Anwaltskammer 7 / 2013
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Anwaltskammer 7 / 2013
Staatskanzlei GER 7/2013 Anwaltskammer 7 / 2013 Disziplinaraufsicht / Pflicht des Rechtsanwalts zur Vermeidung von Interessenkonflikten (Art. 12 lit. c BGFA) / Mehrfachverteidigungsmandat - Von besonderen Ausnahmefällen abgesehen, dürfen Anwältinnen und Anwälte keine Mehrfachverteidigungen von Mitangeschuldigten ausüben (E. 2.1.). - Verteidigt ein Anwalt den beschuldigten Staplerfahrer in einem nach einem tödlichen Arbeitsunfall aufgenommenen Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung und „begleitet“ er im gleichen Strafverfahren den als Auskunftsperson vorgeladenen Vorgesetzten dieses Beschuldigten zu einer polizeilichen Einvernahme, liegt eine konkrete Interessenkollision vor, da die Interessen der beiden Klienten offensichtlich gegenläufig sind (E. 2.3. ff.). 1. Verfahren 1.1. Am [...] 2009 ereignete sich im Lager der Firma X AG ein Arbeitsunfall, an dessen Folgen A verstarb Am [...] 2009 eröffnete der Staatsanwalt gegen B eine Strafuntersuchung betreffend fahrlässige Tötung. B wurde in der Eröffnungsverfügung vorgehalten, er habe den Tod von A pflichtwidrig unvorsichtig verursacht. Mit Schreiben vom 22. Juni 2009 teilte RA C der Staatsanwaltschaft mit, dass er im Verfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung B vertrete. Mit Verfügung vom [...] 2009 eröffnete die Staatsanwaltschaft betreffend fahrlässige Tötung zum Nachteil von A eine Strafuntersuchung gegen Unbekannt. Die Polizei Kanton Solothurn wurde insbesondere ersucht, die für den Betrieb und die Sicherheit der Lagerhalle verantwortlichen Personen zu ermitteln und die ermittelten Personen als Auskunftspersonen, allenfalls sodann als Beschuldigte zu befragen. Am 12. Mai 2010 erstatte die Polizei Kanton Solothurn Bericht über die gemäss Auftrag und Verfügung vom [...] 2009 erfolgten Ermittlungen. Auftragsgemäss sei der Betriebsleiter der X AG, D am 11. März 2010 als Auskunftsperson zur Sache befragt worden. An der Einvernahme seien im Weitern RA C, Anwalt von D und RA E, Vertreter der Geschädigtenpartei anwesend gewesen. Am 4. April 2012 teilte die Untersuchungsbeamtin der Staatsanwaltschaft RA C und RA E mit, die Staatsanwältin erachte die Untersuchung gegen Unbekannt i.S.v. Artikel 318 StPO als vollständig und beabsichtige das Verfahren betreffend fahrlässiger Tötung einzustellen. Den Parteien wurde Gelegenheit gegeben, Beweisanträge zu stellen. „Die Beschuldigte“ wurde darauf hin- 1.2. 1.3. 1.4. 1 GER 7/2013 1.5. 1.6. 1.7. 1.8. 1.9. 1.10. 2 Staatskanzlei gewiesen, dass sie im Falle der Einstellung des Verfahrens Gelegenheit habe, allfällige Entschädigungsbegehren nach Artikel 429 – 431 StPO anzumelden und zu begründen. RA C nahm mit Schreiben vom 23. April 2012 Bezug auf das Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 4. April 2012 und reichte für die X AG ein Entschädigungsbegehren in der Höhe von Fr. 1‘950.00 zzgl. MwSt ein. [...] Am [...] 2013 erliess die fallführende Staatsanwältin eine TeilEinstellungsverfügung. Darin stellte sie das Verfahren gegen Unbekannt ein. Weiter stellte sie fest, dass eine Entschädigung und/oder Genugtuung nicht ausgerichtet werde und dass das Verfahren gegen den Beschuldigten B nach Rechtskraft dieser Verfügung weitergeführt werde. In einer aufsichtsrechtlichen Meldung vom 25. September 2012 machte die Staatsanwaltschaft geltend, RA C befinde sich als Verteidiger eines Angestellten der X AG in einem Interessenkonflikt. [...] Die fallführende Staatsanwältin habe anlässlich der polizeilichen Einvernahme des Beschuldigten B vom 11. Januar 2012 den Eindruck gewonnen, dass RA C sich in erster Linie den Interessen der X AG verpflichtet fühle statt jenen des Beschuldigten. Mit Eingabe vom 9. November 2012 nahm RA C zu den Vorwürfen Stellung. [...] Am 31. Januar 2013 beschloss die Anwaltskammer, dass kein Disziplinarverfahren eröffnet werde, nachdem sich anlässlich der Einvernahme vom 11. Januar 2012 kein konkreter Interessenkonflikt zwischen der X AG und B offenbart habe. Gleichzeitig beschloss sie, es werde von Amtes wegen in einem separaten Verfahren die Einleitung eines Disziplinarverfahrens wegen des Umstandes, dass RA C allenfalls zwei oder drei Beschuldigte (B, D und X AG) im gleichen Strafverfahren vertreten bzw. verteidigt haben könnte, geprüft, und forderte RA C entsprechend zur Stellungnahme auf. Mit Schreiben vom 7. März 2013 nahm RA C dazu Stellung. Aufgrund der Vermittlung der X AG habe RA C die Strafverteidigung von B übernommen. Mit Verfügung vom [...] 2009 habe die Staatsanwaltschaft ein weiteres Verfahren gegen Unbekannt eröffnet. Dabei seien die Arbeitssicherheitsvorschriften bei der X AG Gegenstand von Untersuchungen gewesen und der Geschäftsführer D als Auskunftsperson sachdienlich befragt worden. Als jahrelanger Vertreter der X AG habe RA C in dieser Funktion D zur polizeilichen Einvernahme begleitet. Im Weitern sei am 16. März 2012 bei der Firma X AG ein Augenschein durchgeführt worden, an dem RA C ebenfalls anwesend gewesen sei. RA C habe sich durch das Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 4. April 2012 irreleiten lassen und fälschlicherweise gestützt auf Artikel 429 StPO am 23. April 2012 für die X AG ein Entschädigungsbegehren gestellt. Da die X AG nie Beschuldigte gewesen sei, habe Artikel 429 StPO auch nicht Grundlage für ein Entschädigungsbegehren bilden können. Das Entschädigungsbegehren hätte auf Artikel 434 StPO gestützt werden sollen, da die X AG eine Drittperson in diesem Strafverfahren gewesen sei. Weder gegen die X AG noch gegen D sei je ein Strafverfahren eröffnet worden. RA C habe lediglich den (nach wie vor) Beschuldigten B verteidigt. Soll- Staatskanzlei 1.11. 1.12. GER 7/2013 te – wider Erwarten – ein Strafverfahren gegen die X AG, deren Organe oder Sicherheitsverantwortliche eröffnet werden, so werde RA C selbstverständlich deren Verteidigung nicht übernehmen. Mit Beschluss vom 23. Mai 2013 eröffnete die Anwaltskammer von Amtes wegen ein Disziplinarverfahren gegen RA C wegen des Vorwurfs der Verletzung von Artikel 12 litera c BGFA durch die Vertretung von B und D im gleichen Strafverfahren. In seiner Stellungnahme vom 27. Juni 2013 liess RA C ausführen, dass er D nie vertreten habe. Er habe diesen lediglich im Auftrag der X AG zur Einvernahme vom 11. März 2010 bei der Kantonspolizei Solothurn begleitet. D sei als Auskunftsperson einvernommen worden. Es sei kein Strafverfahren gegen ihn eröffnet worden und er gelte deshalb nicht als Mitangeschuldigter. [...] 2. Erwägungen 2.1. Artikel 12 litera c BGFA schreibt den Anwälten vor, dass sie jeden Konflikt zwischen den Interessen ihrer Klientschaft und den Personen, mit denen sie geschäftlich oder privat in Beziehung stehen, meiden. [...] Des Weiteren darf ein Verteidiger nicht in ein und derselben Streitsache Parteien mit gegenläufigen Interessen vertreten, weil er sich diesfalls weder für den einen noch für den anderen Klienten voll einsetzen könnte. Nach Artikel 12 litera c BGFA ist jeder Konflikt zu vermeiden. Der Begriff Konflikt ist nach Valloni / Steinegger weit auszulegen (Valloni/Steinegger [Hrsg.]: Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA), Zürich 2002, S. 46 f.). Im Zweifelsfall ist von einer Konfliktsituation auszugehen. Eine Einschränkung ist allerdings gemäss Fellmann insofern zu machen, als für das Vorliegen eines Konflikts im Sinne des BGFA nicht bereits der Anschein einer Interessenkollision ausreichen könne, da niemand unter Kontrolle habe, welchen Anschein sein Verhalten bei Dritten wecke. Anwälte hätten somit den tatsächlichen, konkreten Interessenkonflikt und nicht irgendeinen Anschein zu vermeiden (Walter Fellmann in: Fellmann/Zindel [Hrsg.], Kommentar zum Anwaltsgesetz, Zürich 2011, Art. 12 BGFA N 87). Nach Auffassung des Bundesgerichtes liegt eine unzulässige Interessenkollision ebenfalls nur vor, wenn ein konkreter Interessenkonflikt besteht. Es wäre einem Rechtsanwalt ansonsten überhaupt nie möglich, zwei Personen zugleich zu vertreten, da immer denkbar sei, dass es zwischen diesen auf die eine oder andere Art zu Meinungsverschiedenheiten bezüglich des Streitgegenstandes kommen könnte. Die blosse abstrakte Möglichkeit, dass zwischen verschiedenen Klienten Differenzen auftreten könnten, genüge daher für die Annahme eines Interessenkonflikts nicht (vgl. BGE 134 II 108). In einem Entscheid vom 21. Juni 2011 hat das Bundesgericht erwogen, bei Mehrfach-Verteidigungsmandaten desselben Rechtsvertreters für verschiedene Mitangeschuldigte bestehe grundsätzlich ein Interessenkonflikt, der einen Verfahrensausschluss eines Verteidigers (gestützt auf das Anwaltsberufs- und Strafprozessrecht) rechtfertigen könne. Von besonderen Ausnahmefällen abgesehen, dürften Anwältinnen und Anwälte keine Mehrfachverteidigungen von Mitangeschuldigten ausüben. Dies selbst dann nicht, wenn die Mandanten der Doppelvertretung zu3 GER 7/2013 2.2. 2.3. 4 Staatskanzlei stimmen, oder wenn der Verteidiger beabsichtige, für alle Angeschuldigten auf Freispruch zu plädieren. Eine Mehrfachverteidigung könnte allenfalls (im Interesse der Verfahrenseffizienz) ausnahmsweise erlaubt sein, sofern die Mitangeschuldigten durchwegs identische und widerspruchsfreie Sachverhaltsdarstellungen geben und ihre Prozessinteressen nach den konkreten Umständen nicht divergieren würden. Diese Rechtsprechung stehe im Einklang mit den Standesregeln, wonach Rechtsanwälte Konflikte mit den Interessen ihrer Klientschaft vermeiden sollen (Art. 12 lit. c BGFA) (BGE 6B_1073/2010 vom 21. Juni 2011; siehe auch BGE 1B_611/2012 und 1B_613/2012 vom 29. Januar 2013). In Fällen der Mehrfachverteidigung ist daher davon auszugehen, dass in aller Regel ein konkreter Interessenkonflikt vorliegt, auch wenn dieser (noch) nicht ausgebrochen ist. Man könnte von einer gesetzlichen Vermutung sprechen, die in Ausnahmefällen widerlegt werden kann (Walter Fellmann, a.a.O., N 83 ff.). RA C hat in seiner Eingabe vom 7. März 2013 noch geltend gemacht, es sei zusätzlich zum Verfahren gegen den Beschuldigten B ein weiteres Verfahren gegen Unbekannt eröffnet worden. Zu Recht hält er an dieser Argumentation in der Eingabe vom 27. Juni 2013 nicht mehr fest, denn es ist klar, dass es sich bei beiden Verfahren um ein und dasselbe Verfahren, nämlich um den tragischen Arbeitsunfall, bei dem A getötet worden ist, handelt. RA C stellt sich auf den Standpunkt, er habe D nie vertreten. Er habe diesen lediglich im Auftrag der X AG zur Einvernahme vom 11. März 2010 bei der Kantonspolizei Solothurn begleitet. Zwischen D und ihm habe nie ein Mandatsverhältnis bestanden. RA C hat unbestrittenermassen den Beschuldigten B im Strafverfahren verteidigt. Die Staatsanwaltschaft hat mit Eröffnungsverfügung vom [...] 2009 das Strafverfahren betreffend fahrlässige Tötung auf unbekannte Täterschaft ausgedehnt. Die Staatsanwaltschaft hat die Polizei Kanton Solothurn ersucht, die für den Betrieb und die Sicherheit der Lagerhalle verantwortlichen Personen zu ermitteln und alsdann die ermittelten Personen als Auskunftspersonen, allenfalls als Beschuldigte zu befragen. In der Folge ist D als Auskunftsperson befragt worden. Im Bericht an die Staatsanwaltschaft vom 12. Mai 2010 hat die Kantonspolizei festgehalten, dass bei der Einvernahme vom 11. März 2010 nebst der Auskunftsperson auch dessen Anwalt C sowie RA E, als Vertreter der Geschädigtenpartei anwesend gewesen sei. Dem Bericht ist weiter zu entnehmen, dass D gegenüber der ihn einvernehmenden Polizei klar zum Ausdruck gebracht hat, dass RA C sein Anwalt sei. [...] RA C seinerseits hat gegenüber der Polizei sein Mandatsverhältnis bestätigt bzw. hat zumindest nicht dementiert, dass er der Vertreter von D sei. Jedenfalls hat der einvernehmende Polizist am Ende der Einvernahme RA C explizit die Gelegenheit gegeben, «seinem Mandanten» noch Ergänzungsfragen zu stellen. RA C hat das Einvernahmeprotokoll vorbehaltlos mitunterzeichnet. RA C ist somit zweifelsohne als Rechtsvertreter von D aufgetreten. Wer (D oder die X AG) für die Kosten der Vertretung aufgekommen ist, ist dabei völlig belanglos. Staatskanzlei 2.4. GER 7/2013 RA C macht geltend, D sei als Auskunftsperson einvernommen worden. Es sei auch nie ein Strafverfahren gegen ihn eröffnet worden, weshalb er nicht als Mitangeschuldigter gelte. Somit liege keine unzulässige Mehrfachverteidigung von Mitangeschuldigten und damit auch keine Verletzung von Artikel 12 litera c BGFA vor. [...] Wer als Auskunftsperson einvernommen werden kann, ergibt sich aus § 69 Absatz 1 der damals anwendbaren Solothurnischen Strafprozessordnung, nämlich primär „Personen, die als Täter oder Teilnehmer in Frage kommen“. Diese Formulierung entspricht jener von Artikel 178 litera d der eidgenössischen StPO, wonach als Auskunftsperson einvernommen wird, wer ohne selber beschuldigt zu sein, als Täterin, Täter, Teilnehmerin oder Teilnehmer der abzuklärenden Straftat nicht ausgeschlossen werden kann. Wer in einem Strafverfahren verdächtigt wird, die verfolgte strafbare Handlung begangen zu haben oder an ihr beteiligt gewesen zu sein, wird als beschuldigte Person behandelt. Steht eine Person ausserhalb jeden Tatverdachts, so ist sie als Zeugin oder als Zeuge zu befragen. In der ersten Phase der Strafuntersuchung ist häufig unklar, ob der zu Befragende als beschuldigte Person oder als Zeuge bzw. Auskunftsperson in Frage kommt. Insbesondere kann fraglich sein, welcher Grad an Tatverdacht notwendig ist, damit eine Person nicht mehr als Zeuge, sondern als beschuldigte Person zu betrachten ist. Wird jemand als Zeuge vernommen und stellt sich später heraus, dass es sich effektiv um die tatverdächtige Person handelte, können die Aussagen wegen des Verbots des Selbstbelastungszwangs nicht verwertet werden. Müsste dagegen jede Person, die in den möglichen Täterkreis fallen könnte, von vornherein als angeschuldigte Person und damit als Partei mit entsprechenden Parteirechten behandelt werden, wären gewisse Verfahren nicht mehr zu bewältigen. Für diese Fälle steht die Zwischenfigur der Auskunftsperson zur Verfügung. Zu denken ist an Fälle, in denen gegen eine Person zwar kein hinreichender Tatverdacht besteht, um sie als beschuldigte Person erscheinen zu lassen, aber gleichzeitig eine Tatbeteiligung nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann. Würde diese Person als Zeuge oder Zeugin einvernommen, könnte sie wegen der Pflicht zur wahrheitsgemässen Aussage in einen Konflikt zwischen Selbstbelastung einerseits und Verstoss gegen die Wahrheits- oder Aussagepflicht andererseits geraten. Aus dem Grundsatz der Unschuldsvermutung geht hervor, dass eine Person – ohne Hinweise auf eine strafrechtlich relevante Mitwirkung am inkriminierten Sachverhalt – als unbeteiligt und daher grundsätzlich als Zeuge zu gelten hat. Sprechen konkrete Verdachtsgründe für eine deliktische Mitwirkung, so ist die betreffende Person als beschuldigte Person zu betrachten. Entscheidend ist somit eine materielle Beschuldigteneigenschaft und nicht der Umstand, ob formell bereits eine entsprechende Beschuldigung gegen die betreffende Person erhoben wurde. Sobald sich jedoch gegen eine Auskunftsperson ein Tatverdacht ergibt, ist sie als angeschuldigte Person zu behandeln (Henriette Küffer in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Basel 2011, 5 GER 7/2013 2.5. 2.6. 2.7. 2.8. Art. 104 StPO N 9; Roland Kerner in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], a.a.O., Art. 178 StPO N 1 und 8). [...] Der Eröffnungsverfügung vom [...] 2009 sowie der TeilEinstellungsverfügung vom [...] 2013 ist zu entnehmen, dass die Staatsanwaltschaft zu Beginn der Untersuchung nicht ausgeschlossen hat, dass neben B weiteren Personen aus dem Umfeld der X AG Sorgfaltspflichtverletzungen vorgeworfen werden müssen. Bis zur Teil-Einstellungsverfügung vom [...] 2013 ist daher D als möglicher weiterer (sog. «materieller») Beschuldigter zu betrachten. RA C hat somit im gleichen Strafverfahren in unzulässiger Weise zwei «Beschuldigte» vertreten. Auch wenn man D nicht als «materiellen» Beschuldigten betrachten wollte, muss das Vertretungsverhältnis von RA C zu D gleichwohl als unzulässige Mehrfachvertretung qualifiziert werden. In solchen Fällen sind latente Interessenkollisionen oft anfänglich nicht erkennbar, weil sie sich erst im Verlauf des Strafverfahrens herausbilden. Es liegt auf der Hand, dass RA C, der an der Befragung der Auskunftsperson D als dessen Vertreter und wohl auch als Verteidiger des Beschuldigten B teilnahm, eine optimale Vertretung beider Mandanten nicht möglich gewesen ist. Er konnte zwangsläufig nur in beschränktem Umfang Ergänzungsfragen stellen, wollte er nicht in einen Interessenkonflikt geraten, denn es ist offensichtlich, dass die Interessen der Betroffenen gegenläufig waren. Die Belastung des einen führt zwangsläufig zur Entlastung des andern (vgl. hiezu Walter Fellmann, a.a.O., N 101b). Ein verbotener Interessenkonflikt hätte auch schon dann vorgelegen, wenn RA C den D als Auskunftsperson nur beraten statt vertreten hätte. Im Beschluss vom 2. September 2004 (KG 040019/U) hat die Aufsichtskommission des Kantons Zürich sodann auf eine unzulässige Mehrfach-Vertretung eines Anwalts erkannt, der in einem Strafverfahren sowohl den Beschuldigten verteidigt, als auch eine Zeugin (die Ehefrau des Beschuldigten) vertreten hat. Zusammenfassend ist festzustellen, dass RA C in demselben Verfahren in unzulässiger Weise zwei Personen vertreten hat. Er hat mithin gegen das Gebot, eine Interessenkollision zu vermeiden, verstossen. RA C hat Artikel 12 litera c BGFA verletzt. [Insgesamt liegt eine mittelschwere Verletzung vor: Busse von Fr. 700.00] [...] (Beschluss der Anwaltskammer vom 12. September 2013) 6 Staatskanzlei