Wofür lohnt es sich zu leben?

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Wofür lohnt es sich zu leben?
Predigt, Sonntag, 18.01.2015
Kapelle Nägeligasse 9/11, 3011 Bern
Wofür lohnt es sich zu leben?
a)
b)
c)
d)
e)
f)
Vorwort: Die Erkenntnis und der Rat des Predigers
Beziehungen machen unser Leben wertvoll
Die Kunst des Gleichgewichts in den Beziehungen
Nur Gott kann unsere tiefste Sehnsucht nach Liebe stillen
Das Gleichnis vom liebenden Vater
Die Liebe des Vaters gibt unserem Leben den wahren Sinn
Gottes schenkende Liebe verändert unsere Beziehungen
Vorwort
Über den Jahreswechsel habe ich mich mit dem Buch Prediger befasst. Salomo, der Autor, führt uns vor
Augen, dass letztlich alles Streben nach Macht, Ehre und Reichtum eitel, ja sinnlos ist. Salomo sagt: Die Welt
ist korrupt und brutal. Überall stossende Ungerechtigkeit – ein sinnloses Machtspiel. Salomo folgert, dass
Gott ist in seinem Handeln oft schwer zu begreifen ist. Daher sein Leitspruch: Alles ist vergänglich und
„Haschen nach Wind“. Wind lässt sich bekanntlich nicht einfangen.
Salomo rät uns nach all seinen Erfahrungen: Strebe nicht nach höheren Dingen. Tue die Arbeit, die Dir
aufgetragen ist, und freue Dich am Essen und Trinken. Kurzum: Lass Dir genügen an dem, was Du hast, und
erfreue Dich am Leben. Versuche nicht, Gottes Handeln zu ergründen, sondern fürchte Gott, bzw. begegne
IHM mit Ehrfurcht, und halte seine Gebote.
Wohl ein weiser Rat, den wir auch heute beherzigen sollten. Doch wir wollen weiter fragen: Was macht
unser Leben wirklich wertvoll?
a) Beziehungen machen unser Leben wertvoll
Salomo hatte den Blickwinkel nach der Vermessenheit unseres Denkens vor Augen. Er holt uns
damit auf den Boden der Realität. Als Gott den Menschen schuf, hatte er den Blickwinkel nach
einem Gegenüber zu IHM vor Augen. Deshalb hat Gott uns als Beziehungswesen geschaffen. Er hat
uns mit der Fähigkeit ausgestattet, mit IHM und untereinander in Beziehung zu treten, Beziehungen
zu gestalten, Beziehungen zu leben. Damit hat Gott eine wesentliche Qualität seines eigenen
Wesens in uns gelegt und unserem Menschsein einen unbeschreiblich hohen Wert zugeschrieben.
Dieser gibt unserem Leben Sinn und macht mein und dein Leben lebenswert. Wir leben aus
Beziehungen bzw. für Beziehungen. (Bilder) Beziehungen …
-
zu unserem Ehepartner, Freund oder Freundin,
zu unsern Kindern und Enkeln,
unsern Eltern und weiteren Verwandten,
zu Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen,
vielleicht Beziehungen zu meiner Katze oder meinem Hund,
oder auch Beziehungen zu und durch meine Arbeit, meinen Beruf,
Beziehungen in meinem Sport- oder Hobbyclub,
aber auch Beziehungen zu Gegenständen, ich gekauft oder geschenkt bekommen habe,
und nicht zuletzt Beziehungen in unserer Gemeinde.
b) Die Kunst des Gleichgewichts in Beziehungen
Wir können nicht alle Beziehungen frei wählen. Beziehungen können auch belastend sein. Wir
ziehen uns dann gerne zurück. Vielleicht gelingt es, Differenzen im Gespräch zu klären. Manchmal
heisst es, Konflikte auszuhalten. Frieden in Beziehungen zu haben, ist ein grosses Vorrecht. Jesus hat
uns gelehrt, wie die Macht des Vergebens Beziehungen entlastet. Ein zentrales Thema, dem wir uns
ein anderes Mal zuwenden sollten.
Beziehungen erfüllen unser Leben. Sie bereichern uns und geben unserem Leben Sinn. Beziehungen
gründen auf dem Prinzip des Gebens und Nehmens, wie dies im Bild einer Gireizli, auf hochdeutsch
„Balkenwippe“, wie ich nachgeschlagen habe, zum Ausdruck kommt. (Bild) Eine ausgeglichene
Beziehung dreht sich immer wieder um die Gleichgewichtsstellung. Wer unten ist, kommt mit einer
Fussbewegung nach oben und umgekehrt. Das Bild zeigt aber auch, dass Beziehungen aus dem
Gleichgewicht kommen können. Wer keine Fussbewegung mehr macht, lässt seinen Wipp-Partner
in der Luft hängen. (Bild)
Beziehungen sind krisenanfällig. Beziehungskrisen liegt meist ein Ungleichgewicht in den
gegenseitigen Wünschen oder Ansprüchen zugrunde. Eine Partei wünscht sich eine intensivere
Beziehung oder ein anderes Verhalten als es die andere Partei zu geben bereit ist. Unbewusst
ordnen wir Beziehungen für uns nach gewissen Kriterien ein wie Wichtigkeit, persönlicher Wert
oder Zeitkosten, unabhängig davon, wie das unsern Wipp-Partner bewertet. (Bild)
Das Gleichgewicht in Beziehungen wird gestört, wenn wir Beziehungen vernachlässigen, die uns viel
Zeit oder gar Ärger kosten (Bild). Sie schlafen ein oder brechen auseinander. Das Gleichgewicht wird
aber auch gestört, wenn wir uns zu viel in persönlich wichtige Beziehungen investieren und uns
daran klammern, wenn wir einen bestimmten Gegenwert erwarten? Das führt oft zu schmerzhaften
Enttäuschungen. Lassen sich Beziehungen im Geben und Nehmen einfach aufrechnen?
c) Nur Gott kann unsere tiefste Sehnsucht nach Liebe stillen
Was wir in Beziehungen letztlich suchen, ist Liebe und Wertschätzung. Geliebt und angenommen zu
sein ist es, was unsere Seele braucht. Ohne Liebe verroht oder verkümmert unsere Seele. Daher
investieren wir uns in Beziehungen, weil wir hoffen, dadurch geliebt, wertgeschätzt zu werden. In
der Wäggmeinschaft Emmaus treffen wir Menschen, denen dieser Wert verwehrt geblieben ist.
Zerbrochene Beziehungen, ein gekündigtes Arbeitsverhältnis, ein gebrochenes Selbstwertgefühl, die
Erfahrung zu nichts mehr nützlich zu sein treibt Menschen ins seelische Elend. Sie können sich selbst
nicht mehr aus diesem Sumpf herausziehen. Sie brauchen Hilfe und Begleitung. Ich erinnere mich an
eine Beziehung zu mir wertvollen Menschen, die plötzlich kaltgstellt und für mich nicht mehr
erreichbar war. Ich fühlte mich auf mich selbst zurückgeworfen, was mich sehr verletzte. Kennst
auch Du solche Erfahrungen?
Wir wissen es alle: Gute, freie Beziehungen erfüllen uns, geben uns das Gefühl, nützlich, wertvoll zu
sein. Sie geben unserem Leben Sinn. Wie aber komme ich zu solchen Beziehungen?
Gott, unser Schöpfer, weiss um diese Not. Er weiss, dass der Mensch seit dem Verlassen des
Paradieses sich um sich selber dreht. Seine Sünde hat ihn von Gott, seinem Schöpfer und seiner
Liebe zu ihm getrennt. Seither muss der Mensch um’s Überleben kämpfen. Er muss alles selbst
organisieren, was er zum Leben braucht. Letztlich auch die Liebe, die Wertschätzung. Er muss sich
dafür anstrengen nach dem Motto: Ohne Leistung kein Lohn! Die Grundlage unserer
Leistungsgesellschaft.
Letztlich kann nur Gott unser tiefstes Verlangen nach Liebe und Wertschätzung stillen. In Jesus hat
Gott den Weg frei gemacht, dass wir seine Liebe neu erfahren können. Jesus hat mit seinem Tod am
Kreuz das Problem unserer Schuld gelöst. In Jesus Christus begegnet uns die wahre, uneigennützige
Liebe Gottes. Allein aus Liebe zu uns gab Jesus sein Leben dahin, um uns von den Fesseln der Sünde
und der Knechtschaft der gefallenen Welt zu befreien und uns wahres Leben zu schenken, Leben
das ins ewige Leben mündet. Wer dieses Geschenk begehrt, erlebt Gottes grosse Barmherzigkeit,
indem er unsere Schuld vergibt und uns von Sünden befreit. Johannes sagt es so:
Denn Gott hat der Welt seine Liebe dadurch gezeigt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab,
damit jeder, der an ihn glaubt, das ewige Leben hat und nicht verloren geht. (Johannes 3.16 NGÜ)
Gott hat einen andern Massstab als wir. Er liebt uns nicht um unserer Leistungen willen, so wie wir
uns das gewohnt sind. Er liebt uns um unserer selbst Willen, weil wir seine Geschöpfe sind. Seine
Liebe stillt unser Bedürfnis nach Liebe und Wertschätzung.
d) Das Gleichnis vom liebenden Vater (mit den zwei Söhnen)
Wenn ich an die einzigartige Liebe Gottes denke, die uns gilt, dann habe ich das Bild aus dem
Gleichnis des liebenden Vaters vor Augen. Der Vater hätte denken können: Na endlich, hat viel
gebraucht bis dieser Kerl einsichtig wurde. Hat mir ja viel Not und Schmerzen bereitet. Wer nicht
hören will muss fühlen. Mal sehen, wie er sich anstellt. Bevor er hereinkommt, soll er ein Bad
nehmen. Den Gestank brauche ich nicht auch noch. Nein! Ganz im Gegenteil: Kein richtendes Wort!
Keine Belehrung! In Luk. 15.20 heisst es, nachdem der weggelaufene Sohn sich zur Umkehr
entschlossen hatte:
„Da er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn; er lief und fiel ihm um
den Hals und küsste ihn.“
Die Sehnsucht des Vaters nach der Umkehr seines weggelaufenen Sohnes musste so gross gewesen
sein, dass er mit dem Feldstecher am Fenster Ausschau nach ihm hielt. Es heisst, dass er seinen
Sohn bereits von weit her am Horizont entdeckte. Und als er ihn erkannte, begannen ihm die
Tränen über die Backen zu rollen. So stark waren seine Gefühle für ihn. Nicht nur das: Er konnte sich
nicht zurückhalten. Ganz entgegen der damaligen Praxis nahm der Vater seinen Stock und lief, so
schnell es seine Kräfte zuliessen, ihm entgegen. Nichts hielt ihn zurück, ihn zu umschlingen, auch
nicht der Geruch aus dem Schweinestall. Er zeigt dem Sohn seine Liebe mit so eindrücklichen
Gesten, dass dieser fast hätte verschmelzen müssen. Keine Vorbedingung, keine Ermahnung.
Eindrücklicher hätte der Vater seinen entfremdeten Sohn kaum willkommen heissen können. Ist das
nicht eine überwältigende, unbeschreibliche, grenzenlose Liebe. Rembrandt hat dies im bekannten
Bild der Begegnung so ausgedrückt (Bild). Die zarte Berührung des Vaters, sein Gesicht und seine
Hände zeugen von seiner Liebe, Güte und vom Verzeihen.
Ich muss sagen, dass diese Liebe mein Vorstellungsvermögen weit übersteigt. Und doch, diese Liebe
gilt mir und dir. Wir sind Geliebte unseres Vaters im Himmel durch seinen Sohn Jesus Christus, der
uns die Brücke zurück zu ihm gebaut hat. Welch ein unerhörtes Vorrecht!
e) Die Liebe des Vaters gibt unserem Leben den wahren Sinn
Diese einzigartige Liebe des Vaters zu mir und Dir, die uns Jesus gezeigt hat, soll unser innerstes
Bedürfnis nach Anerkennung und Geliebt-Sein für immer ausfüllen. Die Erkenntnis zu wissen, dass
Jesus im Auftrag des Vaters zu mir steht, ist ein riesiges Geschenk. Er steht zu mir, wenn niemand
mehr auf dieser Welt zu mir stehen würde. Er ist mir im Heiligen Geist nahe, wenn ich mich völlig
einsam und verlassen fühle. Das macht mich echt froh und glücklich. Das ist Lebenserfüllung pur.
Das macht mein Leben lebenswert. Für diesen Gott lohnt es sich zu leben. Ja, für diesen Gott will ich
leben. Wie sollte ich da nicht Jesus den ersten Platz in meinem Leben geben? (Bild) Paulus sagte es
in Rö. 5.5 so (Textfolie):
Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.
Unser Herz überquillt von der Liebe Gottes. Der Heilige Geist in uns gibt uns Zeugnis von dieser
Liebe.
Nach der NGÜ heisst es: Gott hat uns den heiligen Geist gegeben und hat unser Herz durch ihn mit
der Gewissheit erfüllt, dass er uns liebt.
Wie sollten wir daher Gott nicht über alles lieben! Jesus selbst bekräftigt, dass unsere Liebe in erster
Linie Gott gehört. Dazu zitiert er aus dem 5. Buch Mose das wichtigste Gebot:
Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all
deinen Gedanken. (Mt. 22.37 EÜ) (Folie)
Und gleichzeitig fügt Jesus an, dass sich diese Liebe in unserer Umgebung auswirken soll, wenn er im
Vers 39 anfügt, dass das zweite Gebot über die Nächstenliebe diesem in der Wichtigkeit gleich
gestellt ist.
f)
Gottes schenkende Liebe verändert unsere Beziehungen
Wer Gottes überwältigende Liebe durch Jesus in seinem Leben erfahren hat, der wird feststellen,
dass seine Beziehungen zu Menschen verändert werden. Diese göttliche Liebe wird unsere
Beziehungen prägen. Anders gesagt, wir werden freigesetzt zur uneigennützigen Liebe. Wir drehen
nicht mehr um uns selbst. Wir müssen nicht mehr um Anerkennung und Wertschätzung in
Beziehungen werben. Wir werden merken, dass wir nicht mehr auf Gegenliebe in Beziehungen
bezogen sind. Und wenn wir trotzdem Wertschätzung und Anerkennung erhalten, wollen wir dafür
danken und Gott die Ehre dafür geben. So wie es im Kolosserbrief 3.17 heisst:
Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und
dankt Gott, dem Vater, durch ihn. (Kol. 3.17 Luther)
Die Liebe Gottes in unseren Herzen erneuert unser Denken und unsere Beziehungen. Unser ganzes
Handeln soll von dieser Liebe getragen sein und das ohne Ausnahme. Alles soll im Namen unseres
Herrn Bestand haben.
Ich wünschte mir, dass mir das immer gelingt. Nein, es ist für mich eine tägliche Herausforderung.
Ich freue mich, dass ich in dieser Haltung wachsen darf. Ich weiss, dass mir Jesus dies zutraut. Und
ich danke ihm, dass er mein Versagen zudeckt und mich immer wieder neu freisetzt zur
uneigennützigen Liebe.
Für Jesus zu leben, lohnt sich. Ich freue mich über die Gewissheit, dass Jesu Liebe ewig gilt.
Lasst uns ihm gemeinsam dafür danken.
Martin Kull, Niederwangen
Gebet
Wir danken dir, dass du dich uns gezeigt hast als die Liebe,
die alles erträgt, alles erduldet,
alles hofft und alles überdauert.
Wir bitten dich,
lass uns nicht irrewerden an deiner Liebe
trotz des Bösen in der Welt,
trotz des Versagens unserer Liebe.
Du hast uns Vertrauen geschenkt
weit über unser Verstehen und Verdienst.
Gib, dass dein Vertrauen zu uns nicht ohne Folgen bleibt.
Hilf uns, dir zu antworten
mit einem neuen Vertrauen zu dir.
Gib uns die Kraft, im Glauben das Misstrauen abzulegen,
das uns, deine Kinder, voneinander trennt.
Schenke uns, in der Macht deiner Liebe frei zu werden
von aller Furcht voreinander.
Lass uns in deiner Liebe geborgen bleiben
im Leben und auch im Sterben. Amen