Afrikanische Hardware Stores und andere Merkwürdigkeiten Ein

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Afrikanische Hardware Stores und andere Merkwürdigkeiten Ein
Chris Härtl / Sommersemester 2007
Text zu Orange Farm, Seite 1 von 4
Afrikanische Hardware Stores und andere Merkwürdigkeiten
Ein Arbeitstag in Südafrika
Dies und jenes wird besprochen, es wird hin und her diskutiert. Schließlich wird die Baustellenbesprechung beendet, einer nach dem anderen erhebt sich von seinem Stuhl.
Dann ist ja jetzt alles klar, oder?
Scheinbar…
… bin ich der einzige, dem nichts klar ist. Deshalb frag ich auch nicht noch mal nach.
Schließlich will ich’s nicht rauszögern, bin erledigt von zehn Stunden Baustelle, will ans Lagerfeuer.
Kann ja morgen jemanden Fragen, bevor wir in den Minibus einsteigen.
Ist ja auch schon zehn.
Ein Bus fährt direkt zur Baustelle, der andere fährt erst zum Hardware Store. Derjenige, der zur Baustelle fährt, fährt anschließend gleich zurück, schließlich muss das Versorgungsteam ja noch nach
South Gate, einkaufen fahren. Ja, so war’s glaub ich.
Jetzt erstmal ein Bier, oder zwei, oder drei, oder...
Warum kann ich nicht auch so eine angenehme Weckmelodie auf dem Handy haben wie der Peter?
Aufstehen ist gar nicht so schwer in Südafrika.
Ist ja auch schon viertel nach sieben.
Für den Rest der Familie ist die Melodie dann doch zu angenehm. Jedenfalls stehen die anderen fünf
Landschaftsarchitekturstudenten, kurz Landis, wie immer erst auf, wenn ich Frühstücken gehe. Am
Schluss sind sie dann doch genau so schnell abfahrtbereit wie ich. Na ja, fast.
Jetzt erstmal ein paar Toasts mit Nutella. Gott sei dank gibt’s wenigstens Nutella. Da wurde scheinbar auch schon diskutiert, ob wir uns das leisten können. Und ob, das müssen wir uns sogar leisten.
Wie soll man denn sonst an die Kalorien kommen, bei dem ewigen Toastbrot. Die Ananas schmecken
dafür super, und die Avocados erst, da muss man schon ehrlich sein. Warum braucht der Toaster
schon wieder so lang, Scheißglump...
Nur noch schnell Zähne putzen, gleich geht’s los.
Ein Bus fährt direkt zur Baustelle, der andere…
Verdammt, aber welcher fährt jetzt wohin? Fährt der Bus vom Stanley zur Baustelle oder der vom
Christian? Schnell den Peter fragen. Ist noch beim Zähneputzen. Die Frau Professor Keller weiß es
auch nicht, irgendwie beruhigend. Hab aber trotzdem keinen Bock drauf, den Vormittag im Hardware
Store zu verbringen. Der vom Stanley fährt zur Baustelle, schreit jemand, und dass wir uns schicken
sollen, immer muss man auf die greislichen Landis warten. Sharp, sharp, good morning Stanley, wie
geht’s? Bass scho, sagt der Stanley, der Goldzahn blitzt. Der Stanley ist zwar nicht aus Oberbayern
sondern aus Südafrika, aber auf wie geht’s antwortet er trotzdem mit passt schon. Wir haben ihm
kleine Merkhilfen in Form von beschriftetem Kreppband, eine Art Mini-Wörterbuch, am Lenkrad angebracht, was ihm das Erlernen der bayrischen Sprache ungemein erleichtert. Lieber noch mal nachfragen, ob der Bus wirklich gleich zur Baustelle fährt. Ja, aber erst zum Hardware-Store, heißt es da
plötzlich. Scheiße, falscher Bus. Bloß nicht einsteigen. Bin wohl wirklich der einzige, der’s wieder
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nicht checkt, die Anderen sitzen schon in dem anderen maroden Vehikel, das für gewöhnlich der
Christian fährt. Schon fahren wir durch die Einfahrt und Verlassen die Malangeni Lodge. Halt, Christian, der Rupi fehlt. Da kommt er ja schon gerannt. Kleiner Scherz am Rande, a gentleman will walk
but never run, der Rupi rennt nicht, schon gar nicht wegen so was. Hat immer die Ruhe weg.
Wie macht der Rupi das?
Jetzt geht’s aber wirklich los. Auf zur Baustelle.
Ist ja auch schon viertel nach acht.
Moment, warum biegt der Christian jetzt links ab? Davon, dass wir noch zum Supermarkt fahren, war
aber wirklich nicht die Rede. Es gibt Proteste. Aber drei Leute brauchen Guthaben fürs Mobiltelefon.
Also was soll’s, hilft ja nix, also noch schnell zum Friendly’s. Ich brauche ja nichts vom Supermarkt.
Also bleib ich sitzen. Was machen die denn so lang da drin, die brauchen doch nur Air Time fürs
Handy. Wir sind halt in Afrika. Die Raucher brauchen Zigaretten, die eine kauft Briefmarken, der andere Biltong, getrocknetes Fleisch, immerhin besser als Bifi, aber härter. Und an der Kasse geht’s
auch nicht so schnell wie beim Aldi. Gott sei Dank, muss man da ja sagen. Die Einkäufe-in-denRucksack-Schmeißer werden mir da beipflichten, so schnell kann ja keiner das Zeug einräumen und
dann auch noch zahlen. Ich bin für Entschleunigung. Aber das nur am Rande, jetzt kommen sie ja
endlich.
Ist ja auch schon viertel vor neun.
Also, rausrangieren, Christian. Und dann der Anruf aus dem anderen Bus. Ob wir noch was vom Walkerville Hardware Store mitnehmen können. Scheinbar haben sie was vergessen. Beim Walkerville
Hardware Store können wir anschreiben lassen, das ist praktisch, da müssen wir nicht schon wieder
was vorstrecken.
Ist sehr zuvorkommend vom Besitzer, dass er uns anschreiben lässt. Ist sonst nicht üblich, in Südafrika schon gar nicht und eigentlich auch in Walkerville nicht, darüber gibt ein Poster hinter der Kasse
Auskunft, auf dem zwei Geschäftsleute abgebildet sind. Der Geschäftsmann, der nur Bares nimmt, ist
wohlgenährt und hat volle Regale, während der Kreditgeber vor leeren Regalen sitzt und dem Hungertod nahe zu sein scheint.
Wo wir nun schon mal hier sind, können wir ja auch gleich noch schnell was einkaufen. Was brauchen wir noch mal? Arbeitshandschuhe, Gartenscheren, Schwämme, Handfeger, Lappen. Wozu
denn eigentlich Lappen? Vielleicht zum Werkzeug saubermachen. Da gehen doch auch die
Schwämme, oder? Und für was denn dann den Handfeger? Was ist überhaupt ein Lappen und wie
erklär ich jetzt dem Verkäufer in dieser ach so schwierigen englischen Sprache, dass ich einen Lappen haben will, wenn ich nicht mal selber genau weiß, wozu. Gut ist’s, wenn uns der Florian, den man
auch Woody nennt, bedient. Dessen Vater, der Besitzer des Hardware Stores, stammt aus Ulm. Daher spricht der Florian auch perfekt deutsch, allerdings mit einer ulkigen Mischung aus südafrikanischem Akzent und schwäbischem Dialekt. Wenn man Pech hat muss man aber, wie jetzt einige Zeit
warten, bis man bedient wird. Es laufen zwar viele Schwarze rum, aber die sind nur fürs Aufladen
zuständig. Das Zeug selber finden ist gar nicht so einfach. Das ist bei Obi leichter. Manchmal liegt’s
aber auch daran, dass es die betreffende Ware tatsächlich nicht gibt. Dass es in keinem südafrikani-
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schen Baumarkt vernünftige Schubkarren gibt, daran haben wir uns ja schon gewohnt, aber dass
man keine Drainagerohre kennt? Da haben wir uns schon öfter gefragt, wie die Südafrikaner ihre Gebäude entwässern. Gar nicht? Oder bohren die auch in Kunststoffrohre Löcher, wie wir’s gemacht
haben? Eher nicht. Vielleicht gibt’s da auch irgendeinen Trick, wie mit den Schubkarren. Die kann
man nämlich tunen, indem man deren Hauptschwachstelle, ein Hartplastikrad, durch einen luftgefüllten Reifen ersetzt. Der kostet dann allerdings doppelt so viel wie die restliche Schubkarre. Hat uns
zumindest einer erzählt, als wir bei Fred’s Hardware Store waren. Vielleicht gibt’s auch einen richtigen
Baustoffhandel in Johannesburg, den nur Insider kennen. Der ist versteckt in einem Gebäude, das
von außen verlassen und heruntergekommen aussieht, gibt es ja genug davon in Joburg. Wenn man
das Losungswort spricht, öffnen sich die Türen, gleich einem Sesam öffne dich, und Schubkarren mit
Luftreifen, Drainagerohre, Schalbretter, Schaufeln und Spitzhacken mit Stiellängen für Menschen mit
einer Körpergröße über 1,50 m werden sichtbar und an der Wand hängt die Telefonnummer des Betonlieferanten, der auch dann liefert, wenn man ihn bestellt hat.
Ein freundliches can I help you? holt mich zurück. Da ist ja der Verkäufer. Ich frag ihn mal besser
nicht nach den Lappen. Schnell an die Kasse mit den spärlichen Einkäufen. Der Verkäufer würde jetzt
doch gern Bares sehen. Wir haben schon für 11000 Rand anschreiben lassen, langsam wird’s denen
wohl unheimlich. Diesmal geht’s wohl noch, dann muss der Dobmeier mal die Kreditkarte zücken. Wir
haben das Gefühl, das tut er nicht gern, obwohl’s ja nicht sein eigenes Geld ist. Kann man andererseits auch verstehen. Die südafrikanischen Bankautomaten fressen nämlich gerne Kreditkarten, Abheben ist stets mit Nervenkitzel verbunden. Wird Zeit, dass wir weiterkommen.
Ist ja auch schon halb zehn.
Also raus aus dem Parkplatz. Gut macht der Christian das. Immer brav auf der falschen Straßenseite,
die in Südafrika ja die richtige ist, also auf der Linken. Immer deutlicher spitzt das grüne Gras am
abgebrannten Straßenrand durch. Man sagt, die Südafrikaner verbrennen das Gras nur aus diesem
Grund, damit die Straßenränder wieder schön grün werden. Wir fahren vorbei am Golfplatz, dessen
putting-green eher noch nach putting-brown aussieht, vorbei am großen Baum, keine Ahnung welche
Art das ist. Verdammt, wozu sind wir Landschaftsarchitekten. Man kann halt nicht alles wissen. Wir
fahren vorbei an Townships, ärmliche Blechhütten soweit das Auge reicht. Hier und da brennt mal
wieder was. Jetzt abbiegen auf den Golden Highway Richtung Orange Farm. Viele Menschen gehen
zu Fuß am Straßenrand entlang oder querfeldein über die Felder. Wie lang sie wohl noch gehen müssen, bis sie ihr Ziel erreichen? Vielleicht eine, zwei Stunden, vielleicht auch länger.
Extention 4, da müssen wir abbiegen. Gleich sind wir da.
Ist ja auch schon viertel vor zehn.
Jetzt müssen wir aber gleich loslegen. Morgen kommt die nächste Ladung Fertigbeton für unsere
Belagsflächen und wir müssen an der Schalung weiterbauen. Die Arbeiter helfen uns bei der Planie.
Aber irgendwie haben sie keine recht hohe Schaufelfrequenz, sie scheinen mehr Wert darauf zu legen, bei der Arbeit noch genug Energie zum Pfeifen zu haben. Wie war das mit der Entschleunigung?
Ja, ich bin dafür, aber nicht wenn wir gleichzeitig in sechs Wochen diese Hütte hier hinstellen sollen
mit allem Pi Pa Po und was sonst noch dazugehört. Sind die Südafrikanischen Arbeiter faul? Viel-
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leicht. Vielleicht wissen sie aber auch nicht genau, warum sie schon wieder Erde wegschaufeln und
fünf Meter daneben wieder hinschaufeln sollen. Das merkt auch der Rupi. Hat immer die Ruhe weg.
Wie macht der Rupi das?
Jedenfalls holt er die Burschen zu sich und erklärt ihnen lang und breit, wohin die Reise geht. Darüber freuen sie sich ersichtlich und zaubern uns eine wunderbare Planie hin, südafrikanische Präzisionsarbeit.
Jetzt kommt der zweite Bus wieder, mit dem Mittagessen. Nudelsalat mit Käse und Wurststückchen.
Ist ja auch schon halb eins.
Das Mittagessen ist spitze, wie immer. Pünktlich zum Mittagessen kommt natürlich auch die Windhose und bedeckt unser Essen mit schönem feinem rotem Staub, sieht aus wie Pfeffer. Dreck macht
Speck, kann man da nur sagen. Jetzt schnell den staubigen Nudelsalat mit Lemon Twist, einem
himmlischen Erfrischungsgetränk, im kleinen Laden gleich um die Ecke für 7 Rand käuflich zu erwerben, runterspülen und weiter geht’s.
Ausmessen, Schalbretter sägen, mit Nagelbändern verbinden, einpassen, mit Eisen befestigen, ausmessen, Schalbretter sägen, mit Nagelbändern verbinden, einpassen,…Und schon wird’s wieder
dunkel. Eine schöne Schalung haben wir gebaut, Peter, sharp sharp. Schnell noch aufräumen, ein
Feierabendbier trinken und dann nichts wie heim.
Ist ja auch schon halb sieben.
Auf dem Rückweg ist’s ein bisschen enger im Bus. Na ja, ein bis zwei Personen zu viel, wir sind ja in
Afrika. Außerdem waren wir ja auch schon zu fünfundzwanzigst im Minibus. Die Mädels fangen nach
dem ersten Bierchen schon an zu singen. Nicht das Lied mit dem Klopapier schon wieder! Wer hat
jetzt damit wieder angefangen. Ist ja klar, die Esther. Immer die gleichen. Ich tu so als würde ich mich
aufregen, aber eigentlich ist’s doch schön. Gemütlich.
Jetzt gleich unter die Dusche. Natürlich ist die Sicherung für die Pumpe wieder rausgeflogen. Der
Peter macht das schon. Also, rüber über den Zaun der Pferdekoppel, gut dass die nicht beißen, Sicherung hoch und schon läuft’s wieder.
In der Dusche ist dann auch wieder Vorsicht geboten. Wer hat schon gern Strom auf den Armaturen?
Aber Not macht erfinderisch. Also, Wasserhahn mit Hilfe der extra für diesen Zweck bereitgelegten
leeren Zahnpastatube aufdrehen, problem solved! Gleich gibt’s Essen.
Ist ja auch schon halb neun.
Zum Essen gibt’s, wen wundert’s, Knochen mit Fleisch außen rum, dazu rote Soße und Reis. Wer
schnell genug ist, kriegt auch noch Salat.
Nun nur noch die Baustellenbesprechung, dann ist aber endgültig Feierabend, mit Lagerfeuer und
Bier. Also wird wieder mal dies und jenes besprochen, wird hin und her diskutiert. Schließlich wird die
Besprechung beendet, einer nach dem anderen erhebt sich von seinem Stuhl.
Dann ist ja jetzt alles klar, oder?
Scheinbar…
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