Gustav Klimt im Kunsthistorischen Museum

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Gustav Klimt im Kunsthistorischen Museum
Gustav Klimt im Kunsthistorischen Museum
14. Februar bis 6. Mai 2012
Kuratiert von Dr. Otmar Rychlik
Anlässlich der 150. Wiederkehr des Geburtstages von Gustav Klimt am 14. Juli 2012 zeigt das Kunsthistorische
Museum eine Sonderausstellung rund um die bedeutenden Wandgemälde, die der berühmte Maler und Zeichner
für das große Stiegenhaus des Kunsthistorischen Museums entworfen und selbst ausgeführt hat.
1890, ein Jahr vor der Eröffnung des neu errichteten Hofmuseums für die
„Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses“, erhielten Gustav Klimt, sein jüngerer Bruder
Ernst sowie ihr gemeinsamer Studienkollege und –freund Franz Matsch, die sich gemeinsam zur so genannte
„Maler-Compagnie“ zusammengeschlossen hatten, den Auftrag des Hofbau Comités zur Erstellung eines
malerischen Zyklus, in dem sie bedeutende Stilepochen der europäischen Kunst – das Alte Ägypten sowie die
griechische und die römische Antike – den Besuchern nahebringen sollten. Dieser großartige Bildzyklus befindet
sich eingebettet in die Säulen- und Arkadenarchitektur in einer Höhe von über 12 Metern über der Eingangshalle
des Museums.
Zum ersten Mal wird es möglich sein, Klimts Gemälde an der Nordwand des Stiegenhauses aus der Nähe zu
betrachten. Dazu wird für die Dauer der Ausstellung eine Brücke über die gesamte Breite des Stiegenhauses
gespannt. Zusätzlich wird in einer Sonderausstellung im Saal VIII die Entstehungsgeschichte dieses Zyklus
dargestellt, der zu den Schlüsselwerken in Klimts weltberühmtem Œuvre um 1900 und danach zählt. Dabei wird
besonderer Nachdruck auf die „Ringstraßenperiode“ Gustav Klimts gelegt. Bilder und Graphiken aus dem Besitz
des Kunsthistorischen Museums in Wien sowie Leihgaben aus öffentlichen Sammlungen in der Schweiz und
Deutschland, aber auch solche von privaten
Leihgebern spannen den Bogen von seinen Bildern im Burgtheater über diejenigen
im Kunsthistorischen Museum bis hin zu Klimts „Goldener Periode“.
Das Österreichische Theatermuseum zeigt von 10. Mai bis 29. Oktober 2012 die Ausstellung „Gegen Klimt. Die
‚Nuda Veritas‘ und ihr Verteidiger Hermann Bahr“. Klimts berühmtes und selten gezeigtes Gemälde „Nuda Veritas“
(1899) kam über den Nachlass Hermann Bahrs in das Österreichische Theatermuseum. Hermann Bahr begleitete
den Aufbruch der Secessionisten mit großem publizistischem Engagement. Die heftigen Auseinandersetzungen um
Klimts Kunstwerke konterte er mit seiner Schrift „Gegen Klimt“, einer entlarvenden Zusammenstellung klimt- und
kunstkritscher Schmähungen.
Gustav Klimt in the Kunsthistorisches Museum
February 14 - May 6, 2012
Curated by Dr. Otmar Rychlik
To celebrate the 150th anniversary of the birthday of Gustav Klimt on July 14, 2012, the
Kunsthistorisches Museum will showcase its important wall paintings designed and
executed by the celebrated painter and draughtsman.
In 1890, a year before the formal opening of the newly-erected Court Museum housing the
imperial art collections, Gustav Klimt, his younger brother, Ernst, and a friend and
colleague, Franz Matsch, were commissioned to execute the series of paintings depicting
important periods of European art as well as ancient Egyptian and ancient Greek
and Roman art. This magnificent series is still displayed between the columns and in the spandrels above the
arcades in the Main Staircase, about 12 m above floor level.
A specially-built bridge will span the width of the Main Staircase for the duration of the
exhibition, offering visitors a unique close-up view of Klimt’s paintings on the north wall of
the Main Staircase.
In addition, a temporary show in the Special Exhibition Gallery will present the evolution of
the series, a seminal work in Klimt’s oeuvre around 1900. It will focus on Gustav Klimt’s
“Ringstrassenperiode”. Paintings and graphic works from the holdings of the
Kunsthistorisches Museum in Vienna, augmented by loans from public collections in
Switzerland and Germany as well as from private collectors, will showcase Klimt’s oeuvre
from his paintings for the Burgtheater to those commissioned for the Kunsthistorisches
Museum to Klimt’s “golden period”.
The Austria Theatre Museum is showing the exhibition “Against Klimt. ‘Nuda Veritas’
and her Defender Hermann Bahr” from May 10 until October 29, 2012. Gustav Klimt’s
celebrated but rarely-shown painting „Nuda Veritas“ (1899) was left to the Austrian Theatre
Museum by Hermann Bahr, an ardent supporter of the “Secessionists” who
published widely in their support. He countered the fierce attacks on Klimt’s art by
publishing an essay entitled “Gegen Klimt” (Against Klimt), a collection of the vilifications of
Klimt and his art intended to expose and mock his critics.
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Das Unsichtbare sichtbar machen
Beatrix Kriller-Erdrich
Wien um 1900: Der Weg vom Mittelalter in die moderne Zeit ist architektonisch beinahe vollendet. Nach der Mitte
des 19. Jahrhunderts beginnt die Stadterweiterung, die Wien buchstäblich in eine neue Zeit katapultiert. In dieser
Epoche – der Ringstraßenära – entstehen neue Baustile und es entwickelt sich neben der Lebensweise des
industriellen Großbürgertums ein revolutionärer Lifestyle der künstlerischen, kulturellen und intellektuellen Eliten.
Am 20. Dezember 1857 ordnet Kaiser Franz Joseph I. per Dekret die Stadterweiterung Wiens an, die seinem
ausdrücklichen Wunsch und Willen entspricht. Damit fällt der Startschuss für eines der spektakulärsten
städtebaulichen Projekte dieser Zeit. Erst der Abriss der Bastionen, die den alten Stadtkern sowie das
mittelalterliche Regierungszentrum einer territorialen und politischen Großmacht ringförmig umklammerten und zu
ersticken drohten, ermöglicht die architektonische Umgestaltung der Wiener Stadttopographie. Es entsteht eine
neue europäische Metropole.
Auf den jetzt geräumten Freiflächen wird das neben der Stadterweiterung von Paris ehrgeizigste und
monumentalste städtebauliche Unterfangen des 19. Jahrhunderts realisiert: der Bau der Ringstraße. Dieser
Riesenauftrag sicherte für viele Jahre das Einkommen und die Existenz von Tausenden von Menschen –
Architekten, Ingenieuren, Malern, Bildhauern, Kunsthandwerkern, aber vor allem auch dasjenige von einfachen
Arbeitern und derer Familien. Ihre Arbeit sollte der Stadt ein neues Gesicht geben.
Im Gegensatz zu anderen europäischen Metropolen besaß Wien keine eigens errichteten Museen. Die
Sammlungen des österreichischen Kaiserhauses, die zu den größten und bedeutendsten historisch gewachsenen
Beständen ihrer Zeit gehörten, schlummerten an zum Teil verborgenen, entlegenen und über ganz Wien
verstreuten Orten und quasi in familieneigenen „Privatquartieren“. Einem interessierten Publikum waren sie, wenn
überhaupt, nur zu bestimmten Zeiten zugänglich. Gleiches galt für große Privatsammlungen wie diejenigen der
adeligen Familien Liechtenstein, Czernin und Harrach. Die k. k. Bildergalerie befand sich allerdings seit 1780 als
eigene, öffentlich zugängliche Sammlung im Oberen Belvedere und konnte bei freiem Eintritt jeden Dienstag und
Freitag vormittags von 9 bis 12, nachmittags von 15 bis 17, im Winter von 9 bis 14 Uhr besichtigt werden. Das k. k.
Antiken-Kabinett mit der angeschlossenen Sammlung von Münzen und Medaillen war in der Hofburg am
Josephsplatz untergebracht. Einlass wurde jeden Montag und Freitag um 10 Uhr gewährt. Zählkarten, die vor Ort
ausgegeben wurden, mussten unter Angabe des Namens und der Anzahl der Besucher schriftlich beantragt
werden. Das Kabinett der Ägyptischen Altertümer (heute Ägyptisch-Orientalische Sammlung) konnte zusammen
mit der Ambraser Sammlung (heute in der Kunstkammer in Wien und auf Schloss Ambras/Innsbruck) im Unteren
Belvedere besichtigt werden.
Diese für alle Beteiligten nicht ideale Situation wurde durch den Neubau eigener Hof-Museen für die
kunsthistorischen und die naturwissenschaftlichen Sammlungen des Kaiserhauses behoben. Im Neubau des
Kunsthistorischen Museums wird der ab 1830 in Deutschland (Altes Museum Berlin, Alte Pinakothek München,
Dresden) vorgeprägte Bautypus übernommen, der eine dem Schlossbau der Renaissance folgende
Vierflügelanlage mit sakral überkuppeltem Mittelrisalit, Vestibül und gewaltiger Prunktreppe vorsieht; das k. k.
Kunsthistorische Hof-Museum ist somit als das letzte Glied in der Kette der Museumsneubauten anzusehen.
Funktionsbauten mit musealer Nutzung erfordern den museumstheoretischen und baupraktischen Vorstellungen
des 19. Jahrhunderts zufolge ein dem Inhalt angemessenes Erscheinungsbild, das sich nicht nur in der äußeren
Fassade, sondern auch im Konzept der Innenausstattung spiegelt. Im Untergeschoß sind die kunstgewerblichen
Sammlungen ausgestellt, im Obergeschoß in großen Oberlichtsälen, kranzförmig von Kabinetten umgeben, die
Bilder gehängt. Der hohe Anspruch besteht darin, dem Besucher zugleich um die ausgestellten Kunstwerke herum
das entsprechende authentische Ambiente zu vermitteln, das die einzelnen Objekte in den Zusammenhang der
jeweiligen Zeit einbindet. Umgesetzt wird diese Aufgabenstellung durch ansprechende Reliefzyklen oder
Wandgemälde.
Zur malerischen Innenausstattung des heutigen Kunsthistorischen Museums wurden unabhängige, bereits
etablierte Künstler oder Künstlergruppen wie Hans Makart, Hans Canon und die „Malercompagnie“ der Brüder
Gustav und Ernst Klimt sowie Franz Matsch engagiert, die sich durch entsprechende Arbeiten bei bereits
bestehenden Ringstraßenbauten qualifiziert hatten. Ihr Auftrag bestand in der visuellen Umsetzung der von den
wissenschaftlichen Kustoden der einzelnen Sammlungen erarbeiteten didaktisch-ideologischen Programme.
Die Ausstattungsmalerei des großen Stiegenhauses baut sich inhaltlich von unten nach oben auf: In der untersten
Zone – den Zwickel- und Interkolumnienbildern – finden sich als Thema die großen Stilepochen der
Kunstgeschichte, darüber – in den halbkreisförmigen Lünetten – sind die berühmtesten Künstler des Abendlandes
mit ihren Modellen dargestellt und schließlich erscheint über allem das monumentale, der Apotheose der Kunst mit
ihren Mäzenen und Sammlern gewidmete Deckengemälde, das somit den Parnass der Kunst versinnbildlicht.
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Wie kommt Gustav Klimt in das Museum?
Ursprünglich sollte Hans Makart, der führende Gesellschaftsmaler der Ringstraßenzeit und Liebling der Wiener
Society, die komplette malerische Ausstattung des Stiegenhauses übernehmen – eine monumentale Aufgabe, die
tragischerweise Makarts erster und zugleich letzter staatlicher Auftrag werden sollte. Erst spät, im Jahre 1882,
bekam er als Anerkennung für seine Verdienste den Auftrag, ein „Deckenbild und 12 Lunettenbilder auf Leinwand,
kleine Zwickelbilder und Interkolumnien auf Goldgrund direkt an die Wand zu malen“. Makart verstarb jedoch
bereits 1884. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er nur die zwölf Lünettenbilder – mit Darstellungen der Stilepochen der
abendländischen Kunst durch berühmte Maler und ihre Modelle bzw. durch die bekanntesten Kompositionen aus
ihrem Œuvre – fertig gestellt. Für das überdimensionale Deckenbild (10,12 x 10,88 m = 110,11 m2) hinterließ Makart
einen Entwurf.
Da der zweite bedeutende Historienmaler Wiens, Hans Canon, das große Deckenbild „Kreislauf des Lebens“, ein
Meisterstück historistischer Ausstattungsmalerei, im Stiegenhaus des Naturhistorischen Museums, dem
Schwesterbau des Kunsthistorischen Museums, zu „allerhöchster Zufriedenheit“ ausgeführt hatte, lag es nahe, ihn
in der Nachfolge Makarts zu engagieren, doch es kam anders! Kaum ein Jahr nach seinem Malerkollegen Makart
verstarb im September 1885 auch Hans Canon.
Fünf Jahre nach Canons Tod wird die Frage der malerischen Ausstattung des Stiegenhauses erneut aufgeworfen –
die Zeit drängt. Man schreibt inzwischen das Jahr 1890. Der Neubau des Museums ist fertig, doch fehlt noch die
Ausgestaltung des Stiegenhauses.
„Euch Buben werd ich mir einspannen!“ Diese an sich wienerisch-unverbindliche, joviale Bemerkung machte Carl
von Hasenauer – seit dem Ausscheiden Gottfried Sempers bauführender Architekt des neuen Hof-Museums –
angesichts der Arbeiten von drei jungen Künstlern, die ihm Rudolf von Eitelberger, Direktor des Österreichischen
Museums für Kunst und Industrie (heute MAK), in ihrem Atelier in der Sandwirthgasse Nr. 8 gezeigt hatte.
Eigentlich sollte das Trio (Gustav Klimt, sein jüngerer Bruder Ernst und ihr gemeinsamer Studienkollege und
Freund Franz Matsch), das sich zur sog. Maler-Compagnie zusammengeschlossen hatte, auch den Auftrag für das
große Deckenbild im neuen Hofmuseum übernehmen. Auf Grund „höchster“ Intervention wurde ihnen aber der in
Paris lebende Historien- und Gesellschaftsmaler Mihály von Munkácsy vorgezogen. Somit wurde der MalerCompagnie, die in Wien in der Hermes-Villa (1885) mit staatlicher Auftragsmalerei begonnen und sich mit der
Ausstattung des Burgtheaters (1886) profiliert und etabliert hatte, die wohl undankbarste und kompositionell am
schwierigsten zu lösende Aufgabe innerhalb der Stiegenhaus-Ausstattung zugewiesen: An äußerst unattraktiver
Stelle – in über 12 m Höhe zwischen den hohen, von Doppelsäulen unterbrochenen Arkaden – sollten sie vierzig
freie Wandflächen mit Gemälden füllen, den sog. Zwickel- und Interkolumnienbildern.
Einer für alle – alle für einen
Am 28. Februar 1890 nahm das Hofbau-Comité als die für die Stadterweiterung, d. h. den Ringstraßenbau,
zuständige Baubehörde die drei jungen Künstler, die in Wien nicht unbekannt waren, unter Vertrag: den 28-jährigen
Gustav Klimt, seinen 26-jährigen Bruder Ernst und Franz von Matsch, den mit 29 Jahren ältesten der drei. Sie
übernahmen „[…] zur ungetheilten Hand, d. h. Einer für alle und alle für einen“ den Auftrag und verpflichteten sich,
„den höheren Anforderungen der Kunst und ihren Namen zu entsprechen“. Dies war ikonographisch und vor allem
vom Zeitfaktor her eine große Herausforderung: Innerhalb von 5 Monaten, bis Ende Juli 1890, mussten „sämtliche
Bilder fertig an Ort und Stelle abgeliefert sein“. Das Honorar betrug insgesamt 14.000 Gulden und war im Rahmen
der malerischen Ausstattung des Museums bei weitem das höchste. 14.000 Gulden entsprechen heute in etwa
82.000 €. Im Jahr 1891 bekam ein mittlerer Verwaltungsbeamter ein Jahresgehalt von 1.690 Gulden, heute wären
dies ca. 1.052 €. Inkludiert waren: die Anfertigung der Skizzen und der Bilder, das Zusammenstimmen der fertigen
Bilder, die Lieferung der Leinwände sowie der Transport der fertigen Gemälde in das Museum und eventuelle
Nacharbeiten nach der Fixierung an der Wand.
Das Format und daher auch das Kompositionsprinzip der Bilder sind durch die vorhandene Architektur bestimmt.
Es handelt sich durchwegs um Hochformate, für die sich eigentlich nur figürliche Darstellungen eignen (ein
Landschaftsbild etwa würde ein breites Querformat bedingen, ebenso eine Vedute). Die Thematik des
vierzigteiligen Zyklus wurde vom Museum vorgeschrieben, verantwortlich für das Programm zeichnete der Kustos
und Kunsthistoriker Albert Ilg.
Sein Konzept ergab einen kunst- und kulturhistorischen Zyklus, der die „mannigfache Entwicklung des
Kunstschaffens in den mannigfachen Stilen der verschiedenen Zeitepochen“ schildert und in besonderen
Bildmotiven den Reichtum sowie die Vielfalt an kunsthandwerklicher Produktion, Plastik und Malerei darstellt.
Somit sollen gleichsam in thematischen Blitzlichtern Stilepochen und Geschichte der großen europäischen
Kunstlandschaften, der klassischen Antike Griechenlands und Roms sowie des Alten Ägypten, dargestellt werden.
Es ist dies ein kunsthistorisches Konzept, das in der bildlichen Umsetzung eine tiefgreifende Kenntnis der
europäischen und außereuropäischen Kunst und ihrer Geschichte(n) erfordert.
Gustav Klimt hat – anders als Franz von Matsch und sein Bruder Ernst – nur einmal nachweislich Studien an
Originalen in der kaiserlichen Gemäldegalerie im Belvedere betrieben, nämlich für den Auftrag des rumänischen
Königshauses, den Sommersitz Schloss Peles in Sinaia mit den Porträts historischer Persönlichkeiten
auszustatten. In der Zeit vom 28. April bis 5. Juni 1885 kopierte er Tizians Isabella d’Este. Im Gegensatz zur
akademischen Lehrmeinung, „das angestrebte Ideal [sei] in archäologischer Unanfechtbarkeit und Correctheit“ zu
Bild zu bringen, vertrat Ilg die zur damaligen Zeit bei einem Staatsauftrag äußerst moderne und freizügige Ansicht,
dass auf ganz ungebundene künstlerische Weise das Einzelne, das Bezeichnende und Typische darzustellen sei.
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So sind denn auch manche innerhalb des Zyklus wiedergegebenen Objekte einwandfrei als Stücke aus den
kunsthistorischen kaiserlichen Sammlungen zu identifizieren. Andere wiederum stammen aus deutschen,
italienischen und englischen Museen, Schatzkammern und Kirchen und sind nach reprographischen Vorlagen bzw.
in freier Gestaltung umgesetzt. Plakativ verbildlichen zum größten Teil weibliche sowie einige wenige männliche
Figuren in den Arkadenzwickeln die jeweils gemeinte Kunstepoche – sie entsprechen in Typus, Kleidung und
Attributen dem darzustellenden Stil. Die Thematik der Bilder zwischen den Doppelsäulen, also in den
Interkolumnien, schildert in „Objektstillleben“ die im weitesten Sinn kunsthandwerkliche Produktion der jeweiligen
Epoche.
Eine thematische Korrespondenz zu den Lünettenbildern von Hans Makart und Munkácsys „Apotheose der Kunst“
ist vom Konzept her unerwünscht und daher nicht vorhanden. Die Zwickel- und Interkolumnienbilder sind für sich
allein und als eigenständige Kunstwerke zu betrachten. Daher gibt es auch keine sich chronologisch oder
topographisch entwickelnde Leserichtung, keine historisch korrekte Abwicklung der Stilepochen, keine universale
Auflistung dessen, was künstlerisch auf höchster Qualitätsebene je geschaffen worden war.
Gustav Klimt, Ernst Klimt und Franz Matsch gestalteten je eine Wand des Stiegenhauses. Die vierte, die Westseite,
wurde zu „gleichen Handen“ aufgeteilt, wobei das Los entschied. Dreizehn der vierzig Bilder stammen von Gustav
Klimt: diejenigen an der gesamten Nordseite (gegen die Kuppelhalle), ferner das Interkolumnium sowie die beiden
Zwickel der linken Achse an der Westwand (gegen den 2. Innenhof). Zu beinahe allen von Klimt ausgeführten
Bildern haben sich die Übertragungsskizzen erhalten, deren Rastrierung die Übertragung der Maße an die Wand
angibt (Höhe ca. 2,10 m; Breite ca. 1,65 m). Sechs stammen aus dem Nachlass Gustav Klimts und befinden sich
im Besitz des Kunsthistorischen Museums. Eine weitere – die Skizze für das Interkolumnium zum Thema Ägypten –
ist im Besitz des Wien Museums.
Die Bilder wurden im Atelier der Künstler in der Sandwirthgasse gemalt, wobei der jüngste der Klimt-Brüder, Georg,
für die Zwickel- und Interkolumnienbilder seines Bruders Ernst Modell stand; sie waren 1891 fertig gestellt und
wurden im April des Eröffnungsjahres des Kunsthistorischen Hof-Museums an die Wand geklebt.
Diese Klebetechnik – die Marouflage [Maroufle = Malerleim] – ist bezeichnend für die Art der Anbringung
großformatiger Deckenbilder und Frieszyklen in den Prachtbauten der Wiener Ringstraße (Manfred Koller,
Marouflagemalerei um 1900, in: Restauro 6, 1996, S. 406-409); die Freskotechnik war seit dem Ableben
Maulbertschs um 1800 vergessen und aus der Mode gekommen. Vorbilder für die Marouflage sind in Paris zu
finden (Delacroix, Palais Bourbon; St. Sulpice/Boudry: Oper, 1861; Puvis de Chavannes, Pantheon 1877, 1898).
Abgesehen von einem singulären Wiener Beispiel, dem Deckenbild des Franzosen Jacques van Schuppen mit der
„Allegorie der Künste“ im Eroica-Saal des Palais Lobkowitz, wurden diese „beweglichen Bilder“ durch die
Weltausstellung in Paris 1867 wiederentdeckt und über in Paris lebende und arbeitende Künstler wie Munkácsy
oder Anselm Feuerbach (Deckenbild in der Akademie der bildenden Künste) nach Wien exportiert. Munkácsy
fertigte seine „Apotheose der Kunst“ für das Kunsthistorische Museum in seinem Atelier in Paris, die Leinwand
wurde gerollt nach Wien transportiert und von fremder Hand an die Decke verbracht und gefirnisst.
Literatur:
Beartix Kriller/Georg Kugler: Das Kunsthistorische Museum. Die Architektur und Ausstattung: Idee und Wirklichkeit
des Gesamtkunstwerkes, Wien 1991.
Christian M. Nebehay: Gustav Klimt. Dokumentation, Wien 1969.
Alice Strobl: Gustav Klimt, die Zeichnungen: 1878-1903, Salzburg 1980.
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Making the Invisible Visible
by Beatix Kriller-Erdrich
Vienna at the turn of the 20th century: its architectural evolution from medieval to modern city is almost completed.
The enlargement of the imperial capital had began in the middle of the 19th century, literally catapulting Vienna into
a new era. During this period – known as the “Era of the Ringstrasse”, after Vienna’s new grand boulevard – new
architectural and artistic styles evolved and new lifestyles developed, for wealthy industrialists and members of the
rich bourgeoisie as well as for the artistic, cultural and intellectual elite.
On December 20, 1857 Emperor Francis Joseph I signed the decree to enlarge Vienna, something he personally
encouraged and fully supported. This marked the beginning of one of the most ambitious urban developments of all
times. First, the city walls that had encircled – and threatened to suffocate - the old city centre, the mediaeval centre
of government of a territorial and political world power, were demolished, ushering in Vienna’s new urban
topography. A new European metropolis was born.
These newly-cleared spaces in the centre of the imperial capital were subsequently filled in the course of one of the
most ambitious and monumental urban development of the 19th century, rivaled only by Houssemann’s
reconstruction of Paris: a grand boulevard, the Ringstrasse. For many years, this major architectural project was to
generate income and guarantee the livelihood of thousands of people – architects, engineers, painters, sculptors
and artisans as well as unskilled workers and their families. Their combined efforts would radically change the
appearance of the city.
Unlike other great European metropolises Vienna did not boast purpose-built museums. Though among the most
important in the world, large parts of the imperial collections were tucked away in various, sometimes little-known or
remote locations all over Vienna, often housed in something like the “private homes” of members of the imperial
family. If welcomed at all, interested visitors were only admitted on designated days. The same was true of the
large private collections assembled by noble families such as the Liechtensteins, Czernins or Harrachs. Since
1780, however, the k.k. Bildergalerie (Imperial and Royal Picture Gallery) had been housed in Upper Belvedere
Palace; admission was free and it was open to the public every Tuesday and Friday from 9 a.m. - 12 p.m. in the
morning and from 3 p.m. - 5 p.m. in the afternoon (9 a.m. – 2 p.m. during the winter months).
The k.k. Antiken-Kabinett (Imperial and Royal Collection of Classical Antiquities), which also comprised the
Collection of Coins and Medals, was housed in Hofburg Palace on the Josephsplatz. Members of the public were
admitted Mondays and Fridays at 10 a.m. Anyone interested in visiting the collection had to apply in writing in
advance, giving his name and the number of tickets required; numbered tickets were then handed out at the door.
The Collection of Ancient Egyptian Art (today’s Collection of Ancient Egyptian and Near-Eastern Art) was displayed
in Lower Belvedere Palace together with the Ambras Collection (today in the Kunstkammer in Vienna and at
Ambras Castle/Innsbruck).
This less-than-ideal situation ended with the opening of the new purpose-built court museums for, respectively, the
imperial collection of fine art and of natural history. The design of the newly-built Kunsthistorisches Museum reflects
those of museums erected in Germany after 1830 (Altes Museum Berlin, Alte Pinakothek Munich, Dresden): all
feature a main building with wings built around a central courtyard in the style of a Renaissance palace with a
central protruding bay surmounted by a cupola (initially a feature of ecclesiastical architecture), a grand entrance
hall and a sumptuous staircase. The k.k. Kunsthistorisches Hof-Museum (Imperial and Royal Art-History CourtMuseum) is therefore the last in a long line of new purpose-built museums. 19th century museum- and architectural
theory held that functional museum buildings required not only an outer appearance, a façade, but also an interior
that suitably reflected their noble content and function. The ground floor houses the Collection of Decorative Arts,
the Picture Gallery is displayed on the first floor in a series of large galleries with glass ceilings and an enfilade of
smaller rooms. Elaborate series of reliefs and wall paintings were designed to allow visitors to see the artworks in a
suitable, authentic setting, to place each artifact in its context and time-frame.
The elaborate interior decoration program of the Kunsthistorisches Museum was commissioned from independent,
already well-established artists or groups of artists such as Hans Makart, Hans Canon, and the “Malercompagnie”
(Company of Artists) comprising the brothers Gustav and Ernst Klimt and their friend, Franz Matsch; all of them had
successfully worked on earlier Ringstrasse buildings. Here, their task was to render the didactic-ideological
program devised by the curators of the different collections.
The paintings in the Main Staircase should be read upwards: the bottom zone – the paintings in the spandrels and
between the columns – feature major periods of art; above them – in the lunettes – we see celebrated European
painters and their models; and finally, the monumental ceiling painting depicts the apotheosis of art with its patrons
and collectors - a Parnassus of art.
How did Gustav Klimt get into the Museum?
Initially, Hans Makart, the leading painter of the Ringstrasse era and darling of Viennese society, was
commissioned to decorate the whole staircase – a truly monumental task that tragically was to be both his first and
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last public commission. Only late in his life, in 1882, did he receive this recognition of his artistic achievements: he
was asked to execute “a ceiling painting and 12 lunettes on canvas, small spandrels and pictures for the spaces
between the columns on gold ground painted directly onto the wall”.
Sadly, Makart died in 1884. At the time of his death he had only finished the twelve lunettes – depicting celebrated
artists and their models (or their best-known compositions) to represent different styles and periods of European art
history. He also left a sketch for the huge ceiling painting (10,12 x 10,88 m = 110,11 m2).
As the other important contemporary history-painter then active in Vienna, Hans Canon, had completed the large
ceiling painting depicting “The Cycle of Life” – a masterpiece of 19th century decorative painting – in the main
staircase of the Museum of Natural History to the “utmost satisfaction” of the Emperor, it seemed only natural to ask
him to take over after Makart’s untimely demise. However, less than a year later, in September 1885, he too was
dead. So in 1890, five years after Hans Canon’s death, the decoration of the Main Staircase was still unfinished –
and time was running out. The building was completed but the Main Staircase remained all but devoid of paintings.
„I’ll make use of you boys!“ exclaimed Carl von Hasenauer – the architect in charge of the imperial museums after
the departure of Gottfried Semper – when he first saw the work of three up-and-coming young artists shown to him
by Rudolf von Eitelberger, the director of the Austrian Museum of Art and Industry (today the MAK), in their studio in
Vienna’s Sandwirthgasse 8. Initially the trio (Gustav Klimt, his younger brother Ernst, and their friend and colleague,
Franz Matsch), who called themselves the “Company of Artists”, were commissioned to execute the ceiling painting
in the newly-built imperial museum. However, an imperial intervention resulted in it going to Mihály von Munkácsy,
a well-known history- and society painter resident in Paris, instead. This meant that the Company of Artists, who
had earlier successfully executed public commissions in Vienna (Hermes Villa 1885, Burgtheater 1886), were left
with what was compositionally the most difficult and unrewarding part of the decorative program of the Main
Staircase: they were commissioned to execute a total of forty paintings in a highly unattractive location – more than
twelve metres above floor level in the spandrels of the high arcades and in the spaces between the double columns
separating them.
One for all – all for one
On February 28, 1890 the Hofbau Comité (the Imperial Building Committee) in charge of the enlargement of the city
– i.e. the buildings along the Ringstrasse – signed a contract with the three young artists who had already begun to
make a name for themselves in Vienna: twenty-eight-year-old Gustav Klimt, his twenty-six-year-old brother Ernst,
and Franz von Matsch, at twenty-nine the oldest member of the trio. They promised to execute the commission “..
together, that is one for all and all for one” and to “do justice to the highest demands of art”. It was a challenging
and demanding undertaking, both in respect to iconography and because the time allotted was very short: “all
paintings must be finished and in place” by the end of July 1890 – ie, only five months later. They were to receive a
total of 14.000 Guilders, the highest fee paid to any artist working on the interior decoration of the museum. 14.000
Guilders are c. € 82.000 today. In 1891 a middle-ranking civil servant earned 1.690 Guilders p.a., or c. € 1.052 in
today’s money. The sum included executing sketches and paintings, matching the finished paintings, delivery of the
canvases and the transport of the finished paintings to the museum, as well as any necessary retouching once they
were in situ.
The architecture determined the paintings’ format and composition. All have a vertical format suitable only for the
depiction of figures (a landscape would require a horizontal format, as would a cityscape). The subjects depicted in
the forty paintings were selected by Albert Ilg, the eminent art historian and museum curator. He composed an artor cultural-historical program that reflects the “rich evolution of artistic production in many different styles during
various historical periods”, and features images that illustrate the wealth and breadth of craftsmanship, sculpture
and painting. The result are something like thematic snapshots that depict different styles and illustrate the history
of Europe’s most important artistic centres, including classical Greece and Rome as well as ancient Egypt. This is
an art-historical program, and visualizing it required familiarity with both European and Non-European art and their
history and “stories”.
Unlike Franz von Matsch and his brother Ernst, Gustav Klimt is known to have studied the original artworks in the
imperial Picture Gallery in Belvedere Palace only once: when he was charged by the Romanian royal family to
decorate their summer residence Peles Palace in Sinaia with historical portraits. Between April 28 and June 5, 1885
Klimt copied Titian’s Isabella d’Este. Contrary to academic convention that an artist should aim for “archaeological
truthfulness and correctness” in his work, Ilg believed in the free depiction of what was singular, characteristic and
typical – at the time an extremely modern and libertarian attitude for a public commission.
Some of the artifacts depicted here are easily matched with objects in the imperial collections. Other, however, are
held by German, Italian or English museums, treasuries or churches, and were carefully, or more freely copied from
reproductions. The majority of female – as well as some of the male – figures in the spandrels are obvious and easily
identified representatives of the period of art in question – their type, attire and attributes clearly reflecting the style
they illustrate. The paintings between the columns feature still-lifes composed of artifacts typical of the different
periods of art. The overall concept does not call for any thematic connection with either Hans Makart’s lunettes or
Munkácsy’s “Apotheosis of the Arts”, and none exists. The paintings in the spandrels and between the columns
stand alone and must be regarded as independent artworks, which is why there is no chronological or geographical
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“order” in which they should be read, no historically correct order of periods of art or styles, no comprehensive list of
everything that was ever created as high art.
Gustav Klimt, Ernst Klimt and Franz Matsch each decorated one wall of the staircase; the fourth, the west wall, was
shared equally among them by drawing lots. Thirteen of the forty paintings are by Gustav Klimt: all the ones on the
north wall (facing the Cupola Hall), as well as the paintings between the columns and in the spandrels of the arcade
on the far left of the west wall (facing the second inner courtyard). Transfer sketches for almost all of Klimt’s
paintings have survived; the grid denotes the measurements for transferring them onto the wall (c. 2,10 x c. 1,65
m). Six of them from Gustav Klimt’s estate are now in the Kunsthistorisches Museum. Another one – for the space
between the columns dedicated to the art of ancient Egypt – is held by the Wien Museum.
The artists executed the paintings in their studio in Vienna’s Sandwirthgasse. Ernst Klimt used his youngest
brother, Georg, as a model for his compositions. The pictures were finished in 1891 and glued onto the wall in April
of the year in which the Kunsthistorisches Museum was formally opened. The technique used – marouflage
(maroufle = painters’ glue) – was commonly employed to glue large ceiling paintings and decorative friezes into
place in the sumptuous buildings erected along the Ringstrasse. Around 1800, following the death of Maulbertsch,
fresco painting became highly unfashionable and almost extinct in Austria. Marouflage was practiced in Paris
(Delacroix, Palais Bourbin; St. Suloice/Boudry: Opera 1861; Puvis de Chavannes, Pantheon, 1877, 1898). With a
single Viennese exception - the ceiling painting by the French artist, Jacques van Schuppen, who painted an
“Allegory of the Arts” for the Eroica Hall in Lobkowitz Palace - these “movable paintings” were rediscovered in
connection with the World Fair held in Paris in 1867; from here they were exported to Vienna by artists living and
working in ther French capital at the time, for example Munkácsy or Anselm Feuerbach (ceiling painting in the
Academy of Fine Arts). Munkácsy executed his “Apotheosis of the Arts” for the Kunsthistorisches Museum in his
studio in Paris; the canvas was then rolled up and sent to Vienna, where someone else was charged with gluing it
to the ceiling and varnishing it.
Literature:
Beartix Kriller/Georg Kugler: Das Kunsthistorische Museum. Die Architektur und Ausstattung: Idee und Wirklichkeit
des Gesamtkunstwerkes, Wien 1991.
Christian M. Nebehay: Gustav Klimt. Dokumentation, Wien 1969.
Alice Strobl: Gustav Klimt, die Zeichnungen: 1878-1903, Salzburg 1980.
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Kunsthistorisches Museum 1890/1891
Otmar Rychlik
Auszug aus dem Katalog
Gustav Klimt im Kunsthistorischen Museum
Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien
Herausgegeben von Sabine Haag
© 2012 Kunsthistorisches Museum Wien,
für Konzept und Texte Otmar Rychlik
Nach dem Tod Makarts bestand ursprünglich die Absicht, sowohl das Deckenbild – nach dessen hinterlassenem
Entwurf – als auch die Zwickelbilder samt den Interkolumnien von der Malercompagnie ausführen zu lassen.
Schließlich besann man sich jedoch darauf, das Deckenbild dem in Paris lebenden ungarischen „Malerfürsten“
Mihály Munkácsy (1844 – 1900) nach eigenem Entwurf zu übertragen; für Franz Matsch, Gustav und Ernst Klimt
blieben somit nur die komplizierten Formate der Bilder zu Seiten der großen Arkaden und zwischen den Säulen.
Dennoch gingen die Künstler mit großem Anspruch ans Werk. Das Programm des Zyklus wurde von Albert Ilg, dem
Direktor der kunstgewerblichen Sammlungen des Museums, ausgearbeitet. Zwar schreibt Nebehay: „Es forderte
genaues Studium von Kostümen und vor allem von denjenigen im Besitz des Museums befindlichen
Gegenständen, die dargestellt werden mussten“1 – während gerade auffällig ist, dass kein einziges der dem
Museum gehörenden Kunstwerke auch tatsächlich abgebildet ist, wie der sehr eingehende Aufsatz von Ernst
Czerny2 über die beiden Bilder zu ägyptischen Themen im Besonderen darlegt.
Wie diese doch erstaunliche Absenz zu begründen ist, kann nur gemutmaßt werden, mag aber darin liegen, dass
Abbildungen von Objekten des Museums selbst eine gewisse Verdopplung der Eindrücke, eine möglicherweise gar
nicht als angemessen empfundene Wiederholung bedeutet hätten, eine Individualisierung des Allgemeinen, die als
nicht gerechtfertigt empfunden werden konnte vor dem Anspruch, das Typische der allegorisch zur Darstellung
gebrachten Epochen hervorzuheben, und man mag deshalb bewusst vermieden haben, das Besondere aus dem
eigenen Haus mit der allgemeinen kunsthistorischen Entwicklung zu identifizieren.
Ein Abschnitt aus Ilgs Interpretation seiner eigenen Vorgaben kann genau dahingehend verstanden werden: „Bei
der Durchführung des Programms wurde nun aber nicht etwa ein gemalter Lehrgang der chronologischen
Entwicklung […] angestrebt“ – das wäre zweifellos als zu banal und schulmeisterlich empfunden worden – „sondern
bloß auf ganz freie künstlerische Weise Einzelnes, hauptsächlich Bezeichnendes, hervorgehoben, wie es den
Künstler in seiner Art zu bedeutenden Gebilden anregen kann, die sich zugleich aber zu einem glänzenden
Schmucke eines so reich gezierten Raumes eignen.“ 3 – Das etwas Kryptische der Formulierung „den Künstler in
seiner Art“ mag sich durchaus auf die Maler der Compagnie und ihre mittlerweile doch ziemlich disparate
Entwicklung beziehen; wir verstehen die Wendung als Freigabe des angemessenen künstlerischen Spielraumes im
Rahmen des Auftragswerkes. Unter Klimts Motiven im Kunsthistorischen Museum, hatte das der Pallas Athene
besonders nachhaltige Folgen. Die auffallende Beliebtheit gerade antiker Themen in der Wiener Kunst um 1900
geht – nach Wendelin Schmidt-Dengler 4 – darauf zurück, dass einer der einflussreichsten und angesehensten
Gelehrten der Wiener Universität in diesen Jahrzehnten der Altphilologe Theodor Gomperz gewesen ist, der nicht
erst mit seinem Hauptwerk „Griechische Denker“ großes Aufsehen erregte und auf Hugo von Hofmannsthal (und
dessen Zusammenarbeit mit Richard Strauss) vor allem aber auch auf Sigmund Freud bedeutenden Einfluss
gewann.
Allein schon daraus mag erklärbar sein, dass Gustav Klimt als Logo der Wiener Secession den – behelmten – Kopf
der Pallas Athene gewählt hat, welches Motiv dann in den Publikationen der Künstlervereinigung häufig
Verwendung fand, vom Exlibris, das Klimt entworfen hat, über verschiedene Drucksorten bis zum Cover der Gustav
Klimt gewidmeten Ausstellung von 1903.
Im Kunsthistorischen Museum erscheint die Göttin als Ganzfigur, in ein weich fallendes, überreich gefälteltes
Gewand gehüllt, das an Schultern und Brust von einem goldenen Schuppenpanzer (Ägis) bedeckt wird; darauf ein
Medaillon mit dem Haupt der Gorgo Medusa; die reiche Gewandfigur ganz im – raffinierten, geradezu prickelnden –
Gegensatz zur vollständigen Nacktheit der ägyptischen Isis vis à vis. – Die zum Kampf gerüstete Pallas Athene hält
in der ausgestreckten Rechten einen Speer, in der angewinkelten Linken jedoch die Skulptur einer Nike, wie sie in
monumentaler Größe bereits im Taorminabild des Burgtheaters aufgetreten ist und als Miniaturskulptur im
Musikzimmer Dumba Verwendung finden sollte. In der Folge taucht die kleine Siegerin in dem bedeutendsten
Nachfolgewerk der Pallas des Kunsthistorischen Museums wieder auf, dem Gemälde der Göttin in Halbfigur von
1898, diesmal strahlend nackt, als „Nuda Veritas“, was motivisch im Werk Gustav Klimts, über das Gemälde mit
demselben Titel von 1899 hinaus bis in das Spätwerk bedeutsam blieb.
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Als Ganzfigur, aber von der Seite gesehen, mit den meisten der uns bereits bekannten Attribute, erscheint Pallas
Athene auch im Zusammenhang der ersten Ausstellung der Wiener Secession, die im Frühjahr 1898 stattfand, auf
dem heftig umstrittenen Plakat, dessen leere Hauptfläche, als geradezu maßlos gesteigertes Gestaltungselement,
das im Dionysosaltar des Burgtheaters ansatzweise, in der Darstellung des Tanagramädchens im
Kunsthistorischen Museum bereits als Hauptmotiv eingesetzt wurde, nun den größten Teil der Komposition
einnimmt. Aber auch das Cover des Sonderheftes von Ver Sacrum zur Ausstellung Mai / Juni 1898 zeigt das Motiv
der Göttin noch mit dem Blick ins Leere (der Fläche); auf dem schmalen hochrechteckigen Cover des Kataloges
zur ersten Ausstellung der Wiener Secession erscheint sie dennoch an den Bildrand gerückt: dominierend frontal
immer das magische, lachendböse Antlitz der Gorgo auf dem Schild der kriegerischen Göttin.
Eine witzige Variante des Antikethemas gibt Gustav Klimt auf dem einzigen von ihm gemalten Rahmen, rund um
das Porträt des Komponisten Josef Pembauer. Der Kopf gehört zu den hyperrealistischen Werken Klimts,
zweifellos nach einer Fotovorlage gemalt, und ein Bravourstück intensivster Realitätsaneignung, wie sie zu dieser
Zeit kein anderer Maler beherrscht hat; zur Charakterisierung der Profession desPorträtierten erscheint eine
goldene Kithara monumental als Hintergrundmotiv.
Auf dem Rahmen links, noch ganz vernünftig, ein Dreifuß (wie er auch auf dem Cover des Ver Sacrum-Heftes vom
März 1898 erscheint); zwei Köpfchen am unteren Bildrahmenrand haben bereits Graffiticharakter, daneben das
Logo der Firma Spatenbräu!5. Der Kitharaspieler rechts, als Säulenfigur, zeigt karikaturistische Züge, eine
musikalische Witzfigur, die trübsinnig mit langem Gesicht die Leier schlägt. Dennoch hat dieser Sänger von der
traurigen Gestalt noch eine höchst bedeutende Nachfolge gefunden, allerdings sehr verwandelt, in weiblicher
Gestalt: als Profilfigur der verinnerlichten Lautenspielerin, wie sie Klimt nicht nur in der Erstfassung der „Musik“ von
1895, sondern auch als Illustration in Ver Sacrum 1901 und als Höhepunkt der „Erlösung in der Poesie“ dann noch
im Beethovenfries von 1902 auftreten lässt.
Gerade im Gemäldepaar „Altitalienische Kunst“ wird gegenwärtig, wie wenig sich Klimt tatsächlich an
kunsthistorische Vorgaben gehalten hat. Mit dem genannten Titel muss die Entwicklung der Malerei bis zur
Renaissance, also vielleicht ab Giotto bis zum Ende des 14. Jahrhunderts gemeint sein, die männliche Figur gehört
aber entschieden dem 15. Jahrhundert an, der Engelsköpfchenfries etwa der Florentiner Werkstatt der della
Robbia, und die weibliche Gestalt lässt ebenfalls keine Assoziationen zur Kunst der „Primitivi“ zu – vielleicht
deshalb ihr starker Zug zur Gegenwart.
Während sich die schöne Jünglingsfigur mit dem Lockenkopf unter dem knapp sitzenden Käppchen (wohl inspiriert
von Marco Palmezzanos männlichem Porträt in der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste,
Geschenk des Fürsten Liechtenstein 1882, der ätherischen Gestalt gegenüber zuzuwenden scheint, bleibt die
durch den goldenen Nimbus hinter ihrem Haupt wie eine Heilige aufgefasste Figur unzugänglich verschlossen.
Wenn man sämtliche Attribute der beiden Figuren zu einer Bildgeschichte zusammenfassen möchte, hat man es
mit einer ganz neuartigen Deutung einer Art „Sacra Conversazione“ zu tun, in der ein frommer Jüngling aus seinem
Gebetbuch aufschaut, zur Erscheinung einer jungfräulichen, von einem Cherubsputto begleiteten Heiligen mit
Lilienstab hinüber, deren Blick demütig zu Boden gerichtet ist.
Künstlerisch von größerer Bedeutung aber eine andere Beobachtung: Ebenfalls 1882 schenkte Fürst Johann von
und zu Liechtenstein der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste eine Marienkrönung von Antonio da
Fabriano, die Gustav Klimt aufmerksam studiert haben muss, da er ein goldenes Blütenmotiv, unverändert und
buchstäblich kopiert, auf das Gewand der Heiligenallegorie im Kunsthistorischen Museum überträgt.
Aber auch als Ganzes hat Fabrianos Bild auf Klimt offenbar großen Eindruck gemacht, wohl nicht in erster Linie
wegen seiner künstlerischen Qualität, sondern einem merkwürdig „nachgeborenen“, als verspätet empfundenen
gotischen – oder byzantinischen – Gestaltungsprinzip zufolge, wie man es mit dieser Intensität gerade im Italien des
mittleren 15. Jahrhundert nicht erwartet hätte: Gemeint ist der Goldgrund, der hier begonnen hat, über das ganze
Bild, über Gestalten und Gewänder hinweg zu wuchern, um sich schließlich gegenüber den realistischen Details
weitgehend durchzusetzen.
Damit hatte Klimt ein Kunstwerk gefunden, das eine vollständige Durchdringung des Figürlichen mit dem
Ornamentalen vorführt, ein Beispiel für die „ornamentale Abstraktion“ des Gegenständlichen, wie sie ihn seit
diesem Zeitpunkt – wir glauben: unmittelbar angeregtdurch Antonio da Fabrianos Bild – zunehmend beschäftigt hat,
um schließlich in der „Goldenen Periode“ von Klimts Malerei, zwischen 1901 und 1908, ihren absoluten Höhepunkt
zu erreichen.
Inwiefern Klimt damit einen bewussten Beitrag zur Entwicklung der abstrakten Kunst geleistet hat, muss hier offen
gelassen werden, da dieses grundlegende Problem einer eingehenderen Diskussion bedarf, als sie hier geleistet
werden kann – die sich aber schon längst am ungegenständlichen Mosaik der Stirnwand im Speisesaal des Palais
Stoclet entzündet hat und mit einer Diskussion des Ornaments als bewusst abstrakter künstlerischer Setzung
weitergeführt werden müsste.
Es sollte hier nur darauf hingewiesen werden, welches Gewicht den Erfahrungen Klimts mit Antonio da Fabrianos
Gemälde für die Kunstgeschichte der Moderne – und damit seiner richtungsweisenden weiblichen Gestalt zum
Thema „Altitalienische Kunst“ im Stiegenhaus des Kunsthistorischen Museums – tatsächlich zukommt. Dass Klimt
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sich dessen bewusst war, mit der goldenen Heiligen ein Schlüsselwerk geschaffen zu haben, geht wohl auch
daraus hervor, dass er sie – gemeinsam mit der Ecclesia des „Römischen Quattrocento“ – großformatignoch 1898 in
der Zeitschrift Ver Sacrum abgebildet hat.
Gustav Klimt ist mit den Vorgaben Albert Ilgs, was die Darstellung kunsthistorischer
Epochen betrifft, sehr eigenständig umgegangen – und es ist immerhin bemerkenswert, daß er sich im
Kunsthistorischen Museum, mit Ausnahme der Göttinnen Pallas Athene und Isis samt zugehörigen Interkolumnien,
ausschließlich italienischen Themen gewidmet hat. Bereits die beiden Bilder der „altitalienischen“ Malerei müssten
genau genommen dem 15. Jahrhundert zugewiesen werden. In der Folge findet eine deutliche Bevorzugung dieses
„großen“ Jahrhunderts der italienischen Kunst statt: Ihm sind nicht weniger als drei weitere Zwickelbilder
zugeordnet, während das 16. Jahrhundert mit nur einem Bild vorgestellt wird (was auch die allgemeine
Geringschätzung des Manierismus zum Ausdruck bringt), das im Übrigen eine alttestamentarische Geschichte
behandelt.
Dem visuellen Befund entsprechend überschneidet sich das Paar der „Altitalienischen Kunst“ mit den beiden
Aktdarstellungen des „Florentinischen Cinquecento und Quattrocento“, wobei das Quattrocento (15. Jahrhundert)
weiblich konnotiert wird, entsprechend den Frauengestalten Botticellis und Leonardos, während für das
Cinquecento (16. Jahrhundert) das männliche Element, vielleicht der Kunst Michelangelos – immerhin haben wir es
mit einer Darstellung Davids mit dem Haupt des Goliath zu tun – hervorgehoben wird. Während die schöne junge
Frau sich in die Reihe der unzähligen liegenden Frauenakte Klimts einordnet, findet der Kopf Davids, der hier als
erwachsener Mann dargestellt wird, seine Nachfolge noch in einer Initiale der Zeitschrift Ver Sacrum, März 1898.
Gerade im David hat Klimt von der Gelegenheit Gebrauch gemacht, das Zwickelbild mit dem Interkolumnium
inhaltlich zu verbinden, indem der rechte Arm des Helden den Kopf des Goliath in das Schmalformat hinüberreicht.
Ein zweites Mal benützt Klimt die Möglichkeit, sozusagen Haupt- und Nebenformat miteinander zu kombinieren,
wenn er den kostbaren Vespermantel der Ecclesia im Zwickelbild des römischen Quattrocento erst im
Interkolumnium abschließt. Es ist bemerkenswert, dass sich Klimt für die schöne Allegorie der Kirche nicht
unmittelbar an Raffael orientiert hat, während auf die Ähnlichkeit des ernsten Dogen, der für das venezianische
Quattrocento steht, mit dem Porträt Leonardo Loredans von Giovanni Bellini in der Londoner National Gallery
bereits hingewiesen wurde6.
1 Vgl. Christian M. Nebehay, Gustav Klimt Dokumentation, Wien 1969, s. die Chronologie S. 101.
2 Ernst Czerny, Gustav Klimt und die Ägyptische Kunst. Stiegenhausbilder im Kunsthistorischen Museum in Wien
und ihre Vorlagen, in: Österreichische Zeitschrift für
Kunst- und Denkmalpflege, 2009, Heft 3/4, S. 259 ff.
3 Albert Ilg, Zwickelbilder im Stiegenhaus des k. k. Kunsthistorischen Museums zu Wien. 17 Blatt Lichtdrucke und
erläuternder Text, Wien 1895.
4 Wendelin Schmidt-Dengler, Theodor Gomperz, in: Otmar Rychlik (Hg.), Große Welt in Bad Vöslau, 2. Auflage
2010, 238 ff.
5 Nebehay 1969 (zit. Anm. 1), 116.
6 Alice Strobl, Gustav Klimt. Die Zeichnungen 1878 – 1903, Salzburg 1980, 86.
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Die Zwickel- und Interkolumnienbilder Gustav Klimts
im grossen Stiegenhaus des Kunsthistorischen Museums
Gustav Klimt’s paintings in the spandrels and the spaces between
the columns in the main staircase of the Kunsthistorisches Museum
DIE NORDWAND
THE NORTH WALL
Alt-Italienische Kunst
Zwickel und Interkolumnium der rechten Achse. Im Interkolumnium rechts unten monogrammiert: „G. K.“, 1890/91,
© Wien, Kunsthistorisches Museum
Bei der „Alt-Italienischen Kunst“ handelt es sich um diejenige des Tre- und des frühen Quattrocento (14. und frühes
15. Jahrhundert) mit dem Zentrum Florenz und den umliegenden Orten, etwa Pisa oder Siena, aus denen Künstler
wie Giotto, Taddeo Gaddi, Ghiberti, Donatello und viele mehr hervorgingen. Florenz ist auch die Stadt der frühen
Humanisten und die Heimat des wohl berühmtesten Dichters Italiens, Dante Alighieris, der mit seiner Divina
Commedia erstmals in Alt-Florentinisch/Italienisch und nicht in Latein Literaturgeschichte schrieb. Mann und Frau
stehen einander in den Zwickeln gegenüber, die Kurvatur der Körper ist dem Arkadenbogen schmiegsam
angepasst. Klimt versteht es wie kein anderer, die architektonische Plastizität malerischer Körperlichkeit
unterzuordnen. Der junge Mann im dunklen florentinischen Kostüm des 15. Jahrhunderts wendet sich, ein Buch in
Händen, gebannt zu seinem weiblichen Gegenstück. Sie hat die Rechte mit lockendem Finger erhoben, der golden
strahlende Brokat ihres Gewandes, dessen Ornamentik Vorbildern des Quattrocento entnommen und früher
Hinweis auf die „Goldene Periode“ Klimts ist (nach Otmar Rychlik: Gustav Klimt im Kunsthistorischen Museum,
Wien 2012), strahlt in verheißungsvoller Helligkeit. Literatur und Kunst gehen eine Verbindung ein, denn Dante
erscheint über einem Putto mit Nimbus, Flügeln und Schild als Bronzebüste im Interkolumnium. Ein Fries aus
Blumengirlanden und Engelsköpfen im Stil Luca della Robbias begleitet die Zwickelfiguren.
Early Italian Painting
Spandrels and spaces between the columns on the far right. Signed “G.K.” between the columns, 1890/91 ©
Vienna, Kunsthistorisches Museum
“Early Italian Painting” comprises Trecento and early Quattrocento art (ie, from the 14th and early 15th century); the
leading centres were Florence and other Tuscan cities such as Pisa and Siena that brought forth artists like Giotto,
Taddeo Gaddi, Ghiberti and Donatello, to name but a few. Florence was also celebrated as the home of early
Humanists and of Italy’s most revered poet: Dante Alighieri, author of the Divine Commedy, the first work written
not in Latin but in old Florentine dialect/Italian. In the spandrels a male and a female figure face one another, their
curved bodies elegantly following the arch of the arcade. They document Klimt’s unrivalled skill that allows his
painted figures to dominate three-dimensional architecture.
Clasping a book, the young man dressed in the dark robes fashionable in 15th century Florence turns to his female
counterpart. Her right hand is raised in a gesture designed to attract or entice him, and her dress of flaming gold
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brocade featuring ornaments inspired by Quattrocentro designs glows with bright promise. Literature and art are
joined as a bronze bust of Dante hovers above a winged putto with a halo clasping a shield in the space between
the columns. A frieze of garlands and angel heads in the style of Lucca della Robbia accompanies the figures in the
spandrels.
Ägypten I und II
Linker Zwickel und rechtes Interkolumnium der Mittelachse. Im Interkolumnium links unten monogrammiert: „G. K.“,
1890/91, © Wien, Kunsthistorisches Museum
Das Leben der Ägypter im Diesseits ist Vorstadium für das Leben nach dem Tod im Jenseits. Kaum eine andere
Kultur ist von dieser Vorstellung so sehr geprägt wie diejenige des ägyptischen Altertums. Der Totenkult in all
seinen Facetten bestimmte das Leben der Ägypter und das auf uns überlieferte Kunstschaffen. „Anch“, das
ägyptische Zeichen für Leben, diente nicht nur als Schriftzeichen und Hieroglyphe, sondern auch als
Kultgegenstand und Amulett. In reiner, strahlend heller, unverhüllter Nacktheit steht die Frau mit dem Anch-Zeichen
in ihrer ausgestreckten Rechten als „Gebärerin“ des Lebens da. Im Interkolumnium lauert hingegen der Tod: ein
dunkles, inhaltlich pralles Stillleben altägyptischer Kunstproduktion, nach Vorlagen und rezenten
Forschungsergebnissen der Zeit geschaffen. Quelle für die Bildmotive, etwa den Geier der Göttin Nechbet in der
Hohlkehle im Hintergrund, ist der großformatige Atlas ägyptischer Kunst und Kultur von Émile Prisse d’Avennes; er
erschien 1877 in Paris, war aber auch in Wiener Bibliotheken vorhanden.
Das effektvoll gebaute Stillleben ägyptischer Kunstproduktion für den Totenkult wird von einem großen hölzernen,
bunt bemalten Außensarkophag dominiert; es ist einer weiteren reprographischen Vorlage entnommen: dem
ersten, mit 40 Bildtafeln versehenen Katalog des Ägyptischen Museums in Kairo, ehem. Musée de Boulaq, den der
berühmte Ägyptologe Auguste Mariette 1872 in Kairo publizierte. Ernst Czerny hat in seinem Beitrag Gustav Klimt
und die ägyptische Kunst (2012) die faszinierenden Motive der Bildsprache entschlüsselt; die Zusammensicht von
Herkunft (Fundort), Zeit und Verwendung ergibt eine geographisch-chronologische Einordnung in die altägyptische
Kunstproduktion.
Ancient Egypt I and II
Left spandrel and space on the right between the two columns in the central axis. Signed “G.K.” between the
columns on the left, 1890/91, © Vienna, Kunsthistorisches Museum
The life in this world in but the preparation for our life after death. Few civilizations reflect this idea as forcefully as
that of ancient Egypt. The funerary cult in all its many permutations dominated the lives of the ancient Egyptians
and their art. In ancient Egypt the “anch” – the sign of life - was not only a character and a hieroglyph but also a cultobject and an amulet. The female figure clasping the “anch” in her right hand faces us in pure, bright, frontal nudity,
she is the one who brings forth life. But between the columns lurks Death: a somber still-life, rich in content,
featuring ancient Egyptian artefacts informed by excavated examples and contemporary research. Pictorial images
such as the vulture of the goddess Nechbet in the concave moulding in the background are derived from the large
atlas of ancient Egyptian art and civilisation published by Émile Prisse d’Avennes in Paris in 1877 and available at
the time in libraries in Vienna.
The cleverly arranged still-life of ancient Egyptian funerary artefacts is dominated by a large polychrome wooden
sarcophagus that is informed by another contemporary publication: the first catalogue of the Egyptian Museum in
Cairo (formerly the Musée de Boulaq) published by the eminent Egyptologist, Auguste Mariette, in 1872 in Cairo
and featuring forty plates. In his important essay on Gustav Klimt und die ägyptische Kunst (Gustav Klimt and
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Ancient Egyptian Art), Ernst Czerny decoded the fascinating details of Klimt’s pictorial language; the conflation of
their place of origin (the location where they were discovered), time and function creates a geographicchronological order of ancient Egyptian artistic production.
Griechische Antike I und II
Linkes Interkolumnium und linker Zwickel der Mittelachse; im Interkolumnium links unten monogrammiert: „G. K.“;
im Zwickel rechts oben signiert: „GUSTAV KLIMT“,
1890/91, © Wien, Kunsthistorisches Museum
Wiederum steht die Frau im Mittelpunkt. Athena, die reife, sich ihrer Schönheit und Weisheit, ihrer Strategien und
ihres Mutes bewusste Göttin im Zwickel, streng frontal dem Betrachter gegenüber. In ihrer Darstellung kombiniert
Klimt die beiden wichtigsten großplastischen Werke des berühmten griechischen Bildhauers Phidias, die nur in
Marmorkopien überliefert sind: die Athena Promachos und die Athena Parthenos. Auf diesen Mischtyp wird Klimt
im Laufe seines Werkes immer wieder motivisch zurückgreifen.
Die weibliche Figur im Interkolumnium ist der spannende Gegenpart: Dem sogenannten „Tanagra Mädchen“ im
Typus der tanagräischen Terrakotta-Kleinplastiken nachempfunden, beugt sie sich dem Betrachter im DreiviertelProfil fragend-einladend entgegen. Für das illustrierende Beiwerk im Hintergrund hat Klimt nicht – wie bisher
angenommen – auf ein Objekt aus dem reichen Bestand der exzellenten kaiserlichen Vasensammlung
zurückgegriffen. Vielmehr handelt es sich um eine attisch-schwarzfigurige Bauchamphora mit der Darstellung des
Hades aus den Vatikanischen Museen. Das Vorbild für die auf der Marmorwand stehende Kleinbronze einer
Sandalenlösenden Venus wurde in Herculaneum gefunden und befindet sich im Nationalmuseum in Neapel; im 19.
Jahrhundert wurde dieses Motiv zu Verkaufszwecken hundertfach in Gips vervielfältigt, wobei diese Exemplare
manchmal eine bronzene Patina erhielten.
Ancient Greece I and II
Left space between the columns and left spandrel in the central axis, signed “G.K.” between the columns; signed
“GUSTAV KLIMT” in the top right-hand corner of the spandrel 1890/91, © Vienna, Kunsthistorisches Museum
Again, a female figure forms the focal point of the composition. Athena, the mature goddess, fully aware of her
beauty and her wisdom, her strategic skills and her bravery, is facing the viewer in this spandrel. Here, Klimt
conflates two seminal large-scale sculptures by the celebrated ancient Greek sculptor, Phidias, both of which have
only come down to us in marble copies: Athena Promachos and Athena Parthenos. Until his death, Klimt would
repeatedly return to this conflated image.
The female figure depicted in the space between the columns is the deity’s fascinating counterpart: known as “the
girl from Tanagra” - she is inspired by the terracotta statuettes from Tanagra – she is bending forward, her head
turned slightly to the side, to face the viewer with a quizzical yet inviting gaze. We now know that Klimt did not copy
artefacts from the rich holdings of the imperial collection for the decorative objects in the background. Instead he
used as his model an Athenian black-figure vase featuring a depiction of Hades now in the Vatican Museum; and
the small bronze depicting “Venus Loosening her Sandal” on the marble wall was discovered at Herculaneum. It is
now in the National Museum in Naples. In the 19th century, hundreds of plaster casts of this figure – some with
bronze patina - were sold.
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Römisches und Venetianisches Quattrocento
Interkolumnium und rechter Zwickel der linken Achse; jeweils rechts oben monogrammiert: „G. K.“, 1890/91, ©
Wien, Kunsthistorisches Museum
Bereits im Mittelalter wird „Ecclesia“ als Synonym für die Kirche fast immer als weibliche Figur dargestellt, nimbiert,
mit langem Mantel und reichem Gewand sowie mit den Attributen Schale, Kelch, Kreuz und Kreuzes-Fahne. Klimts
Ecclesia ist weiblich, jung, und bis auf die keusche Reinheit des Gesichts und der schlanken Hände verhüllt. Das
reich mit Szenen aus der Heilsgeschichte bestickte Pluviale lässt keine Körperlichkeit erahnen. Die Bewegung wird
durch die Anlehnung der Figur an den Arkadenbogen suggeriert, aber auch dadurch, dass das Pluviale hinter der
Säule wie ein Vorhang in das Interkolumnium gezogen wird und den Blick auf das Weihwasserbecken von Antonio
Federighi im Dom zu Siena freigibt. Kirche bedeutet Glaube, Macht, Reichtum und Kunstförderung, besonders in
der Kunstlandschaft Rom, dem Sitz des Papstes. Symbole und daher Attribute der Ecclesia sind die päpstliche
dreistufige Tiara und das Pontifikalkreuz. Zu den schönsten kirchlichen Kreuzen des Mittelalters zählt das
Reliquienkreuz Kaiser Heinrichs II., eines der drei erhaltenen Stücke aus dem Basler Münsterschatz. Seine mit
Edelsteinen und Kameen besetzte Vorderseite stammt aus dem Anfang des 11. Jahrhunderts. Es wurde von 1529
bis 1827 unter Verschluss gehalten und 1836 als Sensation aus dem Kunsthandel für das Berliner
Kunstgewerbemuseum erworben.
Der im Süden gelegenen Kunstmetropole Rom steht die Kunstlandschaft Venedigs bzw. Venetiens im Norden
Italiens gegenüber. Höchster Amts- und Würdenträger, Symbol der jahrhundertealten Republik, ist der Doge. In
Analogie zur päpstlichen Tiara trägt er den Dogenhut. Bei der Darstellung von Gesicht und Habit lehnte sich Gustav
Klimt deutlich an das Porträt des Dogen Leonardo Loredan von Giovanni Bellini an (um 1501; heute in der National
Gallery, London).
The Roman and Venetian Quattrocento
Space between the columns and right spandrel on the far left; both signed „G.K.“ in the upper right hand corner;
1890/91, © Vienna, Kunsthistorisches Museum
From the Middle Ages onwards “Ecclesia”, the Church, was generally depicted as a haloed female figure in a long
cloak; her attributes are bowl, goblet, cross and cross-standard. Klimt’s Ecclesia is female, young and completely
covered but for the chaste purity of her face and her slender hands. Richly embroidered with scenes from the life of
Christ, her cope envelops her completely without even a hint of the contours of her body. Klimt implies movement
by showing her leaning against the arch of the arcade rising behind her, and by drawing her cope like a curtain
behind the column into the space between it and the next column to offer us a glimpse of Antonio Federighi’s
aspersorium in the cathedral in Siena in the background. Church equals faith, power, wealth and patronage,
especially in Rome, the seat of the papal court.
Ecclesia’s symbols and attributes are the pope’s three-tiered tiara and the pontifical cross. One of the most
beautiful mediaeval crosses to have come down to us is the reliquary cross of Emperor Henry II, one of the three
extant artefacts in the treasury of the cathedral of Basle. Studded with jewels and cameos, it dates from the early
11th century. Hidden from public view between 1529 and 1827, it caused a sensation when the
Kunstgewerbemuseum in Berlin acquired it from an art dealer in 1836.
Venice, or the Veneto, was long Rome’s artistic counterpart further north. The Doge was the venerable
Serenissima’s highest representative. In analogy to the papal tiara, his insignia was the doge’s cap. His pose and
dress are informed by Giovanni Bellini’s celebrated portrait of Doge Leonardo Lauredan (c. 1501; today in the
National Gallery London).
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DIE WESTWAND
THE WEST WALL
Florentinisches Cinquecento und Quattrocento
Interkolumnium und Zwickel der linken Achse der Westwand (gegen den Innenhof); auf allen drei Bildern
monogrammiert: „G. K.“, 1890/91, © Wien, Kunsthistorisches Museum
Florentinische Kunst im 15. und 16. Jahrhundert, das ist Kunst im Zentrum der Früh- und Hochrenaissance. Man
denkt sofort an Namen berühmter Bildhauer und Architekten wie Brunelleschi und Donatello, aber auch an
Leonardo da Vinci. In den beiden Zwickelbildern paraphrasiert Klimt mit dem David Michelangelo und mit der
Venusfigur Botticelli als Protagonisten der Kunstlandschaft Florenz. Durch die einheitliche, in sich geschlossene
Hintergrundgestaltung und den durchgehenden Perlstab versetzt Klimt beide Darstellungen in einen einzigen
Bildraum, in dem Mann und Frau, wenngleich jeweils abgewendet, einander gegenübergestellt sind.
David ist ein kraftvoller, durch die klaren Umrisslinien in sich ruhender, entschlossener Mann; seine Linke hält das
blutbefleckte Schwert, mit dem er soeben Goliath geköpft hat. Die Szene greift im wahrsten Sinne des Wortes in
das Interkolumniumbild über, in welchem in Davids ausgestreckter Rechten das Haupt des an den Haaren
gepackten Widersachers hängt. Es ist, betrachtet man es als Einzelbild, zu einer Büste mutiert. Auf ihrem Sockel
beginnt die lateinische, hier in Übersetzung wiedergegebene Inschrift, die sich im Zwickel fortsetzt: „Wen Gott
verderben will, den verblendet er zuvor.“
The Cinquecento and Quattrocento in Florence
Space between the columns and spandrel on the far left of the west wall (facing the inner courtyard), all three
paintings signed “G.K.”, 1890/91, © Vienna, Kunsthistorisches Museum
In the 15th and 16th century Florence was the epicentre of Early and High Renaissance art. The names of such
celebrated sculptors and architects as Brunelleschi and Donatello or Leonardo da Vinci immediately come to mind.
In the spandrels Klimt paraphrases Michelangelo’s David and Botticelli’s Venus as protagonists of Florentine art.
The continuous background and bead moulding allow Klimt to anchor both depictions in the same pictorial space in
which man and woman, even if not actually facing each other, are confronted.
Clearly outlined, David is a strong, self-assured and determined young man; in his left hand he clasps the bloody
sword with which he has just beheaded Goliath. The scene literally reaches into the space between the columns on
the left where we see the severed head of David’s slain opponent dangling in his outstretched right hand. Looking
at it as a separate painting, Goliath’s severed head held up by its hair has turned into a bust. The translation of the
Latin inscription that begins on the base and continues in the spandrel reads: “Whom God wants to destroy, he first
blinds”.
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Rahmenprogramm
Kuratorenführungen
Mi, 15.2., 10.30 und 16 Uhr
Do, 1.3., 8.3., 15.3., 16 Uhr
Fr, 23.3., 30.3., 13.4., 27.4., 10.15 Uhr
Ausstellungsführung
Jeden Sa und So 16 Uhr
Führungsteilnahme: € 3,Erwachsene im Atelier
2-tägige Workshops zur Sonderausstellung
DIE MACHT DER LINIE – ein Zeichenkurs
Sa 3.3. von 10 bis 18 Uhr
So 4.3. von 10 bis 13 Uhr
KÖRPER FORMEN – ein Akt-Zeichenkurs
Sa 21.4. von 10 bis 18 Uhr
So 22.4. von 10 bis 13 Uhr
Für die Teilnahme sind keinerlei Vorkenntnisse nötig.
Teilnehmer: max. 12 Personen pro Workshop
Kosten: € 130,- (exkl. Modellkosten / inkl. Material für beide Kurs-Tage)
Leitung: Mag. Ilona Neuffer-Hoffmann
Anmeldung unter: +43 1 525 24 - 5202 od. [email protected]
Klimt im Votivkino
Sa, 24. März, Matinee: STEALING KLIMT
(Doku GB 2006, engl. OmU, Regie: Jane Chablania)
11.30 Uhr Sektempfang, 12 Uhr Filmvorführung
Spezialpreis mit KHM-Ticket: € 7,50 (statt € 8,50)
Mo, 16. April, 20 Uhr: KLIMT
(Spielfilm Ö/D/GB/F 2006, eng. OmU, Regie: Raoúl Ruiz.
Mit: John Malkovich, Veronica Ferres)
Spezialpreis mit KHM-Ticket: € 6,50 (statt € 7,50)
Bitte um Anmeldung unter: [email protected]
Klimt Pass
Beim ersten Klimt-Ausstellungsbesuch erhalten Sie zusammen mit Ihrem Ticket den Klimt Pass mit allen
teilnehmenden Institutionen. In allen weiteren Museen erhalten Sie € 1,- Ermäßigung auf das Vollpreisticket.
Katalog
Zur Ausstellung erscheinen ein Ausstellungskatalog (€ 14,90) sowie ein Begleitbuch (€ 29,90), welches in
Zusammenarbeit mit der Dipl.-Kfm. Angelika-Prokopp-Privatstiftung realisiert wurde.
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Inhalt
Gustav Klimt im Kunsthistorischen Museum .............................................................................................................. 1 Gustav Klimt in the Kunsthistorisches Museum ......................................................................................................... 2 Das Unsichtbare sichtbar machen, Beatrix Kriller-Erdrich .......................................................................................... 3 Making the invisible visible, by beatix kriller-erdrich ................................................................................................... 6 Kunsthistorisches Museum 1890/1891, Otmar Rychlik .............................................................................................. 9 Die Zwickel- und Interkolumnienbilder Gustav Klimts im grossen Stiegenhaus des Kunsthistorischen Museums ... 12 Gustav Klimt’s paintings in the spandrels and the spaces between the columns in the main staircase of the
Kunsthistorisches Museum ...................................................................................................................................... 12 Rahmenprogramm ................................................................................................................................................... 17 Tourismus-Information
Tel.: + 43 1 525 24– 4031
e-mail: [email protected]
Mag. Maria Gattringer
Tel.: + 43 1 525 24– 4028
Mobil: + 43 664 605 14– 4028
Fax: + 43 1 525 24– 4098
e-mail: [email protected]
Mag. Markus Kustatscher
Mobil: + 43 664 605 14– 4031
Fax: + 43 1 525 24– 4098
e-mail: [email protected]
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