Prucaloprid - Behandlung chronischer Obstipation bei Frauen Jinda

Transcrição

Prucaloprid - Behandlung chronischer Obstipation bei Frauen Jinda
4. Jahrgang, 6. Ausgabe 2010, 162-176
- - - Rubrik Neue Arzneimittel - - -
Prucaloprid - Behandlung
chronischer Obstipation bei
Frauen
Obstipation
Klinische Effektivität
Wirkungsmechanismus
Therapeutische Sicherheit
Pharmakokinetik
Wechselwirkungen
Prucaloprid
- 163 -
Prucaloprid - Behandlung chronischer
Obstipation bei Frauen
Jinda Ismail*, Imen Abdellaoui, Vildan Ucar,
Seyehde Masomeh Saberi Niaki und Elisabeth Zieba,
Fachbereich Pharmazie, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf
*Korrespondenzadresse
Jinda Ismail
Fachbereich Pharmazie
Heinrich-Heine-Universität
Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf
[email protected]
Lektorat:
N.N.
N.N.
Den Fortbildungsfragebogen zur Erlangung eines Fortbildungspunktes zum
Fortbildungstelegramm Pharmazie finden Sie hier:
http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/Kurzportraet.html
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Fortbildungstelegramm Pharmazie 2010;4(5):162-176
Prucaloprid
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Abstract
The new drug Prucaloprid has been
approved by the European Medicinal
Agency for treatment of symptoms of
chronic constipation in women for whom
laxatives has failed to work well enough.
Constipation is a commom gastrointestinal disease. According to the ROME III
criterions, constipation covers a variety
of related symptoms which are usually
treated with medicines that trigger bowel
movements but such treatment often
loose effectiveness during ther course of
the disease. Prucaloprid is a highly
selective 5-HT4 receptor agonist. It
attaches to these receptors in the gut
smooth and stimulates movement in the
gut. Three clinical trials substantiating
the approval have shown that prucaloprid was more effective than placebo at
treating chronic constipation in women.
Those and other studies have also
evaluated the drug’s safety. The most
common side effects with Resolor (seen
in more than 1 patient in 10) are headache, abdominal pain, nausea and
diarrhoea. As always among newly
approved drugs the current data concering efficay and safety due not allow to
finally judge the therapeutic value of
prucaloprid. However, the drug appears
a suitable alternative for women who do
not sufficiently respond to laxatives.
ren. Drei klinische Studien, die der
Zulassung zugrunde liegen, zeigen, dass
Prucaloprid bei der Behandlung chronischer Obstipation bei Frauen wirksamer
ist als Placebo. Mehrere Studien beurteilten auch die Arzneimittelsicherheit und
das
Nebenwirkungsspektrum.
Dabei
wurden vor allem über Kopfschmerzen,
abdominelle Schmerzen, Übelkeit und
Diarrhö berichtet. Wie bei allen neu
eingeführten Arzneistoffen reichen die
vorliegenden Daten zu den Neben- und
Wechselwirkungen nicht aus, um eine
verlässliche Aussage zum therapeutischen Stellenwert treffen zu können.
Dennoch erscheint Prucaloprid für Frauen, die nicht oder unzureichend auf
Laxantien ansprechen, als mögliche
pharmakotherapeutische Alternative.
Obstipation
Die Obstipation zählt zu den häufigsten
Magen-Darm-Erkrankungen. Man spricht
von einer funktionellen Obstipation,
wenn nach ROM III Während mindestens
3 der vorhergehenden 6 Monate, dauernd oder intermittierend, mindestens 2
der folgenden Kriterien in mehr als 25%
der Zeit erfüllt sind:
• starkes Pressen beim Stuhlgang
• klumpiger oder harter Stuhl
• Gefühl der inkompletten Entleerung
• Gefühl der anorektalen Obstrukti-
Abstrakt
on/Blockierung
Der neue Wirkstoff Prucaloprid wurde
von der European Medicinal Agency zur
Behandlung der chronischen Obstipation
bei Frauen zugelassen, bei denen andere
Maßnahmen bisher nicht geholfen haben.
Die Obstipation zählt zu den häufigsten
Magen-Darm-Erkrankungen.
Gemäß
ROM-III-Kriterien umfasst die Obstipation verschiedene Stuhlgangbeschwerden.
Die bisherige Therapie erfolgt symptomatisch mittels Laxantien, die aber
häufig im Verlauf der Erkrankung ihre
Effektivität verlieren. Prucaloprid ist ein
hoch selektiver 5-HT4-Rezeptoragonist
mit enterokinetischer Aktivität. Prucaloprid kann spezifisch und selektiv die 5HT4- Rezeptoren der Darmmuskulatur
besetzen, und so zu einer Steigerung der
Darmmotilität und einer Verstärkung der
motorischen Aktivität des Darmes füh-
• manuelle Manöver zur Erleichterung
der Defäkation
• weniger als 3 Entleerungen pro Wo-
che (1).
Epidemiologie Die Prävalenz der Obstipation wird in den westlichen Ländern
auf 20% geschätzt (3). Frauen sind
häufiger betroffen als Männer (4). Kinder
und ältere Personen trifft es häufiger als
junge Erwachsene. Etwa 30-50 % der
Menschen in der Palliativtherapie leiden
unter Obstipation. Bei Opioid- Einnahme
ohne Prophylaxe beträgt die Häufigkeit
etwa 100% (5,6).
Formen Man unterscheidet verschiedene
Formen der Obstipation:
• Normal-Transit-Obstipation
(funktionelle Obstipation, 59 % der
Patienten)
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Prucaloprid
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• Defäkationsstörungen (Outlet-
Obstipation, 25%)
• Slow-Transit-Obstipation (13%, vor
allem junge Frauen)
• Kombinationen aus Defäkationsstö-
rungen und Slow-TransitObstipation (3%)
Bei
der
Normal-Transit-Obstipation
herrscht eine unvollständige Stuhlentleerung, aber die Darmpassage ist nicht
verzögert. Bei Defäkationsstörun-gen ist
die rektale Defäkation beeinträchtigt. Die
Slow-Transit-Obstipation ist, wie der
Name schon sagt, durch eine verzögerte
Kolonpassage verur-sacht (2).
Symptome/Komplikationen
Komplikationen der Obstipation sind Blasenentleerungsstörungen,
Stuhlimpaktion
(paradoxe Diarrhoe), Druckulzera und
Blutungen im Analbereich. Bei chronischem Verlauf kann es zu Symptomen
des Rückstaus mit Völlegefühl und
Appetitlosigkeit kommen (3).
Ursachen Die Verweildauer der Nahrung
im menschlichen Gastrointestinaltrakt
hängt von der Nahrungszusammensetzung, den Lebensgewohnheiten, der
zentalnervösen Steuerung, dem peripheren Nervensystem, den hormonellen
Einflüssen, der Darmmuskulatur und der
Propulsion innerhalb des Lumens ab.
Jede dieser Abhängigkeiten kann, einmal
aus dem Gleichgewicht geraten, eine
Obstipation verursachen (7).
Die Ursachen der Obstipation sind sehr
vielfältig, folgende werden dazu gezählt
(Abb. 1):
• Reflektorische oder psychogene
Störungen z.B eine Analfissur, die
schmerzhafte Stuhlentleerung verursacht und reflektorisch den Tonus des Analsphinkters erhöht oder
der sogenannte Anismus (eine Kontraktion, statt der normalen Dilatation des Beckenbodens bei Dehnung des Rektums, tritt auf nach
einem sexuellen Missbrauch oder
bei Morbus Parkinson).
• Funktionelle Transportstörungen:
können myogen, neurogen, reflektorisch oder medikamentös bedingt
sein (Pseudoobstruktion)
• Neurologische Ursachen wie z.B.
bei Morbus Hirschsprung (Dauerhafter Spasmus im Anusbereich),
Morbus Parkinson und Multiple
Sklerose etc.
• Myogene Ursachen wie beispiels-
weise muskuläre Dystrophien
Abb. 1: Ursachen und Folgen von Obstipation und (Pseudo-)Obstruktion
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• Mechanisches Hindernis: im Darm-
lumen (z.B. Fremkörper, Gallenstein), in der Darmwand (Tumor,
Stenose, Striktur, Infekt) und von
außen (Adhäsion, Volvulus,
Schwangerschaft) (5,8)
• Medikamentöse Ursachen: Opioide,
Sedativa, Diuretika, Antazida, Antihistaminika, Anticholinergika, trizyklische Antidepressiva und Zytostatika (9)
Bisher verfügbare Medikation Die
rote Liste unterteilt in pflanzliche und
chemische Laxantien (Weblink 1)
Pflanzliche Arzneimittel:
• Anthranoidhatige Mittel wie Sen-
nesblätter, Aloe und Cascararinde
• Füllmittel/Quellmittel wie Weizen-
kleie und Leinsamen
Chemische Arzneimittel:
• Antiresorptiv/Hydragoge Laxantien
wie Bisacodyl und Natriumpicosulfat
• Osmotisch wirksame Laxantien wie
Zucker und Zuckeralkohole, Laktulose und Macrogole
•
Außerdem zählen Paraffin und Glycerol noch zu den chemischen Laxantien (Tab. 1).
Laxantien wirken abführend über verschiedene Mechanismen: Stimulierung
der Darmbewegung, Zurückhalten oder
Gruppe
Antiresorptiv/
hydragoge
Laxantien
Osmotische
Laxantien
Sekretion von Wasser und Elektrolyten in
den Darm, schmieren des Darminhalts,
Anregung des Defäkationsreflexes.
Osmotisch
wirkende
Laxantien
Osmotische Laxantien verhindern die
Wasserresorption im Dickdarm, weil sie
nicht, oder nur wenig resorbiert werden
und daher eine Erhöhung des osmotischen Drucks im Darmlumen auslösen.
Das erhöhte Volumen löst den Defäkationsreflex aus (10).
Salinische Abführmittel Zu dieser Gruppe
gehörende Stoffe wirken sicher und
schnell. Hierzu gehören Natrium- und
Magnesiumsulfat, Natriumphosphat und
Natriumcitrat. Am häufigsten werden
Bitter- und Glaubersalz verwendet. Die
typische Nebenwirkung bei Natriumsulfat
ist, bedingt durch den hohen Na-Gehalt,
die erhöhte Wasserretention und dementsprechend Hypertonie. Magnesiumsulfat verursacht die häufige Nebenwirkung Muskelschwäche und Blutdruckabfall. Das liegt an der unzureichenden
Ausscheidung
von
Magnesiumionen,
besonders
bei
niereninsuffizienten
Patienten (11).
Zuckeralkohole und Zucker Zu den
osmotisch wirksamen Laxantien zählen
weiterhin die schwer resorbierbaren
Zuckeralkohole wie Mannit (200 g Mannit
in 1 Liter Wasser innerhalb von 2 Stunden p.o. führen zu einer diarrhoischen
Entleerung von 4 l,
Handelsname
Dulcolax® Dragees, Laxoberal® Abführperlen
Diphenole
Ricinusöl
Anthrachinonglykoside,
Midro Abführtabletten
Macrogol
Macrogol Hexal
®
Salinische Laxantien
Lactulose
Bifiteral® Beutel Pulver
Glycerol
Glycilax® für Erwachsene
®
Quellstoffe
Flohsamen
Flosine
Balance
Gleitmittel
Docusat-Natrium
Norgalax Miniklistier Gel
Tab. 1: Eine Auswahl gängiger Laxantien mit den Handelsnamen.
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dies ist bei Operationsvorbereitung
hilfreich), Sorbit und Lactilol, sowie die
Zucker Lactose und Lactulose. Lactulose,
Lactose und Lactilol wirken zusätzlich
über einen weiteren Mechanismus. Sie
können im Kolon durch Darmbakterien
zu Säuren vergärt werden, die die
Darmperistaltik anregen (11, 12).
Polyethylenglycol gehört auch zu den
osmotischen Laxantien. Das Handelspräparat Movicol® ist in der Lage, den Stuhl
aufzuweichen und durch die Behinderungen der Wasseresorption den Defäkationsreflex auszulösen (11).
Antiresorptiv/Hydragog
wirkende
Laxantien Hydragoge Laxantien hemmen die Na+/K+ ATPase und führen
dadurch zu einer Verminderung der
Natrium- und Wasserresorption. Darüber
hinaus induzieren die Hydragoga auch
eine Erhöhung der Wasserpermeabilität
der Zwischenräume zwischen den Mucosazellen; dies führt zum vermehrten
Wassereinstrom ins Darmlumen (13).
Ricinusöl Ricinusöl hat die vergleichweise
größte Wirkstärke. Lipasen im Dünndarm
wandeln das unwirksame Triglycerid in
den eigentlichen Wirkstoff, der Ricinolsäure um. Ricinusöl ist relativ nebenwirkungsarm, wird aber dennoch ungern
eingenommen. Behandlungsdauer darf
wegen des möglichen Wasser- und
Elektrolytverlustes 2 Wochen nicht
überschreiten (11).
Anthrachinonglycoside Sie kommen in
Aloe, Faulbaumrinde (Frangulae cortex),
Kreuzdornbeeren (Rhamni catharticae
fructus), Sennesblätten (Sennae folium),
Rhabarber (Rhei radix) und anderen
Drogen vor. Die Substanzen sind
Prodrugs. Die Glykosidform wird nicht
resorbiert und gelangt in den Dickdarm.
Dort werden ihre Zucker von Bakterien
abgespalten und damit aktiviert (13).
Diphenole Zu dieser Gruppe gehören
Natriumpicosulfat und Bisacodyl. Sie
zeigen über direkte Reizung der glatten
Muskulatur eine zusätzliche Erhöhung
der Peristaltik (13).
Gleitmittel Einigen Abführmitteln wird
Docusat-Natrium
(Natriumdioctylsulfosuccinat) zugesetzt, das als oberflächenaktiver Stoff die Fäzes erweichen und
besser gleitend machen kann (vorteilhaft
bei Hämorroidalleiden) (14).
Neue Laxantien Zu dieser speziellen
Gruppe gehören die OpioidrezeptorAntagonisten Methylnaltrexon, Naloxon
und Alvimopan (15). Alle drei Arzneimittel führten zur Dämpfung der Opioidinduzierten motorischen Stauung im
Darm, während die analgetische Wirkung
erhalten bleibt. Die Entwicklung dieser
Opioid-Rezeptor-Antagonisten mit eingeschränktem Zugriff auf das ZNS bietet
neue
Möglichkeiten,
die
negativen
Auswirkungen der Opioid-Analgetika in
der Peripherie, vor allem OBD (Opioidinduced bowel dysfunction) gezielt zu
steuern, ohne ihre analgetische Wirkung
zu verlieren. Außerdem ist ihr Nebenwirkungsprofil sehr günstig (16)
Methylnaltrexon (Relistor®) Wird angewandt, wenn unter Palliativtherapie die
üblichen Laxantien unzureichend sind
(Reservetherapeutikum).
Während
Naltrexon zentralwirksam ist, und für die
Entwöhnung opioidabhängiger Patienten
verwendet wird, kann Methylnaltrexon
wegen seiner ionischen Ladung die BlutHirn-Schranke nicht überwinden und
besitzt daher ausschließlich eine periphere Wirkung. Es ist ein rezeptorselektiver
Antagonist mit hauptsächlicher Wirkung
auf den µ- und К- Rezeptor und geringerer Wirkung auf den б- Rezeptor. In
Phase-III-Studien, die schließlich 2008
zur Zulassung geführt haben, wurde die
subkutane Anwendung gegen Placebo
getestet. Den Patienten wurde eine Dosis
von 0,15 mg pro Kg Körpergewicht
Methylnaltrexon bzw. Placebo an jedem
zweiten Tag verabreicht. Die primären
Endpunkte waren Defäkation innerhalb
der ersten vier Stunden nach der ersten
Dosis und Defäkation innerhalb von vier
Stunden nach mehr als zwei der ersten
vier Gaben. Nach der ersten Dosis
erreichten mehr als 48% der Patienten
der Verumgruppe eine Defäkation innerhalb von vier Stunden, während es in der
Placebogruppe lediglich 15% waren. Die
wichtigsten Nebenwirkungen sind Übelkeit, Bauchschmerzen, Flatulenz und
Durchfall.
Diese
Oxycodon/Naloxon
(Targin®)
Fixkombination stellt ein neues Konzept
dar. Es ist 2006 zur Behandlung von
mittelstarken bis starken Schmerzen
zugelassen worden. Der Naloxonanteil
dient der Therapie bzw. der Prophylaxe
einer
Opioid-induzierten
Obstipation.
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Naloxon ist auf Grund des hohen First
Pass Effektes systemisch nur zu 2%
verfügbar, das heißt, es kann die zentrale analgetische Wirkung von Oxycodon
nicht beeinträchtigen. Es kann aber in
Folge des kompetitiven Antagonismus
lokal im Darm eine Verminderung der
Obstipation bewirken.
Alvimopan (Entereg®) Alvimopan ist bei
Patienten mit postoperativem Ileus
wirksam und wurde 2008 in den USA
zugelassen. In Deutschland ist der
Wirkstoff noch nicht zugelassen. Es
handelt sich, ähnlich wie Methylnaltrexon
um einen peripheren OpioidrezeptorAntagonisten. Die orale Bioverfügbarkeit
beträgt 6% und die Blut-Hirn-Schranke
kann aufgrund der zwitterionischen
Struktur nicht überwunden werden. Die
Wirksamkeit von Alvimopan wurde in
mehreren Phase- II- und -III-Studien
bestätigt, in denen die Zeit bis zur ersten
Defäkation verkürzt und die Stuhlfrequenz verbessert wurde. Außerdem gab
es bis jetzt 7 Phase-III-Studien, die
einen positiven Effekt von Alvimopan auf
die postoperative Darmatonie bei kurzfristiger Behandlung zeigen. Insgesamt
wurden 2225 Patienten in diesen Studien
einbezogen. Weiterhin wurde in den
Studien festgestellt, dass die Alvimopanbehandlung kurzfristig gut verträglich ist.
Die Zulassung wurde allerdings unter der
Auflage eines besonderen Risikomanagementplans erteilt. Der Grund dafür ist
das Ergebnis einer Langzeitstudie, die
gezeigt hat, dass unter Alvimopantherapie ein erhöhtes Risiko für Neoplasien
und Myokardinfarkt vorhanden ist (15).
Prucaloprid (Resolor®) Das erst 2010
zugelassene
Arzneimittel
Prucaloprid
ergänzt die vorhandenen therapeutischen Möglichkeiten. Es ist indiziert für
die symptomatische Behandlung chronischer Verstopfung bei Frauen, bei denen
Laxantien keine ausreichende Wirkung
erzielen. Prucaloprid greift in das körpereigene Serotoninsystem ein.
Wirkungsmechanismus
Das Serotoninsystem Serotonin (5Hydroxytryptamin, 5-HT) wird aus der
Aminosäure Tryptophan gebildet und
wirkt an unterschiedlichen Rezeptoren.
Diese 5-HT-Rezeptoren, auch Serotonin-
Rezeptoren genannt, sind im Zentralnervensystem, im Gastrointestinaltrakt, im
Herz-Kreislauf und im Blut zu finden. Sie
nehmen eine wichtige Stellung bei der
Blutgerinnung, Steuerung der circadianen Rhythmik, Kontraktilität der Darmmuskulatur ein und greifen in wichtige
Funktionen des Zentralnervensystems
ein. 5-HT- Rezeptoren zeigen eine hohe
Vielfalt. Man kann zwischen 14 unterschiedlichen
Serotonin-Rezeptoren
unterscheiden. Diese werden in 7 Familien aufgeteilt (5-HT1 bis 5-HT7), die
wiederum in Subtypen unterteilt werden.
Im
menschlichen
5HT4-Rezeptoren
Organismus befinden sich die 5 -HT4Rezeptoren im zentralen Nervensystem,
im Atrium und Ventrikel des Herzens, im
Gastrointestinaltrakt und in der Blase.
Die 5-HT4(a, b, c, e)-Isoformen sind im
Atrium, Gehirn und Darm lokalisiert,
während in der Blase und in den Nieren
nur die 5-HT4(a, b)-Isoformen anwesend
sind. 5-HT4-Rezeptoren kommen als
Heterorezeptoren auf cholinerge Neurone
des Gastrointestinaltraktes vor (Tab. 2).
Bei
einer
Aktivierung
des
5-HT4Rezeptors wird vermehrt Acetylcholin
freigesetzt. Dies führt im Darm zu einer
vermehrten Peristaltik und zu einem
prokinetischen Effekt (Weblink 2).
Neuronale und humorale Steuerung
der Motilität Die motorischen Funktionen des Magen-Darm-Trakts werden
durch das Darmnervensystem gesteuert,
der über Vagus und Sympathikus mit
dem ZNS verbunden ist. Acetylcholin ist
der wichtigste Transmitter für die Auslösung der Kontraktion von Ring- und
Längsmuskulatur und somit für die
propulsive Peristaltik. Viele für die
Behandlung
gastrointestinaler
Motilitätsstörungen eingesetzte Arzneistoffe
können
die
Acetylcholinfreisetzung
steigern
(z.B.
5-HT4-RezeptorAgonisten). Etwa 90% des im Körper
vorhandenen Serotonins (5-HT) befindet
sich im Darm. Die Wirkungen von 5-HT
auf die gastrointestinale Motilität werden
über
verschiedene
5-HT-RezeptorSubtypen vermittelt. Am besten untersucht sind die 5-HT3- und 5-HT4Rezeptoren (Abb.2) (17).
Wirkungsmechanismus Prucaloprid
Prucaloprid ist ein Dihydrobenzofurancarboxamid mit enterokinetischer Aktivität.
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Rezeptor
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Beispielarzneistoffe
Lokalisation
Wirkung
ZNS
Angstreaktionen, Blutdrucksenkung,
Enterozyten
Regulation von Schlaf und
Nahrungsaufnahme
5-HT1B
ZNS, Muskel
Vasokonstriktion
5-HT1D
ZNS, Muskel,
Vorhof
Verhaltungssteuerung
motorische Aktivität,
ZNS
Neuronale Erregung
Glatte Muskulatur
Kontraktion großer Gefäße
Thrombozyten
Aggregation
5-HT2B
Gefäße
NO-Freisetzung
5-HT2C
ZNS
Schlaf-,Angst- und Stressverhalten
ZNS
Verhaltenssteuerung, Angst
Darmnervensystem
Übelkeit, Erbrechen
Schmerzfasern
Schmerz
ZNS
Dopamin-Freisetzung
Kolon (Muskulatur,
Neurone),
Motilitätszunahme,
Herz
Tachykardie
5-HT1A
5-HT2A
5-HT3
5-HT4
5-HT6
ZNS
5-HT7
ZNS
Partialagonist:
Buspiron
Agonist:
Sumatriptan
Agonist:
Sumatriptan
Antagonist:
Ketanserin
Antagonist:
Lisurid
Agonist:
Fenfluramin
Antagonist:
Metoclopramid,
Ondansetron,
Alosetron
Acetylcholinfreisetzung,
---
Agonist:
Metoclopramid,
Prucaloprid
---
zirkadianer Rhythmus,
Agonist:
Thermoregulation
Frovatriptan
Tab. 2: 5-HT-Rezeptoren, ihre Lokalisationen und Wirkungen mit Arzneistoffbeispielen
(Weblink 6).
Es handelt sich dabei um einen selektiven Serotonin(5-HT4)-Rezeptoragonisten
mit hoher Affinität (Tab. 2, Abb. 3).
Durch Prucaloprid wird das Motilitätsmuster im Kolon durch Stimulation des
Serotonin-5-HT4-Rezeptors verändert. Es
regt die Kolonmotilitat an und beschleunigt die verzögerte Magenentleerung.
Darüber hinaus werden durch Prucaloprid „Giant Migrating Contractions“
(GMC) verursacht. Diese entsprechen
den Massenbewegungen im Kolon beim
Menschen und stellen die wichtigste
vorwärtsgerichtete Kraft zur Darmentleerung dar (Weblink 3). Prucaloprid wirkt
weitgehend monospezifisch an 5-HT4Rezeptoren. Metoclopramid aus der
Gruppe
der
Antiemetika
hingegen
beeinflust Dopamin- Rezeptoren und
verschiedene Serotonin-Rezeptoren (auf
5-HT3-Rezeptoren antagonistisch und auf
5-HT4-Rezeptoren agonistisch) und kann
die Blut-Hirn-Schranke überwinden (18).
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Abb. 2: Serotonin-Rezeptoren, 7 Familien und Subtypen (Weblink 6)
Durch den Angriff von Prucaloprid an die
Bindungsstelle des 5-HT4-Rezeptors in
den Zellen der Kolonwandmuskulatur
findet eine Konformationsänderung des
Proteins und Aktivierung eines GSProteins an der intrazellulären Seite der
Membran statt. GDP wird gegen GTP
ausgetauscht. Die Adenylylcyclase wird
aktiviert, sie katalysiert unter Abspaltung
von Diphosphat die Umwandlung von
ATP zu cAMP. Cyclisches Adenosinmonophosphat aktiviert die Proteinkinase A,
die spannungsabhängigen Kaliumkanäle
werden inhibiert. Die eintretende Depolarisation führt zu Ca2+-Einstrom. Acetylcholin kann freigesetzt werden (Abb. 4,
Weblink 2).
maßgeblichen Einfluss auf die Pharmakokinetik hat. Der Metabolismus ist nicht
der wichtigste Ausscheidungsweg, es
sind nur wenige Metabolite vorhanden.
Prucaloprid besitzt ein geringes Potential
für Wechselwirkungen mit anderen
Medikamenten, einschließlich des CYP
450 Isosystems. Der gleichzeitige Verzehr von Nahrungsmitteln hat keinen
Einfluss auf die orale Bioverfügbarkeit.
(Weblink 3).
Pharmakokinetik
Prucaloprid wird rasch absorbiert, nach
einer oralen Einzeldosis von 2mg wird
innerhalb von 2-3 Stunden Cmax erreicht
(Tab. 3). Ein großer Anteil des Wirkstoffes wird unverändert ausgeschieden,
etwa 60% der verabreichten Dosis im
Harn und mindestens 6% in der Fäzes.
Die nicht renale Ausscheidung macht
etwa 35% der Gesamtausscheidung aus,
so dass eine Beeinträchtigung der Leberfunktion voraussichtlich keinen klinisch
Abb. 3: Chemische Struktur des 5HT4Rezeptoragonisten
Prucaloprid.
Das
Indolgerüst von Serotonin ist nur noch in
Bruchstücken zu erkennen
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Abb. 4: Acetylcholin Freisetzung durch 5-HT4-Rezeptor-Agonist Prucaloprid in den Zellen
der glatten Muskulatur der Darmwand. Gs-Proteine: Cyclasen-Stimulierend, cAMP:
Cyclisches Adenosinmonophosphat, PKA: Proteinkinase A
Klinische Effektivität
Die Wirksamkeit, Sicherheit, Verträglichkeit und die Auswirkung auf die Lebensqualität von Prucaloprid wurde in drei
multizentrischen, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studien
mit einer Dauer von 12 Wochen bei
Patienten mit chronischer Verstopfung
ermittelt. Die Studie wurde mittels einer
Intention- to- treat Analyse ausgewertet.
Bei insgesamt 1974 Patienten lag in
jeder der 3 Studien der Frauenanteil bei
über 80%. Wegen dem geringen Anteil
an männlichen Teilnehmern beruht die
Zulassung nur auf weibliche Patienten
(Abb. 5). Die Prucaloprid-Dosis betrug
je 2 mg bzw. 4 mg täglich oder Placebo.
Der primäre Endpunkt für die Wirksamkeit war die Zahl der Patienten in Prozent, bei denen über einen Zeitraum von
12 Wochen mindestens dreimal pro
Woche eine vollständige spontane komplette Darmentleerung (SKDB), ohne
Gabe von Laxantien erfolgte (19, 20, 21)
(Weblink 4).
Beide Dosierungen ergaben in allen drei
Studien gegenüber Placebo-Gabe positive Ergebnisse (p>0,001), wobei keine
Vorteile der 4mg-Dosis gegenüber 2 mg
gezeigt werden konnten. Der Anteil der
Patienten, die mit der empfohlenen Dosis
von 2 mg Prucaloprid behandelt wurden
und durchschnittlich ≥ 3 SKDB pro
Woche erzielten, betrug 27,8 % (Woche
4) und 23,6 % (Woche 12) gegenüber
10,5 % (Woche 4) und 11,3 % (Woche
12) bei Placebogabe (Abb. 5). Eine
klinisch bedeutsame Verbesserung von ≥
1 SKDB pro Woche, dem wichtigsten
sekundären
Wirksamkeitsendpunkt,
wurde bei 48 % (Woche 4) und bei 43 %
(Woche 12) der mit 2 mg Prucaloprid
behandelten Kontrollgruppe und bei 23,4
% (Woche 4) und 24,6 % (Woche 12)
der Patienten in der Placebo Gruppe
erzielt (19) (Weblink 4).
Pharmakokinetische Daten
Absolute orale Bioverfügbarkeit
>90%
Plasma-Protein-Bindung
30%
Verteilungsvolumen im
Steady-State
567l
Plasma-Clearance
317
ml/min
Halbwertszeit
~1Tag
Tab. 3: Auswahl pharmakokinetischer
Daten von Prucaloprid
Prucaloprid verursacht kein ReboundPhänomen und keine Abhängigkeit. Die
häufigsten unerwünschten Wirkungen
sind Kopfschmerzen und gastrointestinale Beschwerden wie Bauchschmerzen,
Übelkeit und Durchfall. Wegen der
Nebenwirkungen wurde die Studienme-
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Abb. 5: Ergebnisse einer Zulassungsstudie mit Prucaloprid. Dargestellt ist der primäre
Endpunkt, d.h. die Zahl der Patienten in Prozent, bei denen über einen Zeitraum von 12
Wochen mindestens dreimal pro Woche eine vollständige spontane komplette Darmentleerung (SKDB) ohne Gabe von Laxantien erfolgte (19).
dikation dauerhaft bei 8,2% der Studienteilnehmer in der Kontrollgruppe und bei
1,9 % der Studienteilnehmer in der
Placebogruppe gestoppt. Durchfall führte
zur Einstellung der Medikation bei 1,5 %
der Patienten unter 2mg Prucaloprid und
bei 4,4 % in der 4mg- Gruppe, aber bei
keinem der Patienten in der PlaceboGruppe. Es gab drei Fälle von Absetzten
der Medikation durch kardiovaskuläre
Ereignisse, wobei sich keine signifikanten
Unterschiede zwischen den drei Gruppen
in Bezug auf hämatologische Befunde,
klinische Daten, Ergebnisse der Urinanalyse, EKG oder Vitalzeichen feststellen
ließen. In einer QT-Studie wurden die
Auswirkungen von Prucaloprid auf das
QT-Intervall untersucht. Die Häufigkeit
eines längeren QT-Intervalls (>470ms)
während der Behandlung war nicht
signifikant verschieden zwischen der
Placebo-Gruppe und den beiden Prucaloprid-Gruppen (2mg, 4mg) (Weblink
5).
Weitere Studien zu Prucaloprid Eine
Studie untersuchte die Wirksamkeit,
Sicherheit und Verträglichkeit von Prucaloprid bei Schmerzpatienten mit Opiatinduzierter Obstipation. Es handelte sich
um
eine
Phase-II-,
Doppel-blinde,
Placebo-kontrollierte Studie mit insgesamt 196 Patienten, randomisiert in
Placebo (n = 66), Prucaloprid 2 mg (n =
66) oder 4 mg (n = 64) Gruppen für 4
Wochen. Der primäre Endpunkt war der
Anteil
der
Patienten
mit
einer
oder mehr spontanen, vollständigen
Darmentleerung pro Woche. Sekundäre
Endpunkte sind drei oder mehr spontane, vollständige Stuhlentleerungen pro
Woche, Schweregrad der Verstopfung
und die Wirksamkeit der Behandlung.
Unerwünschte Ereignisse
(UE)
und
sicherheitsrelevante Parameter wurden
ebenfalls überprüft. Es wurde festgestellt, dass die Patienten in der Prucaloprid-Gruppe, verglichen mit der Placebo-Gruppe öfter den primären Endpunkt
erreicht haben. (Woche 1-4): in der
Prucaloprid-Gruppen 35,9% (2 mg) und
40,3% (4 mg), in der Placebo Gruppe
(23,4%). Den sekundären Endpunkt
erreichten auch mehr Patienten in der
Prucaloprid-Gruppe im Vergleich zu
Placebo (60,7% bzw. 69,0% versus
43,3%) Es wurden keine klinisch relevanten
Unterschiede
zwischen
den
Gruppen der Vitalparameter, LaborMaßnahmen oder EKG-Parameter gefunden und abschließend wurde festgestellt,
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Prucaloprid
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dass in dieser Population Prucaloprid die
Darmfunktion verbessert und sicher und
gut verträglich ist (22).
Eine weitere Studie bewertet die Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit
von Prucaloprid bei älteren Patienten mit
chronischer Verstopfung, denn bis zu
50% der älteren Menschen leiden an
Verstopfung. Die Studie umfasst insgesamt 300 Patienten im Alter von 65
Jahren oder mehr. Sie wurden für 4
Wochen in 2 Gruppen unterteilt, einer
Prucaloprid-Gruppe (1, 2 oder 4 mg
einmal täglich) und einer PlaceboGruppe. Der primäre Endpunkt war der
Prozentsatz der Patienten, die 3 oder
mehr vollständige und spontane Darmentleerungen pro Woche hatten. Sekundäre Endpunkte waren der Anteil der
Patienten, die einen zusätzlichen Stuhlgang pro Woche hatten. Lebensqualität,
Sicherheit und Verträglichkeit wurden
ebenfalls überprüft. Es wurde festgestellt, dass mehr Patienten mit Prucaloprid im Vergleich zu Placebo den
primären Endpunkt erreicht haben. Bei
der Behandlung waren die aufgetretenen
Nebenwirkungen in beiden Gruppen
ähnlich. Die am häufigsten berichteten
Nebenwirkungen mit Prucaloprid waren
Kopfschmerzen und gastrointestinale
Ereignisse (23).
Therapeutische Sicherheit
Mehrere Studien beurteilten auch die
Arzneimittelsicherheit und das Nebenwirkungsspektrum. Dabei wurden vor
allem über Kopfschmerzen, abdominelle
Schmerzen, Übelkeit und Diarrhö berichtet. Die Nebenwirkungen von Prucaloprid
sind in Tab. 4 zusammengefasst.
Wichtige Hinweise zur Anwendung
Prucaloprid darf bei Patienten, die eine
Nierenund
Leberfunktionsstörung
haben oder an chronisch-entzündlichen
Darmerkrankungen leiden, nur mit
Einschränkungen angewandt werden.
Nierenfunktionsstörungen nach pharmakokinetischen Daten wird Prucaloprid
hauptsächlich über die Nieren ausgeschieden. Bei Patientinnen mit starker
Beeinträchtigung
der
Nierenfunktion
(GFR < 30 ml/Min) wird eine Dosis von 1
Milligramm empfohlen.
Ausgewählte Nebenwirkungen
Sehr häufig
(≥1/10)
Kopfschmerzen,Übelkeit,
Durchfall,
Bauchschmerzen.
Schwindelgefühl, Erbrechen,
Häufig
(≥1/100)
Verdauungsstörungen,
Rektalblutung,
Blähungen, abnormale
Darmgeräusche,
Flatulenz, Müdigkeit,
Pollakisurie
Gelegentlich
(≥1/1000,
<1/100)
Anorexie, Tremor,
Palpitationen, Fieber,
Unwohlsein.
Tab. 4: Nebenwirkungsprofil von Prucaloprid. Dargestellt sind die häufigsten im
Rahmen der klinischen Studien aufgetretenen Nebenwirkungen.
Leberfunktionsstörungen Aufgrund der
Tatsache, dass für leichte oder schwere
Leberfunktionsstörungen keine Daten
vorliegen, wird für Patienten mit stark
beeinträchtigter Leberfunktion eine Dosis
von 1 mg täglich empfohlen.
Entzündliche
Darmerkrankungen
Bei
chronisch-entzündlichen
Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus
Crohn sowie toxischem Megakolon, bei
Darmdurchbrüchen oder Verstopfung
infolge einer organischen Erkrankung der
Darmwand darf das Medikament nicht
verabreicht werden.
Lebensalter Bei älteren Patientinnen sind
die maximalen Plasmakonzentrationen
und der AUC-Wert von Prucaloprid
aufgrund der erniedrigten Nierenfunktion
um 26-28% höher als bei jungen Erwachsenen. Kindern und Jugendlichen
unter 18 Jahren wird die Behandlung mit
Prucaloprid nicht empfohlen
Geschlecht Dieses Prokinetikum ist nur
für Frauen mit chronischer Verstopfung
bestimmt. Für Männer liegen keine
ausreichenden Untersuchungen vor.
Schwangerschaft und Stillzeit Die Anwendung von Prucaloprid während einer
Schwangerschaft und Stillzeit wird nicht
empfohlen. Bisher gibt es noch zu wenige Erfahrungen mit dem Wirkstoff bei
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Prucaloprid
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Schwangeren. Da Prucaloprid in der
Muttermilch ausgeschieden wird, ist auch
eine Anwendung in der Stillzeit nicht zu
empfohlen.
Wechselwirkungen
Prucaloprid geht mit den meisten anderen Wirkstoffen kaum oder gar keine
Wechselwirkungen ein. Mit Nahrungsmitteln sind keine Wechselwirkungen bekannt. Atropin-ähnlich wirkende Arzneistoffe, wie Butylscopolamin oder Scopolamin, können die Wirkung von Prucaloprid abschwächen.
Eine
exzessive
Verlängerung
eines
Aktionspotentials durch die Hemmung
der hERG-Kanäle ist mit einem erhöhten
Risiko,
eine
Torsade-de-PointesArrhythmie
bzw.
Kammerflattern/flimmern zu entwickeln, verbunden.
Frauen sind häufiger davon betroffen.
Basierend auf den aktuellen Daten wird
jedoch davon ausgegangen, dass die
zugelassene Dosis für Prucaloprid keine
signifikante Hemmung der hERG-Kanäle
hervorruft. Somit besteht kein direktes
proarrhythmisches Potential (24, 25).
Arzneimittelgruppen
Antibiotika:
(Makrolide, Fluorchinolone, Ampicillin,
Cotrimoxazol)
Antiarrhythmika
Antihistaminika
Antidepressiva
Neuroleptika
Selektive SerotoninWiederaufnahmehemmer
Antiparkinsonmittel
Malariamittel
Tab. 5: Auswahl von ArzneimittelGruppen die eine QT-Verlängerung
verursachen können.
Obwohl eine Studie zeigt, dass Prucaloprid keine Veränderung im QT-Intervall
(Abb. 6) verursacht, dürfen Patientinnen, die mit QT-Intervall verlängernden
Arzneistoffen behandelt werden (beispielsweise
Cisaprid,
Domperidon,
Chlorpromazin, Haloperidol, Erythromycin und Clarithomycin), nur mit Vorsicht
zusätzlich Prucaloprid erhalten. (Tab. 5,
Weblink 3). Prucaloprid zeigt eine
ähnliche Wirkung wie Cisaprid, welches
im Jahr 2000 wieder vom Markt genommen wurde. Cisaprid hemmt spezielle
kardiale Kalium-Kanäle, die „humanether-à-gogo
gene
(hERG)“-Kaliumkanäle. Diese spielen eine wichtige Rolle
bei der Repolarisation eines Aktionspotentials des Herzens.
Abb. 6: QT-Verlängerung bezeichnet
eine Veränderung in der Reizleitung des
Herzens. Im EKG wird dann eine Verlängerung des zeitlichen Abstandes zwischen der so genannten Q-Zacke und der
T-Welle beobachtet.
Fazit
Prucaloprid weist eine gute Wirksamkeit
auf und stellt eine gute Alternative bei
chronischer idiopathischer Obstipation
dar. Das Preis-Leistungsverhältnis ist
jedoch nicht positiv zu bewerten: 1 mg
Filmtabletten (28 Stk.) kosten 61,65€.
Dagegen ist die bisherige Medikation wie
z.B. Laxoberal® Abführtabletten (Wirkstoff: Natriumpicosulfat) deutlich preiswerter, hier kosten 50 Tabletten etwa
7,99€. Im Gegensatz zum Vorläufer
Cisaprid zeigen sich in den bisherigen
Studien keine kardiovaskulären Ereignisse. Die gleichzeitige Einnahme von QTIntervall verlängernden Arzneimitteln
sollte dennoch mit Vorsicht erfolgen. Es
bleibt abzuwarten, wie sich der therapeutische Stellenwert von Prucaloprid im
Langzeitverlauf darstellen wird.
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Die Korrespondenzautorin
Jinda Ismail wurde 1983 in Syrien geboren. Sie erhielt
ihren Schulabschluss 2004 in Krefeld und studiert seit
April 2005 Pharmazie an der Heinrich Heine Universität
Düsseldorf
Weblinks
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www.rote-liste.de
2) Tryptamin-Derivate als 5-HT4-Rezeptorliganden:Synthese und in-vitro-Pharmakologie, Dissertation von
Bianca-Cristine Prainer, Regensburg 2008
http://epub.uni-regensburg.de/12132/1/Diss_Prainer.pdf
3) Fachinformation Resolor® ,Zugang mit DocCheck Passwort
http://www.movetis.de
4) Horten-Zentrum für praxisorientierte Forschung und Wissenstransfer
www.evimed.ch/AGORA/HTZ000/downloads/Prucaloprid.pdf
5) European Medicine Agency Prucaloprid, (Resolor®) Zusammenfassung des EPAR für die Öffentlichkeit
http://www.ema.europa.eu/docs/de_DE/document_library/EPAR__Summary_for_the_public/human/001012/WC500053995.pdf
6) IUPHAR DATABASE, Datenbank zu Rezeptoren, deren Lokalisation und deren Liganden
http://www.iuphar-db.org/DATABASE/FamilyMenuForward?familyId=1
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Impressum:
http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/impressum.html
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2010;4(5):162-176

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