2004 - EU-Koordination

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2004 - EU-Koordination
herausgegeben vom Deutschen Naturschutzring (DNR) e.V.
EU-RUNDSCHREIBEN
Sonderteil 07.04
Die Zukunft der Europäischen Union
Nachhaltigkeitsstrategien in Europa:
Ökologisch, sozial und wettbewerbsfähig?
herausgegeben vom Deutschen Naturschutzring (DNR) e.V.
EU-RUNDSCHREIBEN
Sonderteil 07.04
Sonderteil EU-Rundschreiben
Jahrgang 13 (2004), Heft 07
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Deutscher Naturschutzring,
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2
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
Inhalt, Begriffe
T
4 Europäische Ebene
Abkürzungen
•
Zu wenig Nachhaltigkeit durch zu viel
Wettbewerb:
Überprüfung von Nachhaltigkeitsund Lissabon-Strategie
•
Wirtschaft, Umwelt, Soziales:
Nachhaltigkeit auf ungleichen Säulen?
•
The Kinsale Challenge:
Stellungnahme des Netzwerks der
Europäischen Nachhaltigkeitsräte
Nationale Strategien im
Vergleich
•
EU-SDS Europäische Nachhaltigkeitsstrategie
NE
Nachhaltige Entwicklung
NCSD nationale Räte für Nachhaltige
Entwicklung
14 Nationale Ebene
•
EEAC European Environment and
Sustainable Development
Advisory Councils Network
(EU-Netzwerk der Europäischen
Umwelt- und Nachhaltigkeitsräte)
Europäische Nachhaltigkeitsräte:
Nachhaltigkeitsstrategien in Europa
sind kaum abgestimmt
Wir können auch anders:
Institutionen für Nachhaltigkeitspolitik
in EU-Staaten
Nationale
Nachhaltigkeitsstrategien
•
Deutschland: Erster
Fortschrittsbericht enttäuschend
•
Österreich: Ambitioniert, aber der
politische Wille fehlt
•
Tschechien: Steiniger Weg mit vielen
Hindernissen
NGO
non-governmental organisation,
Nichtregierungsorganisation
NSDS national SDS (Nationale
Nachhaltigkeitsstrategie)
RNE
Rat für Nachhaltige Entwicklung
SD
sustainable development
(Nachhaltige Entwicklung)
SDS
sustainable development strategy
(Nachhaltigkeitsstrategie)
UNDP United Nations Development
Programme
Was ist Nachhaltige Entwicklung?
27 Regionale Ebene
•
Tschechien: Pilotprojekte für
regionale Nachhaltigkeitsstrategien
•
Polen: Kommunen noch am Anfang,
Bürger kaum informiert
Entwicklung ist nachhaltig, wenn sie gegenwärtig und zukünftig umwelt- und sozial verträglich ist.
Nachhaltige Entwicklung (sustainable development) ist somit nur möglich, wenn
ökologische und sozial gerechte Gesichtspunkte dauerhaft in alle Bereiche integriert sind.
31 Service
•
Veranstaltungsreihe "Nachhaltiges
Europa"
•
Internet-Linkliste Nachhaltigkeit
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DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
3
Europäische Ebene
T
Zu wenig Nachhaltigkeit durch
zu viel Wettbewerb
Überprüfung von SustainableDevelopment- und Lissabon-Strategie
Mit der im Frühjahr 2000 beschlossenen
Lissabon-Strategie hat sich die Europäische Union ein grundlegendes Programm
zur wirtschaftlichen Entwicklung gegeben.
Bis 2010 soll die EU demnach zum "wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt"
werden.
Erst im Juni 2001 wurde auf dem Rat in
Göteborg die Lissabon-Strategie um die
ökologische Komponente ergänzt, die jedoch - im Gegensatz zur Nachhaltigkeitsstrategie vom März 2001 - die ökologische Komponente der Wettbewerbsfähigkeit unterordnet.
Im Frühjahr 2005 steht nun die Halbzeitüberprüfung der Lissabon-Strategie an.
Unter dem vorherrschenden Paradigma
der Wettbewerbsfähigkeit, unter welchem
soziale und ökologische Kriterien als Hindernis angesehen werden, ist zu befürchten, dass die beiden letztgenannten Komponenten weiter geschwächt werden.
Inwieweit die für Herbst 2004 geplante
Überprüfung der Nachhaltigkeitsstrategie
ökologisch positive Aspekte in die Lissabon-Strategie einbringen kann, ist aufgrund der de facto politisch nachgestellten Nachhaltigkeitsstrategie skeptisch zu
beurteilen.
Ängste schüren vor
De-Industrialisierung
Gemeinsam mit der Wirtschaft haben vor
allem Staaten wie Deutschland, Frankreich
und Großbritannien immer wieder Ängste
vor wirtschaftlichem Slowdown und der
Verlagerung von Produktionsstätten aus
Europa geschürt. Für diese "De- Industrialisierung" machen sie vor allem den unflexiblen Arbeitsmarkt, hohe soziale Kosten
und die zunehmenden regulativen Belastungen auf die Industrie verantwortlich.
Umweltpolitische Verpflichtungen werden
dabei als Belastung für Wachstum und
Wettbewerbsfähigkeit dargestellt und nicht
als eine Voraussetzung für Nachhaltige
Entwicklung bzw. Anreiz für nachhaltiges
Wirtschaften.
4
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
Kritik der EU-Umweltverbände
Auch die Europäische Nachhaltigkeitsstrategie ist kurz vor ihrer Überprüfung weit
von ihren gesteckten Zielen entfernt. Der
Zusammenschluss der europäischen Umweltverbände "Green 8" stellt in einer ersten Bewertung zur Umsetzung der Europäischen Nachhaltigkeitsstrategie fest,
dass sie nicht als Agenda für einen wirklichen Wandel angesehen werden kann.
Vielmehr fehle ein beständiger und kohärenter Ansatz innerhalb der EU-Kommission, außerdem gibt es weder eine beständige Koordination, noch eine Bewertung der Fortschritte auf allen Ebenen.
Zwar erkennen die Umweltverbände in einigen Bereichen wie dem Klimaschutz oder der Landwirtschaft durchaus positive,
von den Strategie ausgegangene Impulse
und Fortschritte an, konkrete Auswirkungen auf die Umwelt finde man - auch unter Berücksichtigung des relativ kurzen
Prozesses - bisher wenig. Insbesondere
das Instrument der Folgenabschätzung
habe sich als Trojanisches Pferd erwiesen:
Die ursprüngliche Ausrichtung auf umweltund sozialpolitische Auswirkungen der europäischen Gesetzgebung weicht zunehmend dem einseitigen Fokus auf die Wirtschafts- und Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen.
Noch mehr Freiwilligkeit
Dass dies zu einer Abschwächung der
ökologisch verbindlichen Regeln innerhalb
der EU führen kann, ist zu befürchten. So
verwundert es nicht, dass mit dem Argument, zunächst müsste der ökologische
Standard in den zehn neuen Ländern der
EU angepasst werden, weitere ökologische Maßnahmen in der gesamten Union
abgeblockt werden.
Dazu kommt, dass EU-weit immer stärker
auf freiwillige Selbstverpflichtungen der
Wirtschaft und "Best Practice"-Beispiele
gesetzt wird - dass diese beiden Instrumente aber nur selten positive Wirkung
zeigen, beweist nicht zuletzt die Unfähigkeit der Chemieindustrie, ihr eingegangenes Selbstverpflichtungsprogramm
"Responsible Care" umzusetzen bzw. ihre
Blockade gegen REACH.
Den Cardiff-Prozess wiederbeleben
Es ist zu hoffen, dass die Nachhaltigkeitsstratgie - wie geplant - vor der Halbzeitüberprüfung der Lissabon-Strategie
stattfinden wird. Neben der Festlegung
konkreter Maßnahmen sollten auch das
Ziel des Cardiff-Prozesses, die Umweltintegration in alle Politikbereiche, in der
Nachhaltigkeitsstrategie eine starke Rolle
spielen. Dieser Prozess ist jedoch in Vergessenheit geraten. Die Bezugnahme auf
Cardiff sollte auch Grundlage für die Überprüfung der Lissabon-Strategie werden.
Zudem ist dem bis 2012 laufende 6. Umweltaktionsprogramm mit seinen weit ausformulierten Zielsetzungen für den ökologischen Bereich bei der Überprüfung der
beiden Strategien mehr Aufmerksamkeit
zu schenken. Will man dem Wettbewerbsparadigma der Lissabon-Strategie zumindest annähernd starke ökologische Impulse entgegensetzen, geht das nicht ohne
die Bezugnahme auf bereits beschlossene
EU-Gesetzgebung und die schnelle Erfüllung bereits eingegangener Verpflichtungen seitens der Kommission und der Mitgliedstaaten.
Zusätzlich muss der von vielen wahrgenommene Widerspruch zwischen Wettbewerbsfähigkeit und ökologisch wie sozial
verbindlichen Regeln aufgelöst werden.
Argumente für eine starke und
verbindliche Umsetzgesetzgebung
Eine starke Umweltpolitik und ihre konsequente Durchsetzung ist eine Grundvoraussetzung für die Wettbewerbsfäigkeit
der EU. Nur dadurch kann die Ressourceneffizienz verbessert werden und sich
Unternehmen auf den internationalen
Märkten behaupten, denn die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes oder einer
Region hängt zu großen Teilen auch damit zusammen, inwieweit es gelingt, Ressourcen zu schonen sowie neue und innovative Technologien zu entwickeln.
Eine strenge Umweltgesetzgebung führt
dazu, dass über den erhöhten Druck auf
Unternehmen diese mit neuen Innovationen reagieren, durch die sie sich einen
Marktvorteil gegenüber der Konkurrenz
verschaffen.
Innovativ sein, statt auf altmodische
Industriepolitik zu setzen
Für die Politik ergibt sich daraus die Aufgabe, zukünftig weniger auf altmodische
und auslaufende Wirtschaftsmodelle und
ihre Verfechter in den Wirtschaftsverbänden zu hören, sondern vielmehr auf neue
und innovative Wirtschaftsbereiche zu setzen, die erkannt haben, dass ohne Um-
Europäische Ebene
T
welt- und Ressourcenschutz Wettbewerbsfähigkeit nicht zu haben ist.
"Business as usual"-Szenarien, die auf die
Ausbeutung der natürlichen Ressourcen
und die immer weitere Aufweichung sozialer und ökologischer Rechte setzen, werden die Wirtschaftsfähigkeit der EU wohl
kaum stärken. So stellt die EUKommission in ihrer Mitteilung "Den Strukturwandel begleiten: Eine Industriepolitik
für die erweiterte Union"1 ganz richtig
fest, dass es keinerlei Nachweise für einen
allgemeinen Prozess der DeIndustrialisierung gibt. "Stattdessen sieht
sich die europäische Industrie dem Prozess des Strukturwandels ausgesetzt, der
im Allgemeinen von Vorteil ist und der
insbesondere durch Politiken ermutigt
werden muss, die die Schaffung und die
Nutzung von Wissen vereinfachen. Unter
diesem Gesichtspunkt sind die ungenügenden Leistungen Europas insbesondere
hinsichtlich Produktivität, Forschung und
Innovation besorgniserregend."
D.h., es macht wenig Sinn, jeden Industriesektor um jeden Preis zu erhalten - und
mag er noch so altmodisch sein. Gewinner
und Verlierer gehören zu dem kapitalistischen System, für welches sich die EUStaaten nun einmal entschieden haben,
unabhängig von der Lage auf dem Weltmarkt oder strengeren Umwelt- und Sozialauflagen.
Bessere Rahmenbedingungen
Daraus ergibt sich für die EU die Verantwortung, in Zukunft solche Unternhemen
zu unterstützen, die einen Großteil ihres
Umweltbudgets eben nicht dafür ausgeben, neue wie alte Umweltgesetze zu bekämpfen, sondern solche, die auf neue
Anforderungen mit der Entwicklung innovativer und neuer Technologien und Herstellungsmechanismen reagieren. Dafür
muss die EU mit ihren Mitgliesstaaten die
bestmöglichen Rahmenbedinungen schaffen!
Dabei sollten eher die Frage nach dem
"Wie?" im Mittelpunkt stehen, anstatt weiter Zeit mit dem"Warum überhaupt?" zu
verschwenden.
Umweltpolitische Verpflichtungen sollten
sich immer an klaren Zielvorgaben orien-
tieren, denn dadurch wird Unternehmen
ein voraussehbarer und klarer Rahmen
gegeben, nach dem sie sich richten können.
Last but not least stehen die EU und ihre
Mitgliedstaaten noch immer in einer
Bringschuld, was umwelt- und sozialpolitische Vereinbarungen und Gesetze angeht. In der Lissabon- genauso wie in der
Nachhaltigkeitsstrategie wurden eine ganze Reihe von Versprechungen gegeben,
bisher aber werden in der EU Umweltgesetze chronisch schlecht umgesetzt, mehr
und bessere Arbeitsplätze sind in den letzen Jahren kaum geschaffen worden, es
gibt weniger sozialen Zusammenhalt und
von der weltweit größten wissensbasierten
Gesellschaft sind nicht nur einzelne Mitstaaten, sondern die EU als Ganzes noch
weit entfernt.
Niederländische Präsidentschaft:
Schlau, sauber und wettbewerbsfähig?
Das Motto des niederländischen Umweltministeriums "clean, clever and competitive" (schlau, sauber und wettbewerbsfähig) weckt in diesem Bereich einige Erwartungen. Immerhin hat die niederländische EU-Präsidentschaft die Überpfüfung
der Lissabon-Srtategie zu einem ihrer
Themen gemacht. Ein Schwerpunkt soll
dabei auf der Stärkung von Öko-Effizienz
innerhalb der Strategie liegen, wodurch
sich die Präsidentschaft mehr Innovationen verspricht, die gleichzeitig zu mehr
Wettbewerbsfähigkeit und weniger Umweltbelastungen führen sollen.
Hier sei noch einmal das 6. Umweltaktionsprogramm zitiert, nach dem die EU eine "bessere Ressourceneffizienz sowie eine bessere Ressourcenbewirtschaftung
und Abfallwirtschaft (anstreben soll), um
nachhaltigere Produktions- und Konsummuster zu erreichen; dabei sind die Ressourcennutzung und die Abfallerzeugung
von der Wirtschaftswachstumsrate abzukoppeln und es wird angestrebt, dass der
Verbrauch von erneuerbaren und nicht
erneuerbaren Ressourcen die Belastbarkeit der Umwelt nicht überschreitet."
Sollte die Stärkung der Nachhaltigkeitsstrategie vor der Lissabon-Überprüfung
nicht gelingen, wird es bei der weiteren
Schwächung von ökologischen und sozialen Rechten der EU-Bürgerinnen und Bürger bleiben. Damit würde es auch immer
unwahrscheinlicher, dass bei der Halbzeitüberprüfung der Lissabon-Stategie
und darüber hinaus das einseitig ausgerichtete Wettbewerbs- und Wachstumsparadigma hinterfragt wird.
Autor/innen: Nika Greger, DNR Berlin,
Tile von Damm, PerGlobal
• Weitere Informationen:
DNR Berlin (siehe Seite 2)
Perspektiven Globaler Politik (PerGlobal), Tile von Damm
Tel. 030 / 48624562
eMail: [email protected]
www.perglobal.org
www.nachhaltiges-europa.de
Sechstes Umweltaktionsprogramm
lesen!
Ob sich die Präsidentschaft allerdings
wirklich gegen die konservativen europäischen Industrievereinigungen durchsetzen
kann und will, ist fraglich. So fehlen bisher
konkrete Vorlagen, wie etwa für eine ökologische Steuerreform oder für das öffentliche Beschaffungswesen.
Kritikwürdig ist ebenfalls, dass sich eine
Vorlage des Umweltministers für den letzten informellen Fachministerrat zwar auf
der einen Seite positiv über die Umweltgesetzgebung in der EU äußert, die niederländische Präsidentschaft aber auf der
anderen Seite als eine Priorität die Reduzierung der legislativen Belastung für die
Unternehmen an prominenter Stelle
nennt.
1 COM(2004)274
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DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
5
Europäische Ebene
T
"Mehr Wettbewerb für die
Europäische Union"
Wirtschaft, Umwelt, Soziales:
Nachhaltigkeit auf ungleichen Säulen?
Im Folgenden werden die Ausrichtung auf
die ökonomische Dimension und der
schleichende Abbau ökologisch verbindlicher Regeln innerhalb der EU nachvollzogen.
Lissabon-Strategie
Ziel der Lissabon-Strategie ist es, bis zum
Jahr 2010 ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen
Zusammenhalt sicherzustellen. Als ergänzendes Element wurde 2001 in Göteborg
die ökologische Komponente integriert.
Bei der in Lissabon definierten "Offenen
Koordinierungsmethode" sollen sämtliche
Akteure einbezogen und die Instrumente
zur Politiküberwachung und -lenkung bereitgestellt werden. Im Sinne dieser Strategie treibt eine starke Wirtschaft die
Schaffung von Arbeitsplätzen voran und
fördert soziale und ökologische Maßnahmen, welche wiederum eine Nachhaltige
Entwicklung und sozialen Zusammenhalt
gewährleisten sollen.
Die Lissabon-Strategie betrifft nahezu alle
Tätigkeiten der EU in den Bereichen Wirtschaft, Soziales und Umwelt. Seit ihrer
Annahme ist die Strategie alljährlich Gegenstand des Frühjahrsberichts der Europäischen Kommission und Dokument auf
der Tagesordnung der Frühjahrstagung
des Europäischen Rates. Auf dieser Tagung bewerten die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten die im
Rahmen der Strategie erzielten Fortschritte und legen fest, welche Maßnahmen
vorrangig einzuleiten sind, um die Ziele
von Lissabon zu erreichen.
Die zentralen Elemente der LissabonStrategie sind:
- die Europäische Beschäftigungsstrategie;
- die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Arbeitsstandards;
- die soziale Eingliederung und der soziale Schutz;
- vor dem Hintergrund stabiler makroökonomischer Rahmenbedingungen die
Ausschöpfung des Wachstumspotentials
Europas;
- ein ökologisch nachhaltiges Wachstum.
6
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
Um diese Ziele zu erreichen, sollen sowohl
auf Ebene der Mitgliedstaaten als auch
auf Gemeinschaftsebene eine Reihe von
strukturellen Maßnahmen getroffen werden. Gleichzeitig sollen die sozialen Sicherungssysteme modernisiert werden, um
- ein soziales Sicherheitsnetz für alle zu
schaffen;
- die Renten sicher zu machen und eine
langfristig finanzierbare hochwertige Gesundheitsversorgung zu ermöglichen;
- die soziale Eingliederung zu fördern und
die Armut zu bekämpfen.
Vorrangiges Ziel der EU ist es, die Arbeitslosigkeit und die Unterbeschäftigung
bis 2010 deutlich zu senken. Derzeit haben nur 64 % der Menschen im erwerbsfähigen Alter einen Arbeitsplatz. Diese
Zahl soll auf 70 % steigen. Um diese Ziele
zu erreichen, müssen in der neuen EU-25
bis zum Jahr 2010 22 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Nachhaltigkeitsstrategie
Im Juni 2001 hat sich der Europäische Rat
auf eine Strategie für Nachhaltige Entwicklung geeinigt, mit der die politische Verpflichtung der EU in den Bereichen Wirtschaft und Soziales um die Umweltkomponente erweitert werden sollte.
Gleichzeitig sollte die EU-Kommission einen Mechanismus entwickeln, um sicherzustellen, dass alle wichtigen Legislativvorschläge eine sogenannte "Nachhaltige
Folgenabschätzung" (sustainability impact
assessment) durchlaufen, um ihre potentiellen Auswirkungen auf den wirtschaftlichen, den sozialen sowie den umweltpolitischen Bereich zu testen.
Wettbewerbsrat
Im Juni 2002 gründete der Europäische
Rat den Wettbewerbsrat, um eine kohärente und bessere Koordinierung solcher
Aufgaben, die eng mit der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zusammenhängen, zu gewährleisten. Dieser
neue Ministerrat ersetzte die vorherigen
Räte für Binnenmarkt, Industrie und Forschung.
Besseres Regelungsumfeld
Ebenfalls im Juni 2002 hat die Kommission ihre Mitteilung über die bessere Regulierung "Aktionsplan "Vereinfachung
und Verbesserung des Regelungsum-
felds"1 vorgelegt. Die Mitteilung umfasst
16 Aktionen, die zum Beispiel die Verbesserung des öffentlichen Zugangs während
des gesamten Werdegangs von Gemeinschaftsbeschlüssen, die angemessene
Nutzung der Instrumente (mehr KoRegulierung, Selbstregulierung, freiwillige
Vereinbarungen etc.), die Vereinfachung
und Straffung des Gemeinschaftsrechts
sowie die Gewährleistung der Qualität der
verabschiedeten Rechtsakte betreffen.
Ziel dieses Aktionsplans ist es, "die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften - zum
Nutzen der Bürger - besser an das zu lösende Problem anzupassen, an die Herausforderungen der Erweiterung, an technische und lokale Gegebenheiten. In Verbindung mit einer Verbesserung der
Rechtsetzungsverfahren und institutionellen Praktiken sollte eine solche Maßnahme Zeit- und Kostenersparnisse für Unternehmen wie Behörden mit sich bringen.
Ziel ist es letztendlich, eine große Rechtssicherheit auf dem bald noch größeren
Gemeinschaftsgebiet zu gewährleisten,
den Akteuren in Wirtschaft und Sozialbereich mehr Flexibilität zu erlauben und so
dazu beizutragen, die Glaubwürdigkeit des
Handelns der Gemeinschaft bei den Bürgern zu stärken. Es geht nicht darum, zu
deregulieren oder die Handlungsmöglichkeiten der Gemeinschaft einzuschränken."
Folgenabschätzungen
Damit nicht genug veröffentlichte die
Kommission ebenfalls im Juni 2002 ihre
"Mitteilung über Folgenabschätzungen"2
mit dem Ziel, "die Qualität und Kohärenz
des Strategieentwicklungsprozesses zu
verbessern und darüber hinaus einen Beitrag zu einer kohärenteren Umsetzung
der europäischen Strategie für Nachhaltige Entwicklung" zu leisten.
Bei der Folgenabschätzung handelt es
sich um eine Aktion des "Aktionsplans
Vereinfachung und Verbesserung des Regelungsumfelds".
Die Umweltintegrationsstrategie des
Wettbewerbsrates
Im November 2002 nahm der Wettbewerbsrat einen Bericht3 über die Maßnahmen im Anschluss an die Tagung des
1 COM(2002)278
2 COM(2002)276
3 14489/02
Europäische Ebene
T
Europäischen Rates in Göteborg und den
Weltgipfel in Johannesburg an, der sich
mit der "Einbeziehung der Belange des
Umweltschutzes und der nachhaltigen
Entwicklung in die Binnenmarktaspekte
der Politik im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit" beschäftigte.
In diesem Bericht werden für jedes einzelne Strategieinstrument des Berichts
der Tagung des Europäischen Rates in
Göteborg im Jahr 2001 ("Strategie zur
Einbeziehung der Belange der Umwelt
und der nachhaltigen Entwicklung in die
Binnenmarktpolitik")1, 15 wenig ambitionierte Ziele, Aktionen und Indikatoren
aufgeführt. Der Bericht, der sich u.a. auch
auf den in Johannesburg verabschiedeten
Zehn-Jahres-Plan für nachhaltigen Konsum und Produktion bezieht, fordert außerdem, die Ziele, Aktionen und Indikatoren der Umweltintegrationsstrategie für
den Wettbewerbs- und Binnenmarktbereich zu aktualisieren. Diese aktualisierte
Strategie sollte noch vor Ende 2003 verabschiedet werden, bis zu diesem Zeitpunkte sollte außerdem der Rat über die
bereits erreichten Vorschritte bei der Umsetzung der Strategie berichten.
Vereinfachung des Acquis
Communautaire
Im Februar 2003 veröffentlichte die
Kommission eine weitere Mitteilung: "Aktualisierung und Vereinfachung des Acquis Communautaire"2 (gemeinschaftlicher
Besitzstand) mit dem Ziel:
- solche Gesetze die "überflüssig und unzeitgemäß" sind, abzuschaffen, um den
Besitzstand zu reduzieren, ohne den
rechtlichen Status zu verändern,
- Gesetze zu überarbeiten, um sie kohärenter und verständlicher zu machen,
wiederum ohne den rechtlichen Status
zu verändern,
- zu einer Verbesserung des Acquis beizutragen, um ihn benutzerfreundlicher
und zugänglicher zu gestalten,
- einen Prozess anzustoßen, der zu einer
Modernisierung und Vereinfachung bestehender Gesetze und Politiken führt nicht, um den Acquis zu deregulieren
oder zu beschneiden, sondern um veraltete Politkansätze durch bessere regulative Instrumente zu ersetzen.
Frühjahrsrat 2003
Auf seiner Tagung 2003 betonte der Europäische Rat in seinen Schlussfolgerungen die Notwendigkeit, dass "wirtschaftliche und soziale Entwicklung langfristig
nicht aufrechterhalten werden können ohne Maßnahmen zur Eindämmung der Umweltbelastung und zur Erhaltung natürlicher Ressourcen."3
Der Europäische Rat erklärte außerdem,
dass die Effizienz und Kohärenz der bestehenden Prozesse, Strategien und Instrumente verbessert werden müssen.
"Dies kann erleichtert werden durch die
Stärkung des Cardiff-Prozesses zur Einbeziehung von Umweltbelangen in die
verschiedenen Gemeinschaftspolitiken."
Die Kommission betont besonders, dass
"die europäischen Institutionen und die
Mitgliedstaaten jeweils eine wichtige Rolle
als "Hüter der Wettbewerbsfähigkeit" spielen. Ihr gemeinsames Ziel ist es, die Rahmenbedingungen festzulegen, die es den
europäischen Unternehmen ermöglichen
werden, auf einem extrem wettbewerbsorientierten globalen Markt zu wachsen
und wettbewerbsfähig zu sein."
Die geeigneten Rahmenbedingungen für
eine wettbewerbsfähige europäische Wirtschaft sollten durch "Folgenabschätzungen bei wichtigen Kommissionsvorschlägen" geschaffen werden, wobei "der Prozess der Folgenabschätzung auf allen
Stufen des Rechtsetzungsverfahrens" erfolgen soll.
Europäischer Rat Oktober 2003
In seinen Schlussfolgerungen4 stellte der
Europäische Rat im Oktober 2003 fest,
dass "EU-Rechtsvorschriften kein Hindernis für die Wettbewerbsfähigkeit der EU
gegenüber anderen großen Wirtschaftsräumen sein dürfen. Deshalb wird die
Kommission ersucht, den Auswirkungen
vorgeschlagener EU-Rechtsvorschriften
auf die Unternehmen durch eine umfassende Folgenabschätzung Rechnung zu
tragen. Dieser Ansatz wird erstmals bei
dem bevorstehenden Vorschlag über
Chemikalien, den der Rat (Wettbewerbsfähigkeit) im Benehmen mit anderen Ratsformationen prüfen wird, zur Anwendung
kommen, wobei insbesondere die Auswirkungen dieses Ansatzes auf die KMU
(Klein- und Mittelständische Unternehmen) zu berücksichtigen sind."
Auf Basis eines im Jahr 2003 durchgeführten "Screenings", einer internen Bewertung der meisten EU-Politikbereiche,
stellt die Kommission die folgenden potentiellen Synergieeffekte zwischen Wettbewerbsfähigkeit und Umweltpolitik in den
Mittelpunkt: "Untersuchung möglicher
Einsatzbereiche freiwilliger Alternativen zu
verbindlichen Vorschriften und der Entwicklung einer nachhaltigen Produktionspolitik; Analyse der Voraussetzungen für
die Fortentwicklung der Öko-Industrien,
und der Ausgewogenheit kurzfristiger
Kosten mit den langfristigen Gewinnen des
nachhaltigen Umweltschutzes."
Mitteilung zu einem integrierten
Ansatz für mehr Wettbewerbsfähigkeit
Wettbewerbsrat März 2004
In November 2003 veröffentlichte die
Kommission ihre Mitteilung "Einige Kernpunkte der europäischen Wettbewerbsfähigkeit - Hin zu einem integrierten Konzept"5. Die Kommission stellt darin fest,
dass "eine wettbewerbsfähige europäische Wirtschaft uns die Möglichkeit geben
wird, unser Sozialmodell zu stützen, und
durch einen hohen Grad an Konsumenten, Gesundheits- und Umweltschutz eine hohe Lebensqualität zu ermöglichen und
unseren Lebensstandard zu erhöhen."
Die Kommission will im Jahr 2004 einen
ausführlichen Bericht über die Ergebnisse
dieses "Screening-Prozesses" vorlegen.
In seinem Bericht6 an den Europäischen
Frühjahrsrat verpflichtete sich der Wettbewerbsrat, "in Zusammenarbeit mit der
Kommission im Laufe des Jahres 2004 im
Rahmen der verschiedenen Ratsformationen eine Auswahl von Vorschlägen zu
Schlüsselfragen im Hinblick darauf zu bewerten, inwieweit sie sich auf die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen auswirken."
Zusätzlich will der Rat bis 2004 "Prioritäten für die Überprüfung entsprechender
Teile der bestehenden EU-Gesetzgebung
vorschlagen", diese sollen auf ihre kumulative Wirkung auf die Wettbewerbs- und
3 8410/03
1 8970/01
4 15188/03
2 COM(2003)71
5 COM(2003)704
Textende
siehe Kontakt
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6 7330/04
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
7
Europäische Ebene
T
Innovationsfähigkeit untersucht werden,
außerdem ersucht er die Kommission, "für
die entsprechenden Vereinfachungen
ehrgeizigere Zeitpläne aufzustellen". Für
die "Bessere Rechtssetzung" will der Rat
den erweiterten Prozess der Folgenabschätzung überprüfen, "um so die Dimension "Wettbewerbsfähigkeit" verstärken zu
können." "Das rechtliche Umfeld muss
nicht nur dem Grundsatz der Gerechtigkeit
und der Effizienz, sondern auch dem
Prinzip der Verhältnismäßigkeit genügen
und darf die Unternehmenstätigkeit nicht
lähmen."
Hinsichtlich der "Risiken" einer "Deindustrialisierung und einer Verlagerung der
Wirtschaftstätigkeit" befürchtet der Wettbewerbsrat, dass sich die europäische
Wirtschaft "insbesondere Herausforderungen hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit
und der Umstrukturierung gegenübersehen könnte, die sich aus künftigen umweltpolitischen Verpflichtungen ergeben".
Der Rat benennt kein einziges positives
Beispiel, welches sich aus den Synergien
zwischen umweltpolitischen Verpflichtungen und Wettbewerbsfähigkeit ergeben
könnte. Außerdem fehlt der Hinweis auf
die wichtigste umweltpolitische Maßnahme
aus dem Bericht der Kommission an den
Frühjahrsrat: den Aktionsplan für Umwelttechnologie1.
Zu guter Letzt forderte der Rat, "in dem
Prozess der Festlegung der Verpflichtungen, die während der nächsten Phase
(nach 2012) der Strategie im Bereich
Klimaänderungen im Hinblick auf die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie eingegangen werden
müssen, umfassend konsultiert zu werden."
Frühjahrsrat 2004
Der Europäische Rat hielt in seinen
Schlussfolgerungen2 fest, dass durch eine
bessere Rechtsetzung sowohl auf europäischer als auch auf einzelstaatlicher Ebene Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität
verbessert werden können. Er "begrüßt
die kürzlich von vier Vorsitzen3 gemeinsam vorgelegte Initiative für eine bessere
1 COM(2004)29
2 9048/04
3 Initiative von Irland, den Niederlanden, Luxemburg
und Großbritannien
8
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
Rechtsetzung, und er ruft den Rat auf, ein
Aktionsprogramm zu verfolgen, mit dem
diese Initiative im Laufe des Jahres vorangebracht werden soll. Er begrüßt die Entschlossenheit der Kommission, die integrierte Gesetzesfolgenabschätzung in Zusammenarbeit mit dem Rat und dem Europäischen Parlament entsprechend der
Interinstitutionellen Vereinbarung "Bessere Rechtsetzung" noch weiter zu verfeinern, wobei insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit im Vordergrund steht, und
eine Methode zur Messung des Verwaltungsaufwands für Unternehmen in Zusammenarbeit mit dem Rat auszuarbeiten.
Der Europäische Rat fordert die Kommission auf, die Auffassung des Rates hinsichtlich der Prioritätsbereiche und des
Zeitrahmens für die Vereinfachung zu berücksichtigen. Er fordert ferner die Mitgliedstaaten auf, sich zu verpflichten, ihre
eigenen Reforminitiativen im Bereich der
Rechtsetzung rascher voranzutreiben. Er
wird sich auf der Tagung des Europäischen Rates im November 2004 erneut
mit der Frage einer besseren Rechtsetzung befassen."
Im Bereich Umweltschutz erkennt der Rat
an, dass "Wachstum durch eine bessere
Politikintegration und nachhaltigere Konsum- und Produktionsmuster von den negativen Auswirkungen auf die Umwelt abgekoppelt werden muss."
Er bestätigt außerdem die Verpflichtung
der EU, die Kioto-Ziele zu erfüllen und will
auf der Frühjahrstagung 2005 "verschiedene Strategien - einschließlich Zielvorgaben - zur mittel- und langfristigen Emissionsverringerung" prüfen. Zur Vorbereitung dieser Beratungen fordert er die
Kommission auf, eine Kosten-NutzenAnalyse zu erstellen, in der "sowohl Umweltaspekte als auch Fragen der Wettbewerbsfähigkeit berücksichtigt werden."
"Der Europäische Rat begrüßt den Aktionsplan für Umwelttechnologie und ruft zu
seiner raschen Umsetzung auf. Er bittet
die Kommission und die EIB, die Mobilisierung der Palette der Finanzinstrumente
zur Förderung dieser Technologien zu
prüfen. Er wird auf seiner Frühjahrstagung
im nächsten Jahr einen Bericht der Kommission über die beim Aktionsplan insgesamt erreichten Fortschritte prüfen, in
dem auch dargelegt werden sollte, wie die
Union Entwicklungen fördern kann, die
Vorteile sowohl für die Umwelt als auch für
das Wachstum mit sich bringen, d.h. bei
denen Verbesserungen im Bereich Umweltschutz zur Verwirklichung der wirtschaftlichen und sozialen Ziele der Lissabonner Strategie beitragen können."
Auf seiner Tagung benannte der Europäische Rat den früheren niederländischen
Ministerpräsidenten Wim Kok als Vorsitzenden für eine hochrangige Arbeitsgruppe, die eine Abschätzung der LissabonStrategie vorlegen soll. Diese Arbeitsgruppe soll die Kommission bei ihren Vorschlägen zur Halbzeitüberprüfung der Lissabon-Strategie unterstützen, die für den
Frühjahrsrat 2005 vorgelegt werden sollen. Die Gruppe soll der Kommission vor
dem 1. November 2004 berichten.
Zum Schluss fordert der Europäische Rat
die Mitgliedstaaten dazu auf, "Reformpartnerschaften ins Leben zu rufen, an
denen die Sozialpartner, die Zivilgesellschaft und die Behörden im Einklang mit
den einzelstaatlichen Regelungen und
Gepflogenheiten beteiligt werden. Diese
einzelstaatlichen Reformpartnerschaften
sollten ergänzende Strategien für den
Wandel auf den Weg bringen, die sich auf
die breite Palette der in der Lissabonner
Agenda erfassten Politikbereiche - Wirtschaft, Soziales und Umwelt - beziehen.
Diese Strategien sollten sich in klaren einzelstaatlichen Politiken und Zielen niederschlagen und sollten von den Regierungen bei der Erstellung der nationalen Beiträge zur Halbzeitüberprüfung der Lissabonner Agenda berücksichtigt werden."
Mitteilung über die Industriepolitik für
die erweiterte Union
Am 20. April 2004 hat die Kommission die
Mitteilung "Den Strukturwandel begleiten:
Eine Industriepolitik für die erweiterte Union"4 angenommen. Die Analyse der Kommission kommt zu dem Schluss, dass es
keinerlei Nachweise für einen allgemeinen
Prozess der De-Industrialisierung gibt.
"Stattdessen sieht sich die europäische
Industrie dem Prozess des Strukturwandels ausgesetzt, der im Allgemeinen von
Vorteil ist und der insbesondere durch
Politiken ermutigt werden muss, die die
Schaffung und die Nutzung von Wissen
vereinfachen. Unter diesem Gesichtspunkt
sind die ungenügenden Leistungen Europas insbesondere hinsichtlich Produktivi-
4 COM(2004)274
Europäische Ebene
T
tät, Forschung und Innovation besorgniserregend."
ner Verbesserung der Effizienz der Wirtschaft beitragen."
probleme und Auswirkungen der Umweltverschmutzung gerechtfertigt sein.
Die Kommission fordert eine Industriepolitik zur Begleitung des Prozesses dieses
Strukturwandels mit folgenden Maßnahmen:
Gleichzeitig stellt die Kommission fest,
dass die Regulierung zwar "potentiell die
Effizienz der Ressourcenallokation verbessert", sie aber auch "zu einer erheblichen Umverteilung" führt und so "Gewinner" und "Verlierer" schafft.
Allerdings müssen unterschiedliche Ansätze auf nationaler Ebene sorgfältig geprüft
werden um sicherzustellen, dass sie in ihrer Wirkung und in rechtlicher Hinsicht mit
dem Binnenmarkt verträglich sind. Der
grenzüberschreitende und globale Charakter vieler Umweltbedrohungen fordert
Aktionen, die jenseits der Fähigkeit eines
einzelnen Landes oder einer einzelnen
Region liegen.
1.) Die EU muss ihre Anstrengungen um
eine bessere Rechtsetzung fortsetzen und
so einen regulatorischen Rahmen schaffen, der günstig für die Industrie ist. Zwar
erkennt die Kommmission im Rahmen des
integrierten Verfahrens der Verträglichkeitsprüfung von Vorschlägen und Initiativen der Kommission die drei Dimensionen
der nachhaltigen Entwicklung an, will aber
die Bewertung der Dimension "Wettbewerbsfähigkeit" vertiefen.
Daneben fordert die Kommission, dass
Anstrengungen unternommen werden, um
die kumulativen Auswirkungen von Regulierung besser zu verstehen, zum Beispiel
auf Sektorebene. Die Reform der europäischen Chemikalienpolitik ist als ein Beispiel für bessere Konsultationen genannt,
die Kommission hebt hervor, dass vor allem die Ergebnisse der Internetkonsultation über REACH zu Einsparungen von
80 % der direkten Kosten der Industrie
geführt hätten, vergisst aber zu erwähnen, dass dies gleichzeitig mit der Abschwächung von Maßnahmen einhergegangen ist, die es ermöglicht hätten,
Chemikalien besser zu kontrollieren.
2.) Die Kommission fordert, Synergien
zwischen den verschiedenen Politiken der
Gemeinschaft, die Auswirkungen auf die
Wettbewerbsfähigkeit der Industrie haben,
besser zu nutzen. Die Entwicklung einer
nachhaltigen Produktionspolitik soll dabei
einen positiven Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der Industrie leisten.
Die Kommission beschreibt weiterhin die
Auswirkungen der Umweltpolitik auf die
europäischen Unternehmen und kommt
zu folgenden Ergebnissen:
"Die Regulierung im Umweltschutzbereich
konzentrieren sich hauptsächlich auf die
Schaffung und die Zuteilung (oder die
Umverteilung) von Eigentumsrechten, was
den Gebrauch und die Verschmutzung
von Umweltressourcen betrifft. Indem man
die Interessenten zwingt, die wachsende
Knappheit der Umweltressourcen zu berücksichtigen, kann die Regulierung zu ei-
Textende
siehe Kontakt
"Das Endergebnis von Umweltschutzregulierung in Bezug auf Kosten ist, dass für
bestimmte Unternehmen oder Sektoren
die Produktion teurer werden wird. Wenn
es darauf ankommt, eine richtige Vorstellung von den Kosten der Umweltschutzregulierung für die Unternehmen zu erhalten, so ist es letztendlich die Wirkung dieser Kosten auf die Innovationsfähigkeit,
die Rentabilität, die Preise und die Nachfragedynamik, die zählt."
Diese Wirkung hängt nach Meinung der
Kommission in hohem Maße ab
- von der Art der Regulierung, - das heißt,
wie sich diese auf Inputs, Produktionsprozess oder Endprodukt auswirkt;
- auf die Art, wie die betroffenen Unternehmen Technologien zur Verminderung
von Umweltverschmutzung finanzieren;
und
- von den Marktstrukturen (Elastizität der
Nachfrage, Grad der Exponiertheit im internationalen Wettbewerb).
Auf der Nutzenseite kommt die Kommission zu dem Ergebnis, dass durch Umweltschutzregulierung "einige Unternehmen oder Sektoren von positiven Wirkungen in Bezug auf Nachfrage und Beschäftigung profitieren werden, die ohne solche
Regulierung nicht eingetreten wären. Sie
müsste auch zu verringerten Inputkosten
führen, sowohl für die regulierten Industrien, indem sie dort zu einer besseren
Nutzung der Ressourcen anhält, als auch
für die Industrien, die schließlich von weniger verschmutzten Inputs profitieren
und von reduzierten Kosten für die Gesundheit der Arbeiter und das öffentliche
Gesundheitswesen."
"Die Existenz gemeinsamer Regeln im Bereich Umweltschutz auf Ebene der EU gewährleistet gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen, die innerhalb
des Binnenmarktes operieren. Unterschiede in der Strenge von Umweltschutzvorschriften zwischen Ländern können
durch Unterschiede in Bezug auf Umwelt-
aktiv werden
Maßnahmen, die ausschließlich auf EUEbene ergriffen werden, zum Beispiel um
die Ozonschicht wieder herzustellen oder
Treibhausgasemissionen zu verringern,
reichen nicht aus. Diese Fragen erfordern
globale Maßnahmen und konzertierte
multilaterale Anstrengungen.
Daher ist es notwendig, die Teilnahme
und den gleichwertigen Beitrag von Europas Haupthandelspartnern sicherzustellen, wenn Maßnahmen ins Auge gefasst
werden. "
Unter der Überschrift: "Schaffung der Voraussetzungen für den Aufbau einer nachhaltigen Produktion" fordert die Kommission die folgenden drei Maßnahmen:
- Entwicklung der Voraussetzungen für eine nachhaltige Produktion: In 2004 will
die Kommission einen politischen Rahmen für die Förderung der nachhaltigen
Produktion auf Unternehmensebene
vorschlagen. Das Ziel dieser Maßnahme
wird allerdings nicht deutlich.
- Förderung "sauberer" Energien und
Technologien: die Kommission benennt
lediglich ihren Aktionsplan für Umwelttechnologie. Spezielle Initiativen scheinen nicht geplant.
- Förderung des sozialen Dialogs unter
Einschluss sektoraler Fragen: die Kommission benennt lediglich die "Sozialpartner".
In Bezug auf die "Stärkung der internationalen Dimension der Umweltpolitik" definiert die Europäische Kommission Grundsätze, "um ein geeignetes Maß an Ausgewogenheit der drei Pfeiler einer nachhaltigen Entwicklung1 beim Aushandeln multilateraler Umweltabkommen sicherzustellen. Dadurch sollen bei den Verhand1 ökologische Tragfähigkeit, soziale Gerechtigkeit,
wirtschaftliche Stabilität
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
9
Europäische Ebene
T
lungsmandaten der Europäischen Kommission insbesondere Wettbewerbsfähigkeit bzw. Kosten-Nutzen-Rechnungen berücksichtigt werden. Ferner ist die Kompatibilität der internationalen Verpflichtungen der Europäischen Union mit den internen Rechtsvorschriften sicherzustellen."
Gang gebracht wurden, handele es sich
lediglich um zaghafte Anfänge.
Beim Verkehrssektor z.B. verweist die
Kommission auf Fortschritte in der Kraftstofftechnik, fügt aber hinzu, dass sich die
Emissionen wegen des enorm angestiegenen Verkehrsaufkommens trotzdem erhöht haben.
der jährlichen Kraftfahrzeugsteuer und
der Zulassungssteuer von Personenkraftwagen, die niedrigere CO2- Emissionen stärker fördert und besser mit dem
Binnenmarkt vereinbar ist.
Autorin: Nika Greger, DNR Berlin,
EU-Koordination
Wettbewerbsrat Mai 2004
Der Wettbewerbsrat hat auf seiner Tagung
Schlussfolgerungen über die "Wettbewerbsfähigkeit und Innovation/Bessere
Rechtssetzung" angenommen.
Der Rat erkennt immerhin an, dass "die
bessere Rechtsetzung eine gemeinsame
Verpflichtung der Europäischen Organe
und der Mitgliedstaaten ist, alle Politikbereiche betrifft, den wirtschaftlichen, sozialen und umweltbezogenen Aspekten der
nachhaltigen Entwicklung Rechnung tragen muss und auf lange Sicht kontinuierliche Bemühungen erfordert".
Arbeitsdokument der Kommission zum
Cardiff-Prozess
In ihrem Arbeitsdokument "Einbeziehung
von Umweltbelangen in andere politische
Bereiche - eine Bestandsaufnahme des
Cardiff-Prozesses"1 vom 1. Juni hat die
EU-Kommission die Fortschritte des 1998
begonnen Cardiff-Prozesses bewertet und
neue Empfehlungen für die darin genannten Ziele ausgegeben.2
Das Dokument beurteilt, inwieweit integrative Strategien entwickelt und umgesetzt
wurden. Außerdem werden zukünftige
Herausforderungen und Probleme für jeden Sektor thematisiert.
Die Kommission kommt zu dem Ergebnis,
dass die Strategien meistens noch aus
Absichtserklärungen ohne greifbare Ergebnisse oder Ergebnisabsichten bestehen. Auch bei den konkreten Maßnahmen,
die in den einzelnen Sektoren bereits in
1 COM(2004)394
2 "Cardiff" steht für die Strategie, Umweltbelange
nach und nach in alle politischen Entscheidungen
der EU mit aufzunehmen. Beschlossen wurde diese
Strategie 1998 bei der Tagung der Staats- und
Regierungschefs in der walisischen Hafenstadt.
Noch vor Ort wurden neun Sektoren bestimmt, für
die Strategien für die Umsetzung erarbeitet werden sollten: Landwirtschaft, Verkehr, Energie, Industrie, Binnenmarkt, Entwicklung, Fischerei,
Wirtschaft, Finanzen und Außenpolitik.
10
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
Die Außenministerien haben eine Strategie für umweltpolitische Auseinandersetzungen in Politik und Handel auf internationaler Ebene entworfen. Mit Hilfe eines
informellen Netzwerks soll die "grüne"
Diplomatie zur Verständigung mit Drittländern über Umweltfragen verbessert
werden. Weitere Herausforderungen, so
heißt es im Kommissionspapier, seien die
Einbringung von Umweltaspekten in die
Verhandlungen mit der Welthandelsorganisation (WTO) sowie in regionale und bilaterale Handelsabkommen.
Tenor der Kommissionschrift ist, dass die
im Cardiff-Prozess angestrebten Ziele
nicht nur nicht verwirklicht wurden, sondern anscheinend bei den Staats- und
Regierungschefs in Vergessenheit geraten
sind. Deshalb spricht die Kommission
Empfehlungen aus, die vor allem die verstärkte Mitarbeit der Mitgliedstaaten fordern. Diese sollen "marktwirtschaftliche
Instrumente" einsetzen, um Umweltziele
kosteneffizienter verwirklichen zu können.
Eine weitere Empfehlung ist die Aufnahme
von vier weiteren Sektoren in den CardiffProzess: Tourismus, Forschung, Kohäsionspolitik und Bildung.
Um Umweltpolitik in die Wettbewerbspolitik
der EU zu integrieren, benennt die Kommission u.a. die folgenden Maßnahmen:
- Umsetzung von REACH,
- Mitteilung über nachhaltige Produktionsmuster (geplant für 2004)
- thematische Strategie für Abfallvermeidung und -recycling,
- Aktionsplan für Innovation (geplant für
2004)
- Programm für die Wettbewerbsfähigkeit
von Unternehmen (geplant für 2004)
- Erlass der Rahmenrichtlinie über die
umweltgerechte Gestaltung energiebetriebener Produkte,
- Überprüfung des Gemeinschaftsrahmens
für staatliche Umweltschutzbeihilfen
(Zeitraum 2004-2007),
- Vorschlag der Kommission zur Umstrukturierung der steuerlichen Grundlagen
Diese Zusammenstellung beruht auf einer
englischsprachen Vorlage von Michael
Minter, Danish Society for Nature Conservation.
• Weitere Informationen
Europäische Kommission, Rue de la Loi
200, B-1049 Bruxelles
Tel. 0032 2 / 299-1111
Dokumente im Internet:
http://europa.eu.int/eur-lex/de
("Gesetzgebung" - "Suche mit der
Nummer des Dokuments")
Europäische Ebene
T
Empfehlungen der
EU-Nachhaltigkeitsräte
"The Kinsale Challenge":
Stellungnahme des EEAC-Netzwerks
Das EU-Netzwerk der Europäischen Umwelt und Nachhaltigkeitsräte (European
Environment and Sustainable Development Advisory Councils Network, EEAC)
begann seine Arbeit 1993 ein Jahr nach
dem UN-Gipfel für Umwelt und Entwicklung
in Rio. Seine Mitglieder gehören den nationalen Umwelt- und Nachhaltigkeits-Räten
an, mittlerweile sind mehr als 30 Räte aus
20 europäischen Ländern (inklusive einigen der neuen EU-Mitgliedstaaten) Mitglieder des Netzwerkes, das sich vor allem dem innereuropäischen Informationsund Erfahrungsaustausch widmet.
2001 gründete sich unter dem Dach des
EEAC eine Arbeitsgruppe verschiedener
nationaler Räte für Nachhaltige Entwicklung (WG-Sustainable Development). Die
in der Arbeitsgruppe vertretenen Räte
sind in der Regel von den jeweiligen Regierungen mit der Aufgabe betraut, diese
bezüglich der Aufstellung und Durchführung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategien zu beraten.
Die Empfehlungen aus "The Kinsale Challenge" an die EU und die Mitgliedstaaten
betreffen v.a. folgende Schwerpunkte:
- Der Zusammenhang zwischen dem Lissabon-Prozess und der EU-SDS,
- Die Verbindung zwischen nationalen
Nachhaltigkeitsstrategien und der europäischen Strategie,
- Die bessere Einbeziehung von zivilgesellschaftlichen Akteuren und Interessensgruppen bei der Vorbereitung und
Umsetzung von nationalen Nachhaltigkeitsstrategien und der EU-SDS,
- Neue Themen, die in einer überarbeiteten EU-SDS Berücksichtigung finden sollten.
Nachfolgend wird "The Kinsale Challenge"
im Wortlaut wiedergegeben.
Gastautorin: Claudia Koll, Geschäftsstelle
des Rates für Nachhaltige Entwicklung
• Weitere Informationen
Die Arbeitsgruppe WG-SD konzentriert
sich vor allem auf die europäische Ebene
der Nachhaltigkeitspolitik, sowie auf Verknüpfungen zwischen den unterschiedlichen nationalen Nachhaltigkeitsstrategien
und auf Verbindungen zwischen der europäischen und den nationalen Politiken.
Die Arbeitsgruppe erarbeitet momentan
eine Bewertung "Sustaining Sustainability"
(siehe Seite 14). Hierbei handelt es sich
um ein gemeinsames Forschungsprojekt,
im Rahmen dessen die nationalen Nachhaltigkeitsstrategien (NSDS) in acht EUMitgliedstaaten, die Rolle der jeweiligen
nationalen Räte für Nachhaltige Entwicklung (NCSD) im NSDS-Prozess und Möglichkeiten der Verknüpfung und Schaffung
von Synergie-Effekten zwischen den nationalen Strategien und der EU-Nachhaltigkeits-Strategie (EU-SDS) untersucht werden.
Außerdem verfasste die Arbeitsgruppe
bisher drei Empfehlungen zur Stärkung
der Nachhaltigen Entwicklung in Europa.
Die jüngste dieser Empfehlungen wurde
unter dem Titel "The Kinsale Challenge" im
April vom EEAC verabschiedet.
Textende
siehe Kontakt
aktiv werden
Claudia Koll, Rat für Nachhaltige Entwicklung, Reichpietschufer 50, 10785
Berlin
Tel. 030 / 254917-83, Fax -85
eMail:
[email protected]
www.nachhaltigkeitsrat.de
www.eeac-network.org
Dokumentation
The Kinsale Challenge
Nachhaltige Entwicklung in der EU
stärken
Mitglieder und Abgeordnete des EU-Netzwerks der Europäischen Umwelt und
Nachhaltigkeitsräte (EEAC) trafen sich in
Kinsale in Irland vom 15.-17. April 2004
während einer Konferenz über Nachhaltige Entwicklung, die gemeinsam durch die
Irische Präsidentschaft und Comhar, der
irischen Partnerschaft für Nachhaltige
Entwicklung organisiert wurde.
Als Ergänzung zu den generellen Schlussfolgerungen der Konferenz stimmten die
anwesenden Mitglieder und Abgeordneten
des EEAC zu, die folgenden Herausforderungen an die Europäische Union und ihre
Institutionen und Mitgliedstaaten bezüglich des Fortschrittsbericht der EUNachhaltigkeits-Strategie und des Lissabon-Prozesses vorzuschlagen, die in den
Jahren 2004 und 2005, unter Einbeziehung der Erweiterung der Union auf 25
Mitglieder, durchzuführen sind.
Wie im neuen europäischen Verfassungsentwurf erkennbar, muss Nachhaltige Entwicklung im Zentrum von Vision und Praxis des neuen Europa stehen. Die Zielvereinbarungen eines ökonomischen Erfolges, das Gemeinwohl sowie der Schutz
der Umwelt müssen besser als gegenwärtig erkennbar in die Praxis und Politik der
Europäischen Union integriert werden.
Die Fortschrittsberichte zur Europäischen
Nachhaltigkeits-Strategie und zum Lissabon-Prozesses, die dieses Jahr zeitgleich
mit der Erweiterung der Union stattfinden,
sind eine einzigartige Möglichkeit, zu einer besseren Kohärenz zwischen den drei
Säulen der nachhaltigen Entwicklung
(Ökologie, Soziales, Ökonomie) in der europäischen Politik und den Aktionsprogrammen zu gelangen.
Die Beauftragten des EEAC rufen deshalb
die Europäische Union, ihre Institutionen
und die Mitgliedstaaten auf sicherzustellen, dass
- der Fortschrittsbericht zur Europäischen
Nachhaltigkeitsstrategie zu einer artikulierten und maßgebenden Erklärung für
eine langfristige Nachhaltigkeitsvision
und zu konkreten Zielen für die EU führt,
welche die Arbeit aller relevanten Formationen der EU leitet;
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
11
Europäische Ebene
T
- der Fortschrittsbericht zum LissabonProzesses, wie beim Frühjahrsgipfel im
März 2004 vereinbart, dem Fortschrittsbericht der Göteborg-Beschlüsse und
der Europäischen Nachhaltigkeitsstrategie volle Rechnung trägt. Die jährliche
Überprüfung der Lissabon-Strategie sollte in Rahmen und Richtung ausgeweitet
werden, so dass sie die Möglichkeit einer echten jährlichen Bestandsaufnahme
des Fortschritts der EU in Richtung von
langfristigen Nachhaltigkeitszielen, die
durch die Nachhaltigkeitsstrategie definiert sind, erhält.
- Letztendlich muss die Umweltdimension
des Lissabon-Prozesses gestärkt und
der Cardiff-Prozess revitalisiert werden,
vor allem mit Blick auf die weitere Priorisierung einer Entkopplung von ökonomischem Wachstum von umweltschädlichen
Trends, wie beispielsweise dem weiteren
Anstieg von Treibhausgasen.
- der Fortschrittsbericht über die finanziellen Perspektive gleichermaßen der Umwelt-Dimension besser Rechnung trägt
und sicherstellt, dass EU-Fonds effizienter und effektiver zur Unterstützung der
Nachhaltigkeitsbelange eingesetzt werden.
- Ausschreibungen bei allen öffentlichen
Institutionen und die öffentliche Auftragsvergabe sollten mit Nachhaltigkeitskriterien sowohl auf europäischer
als auch auf nationaler Ebene verbunden werden;
- Nachhaltigkeit größere Aufmerksamkeit
im Erweiterungsprozess erhalten sollte,
damit sichergestellt wird, dass die europäischen Zielsetzungen zukünftig vollständig von den Beitrittsstaaten erfüllt
werden. Dadurch könnten potentiell umwelt- und naturschutzschädliche Auswirkungen auf Umwelt und Biodiversität in
den Beitrittsstaaten verhindert oder abgemildert werden.
- die Nachhaltigkeits-Ethik auf allen Ebenen besser kommuniziert und in allen
Teilen der Gesellschaft diskutiert wird.
- die Förderung der Entwicklung und Fortschreibung von nationalen Strategien in
jedem Land der EU, um eine umfassende und aktuelle Berichterstattung zu
ermöglichen;
- die Definition einer gemeinsamen Vision
von Nachhaltigkeit in Europa sowie die
Entwicklung gemeinsamer Ziele und
Maßnahmen, da Effektivität bei der Umsetzung eine europäische Koordination
notwendig machen, während gleichzeitig
andere Angelegenheiten und Bereiche
identifiziert werden sollten, die besser in
den nationalen Strategien aufgehoben
sind;
- die Förderung von "best practice" bei
der Aufstellung und Umsetzung der Strategien sowie die Aufforderung an alle
Mitwirkenden und Interessensgruppen,
den eigenen Verpflichtungen nachzukommen;
- dem Monitoring-Prozess auf nationaler
und europäischer Ebene durch geeignete Schlüsselindikatoren mehr Nachdruck
zu verleihen;
- die Stärkung und Förderung von politischer Führung für Nachhaltigkeit in der
EU;
- die Vereinfachung des Austauschs von
Ideen und Lösungen sowie des wechselseitigen Lernen zwischen unterschiedlichen Ländern und verschiedenen Interessensgruppen.
Generell sollten - zur gegenseitigen Unterstützung und Stärkung - nationale
Nachhaltigkeitsstrategien mit der europäischen Nachhaltigkeitsstrategie klarer und
expliziter verknüpft werden. Der Fortschrittsbericht zur Europäischen Strategie
sollte als Gelegenheit für eine neue EUInitiative zur Stärkung der Effektivität der
nationalen Strategien genutzt werden.
Wir fordern eine Europäische Initiative bei
der Erarbeitung des Fortschrittsberichts
zur EU-Nachhaltigkeitsstrategie, um die
Entstehung von nationalen Räten in jedem
Land der EU zu begünstigen, damit diese
entsprechende Leitlinien etablieren können.
Eine solche Initiative sollte beinhalten:
12
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
Um ein breiteres öffentliches Verständnis
und öffentliche und politische Unterstützung für Nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist es entscheidend, dass Interessensgruppen aller Art eng an der Vorbereitung und Umsetzung der europäischen und nationalen Strategien beteiligt
werden. Zusätzlich müssen bestehende
Allianzen für Nachhaltige Entwicklung
ausgeweitet und vertieft werden. Vor allem die nationalen Nachhaltigkeitsräte,
sofern sie geeignet zusammengesetzt
sind, können in diesem Zusammenhang
eine wertvolle Rolle spielen.
Als zusätzliche Unterstützung für eine
bessere Kommunikation und ein verstärktes Engagement der Zivilbevölkerung
empfehlen wir die Gründung eines unabhängigen Beirats für Nachhaltige Entwicklung auf europäischer Ebene mit einer
angemessenen Verknüpfung zu den nationalen Räten. Dieser Beirat sollte zur
Entwicklung der Agenda, zum Monitoring
und zu besseren partizipativen Prozessen
beitragen. Darüber hinaus ist es notwendig, dass das Europäische Parlament und
der Europäische Wirtschafts- und Sozialrat
(EESC) die Bemühungen im Bereich der
Nachhaltigen Entwicklung verstärken
(möglicherweise durch die Gründung oder
Aufwertung entsprechender Komitees oder Arbeitsgruppen), um durch ihre Verbindungen die Kooperation mit Interessensgruppen auf nationaler und europäischer Ebene zu intensivieren.
Als strategische Ausrichtung unterstützen
wir die von der Kommission bereits erarbeiteten Prioritäten für den Fortschrittsbericht und begrüßen die kreative vorbereitende Arbeit des EESC. Wir unterstützen ebenfalls die detaillierten Vorschläge,
die auf der Kinsale-Konferenz entstanden
sind. Aus unserer Sicht sind die folgenden
Punkte die Hauptherausforderung für eine
überarbeitete Nachhaltigkeitsstrategie:
- Umsetzung der Verpflichtungen von Johannesburg sowohl innerhalb der EU als
auch auf globaler Ebene,
- Stärkung der Synergien zwischen Umwelt, Naturschutz, Ökonomie und sozialen Zielen einschließlich Gesundheit,
- Energie, Klimawandel, Kioto-Protokoll
und die Langzeitperspektive jenseits des
Protokolls,
- Entwicklung einer nachhaltigeren Verkehrspolitik, die den Transport auf Straße, Schiene und Luft umfasst,
- Umweltsteuer und andere Wirtschaftsinstrumente,
- bessere Reflexion der Nachhaltigkeitskriterien bei der Planung und Umsetzung
der Strukturfonds einschließlich systematischer und wirksamer Anwendungen
strategischer Umweltverträglichkeitsprüfung,
- effektiver Aktionsplan zur Umsetzung
des Göteborg-Ziels, dem Biodiversitätsverlust bis 2010 Einhalt zu gebieten,
- weitere Reform von GAP (Gemeinsamer
Agrarpolitik) und GFP (Gemeinsamer Fischereipolitik), um die nachhaltige Nutzung der Ressourcen zu unterstützen,
einhergehend mit einer effektiven Umsetzung dieser Reformen,
- effektiver Schutz und ausgewogenes
Management der natürlichen Ressour-
Europäische Ebene
T
cen, einschließlich Böden, Wasser und
Ozeane sowie eine nachhaltige Landnutzung;
- Einführung eines neuen Umwelt-Investment-Fonds.
Ein neues nachhaltiges Wirtschaftsmodell
muss entwickelt werden, das der Verbesserung von Allgemeinwohl und Lebensqualität mehr Aufmerksamkeit schenkt, als
der Gewinnmaximierung. Solch ein Umdenken sollte sich vor allem auch im Fortschrittsbericht der Lissabon-Strategie widerspiegeln, und durch die Entwicklung
von nachhaltigen Produktions- und
Verbrauchsindikatoren begleitet werden.
Die EU sollte die Entwicklung von nachhaltigen Produktions- und Konsummustern
entwickeln, die zu positiven Auswirkungen
auf die Umwelt, größerer sozialer Gerechtigkeit und Investition in die Verbesserung
der Biodiversität und Umweltqualität beitragen. Die neue Strategie sollte diese
Zielvereinbarungen fördern und einer europäischen Politik folgen, die sich insbesondere für eine effiziente RessourcenNutzung einsetzt, die ein Programm für
ständige Verbesserungen in Produktstandards für die Hauptprodukt-Kategorien
beinhaltet und den Aktionsplan Umwelttechnologie umsetzt.
Um einen nachhaltigeren Verbrauch zu
fördern, empfehlen wir, dass die EU in einen Dialog mit der Öffentlichkeit und allen
Interessengruppen tritt, um notwenige
Verhaltensänderungen zu diskutieren, die
den Übergang zu einer nachhaltigen Zukunft unterstützen. Konkrete Maßnahmen
der EU und nationaler Regierungen sowie
Innovationen der Industrie sind für einen
solchen Umschwung unabdingbar.
Delegierte nachfolgender EEAC-Räte haben dieses Dokument unterstützt:
- Belgium Federal Council for Sustainable
Development, FRDO-CFDD
- Flemish Environment and Nature Council, Mina-Raad
- Finland Finnish National Commission on
Sustainable Development, FNCSD
- Germany Council for Sustainable Development, RNE
- German Advisory Council on the Environment, SRU
- Hungary National Environment Council,
OKT
- Ireland Irish Sustainable Development
Partnership, Comhar
- Netherlands Advisory Council for Research on Spatial Planning, Environment
and Nature, RMNO
- Poland State Council for Environmental
Protection, PROS
- Portugal National Council for Environment and Sustainable Development,
CNADS
- Slovenia Council for Environment Protection, CEPRS
- Sweden Environmental Advisory Council,
MVB
- UK Countryside Council for Wales, CCW
- English Nature, EN
- Joint Nature Conservation Committee,
JNCC
- Scottish Natural Heritage, SNH
- Sustainable Development Commission,
UK SDC
Um die Integration der erforderlichen Prozesse und Entwicklungen für den Fortschrittsbericht zur Nachhaltigkeitsstrategie und zur Lissabon-Strategie zu fördern,
empfehlen wir, dass die EU-Kommission
und die Präsidentschaft eine europäische
Nachhaltigkeitskonferenz initiiert, um über
neue Ziele und Methoden zu diskutieren.
Eine solche Konferenz könnte im Herbst
2004 am Ende des Konsultationsprozesses stattfinden und mit den Plänen des
EESC über eine weitere Konsultation der
Interessensgruppen über Nachhaltige
Entwicklung verknüpft werden.
Glossar: Prozesse und Strategien
Agenda 21
Das Aktionsprogramm der Konferenz für
Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen (UNCED) in Rio de Janeiro (1992),
das alle wesentlichen Politikbereiche einer
umweltverträglichen, nachhaltigen Entwicklung der Industrie- und Entwicklungsländer anspricht.
Cardiff-Strategie
1998 beschlossene Strategie, Umweltbelange nach und nach in alle politischen
Entscheidungen der EU mit aufzunehmen
(Umweltintegration).
Lissabon-Strategie
Die 2000 beschlossene Strategie für
Nachhaltiges Wachstum, Beschäftigung
und größeren sozialen Zusammenhalt soll
die EU bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten
Wirtschaftsraum der Welt machen.
Göteborg
Integration der ökologischen Komponente
in die Lissabon-Strategie als ergänzendes
Element 2001.
Europäische Nachhaltigkeitsstrategie
2001 beschlossene Strategie zur Erweiterung der politischen Verpflichtung der EU
in den Bereichen Wirtschaft und Soziales
um die Umweltkomponente. Sie wurde als
dritte Säule an die Lissabon-Strategie angefügt.
Nationale Nachhaltigkeitsstrategie in
Deutschland
2002 verabschiedete Strategie, mit der
eine zukunftsfähige Entwicklung in
Deutschland erreicht werden soll. Das
Kernstück bilden 21 langfristige und
quantitative Ziele, u.a. zum Klimaschutz,
zum Ausbau der erneuerbaren Energien
und des ökologischen Landbaus.
Johannesburg-Gipfel
Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung
(WSSD) 2002 in Johannesburg/Südafrika
Kinsale, 17.4.2004
(übersetzt aus dem Englischen: bv)
Textende
siehe Kontakt
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DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
13
Nationale Ebene: Vergleich
T
Nachhaltigkeitsräte sehen
Lücke zwischen Wort und Tat
sich daher, gemeinsam eine kurze Benchmark-Studie zu finanzieren, um die jeweiligen Nachhaltigkeitsstrategien kritisch zu
befragen bzw. bei Abwesenheit einer Strategie die Ursachen dafür zu finden:
- Belgischer Nachhaltigkeitsrat (FRDOCFDD),
- Finnischer Nachhaltigkeitsrat (FNCSD),
- Deutscher Nachhaltigkeitsrat (RNE),
- Ungarischer Umweltrat (OKT),
- Irischer Nachhaltigkeitsrat (Comhar),
- Niederländischer Rat für Wissensfragen
in Raumplanung, Natur, Umwelt (RMNO),
- Portugiesischer Rat für Umwelt und
Nachhaltigkeit (CNADS),
- Schwedischer Umweltrat (MVB),
- Britischer Nachhaltigkeitsrat (SDC) sowie
English Nature.
Nationale Nachhaltigkeitsstrategien
und EU-Strategie zusammenhanglos?
Inzwischen wird von immer mehr Seiten
kritisiert, dass sowohl nationale als auch
die Europäische Nachhaltigkeitsstrategie
bisher nur weniger effektiv waren und nur
zu wenig effektiven Maßnahmen geführt
haben. Konkrete Änderungen in der Politik
gibt es kaum und nach wie vor klafft eine
Lücke zwischen Worten und Taten.
Die Arbeitsgruppe "Sustainable Development" im EEAC-Netzwerk europäischer
Umwelt- und Nachhaltigkeitsräte1 hat während ihrer Zusammenarbeit in den letzten
Jahren2 auch Defizite bei der Kohärenz
und Komplementarität zwischen der nationalen und europäischen Dimension von
Nachhaltigkeit festgestellt.
Von ministerialer Seite wurden in der Vergangenheit Initiativen zur Verbesserung
dieser Problembereiche angestoßen: zunächst als Workshop von den Niederlanden 2002, aufgegriffen von Österreich
2003 und jüngst als Konferenz "Challenges and Opportunities for Sustainable Development in EU 25", die Bestandteil des
Programms der irischen Ratspräsidentschaft war, und vom Umweltministerium
gemeinsam mit dem irischen Nachhaltigkeitsrat "Comhar" veranstaltet wurde.
Die EEAC-Arbeitsgruppe befand allerdings, dass trotz dieser Bemühungen die
Erkenntnisse über die Struktur, die Prozesse und Inhalte nationaler Nachhaltigkeitsstrategien nach wie vor eher dünn
sind. Die folgenden Räte entschlossen
1 European Environment and Sustainable Development Advisory Councils, www.eeac-network.org
2 In der Arbeitsgruppe sind seit Oktober 2002 Räte
zusammengeschlossen, die primär oder sekundär
im Feld nationaler und regionaler Nachhaltigkeitsstrategien engagiert sind. Sie hat bisher Kurzstellungnahmen erarbeitet ("Strengthening sustainable development in the EU", Dezember 2002 als
Empfehlung an den Frühjahrsgipfel 2003 zur
Überarbeitung der EU-Nachhaltigkeitsstrategie
nach Johannesburg, sowie November 2003 an den
Frühjahrsgipfel 2004), sowie Empfehlungsschreiben an Schlüsselakteure der EU übersandt.
EEAC hat außerdem eine ausführliche Stellungnahme zur EU-Nachhaltigkeitsstrategie ausgearbeitet ("Greening Sustainable Development Strategies", Februar 2001, www.eeac-network.org), die
auf einer Konferenz während der schwedischen
Ratspräsidentschaft in Stockholm vorgestellt
wurde.
14
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
Im Gegensatz zu der im Frühjahr 2004
von der Europäischen Kommission vorgelegten Bestandsaufnahme zu nationalen
Nachhaltigkeitsstrategien in allen 25 Mitgliedstaaten3 ist die EEAC-Studie selektiv;
sie hat keinen breiten Ansatz, sondern
versucht, Hintergründe zu erkunden, und
umfasst diejenigen Mitgliedstaaten mit einem voll funktionsfähigen Nachhaltigkeitsrat. Im einzelnen wird folgenden Fragestellungen nachgegangen:
1. Prozess
(siehe Abbildung 1, Seite 16)
- Horizontale (und vertikale) Koordinationsmechanismen innerhalb der Regierung und Frage nach der Hauptverantwortlichkeit;
- Verbindung zur europäischen Ebene;
- Rolle anderer Akteure sowie die Art der
Beteiligung gesellschaftlicher Akteure;
- Rolle der nationalen Nachhaltigkeitsräte
als Verbindungsglied zu gesellschaftlichen Akteuren.
2. Themen
- Prioritäre Politikfelder mit besonderem
Augenmerk auf schwierige Felder bzw.
solche, die eine Politikentwicklung auf
europäischer Ebene befördern würde.
3. Erfahrungen der nationalen
Nachhaltigkeitsräte
- Rolle der Nachhaltigkeitsräte im Gesamtprozess von Entwicklung, Umsetzung
3 Commission Staff Working Document: National Sustainable Development Strategies in the European
Union. A first analysis by the European Commission. (Diese Bestandaufnahme basiert allein auf
Informationen von zuständigen Ministerien).
und Überprüfung der Nachhaltigkeitsstrategien;
- Erfolgsfaktoren für Beratung und Kommunikation: in welchem Umfang wurden
Anpassungen aufgrund von bereits gesammelten Erfahrungen vorgenommen;
- Rolle nationaler Nachhaltigkeitsräte, um
die Verbindung zur europäischen Ebene
zu stärken.
Die Studie wird im Oktober 2004 veröffentlicht und kann so in die Konsultation
zur Überarbeitung der EU-Nachhaltigkeitsstrategie eingehen. In Kürze seien
hier einige "Highlights" vorgestellt.
Verbindung der nationalen zur
europäischen Nachhaltigkeitsstrategie
Generell sind die Verbindungen zwischen
nationalen zur europäischen Nachhaltigkeitsstrategie dürftig bis nicht existent.
Bei größeren Mitgliedstaaten4 zeigt sich
das am eklatantesten, was teilweise an
der Einstellung der nationalen Regierungen gegenüber der europäischen Strategie liegen dürfte (was allerdings nicht auf
den Umfang an Einflussnahme auf europäische Politik im allgemeinen schließen
lässt)5.
Kleinere Mitgliedstaaten nahmen auf die
EU-Nachhaltigkeitsstrategie überwiegend
Bezug, sofern diese bei der Erarbeitung
der nationalen bereits vorlag. 6 In Ungarn
als neuem Mitgliedland spielt die EU-Strategie beispielsweise eine stärkere Rolle.
Aber einzig Belgien hat sich intensiv, zumindest auf programmatischer Ebene, mit
der EU-Strategie auseinandergesetzt, und
sogar ihre prioritären Politikfelder übernommen. Die Interpretation ist hingegen
eher politisch-kulturell, EU- Vorlagen oder
-Vorgaben werden in dem komplizierten
föderalen System mit andauernden Kompetenzstreitigkeiten und schwierigen Verhandlungsprozessen nicht unbedingt willkommen geheißen.
4 Hier: Deutschland und Großbritannien, gilt allerdings auch für das nicht untersuchte Frankreich,
ebenso für Italien und Spanien.
5 Es sind z.B. auch Koordinationsmängel innerhalb
des Umweltministeriums zwischen dem Europaund dem Nachhaltigkeitsreferat festzustellen.
6 Dies gilt für Portugal und Schweden, z.T. auch für
Irland und Finnland. Die Geschichte der niederländischen Nachhaltgikeitsstrategie ist komplizierter,
weil sie maßgeblich durch einen Regierungswechsel geprägt ist. Hier muss allerdings auch gefragt
werden, ob überhaupt von einer S t r a t e g i e gesprochen werden kann.
Nationale Ebene: Vergleich
T
In dem nahezu einzig verbleibenden Vorreiterland Schweden besteht umgekehrt
der Wunsch, dass nationale Ergebnisse
(stärker) auf europäischer Ebene Eingang
finden.
siedelt, was den typischen Nachteil mit
sich bringt, dass
- Nachhaltigkeitspolitik weiterhin allein mit
Umweltpolitik assoziiert wird,
- das Umweltministerium nicht als Primus
inter Pares anerkannt wird2, und somit
Koordinationsbemühungen versanden
können.
Rolle und Einbindung regionaler und
nicht staatlicher Akteure
Die Rolle und Einbindung nicht-staatlicher
Akteure und der regionalen bzw. lokalen
Ebene hängt in erster Linie von der Tradition und Einstellung zu "bottom-up" versus "top-down" ab. Ersteres ist am stärksten in den skandinavischen Ländern ausgeprägt, letzteres hingegen in den relativ
jungen Demokratien von Portugal und
Ungarn. In diesen beiden Ländern kommt
hinzu, dass die Zivilgesellschaft (noch)
nicht besonders gut organisiert ist, was
etwas abgeschwächt auch auf Irland zutrifft. Belgien und die Niederlande haben
eine ausgeprägte Kultur für Verhandlungen zwischen gesellschaftlichen Gruppen,
was allerdings einem neuen und innovativem Denken für Nachhaltige Entwicklung
nicht zwangsläufig dienlich sein muss.1 In
roßbritannien ist eine Beteiligung von Interessengruppen ebenfalls sehr üblich
und wird im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie selbstverständlich praktiziert.
Hier wird z.Zt. der regionalen Ebene mit
dem "quasi-föderalen" Schottland und
Wales besondere Aufmerksamkeit gewidmet. In Deutschland hat man sich, überwiegend aus Kapazitätsgründen bis dato
auf die nationale Ebene konzentriert, über eine Verbesserung wird aber nachgedacht.
Hoher horizontaler
Koordinationsaufwand
Im Ausmaß dann doch überraschend wird
deutlich, wie hoch der horizontale Koordinationsaufwand innerhalb der Regierung
ist. Hier werden durchaus Systemgrenzen
erreicht, zumindest bdarf es wohlüberlegter Zuständigkeiten und aufwendiger Prozesse und Absprachen. Typischerweise
wirft dies die Frage nach der zentralen
Leitungsfunktion auf: Entsprechend der
Geschichte des Politikfeldes war diese überwiegend im Umweltministerium ange1 Allerdings haben die Niederlande mit ihrem 4. Nationalen Umweltplan eine bemerkenswerte Initiative
für Umweltintegration in drei Schlüsselsektoren (Energie, Verkehr und Landwirtschaft) gestartet
("transition processes"), im Rahmen dessen an
Projekten zu Systeminnovation mit gesellschaftlichen Akteuren gearbeitet wird. Zumindest der Energiesektor erhält bis dato gute Noten.
Textende
siehe Kontakt
Für ein solch umfassendes Thema wie
Nachhaltigkeit entbehrt es nicht einer gewissen Logik, dass die Leitung beim
Staatschef und in der Ausführung beim
"Prime Minister Office" bzw. Kanzleramt
angesiedelt ist (s. Abb. 1). Eine wichtige
Variable bei dieser Frage ist die Stellung
eines einzelnen Ministers, die rangiert von
relativer Eigenverantwortung (z.B.
Deutschland und Niederlande) zu Kollektiventscheidungen des Kabinetts (z.B.
Schweden).
Interessant ist, dass sich Vertreter/innen
von beiden Enden des Spektrums für eine
Leitung ausgeübt durch den Staatschefs
entschieden haben: Auf der einen Seite
die Kollektivvariante in Schweden, die eigentlich den Bedarf an "übergeordneter"
Verantwortung herabsetzen würde - dennoch wurde jüngst eine Koordinationsstelle im "Prime Minister Office" eingerichtet.
Argumentiert wurde hier, dass es trotz
kollektiver Erarbeitung der Nachhaltigkeitsstrategie sehr schwierig war, in anderen Ministerien wirkliches Bewusstsein
und Eigenverantwortlichkeit für Nachhaltigkeitspolitik zu entwickeln.
In Deutschland wiederum wurde konstatiert, dass die Verankerung im Kanzleramt
ein entscheidender Erfolgsfaktor war und
ist, da die einzelnen Ressorts, wenn für
den "eigenen" Erfolg notwendig oder zuträglich, doch durchaus von den in der
Nachhaltigkeitsstrategie vereinbarten Zielen abweichen wollen, was dann wiederum
nur eine übergeordnete Leitung zu verhindern weiß.
Auch Portugal hat sich für diese Variante
entschieden, und in Finnland lag die poli-
2 im Ggs. z.B. zum Außenministerium, das eine solche Rolle traditionell ausfüllt. Im Hinblick auf immer
mehr integrierte EU-Politiken ist hier allerdings eine Art „Aufweichungsprozess“ im Gange, der
wiedrum eigene Spannungsfelder und z.T. Konkurrenzverhältnisse mit sich bringt und damit zu einer
schlechteren Koordination führen kann.
aktiv werden
tische Verantwortlichkeit schon immer
beim Premierminister3.
In Ungarn wurde sie von Seiten des Umweltministeriums favorisiert, ist aber nur in
abgeschwächter Form umgesetzt, während in Belgien die Verantwortlichkeit überwiegend aus (partei)politischen Gründen beim "Umwelt- und Nachhahltigkeitsminister" berblieben ist.
In Irland und Großbritannien stand die
Frage nach Leitgung nicht wirklich zur
Debatte: in Irland sind die "Wege" sowieso
kurz, und in Großbritannien gibt es keine
Erklärung.
Bewährte Funktion der
Nachhaltigkeitsräte
Nachhaltigkeitsräte schließlich haben sich
bewährt in ihren Funktionen als:
- unabhängige Berater der Regierung,
- Wächter des "holistischen" Ansatzes und
für bessere Kohärenz,
- Vertreter für offenen Dialog zwischen Interessengruppen, deren Vertreter wiederum Inhalte von Ratsdiskussionen in
ihre Organisationen tragen,
- Themensetzer, schwierige und sensible
eingeschlossen (und dabei durchaus zu
unerwarteten Einigungen gelangend),
- Akteur für innovative Kommunikation des
Themas in die (interessierte) Öffentlichkeit, sowie andere gesellschaftliche Akteure anregend.
Schwierigkeiten bestehen z.T. im Verhältnis zu den traditionell starken sozialökonomischen Partnern, mit Anbindung
an das Umweltministerium (s.o. Leitungsrolle), und etwas zu schwacher Ausstattung4.
3 U.a. dadurch, dass er dem Nachhaltigkeitsrat vorsitzt. Hinsichtlich der Organisation von Nachhaltigkeitsräten ist dies wiederum keine zu bevorzugende Variante: es liegt hier eine andere Funktion des
Rates zugrunde, nämlich die einer Plattform für Dialog zwischen Regierung und Nichtregierungsorganisationen, die sich von den überwiegenden
Funktionszuweisungen an Nachhaltigkeitsräte unterscheidet.
4 Letzteres trifft z.B. auf den portugiesischen und
irischen Rat zu (sowie den ungarischen Umweltrat). Der belgische, deutsche und britische Rat ist
jeweils relativ angemessen ausgestattet (gleiches
gilt für den niederländischen RMNO und den
schwedischen Umweltrat MVB). Der finnische
Nachhaltigkeitsrat hat etwas andere Funktionen,
und auch kein unabhängiges Sekretariat.
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
15
Nationale Ebene: Vergleich
T
Insgesamt wird bei der Studie sehr deutlich, wie sehr nicht nur unterschiedlich
Startpunkte in der Sachpolitik (typischerweise in Umweltpolitik), sondern besonders auch unterschiedliche Hintergründe
in politischer Kultur und Tradition, unter
anderem also Governance-Fragen, bei
Nachhaltigkeitsstrategien von Bedeutung
sind.
• Weitere Informationen
European Environment and Sustainable Development Advisory Council
(EEAC), Ingeborg Niestroy, Geschäftsführerin des Netzwerks, c/o RMNO,
P.O. Box 93051, NL-2509 AB Den
Haag
Tel. 0031 70 / 3155-225, Fax -220
eMail: [email protected]
www.eeac-network.org
Gastautorin: Ingeborg Niestroy1
EU
Nationale Regierung
Stakeholders/
Civil
Society
Amt Ministerpräsident
Gewerkschaften
Ministerien
Außen
Entwickl.
Soziales
Wirtschaft
Umw.
EU
...
Nationaler
Rat
für NE
Strategie
Energie
NE
NE
Arbeitgeber
Umwelt-/NENGOs
Wissenschaft
Internat.
Verbraucher-NGOs
...
...
Landesregierungen
Regionen
typ. Leitung
Lokale Agenda 21
NE
Leitung/Koordination des internat. Teils
typische Zuständigkeiten
Mitgliedschaft
Kooperation
Dialog
© Niestroy
Abbildung 1: Prozess
(siehe Seite 14)
1 Die Autorin äußert in diesem Artikel persönliche
Ansichten, die nicht unbedingt denjenigen von
EEAC oder ihrer Mitglieder entsprechen.
16
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
Nationale Ebene: Vergleich
T
Wir können auch anders
Entwicklung anerkannt und umgesetzt
werden. Dazu gilt es, die tradierte und
durchaus funktionale Trennung in Ressorts, Fachdisziplinen und Politikfelder
gezielt zu überwinden. Des Weiteren ist
die Kultivierung einer Langfristorientierung unabdingbar, denn die zu überwindende Nicht-Nachhaltigkeit resultiert teilweise aus der herrschenden Kürze der
Wahrnehmungs-, Handlungs- und Verantwortungshorizonte (meist nur Monate oder wenige Jahre). Und schließlich wird
der umfassende zukunftsfähige Umbau
unserer Zuschauerdemokratien nur durch
eine angemessene Partizipation und Mobilisierung von Organisationen, Verbänden und von Bürger/Innen realisiert werden können.
Institutionen für Nachhaltigkeitspolitik
in EU-Staaten
Die grundlegenden politischen Institutionen in den westeuropäischen Staaten
wurden vor etwa 150 Jahren geschaffen.
Sie spielten eine wichtige Rolle für die kapitalistische Industrialisierung und die
damit verbundene Produktivitäts- und
Reichtumssteigerung. Sie waren und sind
aber auch beteiligt an der damit verbundenen extensiven Ausbeutung von Natur
und Mensch, die inzwischen erkennbar
kritische Grenzen (z.B. Klimawandel, Verelendung) überschreitet. Das heißt, der
bisherige Zuschnitt der politischen Institutionen war maßgeblich beteiligt an den
derzeitigen Fehl-Entwicklungen und ist offensichtlich auch zwölf Jahre nach dem
UN-Erdgipfel 1992 von Rio de Janeiro
trotz aller Verlautbarungen noch nicht in
der Lage, die Nicht-Nachhaltigkeit unserer
Produktions- und Lebensweise zu überwinden und eine langfristig lebensschützende und zukunftsfähige Entwicklung zu
befördern. Auch die aktuellen Debatten
über Wirtschaftspolitik, Arbeitsmarkt und
soziale Sicherung (z.B. "Agenda 2010")
ignorieren diese grundlegenden Erkenntnisse und orientieren sich nicht an Nachhaltigkeit.
Erfreulicherweise haben aber einige Nationalregierungen, Lokalbehörden und Parlamente inzwischen festgestellt, dass ihre
bisherigen Arbeitsprozesse und -gremien
nicht hinreichen, um die Herausforderung
Nachhaltigkeit angemessen zu bearbeiten.
Und so wurden in zahlreichen Staaten innovative Gremien geschaffen. Hier soll
über einige Beispiele aus EU-Staaten berichtet werden, um zu zeigen: "Es geht
auch anders".1 Politische Institutionen
wurden schon immer im Laufe der Zeit
verändert, was gerade in den letzten drei
Jahrzehnten erfolgte. Zum Beispiel wurden
für Umweltpolitik, Gleichstellung und
Technikfolgenabschätzung neue politischadministrative Gremien geschaffen.
Doch Nachhaltigkeitspolitik ist noch viel
komplexer und extrem voraussetzungsvoll, denn u.a. müssen drei Schwierigkeiten gemeistert werden. Zuerst muss der
Querschnittscharakter von Nachhaltiger
1 Vgl. dazu ausführlicher Edgar Göll/Sie Liong Thio,
Nachhaltigkeitspolitik in EU-Staaten, Heidelberg:
Nomos Verlag 2004
Textende
siehe Kontakt
Deutschland
In Deutschland wurde Nachhaltigkeitspolitik nur zögerlich verfolgt. Aktivitäten starteten auf der kommunalen Ebene (Lokale
Agenda 21), im Bundestag haben zwei
Enquete-Kommissionen wichtige Anregungen gegeben. Dazu gehörte auch die
Forderung nach Einrichtung eines Rats für
Nachhaltige Entwicklung (RNE) bei der
Bundesregierung, die erst 2001 erfolgte.
Trotz allen Zögerns hat sich mit der rotgrünen Bundesregierung Nachhaltigkeitspolitik - wenn auch zäh und langsam verbessert. Mit dem Rat für Nachhaltige
Entwicklung (RNE) und dem Staatssekretärsausschuss ("Green Cabinett") sind
zwei Gremien etabliert worden, die binnen
kurzer Zeit Erhebliches geleistet haben.
Seit Februar 2004 arbeitet nun ein "Parlamentarischer Beirat für Nachhaltigkeit"
im Bundestag. Auch auf Ebene der Bundesländer und Kommunen gibt es teilweise interessante Trends. Speziell für die
letztgenannte Ebene wurde im August
2002 die bundesweite LA21Transferstelle in Bonn unterstützt
(www.agenda-transfer.de). Die Bundesregierung hat im Juni 2002 die Nachhaltigkeitsstrategie "Perspektiven für Deutschland" aufgestellt und der RNE ist um Forcierung des Engagements bemüht. Mit
dem Dialogprozess "Nachhaltigkeit und
Gesellschaft" soll darüber öffentlich diskutiert und Verbesserungen eingebracht
werden.
Weitere Staaten
In einigen anderen EU-Staaten gibt es ebenfalls recht positive, teilweise noch weitergehendere Entwicklungen. So wurde in
Finnland bereits 1993 die "Finish National
aktiv werden
Commission on Sustainable Development"
geschaffen. Sie berät, gibt Impulse, macht
praktische Vorschläge und dort sind alle
wichtigen Stakeholder vertreten (45 meist
sehr hochrangige Repräsentanten). Das
Plenum trifft sich unter Vorsitz des Ministerpräsidenten, während die inhaltliche
Arbeit in Arbeitsgruppen erfolgt. Kürzlich
wurde Nachhaltigkeitspolitik direkt dem
Büro des Premierministers zugeordnet.
Großbritannien
In Großbritannien ist die "Sustainable Development Commission" direkt dem Premier unterstellt und hat die Aufgabe, den
Nachhaltigkeitsprozess zu fördern. Innerhalb des Umweltministeriums agiert die
"Sustainable Development Unit" (SDU), die
als Mittelpunkt der Nachhaltigkeitspolitik
gilt. Inzwischen wurden in allen Ministerien
kleinere SDUs gebildet. Im Parlament
kommt dem "Environmental Audit Committee" die Aufgabe bei der Umsetzung von
nachhaltigen Strategien zu, und es prüft
Budgetpläne und Politiken auf ihre Nachhaltigkeitswirkungen.
Schweden
In Schweden ist die innerhalb des Umweltministeriums angesiedelte "Swedish
Environmental Protection Agency" (SwEPA) seit 1988 die zentrale Anlaufstelle für
Nachhaltigkeitsfragen (z.B. Aufsicht, Regulierung, Verbreitung von Informationen
und Erfahrungen). Sie hat bisher eine Nationale Kommunikationsstrategie für die
Agenda 21 und den Entwurf einer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie erarbeitet
und untersucht die Nachhaltigkeitsaktivitäten der verschiedenen Behörden und öffentlichen Einrichtungen. Das wohl wichtigste Koordinationsgremium für den
Nachhaltigkeitsprozess ist das 1995 eingerichtete "Swedish National Committee
on Agenda and Habitat". Dem Komitee
unter Vorsitz des Umweltministers gehören zehn weitere Repräsentanten von Ministerien, Behörden und gesellschaftlichen
Einrichtungen an. Im Umweltgesetz von
1999 sind auch 15 Nationale Umweltziele
festgelegt, die durch entsprechende Aktionspläne konkretisiert worden sind. Die
Regierung evaluiert den Nachhaltigkeitsprozess durch verschiedene Berichte. Zudem werden auch dem Parlament seit
1996 im Rahmen der jährlichen Haushaltsberatungen Nachhaltigkeitsberichte
der Ministerien vorgelegt.
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
17
Nationale Ebene: Vergleich
Belgien
In Belgien begleitet und koordiniert das
"Federaal Planbureau" mit einer speziellen Task Force den Nachhaltigkeitsprozess und legt Regierung und Parlament
alle zwei Jahre einen Nachhaltigkeitsbericht vor. Jeder Minister muss jährlich berichten, welchen Beitrag das eigene Ministerium zur Erfüllung des Nationalen Nachhaltigkeitsplans leistet, und es ist gesetzlich verankert, dass das Parlament jedes
Jahr eine Debatte zu Stand und Perspektiven des Nachhaltigkeitsprozesses führt.
T
und Verfahren fundiert zu begründen.
Prämisse hierfür sollte die Erkenntnis von
Albert Einstein sein: "Man kann die Probleme nicht mit den Denkweisen lösen, die
zu ihnen geführt haben." Und neue politische Institutionen und Beteiligungsgremien sind nach aller bisheriger Erfahrung
eine notwendige Bedingung für Fortschritte in der Nachhaltigkeitspolitik. Die nationalen Gremien müssen verbessert und
ausgebaut, und schließlich auf EU-Ebene
verknüpft werden, damit eine spürbare
Umsteuerung der herrschenden nichtnachhaltigen Politik endlich erfolgen kann.
Praxis in den EU-Staaten
Die Praxis in den EU-Staaten zeigt, dass
die Nachhaltigkeitsinstitutionen entsprechend der jeweiligen nationalen Rahmenbedingungen, politisch-kulturellen Traditionen und situativen Bedingungen unterschiedlich positioniert und ausgestaltet
sind. Sowohl innerhalb der Gremien als
auch in deren Umfeld sind Bewegungen
und Persönlichkeiten engagiert, die mit
hohem Innovations- und Veränderungswillen arbeiten und immer wieder Impulse für
eine Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitspolitik geben. In diesem Sinne eröffnen die meisten Nachhaltigkeitsinstitutionen immer mehr und bessere Chancen für
eine Nachhaltige Entwicklung. Selbst wenn
ihnen nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung stehen, sind sie häufig in der Lage, personelle und anderweitige Ressourcen gesellschaftlicher Akteure zu mobilisieren. Die Nachhaltigkeitsinstitutionen in
allen untersuchten Staaten spielen in Bezug auf Zukunftsfähigkeit ihrer Gesellschaften eine zentrale Rolle und können
als primäre Promotoren und "Kraftzentren" von Nachhaltigkeitspolitik angesehen
werden.
Bilanz der globalen
Nachhaltigkeitsaktivitäten
In seiner Bilanz der globalen Nachhaltigkeitsaktivitäten äußerte UN-Generalsekretär Kofi Annan 2002: "Abgesehen von einigen ehrenvollen Ausnahmen sind unsere
Anstrengungen für einen Kurswechsel zu
gering und zu selten. Die Frage ist nun,
ob sie auch zu spät sind." Zu ähnlichen
skeptischen und kritischen Einschätzungen kommen unzählige Studien. Daraus
ergibt sich die Schlussfolgerung, dass
Nachhaltigkeitsaktivitäten noch in erheblichem Maß zu verbessern und zu verstärken sind. Daher wäre es an den Innovationsverweigerern, ihre Ablehnung einer
zeitgemäßen Ausgestaltung von Gremien
18
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
Gastautor: Edgar Göll, IZT
• Weitere Informationen
Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT), Dr. Edgar Göll,
Schopenhauerstr. 26, 14129 Berlin
Tel. 030 / 803088-44, Fax -88
eMail: [email protected]
T
Nationale Ebene: Deutschland
Realpolitik statt
Lebensstildebatte?
Erster Fortschrittsbericht zur Umsetzung
der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie
Die Bundesregierung hat ihre Nationale
Nachhaltigkeitsstrategie im April 2002, also zehn Jahre nach dem Weltgipfel für
Umwelt und Entwicklung in Rio und gerade
noch rechtzeitig vor Johannesburg, verabschiedet. Gleichzeitig hat sie sich selbst
verpflichtet, alle zwei Jahre die Realpolitik
unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit zu
bilanzieren - dies tut sie in diesem Jahr
zum ersten Mal mit dem Fortschrittsbericht.
Die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie
Mit der Verabschiedung der Nachhaltigkeitsstrategie erklärt die Bundesregierung
Nachhaltigkeit zu einem "Grundprinzip ihrer Politik", an der sich die wichtigsten Reformvorhaben orientieren sollen. Bundeskanzler Schröder bezeichnet die Nachhaltigkeitsstrategie auch gerne als "Roten
Faden". Die Strategie soll als Handlungsanleitung dienen, um über Generationen
eine Nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten.
Kritik der Umweltverbände
Die Umweltverbände DNR, BUND und NABU begleiten mit einem gemeinsamen
vom BMU geförderten Projekt den Nachhaltigkeitsprozess, v.a. indem sie gemeinsame Stellungnahmen erarbeiten und in
öffentlichen Workshops eine Plattform bieten, den Prozess kritisch zu analysieren
und diskutieren.
Ökologischen Landbaus entgegenstehen,
werden aber nicht deutlich benannt. Folglich werden auch nicht in ausreichendem
Maße Instrumente für die Umsetzung der
Ziele festgelegt. Dies einzufordern wird
die Umweltverbände wohl noch ein paar
Jahre beschäftigen.
Nachhaltigkeitsprozess schafft neue
Strukturen
Für die Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie hat Bundeskanzler Schröder
neue politische Strukturen geschaffen
(siehe Abbildung 2, Seite 21). Bereits im
Jahr 2000 hat er das Green Cabinet ins
Leben gerufen. In diesem Gremium sind
Staatssekretäre fast aller Ressorts vertreten (außer Justiz, Verteidigung und Inneres). Sie haben es sich unter der Leitung
des Bundeskanzleramts-Chef zur Aufgabe
gemacht, alle Ressorts auf das Ziel Nachhaltigkeit zu koordinieren. Das bedeutet
beispielsweise, dass alle Indikatoren und
Ziele sowie die Haupthandlungsfelder Energie/Klima, Landwirtschaft, Mobilität
und globale Verantwortung vom Green
Cabinet festgelegt wurden. Dieses Vorgehen birgt einerseits die Gefahr, dass in
der Zielformulierung große Kompromisse
geschlossen werden, andererseits liegt
hier auch die Chance, einzelne Ressorts
auf die beschlossenen Umweltschutzziele
festzulegen. Mit den Fortschrittsberichten
muss nun jedes Ressort alle zwei Jahre
eine eigene Nachhaltigkeitsbilanz verfassen, die sich auf die konkreten Indikatoren und Ziele und gegebenenfalls auf die
Haupthandlungsfelder bezieht.
Der Rat für Nachhaltige Entwicklung
Aus Sicht der Umweltverbände ist sowohl
die Nachhaltigkeitsstrategie als auch der
Fortschrittsbericht zu stark wachstumsorientiert und thematisiert nicht die Grenzen
des Wachstums. Es ist zwar zu begrüßen,
dass die Bundesregierung 21 konkrete
Indikatoren und Ziele mit Zeitvorgaben
festgelegt und die Bereiche Klima/Energie, Landwirtschaft, Mobilität und internationale Verantwortung zu Schwerpunkten
ihres politischen Handelns erklärt hat, die
festgelegten Ziel gehen jedoch selten
über bereits im Koalitionsvertrag oder internationalen Abkommen getroffene Vereinbarungen hinaus - wirklich innovativ ist
die Strategie damit nicht. Der Fortschrittsbericht bietet zwar eine Bilanz und Darstellung des Status Quos, Hindernisse und
Schwierigkeiten, die beispielsweise dem
Klimaschutz oder der Ausweitung des
Textende
siehe Kontakt
Im Jahr 2001 berief Bundeskanzler
Schröder 17 Persönlichkeiten in den Rat
für Nachhaltige Entwicklung (RNE), die
gesellschaftliche Interessensgruppen aus
den Bereichen Kommunen, Wirtschaft,
Umwelt, Verbraucherschutz, Internationales, Jugend und Kirchen sowie Wissenschaft repräsentieren, aber explizit nicht
im Auftrag ihrer jeweiligen Organisation
handeln. Hierdurch sollen eingefahrene
Blockaden verhindert und unvoreingenommene Vorschläge für ein zukunftsfähiges Deutschland ermöglicht werden.
Mitglieder sind u.a. Hubert Weinzierl
(DNR), Angelika Zahrnt (BUND), Edda
Müller (Verbraucherzentrale Bundesverband), Josef Sayer (Misereor) und Klaus
Töpfer (UNEP). Der RNE hat ausschließlich eine beratende Funktion, die in erster
Linie an das Green Cabinet adressiert ist.
aktiv werden
Im Rahmen der RNE-Sitzungen finden
auch Gespräche mit dem Bundeskanzler,
dem Chef des Bundeskanzleramtes, Vertretern der Ministerien sowie dem parlamentarischen Beirat statt. Der RNE ist über die derzeitige Legislaturperiode hinaus bis April 2007 berufen - damit soll
signalisiert werden, dass die Umsetzung
von Nachhaltigkeit eine langfristige Aufgabe ist, der alle Parteien und zukünftige
Regierungschefs verpflichtet sind.
Bei der Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie hat der RNE entscheidend mitgewirkt und u.a. erreicht, dass konkrete
Indikatoren und Ziele mit Zeithorizonten
und die Selbstverpflichtung zum Monitoring, das jetzt in Form des Fortschrittsberichtes durchgeführt wird, festgelegt wurden. Der Rat setzt sich sehr für die Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie ein und hat beispielsweise Empfehlungen für die Reduktion der Flächeninanspruchnahme und für ein Kapitel "Waldwirtschaft als Modell für Nachhaltige Entwicklung: ein neuer Schwerpunkt für die
nationale Nachhaltigkeitsstrategie" formuliert. Der Rat kritisiert die Auswahl einiger
Indikatoren und wird deshalb im Jahre
2005 eine Evaluation über die Indikatoren
vorlegen. Im Rahmen des Dialogprozesses verfasst der Rat Stellungnahmen. Für
das Jahr 2005 hat der Rat sich vorgenommen, die Nachhaltigkeitspolitik auf europäischer Ebene zu forcieren.
Eine weitere Aufgabe des Rates für Nachhaltige Entwicklung ist die Förderung des
gesellschaftlichen Dialogs zur Nachhaltigkeit. Mit dem Aufzeigen von Folgen gesellschaftlichen Handelns und der Diskussion von Lösungsansätzen soll die Vorstellung von dem, was Nachhaltigkeitspolitik konkret bedeutet, bei allen Beteiligten
und in der Bevölkerung verbessert werden. Dazu veranstaltet er Fachtagungen,
eine Jahrestagung, Ideenwettbewerbe,
Filmprojekte und veröffentlicht einen regelmäßigen Newsletter sowie Broschüren
zu verschiedenen Aspekten der Nachhaltigkeit.
Um die Arbeit des Rates zu organisieren
und inhaltlich zu begleiten wurde ein Geschäftstelle mit sechs Mitarbeitern/innen
eingerichtet. (www.nachhaltigkeitsrat.de)
Der Parlamentarische Beirat
In diesem Jahr hat sich der parlamentarische Beirat gegründet, der sich aus neun
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
19
Nationale Ebene: Deutschland
Bundestagsabgeordneten von SPD, CDU,
Grünen und der FDP zusammensetzt. Unter dem Vorsitz von Astrid Klug, SPD, will
der Beirat die Weiterentwicklung und Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie begleiten. Dazu wird er u.a. Forderungen für
die Schwerpunkt- und Zielsetzung formulieren sowie gesetzgeberische Initiativen
anregen. Der Beirat strebt die Einführung
eines verbindlichen Monitorings aller Politikvorhaben an.
Das ausführliche Arbeitsprogramm und
weitere Informationen zum parlamentarischen Beirat ist im Internet zu finden:
www.bundestag.deparlament/parl_beirat
Dialog mit der Gesellschaft
Vertreter des Bundeskanzleramtes betonen immer wieder, dass die Nachhaltigkeitsstrategie und der Fortschrittsbericht
auch für Bürger/innen leicht verständlich
sein sollen - schon möglich, dass dies
realisiert wurde, nur leider wissen die wenigsten Bürger/innen, dass es diese Strategie gibt, denn der Werbeaufwand ist
denkbar gering. Es wäre wünschenswert,
wenn die Bundesregierung die Nachhaltigkeitsstrategie genauso engagiert kommuniziert wie die Agenda 2010, zu der
gerade eine Plakatserie veröffentlicht und
eine Broschüre schon mehrfach an alle
Haushalte versendet wurde. Von der Existenz der Nachhaltigkeitsstrategie erfährt
dagegen nur, wer sich ehrenamtlich oder
beruflich mit der Thematik auseinandersetzt oder im Internet danach sucht, denn
zur Gestaltung des Dialogs mit den Bürger/innen bedient sich die Regierung im
Wesentlichen des Internets: zu ausgewählten Terminen sind Vertreter der Regierung und des Rates für Nachhaltige
Entwicklung im Internet-Chat erreichbar.
Anlässlich der Veröffentlichung des Entwurfs des Fortschrittsberichtes waren dies
beispielsweise Margareta Wolf (BMU),
Matthias Berninger (BMVEL) und Dr.
Franz-Walter Steinmeier (Chef des Bundeskanzleramtes). Darüber hinaus haben
alle Bürger/innen die Möglichkeit, Kommentare schriftlich einzureichen - dies ist
nach wie vor unzureichend. Notwendig
wären regionale Veranstaltungen, eine
Werbekampagne und die Kommunikation
politischer Entscheidungen wie die Kürzung der Entfernungspauschale unter
dem Aspekt der Nachhaltigkeit. Bisher hat
die Bundesregierung den öffentlichen Dialog, der nach eigenen Formulierungen
"kreative Kräfte für neue Wege freisetzen"
20
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
T
soll, weitgehend an den RNE delegiert.
(www.dialog-nachhaltigkeit.de)
Mit gesellschaftlichen Gruppen führt die
Gruppe Umwelt, Verkehr, Landwirtschaft,
Neue Länder und Nachhaltige Entwicklung
des Bundeskanzleramtes einen aktiven
Dialog, in dem sie die Umwelt- und Entwicklungsverbände, aber natürlich auch
Vertreter der Wirtschaft gemeinsam zu
den einzelnen Schwerpunktthemen zu
Konsultationsgesprächen ins Bundeskanzleramt einlädt. Leider ist vor den Gesprächen nicht transparent, welche Gruppen tatsächlich eingeladen wurden. Alle
gesellschaftlichen Gruppen haben, auch
wenn sie nicht zu Gesprächen eingeladen
wurden, die Möglichkeit schriftliche Stellungnahmen einzureichen. Inwieweit diese
Stellungnahmen berücksichtigt werden,
kann derzeit noch nicht beurteilt werden,
denn Stellungnahmen aus der Konsultationsphase im Februar 2004 wurden bisher
nur protokollarisch in den Entwurf des
Fortschrittsbericht aufgenommen. Damit
hat die Bundesregierung selbst die Gespräche zu Alibiveranstaltungen degradiert. Welche Anregungen der unterschiedlichen Gruppen das Bundeskanzleramt in die Überarbeitung des Entwurfs
aufnimmt, bleibt abzuwarten. Allerdings ist
nach Veröffentlichung der überarbeiteten
Fassung bis zur Verabschiedung im Kabinett keine weitere Dialogphase vorgesehen.
wieder, dass die Bundesländer ihre Nachhaltigkeitsstrategie unabhängig von der
nationalen Strategie erarbeiten und häufig
andere, z.T. gegenläufige Ziele festlegen.
Viele der in der nationalen Strategie festgelegten Ziele können aufgrund der föderalen Struktur aber nur gemeinsam mit
den Bundesländern umgesetzt werden es bedarf also dringend einer besseren
Kommunikation mit den Bundesländern
um die Umsetzung voranzubringen.
Kritik der Umweltverbände am
Fortschrittsbericht
Im Rahmen des gemeinsamen Projekts
"Nachhaltigkeit und zivilgesellschaftliche
Partizipation" führen DNR, BUND und
NABU ein eigenes Monitoring durch. Auf
www.nachhaltigkeits-check.de sind im Internet Stellungnahmen zu ausgewählten
Indikatoren und zum Fortschrittsbericht
abrufbar.
Auch die Ressorts sind vom Bundeskanzleramt aufgefordert, Dialogveranstaltungen explizit zur Nachhaltigkeitsstrategie
durchzuführen - bis jetzt sind dieser Aufforderung aber nur das BMU das auswärtige Amt nachgekommen, auch wenn man
mit einer Auflistung diverser Veranstaltungen im Fortschrittsbericht, die nicht im
direkten Zusammenhang mit der Nachhaltigkeitsstrategie stehen, einen anderen
Eindruck vermitteln will . Das BMU hat bereits angekündigt gemeinsam mit dem BfN
ab Ende 2004 mehrer Dialogveranstaltungen für die Entwicklung einer Biodiversitätsstrategie durchzuführen.
Grundsätzlich kritisieren die Verbände,
dass der Fortschrittsbericht zu wachstumsorientiert ist: "Eine neue Wachstumsdynamik ist der Schlüssel, um in Deutschland Wohlstand, Arbeitplätze, soziale Sicherheit und Nachhaltige Entwicklung miteinander zu verbinden" (S. 38). Die Grenzen des Wachstums werden nicht problematisiert. Insgesamt werden nach wie vor
die Interdependenzen zwischen beispielsweise Mobilität, Klima, Energieverbrauch,
Flächeninanspruchnahme, Biodiversität
nicht deutlich genug thematisiert - dementsprechend sektoral bleiben die Handlungsvorschläge. Insbesondere im internationalen Bereich fokussiert der Bericht
zu stark auf einzelne Bereiche und Maßnahmen, die isoliert nebeneinander bleiben. Eine geschlossene, kohärente Politikausrichtung, sowohl in globaler Perspektive als auch mit Blick auf die europäische Ebene, ist kaum erkennbar. Dabei
ist gerade für die internationale Ebene eine umfassende Strategie dringend erforderlich, wenn die Bundesregierung auch
in Zusammenarbeit mit den europäischen
Partnern zu einer globalen ökologisch
nachhaltigen Entwicklung beitragen will.
Auch wenn es zugegebener Maßen ein
Novum ist, dass die Bundesregierung ein
politisches Vorhaben in diesem Maß mit
Bürger/innen und gesellschaftlichen
Gruppen diskutiert, so ist man noch weit
davon entfernt, einen Partizipationsprozess im Sinne der Agenda 21 umgesetzt
zu haben. Dies spiegelt sich auch darin
Die Bundesregierung ist ihrer im Amsterdamer Vertrag festgelegten Verpflichtung,
ein Gender-Mainstreaming für alle politischen Planungs- und Entscheidungsprozesse durchzuführen auch im Fortschrittsbericht nicht nachgekommen. Aber
ohne Geschlechtergerechtigkeit kann es
keine Nachhaltige Entwicklung geben - ein
T
Nationale Ebene: Deutschland
Gender-Mainstreaming ist also dringend
nachzuholen.
Ausgewählte Indikatoren und
Haupt-Handlungsfelder
Klima
In der Nachhaltigkeitsstrategie ist festgeschrieben, dass die sechs im KiotoProtokoll genannten Treibhausgase bis
zum Zeitraum 2008-2012 gegenüber
1990 um 21 % reduziert und die CO2Emissionen bis 2005 um 25 % gesenkt
werden sollen. Dagegen steht die Forderung der Umweltverbände die CO2- Emissonen um 40 % bis 2020 und um 80 %
bis 2050 zu mindern. Eine 40 %ige Reduktion hat die Bundesregierung jetzt in
den Fortschrittsbericht aufgenommen - allerdings etwas versteckt im Energiekapitel
(S. 68) und nicht unter dem Indikator Klimaschutz. Zudem ist dieses Ziel an eine
30 %ige Reduktion innerhalb der EU gekoppelt. Gleichzeitig hat die Bundesregierung mit keinem Wort erwähnt, dass das
ursprüngliche Ziel die CO2-Emissionen bis
2005 um 25 % zu senken, nicht mehr erreicht werden kann - Gründe für das
Scheitern in diesem Punkt werden also
nicht analysiert.
Den Anteil der Erneuerbare Energien am
Stromverbrauch will die Regierung von
derzeit 7,9 % sukzessive auf 12,5 % im
Jahr 2010, 20 % bis 2020 und 50 % bis
2050 erhöhen. Dies ist zu begrüßen, v.a.
weil hier die Zielsetzung mit dem Zwischenziel für 2020 konkretisiert wurde.
Allerdings bleibt im Fortschrittsbericht die
Frage offen, ob die bereits getroffenen
Maßnahmen ausreichen, um den deutlichen Anstieg der Energieproduktion aus
erneuerbaren Quellen zu erreichen. Aus
Sicht der Umweltverbände wären hier
Maßnahmen zur effizienten Stromerzeugung und -nutzung dringend geboten die Regierung blendet diesen Aspekt aber
weitgehend aus.
Mobilität
Ziel ist es, die Wirtschaftsleistung von der
Verkehrsleistung zu entkoppeln. In diesem Sinne wird ein Rückgang der Transportintensität um rund 5 % im Güterverkehr bzw. 20 % im Personenverkehr bis
2020 bezogen auf 1999 angestrebt. Außerdem soll die Güterverkehrsleistung der
Schiene bis 2015 gegenüber 1997 verdoppelt werden. Im Bilanzkapitel des
Fortschrittsberichts wird allerdings nicht
Textende
siehe Kontakt
darauf eingegangen, dass die Verkehrsprognosen der Bundesregierung davon
ausgehen, dass der Personenverkehr zwischen 1997 und 2015 um 20 % und der
Güterverkehr im selben Zeitraum um
64 % wachsen wird. Die Wachstumsprognosen beinhalten außerdem einen Anstieg
des CO2-Ausstoßes aus dem Verkehrsbereich um 11 %. Dies steht im eklatanten
Widerspruch zu den Klimaschutzzielen der
Nachhaltigkeitsstrategie.
Nun wertet es die Regierung als Erfolg,
dass der Güterverkehr von 1999 bis
2002 um 1 % gesunken ist. Sie räumt
aber gleichzeitig ein, dass dieser Rückgang ebenso wie die 8 %ige Senkung des
Personenverkehrs auf die stagnierende
Wirtschaftsleistung zurückzuführen ist.
Bei der Betrachtung des "modal split"
rechnet man mal eben den Flugverkehr
zum ÖPNV und freut sich über einen Anstieg des Marktanteils desselbigen.
Nach wie vor fehlt es an einem kohärenten Verkehrsvermeidungskonzept. Die
Bundesregierung hebt im Fortschrittsbericht positive Effekte einzelner Maßnahmen wie die Lkw-Maut und die modernisierte Bewertungsmethodik im Bundesverkehrswegeplan hervor, Instrumente wie
die Verbesserung von Kundenrechten,
Reduzierung der Mehrwertsteuer für den
Schienenpersonenverkehr, Förderung von
CarSharing oder die Weiterentwicklung der
Lkw-Maut und der Mineralölsteuer sucht
man im Fortschrittsbericht allerdings vergebens.
Landwirtschaft
Die Bundesregierung will den Anteil des
ökologischen Landbaus an der landwirtschaftlich genutzten Fläche bis 2010 auf
20 % steigern. Zwar stellt die Bundesregierung richtig fest, dass der Anteil von
3,2 % im Jahr 2000 auf 4,1 % im Jahr
2002 gestiegen ist. Sie thematisiert jedoch nicht die schwierige Marktlage für
Bioprodukte und den seit Jahren zu beobachtenden Trend, den Lebensmittelbedarf zunehmend bei den Discountern zu
decken und so bei den Kosten für Lebensmittel zu sparen. Die Frage, wie die
Bundesregierung die deutliche Steigerung
des Anteils des Ökolandbaus erreichen
will, bleibt weitgehend unbeantwortet. Die
gerade beschlossene Verschiebung der
einheitlichen Flächenprämie steht dem
angestrebten Ziel jedenfalls entgegen.
aktiv werden
Bildung
Während die Nachhaltigkeitsstrategie das
Thema Bildung ausführlich behandelt und
das Konzept der Bildung für Nachhaltige
Entwicklung als wichtigen pädagogischen
Ansatz hervorhebt, der in alle Bildungsbereiche integriert werden sollte, spielt dies
im Fortschrittsbericht offenbar keine Rolle
mehr. Ihre ursprüngliche Absicht, Bildung
zu einem Schwerpunktthema zu machen,
hat die Bundesregierung fallen gelassen,
obwohl die Bildungsreform derzeit eines
ihrer wichtigsten Vorhaben ist und im Jahre 2005 die UNESCO-Dekade Bildung für
Nachhaltige Entwicklung beginnt. Der Aufforderung, einen neuen Bildungsindikator
zu entwickeln, ist die Bundesregierung
nicht nachgekommen. Der rein quantitative Indikator bezieht sich auf die Quoten
der 25-jährigen ohne Hochschulzugangsberechtigung bzw. Berufsausbildung und
auf die Studienanfängerquote blendet
damit wesentliche Bildungsbereiche wie
frühkindliche Förderung und Schulbildung
vollkommen aus und ermöglicht keine
Aussagen über die Qualität des Bildungssystem.
Neue Schwerpunktthemen
Eine Weiterentwicklung der Nachhalitgkeitsstrategie strebt das Bundeskanzleramt mit der Festlegung neuer Schwerpunktthemen an:
- Potenziale älterer Menschen in Wirtschaft und Gesellschaft
- Neue Energieversorgungsstruktur unter
Einbeziehung der erneuerbaren Energien
- Alternative Kraftstoffe und Antriebstechnologien
- Verminderung der Flächeninanspruchnahme
Diese Themen sind allerdings sehr speziell und insbesondere bei den Themen
Energieversorgungsstruktur und alternative Kraftstoffe und Antriebstechnologien ist
eine stärkere Verknüpfung mit den entsprechenden Haupthandlungsfeldern geboten.
Das Bundeskanzleramt hatte diese Kapitel
vorab im Februar 2004 veröffentlicht und
um Stellungnahmen gebeten. Die gemeinsame Stellungnahme von DNR, BUND und
NABU kann im Internet eingesehen werden (www.nachhaltigkeits-check.de). Bisher sind die Anregungen der Umweltverbände und anderer gesellschaftlicher
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
21
Nationale Ebene: Deutschland
Gruppen, bis auf Anregungen zum Kapitel
"Alternative Kraftstoffe und Antriebstechnologien", nur protokollarisch im Fortschrittsbericht aufgenommen worden.
T
sind. Zumindest sollte man die Ministerien
wie BMWA und BMVBW daran erinnern,
dass sie den Zielen der Nachhaltigkeitsstrategie zugestimmt haben und ihnen
verpflichtet sind.
Weitere Schwerpunkte ab 2006
Bereits jetzt hat die Bundesregierung angekündigt, dass sie bis zum Jahr 2006 eine Biodiversitätsstrategie und eine nachhaltige Finanzpolitik entwickeln will. Die
Umweltverbände werden die Entwicklung
einer nationalen Biodiversitätsstrategie,
die aufgrund internationaler Verpflichtungen längst überfällig ist, bis 2006 intensiv
begleiten. Im Fortschrittsbericht 2004
sollte das Thema Biodiversität jedoch
schon als Querschnittsthema auch mit anderen Handlungsfeldern besser verknüpft
und herausgestellt werden. Bei dem Thema Nachhaltige Finanzpolitik sind die ökologischen Aspekte stärker zu integrieren.
Die Umweltverbände fordern ebenso wie
der Rat für Nachhaltige Entwicklung ein
Kapitel zum Thema nachhaltige Lebensstile und Konsummuster in die Nachhaltigkeitsstrategie aufzunehmen und die Integration des Themas in einzelne Kapitel wie
Mobilität, Ernährung, Energie und Flächeninanspruchnahme. Diese Forderung
führt immer wieder zu einem Dissens mit
der Regierung: während die Umweltverbände und der Rat die Bundesregierung
auffordern, eine Diskussion über Ethik
und Werte anzustoßen, sieht die Regierung dies überhaupt nicht als ihre Aufgabe an. In der Nachhaltigkeitsstrategie sollte die Fragestellung thematisiert werden,
wie zukunftsfähiger Konsum und Lebensstile praktiziert und von der Politik befördert werden können. Dabei kann es nicht
darum gehen, Lebensstile vorzuschreiben.
Vielmehr müssen attraktive Angebote und
finanzielle Anreize geschaffen und Informationen bereit gestellt werden um ein
Bewusstsein dafür zu schaffen, dass ein
zukunftsfähiger Lebensstil auch unsere
Lebensqualität erhöht.
Notwendige Lobbyarbeit
Auch wenn es angesichts des unbefriedigenden ersten Fortschrittsberichts sehr
mühselig erscheint, die Realpolitik auf
Nachhaltigkeit zu trimmen, sollten die gesellschaftlichen Gruppen die gebotene
Chance nutzen. Mit den politischen Strukturen wie Bundeskanzleramt, Green Cabinet, parlamentarischer Beirat und Rat für
Nachhaltige Entwicklung gibt es genügend
Lobbypartner, die in die Pflicht zu nehmen
22
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
Autorin: Annette Littmeier, DNR Berlin,
Projekt "Nachhaltigkeit und zivilgesellschaftliche Partizipation"
• Weitere Informationen
Deutscher Naturschutzring (DNR) e.V.
Annette Littmeier, Projekt Nachhaltigkeitsstrategie, Prenzlauer Allee 230,
10405 Berlin
Tel. 030 / 443391-88, Fax -80
eMail: [email protected]
www.nachhaltigkeits-check.de
Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE)
Geschäftsstelle: c/o Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
gGmbH (WZB), Reichpietschufer 50,
10785 Berlin
eMail: [email protected]
Sekretariat: Beate Ressa-Palm
Tel. 030 / 25491-780, Fax -785
eMail: beate.ressa-palm@
nachhaltigkeitsrat.de
www.nachhaltigkeitsrat.de
Bundeskanzleramt, Dr. Urban Rid, Leiter Gruppe Umwelt, Verkehr, Landwirtschaft, Neue Länder und Nachhaltige
Entwicklung, Willy-Brandt-Str. 1, 10557
Berlin
Tel. 01888 / 400-2322, Fax -1801
[email protected]
Parlamentarischer Beirat für Nachhaltige Entwicklung, Dorotheenstr. 88,
11011 Berlin
Tel. 030 / 2273-1440, Fax -6447
eMail: [email protected]
www.bundestag.deparlament/
parl_beirat
T
Nationale Ebene: Deutschland
Bundeskanzler
- beruft Rat für Nachhaltige Entwicklung
Rat für Nachhaltige
Entwicklung
(seit 2001)
- berät die Bundesregierung:
- Vorschläge zu Zielen und Indikatoren zur Fortentwicklung
der Nachhaltigkeitsstrategie
(NHS)
- Vorschläge für Projekte zur
Umsetzung
- Fördert den gesellschaftlichen
Dialog zur Nachhaltigkeit
Bundeskanzleramt
Chef des Bundeskanzleramtes
- leitet das "Green Cabinet"
Gruppe Umwelt, Verkehr, Landwirtschaft, Neue Länder und Nachhaltige Entwicklung
- führt Konsultationsgespräche mit gesellschaftlichen Gruppen
durch
- legte neue Schwerpunkte für 2004-2006 fest:
- Potentiale älterer Menschen in Wirtschaft und Gesellschaft
- neue Energieversorgungsstruktur unter Einbeziehung der Erneuerbaren Energien
- Alternative Kraftstoffe und Antriebstechnologien
- Verminderung der Flächeninanspruchnahme
Bundesregierung
- verabschiedet Nachhaltigkeitsstrategie und Fortschrittsbericht
- jedes Ressort ist vom Bundeskanzleramt aufgefordert, Dialogveranstaltungen mit der Gesellschaft durchzuführen
Parlamentarischer
Beirat für Nachhaltige
Entwicklung
(seit 2004)
- begleitet die Weiterentwicklung
und prozessuale Umsetzung
der NHS
- formuliert Forderungen für die
Schwerpunktsetzung und die
Ziele der NHS
- regt gesetzgeberische Initiativen und Leitprojekte an
- entwickelt Vorschläge zur Politikinnovation und zum Monitoring
- Erfahrungsaustausch u.a. mit
anderen EU-Staaten
- legt dem Deutschen Bundestag mindestens alle zwei Jahre
einen Bericht vor
"Green Cabinet"
(Staatssekretärsauschuss für Nachhaltige Entwicklung; seit 2000)
Leitung: Chef des Bundeskanzleramtes
- koordiniert alle Ressorts auf das Ziel Nachhaltigkeit
- beschließt Fortschrittsbericht
- legte vier Haupthandlungsfelder fest:
- Energie effizient nutzen - Klima wirksam schützen
- Mobilität sichern
- Gesund produzieren - gesund ernähren (Landwirtschaft)
- Global Verantwortung übernehmen
Unterabteilungsleiter-AG
- jedes Ressort verfasst die seiner Zuständigkeit betreffenden Indikator- und Bilanzkapitel
Abbildung 2: Politische Strukturen
Textende
siehe Kontakt
aktiv werden
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
23
Nationale Ebene: Österreich
T
Ambitioniert, aber der
politische Wille fehlt
nahme erfüllt werden - nicht zuletzt war
die Zeitspanne für die Erarbeitung sehr
knapp bemessen.
Noch ohne Biss: Die österreichische
Nachhaltigkeitsstrategie
Unter dem Titel "Nachhaltigkeit hoch halten" feierten zahlreiche AkteurInnen am 1.
Juli 2004 im modernen Ambiente des
Wiener Museumsquartiers das zweijährige
Bestehen der österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie. Jubel- oder gar Aufbruchsstimmung war jedoch bei diesem
Fest nicht wirklich zu spüren. Sind die
ProponentInnen der Nachhaltigen Entwicklung nicht in Feierlaune, da sie den
herben Gegenwind, der diesem Reformkonzept entgegenweht, deutlicher denn je
verspüren? Denn auch in Österreich ist es
trotz politischer Bekenntnisse bisher nicht
gelungen, Nachhaltigkeit ins Zentrum politischer Entscheidungen zu rücken.
Der Entstehungsprozess
Es sollte ein "transparenter, nachvollziehbarer und für alle Interessierten offener
Prozess" sein, der da im Sommer 2001
gestartet wurde - mit dem Ziel, bis Anfang
2002 eine österreichische Strategie für
Nachhaltige Entwicklung auszuarbeiten.
Eine vom Umweltminister einberufene Arbeitsgruppe von rund 40 offiziellen
VertreterInnen aus allen Ministerien, Ländern und Gemeinden, Sozialpartnern, Interessensvertretungen und den NGODachorganisationen konstituierte sich, um
Inhalte und Ziele der Strategie zu konkretisieren.
Sie konnten sowohl auf einem Rahmendokument, dem 2001 im Vorfeld des Europäischen Rates von Göteborg erstellten
Grünbuch "Eine nachhaltige Zukunft für
Österreich" aufbauen, sowie teilweise
auch an Erfahrungen beim Nationalen
Umweltplan, der nach dreijähriger Arbeit
1995 fertiggestellt worden war, anknüpfen.
Die konkrete Ausformulierung des Strategieentwurfs bis Februar 2002 lag bei einem etwa 20köpfigen Redaktionsteam
von ExpertInnen der Verwaltung und der
Sozialpartner, die bereits beim Grünbuch
involviert waren. Über diverse FeedbackMechanismen, Veranstaltungen und Befragung von WissenschafterInnen wurde
auch dem Kreis von Interessierten die
Möglichkeit gegeben, Anregungen und
Beiträge einzubringen. Jedoch konnten
nicht alle Erwartungen einer aktiven Teil-
24
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
Der politische Abstimmungsprozess in
den Ministerbüros bis zum Beschluss der
Nachhaltigkeitsstrategie als "Initiative der
Bundesregierung" am 30. April 2002
dauerte dann weitere drei Monate - ein
Indiz dafür, dass die politische Ebene
noch lange nicht den gleichen Willen zeigt
und hinter dem Konzept Nachhaltigkeit
steht wie die Fachleute!
Eine Rahmenstrategie - die
Konkretisierung fehlt
Die Strategie beschreibt einleitend unter
"Herausforderungen und Grundlagen" die
wichtigsten nicht-nachhaltigen Trends sowie das Leitbild für ein Nachhaltiges Österreich.
Im Hauptteil zielt sie in ihrer Struktur auf
die Integration der Bereiche Wirtschaft,
Soziales und Umwelt ab. Vier Handlungsfelder decken die drei Bereiche Nachhaltiger Entwicklung jeweils übergreifend ab:
- Lebensqualität in Österreich: Aufgabe für
heute und morgen
- Österreich als dynamischer Wirtschaftsstandort: Erfolg durch Innovation und
Vernetzung
- Österreich als Lebensraum: Schutz von
Vielfalt und Qualität
- Österreichs Verantwortung: Eine aktive
Rolle in Europa und in der ganzen Welt
Diese Handlungsfelder gliedern sich weiter in 20 Leitziele auf. Zwei Beispiele aus
dem Handlungsfeld 3 verdeutlichen den
Konkretisierungsgrad:
"Schutz der Umweltmedien und Klimaschutz: Qualitätsziele und eine verantwortungsvolle Stoffpolitik" oder "Die Verkehrssysteme optimieren: Die umweltverträglichsten, ressourcenschonendsten,
energieeffizientesten und sichersten Verkehrsarten forcieren".
Soweit, so gut - ein Bekenntnis zu derartigen Zielen ist nicht schwer. Doch verbergen sich dann in den weiteren Details
auch konkrete Ziele? Der Problemhintergrund, eher allgemeine Zielformulierungen
sowie Ansatzpunkte zur Erreichung sind
für jedes Leitziel ausgeführt. Wie konkrete
Fortschritte gemessen werden sollen, geben rund 50 Indikatoren an, die zwar auf
die Leitthemen, nicht aber konkret auf die
Ziele bezogen sind.
Die Struktur der österreichischen Strategie entspricht damit sicherlich internationalen Richtlinien. Was jedoch fehlt, ist die
Konkretisierung, sind definitive Zeitvorgaben und Zuweisung von Budgetmitteln zur
Erreichung der Ziele. So sieht es auch die
heuer erstmals vorgelegte Analyse der
Europäischen Kommission und stuft die
österreichische Strategie als allgemeine
Rahmenstrategie ein.
Nun kann man einwenden, dass die Strategie von vornherein als "lernende Strategie" deklariert war und sich bewusst "auf
die Grobsteuerung beschränkt". Was hat
sie also in den nunmehr zwei Jahren ihrer
Umsetzung gelernt und hat sie die offensichtlichen Defizite inzwischen ausgeglichen?
Umsetzungsprozess mit Potential
Bereits in der Strategie selbst wurde
durch die Vorgabe von entsprechenden
Strukturen und Instrumenten der weitere
Umsetzungsprozess festgelegt:
- Das "Komitee für ein Nachhaltiges Österreich" besteht aus VertreterInnen jedes
Ministeriums, der Sozialpartner und den
NachhaltigkeitskoordinatorInnen der
Bundesländer. Es ist für die Erstellung
der Arbeitsprogramme als zentrales Umsetzungsinstrument verantwortlich. Bisher im jährlichen Rhythmus, ab 2004
zweijährlich, werden darin konkrete Projekte und Maßnahmen für alle 20 Leitziele vorgelegt und danach vom Ministerrat beschlossen.
- Ebenso muss das Komitee über den
Umsetzungsstand an die Bundesregierung berichten. Der erste Fortschrittsbericht liegt seit Juni 2004 vor. Auch ein
Indikatorenbericht, mit dem die Wirksamkeit der Strategie nun alle zwei Jahre
erfasst wird, wurde erstmals veröffentlicht.
- Dem "Forum Nachhaltiges Österreich"
als begleitendem, unabhängigen ExpertInnen-Panel gehören etwa 50 WissenschafterInnen, NGO-VertreterInnen und
andere ExpertInnen an. Es nimmt zu den
Arbeitsprogrammen ebenso wie den
Fortschrittsberichten kritisch Stellung. So
lobt das Forum einerseits die grundsätzlich langfristige Konzeption, die starke
horizontale und vertikale Vernetzung
durch das Komitee und die geplante externe Evaluation. Auf der Minusseite
Nationale Ebene: Österreich
T
stehen dagegen die oftmals mangelnde
Schwerpunktsetzung bei den Maßnahmen, fehlende Verbindlichkeit und mangelnder politischer Wille in einigen zentralen Bereichen. So bleibt etwa eine
konsequente ökologische Steuerreform
bisher unberücksichtigt.
- Zu den Indikatoren bemängelt das Forum insbesondere den fehlenden Bezug
zu konkreten Zielen der Nachhaltigkeitsstrategie, mangelnde Transparenz bei
der Methodenauswahl und fordert eine
bessere Harmonisierung mit internationalen Berichtspflichten.
- Eine externe Evaluation war ursprünglich
für 2005 vorgesehen, ist aber nun aktuell auf 2006 verschoben worden.
Die Strategie - (noch) keine Chefsache!
Kommunikation und Transparenz spielen
im gesamten Umsetzungsprozess eine
wichtige Rolle. So bietet beispielsweise eine umfangreiche Nachhaltigkeitswebsite
www.nachhaltigkeit.at eine Fülle an Informationen, darunter auch alle wesentlichen
Dokumente zur österreichischen Strategie
und ihrer Umsetzung.
Die Erfahrungen aus dem Umsetzungsprozess bringt Österreich auch in ein informelles Netzwerk auf EU-Ebene ein, das
seit 2003 besteht und von Österreich wesentlich (mit)initiiert wurde. Was auf europäischer Ebene als sinnvoll erkannt wurde, erhält auch innerösterreichisch mehr
und mehr Gewicht: die Verknüpfung, Abstimmung und der Austausch mit Nachhaltigkeitsaktivitäten auf lokaler, regionaler
und Landesebene. Die vielfältigen Prozesse etwa zur Agenda 21 - österreichweit
derzeit rund 170 - werden zwar positiv
anerkannt, die Durchlässigkeit der nationalen Strategie ist hier aber noch ausbaufähig.
Aus dem bisherigen Prozess wird deutlich,
dass eine Grundnotwendigkeit zu einer
wirkungsvollen Strategie noch immer nicht
durchgehend erfüllt ist: die Konkretisierung und Terminisierung der Maßnahmen.
Verbesserungen seit Beschluss der Strategie sind zwar sichtbar, reichen aber
nicht aus. Insgesamt hat der Umsetzungsprozess dennoch das Potential, aus
einem Papiertiger ein wirkliches Handlungsinstrument der Nachhaltigen Entwicklung zu machen - dafür sind aber viele Stellschrauben weiter zu justieren.
Textende
siehe Kontakt
Den Lackmustest muss die österreichische Nachhaltigkeitsstrategie erst noch
bestehen. Denn in wichtigen Bereichen
wie etwa Verkehr oder Klima fehlt es der
Strategie nach wie vor an Biss, an konkreten Ziel- und Zeitvorgaben, etwa auch im
legislativen und fiskalischen Bereich. Doch
ohne diese Vorgaben werden sich die aktuellen Trends nicht nachhaltig ändern.
Dies sind Indizien für eine Kernfrage: Wer
fühlt sich der Strategie verbunden? Mit
der Umsetzung wurde der Landwirtschafts- und Umweltminister beauftragt das könnte sich aber langfristig als "Bärendienst" erweisen, da Nachhaltige Entwicklung weiterhin zu sehr dem Umweltbereich zugerechnet wird.
Obwohl die Umsetzung offiziell zur "Chefsache" erklärt wurde, fehlt die entsprechende Initiative von Seiten des Bundeskanzlers als "Chef" und damit der politische Wille, vielen erkannten nichtnachhaltigen Entwicklungen ernsthaft entgegen zu steuern. Damit könnte die österreichische Nachhaltigkeitsstrategie das
Schicksal so mancher anderer ambitionierter Vorhaben erleiden.
Die Umweltorganisationen als eine Stakeholder-Gruppe werden weitere Konkretisierungen und Verbindlichkeit einfordern.
Auch wenn in der österreichischen Strategie formuliert wurde, dass "Nachhaltige
Entwicklung eine Aufgabe ist, die über eine Legislaturperiode hinaus reicht", wollen
wir nicht auf politisch andere Zeiten warten. Handlungsbedarf gibt es jetzt!
Gastautorin Birgit Reiner, EU-Umweltbüro
im Umweltdachverband Österreich
• Weitere Informationen
aktiv werden
EU-Umweltbüro im Umweltdachverband, Birgit Reiner, Alser Straße 21, A1080 Wien
Tel. 0043 1 / 40113-35, Fax -50
eMail:
[email protected]
www.umweltdachverband.at/
eu-umweltbuero
Quelle: www.nachhaltigkeit.at
(insbesondere Rubriken "Strategie"
sowie "Thema" Juli 2004)
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
25
Nationale Ebene: Tschechien
Ein steiniger Weg mit vielen
Hindernissen
Noch ist nichts entschieden: Die
tschechische Nachhaltigkeitsstrategie
Der Prozess zum Entwurf der tschechischen Nachhaltigkeitsstrategie war ein
steiniger Weg mit vielen Hindernissen.
Zwischen 1992 und 1996 wurde der Begriff "Nachhaltige Entwicklung" durch die
tschechische Regierung als Unwort betrachtet. Auf der Rio+5-Sondergeneralversammlung der UN 1997 in New York
übernahm jedoch auch Tschechien gemeinsam mit anderen Ländern die Verpflichtung, beim Weltgipfel für Nachhaltige
Entwicklung (WSSD) 2002 in Johannesburg eine Nationale Nachhaltigkeitsstrategie zu präsentieren.
Das Projekt "Zu einer nachhaltigen
Tschechischen Republik"
1998-2001 unterstützte die UNDP ein
großes Projekt mit dem Titel "Zu einer einer nachhaltigen Tschechischen Republik". Alle Interessengruppen waren in die
Umsetzung einbezogen. Eines der Ergebnisse war die Skizze einer Nationalen
Nachhaltigkeitsstrategie. Das Umweltministerium beschloss, die Ergebnisse des
Projekts für den Gipfel von Johannesburg
zu nutzen. Deshalb wurde das Projekt dahingehend modifiziert, dass das Ergebnis
in einen Entwurf zur Strategie mündete,
obwohl es nicht vollständig den Anforderungen an eine Nachhaltigkeitsstrategie
entsprach.
Kurz vor dem WSSD änderte der Umweltminister jedoch seine Meinung, lehnte den
Entwurf der Strategie ab und berief eine
neue Expertengruppe, um eine andere
Nationale Strategie für Nachhaltige Entwicklung vorzubereiten. Die Zeit hierfür
war extrem kurz - nur etwa 3 Monate. Der
Entwurf wurde ohne die Beteiligung von
Interessengruppen verfasst. Im Stadium
des interministeriellen Kommentars wurde
sie als inakzeptabel abgelehnt. So kam
die Tschechische Republik ohne Strategie
nach Johannesburg.
Der Rat für Nachhaltige Entwicklung
Im August 2003 richtete die tschechische
Regierung einen Rat für Nachhaltige Entwicklung als beratendes Gremium ein.
Dessen Hauptaufgabe besteht darin, die
Ausarbeitung der Nationalen Strategie für
Nachhaltige Entwicklung sicherzustellen.
Der Rat besteht aus Vertretern aller Minis-
26
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
T
terien und anderen nationalen Behörden,
des wissenschaftlichen Sektors, der Regionen sowie von NGOs und Gewerkschaften.
Endfassung im November 2004
Sofort nach seiner Einrichtung ging der
Rat an die Strategieentwicklung. Die Arbeit
an der neuen Nachhaltigkeitsstrategie begann im Februar 2004, die letzte Version
wurde dem Rat Anfang Juni 2004 vorgeschlagen. Auf seinem jüngsten Treffen beschloss der Rat, den Termin für die Endfassung auf November 2004 zu verschieben.
Die Nachhaltigkeitsstrategie ist für einen
langen Zeitraum von 30 Jahren ausgelegt.
Der Entwurf wurde durch den Rat, die beteiligten Interessengruppen und die Öffentlichkeit genehmigt. Basierend auf dem
Entwurf, deckt die Strategie alle drei Säulen der Nachhaltigen Entwicklung1 und die
Prinzipien verantwortungsbewusster Regierungsführung ab. Für diese vier Teile
der Strategie sind Schlüsselprioritäten
und Ziele festgelegt.
Das Kommunikations-Kommitee
Um eine breite Diskussion über die Strategie während des Entwurfs-Prozesses zu
gewährleisten, richtete der Rat ein so genanntes Kommunikations-Komitee ein.
Der Strategie entsprechend wurden alle
Versionen des Dokuments auf der Internetseite des Rates veröffentlicht und auch
für Kommentare der allgemeinen Öffentlichkeit geöffnet. In verschiedenen Regionen fanden insgesamt zehn Runde Tische
statt, an denen diverse Interessenvertreter aus den Regionen beteiligt waren. Die
Reaktion der Teilnehmer dieser Treffen
war sehr positiv und ihre Kommentare
dienen der Verbesserung des Entwurfs.
Anfang Mai 2004 organisierte das Kommunikations-Komitee ein "Forum für
Nachhaltige Entwicklung", um den Entwurf
der Strategie und die Aktivitäten des Rates zu diskutieren. Vertreter aller Interessengruppen nahmen daran teil. Während
der Arbeit an der Strategie hatten auch
alle Minister Gelegenheit die Strategie zu
kommentieren.
1 ökologische Tragfähigkeit, soziale Gerechtigkeit,
wirtschaftliche Stabilität
Der weitere Verlauf
Die Aktivitäten der NGOs während des
Entwurfsprozesses der Strategie waren
relativ gering. Dagegen brachten die verschiedenen Regierungsvertreter ihre Positionen zum Text der Strategie sehr deutlich zum Ausdruck. Es gibt aber auch einen gewissen Widerstand gegen die
Nachhaltigkeitsstrategie, insbesondere
aus den Wirtschaftsministerien.
Momentan ist noch nicht klar, was der
Auftrag des Dokuments sein wird. Es soll
durch die tschechische Regierung beschlossen werden. Allerdings ist noch
nicht entschieden, ob es nur für die Regierung bindend ist oder ob es als nationales Gesetzesdokument Vorgaben und
Leitlinien für die gesamte Gesellschaft
darstellen wird.
Der Verlauf der Regierungskrise, die sich
aus den Ergebnissen der Wahlen zum Europäischen Parlament entwickelte, wird
über das weitere Schicksal der tschechischen Nachhaltigkeitsstrategie entscheiden.
Gastautor/innen: Eva Kruzikova, Institut
für Umweltpolitik, Prag; Jiri Dlouhy, Society
for Sustainable Living, Prag
(übersetzt aus dem Englischen: bv)
• Weitere Informationen
Ústav pro ekopolitiku, Eva Kruzikova
(Direktorin), Hradební 3, CZ-11000
Praha 1
Tel. 00420 224826567
Fax 00420 22408260593
eMail: [email protected]
T
Regionale Ebene: Tschechien
Pilotprojekte für regionale
Nachhaltigkeitsstrategien
Zwei tschechische Landkreise werden
Beispielregionen
In der Tschechischen Republik vollzieht
sich schrittweise, ähnlich wie in anderen
Staaten der EU und der OECD, die konzeptionelle Planung der nachhaltigen
Entwicklung. Für die 1990er Jahre war ein
Vorgehen auf nationaler Ebene charakteristisch, das durch die Forderungen der
internationalen Gemeinschaft - durch die
Konferenzen der UNO über Nachhaltige
Entwicklung in Rio de Janeiro und Johannesburg - motiviert war. Dies führte in vielen Staaten zur Erarbeitung einer Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie.
Wie u.a. die kürzlich erschienene Publikation der Europäischen Kommission zeigt,
die 20 vorliegende Nachhaltigkeitsstrategien der EU-Mitgliedsländer bewertet, haben diese Strategien mit ähnlichen Problemen zu kämpfen:
- unzureichende Definition der Prioritäten
der einzelnen Themen,
- unklar formulierte Beziehungen zwischen den einzelnen Pfeilern der Nachhaltigen Entwicklung (Umwelt, Soziales,
Wirtschaft), wobei die Bezifferung der finanziellen Aufwendungen und der administrativen Forderungen zur Realisierung
der Ziele fehlt.
Das Ergebnis ist eine sehr schwache Wirkung der Nachhaltigkeitsstrategien in der
Praxis.
Auf regionaler Ebene entfalteten (und entfalten) sich in vielen Ländern der Welt
gleichzeitig mehr oder weniger erfolgreiche Prozesse der Lokalen Agenda 21
oder der neu geschaffenen Lokalen Aktionen 21 - strategische Pläne für eine
Nachhaltige Entwicklung, die unter direkter Teilnahme der Öffentlichkeit entstehen.
Die Interaktion zwischen diesen Ebenen
ist jedoch minimal - die Nationalen Strategien sind insgesamt zu allgemein formuliert und bleiben ohne konkrete Auswirkungen auf die Realität in den Kommunen
und Regionen. Umgekehrt sind lokale
Prozesse oft erfolgreich im Lösen von
Teilaspekten der Nachhaltigen Entwicklung - z.B. beim Recycling und der Wiederverwendung von Abfällen -, aber selten
schieben sie einen notwendigen Wandel in
breiterem Umfang an.
Textende
siehe Kontakt
Die logische Konsequenz aus dieser Situation in der Tschechischen Republik
(aber beispielsweise auch in Großbritannien, Frankreich oder Skandinavien) wäre
die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen nationaler und lokaler Ebene - den
Regionen - zur Entwicklung konzeptioneller Lösungen für eine Nachhaltige Entwicklung. Gegenwärtig beginnen die Institutionen auf Kreisebene im Rahmen ihrer
Zuständigkeiten die Durchsetzung der
Prinzipien der Nachhaltigen Entwicklung
zu fordern. Die Kreisbehörden versuchen
die Prinzipien der Nachhaltigen Entwicklung in ihre strategischen Pläne einzuarbeiten, einschließlich der Strategien der
lokalen Entwicklung.
Pilotprojekt in den Landkreisen Liberec
und Ústí nad Labem
Im April 2004 begann das Pilotprojekt
"Unterstützung bei der Vorbereitung einer
Nachhaltigen Entwicklungsstrategie in
ausgewählten Landkreisen der Tschechischen Republik". Verantwortlich dafür ist
das Institut für Umweltpolitik (Ústav pro
ekopolitiku), eine gemeinnützige Organisation. Projektziel ist die Entwicklung und
Erprobung einer Methodik zur Erarbeitung
dieses konzeptionellen Dokumententyps
auf der regionalen Verwaltungsebene. Auf
dieser Grundlage sollen zwei Nachhaltigkeitsstrategien für die Kreisebene formuliert werden.
Das Projekt hat den Anspruch, das öffentliche Bewusstsein für Nachhaltige Entwicklung zu wecken, das bisher sehr schwach
ausgeprägt ist. Nachhaltigkeit wurde in
Tschechien bislang auch unter Experten
als zu unkonkret oder als "ökologische
Ideologie" angesehen. Beispielhafte KreisStrategien haben aber bewiesen, dass
diese Sichtweise falsch ist und dass das
Konzept der Nachhaltigen Entwicklung in
der Praxis sehr greifbare und konkrete
Ergebnisse haben kann - bei weitem nicht
nur auf dem Gebiet des Umweltschutzes.
Die Verwaltungen der Landkreise Liberec
und Ústí nad Labem - als Beispielregionen
für die Strategieerarbeitung - wurden zu
Projektpartnern, gemeinsam mit dem Umweltministerium und dem Ministerium für
Regionalentwicklung. Das Projekt läuft unter Schirmherrschaft und Mitfinanzierung
des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) nach dessen internationalem Organisationsschema.
aktiv werden
Das verbindliche Rahmendokument für
beide Regionalstrategien stellt die neue
Nachhaltigkeitsstrategie der Tschechischen Republik dar, deren Ausarbeitung
durch das Institut für Umweltpolitik begleitet wird. Die Strategien knüpfen an bestehende Prozesse an, die auf unterschiedlichen Stufen die Nachhaltige Entwicklung
in den beiden erwähnten Regionen voranbringen und auf den strategischen und
konzeptionellen Papieren basieren, die
bereits beschlossen wurden oder auf regionaler oder staatlicher Ebene verhandelt werden.
Methodik der regionalen Strategien
Die Nachhaltigkeitsstrategien sind in drei
Gruppen unter wirtschaftlichen, sozialen
und Umwelt-Gesichtspunkten vorbereitet
worden, die in der "Methodischen Anleitung zur Erarbeitung regionaler Strategien der Nachhaltigen Entwicklung" unter
Berücksichtigung der öffentlichen Beteiligung ausgearbeitet wurden.
Die Strategien werden mit einer Methodik
aus Konsens und Partizipation in Kooperation mit Facharbeitsgruppen entwickelt,
die von Vertretern der Landkreise und
weiteren regionalen Teilnehmern ("Stakeholder") gebildet werden (Unternehmer,
Bildung, Soziales, Gesundheitswesen, gemeinnützige Organisationen, Gemeinden,
Regierung, Öffentlichkeit). Die Methodik
nutzt Erfahrungen aus der konzeptionellen Planung der Nachhaltigen Entwicklung
auf lokaler Ebene, die in Großbritannien
und in den USA in der Praxis geprüft worden sind, und berücksichtigt gleichzeitig
die tschechischen Spezifika und die bestehenden Bedingungen in beiden Regionen.
Der methodische Rahmen kann ohne bedeutende Veränderungen auch in anderen
tschechischen Regionen sowie - je nach
Eignung - bei der Vorbereitung von Nachhaltigkeisstrategien auf anderen Verwaltungsebenen (städtischen, mikrolokalen
oder nationalen) angewendet werden.
Die Methodik beruht auf folgenden Voraussetzungen:
- Die Regionalstrategien legen die Hauptziele und besonders konkrete Ziele und
Prioritäten beider Regionen für 20052020 sowie Perspektiven und Visionen
bis 2030 fest.
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
27
Regionale Ebene: Tschechien
- Die Ziele werden kurzfristig auf 1-2 Jahre, mittelfristig auf 3-5 Jahre und langfristig auf 5-15 Jahre entwickelt.
Die Vorbereitung der Strategien schließt
ein:
- Analyse und Bewertung der Nachhaltigkeit existierender strategischer und konzeptioneller Dokumente,
- Analyse statistischer Daten und anderer
relevanter Angaben,
- SWOT-Analyse (Analyse von Stärken und
Schwächen, Chancen und Risiken),
- Festlegung eines Leitbildes der Nachhaltigen Entwicklung,
- Festlegen allgemeiner Prinzipien für die
Nachhaltige Entwicklung in beiden Regionen;
- Festlegung von konkreten Zielen und
von Indikatoren für deren Erreichung,
- Festlegen der Mittel zur Erreichung der
Ziele (konkrete Maßnahmen und Aufgaben),
- Entwurf für eine institutionelle Gewährleistung des Managements der Nachhaltigen Entwicklung,
- Entwurf finanzieller Maßnahmen zur
Realisierung der Ziele,
- Entwurf für das Monitoring und die Auswertung der Strategien.
Realitätsbezug und Realisierbarkeit einer
Strategie werden als Schlüsselforderungen angesehen (trotzdem muss die allgemeine Strategie sämtliche oben angeführte Kriterien erfüllen).
Ein häufiger Mangel zahlreicher Strategien
besteht in der "Nichtexistenz des Wesentlichen", das heißt, dass diese Strategien
keine Beschreibung beinhalten, wie die
geplanten Maßnahmen zum Erreichen der
gesetzten Ziele der Strategie beitragen
sollen. Solche Strategien können oft nicht
die Frage beantworten, warum gerade die
aus d i e s e r Strategie resultierenden
Maßnahmen besser als die Umsetzung
ähnlicher, bisher schon durchgeführter
Maßnahmen sein sollen. Eine effektive
Strategie muss vor allem realistisch sein.
Auf der Basis der oben genannten allgemeinen Forderungen zur Strategie-Erarbeitung wird jede Strategie in folgende
Abschnitte unterteilt:
Der a n a l y t i s c h e Teil soll beinhalten:
- Einführung,
- Situationsanalyse der Nachhaltigen Entwicklung der Region,
28
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
T
- SWOT-Analyse (Analyse von Stärken und
Schwächen, Chancen und Risiken),
- Indikatoren für eine nachhaltige Entwicklung,
- Bewertung der Nachhaltigkeit strategischer Dokumente der Region,
- Ergebnisse von Meinungsforschungen,
- Vorschlag der strategisch vorrangigen
Gebiete
Der s t r a t e g i s c h e Teil soll umfassen:
- Perspektive der Nachhaltigen Entwicklung der Region,
- deren Ziele und Indikatoren,
- Mittel (konkrete Maßnahmen und Aufgaben) zur Erreichung der Ziele,
- institutionelle und organisatorische Absicherung der Nachhaltigen Entwicklung,
- finanzielle Maßnahmen zur Realisierung
der Ziele,
- Kontrolle, Empfehlungen für staatliche
und lokale Zugänge (Politiker).
Beteiligung von Öffentlichkeit und
Interessengruppen
Die Beteiligung der Öffentlichkeit an der
Vorbereitung und Realisierung der Nachhaltigkeitsstrategien ist eine der Schlüsselbedingungen für eine Nachhaltige Entwicklung und deren Planung. Eine Strategienvorbereitung auf der Grundlage von
Konsens und Mitbeteiligung hilft mögliche
Konflikte bei der Umsetzung der Strategien zu vermeiden.
An der Vorbereitung und der Umsetzung
der Strategien in den beiden Regionen
nehmen von Beginn an Vertreter der Interessengruppen sowie der Öffentlichkeit
teil. Die Beteiligung der Öffentlichkeit vollzieht sich in Form qualitativer (Expertenbefragungen u.ä.) und auch quantitativer
soziologischer Untersuchungen. Letztere
betreffen Experten, die sachverständige
Öffentlichkeit und die breite Öffentlichkeit
(Haushalte). Darüber hinaus wird eine
breite Diskussion mit der sachverständigen und der Laienöffentlichkeit ermöglicht
- formalisiert durch eine Facharbeitsgruppe und durch öffentliche Behandlung der
einzelnen Abschnitte. Geplant ist auch eine Werbekampagne in beiden Regionen.
Das Projekt soll sich auf zwei Konferenzen
präsentieren: eine Verlaufskonferenz in
Liberec und eine Abschlusskonferenz in
Ústí nad Labem.
Dss Projekt will die gewonnenen Erfahrungen, besonders die Methodik der Strategie-Erarbeitung, auf weitere tschechi-
sche Regionen ausdehnen. Die Erfahrungen sollen auf Seminaren mit Vertretern
weiterer Kreisbehörden unter Teilnahme
von Interessengruppen verbreitet werden.
Der Strategienentwurf wird öffentlich diskutiert und in seine Endfassung gebracht,
wobei die von der Öffentlichkeit eingebrachten Hinweise eingearbeitet werden.
Dann werden die Strategien den Räten
und Vertretungen der Kreisbehörden zur
Beschlussfassung vorgelegt. Die angenommenen Strategien werden auf den Internetseiten beider Landkreise und der
beiden Ministerien veröffentlicht und ausführlich der Öffentlichkeit vorgestellt.
Die Ausarbeitung der Strategien hat unter
Berücksichtigung der Umweltaspekte zu
erfolgen (Strategische Umweltprüfung SEA).
Nach der Formulierung der Strategien für
die Landkreise Liberec und Ústí nad Labem werden in beiden Kreisen Pilotprojekte durchgeführt. Sie sollen die Prinzipien
der Nachhaltigen Entwicklung für die Öffentlichkeit anschaulich machen und so
zum greifbaren Projektergebnis werden.
Die Eckpunkte der Pilotprojekte werden
entsprechend den jeweiligen lokalen
Nachhaltigkeitsstrategien festgelegt. Es
sollen Mikroprojekte mit konkreten Aktionen sein, die den Zielen der Nachhaltigen
Entwicklung der entworfenen Strategien
entsprechen.
Gastautoren: Štepán Hrebík, Viktor
Trebický, Institut für Umweltpolitik, Prag
• Weitere Informationen
Ústav pro ekopolitiku, Štepán Hrebík,
Viktor Trebický, o.p.s., Hradební 3,
CZ-110 00 Praha 1
eMail: [email protected]
Regionale Ebene: Polen
T
Polens Kommunen stehen oft
noch am Anfang
Gute Einzelbeispiele, aber nur wenig
Informationen für die Bürger/innen
Seit die zehn neuen Mitglieder zur "Europäischen Familie" gehören, ist auch das
Interesse an den Beitrittsländern größer
geworden. Viele Menschen machen sich
Gedanken, wie die neue Realität nach der
EU-Erweiterung für sie aussehen wird.
Angesichts der Neuaufteilung Europas
stellt sich auch die Frage, ob die Zukunft
in den neuen Mitgliedsländern mit einer
nachhaltigen Entwicklung assoziiert wird
und wie weit die Nachhaltigkeitsstrategien
fortgeschritten sind.
Jedes neue Mitgliedsland sollte sich dafür
einsetzen, dass die Nachhaltigkeitsstrategie nicht nur als Dokument existiert, sondern auch in allen Lebensbereichen spürbar wird. Schwerpunkte der Strategie sind
soziale Gerechtigkeit, ökologische Stabilität und wirtschaftliche Tragfähigkeit. Polen
als das größte neue EU-Mitglied sollte mit
einem guten Beispiel vorangehen - ist das
aber wirklich so?
Die polnische Nachhaltigkeitsstrategie
"Polska 2025" wurde vom Staatlichen
Zentrum für Strategische Studien in Zusammenarbeit mit dem polnischen Umweltministerium erarbeitet. Die Regierung
hat sie im Jahr 2003 verabschiedet. Sie
soll in allen Sektoren und mit Beteiligung
verschiedener Interessengruppen umgesetzt werden.
Sicherheit und soziale Gerechtigkeit stehen in der Nachhaltigkeitsstrategie als
Hauptziele. Zu den wichtigsten Problemen, die bewältigt werden sollen, zählen
vor allem das niedrige Wirtschaftswachstum, die Umweltrisiken und falsche Produktions- und Konsummuster. Grundzüge
einer Nachhaltigkeitsdebatte kann man
zwar schon in der polnischen Politik seit
1991 ausmachen, als Schwerpunkt wurde
die Frage der Nachhaltigkeit aber erst
später in die nationale Diskussion aufgenommen.
Die Konferenz "Verwaltung mit
Nachhaltiger Entwicklung" 2002
Im Dezember 2002 fand in Warschau die
Konferenz "Verwaltung mit nachhaltiger
Entwicklung - Agenda 21 in Polen" statt.
Die Warschauer Konferenz war die einzige
in Osteuropa mit dem Thema, ob und in
Textende
siehe Kontakt
welchem Maße die Beschlüsse der RioKonferenz umgesetzt wurden. Die über
300 Teilnehmer/innen aus dem ganzen
Land kamen aus verschiedenen Bereichen, darunter Vertreter/innen der öffentlichen Verwaltung, des Bildungswesens
und von Nichtregierungsorganisationen
(NGO) sowie Unternehmer und Wissenschaftler.
An der Konferenz beteiligten sich auch internationale Experten aus dem UN Department of Economic and Social Affairs1.
Ziel der Veranstaltung war nicht nur zu
zeigen, welche Erfahrungen mit der Planung nachhaltiger Entwicklung auf der lokalen Ebene gemacht wurden - im Vordergrund standen vor allem Diskussionen
und ein Resümee des schon Erreichten.
So wurden Modellbeispiele der Strategierealisierung durch einzelne Kommunalverwaltungen vorgestellt und positive Erfahrungen ausgetauscht.
Am Ende der Konferenz wurden Vertreter/innen von Kommunalverwaltungen
ausgezeichnet, die sich an der Realisierung der gemeinsam mit der UNDP2
durchgeführten Projekte aktiv beteiligten.
Gerade Kommunalverwaltungen als hauptsächliche Träger des Agenda-Prozesses
können die meisten Probleme lösen.
Verpflichtungen für Gemeinden und
Wojewodschaften
Polnische Gemeinden sind durch das Verwaltungs- und Umweltgesetz verpflichtet,
ein Umweltschutzprogramm und eine
Nachhaltigkeitsstrategie zu erarbeiten, die
dann konsequent umgesetzt werden
muss. Auch die Bevölkerung muss zur aktiven Beteiligung am Agenda-Prozess animiert werden.
Neben den Gemeinden müssen nach dem
neuen Umweltgesetz von 2001 auch die
Kreise und Wojewodschaften eigene Umweltschutzprogramme erarbeiten und sie
regelmäßig überprüfen.
Darüber hinaus sind die Wojewodschaften
verpflichtet, regionale Entwicklungsstrategien zu erarbeiten, die sich aber nicht
1 Abteilung für ökonomische und soziale Belange
der Vereinten Nationen (DESA),
www.un.org/esa/desa.htm
2 UN Development Programme, Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, www.undp.org
aktiv werden
konkret auf Umwelt oder Nachhaltigkeit
beziehen müssen.
Die tatsächliche Umsetzung dieser gesetzlichen Verpflichtungen ist jedoch noch
weit vom gewünschten Ziel entfernt. Die
Realisierung einer nachhaltigen Entwicklung ist zwar in den Gemeinden am meisten fortgeschritten, aber noch lange nicht
ausreichend. Nach den Beschlüssen von
Rio hätte jede polnische Gemeinde bis
zum Jahr 2000 ihre eigene Lokale Agenda
21 erarbeiten und einführen sollen. In der
Realität gibt es aber Gemeindebehörden,
denen das Thema Lokale Agenda 21 und
Nachhaltigkeit fremd ist. Die Regionen
und Kreise befinden sich heute erst im
Anfangsstadium. Auch die Beteiligung der
Bürger an der Lokalen Agenda und die
Rolle der NGOs sind eher gering ausgeprägt. Die große Diskrepanzen sind vor
allem vom unterschiedlichen Aufklärungsgrad über das Thema abhängig.
Andererseits gibt es Beispiele, wo eine
Nachhaltigkeitsstrategie vorbildlich realisiert wird. Zu den Kommunen mit guten
Erfahrungen gehören Barlinek, Radom,
Elk, Slupsk, Luban, Kamienna Gora und
auch Jelenia Gora.
In zwei polnischen Städten, Radom
(230.000 Einwohner) und Elk (56.000
Einwohner), wurden 1994 verschiedene
innovative Umweltprojekte durchgeführt,
die als Ergebnis einer Zusammenarbeit
zwischen dem Institute For Sustainable
Communities3 in Montpelier (USA), dem
National Center For Environmental Research4 in Washington und dem Institute
for Sustainable Development in Warschau5
entstanden sind. Daraus folgend wurden
konkrete Investitionen geplant und realisiert, zum Beispiel die Modernisierung der
mechanisch-biologischen Kläranlage in
Radom. Dieses Projekt wurde auf Expo
2000 in Hannover als Modellbeispiel der
Lokalen Agenda ausgezeichnet.
Die polnischen Gemeinden sind bei der
Erarbeitung der Nachhaltigkeitsstrategie
nicht auf sich selbst angewiesen. Seit
1997 steht ihnen das "Umbrella Project"6
zur Verfügung, das vom UNDP ins Leben
3 www.iscvt.org
4 http://es.epa.gov/ncer
5 Instytut na rzecz Ekorozwoju, www.ine-isd.org.pl/en
6 www.umbrella.org.pl/engproj
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
29
Service T
gerufen wurde. Dort können die Kommunen Unterstützung beantragen.
Veranstaltungsreihe
"Nachhaltiges Europa"
Auf der Suche nach kompetenten Quellen
über die Nachhaltigkeitsstrategie in Polen
macht man übrigens die Erfahrung, dass
nur wenige Informationen allgemein zugänglich sind. Dies hat nicht nur mit mangelndem Interesse an diesem wichtigen
Thema zu tun, sondern vielmehr mit einem enormen Nachholbedarf auf diesem
Gebiet.
Informationsveranstaltungen zur
EU-Strategie in fünf Städten
Gastautorin: Dorota Jurek, Grüne Liga
• Weitere Informationen
Grüne Liga, Bundeskontaktstelle Internationales, Dorota Jurek, Prenzlauer
Allee 230, 10405 Berlin
Tel. 030 / 443391-70, Fax -75
eMail: [email protected]
Quellen:
www.agenda21.warszawa.um.gov.pl/
konfer.htm
www.agenda21.warszawa.um.gov.pl/
konfer2002htm
www.nachhaltigkeit.at
Gemeinsam mit Perspektiven Globaler Politik (PerGlobal), der Grünen Liga und der
Europäischen Kommission führt der DNR
die Veranstaltungsreihe "Nachhaltiges Europa" durch. Fünf lokale Tagesveranstaltungen, die in verschiedenen Städten
Deutschlands stattfinden, sollen zur Informationsvermittlung und -analyse der
EU-Nachhaltigkeitsstrategie und deren
Bedeutung für den nationalen und regionalen Bereich beitragen.
Die Veranstaltungen werden in Kooperation mit den Akteuren aus Umweltverbänden, Industrie, Universitäten und Politiker/innen vor Ort sowie aus Berlin und
Brüssel organisiert. Sie sollen eine intensive Kommunikation und gegenseitige
Wahrnehmung der an Nachhaltigkeitsprozessen Aktiven und Interessierten aus den
unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen ermöglichen.
Themen
- Die Bedeutung der Europäischen Nachhaltigkeitsstrategie für Europa, Deutschland und die Regionen
- Erneuerbare Energieträger und Nachhaltige Entwicklung
- Nachhaltige Finanzierungsmechanismen
- Klimawandel und Umweltkatastrophen Zeit für das Leitbild der Nachhaltigkeit
- Wirtschaftliche Globalisierung, Soziale
Absicherung und Nachhaltige Entwicklung
- Wie nachhaltig ist grenzenloser Wettbewerb?
September, München: Wie nachhaltig
ist grenzenloser Wettbewerb?
Die nächste Veranstaltung wird am 13.
September 2004 in München zum Thema
"Wie nachhaltig ist grenzenloser Wettbewerb?" stattfinden.
Folgende Fragen stehen im Mittelpunkt:
- Welche ersten Erfolge hat die Nachhaltigkeitsstrategie bei der Erreichung ihrer
langfristigen Ziele in den Bereichen Bekämpfung der Armut und sozialen Ausgrenzung / Ausbau und Erhaltung von
Arbeitsplätzen, bzw. Abbau der Arbeitslosigkeit / Sozialpolitik im Spannungsfeld
zwischen Europa und den Nationalstaaten vorzuweisen?
30
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
- Welche Maßnahmen sind notwendig, um
zu einer "kohärenten langfristigen Perspektive [statt] zu einer zu starken
Konzentration auf die kurzfristigen Kosten" zu kommen.
- Wie können - insbesondere in Hinblick
auf die Erweiterung - soziale Standards
in den Mitgliedstaaten erhalten und ausgebaut werden?
- Wie wurde die europäische Politik der
nachhaltigen Entwicklung bisher unter
dem Einfluss von wirtschaftlicher Globalisierung und Handelsliberalisierung
durchgesetzt?
- Inwieweit wurde die Forderung nach einer Nachhaltigen Politik bei Entscheidungen über weitere Marktöffnung und
Liberalisierung sowie eine noch stärkere
Einbeziehung der Privatwirtschaft berücksichtigt?
- Inwiefern werden die Nachhaltigkeitsziele bei aktuellen Politikvorhaben berücksichtigt?
- Kann man von Fortschritten hin zu einer
"wohlhabenderen und gerechteren Gesellschaft" sprechen?
November, Frankfurt am Main:
Nachhaltige Finanzinstrumente
Die vorläufig letzte Veranstaltung der Reihe "Nachhaltiges Europa" wird voraussichtlich Anfang November in Frankfurt am
Main stattfinden und sich mit nachhaltigen
Finanzinstrumenten beschäftigen. (ng)
• Weitere Informationen
www.nachhaltiges-europa.de
Service
T
Internet-Links zum Thema
Nachhaltige Entwicklung
Global Policy Forum
www.globalpolicy.org
Zivilgesellschaft
Grüne Liga
www.grueneliga.de
Agenda-Transfer - Bundesweite Servicestelle Lokale Agenda 21
www.agendaservice.de
Attac
www.attac-netzwerk.de
Bund für Umwelt und Naturschutz
Deutschland (BUND)
www.bund.net
Center of Concern
www.coc.org
Citizens United for Renewable Energy and
Sustainability (CURES)
www.cures-network.org
Communication Rights in the Information
Society (CRIS)
www.crisinfo.org
International Institute for Sustainable
Development (IISD)
www.iisd.ca
www.iisd.org
Kritik der Nachhaltigkeitsdebatte
www.projektwerkstatt.de/aes/nach_kritik
Lokale Agenda 21 Netzwerk Deutschland
www.agenda21-netzwerk.de
Naturschutzbund Deutschland (NABU)
www.nabu.de
Netzwerk Erneuerbare Energien Nord-Süd
www.ee-netz.de
Oxfam
www.oxfam.org
Deutscher Naturschutzring (DNR)
www.dnr.de
Perspektiven Globaler Politik (PerGlobal)
www.perglobal.org
Electronic Frontier Foundation (EFF)
www.eff.org
SAPRIN - Structural Adjustment Participatory Review International Network
www.igc.orgdgap/saprin
Entwicklungspolitik Online
www.epo.de
SocialWatch
www.socialwatch.org
Erklärung von Bern (EvB)
www.evb.ch
Sustainability Strategy
www.sustainability-strategy.net
Europäisches Umweltbüro
www.eeb.org
Evangelischer Entwicklungsdienst (EED)
www.eed.de
Focus on the Global South
www.focusweb.org
UNED Forum
www.earthsummit2002.org
Forum Umwelt und Entwicklung
www.forumue.de
Gena.net - Leitstelle Geschlechtergerechtigkeit und Nachhaltigkeit
www.genanet.de
Global CN - Platform for Community Networks
www.globalcn.org
siehe Kontakt
Terre des Hommes
www.tdh.de
Third World Network
www.twnside.org.sg
Foro Global
www.ffdforoglobal.org
Textende
Sustainable Development Forum
www.sd-forum.de
Verband Entwicklungspolitik (VENRO)
www.venro.org
World Economy, Ecology & Development
(WEED)
www.weedbonn.org
Worldwatch Institute
www.worldwatch.org
aktiv werden
Organisationen und Institutionen
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU)
www.bmu.de
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
www.bmz.de
Convention on Biological Diversity
www.biodiv.org
Economic and Social Council (ECOSOC)
www.un.orgesa/coordination/ecosoc
European Environment and Sustainable
Development Advisory Council (EEAC)
www.eeac-network.org
Europäische Kommission
www.eu-kommission.de
Europäische Union
www.europa.eu.int
Internationale Konferenz für Erneuerbare
Energien "renewables 2004"
www.renewables2004.de
International Monetary Fund (IMF)
www.imf.org
International Telecommunication Union (ITU)
www.itu.int
Internet Corporation for Assigned Names
and Numbers (ICANN)
www.icann.org
International Monetary Fund (IMF)
www.imf.org
Nachhaltigkeit und zivilgesellschaftliche
Partizipation
www.nachhaltigkeits-check.de
Nachhaltigkeitsrat Österreich
www.nachhaltigkeit.at
Rat für Nachhaltige Entwicklung
www.nachhaltigkeitsrat.de
United Nations (UN)
www.un.org
United Nations Conference On Trade and
Development (UNCTAD)
www.unctad.org
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
31
Service
T
United Nations Convention to Combat
Desertification (UNCCD)
www.unccd.int
United Nations Development Programme
(UNDP)
www.undp.org
United Nations Divison for Sustainable
Development (CSD)
www.un.orgesa/sustdev
United Nations Educational, Scientific and
Cultural Organization (UNESCO)
www.unesco.org
United Nations Environmental Programme
(UNEP)
www.unep.org
United Nations Financing for Development
www.un.orgesa/ffd
United Nations Framework Convention on
Climate Change (UNFCCC)
http//unfccc.int
United Nations Peace and Security
www.un.orgpeace
World Bank
www.worldbank.org
World Intellectual Property Organization
(WIPO)
www.wipo.org
World Summit on the Information Society
(WSIS)
www.itu.int/wsis
World Summit on Sustainable Development (WSSD)
www.johannesburgsummit.org
World Trade Organization (WTO)
www.wto.org
(bv)
32
DNR EU-Rundschreiben Sonderteil 07.04
Aktuelle und kostenlose
Informationen per eMail
EU-Rundschreiben im Internet
www.dnr.de/publikationen/eur
Newsletter und Mailinglisten zu
Umwelt und Nachhaltigkeit
Aktuelle und unabhängige Meldungen zu
Nachhaltigkeit, Umwelt in (Ost-)Europa
und weiteren ökologischen Themen sendet der DNR Info-Service tagesaktuell per
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können ihn im Internet bestellen unter
www.dnr.de/publikationen/infoservice
(Thema bzw. Land angeben, z.B. EU- Umweltpolitik, Nachhaltigkeit, Polen, Tschechien).
Eine vom DNR-Redaktionsbüro zusammengestellte und geprüfte Übersicht weiterer eMail-Dienste ist im Internet zu finden: www.dnr.de/umweltinfo
Hier finden Sie diesen und alle früheren
EUR-Sonderteile zum kostenlosen Download als PDF-Datei. Ebenfalls herunterladen können Sie Auszüge aus dem aktuellen EU-Rundschreiben sowie die vollständigen früheren Ausgaben ab Januar 2000.

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