschnittstellen erlauben dem Benutzer, interaktive Karten mit geringem Lernaufwand
und weitgehend ohne elektronische Hilfestellungen kognitiv zu erfassen und zu bedienen. Aus
den Erfahrungen mit grafischen Oberflächen ergeben nach SHNEIDERMAN im wesentlichen
fünf Anforderungen:
(1) Die Gewährleistung von Überblick und Detail.
(2) Die Möglichkeit zum Vergrößern und Verkleinern eines Ausschnittes (engl. Zoom)
bei gleichzeitiger Veränderung der Beobachtungsposition (engl. Pan).
(3) Das Filtern von Informationen und die Durchführung dynamischer Anfragen (engl.
Dynamic Queries).
(4) Das Anzeigen von Details auf Anforderung (engl. Details on demand).
(5) Die Rückverfolgung von Benutzeraktivitäten (engl. History).
Überblick und Detail
In jeder Phase der Nutzinteraktion ist eine Orientierung notwendig, die in der Regel mit Hilfe
einer Übersichtskarte erreicht werden kann. Die meisten interaktiven Karten bieten eine
solche Funktion an. In der Regel kann man dann sowohl in der Überblickskarte als auch in der
Detailkarte navigieren. Veränderungen der Beobachterposition in einer Karte bewirken
automatisch eine Veränderung der Position in der jeweilig anderen Karte. Eine
Überblickskarte bietet zudem einen guten Startpunkt für die Informationssuche. Zur
gleichzeitigen Darstellung von Übersicht und Detail gibt es zwei Methoden. Häufig wird zur
Detailkarte eine zusätzliche Übersichtskarte eingeblendet, die u.U. einen Teil der Detailkarte
verdecken kann. Eine andere Möglichkeit ist die Anwendung einer Zoomfunktion, z.B. die
Anwendung eines Lupen- oder Fischaugeneffektes (engl. Fisheye View), die im nächsten
Abschnitt genauer beschrieben wird. Abbildung 10 zeigt einen interaktiven Stadtplan der
Stadt Karlsruhe. Die Position der Detailkarte wird hier vollständig durch die Verschiebung
eines Auswahlrechtecks in der Übersichtskarte gesteuert.
Abbildung 10 Detailkarte der Innenstadt von Karlsruhe mit eingeblendeter Übersichtskarte. Durch die
interaktive Verschiebung des roten Rechtecks in der Übersichtskarte ändert sich automatisch der Ausschnitt der
Detailkarte.
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Zoom und Änderung der Beobachtungsposition
Zoomfunktionen werden benötigt, um interaktiv relevante Bereiche einer Karte zu vergrößern
und so relevante Daten von nichtrelevanten zu differenzieren. Außerdem benutzt man die
Vergrößerung eines Kartenausschnittes zur Darstellung einer höheren Detailliertheit der
Daten. Das Zoomen ermöglicht eine visuelle Fokussierung auf wichtige Bereiche, während
andere, weniger relevante Informationsstrukturen ausgeblendet werden oder in den
Hintergrund treten. Neben dem Verfahren des sequentiellen Anzeigens neuer
Kartenausschnitte gibt es auch die grafische Möglichkeit einer Änderung der Raumgeometrie.
Dadurch kann erreicht werden, dass bestimmte Strukturen und Objekte der Karte vergrößert
in den Vordergrund gebracht werden, während andere Bereiche verzerrt im Hintergrund
dargestellt werden. Es entsteht ein sogenannter Fischaugeneffekt, bei dem der Benutzer neben
einem vergrößerten und meist etwas verzerrtem Kartenausschnitt zur besseren Orientierung
stets die restliche Karte, wenn auch weniger detailliert, im Blickfeld hat. Der Vorteil besteht
darin, dass der Benutzer nie die Karte verlassen muss und so nicht Gefahr läuft an irgendeiner
Stelle die Orientierung zu verlieren. Der Nachteil ist allerdings, dass, wie bei einer Lupe in
der Regel nur eine Vergrößerungsstufe eingestellt werden kann. Ein eindrucksvolles Beispiel
für diese Vergrößerungsfunktion zeigt Abbildung 11. Der Fischaugeneffekt wurde hier auf
eine Karte des U-Bahn-Netzes der Stadt London angewendet. Das sequentielle Verfahren
erlaubt demgegenüber eine stufenlose Vergrößerung und Verkleinerung eines
Kartenausschnittes bei gleichzeitiger Veränderung der Beobachterposition. Allerdings geht
auf diese Weise die Kontextinformation verloren.
Abbildung 11 Karte der U-Bahnlinien in London mit integrierter Lupe. Das Rechteck mit einem vergrößerten
Detailausschnitt der Karte kann interaktiv über die gesamte Karte bewegt werden. Der Betrachter erhält so
Detailinformationen (U-Bahn-Stationen) im Kontext des gesamten Liniennetzes. Eine Gesamtkarte in der
Detailliertheit des Auswahlrechteckes würde dagegen die verfügbare Größe des Ausgabemediums bei weitem
übersteigen.
Filter und dynamische Anfragen
Filter und dynamische Anfragen haben prinzipiell die Aufgabe, relevante von nichtrelevanten
Informationen zu trennen. Vielfach filtert der Benutzer die angebotene Informationen einer
Karte individuell nach seinen Erfordernissen. Bei nahezu allen visuellen Benutzeroberflächen
navigiert oder zoomt sich der Benutzer durch eine Karte und filtert parallel dazu für ihn
relevante Informationen. Bei der Informationsauswahl gibt es im wesentlichen zwei
Möglichkeiten. Zum einen die wahlweise Anzeige voreingestellter Informationen oder zu
anderen eine Datenbanksuche, deren Suchergebnisse dynamisch in eine Karte projiziert
werden (z.B. Webmap, Abbildung 16). Ein anschauliches Beispiel für das wahlweise Ein- und
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Ausblenden vorausgewählter Informationen zeigt die Wetterkarte des Wetterdienstes
wetter.de in Abbildung 12. Durch das Anklicken der dargestellten Reiter kann man sich für
eine vorher ausgewählte Region wahlweise das Wetter, die Temperatur, die Windrichtung
oder die Windstärke anzeigen lassen. In gleicher Weise ist auch eine Auswahl von
äquivalenten Wetterübersichten für verschiedene Tage möglich. Auch sensitive Karten wie sie
sehr häufig im Web benutzt werden, gehören in die Kategorie der Auswahlfilter.
Abbildung 12 Wetterkarte des Online-Dienstes wetter.de mit vielfältigen interaktiven Auswahlmöglichkeiten
zur Informationsfilterung. Neben der Auswahl von Regionen kann man sich verschiede Angaben zum Wetter
allgemein, zur Temperatur, Windrichtung oder Windgeschwindigkeit anzeigen lassen und auf einer Zeitachse
verschiedene Tage auswählen.
Details auf Anforderung
Die Funktionalität, Details über bestimmte Objekte nur auf Anforderung anzuzeigen, besitzen
eigentlich die meisten Karten. Dieses Verfahren wurde besonders populär durch die
Anwendung der Webtechnologie, da Hyperlinksysteme und dynamische Webseiten in
analoger Weise arbeiten. Ob Pop-Up-Fenster oder das Einblenden von Text oder Bildern beim
Überfahren eines Objektes mit dem Mauszeiger, hier existieren eine Vielzahl von
Gestaltungsmöglichkeiten. Ziel ist es die Informationsdichte der Karte zunächst zu verringern,
um dadurch die Karte übersichtlicher zu gestalten. In der Straßenkarte in Abbildung 13 ist
beispielsweise eine Textinformation eingeblendet, die angezeigt wird, wenn man mit dem
Mauszeiger auf ein spezielles Objekt der Karte zeigt.
History
Die Speicherung der Abfolge von Benutzeraktivitäten für eine Rückverfolgung und mögliche
Zurücknahme von Aktionen ist ein wichtiges Element zur Verfeinerung der Benutzerführung.
In einer Studie wurde festgestellt, dass 80% aller Benutzeraktivitäten bei Webbrowsern die
Betätigung der Back-Funktion ist. In Karten ist die definierte Rückverfolgung von
Benutzeraktionen und die Wahl definierter Eintrittspunkte von grundlegender Bedeutung für
die Navigation und Orientierung. In der Straßenkarte in Abbildung 13 sind die Schalter back
und forw. zu sehen, die ein Vor- und Zurück in den jeweiligen Benutzeraktivitäten erlauben.
Dazu werden alle Nutzeraktivitäten registriert und gespeichert.
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Abbildung 13 zeigt eine interaktive Straßenkarte des Anbieters map24, in der alle oben
genannten Designkriterien enthalten sind: Eine Überblickskarte (rechts unten), die wahlweise
angezeigt werden kann, eine stufenlose Zoomfunktion entweder über den Schieberegler in der
Übersichtskarte oder mit Hilfe eines Auswahlrechtecks direkt in der Detailkarte, die
Änderung des Detailliertheitgrades der Karte sowie der Anzahl der dargestellten Datenobjekte
beim Einzoomen, die Änderung der Beobachtungsposition durch Verschieben des
Auswahlrechteckes in der Übersichtskarte, eine Filterfunktion durch das Ein- und Ausblenden
bestimmter Detailelemente der Karte, Details zu den in der Karte dargestellten Objekten
wahlweise durch eine Mouse-Over-Funktion oder die Schaltflächen in der Symbolleiste der
Karte.
Abbildung 13 Interaktive Straßenkarte des Dienstes Map24 für die Region Frankfurt am Main. Die interaktive
Karte enthält eine Reihe wichtiger Designelemente für grafische Nutzeroberflächen. Die
Vergrößerung/Verkleinerung kann über eine Übersichtkarte (rechts unten) oder die Schaltflächen +/- eingestellt
werden. Je nach Zoomlevel erscheinen mehr oder weniger geografische Details in der Karte.
Zusatzinformationen zu Objekten der Karte erhält man durch die Auswahl mit der Maus. Eine Rückverfolgung
aller Benutzeraktivitäten ist mit den back- und forw. Schalterfläche möglich.
5. Wissenskarten
Wissenskarten sind virtuell und repräsentieren immaterielle Datenobjekte, die zueinander
keinen räumlichen Bezug haben. Sie veranschaulichen in grafischer Form abstrakte Konzepte,
Ideen und Assoziationen. Dazu zählen vor allem Dokumentkarten, die Dokumente
bestimmten Themengebieten zuordnen und so die Suche nach bestimmten Information
maßgeblich erleichtern. Die Anwendungsgebiete von Wissenskarten sind vielfältig und
reichen von interaktiven Benutzeroberflächen für Informationsrecherchesysteme (z.B.
Suchmaschinen und Datenbanken) über Online-Kataloge bis hin zu Navigationsoberflächen
und Orientierungshilfen für Hyperlinkstrukturen, sogenannte Sitemaps. Abstrakte
Wissenskarten benutzen oft visuelle und interaktive Metaphern traditioneller Landkarten
(siehe auch Abbildung 9) zur Darstellung abstrakter Informationen, die jedoch im Gegensatz
zu den geografischen Karten nicht in irgendeiner räumlichen Beziehung zueinander stehen.
Wissenskaten kann man in zwei Kategorien unterteilen: Konzeptkarten und Assoziative
Karten. Konzeptkarten stellen Themenbereiche in einer spezifischen Anordnung und Größe
dar. Diese Themenbereiche enthalten dann die eigentlichen Datenobjekte, z.B. Dokumente,
Webseiten etc.. Größe und Ausdehnung der Themenbereich charakterisieren die semantische
Struktur der Karte, in ähnlicher Weise wie ein Koordinatensystem in einer geografischen
13
Karte die räumliche Struktur festlegt. Dabei ist die Anordnung der Themenbereiche innerhalb
der Karte nicht zufällig. Vielmehr repräsentieren bestimmte Themengruppen einen inhaltlich
zusammengehörigen Konzeptbereich. Viele Konzeptkarten sind interaktiv, d.h. die Auswahl
eines Themenbereiches generiert eine neue, detailliertere Konzeptkarte mit neuen
Themenbereichen. Prinzipiell unterscheidet man zwei Methoden, um eine Konzeptkarte zu
generieren, zum einen durch Einsatz von Algorithmen zur Selbstorganisation, zum anderen
mit Hilfe vorgegebener, meist hierarchischer Strukturen. Im Fall der Selbstorganisation findet
eine automatische Kategorisierung eines Datenbestandes statt, im zweiten Fall wird eine
Klassifikationsstruktur vorgegeben, z.B. ein Themenkatalog, wie ihn die Katalogdienste
verwenden.
Selbstorganisierte Konzeptkarten
Karten, die durch eine Selbstorganisation entstanden sind, besitzen eine dynamische Struktur,
d.h. Größe, Anordnung und die Charakteristik der Themen- und Konzeptbereiche ändert sich
in Abhängigkeit der beteiligten Datenobjekte. In strukturgebundenen Karten ändert sich die
Zuordnung von Datenobjekten zu einer statischen Struktur, die in etwa vergleichbar mit dem
Koordinatensystem einer Landkarte ist. Ausgangsdaten für Konzeptkarten sind meist
Dokumente (z.B. Webseiten oder Texte). Durch textanalytische Verfahren ermittelt man aus
dem Dokumentkorpus inhaltsbeschreibende Begriffe sowie deren Häufigkeit und Abstand im
Text. Für jedes Dokument kann auf diese Weise ein charakteristisches Muster berechnet
werden mit deren Hilfe ein neuronales Netzwerk trainiert werden kann. Das Ergebnis ist eine
selbstorganisierte Konzeptkarte, wie sie in Abbildung 14 zu sehen ist. In einer solchen Karte
sind Themengebiete dargestellt und mit einem Label versehen. Ihre Position wird in einer
solchen Karte durch die Beziehung der Themengebiete bestimmt. Themenrelevante
Dokumente findet man in den betreffenden Kategorien der Karte. Auch die Anordnung der
Themenbereiche ist nicht zufällig: thematisch zusammengehörige Bereich liegen eng
beieinander und bilden so übergeordnete Konzeptbereiche.
Abbildung 14 ET-Map. 1995 von Hsinchun Chen am Artificial Intelligence Lab der University of Arizona
entwickelter Prototyp einer selbstorganisierten Konzeptkarte. Die Abbildung zeigt das oberste Level einer aus
mehreren Ebenen bestehenden Themenkarte. Sie basiert auf der Analyse von ca. 100.000 Weblinks des YahooKatalogs zum Thema Entertainment. Die Karte benutzt räumliche Organisations- und Repräsentationskonzepte.
So ist die Größe der Themenbereiche proportional zur Anzahl der in dieser Kategorie enthaltenen
Webdokumente. Nahe beieinanderliegende Bereiche der Karte beschreiben auch inhaltlich zusammengehörige
Themen, wie z.B. FILM und OSCAR in der linken unteren Ecke.
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Ein Prototyp für eine selbstorganisierte Karte ist die ET-Map in Abbildung 14. Die Karte
basiert auf der Analyse von ca. 100.000 Weblinks des Yahoo-Katalogs zum Thema
Entertainment. Die Karte ist sensitiv und besteht aus mehreren Konzeptebenen. In eine neue
Konzeptebene gelangt man durch die Auswahl eines Themengebietes in einer übergeordneten
Kartenebene.
Konzeptkarten mit vorgegebener Struktur
Gibt man eine Klassifikationsstruktur, z.B. eine Hierarchie vor, kann man eine andere
Visualisierungstechnik anwenden, die sogenannte Treemap-darstellung. Treemaps wurden
von Ben Shneiderman entwickelt und werden als ein flächenausfüllendes Verfahren zur
Visualisierung großer Datenmengen eingesetzt. Hierarchisch organisierte Daten werden dabei
als ineinander geschachtelte Rechtecke dargestellt, Größe und Farbe der Rechtecke werden
benutzt, um die Dateneigenschaften zu kodieren, während die Anordnung und
Verschachtelung der Rechtecke die Organisationsstruktur, d.h. die Position eines
Datenobjektes in der Hierarchie visualisieren. Abbildung 15 zeigt die Anwendung der
Metapher Treemap auf eine Newsgrouphierarchie. In der Karte werden insgesamt 1195
Beiträge der Newsgroup Com inklusive ihrer Untergruppen dargestellt. Die Größe der
Themenbereiche ist proportional zur Anzahl der Beiträge in einer Gruppe. Die Farbkodierung
wird benutzt, um die Dynamik einer Gruppe, d.h. die Änderungsrate der Beiträge, zu zeigen.
Man kann daher auf den ersten Blick erkennen, welche Gruppen am aktivsten sind.
Abbildung 15 Netmap. Treemap-Visualisierung von ca. 1195 Beiträgen der Newsgroups COM und ihrer
Untergruppen (z.B. OS, pc, lang). Entwickelt wurde dieses Interface von Anrew Fiore und Marc A.Smith für die
statistische Analyse von Newsgroupaktivitäten. Die Größe der Themenbereiche ist proportional zur Anzahl der
Beiträge in einer Gruppe. Die Farbkodierung von rot (wenig Änderung) bis grün (starke Änderung) zeigt die
Änderungsrate der Gruppenbeiträge in einem bestimmten Zeitraum.
Ein anderes Beispiel für die Verwendung einer Konzeptkarte ist der visuelle Katalog
WebMap (Abbildung 16) mit integrierter Suchfunktion. Auf der Grundlage einer
vorgegebenen hierarchischen Klassifikationsstruktur wurden ca. 2.000.000 Webseiten, die in
der Karte durch Punkte oder charakteristische Icons symbolisiert sind, analysiert und in
spezifische Kategorien gemappt. Genau wie ET-Map offeriert WebMap mehrere Ebenen von
Unterkategorien, die interaktiv durch die Auswahl eines Themenbereiches in einer
übergeordneten Karte aufgerufen werden können. Zusätzlich zu den statischen Informationen
enthält die Karte auch noch einen dynamische Komponente. Die Ergebnisse einer
Suchanfrage bei der Suchmaschine Google werden automatisch in die Kategorien eingeordnet
und als rote Rechtecke in der jeweils aktuellen Karte angezeigt. WebMap ist nicht nur ein
15
visuelles Kommunikationsinterface, sondern es berücksichtigt nahezu alle Anforderungen für
das Design grafischer, interaktiver Nutzerschnittstellen, wie wir sie im Abschnitt 4
Nutzschnittstelle Karte beschrieben haben: Zoom, Details auf Anforderung, History. Einziger
Schwachpunkt ist das Fehlen einer Übersichtskarte. Die einzige Unterstützung bei der
Navigation durch die Hierarchie bildet die Anzeige eines textbasierten Themenpfades, mit
dessen Hilfe die Nutzeraktivitäten verfolgt werden können.
Abbildung 16 Webmap kartiert das World Wide Web, indem es analog zu YAHOO ca. 2.000.000 Webseiten
bestimmten, vorgegebenen Kategorien zuordnet und in einer thematischen Übersichtskarte darstellt. Durch
einfaches Anklicken wird ein Themenbereich ausgewählt, vergrößert und inklusive aller darin enthaltenen
Unterthemen dargestellt. Die Ergebnisse einer Suchanfrage an die Suchmaschine Google werden automatisch in
die vorhandene Kartierung eingeordnet und als rote Rechtecke in der jeweils aktuellen Karte angezeigt.
Zusatzinformationen zu Einträgen in der Karte erhält man auch hier durch die einfache Auswahl mit der Maus
Assoziative Karten
In gleicher Weise wie Konzeptkarten repräsentieren auch assoziative Wissenskarten einen
Überblick über ein spezifisches Themengebiet. Im Gegensatz zu Konzeptkarten, die wie in
Abbildung 16 zusammengehörige Dokumente in einem Themengebiet zusammenfassen und
mittels der Gruppierung von Themenbereichen Konzeptbereiche entstehen, visualisieren
assoziative Karten ausschließlich Objekte und deren Objektbeziehungen. Als grafische
Metapher werden daher nicht farbige Flächen, sondern Knoten und Kantendarstellungen
benutzt, wie sie aus der grafischen Darstellung von Graphen bekannt sind. Zusätzlich kann
man die Art einer Assoziation durch die Auswahl von Farbe, Typ und Dicke der
Knotenverbindungselemente kodieren. Die Anwendung assoziativer Karten ist vielfältig. Sie
reicht von einfachen Hilfsmitteln zur Navigation in Hyperlinkstrukturen (z.B. Sitemaps) über
visuelle Nutzerschnittstellen für Suchmaschinen im World Wide Web bis zur Visualisierung
von semantischen Informationsstrukturen im sogenannten Semantic Web. Assoziative Karten
werden immer eingesetzt, wenn man einen Überblick über ein große Zahl von Objekten und
Objektbeziehungen, wie beispielsweise Begriffs- und Dokumentrelationen, Klassifikationen
oder Hyperverlinkungsschemata, erhalten will. Grundsätzlich lassen sich zwei Arten von
assoziativen Strukturen unterscheiden: Baumstrukturen und netzwerkartige Strukturen.
Baumstrukturen bilden dabei eine Untermenge der Netzstrukturen. Sie lassen nur
Beziehungen (Eltern-Kind-Relationen) zwischen bestimmten Objekten zu, während
Netzwerkstrukturen prinzipiell erlauben, dass jedes Objekt mit jedem anderen Objekt in
Beziehung stehen kann. Hierarchische Informationsstrukturen begegnen uns sehr oft im
16
alltäglichen Umgang mit Information, ob es sich dabei um die Verwaltung von Dateien oder
die Anordnung von Produkten in einem Katalog handelt. Zur Visualisierung von
hierarchischen Strukturen existieren eine Vielzahl grafischer Metaphern. Die grafische
Repräsentation von Assoziationen in Form von Knoten und Kanten führt stets zu
Darstellungsproblemen, falls die Anzahl von Objekten und Verbindungselementen eine
bestimmte Größe erreicht hat. Baumstrukturen erreichen sehr schnell eine vertikale oder
horizontale Ausdehnung, die leicht die Bildschirmgröße überschreitet. Auf der anderen Seite
wird im Falle einer netzwerkartigen Verlinkungskarte die grafische Darstellung mit einer
wachsenden Anzahl von Verlinkungen schnell unübersichtlich, da sich immer mehr grafische
Elemente überdecken. Eine Lösung für beide Probleme bietet die Interaktion. Interaktion
(siehe auch Abschnitt 4) bietet die Möglichkeit strukturelle Details auf Anforderung
darzustellen. Beispiele dafür sind die auf- und zuklappbaren Unterverzeichnisse des
Foldertrees im Dateimanager grafischer Bedienoberflächen oder das Vergrößern bzw.
Verkleinern (Zoomen) und gleichzeitige Verschieben der Informationsstruktur.
Das zur Zeit populärste Beispiel einer assoziativen und interaktiven Karte zur Navigation in
baumartigen Informationsstrukturen ist der Hyperbolische Baum (engl. Hyperbolic Tree).
Mitte der 90er Jahre setzte Tamara Muntzner an der University of Minnesota erstmalig die
Projektion von Elementen auf eine Kugeloberfläche für die Visualisierung der Struktur eines
Dateiverzeichnisbaumes ein. Aus dieser Idee entwickelte Ramano Rao im XEROX Parc kurze
Zeit später eines der populärsten Kommunikationsinstrumente zur Visualisierung großer
hierarchischer Informationsstrukturen, den Hyperbolic Tree. Der Hyperbolic Tree wird als
Dateimanager, Websitemanager (Abbildung 17), für Katalogdienste oder als
Nutzerschnittstelle für Anwendungen im Semantic Web eingesetzt. Der Hyperbolic Tree hat
sich in der Praxis bewährt, weil er wichtigste Designeigenschaften für interaktive
Nutzeroberflächen verbindet. Durch die stufenlose Verschiebung der gesamten Struktur ist es
möglich, sehr schnell innerhalb einer großen Informationshierarchie zu navigieren. Die
hyperbolische Darstellung stellt dabei in ähnlicher Weise wie der Fischaugeneffekt Elemente
im Zentrum der grafischen Darstellung größer und detaillierter dar. Die umgebende Struktur
wird dagegen komprimiert und weniger detailliert dargestellt. Dadurch ist zu jedem Zeitpunkt
der Navigation ein Kontextbezug hergestellt, der stets einen Überblick über einen Teil der
gesamten Struktur vermittelt.
Abbildung 17 Sitemap der Firma Inxight Software in Form eines interaktiven hyperbolischen Baumes. Die
hierarchische Organisationsstruktur aller Webdokumente wird ausgehend von der Startseite (rot) dargestellt. Das
Hineinzoomen in die Struktur erfolgt durch die Rotation einer imaginären Kugel, auf deren Oberfläche die
gesamte Informationsstruktur aufgebracht ist. Die Anzeige der Dokumente erfolgt durch ein einfaches Anklicken
der jeweiligen Symbole.
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Während in hierarchischen Informationsstrukturen die Art der Assoziationen stark
eingeschränkt ist (ist übergeordnet und ist untergeordnet) erlaubt eine netzwerkartige Struktur
die Definition beliebiger Assoziationen zwischen allen Objektpaaren einer assoziativen Karte.
Ein Beispiel für die Anwendung assoziativer Netzkarten ist das visuelle
Kommunikationsinterface für die Metasuchmaschine Kartoo (Abbildung 18). Das visuelle
Interface kommt im Gegensatz zu anderen Suchmaschinen nur mit einer minimalen
textbasierten Kommunikation aus. Nach der Eingabe eines Suchbegriffs sucht Kartoo mit
Hilfe anderer Suchmaschinen relevante Webdokumente und bestimmt mit speziellen
Textanalyseverfahren Assoziationen zwischen den Dokumenten. Relevante Webknoten, die
auf diese Weise ermittelt wurden werden in einer Karte angeordnet; Webknoten als Kugeln,
deren Größe proportional zur Relevanz variiert. Die Knoten sind durch dynamische,
semantische Links miteinander verbunden und farblich kodiert. Wählt man eine Assoziation
aus, kann man interaktiv das so assoziierte Themengebiet zur ursprünglichen Suche
hinzufügen oder wegnehmen und eine neue Anfrage starten. Auf diese Weise kann man
visuell-interaktiv die Suche verfeinern und schrittweise die Qualität der Recherche
verbessern. Kartoo bietet dabei eine Unterstützung, indem es aus bereits vorhandenen
Dokumenten eine dynamische Wissenskarte generiert. Zur effektiven Interaktion sind auch in
dieser interaktiven Karten die wichtigsten Designelemente für grafische Nutzoberflächen, wie
Zoom, Verschiebung und Details auf Anforderung integriert. Darüber hinaus kann die Anzahl
der dargestellten Elemente variiert werden. Ein entscheidender Nachteil der Nutzeroberfläche
besteht, wie übrigens bei allen assoziativen Karten darin, dass die Darstellung ab einer Anzahl
von ca. 20 Webknoten durch die große Zahl von Überlagerungen unübersichtlich wird. Genau
wie bei traditionellen Formular-basierten Suchmaschinen muss sich der Anwender auch hier
auf das automatische Ranking der Webknoten verlassen.
Abbildung 18 Assoziative Karte von Webknoten in Kartoo. Metasuchmaschine mit visueller Nutzeroberfläche
zur interaktiven Auswahl von Suchbegriffen und Darstellung der Suchergebnisse in einer Wissenskarte.
Webknoten werden als Kugeln dargestellt, wobei die Größe der Kugeln proportional zur Relevanz variiert. Die
Knoten sind durch dynamische, semantische Links miteinander verbunden und farblich kodiert. Wählt man eine
Assoziation aus, kann man durch die Auswahl der Symbole + oder - ein Themengebiet zur ursprünglichen Suche
hinzufügen oder wegnehmen und eine neue Anfrage starten. Fährt man mit dem Mauszeiger über einen
Webknoten werden alle möglichen Relationen zu anderen Webknoten dynamisch markiert.
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5. Fazit: Karten als visuelle Kommunikationsinstrumente
Karten besitzen eine lange Tradition in der visuellen Kommunikation der Menschen. Sie
wurden bereits im Altertum als Instrumente der Navigation und zur Vermittlung von Ideen
verwendet. Im 19.Jahrhundert erlangte die Kartografie eine Blütezeit. Aus dieser Zeit
stammen eine Vielzahl von grafischen Metaphern, die wir auch heute in Karten verwenden.
Die Informationstechnologie des 21.Jahrhunderts verwendet das Paradigma Karte schließlich
in einer neuen Qualität. Interaktive und dynamische Karten, multidimensionale Karten, die
Kartierung künstlicher Welten und Wissenskarten sind nur einige Beispiele für einen neuen
Umgang mit Karten. Aus der traditionellen, geografischen Karte hat sich bereits heute ein
komplexes, visuelles Kommunikationsinterface entwickelt.
Eine Karte repräsentiert einen Ausschnitt der realen Welt (wozu auch künstliche Welten
zählen) und transformiert ihn in eine Form, die eine vereinfachte, grafische Darstellung mit
einem flachen Ausgabemedium erlaubt. Karten können dynamisch und interaktiv sein. Zu den
fundamentalen Methoden der Kartografie gehört es, Zustände und Prozesse der Realwelt zu
abstrahieren und zu verallgemeinern. Das beinhaltet die Selektion, Klassifikation,
Vereinfachung und symbolhafte Darstellung von Daten und Informationen. Darüber hinaus
kombinieren moderne Karten Elemente traditioneller Landkarten mit Elementen der
Informationsgrafik und der Diagrammtechnik. Mit Mapping fasst man dabei alle Methoden
zusammen, die Daten und Informationen in eine vorgegebene räumliche oder semantische
Struktur abbilden. Der Begriff einer Karte ist grundsätzlich nicht auf eine ebene Darstellung
beschränkt. Das bedeutet, dass auch die räumliche bzw. zeitliche Dimension in die
Darstellungen einer Karte einbezogen werden können. Das Anwendungsspektrum für Karten
ist heute sehr groß, ob Datenvisualisierung, Statistik oder Topografie, ob
Wetterinformationsdienst, Städteinformation, Routenplaner, Tourismusdienst oder
Geoinformationssysteme, überall werden Karten benutzt, um Informationen zu vermitteln.
Zur Klassifikation von Karten schlägt Dodge ein Schema vor, das eine Einteilung in vier
Kategorien vornimmt: (1) geografisch/materialisiert/räumlich,
(2) geografisch/immateriell/räumlich, (3) virtuell/immateriell/räumlich und (4)
virtuell/immateriell/nicht-räumlich. Karten eignen sich besonders als visuelle
Kommunikationsschnittstellen für Informationssysteme, da sie die grundlegenden
Anforderungen an die Gestaltung von grafischen Benutzerschnittstellen erfüllen: Überblick
und Detail, Zoom, Filter und dynamische Anfragen, Details auf Anforderung sowie die
Rückverfolgung von Benutzeraktivitäten. Eine zunehmende Bedeutung erlangen
Wissenskarten. Wissenskarten sind virtuell und repräsentieren immaterielle Datenobjekte, die
keinen räumlichen Bezug zueinander haben. Sie veranschaulichen in grafischer Form
abstrakte Konzepte, Ideen und Assoziationen. Die Anwendungsgebiete von Wissenskarten
sind vielfältig und reichen von interaktiven Benutzeroberflächen für
Informationsrecherchesysteme über Online-Kataloge bis hin zu Navigationsoberflächen und
Orientierungshilfen für Hyperlinkstrukturen, sogenannte Sitemaps. Wissenskarten kann man
in zwei Kategorien unterteilen: Konzeptkarten und Assoziative Karten. Konzeptkarten fassen
zusammengehörige Dokumente in einem Themengebiet zusammen; durch die Gruppierung
von Themenbereichen entstehen Konzeptbereiche. Assoziative Karten visualisieren dagegen
abstrakte Objekte und deren Objektbeziehungen.
Die Möglichkeiten, die dynamische und interaktive Karten bieten sind noch lange nicht
ausgeschöpft. Bereits heute gibt es eine Reihe von kartografischen Metaphern, die eine weite
Verbreitung in der Computerwelt gefunden haben. In Zukunft wird es sehr stark darauf
ankommen, inwieweit wir die jahrhundertlangen Erfahrungen aus dem Umgang mit Karten
auch für die neuen, elektronischen Informationsmedien nutzen können. Das Paradigma Karte
hat jedenfalls das Potenzial zu einem der wichtigsten semantischen und grafischen
Instrumente in der Mensch-Maschine-Kommunikation zu werden.
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Referenzen
[1] Paul Kahn and Krzysztof Lenk, Mapping Web Sites, Rotovision, 2001.
[2] Peter Wildbur and Michael Burke, Information Graphics,Thames and Hudson, London,
1998.
[3] A.M. McEachren, How Maps work, The Guildford Press, New York, 1995.
[4] Trevor Bounford, Digital Diagrams, Watson-Guptil Publications, New York, 2000.
[5] Edward Tufte, Envisioning Information, Graphics Press, Cheshire, 1990.
[6] Edward Tufte, The Visual Display of Quantitative Information, Graphics Press, Cheshire,
1983.
[7] Martin Dodge and Rob Kitchin, Mapping Cyberspace, Routledge, London, 2001.
[8] Ben Shneiderman, Designing the User Interface, Addison Wesley, Reading, Mass., 1997.
Bildquellen
Abbildung 1 Deutsche Ausgabe der Geographia von Ptolomäus aus Ulm um 1482
Abbildung 2 Tableaux Graphiques et Cartes Figuratives de M.Minard (1845-1869
Abbildung 3 mit Genehmigung von Paul Morin, University of Minnesota
Abbildung 4 mit Genehmigung von Paul Morin, University of Minnesota
Abbildung 5 Screenshot, Data Mining System MineSet der Firma SGI
Abbildung 7 aus NSFNET Visualization Video, Donna Cox and Robert Patterson, NCSA,
http://www.ncsa.uiuc.edu/SCMS/DigLib/text/technology/Visualization-Study-NSFNETCox.html
Abbildung 8 Roland Vilett und Activeworlds.com,
http://www.activeworlds.com/community/maps.asp
Abbildung 9 Screenshot, Newsmap, Java-Applet
Abbildung 10 Screenshot, Demo-Java-Applet, http://www.intermap.de/ml
Abbildung 11 Screenshot, Demo von Ying Leung, Swinburne University of Technology
Abbildung 12 Screenshot, Java Applet, Wetterkarte, http://www.wetter.de
Abbildung 13 Screenshot, Java Applet, Straßenkarte, http://www.web24.de
Abbildung 14 Screenshot, ET-Map-Demo, http://ai2.bpa.arizona.edu/ent/
Abbildung 15 Screenshot, Netscan, http://netscan.research.microsoft.com
Abbildung 16 Screenshot, WebMap, http://www.webmap.de
Abbildung 17 Screenshot, Sitemap Inxight, http://www.inxight.com/map/
Abbildung 18 Screenshot, Kartoo, http://www.kartoo.com
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