Schottland: Der Letterewe Wilderness Walk
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Schottland: Der Letterewe Wilderness Walk
reiseberichte Die schönsten Treks der Welt Tour-Story: Der Letterewe Wilderness Walk Das erste, was uns in Schottland auffiel, war ein im Schottenkaro gemusterter Automat, dem bei entsprechender Fütterung mit Kleingeld "Original whisky flavoured condoms" zu entnehmen waren. Darunter stand die liebevoll angebrachte Warnung: "Don't use while driving"! Aber nicht nur kulinarisch unterscheidet sich die britische Insel vom Rest der Welt. Die Einstellung der Schotten bezüglich Outdooraktivitäten läßt sich ungefähr folgendermaßen beschreiben: Schotten lieben ihr Land und Trekking zu allen Jahreszeiten gehört zum festen Wochenendprogramm fast aller Insulaner. Aber bewirtschaftete Hütten, vorgeplante Rundwege oder gar Wegmarkierungen ... oh, welch ein Greuel! Darauf stehen nur "puffy continentals!" Wandern gilt als individualistischer Zeitvertreib freiheitsliebender Leute, der Umgang mit Karte und Kompaß ist zwingende Voraussetzung zum Betreten der Highlands. Eine ähnlich konservative Einstellung findet sich auch unter den britischen Kletterern: Das Anbringen oder Sichern über Bohrhaken ist tabu. Wie man auch immer dazu stehen mag, Fakt ist, es gibt nur drei offizielle Weitwanderwege in Schottland und die verlaufen nicht zufällig entlang großer Straßen und durch Landschaften, die Kenner Schottlands eher als müden Durchschnitt bezeichnen würden. Die wahren Schätze bleiben so dem Haupttouristenstrom verborgen bzw. öffnen sich nur demjenigen, der bereit ist, sich der schottischen Einstellung zu ihren Highlands zu stellen. Die vielleicht schönste Perle dieses an Trekkingrevieren reichen Landes ist die so genannte Letterewe Wilderness. Die Letterewe was? In den Augen der meisten Schotten wird jetzt ein gewisses Leuchten erscheinen, unterbrochen vielleicht von einigen Nebelschwaden. Bei der Letterewe Wilderness handelt es sich um die größte zusammenhängende Naturlandschaft Großbritanniens, rund 2000 km² pure Wildnis zwischen dem Loch Maree im Süden und dem Loch Broom im Norden. Geradezu ideal für ausgedehnte Trekkingtouren nach schottischem Rezept. Und daß das ganze kein Geheimtip durchgeknallter Hardcore-Outdoor-Freaks ist, beweist spätestens der Parkplatz in Kinlochewe. Hier ist Platz für mehr Autos als der Ort Einwohner hat. Derartig auf die Widrigkeiten der Highlands vorbereitet, packen Sabine und ich Lebensmittel für 8 Tage in den Rucksack und treffen am Ausgang des besagten Parkplatzes ausgerechnet ... auf einen Wegweiser. Diesem folgend laufen wir auf einem breiten, gut angelegten Feldweg parallel zum Kinlochewe River. Ein leichtes Grinsen kann sich Sabine nicht verkneifen, schottische Wildnis-Bla-Bla: "in den Alpen geht es zumindest auch mal ein wenig hoch" frotzelt sie, die Schottland-Novizin. Anscheinend hat sich einiges geändert, oder doch nicht? Nach einer halben Stunde treffen wir auf den nächsten Wegweiser, der letzte für die nächsten 7 Tage. Auch der Weg wird deutlich schmaler und das für die Highlands so typische Geräusch stellt sich ein: Schmatz - und der Schuh ist bis zum Knie im Morast versunken. Wir laufen langsam das Tal des Abhainn an Fhasaigh aufwärts, in den Karten als Gleann Bianasdail bezeichnet. Es führt wie mit einem Lineal gezogen zum Lochan Fada, wo Sabine einen ersten Test bezüglich Schottlandtauglichkeit erwartet. Der Abhainn an Fhasaigh muß über sogenannte "stepping stones" überquert werden. Bei schlechtem Wetter kann dies zum Problem werden, wir haben aber Mitte Juni und es hat seit mehreren Tagen nicht mehr geregnet. So müssen wir nicht mal die Schuhe ausziehen und kommen trotzdem trockenen Fußes auf der anderen Seite an. Kein Problem für Sabine. Wer übrigens Schwierigkeiten mit der korrekten Aussprache gälischer Namen hat, sollte sich nicht grämen: die meisten Wörter sind Zungenbrecher und nur die wenigsten Schotten sprechen ihrerseits die Namen korrekt aus. Am Lochan Fada gibt es einige wunderschöne Buchten mit vorgelagertem Sandstrand, traumhafte Zeltplätze mit Aussicht auf die umliegenden Munros. Munros? Was ist das? Ein Munro ist kein Tier und auch keine Spätfolge der Maul- und Klauenseuche, ein Munro ist ein Berg. Allerdings nicht irgendeiner, sondern ein schottischer Berg über 3.000 Fuß. Der seltsame Name stammt von H. T. Munro, der Ende des letzten Jahrhunderts all diese Berge katalogisierte. Die ursprüngliche Ausgangshypothese, daß es nur einige Dutzend Berge über 3.000 Fuß gäbe, mußte immer wieder revidiert werden. 1891 veröffentlichte er dann sein Werk - 30 Bände - die sogenannten Munro's tables, mit den Namen von 277 Hügeln über 914 m. Mittlerweile hat sich die Anzahl sogar erhöht. Nicht das die Berge gewachsen wären, aber durch Neuvermessung und eine etwas geänderte Definition, was sich denn so ein Munro nennen darf, gibt es mittlerweile 284 Munros. Zumindest in Großbritannien hat sich auf Basis dieser Listen eine eigene Sportart entwickelt: das "Munro-Bagging". Nur am Rande bemerkt sei die Tatsache, daß, wer bereits alle Munros bestiegen hat, noch lange nicht auf das Sammeln weiterer Berge verzichten muß. In Schottland heißen alle Berge zwischen 2.500 und 3.000 Fuß Corbetts, und wer die alle bestiegen hat, kann sich dann auf die Donalds stürzen, daß sind alle Berge über 2.000 Fuß. Als wir am nächsten Morgen aufwachen, wollen wir nur 2 Munros besteigen, für Sabine Kreuz eins und Kreuz zwei auf der Liste. Bleiben nur noch 282. Allerdings sind der Ruadh Stac Mor und die A'Mhaighdean nicht irgendwelche Munros, sondern sie gehören zu den am weitesten von jeglicher Zivilisation entfernten Berge in Schottland überhaupt. Ihre Besteigung gilt daher als etwas besonderes, was wir nach 6 Stunden weglosem Gelände gut nachvollziehen können. Wir fühlen uns dabei an die berühmten Hanghühner erinnert, da ein Großteil des nicht vorhandenen Weges unterhalb des Beinn Tarsuinns entlang verläuft. Ein richtiger Munro'ist hätte wahrscheinlich diesen 3.000 Füße Berg auch noch bestiegen, vielleicht sogar die leichtere Alternative, denn durch den feuchten und morastigen Untergrund strengt das Gehen mit Gepäck doppelt an. Am Gipfel des A'Mhaighdean angekommen gönnen wir uns einen kleinen Schluck Whisky (Whisky selbstverständlich ohne "e" geschrieben, denn Whisky mit "e" wird ausschließlich in Irland mit Hilfe von drei Brennblasen hergestellt. Eine zuviel, wie die Schotten meinen). Bei besten Wetterverhältnissen schweift unser Blick über die Landschaft, deren Berge wie oben drauf gesetzte Schlösser über den weiten Moorflächen aufragen. Aus der Sicht eines Geologen treffen wir damit genau den Nagel auf den Kopf. Die weiten Moorflächen werden im Nordwesten Schottlands aus uralten Gneisen, dem sogenannten Lewisium aufgebaut. 2,5 Milliarden Jahre zählt dieses Gestein, und ist damit das Älteste Europas. Darüber liegt mit einer deutlichen Zeitlücke, Fachleute nennen das eine Diskordanz, der sogenannte Torridonische Sandstein, aus dem die umliegenden Berge aufgebaut sind. Im Vergleich zum Lewisium ist der Torridonische Sandstein richtig jung, nur 800 bis 1.000 Millionen Jahre stecken zwischen den verschiedenen Quarzkörnern. Interessant dabei ist, daß das Lewisium seine Fortsetzung im Norden Kanadas findet und der Torridonische Sandstein als Abtragungsprodukt eines Gebirges irgendwo im fernen Amerika in ein küstennahes Meer interpretiert wird. Das bedeutet, daß Schottland geologisch zu Amerika und nicht zu Europa und schon gar nicht zu England gehört. Die u.a. von Sean Connery geforderte Unabhängigkeit Schottlands hat also weit zurück reichende historische Wurzeln! Während des Abstiegs treffen wir kurz unterhalb des Gipfels auf ein Kleinod menschlicher Baukunst, einen Weg! Inmitten der Letterewe Wilderness existieren immer wieder Pfade, die aufgrund ihres phantastischen Zustands und ihres abrupten Endes irgendwo mitten in der Pampa geradezu grotesk und völlig fehl am Platze wirken. Fein säuberlich ist hier Stein auf Stein geschichtet, selbst kleine Bäche werden mittels Brücken überquert. Diese Wege erinnern an römische Straßen, wobei die sicherlich nie soweit in den Norden gekommen sind. Sie bauten zum Schutz gegen die schon damals etwas eigenwilligen Bewohner den sogenannten Hadrian's Wall, eine Art Chinesische Mauer, der Britannien vom damals Kaledonien genannten Schottland trennte. Die Überreste des Hadrian's Wall findet man zwischen dem Solway Firth und Newcastle, also rund 500 km südlich des Loch Maree. Kaledonien bedeutet aber bewaldetes Land und damit kommen wir der Erklärung derartig gut instand gehaltener Wege schon ein wenig näher. Es erinnert an Zeiten, als Schottland noch von dichten Laubwäldern bedeckt war und Crofters genannte Bauern im ganzen Land siedelten. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es allerdings ökonomisch interessanter, Schafe statt Menschen auf die riesigen Landflächen der Highlands zu setzen. Die Crofters wurden vertrieben, der Wald gefällt. Diesen "Highland clearences" genannten Prozeß, u. a. ein Grund, warum Mc Donald's in Amerika gegründet wurde und nicht in Schottland, führte zur totalen Entvölkerung der Highlands und ihrem heutigen Aussehen. Die Wege sind also mit großer Wahrscheinlichkeit Überreste aus jener Zeit, als in der Letterewe Wilderness noch Menschen siedelten. Aber auch das ist lange her und erklärt nicht, warum diese Wege immer noch in einem so phantastischen Zustand sind. Die Erklärung hierfür stellt ein weiterer, Anfang des 20. Jahrhunderts, statt gefundener Vertreibungsprozeß dar. Diesmal waren die Schafe dran, denn der Verkauf von Wolle brachte nicht mehr so viel ein wie das Verpachten von Jagdlizenzen an wohlhabende "Lords". Und so ist es bis heute geblieben. Zwischen September und November eines jeden Jahres wird das riesige Gebiet der Letterewe Wilderness zum Sperrgebiet und Rotwild gejagt. Und um den Herren Jägern den Transport der Beute zu erleichtern werden diese Wege instand gehalten. Am Ende des von der A'Mhaighdean herabführenden Sträßchen treffen wir entsprechend auch auf ein kleines Jagdschloß, Carnmore - Lodge am Fionn Loch. Das Haus selbst ist verschlossen. Im Gegensatz zur daneben liegenden Bothy, die sich in einem erbärmlichen Zustand befindet. Angeknabberte Lebensmittelreste zeugen noch von den Problemen der letzten Besucher. Vor die Alternative Zelt oder einer Nacht in der Bothy von Carnmore gestellt, ziehen wir unsere eigenen vier Wände vor. Mit entsprechendem Abstand zur Hütte finden wir einen Platz direkt mit Blick auf die A'Mhaighdean. Da oben waren wir noch vor ca. 3 Stunden, unglaublich. Bei traumhaften Licht wird das Tütengericht zum Festschmaus, nur übertroffen vom Stück Schokolade, daß als Nachtisch kredenzt wird. Mit einem furiosen Farbenrausch geht die Sonne unter - es ist kurz nach 22.00 Uhr. Auch der nächste Tag weckt uns mit makellos blauem Himmel. Keine Wolke trübt den Himmel und man kann sich kaum vorstellen, daß gerade in diesem Teil Schottlands wochenlang kein Hügel unter den grauen Wolken zu erkennen sein soll. Entlang des Fionn Loch führt unser Weg ohne größere Höhenunterschiede langsam nach Norden. Nach und nach erhöht sich die Temperatur, gegen Mittag ist es so heiß, daß die Luft über der braunen Heide zu flimmern beginnt und wir jeden Bach zu ausgiebigen Badestops nutzen. Der kleinste Anstieg treibt den Schweiß aus den Poren. Die normalerweise in dieser Region heiklen Flußquerungen werden von uns herbeigesehnt. Endlich wieder Wasser, um unseren ständig wachsenden Durst stillen zu können. Aufgrund des guten Wetters entscheiden wir uns am Loch na Sealga, anstatt an der Fischerhütte am Westende des Sees zu zelten, direkt weiter zur Shenavall-Bothy, einer weiteren unbewirtschafteten Hütte, zu gehen. Es ist weiterhin für die Jahreszeit zu warm, ein Umstand, dessen Erklärung durch dumpfes Donnergrollen angekündigt wird. Ein Gewitter in Schottland! Nie zuvor habe ich so etwas so weit oben im Norden erlebt, selten zuvor hatten es wir es so eilig in Richtung Hütte zu kommen. Aber zu spät, die ersten schweren Tropfen fallen, es nützt wohl nichts. Während wir unsere Goretex-Klamotten auspacken und anziehen, überholen uns kurze Zeit später zwei Schotten mit kurzer Hose. Grinsend weisen sie auf das letzte Hindernis auf dem Weg zur Shenavall Bothy, den Abhainn na Sealga hin. Dieser Bach läßt sich nicht auf "stepping stones" überqueren. Rund einen halben Meter ist er tief und wir sehen die beiden schnurstracks mit Schuhen durch den Fluß waten. So ein Mist! Da ich keine Lust habe auf nasse Schuhe und nasse Hose heißt es jetzt die übliche Prozedur kurz vor einer Flußüberquerung einläuten: Rucksack absetzen, Schuhe ausziehen, Sandalen auspacken und alles wieder ganz schnell verstauen, möglichst wasserdicht. Sabine schaut mir etwas sprachlos zu, "was ich denn vor hätte" fragt sie, als ich ohne Unterhose vor ihr stehe. "Na durch den Fluß, was sonst?". Die Unterschiede zwischen den Alpen und den schottischen Highlands derartig vor Augen geführt beginnt auch sie sich langsam auszuziehen, nur die Unterhose will sie partout anbehalten. Ich sage dazu nichts und stehe kurze Zeit später auf der anderen Seite des Bachs. Sie schaut zu und entscheidet sich anschließend für etwas andere Route. "Platsch" macht's und das Thema des Abends ergibt sich von selbst. Unsere beiden Schotten grinsen weiterhin, als wir heftig diskutierend in der Hütte eintreffen, sofort aber einen heißen Tee gereicht bekommen. Mit dem heißen Tee beruhigen sich die Gemüter und wir können unsererseits gemütlich in der Tür stehend beobachten, wie andere Wanderer, den mittlerweile bedrohlich angestiegenen Fluß durchwaten. Schnell hat sich ein Notensystem, ähnlich dem beim Kunstturnen, etabliert: Es wird zwischen Schnelligkeit, Standvermögen und Stil unterschieden. 6,0 erreichte dabei niemand, zu unterschiedlich bewerten Continentals und Insulaner. Den Sonderpunkt für die intelligenteste Bemerkung bekommen aber ohne Diskussion zwei Engländer aus Birmingham, die als Letzte kurz vor Mitternacht die Hütte erreichen. Sie haben die Kreuze 269 und 270 auf ihrer Liste abgehakt, die A'Mhaighdean und den Ruadh Stac Mor. Über 12 Stunden waren sie dafür unterwegs und hatten sich auf dem Rückweg total verlaufen. Den Sonderpunkt bekamen sie aber für die Frage nach einem kühlen Glas Wasser, angeblich hätten sie seit Stunden nichts mehr getrunken. Infokasten 1: Allgemeines: Der Letterewe Wilderness Weg ist keine fest ausgearbeitete und ausgetretene Trekkingtour wie z. B. die Annapurna Runde oder der Inka-Trail. Es ist, entsprechend schottischer Tradition, ein Vorschlag zu einer Rundwanderung in einer der schönsten Landschaften Europas. Ob Sie der vorgeschlagenen Tour folgen oder nicht, mehr oder auch weniger Zeit benötigen, eventuell sogar abkürzen und von Carnmore direkt zur Shenavall Bothy laufen, einige Munros mehr auf der Liste abhaken oder, oder...niemanden interessiert es und der Freiheit sind außerhalb der Jagdsaison keine Grenzen gesetzt. "You have to do what you have to do", sagte mir mal ein Schotte, als er trotz strömenden Regens und keiner Aussicht auf Wetterbesserung auf den Suilven, einem Berg im Nordwesten Schottlands, stieg. Entscheidend ist beim Letterewe Wilderness Walk die Fähigkeit völlig ohne fremde Hilfe einige Tage in der Wildnis zu verbringen. Voraussetzung dazu sind eine gewisse Geländegängigkeit, Karte und Kompaß richtig zu interpretieren, Flußquerungen abschätzen zu können und Lebensmittel für 6 bis 7 Tage ohne Sherpa auf dem Rücken zu transportieren. Anreise: Zur Anreise bestehen prinzipiell drei Alternativen zur Verfügung: Zunächst zur Bahn: die Bahnverbindung nach Schottland wird durch den Tunnel über London (schnellste Verbindung: Paris -- London in ca. 3*Std.) erfolgen und anschließend entweder die Westverbindung nach Glasgow nutzen (ca. 5*Std.) oder entlang der Ostküste nach Edinburgh (ca. 4*Std.) führen. Buchung und Auskunft über folgende Adresse: British Rail Lindenstr. 5 60325 Frankfurt Tel.069/97584646 Für die Anreise mit dem Flugzeug bestehen internationale Direktflüge nach Glasgow und Edinburgh. Häufig werden Flugverbindungen über London oder Manchester angeboten; die Preise variieren stark je nach Saison, Buchungszeitpunkt und Angeboten. Aktuelle Preise können daher viel besser in jedem Reisebüro angefragt werden. Mit der Fähre ist Schottland nicht direkt zu erreichen. Die kürzeste Entfernung bietet der Fährhafen Newcastle, der allerdings nur noch von Amsterdam angelaufen wird (Scandinavian Seaways). Wenn eine der zahlreichen Fähren auf den kürzeren und auf den ersten Blick preiswerteren Ärmelkanalstrecken gewählt wird, muß je nach Verkehr auf der M25, der London Orbital Ringautobahn, noch mit etwa 8--10 Stunden Fahrt bis Schottland gerechnet werden. Die schnellste Verbindung ist übrigens die entlang der Westküste verlaufende M6 über Birmingham, Manchester und Carlisle nach Glasgow oder Edinburgh. Beste Reisezeit: Der Sommer ist schlichtweg die nasseste Zeit im Jahr, außerdem sind die "midges" unterwegs. Als beste Jahreszeit hat sich der Frühsommer herausgestellt. In dieser Zeit geht die Sonne kaum unter (ca. 22 Uhr), so daß schlechtes Wetter vorübergehend im Zelt abgefeiert werden kann. Sehr reizvoll ist auch der Herbst, also September/Oktober. Ausrüstung: Die Standard Ausrüstung für Klimate mit heftigem Regen und Wind: Regenhose und Regenjacke, Trekkingstiefel, Gamaschen!, Funktionsunterwäsche, Fleece, Rucksack, sturmsicheres Zelt, Schlafsack bis ca. -5°, Isomatte. Ein erste Hilfe Set, Karte und Kompaß sind ebenfalls ein Muß. Letzter Outdoor-Laden vor der großen Wildnis ist die "Alte Tankstelle" in Kinlochewe. Transport: Öffentlich ein Problem! Einzig Westernbus unterhält eine Buslinie, die am Dienstag, Donnerstag und Freitag zwischen Aultbea und Inverness verkehrt. Der Bus hält u.a. auch in Kinlochewe. Ansonsten ist trampen eine gute Alternative. Infos in den lokalen Busterminals bzw. Büros des Scottish Tourist Board. Übernachtung: Bed & Breakfast in Kinlochewe. Bothys in: Carnmore (nahezu verfallen), Shenavall (gut, aber häufig überfüllt), Achneigie (gut), Lochivraon (privat, normalerweise aber offen) und Leckie. Auf der beschriebenen Wanderung ist die Mitnahme eines Zeltes unerlässlich. Verpflegung: Die gesamte Verpflegung muß von Anfang an mitgenommen werden. Trinkwasser: Überall reichlichst, manchmal auch zuviel, immer in bester Qualität. Gefahren: 1. Nach starken Regenfällen können die Flußquerungen problematisch, manchmal sogar unmöglich werden. In so einem Fall hilft nichts anderes als abwarten. Vor der Durchquerung eines Bachs suchen Sie sich möglichst eine breite Stelle mit geringer Strömung. Am besten ist es, wenn Sie den Untergrund noch an allen Stellen erkennen können. Als Schuhwerk haben sich Teva-Sandalen oder ein leichtes Paar Turnschuhe bewährt. 2. Verhalten bei schlechter Sicht: Nebel tritt in den schottischen Highlands nahezu täglich auf. Der Umgang mit Karte und Kompaß gehört daher zum Rüstzeug eines jeden Schottlandreisenden. Von der Errichtung sogenannter Notbiwaks wird an dieser Stelle dringend abgeraten. Alljährlich erfrieren etwa 40 Menschen beim Warten auf bessere Sichtverhältnisse. Wetter: Als Binsenweisheit gilt, daß Schottland ein schwer vorhersagbares Wetter hat. Im Winter ist der ausführliche und verläßliche Scottish Avalanche Infórmation Service unentbehrlich. Dieser läßt Rückschlüsse auf die Schneemengen, Windexposition und allgemeine Lage in verschiedenen Regionen zu. Dieser Lawinenwetterbericht wird im Winterhalbjahr täglich aktualisiert und ist unter http://www.sais.gov.uk im Internet zu erreichen. Dort finden sich zudem links zu weiteren interessanten Wetterberichten, so z.B. der gute Wetterbericht für Nord- und Südschottland: http://www.meto.govt.uk. Ohne Computer sind die telefonischen Wetterdienste die praktischere Lösung. Climbline: East Highlands Tel.0891654668 West Highlands Tel.0891654669 Mountaincall: Scotland West Tel.0891500441 Scotland East Tel.0891500442 Die dritte Möglichkeit sind die einschlägigen Pubs, Outdoorshops und Tourist Information Center, die meist einen aktuellen Wetterbericht aushängen. Geld: Das schottische Pfund ist eigentlich ein britisches Pfund Sterling. Drei schottische Banken, die Bank of Scotland, die Royal Bank of Scotland und die Clydesdale Bank, geben in Ermangelung einer Nationalbank jeweils unterschiedlich gestaltete Banknoten aus. Telefonieren: Es gibt wahrscheinlich weit aus mehr Fotos von ihnen als real noch im Land existieren: die Rede ist von den klassischen roten Telefonzellen. Das einzige, was sich vom Telefonieren auf dem Kontinent unterscheidet ist die Möglichkeit, des "Press on Call". Früher begann der Zähler zu ticken, sobald die Verbindung hergestellt war -- nicht etwa wenn der Angerufene den Hörer abnahm, sondern bereits vorher. Um dies zu vermeiden, kann bei bestimmten Modellen der Press on Call-- Knopf gedrückt werden. Das Geld läuft ab gedrücktem Knopf ... der zu drücken ist, bevor man gehört wird. Eine weitere nützliche Vokabel: collect call ist das Äquivalent zu einem R--Gespräch. Und: von nahezu jeder dieser kleinen Wunderkästen kann man ins Ausland telefonieren. Vorwahl aus dem Ausland nach Großbritannien: 0044 Vorwahl von Schottland nach Deutschland: 01049 Vorwahl von Schottland nach Österreich 01043 Vorwahl von Schottland in die Schweiz 01042 Informationen: Neben den britischen Auslandsfremdenverkehrszentralen existiert noch das nationale System des Scottish Tourist Board. Die meisten touristisch interessanten Orte sind mittlerweile mit kleinen Büros vor Ort vertreten. Die Zentrale ist unter Scottish Tourist Board 23 Ravelston Terrace Edinburgh EH 4 3 EU Tel.0131/3322433 zu erreichen. Der Ansprechpartner für Deutschland und Österreich ist die Britische Zentrale für Fremdenverkehr Westendstr. 16-22 60325 Frankfurt Te.069/971123 Im Internet ist das Scottish Tourist Board unter www.visitscotland.com erreichbar. Literatur: • Gantzhorn/Bertram; Abenteuer Trekking: Schottland; Bruckmann Verlag 1999 • Sager, Peter; Schottland-Geschichte & Literatur - Architektur und Landschaft; Du Mont 1997 • MacNeish, Cameron/Else, Richard; Wilderness Walks; BBC Books, London 1997 • Bennet, Donald; The Munros: Scottish Mountaineering Club Hillwalker' guide Karten: OS Landranger Series Nr. 19, Gairloch and Ullapool Area, Maßstab 1:50.000 Informationskasten 2: Von Tag zu Tag Letterewe Wilderness: eine Woche in der schottische Wildnis Etappe 1: Incheril (Kinlochewe) - Lochan Fada (10 km, 3,5 h) Lockerer Eingehtag! Vom Parkplatz in Kinlochewe auf gut markiertem Pfad bis zum Abhainn an Fhasaigh. Hinter der Brücke nach rechts (talaufwärts). Leicht ansteigend bis zum Lochan Fada. Hier endet der Pfad. Weglos zum See und über stepping stones auf die andere Seite des Bachs. Entlang des Ufers bis zu mehreren schönen Buchten mit kleinen Sandstränden (Zeltmöglichkeiten). Etappe 2: Lochan Fada - Carnmore (14 km, 8 h) It's a long way! Erneut eine Flußquerung steht am Anfang dieses langen Tages. Nach etwa 1 km entlang des Sees wendet man sich landeinwärts in Richtung eines Einschnitts unterhalb der Creag Ghlas Mhor. Anschließend hangparallel nach Nordwesten und über einen breiten Rücken auf den Gipfel der A'Mhaighdean. Bei schönem Wetter ein Traum. Abstieg nach Nordosten zu den roten Felsschrofen des Ruadh Stac Mor. Rucksack unten liegen lassen und Munro Nr. 2 abhacken. Weiter auf talabwärts immer besser werdenden Pfad bis Carnmore (Bothy, Zeltplätze). Etappe 3: Carnmore - Loch na Sealga (13 km, 5 h) Viel Wasser! Auf phantastisch ausgebautem Pfad entlang des Fionn Loch bis unterhalb des Creag na Sgoinne. Hier endet der Weg im Nichts. Abstieg zu einer Brücke über den Allt Loch Ghiubhsachain - ein feuchtes Vergnügen. Auf der orographisch rechten Seite des Bachs absteigen und zum Westende des Loch na Sealga queren. Schöne Zeltplätze mit Aussicht. Etappe 4: Loch na Sealga - Shenavall (9 km, 3 h) Erholung pur! Entlang des Loch na Sealga bis zum Abhainn Srath na Sealga. Flußquerung und anschließend zur Bothy Shenavall. In den Ruinen unterhalb gute Zeltmöglichkeiten, sonst innerhalb der komfortablen bothy. Etappe 5 (fakultativ): An Teallach (13 km, 1.200 Höhenmeter, 8 h) Ein Höhepunkt! Dieser Berg gehört zu den eindrucksvollsten Hügeln Schottlands. Die hier empfohlene Überschreitung sollte nur von erfahrenen Bergwanderern durchgeführt werden und ist als Tagestour konzipiert. Der Gipfelgrat erfordert absolute Schwindelfreiheit und weist Kletterschwierigkeiten bis zum II Grat auf. Zunächst auf gut ausgetretenem Pfad in Richtung Dundonnel. Am Scheitelpunkt des Weges beginnt der Aufstieg zu den vielen Grattürmen des An Teallach. Immer auf Trittspuren entlang des Grats bleiben, der sich wie ein Hufeisen um den Loch Tall an Lochain schmiegt. Am Glas Mheall Liath beginnt der Abstieg zum See. An dessen Ende trifft man auf Trittspuren, die zurück zum Hauptweg zwischen Dundonnel und Shenavall führen. Etappe 6: Shenavall - Lochivraon (13 km, 5 h) Landschaftswechsel! Auf gut ausgebautem Pfad zunächst nach Osten. Nach einer halben Stunde erreichen wir Achneigie, eine weitere Bothy. Hinter Achneigie auf Fahrspur bis zu einigen Bäumen. Während die Fahrspur links abbiegt, geradeaus zu einem Pfad, der parallel des Abhainn Lochan an Nid langsam an Höhe gewinnt. Hinter dem Lochan Nid ist der Weg etwas schwer auszumachen, wird aber talabwärts in Richtung Lochivraon wieder deutlich sichtbar. Lochivraon ist ein privat zur Verfügung gestellte Bothy und sollte dementsprechend pfleglich behandelt werden. Zelten läßt sich ebenfalls direkt neben der Hütte. Etappe 7: Lochivraon - Incheril (16 km, 7 h) Runde Hügel! Weglos in das Tal des Allt a' Ghleibh, und genauso weglos auf den Gipfel des Groban. Abstieg in Richtung Süden in das Tal "Gleann Tanagaidh". Auf dem Weg talabwärts fällt eine kleine, von West nach Ost verlaufende Schlucht ins Auge, Beginn des gut ausgebauten Weges zurück in die Zivilisation! Informationskasten 3: (5 persönliche Tips) 1. Mehr Informationen über Schottland, lokale Besonderheiten und die schönsten Treks innerhalb der Highlands befinden sich im Trekkingführer unseres Autors Ralf Gantzhorn: Abenteuer Trekking Schottland, erschienen im Bruckmann Verlag 1998. 2. Kein Schottlandtrip ohne Whisky. Ein kleiner Flachmann in der Deckeltasche hat schon manchen durchfeuchteten Wanderer wiederbelebt. Wer bei Whisky an brennenden Hals und Sodbrennen denkt, hat wahrscheinlich bisher nur die normal im Handel erhältlichen Sorten wie Johnny Walker oder Ballantines (Baller Dir einen) probiert. Der Kenner trinkt Single Malt Whisky, eine wahre Gaumenfreude. Es gibt ca. 170 Destillen im Land, deren Produkte sich geschmacklich stark unterscheiden. Die Palette reicht vom Laphraoig (hustensaftähnlich) bis zum Dalwhinnie (süß, mit Honiggeschmack - ernsthaft!). Probieren sollte man auf jeden Fall Lagavulin (kräftig - von der Westküste), Macallan (Sherry-tönig) und Cragganmore. 3. Eine der besten Kneipen (u. a. zum Probieren verschiedener Whiskysorten) ist das Clachaig Inn im Glen Coe. Urgemütlich, häufig Live-Musik, ist dieser Pub ein Teil der britischen Outdoor-Szene. 4. Zur kulinarischen Szene Großbritanniens gehört ebenfalls Fish'n Chips. Liebevoll in altem Zeitungspapier serviert, besteht die britische Nationalspeise aus frischem Fisch und mit viel Fett traktierten grob geschnittenen Kartoffelstückchen. Hauchdünne Pommes Frites heißen French Fries und gelten, wie alles Französische, als irgendwie unanständig und sind daher nur in Spezialitätenläden erhältlich. Serviert werden Fish'n Chips mit Essig (malt vinagar). Gute Fish & Chips Buden sind u. a. in Ullapool und in Fort Williams zu finden. 5. Südlich an die Letterewe Wilderness angrenzend befindet sich das Beinn Eighe National Nature Reserve. Die hier aufragenden Berge Beinn Eighe, Liathach und Beinn Alligan, alles Munros, gehören zum Feinsten, was in Schottland unter dem Begriffe Hillwalking angeboten wird. Drei Klassiker! Informationskasten 4: Midges! Wer midges noch nicht erlebt hat, kann nicht mitreden! Vergeßt skandinavische Mücken oder patagonische tabanos. Es geht hier um eine Spezies, die zuverlässig jeglichen Aufenthalt im Freien verhindert und schon so manchen Besucher frühzeitig zurück in die Heimat getrieben hat. Midges sind meines Wissens die einzigen Insekten, die es bei der Schwierigkeitsbewertung von Kletterrouten zu einer eigenen Skala gebracht haben. Es wird unterschieden zwischen bearable, nasty (repellent necessary) und excruciating. Wer britischen Hang zum Understatement kennt, dem sei folgende (wörtliche) Übersetzung als Hilfe zur Hand gegeben: "Gerade noch erträglich" (als Eingangsstufe), "ätzend" (Gegenmittel notwendig) und marternd (Folter!). Die midges-Saison beginnt im Juni und endet mit den ersten Nachtfrösten Anfang September. Wer im Sommer nach Schottland fährt hat nur eine Chance: Viel Wind! Informationskasten 5: Bothies: Eine gute Alternative zum Zelt stellen die sogenannten Bothies dar. Es handelt sich dabei um unbewirtschaftete Hütten, die jedem Wanderer offen stehen. Der Zustand der verschiedenen Häuser reicht von unerträglich dreckig bis anheimelnd gemütlich. Betreut werden die verschiedenen Bothies von der MBA, der Mountain Bothie Association, die auch eine Liste der Bothies für den Interessenten bereithält: Mountain Bothie Association 26 Rycroft Avenue Deeping St. James PE 68 NT Peterburgh Informationskasten 6: Glossar Gälische Worte treten in allen möglichen Variationen auf, meistens unaussprechlich, gelernt und gelehrt u.a. auf den Hebriden. Um das Lesen der Karte zu erleichtern hier eine Übersicht der wichtigsten gälischen Begriffe: allt, abhainn -> Bach, Fluß beag -> klein bealach -> Pass, Sattel ben, beinn -> Berg bonnie -> schön buachaille -> Schäfer, Hirte cairn -> Steinhaufen zur Markierung von Gipfeln, Passübergängen etc. mitunter auch Denkmal clach -> Stein clachan -> kleines Dorf coille -> Wald coire, corrie -> Talkessel, Felsarena col -> Pass craig,creag -> Felsen, Klippe croft -> Gehöft cruachan -> Hügel, großer Haufen dearg -> rot dobhar -> Bach, Fluß drum, druim -> Gebirgskamm, Bergrücken dubh -> dunkel, schwarz dun -> Festung eag -> Kerbe glas, ghlas -> grau, grün gleann, glen -> Tal glomach -> Schlucht inver -> Flußmündung kil -> Kirche, Friedhof lairig -> Pass liath -> grau loch -> See, Fjord lochan -> kleiner See meall -> rundlicher Hügel mor, more -> groß mull -> Vorgebirge ruadh -> rot sgurr, sgor -> felsiger Gipfel stob -> Gipfel strath -> Tal tarbert -> Landenge, Tragestelle