3015068 KF I Recht 2010 64S:3014xxx KF Recht 2 2009

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3015068 KF I Recht 2010 64S:3014xxx KF Recht 2 2009
karriereführer recht
1.2010
Anders erfolgreich
Claus Kleber
Neigungswechsel
wäre ein völlig falscher Begriff:
Claus Kleber hat zwar sein
Jurastudium inklusive Promotion
abgeschlossen, wollte aber nie Jurist
werden. Doch was er dabei gelernt
hat, nutzt der Journalist ganz
bewusst – bei großen Reportagen
und im „heute journal“-Studio.
Von Petra Engelke
Claus Kleber
Claus Kleber, geboren am 2. September 1955
in Reutlingen, promoviert 1985 über
„Privater Rundfunk – Gestaltungsmöglichkeiten im Verfasssungsrahmen“. 1986 geht
er als Hörfunkkorrespondent nach
Washington, wechselt dort 1992 zum Fernsehen. 2003 kehrt er zurück nach Deutschland als Leiter und Moderator des „heute
journal“. Als ihm 2007 die Chefredaktion
des Magazins „Der Spiegel“ angeboten
wird, lehnt er ab. 2009 wird er für seine Reportage „Die Bombe“ mit dem Deutschen
Fernsehpreis ausgezeichnet. Claus Kleber
ist verheiratet und hat zwei Töchter.
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Claus Kleber hat seine Füße auf den
Tisch gelegt. Das sagt er jedenfalls, als
er für einen Moment vom Telefonat
abgelenkt ist: Die Kollegen amüsieren
sich über ihn, sie schauen nicht nur
durch die Fenster des aquariumartigen
Büros, sie haben auch eine Fotokamera
geholt. Die Szene kann man sich gut in
einer schrägen Anwaltsserie wie „Boston Legal“ oder „Eli Stone“ vorstellen.
Vor der Kamera steht Claus Kleber tatsächlich; allerdings weder als Schauspieler noch als Jurist, sondern als Moderator des „heute journal“ im ZDF.
„Ich wollte unbedingt in den Rundfunk“, sagt er heute. Sein Sendungsbewusstsein entdeckt er als Schülersprecher einer Schule, die als Modell für die
Gesamtschule erkoren war – und
ebenso modellhaft die Mitbestimmung erprobt. Dort spricht Kleber über
Lerninhalte und Baupläne für 2000
Schüler, verschafft sich in großen Konferenzen Gehör. Das hätte gut auf eine
politische Karriere hinauslaufen können. „In der Tat war da mehr das Gestalten gefragt“, sagt Kleber. „Gleichzeitig fing ich aber auch beim Kölner
Stadt-Anzeiger an. Da habe ich gesehen, dass Journalismus eher mein Ding
ist.“ In den Sommerferien jobbt er in
der Lokalredaktion Bergisch-Gladbach.
Daraus wird eine freie Mitarbeit. Ein
Berufsziel.
Trotzdem studiert Kleber ab 1974
Rechtswissenschaften. Etwas Vernünftiges eben, ein Plan B für die Karriere.
„Ich hatte von Anfang an große Sorgen, dass ich beim Rundfunk irgendwann einmal in eine Situation komme,
in der ich gerne eine Alternative hätte
und sagen können möchte: ‚Ich kann
auch etwas völlig anders machen,
tschüss.’ Und das geht nur mit einem,
wenn man so will, nutzbringenden
Studium.“ Nebenher arbeitet der Pragmatiker weiter für die Zeitung, nach
vier Semestern moderiert er im Radio.
Als freier Mitarbeiter beim Südwestfunk verdient er genug Geld fürs Studentenleben in Tübingen. Das Studium
dauert derweil satte 14 Semester.
„Elend lang, nicht?“, lacht Kleber. Gerne
kokettiert er heute damit, er habe die
Uni über Jahre hinweg nur für Interviews betreten. Doch immerhin reicht
sein Engagement für zwei stipendienfinanzierte Auslandssemester in Lausanne, auch für die Recherchen zur
Doktorarbeit in den USA gibt es Fördermittel. „Ich habe das Studium sozusagen als Basis genommen für das Berufsziel Journalismus. Dann hat mir
wider Erwarten die Juristerei nicht nur
Spaß gemacht, sondern ich entdeckte
auch ein gewisses Talent dafür.“ Am
Ende arbeitet er in einer Anwaltskanzlei, berät hochkarätige Mandanten in
Urheberrechtsfragen und gewerbli-
Juristen im TV-Journalismus
Claus Kleber ist längst nicht der einzige Jurist,
der sich für eine journalistische Karriere entschieden hat – und deshalb nicht gleich Gerichtsreporter wurde. Auch Wolf von Lojewski,
sein Vorgänger im „heute journal“, kann ein
abgeschlossenes Jurastudium vorweisen. Ulrich Wickert, Ulrich Deppendorf und Joachim
Wagner sind ebenfalls aus den Fernsehnachrichten bekannt. Urteile über sportliche Leistungen sind das Thema von Heribert Faßbender und Manfred Breuckmann. Eher mit Unterhaltung befassen sich Alfred Biolek und
Günther Jauch – Letzterer brach sein Studium
allerdings ab, als er auf einer Journalistenschule angenommen wurde.
chem Rechtsschutz – und diese Kanzlei
macht ihm ein sehr lukratives Angebot. Fast zeitgleich bietet der Südwestfunk eine Festanstellung an: als Studioleiter in Konstanz. Claus Kleber
muss sich entscheiden.
Seine Wahl fällt auf den Journalismus.
Kleber ist davon überzeugt, dass man
sich am besten davon leiten lässt, was
man wirklich tun will. Er wollte immer
Journalist werden. Davon lässt er sich
jetzt nicht abbringen. Und der Preis?
Erst einmal muss er vom Anfängergehalt einer öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt leben: „Wenn man Karriere
als eine Staffel steigender Einkommen
versteht, dann war es eine Entscheidung gegen die Karriere.“ 25 Jahre später gilt Claus Kleber als bestbezahlter
deutscher Nachrichtenmann, verdient
eine mittlere sechsstellige Summe im
Jahr. Plus Honorare für Vorträge. Dennoch beharrt er auf seiner Position.
„Auch meine Entscheidung gegen das
Angebot, Chefredakteur des ‚Spiegel’
zu werden, war trotz der Großzügigkeit
des ZDF eine Entscheidung gegen das
Geld.“
Wesentliches von Unwesentlichem zu
unterscheiden, lernt Kleber als Referendar. Während er dicke Akten wälzt,
den Schriftwechsel von mehreren Jahren durchforstet und daraus die
Grundlage einer Entscheidung aufzubauen versucht. Ebenso hat ihm die Juristerei ins Bewusstsein gehämmert,
dass es zu jeder Überzeugung auch
eine Alternative gibt. Und dass jede Position ihre Schwächen hat. Auch die eigene. Das nutzt er bei der journalistischen Arbeit.
ratorin Gundula Gause. Und den Reporter Uli Gack. Mit ihm war Kleber für
eine große Reportage einmal fünf Wochen lang in Afghanistan unterwegs.
„Und wenn man einmal nebeneinander mit dem Schlafsack auf dem Boden
übernachtet hat, dann siezt man sich
nicht mehr.“
Und es beschleunigt Entscheidungen:
Kanzlei oder Studioleitung – für die
Antwort braucht er keine Woche. Bald
darauf freut er sich auf das erste Kind,
und schon donnert die nächste Frage
in die Familienplanung: Weil er für
seine Doktorarbeit in den USA war,
kommt die ARD auf ihn zu, als sie kurzfristig eine Aushilfe für das Studio in
Washington sucht. Spontan sagt der
Amerikafan zu – und bleibt 15 Jahre im
Land. Dort entwickelt sich die Lässigkeit, die ihn heute zum Vorzeige-Anchorman macht. Als er 2003 zurück
nach Deutschland kommt, um Redaktionsleiter des „heute journal“ zu werden, gibt es nur ein Problem: die formelle Anrede.
Für diesen Teil seiner Arbeit ignoriert
Claus Kleber den üblichen Termindruck, den Sendebeginn der nächsten
Nachrichten. Deshalb definiert er die
Zeitplanung für Reportagen stets mit
„so lange, wie es braucht“. Ganz ähnlich schätzt er auch eine gute Ausbildung ein: Studenten sollten Zeit dazu
haben, sich eine Weile lang mit einer
Sache zu beschäftigen, die vielleicht
am Ende nicht nützlich ist für den
Beruf. Wichtig sei die Freiheit, sich auch
einmal zu irren. „Wer diese Freiheit
nimmt, macht die sogenannte geistige
Elite kaputt.“
„Wenn Amerikaner ‚Hörr Klebörr’
sagen, nehmen sie einen auf den Arm
oder haben ein Problem mit einem“,
sagt er. Also bittet der neue Chef die
Redaktion, ihn mit „Claus“ und „Sie“
anzusprechen. Dabei ist es geblieben.
Claus Kleber duzt nur seine Co-Mode-
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