Der Unterrock in der Volkstracht (2,8 MiB)

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Der Unterrock in der Volkstracht (2,8 MiB)
Nr. 16
HEIMAT- UND TRACHTENBOTE
Seite 3
Der Unterrock in der Volkstracht
Die Oberkleidung wie
auch die Unterkleidung ist in der Volkstracht geteilt. Der Unterrock reicht von der
Taille bis fast zum
Rocksaum (mit einem
Stoßbandabschluss).
Die Kleiderordnungen der Obrigkeit wurden auch im 19. Jahrhundert noch größtenteils beachtet und eingehalten. So bezogen sich die Maßangaben auf Körperteile, z.B. Spitzen oder Borten durften von
den einzelnen Ständen zwei Fingerbreit
verwendet werden, oder Stutzer Länge
bis zum halben Oberschenkel. Ab 1872
besteht eine einheitliche Maß- und Gewichtsordnung. Auch der Wert des Stoffes war vorgegeben, vorzugweise heimische Erzeugnisse, z.B. Eichstätter Tuch.
Das Material richtete sich nach dem sozialen und gesellschaftlichen Stand des
Trägers oder der Trägerin.
Unterwäsche: Die Unterwäsche wird auf
der Haut getragen. Es war vor allem weiße Leinenwäsche. Peeling war durch das
Tragen von Leinen-Unterwäsche nicht
nötig, erfahrene ältere Krankenschwestern können dies bestätigen.
Dazu zählen: Tag- und Nachthemd, Bettkittel, Beinlinge (Hosen) und Unterrock.
Der Stoff dieser Unterkleidung richtete
sich nach dem Vermögensstand der Trägerin und konnte aus Hausleinen (besseren) Leinen, Kirchenleinen, Leinenbatist,
Schleierleinen oder Baumwollstoff gefertigt sein.
Hansel und Unterrock
Durch den “Hansel“ (Kurzunterrock bis
zum Knie reichend) wurde das Hemd (bis
zum Knie, gelegentlich bis zur halben
Wade reichend) in der Taille am Körper
eng anliegend gehalten, zur Regulierung
der Körperwärme. (Bei historischen Filmen Anfang des 20. Jahrhunderts noch
zu sehen.)
Der erste Unterrock unter dem Rock war
immer farbig, auch in der Gebirgstracht,
die im gewissen Sinne ja auch eine Volkstracht ist. Die weiße „Wasch“ wurde allgemein üblich durch das Wertungsplatteln. Vor der Einführung des Wertungsplattelns und in der Übergangszeit waren
auch hier farbige, sogar rote Unterröcke
üblich (Lt. Toni Demmelmeier senior).
Der Unterrock, möglichst in geraden Teilen oder in Bahnen zugeschnitten, mit
oder ohne Volant, zum Platteln auch als
Tellerrock, meist aus Baumwollstoff gearbeitet. Für gertenschlanke Frauen oder
die kalte Jahreszeit auch wattiert und
mustermäßig abgesteppt. Dieser Unterrock „Bollrock“ wurde mit doppelten
Stoff und einer Zwischenlage aus Wollflies, heute mit entsprechendem FleeceMaterial, das zum Saum dichter wird, gefertigt.
Der Auszier des obersten Unterrockes
waren im Prinzip keine Grenzen gesetzt.
Der Saum konnte durch gesteppte Biesen
quer, senkrecht oder im Zickzack, aber
auch durch einen Besatz nach innen verstärkt werden. Nicht zu vergessen, dass
auch Langetten in unterschiedlichster
Ausführung am Saum üblich waren. Besonderes Augenmerk wurde auf die Aus-
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zier gelegt, ob sie nun mit Häkel- oder
Klöppelspitzen, Zackenlitze, Kurbelstickerei, Soutache, Litzen, Tamburierarbeit
ausgenäht oder von Hand bestickt war.
Applikationen, Wattestepperei, Schnurstepperei, Zackenkante, Rüschen, Tressen, Kordel, Zackenlitze einfach und geflochten, Paspel. Den Saumabschluss bildete oft eine Besenlitze oder eine Kordel.
Der „kronrauschende“ Unterrock war
den besonderen Angelegenheiten vorbehalten. Ein geheimnisvolles leises Rascheln wurde hörbar, wenn eine Frau mit
einem kronrauschendem Unterrock vorrüberging.
Die Weite des Unterrocks wurde proportional der Trägerin angepasst, Hüftweite +
halbe Hüftweite = Saum. (115 cm + 55 cm
= 170 cm). Der Rock leicht ausgestellt und
mit Hüftbund versehen. Als Verschluss
diente in der hinteren Mitte ein Bindeband oder auch Haken und Riegel. Diese
boten Spielraum bei einer eventuellen
Gewichtszunahme. Der Unterrock gibt
dem Rock stand, von leicht ausschwingender Weite, so dass er beim Laufen
leicht wippt und die Anmut der Trägerin
unterstreicht.
Sinnvoll und zweckmäßig sind die aufgenähten Taschen am Unterrock, man könnte sie mit einem Safe vergleichen. Die
Kleidersprache war allen geläufig.
Spitzte der Unterrock vor, so bedeutete
dies in der Kleidersprache: ich bin „heiratslustig“, mit mir konnst „oh bandln“.
Schwarz war für die Wäsche nie üblich.
Alles was auf der Haut getragen wurde,
musste kochfest sein. Denn die Wäsche
wurde die ganze Woche getragen, zugleich auch als Nachtwäsche. Nach dem
Familienbad am Samstag meist in der Küche gab es frische Wäsche für die ganze
kommende Woche.
Zu dieser Zeit gab es natürlich auch einen
eigenen Beruf für die Anfertigung dieser
Stücke, die „Weißnäherin“.
Edda Hutter, Ehrenvolkstumspflegerin im
Donaugau
Unterrock bis 1930 gebräuchlich in der
Gebirgstracht (lt. Toni Demmelmeier)
Angesetzt Häkelborte am Unterrock
Applikation, Saum mit Samtbandeinfass
Wattierter Unterrock, abgesteppt im Muster, Zackensamtband am Saum
Ausgestanztes Samtband, Kordel als
Saumkante
10.08.15 14:20

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