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Hawaii Moderne: Die Architektur von Vladimir Ossipoff
Goodsill House (Innenhof), Wai‘alae,
Honolulu, O‘ahu 1952.
Architekt: Vladimir Ossipoff.
Foto: © Victoria Sambunaris, 2006.
14. März 2009 – 14. Juni 2009
Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt
“Hawaii Moderne: Die Architektur von Vladimir Ossipoff”
Eröffnung: Freitag, 13. März 2009, um 19 Uhr
Medienkonferenz: Donnerstag, 12. März 2009 um 11 Uhr
Führungen jeweils samstags und sonntags um 15 Uhr
Öffnungszeiten:
Di, Do - So 11.00 – 18.00
Mi 11.00 - 20.00
Deutsches Architekturmuseum | Schaumainkai 43 | 60596 Frankfurt
www.dam-online.de
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Hawaii Moderne: Die Architektur von Vladimir Ossipoff
Pressemitteilung
Frankfurt/Main, 12. März 2009
“Hawaii Moderne: Die Architektur von Vladimir Ossipoff”
In den sieben Jahrzehnten seiner beruflichen Tätigkeit spielte Vladimir Ossipoff (19071998) bei der Entwicklung einer charakteristischen modernen Architektur auf Hawaii eine
zentrale Rolle: Während einer Zeit des rasanten politischen und gesellschaftlichen
Wandels schuf er im 50. Staat Amerikas eine Architektur, in der sich regionale und
globale Einflüsse verbinden. Über 1.000 Bauprojekte sind das Ergebnis seiner
außerordentlichen Produktivität. Die Projekte, die er für den asiatisch-pazifischen-Raum
entwickelte, können auch heute noch Modellcharakter beanspruchen hinsichtlich der
Nutzung lokaler topografischer und klimatischer Bedingungen zur Entwicklung
energiebewusster Lösungen und im Hinblick auf die Integration disparater kultureller
Vermächtnisse. Von den 1950er bis in die 1970er Jahre leistete Ossipoff Pionierarbeit auf
dem Gebiet der Planung und Entwicklung. Unter Einbeziehung des spezifischen Kontexts
setzte er sich für ein Konzept der Nachhaltigkeit unter Verwendung einheimischer
Baumaterialien ein. Die Ausstellung Hawaii Moderne: Die Architektur von Vladimir
Ossipoff rückt diese wichtige Persönlichkeit ins Licht und erhellt eine bislang übersehene,
außerhalb der Inselkette noch immer weitgehend unbekannte regionale Variante der
Moderne.
Nach Stationen in Honolulu/ Hawaii und Yale/ Connecticut ist die Ausstellung in Frankfurt
am Main als einzige europäische Station zu sehen. Mit Dokumenten, die aus dem
privaten und dem Büroarchiv des Architekten kommen, sowie Interviews, die mit seiner
Familie, Kollegen, ehemaligen Angestellten und Auftraggebern geführt wurden, umfasst
die Präsentation im 1. Obergeschoss des Deutschen Architekturmuseums rund 120
Ausstellungstücke, darunter Originalzeichnungen, Archivfotografien und Modelle sowie
ein speziell für die Ausstellung produziertes Dokumentarvideo .
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Hawaii Moderne: Die Architektur von Vladimir Ossipoff
Vladimir Ossipoff (1907-1998)
Ossipoff war weder ein gebürtiger Hawaiianer noch stammte er aus den Vereinigten
Staaten, vielmehr war er ein Kosmopolit. Geboren im russischen Wladiwostok, wuchs er
in Tokio auf, wo sein Vater einen diplomatischen Posten besetzte. Er lebte dort bis zum
Alter von fünfzehn, als seine Familie infolge des Großen Kant -Erdbebens im Jahr 1923
nach Kalifornien emigrierte. Nach dem Abschluss des Architekturstudiums an der
University of California, Berkeley, im Jahr 1931 und nach dem gescheiterten Versuch,
inmitten der Wirtschaftskrise dort beruflich Fuß zu fassen, bestieg er ein Dampfschiff
nach Honolulu, ließ sich auf Hawaii nieder und begann seine Architektenlaufbahn, die sich
über mehr als 60 Jahre des 20. Jahrhunderts erstrecken sollte.
Von den frühen 1930ern bis zu den späten 1950ern war Ossipoff vorrangig für eine
einflussreiche Elite tätig, die von den Nachfahren neuenglischer Missionare gebildet
wurde, welche durch die Kontrolle über das Land und die Landwirtschaft auf Hawaii zu
Ansehen and Wohlstand gelangt waren. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zählten
diese kama’aina (Kinder des Landes) zu den bedeutendsten Förderern von Kunst und
Kultur auf Hawaii. Dieser Oligarchie gehörten viele der Auftraggeber Ossipoffs an; für sie
entwarf er Bauten, in denen sowohl die internationale Moderne als auch Elemente
traditioneller japanischer Bauweise einflossen. Da er in Japan aufgewachsen war, hatte
Ossipoff die subtilen Gestaltungselemente der japanischen Landschaftsarchitektur
kennengelernt und war mit der exzeptionellen Handwerkskunst japanischer Zimmerer
vertraut. Auch auf Hawaii sah er sich laufend nach japanischen Handwerkern um, die in
der Lage waren, architektonische Details seinen präzisen Ansprüchen gemäß
auszuführen.
Zwei Ereignisse im Jahr 1959 leiteten auf Hawaii einen Wendepunkt ein: die Umwandlung
des annektierten Territoriums in einen amerikanischen Bundesstaat und die Ankunft des
Boeing 707 Düsenflugzeugs. Der nachfolgende drastische Anstieg des Tourismus führte
auf den Inseln zu tief greifenden politischen und gesellschaftlichen Veränderungen. In
dem Jahrzehnt der rasanten Entwicklungen nach der Erklärung der Eigenstaatlichkeit
Hawaiis wurde die wirtschaftliche Expansion durch den Tourismus und das Militär
vorangetrieben, während die Inseln den Übergang von der Vorherrschaft der Oligarchie
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Hawaii Moderne: Die Architektur von Vladimir Ossipoff
zu Territorialzeiten zu ihrem neuen Status als einem demokratischen, multikulturellen
Bundesstaat im Jahr 1962 vollzogen.
Obwohl sein Naturell ihn eher als Pragmatiker denn als Theoretiker auswies, erkannte
Ossipoff sowohl die Unvermeidbarkeit als auch die Vorteile des gesellschaftlichen
Wandels und der urbanen Expansion Hawaiis. Allerdings stand er der unkontrollierten
baulichen Entwicklung in der Stadt Honolulu kritisch gegenüber, und nachdem er im Jahr
1964 das Amt als Präsident des Hawaiischen Ortsverbandes des American Institute of
Architects angetreten hatte, erklärte Ossipoff mit Blick auf die hemmungslose bauliche
Erschließung Waikikis, Honolulus aufkeimendem Touristenviertel, einen „Kampf gegen die
Hässlichkeit“. Und im Jahr 1978 identifizierte er in einem visionären Kommentar
umweltpolitische Belange als zentrales Element zukünftigen Bauens. Er postulierte, dass
„die Konstruktion von Gebäuden auf die Speicherung von Energie ausgerichtet sein
[wird]. Der Schwerpunkt wird dabei nicht auf der Überwindung der natürlichen
Temperaturbedingungen mit gigantischem technischem Aufwand liegen, sondern darauf,
Hitze und Kälte mit baulichen Mitteln, im Einklang mit den Kapriolen der Natur, zu
absorbieren oder abzuwehren.”
Diese Sichtweise floss in Ossipoffs Ansatz zur architektonischen Gestaltung ein. Sein Büro
erhielt zahlreiche Aufträge – von Wohnhäusern, Schulen und Kirchen eher
bescheideneren Umfangs bis hin zu weit größeren Projekten wie Bürogebäuden,
Krankenhäusern und Flughäfen, von denen viele bis heute genutzt werden. Seine
Gebäude repräsentieren eine vom Kontext des jeweiligen Ortes inspirierte moderne
Architektur; geprägt von Respekt für die Umgebung, vereinigen sie Einflüsse der
westlichen Moderne mit Komponenten, die der japanischen Bauweise entlehnt sind, und
anderen, inseltypischen Elementen unter Verwendung örtlicher Ressourcen. Es handelt
sich um eine ortstypische Architektur, die die moderne amerikanische Architektur einer
traditionellen pazifischen Kultur und insbesondere der üppigen Landschaft Hawaiis
angleicht.
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Hawaii Moderne: Die Architektur von Vladimir Ossipoff
Über die Ausstellung:
Fünf Architekturthemen sowie der „Kampf gegen die Hässlichkeit“
Diese Ausstellung ist von höchster Aktualität, da Themen wie Globalität kontra
Regionalität, Energieverbrauch und Nachhaltigkeit zurzeit im Zentrum des Diskurses
stehen. Ossipoff beabsichtigte weder, sich selbst ein architektonisches Denkmal zu
setzen, noch dokumentierte oder präsentierte er seine Prinzipien in Form eines
theoretischen Konzepts; im Rückblick jedoch offenbaren sich durch ein genaues Studium
seiner Zeichnungen und ein Erleben seiner Gebäude eine Reihe wiederkehrender
Themen. Die Gebäude bilden den Leitfaden, der durch die in fünf Bereiche gegliederte
Ausstellung führt, wobei sich jeder der Teilbereiche mit jeweils einem Thema aus der
Architektur beschäftigt; eine weitere, sechste Sektion ist Ossipoffs „Kampf gegen die
Hässlichkeit“ gewidmet.
Die Entdeckung der Landschaft präsentiert Gebäude, die spannungsreich in ihre
Umgebung integriert wurden; Hawaiianisch und modern zeigt das gesamte Spektrum
der architektonischen Auffassungsgabe Ossipoffs; Dunkelheit und Luft reflektiert die
kunstvolle Verbindung von Schatten und natürlichem Luftwechsel zur Erzeugung von
Wohnlichkeit, aber auch von Spannung in seinen Gebäuden;
Einheimische Materialien, moderne Details veranschaulicht Ossipoffs Verwendung
örtlicher Ressourcen sowie auch der neuesten Bautechniken; ‘Lanai’ als Lebensraum
erforscht Ossipoffs Weiterentwicklung des allgegenwärtigen hawaiischen ‘Lanais’ – einer
freistehenden, seitlich offenen, flach überdachten indigenen Konstruktion – in einen
eigenständigen Gebäudetypus. Der Kampf gegen die Hässlichkeit beschreibt Ossipoffs
Bemühungen, ein öffentliches Bewusstsein für die Gefahren exzessiv betriebener
städtebaulicher Entwicklung auf den Hawaii-Inseln zu schaffen.
Die Entdeckung der Landschaft
Vladimir Ossipoff erzeugte zwischen seiner Architektur und ihrem Umraum eine
Beziehung wechselseitiger Korrespondenz. Ein wesentlicher Aspekt bei der Entwicklung
des Standortes war die überlegte Positionierung des Gebäudes. Statt in die gegebene
Landschaft ändernd einzugreifen, entwarf Ossipoff Gebäude als Resonanz auf die
Besonderheiten des Terrains. Durch seine Betonung der Bezüge zwischen Innen- und
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Hawaii Moderne: Die Architektur von Vladimir Ossipoff
Außenraum, Gebäude und Umgebung, entfalten sich deren jeweilige große und kleine
charakteristische Eigenschaften sukzessive.
Sein in dieser Hinsicht poetischstes Bauwerk ist die Robert Shipman Thurston, Jr.
Memorial Chapel (1967), eine Kapelle auf dem Schulgelände der Punahou School in
Honolulu, einer angesehenen, im Jahr 1841 ursprünglich von Gemeindemissionaren
gegründeten Privatschule. Sie befindet sich in einem Gebiet, das Manoa Valley genannt
wird; in einem stillen Winkel gelegen, verbindet die Kapelle Teile des Anwesens
miteinander. Auf dem Gelände gibt es eine natürliche Quelle und einen Teich, nach dem
die Schule benannt wurde.
Inmitten eines Innenhofs gelegen, erzeugt die Quelle eine intime Atmosphäre, die sich im
Inneren der Kapelle fortsetzt, wo dezentes Licht eine dämpfende Wirkung auf die
energiestrotzenden jugendlichen Kirchenbesucher ausübt. Eine leichte Abwärtsneigung
des Hauptaltarraumes endet auf dem Höhenniveau des Teiches, der tatsächlich in die
Kapelle eindringt. Hell angestrahlte Buntglaspaneele erzeugen farbige Lichteffekte auf der
gesamten Wasseroberfläche. Obwohl die Kirche fünfhundert Personen Raum bietet, ist
keine der Sitzgelegenheiten weiter als zwölf Meter vom Altar entfernt. Thurston Chapel
ist ein archetypisches Beispiel für Ossipoffs Vision: Die Kapelle repräsentiert
gleichermaßen Hawaii, die Moderne sowie eine zeitlose Lösung, die sich nicht auf einen
Vorläufer zurückführen lässt. Im Ergebnis verbindet sich eine signifikante Formgebung
mit edlen Materialien und verschmilzt mit dem Ort und dessen Mythos zu einer Einheit.
Präsident Barack Obama war ab der fünften Klasse Schüler dieser Schule, an der er im
Jahr 1979 nach der zwölften Klasse seinen Abschluss machte. In seiner Autobiografie
‚Dreams from My Father’ erinnert sich Obama an einen Ausruf seines Großvaters
anlässlich eines ersten gemeinsamen Erkundungsbesuchs der Schule: „Zum Teufel, Bar,
das ist keine Schule, das ist der Himmel auf Erden!“ Obama schildert „einen
Gebäudekomplex, der sich über etliche Morgen Land mit üppigen grünen Feldern und
schattigen Bäumen erstreckt, alte gemauerte Schulgebäude, aber auch moderne Bauten
aus Glas und Stahl“.
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Hawaii Moderne: Die Architektur von Vladimir Ossipoff
Hawaiianisch und modern
Obwohl in Berkeley zu Ossipoffs Studentenzeit in der Beaux Arts-Tradition gelehrt wurde,
stand er dennoch der Moderne aufgeschlossen gegenüber und entwickelte auf Hawaii
neue ästhetische Aspekte und innovative Bautechniken. In vielen seiner Entwürfe findet
sich eine an die Moderne angelehnte Abstraktion der Form, gepaart mit einer Schlichtheit
des Stils und minimaler Ornamentierung. Dennoch war Ossipoffs Ansatz ein
pluralistischer: er verwehrte sich nicht den Einflüssen der hawaiischen Gepflogenheiten,
der Verwendung indigener Materialien und dem Konzept der unter subtropischen
Klimaverhältnissen unerlässlichen Schattenspender. Insbesondere in seinen Bürobauten
verbinden sich die ortsspezifischen Gegebenheiten mit einem erlesenen internationalen
Geschmack und resultieren in einen Stil, der die Architektur der Moderne als die
maßgebliche Architektur Hawaiis zur Zeit der Eigenstaatlichkeit auswies.
Dunkelheit und Luft
Ossipoff argumentierte oft, dass das traditionelle japanische Haus – mit seinen dünnen
Wänden, den dunklen Innenräumen und dem natürlichen Luftwechsel – für hawaiische
Verhältnisse viel geeigneter als für Japan war. In einer Kultur verortet, in der
panasiatische Werte mit einem milderen Klima zusammentreffen, demonstrieren
Ossipoffs Wohnräume exemplarisch, wie dezentes, gefiltertes, auf Oberflächen aus
natürlichen Materialien scheinendes Tageslicht elegante, mysteriöse Innenräume
erzeugen kann, die ästhetisch ansprechen und eine wohnliche Atmosphäre erzeugen.
Dieser subtile Einsatz von Schatten und Luft erforderte einen Balanceakt, um dem
Passatwind den Durchzug zu erlauben und dabei ausreichenden Schutz vor Regen und
Sonnenlicht zu bieten – und gleichzeitig durch überlegte Platzierung der
Fensteröffnungen den ungehinderten Ausblick nach draußen nicht zu verwehren.
Goodsill House, ein Wohnhaus bescheidenen Ausmaßes, das für einen jungen Anwalt
und seine Familie in einer neuen Vorstadtsiedlung auf dem nordöstlichen Abhang von
Diamond Head in Honolulu gebaut wurde (1952), liefert hierfür ein anschauliches
Beispiel. In einer schneckenförmigen Spirale verbirgt sich ein kompaktes
Schmuckkästchen voller Überraschungen. Die Räumlichkeiten sind in drei Bereiche
unterteilt: Um einen zentral angelegten Garten gruppieren sich gewundene separate
Flügel für Wohnen und Essen sowie ein Schlaf- und ein Kinderzimmer. Unter Verwendung
der von ihm bevorzugten Materialien und einer Akzentuierung mittels Licht und Schatten
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Hawaii Moderne: Die Architektur von Vladimir Ossipoff
konzipierte Ossipoff ein harmonisch in die Umgebung integriertes Haus und ersann eine
raffinierte Raumaufteilung mit natürlichem Luftwechsel.
Einheimische Materialien, moderne Details
Vladimir Ossipoff erkannte die Signifikanz des Ansatzes, ein Gebäude durch die
Verwendung heimischer Baumaterialien in den gegebenen Kontext zu integrieren und
zugleich von den fortschrittlichsten Entwicklungs- und Bautechniken zu profitieren, deren
Einsatz die finanziellen Mittel seiner Auftraggeber erlaubten. In seinen Innenräumen
verwendete er häufig das einheimische ko’a und ohi’a Holz, um seinen Wohnhäusern wie
auch den kommerziell genutzten Gebäuden zusätzliches Flair zu verleihen. Auch
versetzte er die Betonaußenwände seiner Gebäude und verschiedene andere Oberflächen
mit heimischem vulkanischem Gestein und Sandstein von der Küste.
Ossipoff realisierte verschiedene innovative Projekte aus vor Ort gegossenem oder vorab
gefertigtem Stahlbeton. Sein Diamond Head Apartments-Gebäude (1958) war
weltweit das erste vollständig aus Spannbeton errichtete Hochhaus. Ein anderes seiner
Geschäftsgebäude in Honolulu, das IBM-Gebäude (1962), das die innovative
Stahlbetontechnologie an einem prominenten Standort vorführt, entwickelte sich zu
einem Wahrzeichen der Stadt. Ossipoff beabsichtigte, das internationale Image des
Unternehmens als Marktführer der Computertechnologie herauszustellen und dabei eine
ortsspezifische Ästhetik zu erschaffen, und entwarf ein schlichtes siebenstöckiges
Gebäude mit Außenwänden aus Stahlbeton. Um das vom Fußboden bis zur Decke
geführte Glas der Vorhangfassade vor der prallen Sonne zu schützen, konzipierte er eine
praktische und dennoch abstrakt wirkende Verblendung in Gestalt eines skulptural
markanten vorgefertigten Betongitters. Ossipoff verwies auf dieses Projekt als eines,
dessen Entwurf sowohl dem globalen Anspruch seines Auftraggebers als auch den
regionalen Gegebenheiten Rechnung zu tragen hatte. In einem Zeitungsartikel, den er
über das IBM-Gebäude verfasste, schrieb Ossipoff: „In der Systematik der
Rasterdarstellung verweist das Betongitter nicht nur auf die charakteristischen Attribute
der Computerwelt des Unternehmens IBM, sondern vermittelt zudem das Gefühl, dass
das Gebäude in die Sonne gehört. Die vom Gitterwerk geworfenen tiefen Schatten
gehören ebenso sehr zur Architektur des Gebäudes wie jedes andere materiell greifbare
Element.“ Ossipoff betonte darüber hinaus, dass es sich bei seinem Gitter um eine
Spezialanfertigung handele, die Lösungen für zwei weitere Probleme bot: es war nicht
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Hawaii Moderne: Die Architektur von Vladimir Ossipoff
nur selbstreinigend sondern auch abgewinkelt konstruiert, um Tauben davon abzuhalten,
sich dort niederzulassen.
Lanai als Lebensraum
Eine der innovativsten Beiträge Ossipoffs zur modernen Architektur war die Umwandlung
des indigenen ‘Lanais’ in einen auf den Inseln einzigartigen Gebäudetypus. Er erkannte
das Potential dieser an den Seiten offenen, freistehenden, mit einem leichten Dach
überspannten Konstruktion, die als zentraler Wohnbereich in einem Privatheim oder als
einladender, offen zugänglicher Raum in einem größeren Gebäudekomplex fungieren
konnte, und konzipierte eine Art „Innenaußenraum“, den er immer weiter perfektionierte.
Wenn er vor dem Passatwind und dem Regen geschützt ist, bietet der ‘Lanai’, der sich
mit minimalem Aufwand konstruieren lässt und auch vom optischen Erscheinungsbild her
minimal ist, die ideale Kombination von Innen- und Außenraum. Er ist mit einem
Flachdach ausgestattet, und bei schlechtem Wetter bieten separate Service- oder
Privaträume, wie zum Beispiel Küchen oder Schlafzimmerflügel, schützende Zuflucht. In
Projekten, die eine Gelegenheit boten, Innenräume und Außenraum zu verbinden,
erkundete Ossipoff das Potential des ‘Lanais’ als einer umfassenderen Konstruktion und
entwickelte ihn schließlich zu großflächig angelegten Gebäudekomplexen weiter.
Ossipoff entwarf Blanche Hill House (1961) direkt am Strand von Kāhala in der Form
eines ‘Lanais’, um das Gebäude so weit und so zwanglos wie möglich der Umgebung zu
öffnen. Der Wohnsitz, der allerdings trotz seiner erstklassigen Lage in den 1980er Jahren
abgerissen wurde, war ein Komplex von kleineren geschlossenen Räumlichkeiten, die
durch großzügig angelegte offene Räume miteinander verbunden waren. Um den Aspekt
der Offenheit zu maximieren, versteckte Ossipoff die Stützbalken in der
Deckenkonstruktion über den weiten Öffnungen des ‘Lanais’ und des Wohnbereichs und
ermöglichte eine vollständige Öffnung oder komplette Abriegelung mittels Schiebe- und
Faltpaneelen in drei Lagen voreinander: vom Boden bis zur Decke reichende Holzläden
sowie Glas- und Gittertüren. Da ein Großteil der tragenden Konstruktion kaschiert war,
bot das Heim den ungehinderten Blick auf spektakuläre Aussichten. Die Gesamtwirkung
ist geprägt vom Kontrastreichtum der Architektur und den nahtlosen Übergängen vom
Innen- zum Außenraum.
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Hawaii Moderne: Die Architektur von Vladimir Ossipoff
Die Weiterentwicklung des ‘Lanais’ war Ossipoffs bedeutendster Beitrag zur hawaiischen
Baukultur. Indem er die Logik einer indigenen landesspezifischen Bautypologie mit
Einflüssen aus der Moderne des 20. Jahrhundert und einer der japanischen Kultur
entlehnten Empfindsamkeit für die Natur verband, etablierte er einen zeitlosen und
unverwechselbaren Baustil, der in dieser Form nur in den Tropen möglich war.
Der Kampf gegen die Hässlichkeit
Im Jahr 1964, mit dem Antritt des Amtes als Präsident des Ortsverbands von Hawaii,
begann Vladimir Ossipoffs „Kampf gegen die Hässlichkeit“, ein Feldzug gegen das
mangelnde Bewusstsein der Öffentlichkeit für gute Architektur und städtebauliche
Flächennutzungskonzepte. Damit hatten die von Ossipoff während seiner gesamten
beruflichen Laufbahn verfolgten Bestrebungen, die urbane Entwicklung in seiner
Wahlheimat zu fördern, ihren Höhepunkt erreicht. Seine Amtseinführung geschah zur
rechten Zeit: Während in dem neuen 50. Staat die tourismusbedingte städtebauliche
Expansion unkontrolliert zu explodieren drohte, trat er für Richtlinien ein, die im Einklang
mit der besonderen Topografie, der Lage und dem Klima Honolulus stehen sollten. Durch
die lokalen Nachrichtenmedien ließ Ossipoff verkünden, dass die Architektenschaft hinfort
zu Themen der städtebaulichen Planung und Entwicklung öffentlich Stellung beziehen
würden, um „... den Einwohnern Hawaiis, ... verstärkt zu Bewusstsein zu bringen, welch
signifikante Rolle jeder einzelne Bürger und jede in der Gemeinschaft vertretene
Bevölkerungsgruppe bei der Gestaltung des eigenen Umfeldes spielen kann, um dieses in
einen schöneren Ort umzuwandeln, an dem es sich besser leben und arbeiten lässt.“ Ziel
dieser Aktivitäten war die Einflussnahme auf die Stadtverwaltung, unter Mitarbeit
heimischer Architekten für O’ahu ein umfassendes Konzept und einen
Flächennutzungsplan zu entwickeln.
Ossipoffs Wertvorstellungen stimmten mit den Empfehlungen überein, die der
amerikanische Kulturkritiker Lewis Mumford nahezu drei Jahrzehnte zuvor in seinem von
der städtischen Behörde für Parkanlagen in Auftrag gegebenen „Whither Honolulu“Gutachten (1938) ausgesprochen hatte. Wie Mumford mahnte, seien viele der
ursprünglichen Qualitäten „... bereits verdorben worden. Weitere katastrophale
Folgeerscheinungen sind zu erwarten, es sei denn, es würden sofortige Maßnahmen
eingeleitet, um Honolulus besondere Vorzüge zu erhalten,“ Mumford hatte zum Beispiel
die Anbindung an den Pazifik gefordert und die Errichtung von Gebäuden unter
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Hawaii Moderne: Die Architektur von Vladimir Ossipoff
Einbeziehung des milden Passatwindes und der außergewöhnlichen und einzigartigen
Inselflora. Die prophetischen Worte Mumfords und Ossipoffs Engagement auf
kommunaler Ebene trugen letztendlich zur Verabschiedung des ersten umfassenden
Flächennutzungsplans Ende der 1960er Jahre bei sowie der späteren Einführung
spezifischer, bis zum heutigen Tage gültiger, Richtlinien für architektonisch besonders
wertvolle Stadtteile wie zum Beispiel Waikiki.
Die Ausstellung Hawaii Moderne: Die Archietktur von Vladimir Ossipoff, kuratiert von
Dean Sakamoto, wurde mit freundlicher Unterstützung der Honolulu Academy of Arts,
Hawaii, ermöglicht, wo sie vom 29. November 2007 bis zum 27. Januar 2008 erstmalig
präsentiert wurde. Im Anschluss daran wurde sie vom 28. August bis zum 24. Oktober
2008 im jüngst restaurierten Rudolph Building der Yale School of Architecture in New
Haven, Connecticut, gezeigt. Die Präsentation ist die erste wissenschaftliche Aufarbeitung
des umfangreichen Gesamtwerks Ossipoffs und der modernen Architektur auf Hawaii.
Pressestimmen zur Ausstellung
„Eine außergewöhnlich interessante Ausstellung ... zum ersten Mal wird das Werk dieses
wichtigen, bislang übersehenen Architekten in den Brennpunkt gerückt.“
New York Times, 26. September 2008
„Genau wie es sich nicht behaupten lässt, man kenne die europäische Moderne, wenn
man Le Corbusier nicht kennt, könnte man niemals glaubhaft verkünden, die hawaiische
Architektur zu kennen, wenn man noch nie die Gelegenheit hatte, die Bauwerke Vladimir
Ossipoffs zu bewundern.“ Wallpaper.com
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Hawaii Moderne: Die Architektur von Vladimir Ossipoff
Liste der in der Ausstellung gezeigten Projekte
DIE ENTDECKUNG DER LANDSCHAFT
Pauling House
1957
Robert Thurston Jr. Memorial Chapel, Punahou School
1967
Mary Persis Winnie Classroom Units, Punahou School
1950-55
HAWAIIANISCH UND MODERN
University of Hawaii Administration Building
1949
Lum House
1965
Clark House
1953
DUNKELHEIT UND LUFT
Goodsill House
1952
Liljestrand House
1952
Davies Memorial Chapel, Hawaii Preparatory Academy
1966
Laupahoehoe School
1952
EINHEIMISCHE MATERIALIENM MODERNE DETAILS
Diamond Head Apartments
1958
IBM Building
1962
Kahului Airport Terminal
1966
LANAI ALS LEBENSRAUM
Blanche Hill House
1961
Boothe Luce House
1969
Outrigger Canoe Club
1963
Ossipoff Residence
1958
Honolulu International Airport Terminal
1978
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Hawaii Moderne: Die Architektur von Vladimir Ossipoff
Unterstützung/Sponsoren
Unterstützung / Sponsoren
Die Ausstellung Hawaii Moderne: Die Architektur von Vladimir Ossipoff wurde von der
Honolulu Academy of Arts mit Dean Sakamoto als Gastkurator konzipiert. Diese
Präsentation, die Publikation zur Ausstellung und das begleitende Programm wurden
dank der großzügigen Unterstützung folgender Unternehmen, Stiftungen und
Privatpersonen ermöglicht: Harold K. L. Castle Foundation, Mrs. Marshall Goodsill,
Atherton Family Foundation, Cooke Foundation, First Insurance Company of Hawaii
Charitable Foundation, Group 70 International, Armstrong Companies, Hawai’i Council for
the Humanities, Donald und Laura Goo, State Foundation on Culture and the Arts,
Graham Foundation for Advanced Studies in the Fine Arts, McInerny Foundation, Ameron
Hawaii, Jean Rolles sowie Thurston und Sharon Twigg-Smith.
Mit freundlicher Unterstützung des Generalkonsulats der Vereinigten Staaten von
Amerika, Frankfurt am Main.
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Hawaii Moderne: Die Architektur von Vladimir Ossipoff
Impressum
Eine Ausstellung im Auftrag und gefördert von der Honolulu Academy of Arts, Hawaii,
USA. Direktor: Stephen Little. Kurator: Dean Sakamoto
Direktor Deutsches Architekturmuseum: Peter Cachola Schmal
Gastkurator: Dean Sakamoto
Organisatorin DAM: Hester Robinson
Ausstellungsdesign DAM: Mario Lorenz
Graphik Design: Gardeners, Frankfurt
Übersetzungen: Gaines, Frankfurt; Artlanguage, Essen
Presse und Öffentlichkeitsarbeit: Paul Andreas, Stefanie Lampe
Sekretariat und Verwaltung: Pascale Baier, Jeanette Bolz, Inka Plechaty
Modellbau: Dean Sakamoto Architects LLC, New Haven, Connecticut, USA
Registrar HAA: Cynthia Low
Registrar DAM: Anke Gabriel
Ausstellungsaufbau: Pietro Paolo Brunino, Enrico Hirsekorn, Eike Laeuen, Achim
Müller-Rahn, Michael Reiter, Angela Tonner, Beate Voigt, Detlef Wagner-Walter, Valerian
Wolenik unter der Leitung von Christian Walter
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Hawaii Moderne: Die Architektur von Vladimir Ossipoff
Publikation
Begleitend zur Ausstellung erscheint eine 328-seitige, reich bebilderte Publikation: Hawaii
Moderne: Die Architektur von Vladimir Ossipoff; gemeinschaftlich herausgegeben von der
Yale University Press und der Honolulu Academy of Arts.
Die Herausgeber des Buches sind der Kurator der Ausstellung Dean Sakamoto,
Designkritiker, Ausstellungsdirektor der Yale School of Architecture und Leiter des
Architekturbüros Dean Sakamoto Architects LLC, New Haven, in Zusammenarbeit mit
Diana Murphy und Karla Britton, Dozentin der Architekturgeschichte an der Yale
University und Verfasserin von Auguste Perret (Phaidon, 2001) sowie zahlreicher Artikel
über die Geschichte der modernen Architektur und Stadtplanung. Sowohl Dean Sakamoto
als auch Karla Britton verfassten Essays für das vorliegende Buch.
Stephen Little, Direktor des HAA, und Kenneth Frampton, Architekt, Architekturkritiker
und Historiker, verfassten die Vorworte. Weitere Beiträge stammen von Marc Treib,
Professor der Architektur an der University of California, Berkeley, und praktizierender
Designer, Don J. Hibbard, der 24 Jahre lang der Gebietsschutzbehörde Hawaiis vorstand,
und Spencer Leineweber, Professor und Leiter des Zentrums für Kulturerbe an der School
of Architecture der University of Hawaii. Die speziell für das Buch und die Ausstellung in
Auftrag gegebenen Farbfotografien wurden von Victoria Sambunaris aufgenommen.
Zum Abdruck freigegebene Pressefotos finden Sie für die Dauer der Ausstellung
zum Download auf unserer Website www.dam-online.de !
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Hawaii Moderne: Die Architektur von Vladimir Ossipoff
Kontakt
Deutsches Architekturmuseum DAM – Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Schaumainkai 43
60596 Frankfurt/ Main
www.dam-online.de
Paul Andreas
Tel. +49-69-212-36318 / fax +49-69-212-36386
eMail [email protected]
Stefanie Lampe
Tel. +49-69-212-36318 / fax +49-69-212-36386
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