Hier sitzt ein Vater am Strand von Mallorca. Verzweifelt sucht er
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Hier sitzt ein Vater am Strand von Mallorca. Verzweifelt sucht er
Chronik Hier sitzt ein Vater am Strand von Mallorca. Verzweifelt sucht er nach der Antwort, warum sein Sohn (17) im Urlaubsparadies sterben musste. Hat ein Mörder meinen Andreas aus dem 6. Stock gestoßen? Das Opfer. Erst zehn Stunden war Andreas auf Mallorca, als er am 17. August aus dem 6. Stock eines Hotels in die Tiefe fiel. Der Vater des Buben glaubt nicht an einen Unfall. 46 Foto: Auf Spurensuche. Heinrich Kletzl am vergangenen Sonntag am „Ballermann“. Wo zwei Wochen davor sein 17-jähriger Sohn zu Tode gekommen ist. 36/12 36/12 47 3 Chronik Lokalaugenschein. NEWS begleitete den Vater des am »Ballermann« verstorbenen Buben bei Recherchen auf Mallorca. ta. Übersiedeln danach an die Poolbar, bestellen Bier. Kurz nach 23 Uhr gehen sie auf ihre Zimmer; packen die Koffer aus. Telefonieren miteinander. Andreas und Daniel beschließen, die Gegend zu erkunden; Philipp will bloß noch schlafen. Am Tatort H einrich Kletzl ist ein Mann mit kräftiger Statur, freundlichen Gesichtszügen und gutmütigem Blick. Immer hat er hart gearbeitet, um seinen Lebenstraum zu realisieren. Vom stillen Glück, in Frieden und Geborgenheit. „Er war so ein lieber Bub...“ Schon früh lernte er Hannelore, seine große Liebe, kennen. Bald die Heirat. Drei Wunschkinder. Mit Fleiß gelang es dem Oberösterreicher, die vom Großvater übernommene Schlosserei in Mattighofen zu einem florierenden Unternehmen zu machen. Und er baute in seinem Heimatort ein geräumiges Haus, „denn es sollte“, so der 50-Jährige, „meiner Familie an nichts fehlen.“ Es gab Urlaube. In Städten, am Meer. Und, trotz der Hektik im Beruf, viele Gespräche mit den beiden Söhnen und der Tochter; lustige und ernsthafte: „Meine Frau und ich wollten ihnen nicht nur Eltern, sondern auch beste Freunde sein. Und ich glaube, wir haben es wirklich geschafft, sie zu verantwortungsbewussten Menschen zu erziehen.“ Steffi, 15, besucht die HTL. Soll nach der Matura in den elterlichen Betrieb eintreten. Genauso wie das einst ihr ältester Bruder Philipp, 25, getan hat. Und Andreas, der 2010 beim Papa eine Maschinentechnikerlehre begann. „So strebsam, so lebensfroh ist er gewesen“, sagt der Vater leise. 48 30. August. Heinrich Kletzl am Salzburger Airport mit Sohn Philipp und Gattin Hannelore. Mit NEWS-Reportern fliegt der Mann nach Mallorca. Verzweifelte Spurensuche. Vergangener Freitag auf Mallorca. Am „Ballermann“. Dort, wo Heinrich Kletzls 17-jähriger Sohn zwei Wochen zuvor auf mysteriöse Weise zu Tode kam. Verzweifelt zeigt der Oberösterreicher am Strand von „El Arenal“, Abschnitt 6, Badegästen Bilder von Andreas. „Haben Sie meinen Buben gesehen? Erinnern Sie sich an ihn?“ Die Antwort: immer dieselbe. „Nö, den kennen wir nicht.“ „Nein, wer ist der Haberer?“ Ähnlich die Kommentare in den Lokalen der nahegelegenen Schinkenstraße. Wo fast rund um die Uhr in untertäglicher Lautstärke Gräuel-Lieder wie „Who the fuck is Alice“ aus Boxen dröhnen. Männer und Frauen, jung, alt, stehen an den Tresen; vor sich Gläser, gefüllt mit Hochprozentigem – und schauen den Vater verständnislos an. Scheinen nicht zu verstehen, warum er ihnen Fotos von seinem Kind präsentiert. Wollen nichts wissen von dem Drama in ihrem Ferienparadies. Rückblick auf den 16. August 2012: Andreas, Bruder Phi- lipp und Daniel, 16, ein Freund und Arbeitskollege der beiden – besteigen um 17.55 Uhr in Salzburg eine Air-Berlin-Maschine nach Palma de Mallorca. Erst eine Woche davor war der Trip auf die Balearen gebucht worden; auf Drängen von Heinrich Kletzl. „Die drei hatten in den vergangenen Monaten extrem geschuftet und sich eine kleine Auszeit verdient.“ Und das Angebot vom Reisebüro klang ja auch gut: Fünf Tage im 4-Sterne-Hotel, all-inclusive. Preis pro Person: knapp 700 Euro. „Wir tranken Fanta.“ Der Airbus landet pünktlich um 20 Uhr auf der Insel. Ab in einen Bus, der das Trio zum „Ballermann“ bringt. Einchecken im „Riu Playa Park“. Ein Begrüßungscocktail: Sekt für den 25-Jährigen, Orangensaft für die zwei Burschen. Daniel wird im ersten Stock untergebracht, Philipp im sechsten; Andreas bezieht Zimmer 428 in der vierten Etage. Mittlerweile ist es 22 Uhr. Die drei jungen Männer hasten zum Buffet; essen Spaghetti Bolognese. Trinken Fan- „Plötzlich war er weg.“ Gegen Mitternacht kehren die beiden Lehrlinge in die Disco „Paradies“ ein. Tanzen. Konsumieren je zwei Bier und ein Wodka-Red-Bull. Kommen mit einem 18-jährigen Kölner ins Gespräch. „Er hieß Orsani“, erinnert sich Daniel. Worüber er und Andreas mit ihm redeten? „Über nichts Besonderes; über die Hitze, über die tollen Bars, die es auf Mallorca gibt.“ 2 Uhr: Die Oberösterreicher und der Deutsche einigen sich, das Lokal zu wechseln. Schlendern die Schinkenstraße hinauf, zum „Bierkönig“. Betrunkene. Gegröle. Schlagermusik. Daniel und Andreas ordern abermals Bier und Wodka-RedBull. Werden langsam müde. Um 3.30 Uhr fassen sie den Entschluss, ins „Riu“ zurück zu kehren, verlassen die MegaKneipe. Geschubse. Gedränge. „Plötzlich“, so Daniel, „konnte ich meinen Freund nicht mehr sehen. Fand aber nichts Alarmierendes daran. Also ging ich alleine heim – und dachte, dass er dasselbe tun würde.“ Fest steht: Andreas muss, nachdem er seinen Freund in der Menge verloren hatte, noch am Strand gewesen, bis zu den Knien ins Meer getaucht sein. Wollte er an seinem ersten Urlaubstag einen Blick auf die See werfen? Hat er auf der Schinkenstraße oder am „Playa“ irgendwen kennen gelernt? 36/12 2 Zweifel. An dieser Stelle soll Andreas abgestürzt sein. „Wie schaffte er es“, fragt sein Vater, „auf die Betonwand zu klettern?“ 1 4 1 2 3 4 Die Rekonstruktion eines angeblichen Unfalls. Im ersten Stock des Hotels „Obelisco“ wurden die schwarzen Turnschuhe des Lehrlings gefunden. Hier lag seine Hose. In der dritten Etage soll sich der 17-Jährige seiner Jeans entledigt haben. Bis Kniehöhe war das Kleidungsstück nass. Die mutmaßliche Absturzstelle. Die spanische Kriminalpolizei geht davon aus, dass Andreas von Ebene 6 in den Tod gestürzt ist. Der Fundort der Leiche. Der schrecklich zugerichtete Körper des Buben wurde am Morgen des 17. August, gegen 6.20 Uhr, entdeckt. Aufruf. Dutzende Plakate mit der Bitte um Hinweise zum Tod seines Sohnes hat Heinrich Kletzl mittlerweile am „Ballermann“ aufgehängt. Foto: 1. ÜL Martina Prewein Gespräch mit der Kripo. Der Oberösterreicher am Weg zur Morkommission von Mallorca. Im Inneren des Amtsgebäudes darf nicht fotografiert werden. 36/12 Besuch beim Advokaten. Der spanische Anwalt der Familie überreicht dem Vater den Polizeibericht über den angeblichen Unfallhergang. 49 Chronik Bilder aus dem Familienalbum. Vor zwei Monaten urlaubte Andreas mit seinen Eltern und den Geschwistern in Frankreich. Das Foto oben zeigt ihm beim Weihnachtsfest 2011. Ungeklärte Fragen. Als gesichert gilt lediglich: Um 4.51 Uhr betritt der 17-Jährige – wie Überwachungsbilder dokumentieren – das in der Nähe des „Riu“ gelegene Hotel „Obelisco“. Marschiert in den ersten Stock. Später werden dort, am Gang, seine mit Sandkörnern bedeckten Sneakers gefunden. Ist er in ein Zimmer zu einem Privatfest geladen gewesen? „Es hätte zu meinem Sohn gepasst“, meint Heinrich Kletzl, „dass er, bevor er einen Raum betritt, die Schuhe auszieht.“ Überhaupt nicht begreiflich sind dem Vater die Rekonstruktionen, welche die Kripo bezüglich der weiteren Handlungen des Lehrlings angestellt hat. Den Vermutungen der Fahnder zufolge wäre Andreas in der zweiten Etage auf die Notfallstiege gelangt. Auf ein massives Betongerüst im Freien; umschlossen von 1,30 Meter hohen Mauern. Dann soll er auf die dritte Ebene „vorgedrungen“ sein, und sich seiner bis zu den Knien nassen Jeans entledigt haben. Nur bekleidet mit BoxerShorts, einem schwarzen TShirt und seiner Mickey-MausKappe sei er letztlich bis zum 6. Stock gewandert; hätte da ein Nickerchen gemacht. Bis er, so 50 ist im Polizeibericht zu lesen, „im Morgengrauen aufwachte; und abstürzte.“ ben. Warum sollte also der Tod des Oberösterreichers andere Hintergründe haben? Unfall – oder Mord? Es ist 6.18 Uhr, als bei der Rezeption des „Obelisco“ ein Anruf aus Zimmer 214 getätigt wird. Drei Männer aus Nürnberg – 33, 28 und 27 Jahre alt – geben an, bis jetzt auf ihrem Balkon „gechillt“, und eben ein „irres Geräusch“ gehört zu haben. Eine Nachschau auf der Trasse vor dem Hotel. Andreas liegt dort. In einer riesigen Blutlache. Sein Schädel zertrümmert; Arme und Beine verdreht. Die Augen offen. Tot. Bald sind Ballermann-Cops vor Ort. Ihre rasche Diagnose: Der Bub ist bei einer „Balconing-Aktion“ gestorben. Seit Juni sind in „El Arenal“ 34 Jugendliche bei Sprüngen von Balkon zu Balkon verunglückt; 18 davon bezahlten ihr absurdes Agieren im Rausch mit dem Le- „Der Andi ist tot.“ Freitag, 17 August. 9 Uhr. Heinrich Kletzl erhält einen Anruf von Philipp. „Du, Papa“, schluchzt der 25-Jährige, „der Andi ist tot.“ Bald darauf meldet sich eine Mitarbeiterin des Reiseveranstalters, über den der Lehrling seinen Urlaub gebucht hatte: „Sollen wir Ihren Buben in einer Urne oder im Sarg nach Österreich schicken?“ Noch am selben Tag fliegen Andreas‘ Eltern nach Mallorca, bestehen auf eine Obduktion ihres Kindes. Und darauf, dass der Fall von der Mordkommission überprüft wird. Mittlerweile steht fest: In dem Blut des 17-Jährigen wurden lediglich 1,15 Promille gemessen. Aus seiner Brieftasche fehlen 300 Euro, mit seinem Handy wurde nach seinem Tod innerhalb von Andreas Mauhart. Der Linzer TopAnwalt kämpft für die Familie des Opfers: „Der Fall Andreas Kletzl muss jetzt in Österreich neu aufgerollt werden.“ 48 Stunden um 1.000 Euro telefoniert. Nach Afrika, nach Spanien. Von wem? Eine weitere wichtige Frage, die bis dato ungeklärt blieb: Wieso prallte der Bursch viereinhalb Meter von der Absturzstelle entfernt am Boden auf? Wurde der 17-Jährige in den Abgrund gestoßen? Weil er vielleicht, wie Heinrich Kletzl vermutet, mit Drogen betäubt und danach „entsorgt“ wurde? „Wäre der Bub an einem ruhigeren Platz der Insel gestorben, wären wir diesen Fakten genauer nachgegangen“, geben die Ermittler im NEWS-Interview zu. Aber am „Ballermann“ sei halt der Tod eines Touristen „leider nichts Außergewöhnliches“. Womit die Causa in Spanien abgeschlossen gilt. Sonntag, 2. September. Es regnet auf Mallorca. Heinrich Kletzl geht noch einmal über den Strand von „El Arenal“. „Ich will endlich nachhause“, sagt er weinend. Zu Andreas. Vor ein paar Stunden wurde der Bub nach Österreich überstellt. Wo er jetzt neuerlich obduziert werden soll. „Ich bin meinem Sohn einfach schuldig”, so der Vater, „dass alles getan wird – um die Wahrheit über seinen Tod herauszufinden.“ 36/12 Foto: 2. ÜL Neue Ermittlungen. Der Lehrling wird nun in Österreich obduziert.