MO0814 Outlaw Bastards

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MO0814 Outlaw Bastards
MAGAZIN
Sie tragen die Gene bewährter Großserientechnik in sich, wurden aber mit gezielten
OUTLAW
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Manipulationen neu gepolt. Heraus kamen BÖSE MOTORRÄDER für die besonders intensiven
Momente im Leben. Hinein in die Nacht mit triplespeed SD8R und triplespeed Cafe Racer
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Ausgangsbasis
Triumph Thruxton.
Gechopped, geschwärzt
und insgesamt noch
härter auf den
Cafe Racer-Punkt
gebracht.
Pfiffig: Gesicherter
Zündschalter
in Vergleich der Unvergleichlichen?
Nackter Kampfpanzer gegen RetroCafe Racer. Wie soll man solche
Alphatiere aus scheinbar völlig verschiedenen Motorrad-Dekaden vergleichen? Zahlen, Daten, Fakten helfen nur ansatzweise weiter. Bitteschön: 190 PS bei knapp 180 Kilogramm gegen paar’n 70 PS mit
irgendwas um die 200 Kilos. Test zu
Ende, weil klarer Sieger – oder
ungleiche Chancenverteilung. Alles
Käse. Wir wollen nicht auf der
Isle of Man gewinnen. Hier geht
es um Emotionen, um das Kribbeln
im Bauch, den Amoklauf unter der
Schädeldecke und das Funkeln in
den Augen, wenn man einem dieser
Gestühle gegenüber steht. Die einzigen Zahlen, die bei diesem Test
Sinn machen würden, sind die „Beats
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Kaum ein Bauteil,
das die Erlanger triplespeed-Jungs nicht
in der Hand hatten. In
der scheinbaren Einfachheit der mattschwarzen Fassade
steckt jede Menge
Finesse im Detail
per Minute“ im Venensystem des
Fahrers und eventuell noch die Auswertungen seismologischer Institute.
Doch da beide Probanten hier voll
punkten, können wir das Vernunftsgeschachere gleich mal aus der Wertung nehmen.
Drei Verkostungs-Szenarien haben
wir uns auf die Agenda geschrieben:
Alltagstauglichkeit, sportliche Gangart und, last but not least, Sexappeal.
Mit jener so schwer zu wertenden,
weil wunderbar subjektiven Begutachtung, wollen wir dann auch gleich
durchstarten. Und da uns klar ist,
dass wir das auf keinem Fall in unserem schnöden Werkstattszenario
ergründen können, und wir selbst
dazu gar nicht ausreichend qualifiziert sind, wählen wir ein entsprechendes Ambiente und laden uns
fachkundiges Personal dazu ein. Alte
Lagerhalle, ordentlich Feuer und
drei schöne Frauen. Wir lassen sie
schauen, anfassen, fühlen. Alles im
Sinne der Wissenschaft und immer
mit einer Hand am Puls der Damen.
Das Ergebnis fällt absolut klar
aus, wenn auch etwas ernüchternd,
hinsichtlich eines vermeintlichen
späteren Siegers. Die Herzfrequenzen laufen nämlich permanent in
den Begrenzer, egal ob blond, brünett oder schwarzhaarig, egal ob
Cafe Racer oder SD8R, egal ob im
Sattel sitzend oder tief in die Augen
schauend. Die Damen lassen sich
weder vom güldenen und sündteuren Öhlins-Fahrwerk der SD8R,
ihrem atemberaubend schönen
Matt-Carbonkleid oder etwa der
keramikbeschichteten Akrapovic-
Titan-Komplettanlage beeinflussen,
noch schafft es der Cafe Racer mit
„Stilbomben“, wie der ganz old
school-like umwickelten Auspuffanlage, dem komplett offen liegenden Ansaugtrakt oder etwa der ihm
eigens auf den Leib geschneiderten
Tank/Heck-Kombination,
sich
einen Vorsprung in den Herzen
„herauszufühlen“.
Nein, die Ladys haben keine
Ahnung von diesen Dingen und
finden beide Gefährte einfach nur
heiß wie die Hölle. Der letzte Holzscheit in der Feuertonne ist abgefackelt, die Damen haben bereits die
Flüssigkeitskühlung gestartet, um
ihre erhitzten Gemüter bei Prosecco
wieder runterzufahren, und wir? Wir
sind bereit, die Alltagstauglichkeit
abzuklopfen.
Raus aus der illegal besetzten
Lagerhalle und rein ins urbane
Nachtleben. Ampelstarts, Vollgassalven, im Drift vors Straßencafe. Ja,
soweit sind sie schon mal „alltagstauglich“. Menschentrauben vor der
Lokalität. Frauen im Café, die ihren
Ehering verstecken. Und Männer –
die ihre Frauen verstecken. „Ach
was, das sind ja beides Einsitzer,
oder? Würde genau zu mir passen,
ich bin nämlich auch eher der einsame Wolf.“
Schon klar. Ein von Mitleid zeugendes schmales Lächeln, kurzer
Handschlag und Tritt ins Kreuz.
„Träume nicht. Lebe!“ Was den Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen angeht, punktet der Cafe
Racer in diesem Umfeld nun aber
deutlich. Der smarte britische
Gentleman wickelt sie alle um die
zart überschliffenen Zylinderkühlrippen. Egal ob Männchen oder
Weibchen, jung oder alt, zutätowiert
oder spießbürgerlich, er kriegt sie
(fast) alle ins Twin-Bett.
Die SD8R steht hier tatsächlich
ein wenig im Schatten, doch das
macht ihr nichts. Auch sie hat ihre
Fans auf der Meile. In Summe möglicherweise nicht so viele, doch wer
ihr erliegt, dem atomisiert es den
Unterkiefer beim Aufprall auf der
Bordsteinkante. Nein, sie will gar
nicht „everybody’s darling“ sein, sie
ist „bad ass“ pur, steht dazu und lebt
diesen Style bis in die letzte finstere
Unterlegscheibe. Da KTM aktuell
kein vollcarbonisiertes Koffersystem für ihr Superbike plant und es
als Zubehör maximal Navihalter,
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Ebenfalls tief
schwarz, aber von völlig
anderem Charakter.
Die auf Basis der KTM RC 8
entstandene triplespeed SD8R ist ein hypermodernes PowerNaked Bike. Vehemente
Twin-Power trifft auf wenig
Masse. Geht furchtbar
jedoch nichts Taugliches für abgesägte Pumpguns, Morgensterne oder
Baseballschläger gibt, geht die Alltagswertung aufgrund der höheren
„Flachlegerate“ knapp an den finsteren Vintage-Twin von der Insel.
Zurück im Sattel fiebern wir
hinaus in die Vororte, ein bisschen
Frischluft schnappen, die Tachonadel mal gen Zenit schicken und
elegant ein paar Kurvenkombinationen aufschnupfen, wie Kate Moss
die Lines in ihren besten Tagen. Und
wie zu erwarten, kommt es hier zu
einer deutlichen Kräfteverschiebung.
Gerade noch der Star am Boulevard,
bleibt dem Kaffeehaus-Renner jetzt
nur noch dem diabolischen Feuerstreif am Horizont zu folgen. Die
gelegentlich auftretenden Abgasnachverbrennungen aus der bitter78
Zweckdienliche
Funktionalität und
die typischen Insignien
des zeitgemäßen
Hochleistungs-Viertakters zeichnen die
Architektur der
triplespeed-KTM. Alles
angewürzt mit reichlich
Carbon-Eleganz
böse bollernden Evo4-Anlage garantieren, zumal bei nächtlichen Ausflügen, für pyromanische Glückseeligkeit.
Die SD8R mag ums Eck kommen
wie ein muskelbepackter Türsteher
vom Kiez, doch ist sie von der Anlage her nach wie vor ein waschechtes Superbike. Schnell, flink, wendig.
Und das zeigt sie hier, in jeder Kurve,
auf jeder noch so kurzen Geraden.
Von den Eckdaten her ist sie zwar ein
wahres Monster, lässt sich überraschenderweise aber dennoch recht
entspannt Powercruisen. Egal ob
über Land oder im urbanen Dschungel, solange man die digitale Drehzahlanzeige nur bis zum mittleren
Bereich marschieren lässt, ist das alles
relativ überschaubar. Eine Schmusekatze wird der urgewaltige V-Zwo
dadurch zwar noch lange nicht, doch
kann man das Biest in diesem Bereich
ganz gut mit einem leicht ausgehungerten Löwen im Käfig vergleichen:
aggressiv, gefährlich, aber unter Kontrolle. Lässt man das Gas hingegen
stehen und die Kurbelwelle rotieren, dann bricht wortwörtlich die
Viertakt-Hölle los. Legt man die
Schieber der SD8R auf Anschlag, hat
dies ähnlich zerstörerische Auswirkungen, als würde man mit einer
Horde zugekokster Elefanten zum
Shoppen in den nächstgelegenen
Porzellanladen gehen. Egal ob Stadt,
Land oder Rennstrecke. Wer hier
voll durchzieht sollte erstens wissen,
was er tut, und zum zweiten sowieso keinen Bock mehr auf Kumpels
haben, denn die sind entweder zu
langsam, zu friedliebend oder ein-
fach nicht mehr existent, weil im
Abgasstrahl verglüht.
Beim Cafe Racer handelt es sich
jedoch um einen völlig anderen
Charakter. Eher der britische
Gentleman. Smart, tough, extrem
lässig. Doch sollte man sich davon
nicht täuschen lassen. Kommt ihm
jemand blöd, wird das Tweed-Jackett
abgestreift, der gute Zwirn fein
säuberlich beiseite gelegt, ein paar
Mal mit der blanken Faust voll
durchgezogen, und nachdem sich
die blutigen Knöchel am weißen
Seidentaschentuch abgewischt wurden, geht es zurück an den Pokertisch, um bei einem trockenen
Martini das komplette Guthaben
„allin“ zu setzen. Casino Royale
auf zwei Rädern quasi. Brandgefährlich, weil so verdammt cool
und mit einem brutalen Punch in
der Rechten.
Das letzte Testszenario neigt sich
also dem Ende zu und findet seinen
würdigen Abschluss nicht etwa in
einem Schmiergeld-finanzierten
Driving Center oder einer sauber
gefegten und rotweiß eingerahmten
Rennstrecke. Nein, wir werfen den
Anker direkt an der „Waterkant“.
Kai 3.
Was könnte besser passen, um
SD8R und Cafe Racer mal ordentlich die Sporen zu geben, als die
Kopfstein bepflasterte Quartermile direkt unter den Hafenkränen
hindurch? Wir warten, bis die
Wasserschutzpolizei vom Radar verschwindet und geben Feuer. Jetzt
wird geburnt, geballert und sinnbefreit Spaß produziert, bis das
Hafenbecken bebt und der Stichling
bauchwärts oben schwimmt.
Brauchen wir noch ein Fazit? Am
Ende darf es nicht die Frage sein,
welche von beiden, sondern viel
mehr, ob man sie wirklich zusammen
in die Enge einer einzelnen Vorstadtgarage zwängen will? Anbauen
vielleicht? Und wenn aus Platzgründen nicht möglich, lieber gleich
zum Nachbarn durchbrechen. Dieser wird freilich erstmal etwas verstört dreinschauen, wenn er – vom
Baulärm angelockt – in seinen Fahrzeugunterstand kommt und dich
mit Presslufthammer und Bauhelm
bewaffnet vorfindet. Doch dann ist
es an dir, beruhigend deine Hand
auf seine Schulter zu legen und ihm
zu erklären: „Hey Kumpel, dafür
kannst du sie dir doch jetzt jeden
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Zwei zu eins im LadiesTest. Wahrscheilich weil die
triplespeed-KTM nach
mehr Kohle riecht. Aber auf
den passenden Platz für die
Sozia müssen beide Aufreißer verzichten. Da kann es
nur noch heißen: Feuer auspusten, Zündschalter umlegen und auf der Hafenmeile
zornige Frustsprints herunterreißen. Die entscheidet
die hyperpotente SD8R mit
Brachialpower für sich.
Wobei die Triumph dank Harmonie gute Meter macht
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Tag anschauen.“ Mal ehrlich, wer
könnte da noch etwas dagegen
haben? Und wenn er rumzickt? Soll
er doch umziehen, der ignorante
Sack. Dürfte eh das Beste sein, denn
wer will schon inmitten eines Erdbebengebietes leben, das vornehmlich am Wochenende oder auch gerne
mal werktags zum Feierabend mit
Highscores auf der Richterskala aufwartet und dafür sorgt, dass selbst
sonntags nur noch wabbelige Tupperware auf den Tisch kommt? Der
Sommer ist zu kurz für langweilige
Motorräder.
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Steckbrief triplespeed SD8R
Steckbrief triplespeed Cafe Racer
Basis: KTM RC8R Superbike
Design: kompletter Frontumbau inklusive Superbikelenker,
Maske, Echtcarbon-Ram Air, Anpassung Kabelbaum, Kühlkreislauf, etc.. Kompletter Echtcarbon-Bodykit inklusive
Frontfender, Bugspoiler, Monoheck, Hinterradabdeckung,
Motordeckeln, etc.. Austausch nahezu aller sichtbarer
Schrauben gegen schwarzeloxierte Aluminium-, beziehungsweise Titanschrauben. Pulverbeschichten beziehungsweise Eloxieren nahezu aller „farbigen“ Bauteile
Motor: Geänderte Motorelektronik inklusive selbstlernendem
Steuergerät und Schaltautomat, sowie Zylinderselektiver
Abstimmung. Akrapovic Evo 4 Titan-Komplettanlage, mattschwarz keramikbeschichtet
Fahrwerk und Rahmen: Öhlins-Gabelcartridge, ÖhlinsTTX-Federbein mit pneumatischer Federvorspannung (aus
Superbike-WM), komplett schwarz eloxiert. 10-Y-SpeichenSchmiedefelgen, Wave-Scheiben. Brembo RCS19-Bremspumpe. Rastenanlage
Leistung und Gewicht: zirka 185 PS bei 175 kg (inklusive
Flüssigkeiten ohne Benzin)
Preis: Komplettumbau inkl. Neufahrzeug je nach Ausstattung
ab 29 000 Euro, hier gezeigtes Modell zirka 50 000 Euro
Kontakt: www.triplespeed.de
Basis: Triumph Thruxton
Design: eigens angefertigter Bodykit, bestehend aus Tank
und Heck. Umbau auf offenen Ansaugtrakt inklusive Rennluftfiltern. Scheinwerferumbau, LED-Rücklicht und Lenkerendblinker. Austausch nahezu aller „farbiger“ Schrauben
gegen schwarze Alu- beziehungsweise Titanschrauben.
Pulverbeschichten beziehungsweise Eloxieren sämtlicher
farbiger Bauteile
Motor: Geänderte Motorelektronik inklusive selbstlernendem Steuergerät und Schaltautomat. Racing-Endtöpfe
schwarzmatt Keramik beschichtet sowie mit Auspuffband
umwickelter Krümmer
Fahrwerk und Rahmen: Gabelbrücken und Lenkerstummel ausgetauscht. Gabel überarbeitet und mit neuen Federn
versehen. Racing-Federbeine (aus den USA). Rastenanlage
ausgetauscht
Leistung und Gewicht: zirka 70 PS bei zirka 210 Kilogramm
(inklusive Flüssigkeiten ohne Benzin)
Preis: Komplettumbau inkl. Neufahrzeug je nach Ausstattung ab 19 000 Euro. Hier gezeigtes Modell ca. 23 000 Euro
Kontakt: www.triplespeed.de
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